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Erster Weltkrieg: In Erinnerung an Zugsführer Franz Keim
from ERKER 12 2020
by Der Erker
Sommer 1915, die ersten Kriegsmonate. Während im Karst und im Cadore blutige Schlachten geschlagen wurden, wurde im Sektor Valcamonica, wie an der übrigen Front der Ersten Armee, der Befehl gegeben, die Stellungen zu halten, ohne jedoch lokale Offensiven zur Verbesserung der Verteidigungsstruktur auszuschließen. Nach dieser letzten Disposition waren die Alpini des Morbegno-Bataillons die ersten, die in Aktion traten, aber bei dem vergeblichen Versuch, den Passo Paradiso zu erobern, ließen sie eine große Zahl von Toten und Verwundeten auf dem Gletscher zurück. Am Ende der Schlacht und bis in den späten Abend hinein versorgten die österreichischen Soldaten des 2. Landesschützenregiments, eine weiße Fahne schwenkend, die verwundeten Italiener und gewährten den Gefallenen ein würdiges Begräbnis. Nach einem Bericht mit dem Titel „Gefecht am Passo Paradiso am 9 Juni 1915“ wurden drei Offiziere und fünfzehn Alpini-Soldaten auf dem Schlachtfeld zurückgelassen, während ein Hauptmann und vier schwer verwundete Soldaten die Nacht nicht überlebten. Zu ihrem Gedenken wurde auf einem nahegelegenen Felsblock mit schwarzer Farbe folgende Inschrift angebracht: „† Im Gefechte am 9.VI.1915 starben den Heldentod: H(au)ptm(ann) G. Villani L(eu)t(nant) M. Pompelo [Pompele] L(eu)t(nant) P. Petrani [Petterino] u(nd) 1 L(eu)t(nant)
Der Artikel über den Gefallenen Franz Keim aus Sterzing ist in italienischer Sprache in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift „L’Alpino“ unter dem Titel „Onore delle armi. Sull’Adamello l’omaggio cavalleresco al nemico valoroso“ erschienen. Zugsführer Franz Keim aus Sterzing
[Arrigoni] mit 19 Mann des 5. Alpini Reg(iments)“. Ein Foto, auf dem diese Worte zu lesen waren, wurde über das Österreichische Rote Kreuz an einen Ableger des 5. Alpini-Regiments in Mailand und von dort zusammen mit persönlichen Gegenständen an die Familie des Hauptmanns Giuseppe Villani geschickt. Villanis Leichnam wurde auf dem österreichischen Soldatenfriedhof von Stavel, unweit des Tonale-Passes, beigesetzt und nach dem Krieg in das Beinhaus von Castel Dante in Rovereto überführt. Einen Monat später unternahm das österreichisch-ungarische Kommando eine Überraschungsaktion gegen die italienische Garnison der Garibaldi-Hütte. Nachdem die Angreifer ihren Stützpunkt am Mandrone verlassen hatten, passierten sie in der Nacht auf den 15. Juli 1915 die Aussichtsposten; doch schon bald gerieten sie in feindliches Feuer und Italienische Soldaten erweisen dem Gefallenen Franz Keim die letzte Ehre.
mussten sich unter schweren Verlusten zurückziehen: Sechs Tote und zehn Gefangene hatten sie zu beklagen. Fünf Gefallene wurden in der Nähe begraben, und ein Steinmetz, ein gewisser V. Romano aus Biella, gravierte folgende Inschrift in einen Granitstein: „GLI ALPINI ITALIANI QUI COMPOSERO NELLA PACE ETERNA LE SALME DI 5 SOLDATI AUSTRIACI † AL PASSO GARIBALDI COMBATTENDO PER LA LORO PATRIA IL 15-7-1915”. Die Gedenktafel mit der Inschrift befindet sich bis heute dort oben, gut sichtbar am Weg, der zum Brizio-Pass führt. Der sechste Gefallene, identifiziert als Franz Keim, war schwer verletzt worden und kurz darauf in der Garibaldi-Hütte verstorben. Er wurde am Fuße eines großen Tonalitblocks zwischen der Schutzhütte und dem darunterliegenden See begraben. Derselbe Steinmetz gravierte folgende Worte in den Stein: „FRANZ KLEIN SOLDATO AUSTRIACO † AL PASSO GARIBALDI COMBATTENDO PER LA SUA PATRIA IL 157-1915“. Bevor er in das Grab – ein etwa 50 cm hoher Steinhügel – gelegt wurde, ehrten die Alpini sein Andenken, indem sie die Waffen vor seinem Sarg präsentierten. Wie schon einen Monat zuvor die Landesschützen zollten auch sie dem Mut ihres Gegners Respekt; die Geste wurde in einem Foto festgehalten, das später sehr berühmt werden sollte. Am nächsten Tag wurde im Bulletin des Oberkommandos verkündet, dass der feindliche Angriff auf die Garibaldi-Hütte durch die Gefangennahme der Soldaten abgewehrt worden sei. Die Nachricht fand auf den Titelseiten aller überregionalen Zeitungen Platz; später griff die Lokalzeitung „La Provincia di Brescia“ in einer Chronik über den Krieg in Adamello das Gefecht auf und wies darauf hin, dass das Begräbnis des gefallenen Österreichers mit militärischen Ehren unweit der Schutzhütte stattgefunden habe. Die Jahre vergingen, der Krieg ging zu Ende: Am 7. Juli 1920 führte eine Truppe der 22. Desinfektionsabteilung auf Anweisung von Kaplan Leutnant Don Antonio Aimale die Exhumierung von Kleins Leichnam – von dem allgemein angenommen wurde, dass es sich um einen Wiener Kadetten handelte – durch, um ihn in dem für die ös-
Sterbebild von Franz Keim
terreichisch-ungarisch Gefallenen reservierten Sektor des Militärfriedhofs von Val d‘Avio zu begraben. Die Inschrift blieb in Erinnerung an seinen Namen und an das Gefecht, bei dem er den Tod gefunden hatte, erhalten; mit dem Bau des Venerocolo-Staudamms Ende der 1950er Jahre wurde das Gebiet vom Wasser überflutet; es wird lediglich bei Niedrigwasser wieder sichtbar. Was bisher gesagt wurde, ist eine relativ bekannte Geschichte; nun ist es jedoch gelungen, während der Recherchen für einen Text über die Friedhöfe des Weißen Krieges, der bald veröffentlicht werden soll, die Geschichte um einen wesentlichen Teil zu ergänzen. Durch den Ver-
Aus den „Innsbrucker Nachrichten“ vom 19. August 1915
gleich einiger Daten konnte festgestellt werden, wer der tapfere österreichische Soldat, dem die Alpensoldaten den militärischen Gruß erwiesen hatten, wirklich war. Sein Name war Franz Keim, Zugsführer – was dem Rang eines Unteroffiziers entspricht– des 1. Regiments der Tiroler Kaiserjäger, geboren am 1. April 1887 in Sterzing. Wie für Hauptmann Villani muss das italienische Kommando Nachrichten an Keims Familie geschickt haben, denn einen Monat später wurde in den „Innsbrucker Nachrichten“ ein Nachruf veröffentlicht, der mit folgenden Worten endete: „Jetzt ruht er in seinen so viel gerühmten Bergen, in der Adamellogruppe beim Rifugio Garibaldi in italienischer Erde.“ Sicherlich das würdigste Grab für einen Gebirgssoldaten. Bald jedoch sollte der Krieg seine grausamste und unmenschlichste Seite zeigen; Momente des Mitleids und des gegenseitigen Respekts vor dem Gegner, wie sie sich an der Alpenfront in den ersten Monaten des Jahres 1915 manifestiert haben, hat es dann kaum mehr gegeben.
Text: Massimo Peloia Übersetzung: Barbara Felizetti Sorg „Man schreibt uns aus Sterzing: Die letzte Nachricht des Zugsführers Franz Keim, zugewiesen einer Schipatrouille im Adamello-Gebiet, welcher kürzlich bei Erstürmung einer welschen Unterkunftshütte den Heldentod fand, an einen Freund lautete: ‚Lieber N.! Herrlich ist es hier und gut geht es mir, in der Eis- und Schneewelt, auf sicherer und vorsichtiger Grenzwacht! Soll das
Pelzlein kommen, werden wirs wieder gehörig klopfen. Unser Gletscher zum Schifahren ist großartig, Schnee genug! Grüße.‘ Mit Keim ist ein ganzer
Mensch, wie man sagt, gefallen. Als tüchtiger Geschäftsmann und Mitbesitzer des
Gasthauses zum ‚Rößl‘ hier, verstand er es, seinen
Gasthof modern zu gestalten und diesen gut zu führen, wo Einheimische und Fremde, speziell Sportler, gern verkehrten. Immer regen Anteil am Aufblühen der Stadt Sterzing nehmend, hatte er Liebe zum Sport, zur Natur und war als Bobfahrer und Rodler weit bekannt. Keim und Platzer vertraten den Wintersportverein Sterzing bei der Europameisterschaftsaustragung an der Jeschken-Rodelbahn und holten sich schöne Preise. Im Rodeln auf der Jaufenstraße galt Keim als unbesiegbar. Nun ruht er, der liebe Freund, in seinen so viel gerühmten Bergen, in der Adamellogruppe beim Rifugio Garibaldi in italienischer Erde.“