ARTMAPP #28, Winter 2021/22

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10 ,9 0 € ( A )

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8 ,9 0 € ( D/L U X )

KUNST UND REISEN

Dezember 2021 – Februar 2022

Blick auf das Weibliche in der Moderne Europa auf Kur Mythos Davos Das neue Museumsquartier Frankfurt am Main Albert Oehlen · Meret Oppenheim · Jules Spinatsch


27.11.21 − 08.05.22

Einblicke in das Wachsen einer Sammlung

François Morellet, Lunatique neonly 4 quarts n°5, 2002 (Detail), Foto: mpk, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


Stand : 10/2021

Titelmotiv: Paula Modersohn-Becker, „Selbstbildnis nach Halbrechts, die Hand am Kinn“, Sommer 1906, Öltempera auf Papier und Pappe, 27 x 18,7 cm, Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen; Leihgabe aus Privatbesitz, Foto: © Paula-Modersohn-Becker-Stiftung, Bremen Aktuell in der Gruppenausstellung „CLOSE-UP“

#28

Reiner Brouwer, Foto: Andreas Scholz

202 1/2 2

Weltdorf Auf der Biennale für aktuelle Fotografie in Ludwigshafen entdeckte ich 2016 den Bündner Fotografen Jules Spinatsch. ­Dieses Jahr sahen wir uns wieder bei ­Luciano Fasciati in Chur und in der Kunst­ halle 8000 in Wädenswil anlässlich ­seiner Ausstellung „Davos Is a Verb – ­Planetary Upgrade Fair“. Aktuell startet im Kirchner Museum Davos die bemer­ kenswerte Ausstellung „Europa auf Kur“, die den Mythos Davos ergründet.

Jules Spinatsch, Foto: Ella Walch

Lieber Jules, du bist in Davos in einem ­ otel aufgewachsen und ausgerechnet H in Venedig, „schon fast in den Fluten“, entstand 2011 die Hotelfotoserie „Exit Strategies“. Was konnte dich dort in die Verzweiflung treiben? Die doppelte Überflutung von Vene­ dig: durch Bilder und Wasser. Was kann oder soll ich noch für Bilder machen? Die Serie ist eine Anlehnung an Fassbinders Film „Warnung vor der heiligen Nutte“, in dem ein Filmteam in einem Hotel auf den Regisseur, den Star und das Geld wartet. Ich wartete auf eine Idee, die mir schließ­ lich die Fluchtpläne gaben, um aus dem eingeladenen Projekt fliehen zu können.

Zurück in die Berge. Ich habe dich über die Werkgruppe „Snow M ­ anagement Complex“ als Künstler kennengelernt: eine kritische Auseinandersetzung mit dem Wintertourismus in den Alpen. Dein aktuelles Projekt „Davos Is a Verb“ ist eine A ­ rbeit zum Weltwirtschafts­forum. Was fasziniert dich an der kurzfristigen Scheinrealität und der weltweiten ­Aufmerksamkeit für das „Weltdorf“? Es ist nicht unbedingt eine Schein­ realität, es findet ja tatsächlich statt, mehr ist es eine Simulation von Verhältnissen. Interessant finde ich die Kollision der rea­ len Landschaft Davos mit der modellhaften Repräsentation einer Welt, die sich als ­führend bezeichnet. Durch die Installation auf dem Arkadenplatz entsteht ein weite­ rer Zusammenprall als künstlerische ­Strategie, indem Bilder von 2020 wäh­ rend dem WEF 2022 Teil des aktuellen Stadtumbaus werden. Was macht für dich als g ­ ebürtigen ­Davoser den Ort und seine Landschaft aus? Kannst du als leidenschaftlicher Snowboarder einen Tipp für die ­kommende Wintersaison geben? Auf die Dachterrasse vom Jakobshorn gehen und auf Davos runterschauen, das fast genau 1.000 Meter weiter unten liegt. Da oben habe ich meine frühe Kindheit verbracht. Von dort ist erkennbar, dass ­Davos Stadt und Land gleichzeitig ist und vieles bietet, anderes nicht. Es fehlt ein Ort für zeitgenössische Kunst. Umso bedau­ ernswerter ist, dass im tollen Bau des Kirchner Museums nur Kirchner gezeigt werden darf. Ich bin mir sicher, Ernst ­Ludwig selbst fände das auch blöd. So wird der Mythos staubig. Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer persönlichen ­Entdeckungstour mit ARTMAPP! Reiner Brouwer Herausgeber

museumsufer.de

EDI TOR I A L

38 MUSEEN, UNENDLICHE ENTDECKUNGEN

der Fondation Beyeler Riehen/Basel


The Name of Fear/Vaduz (Schmutzwasser/Überwachungskamera) und (Enge Räume/Maskierte Menschen), 2021 | Courtesy of the artist and Fortes D'Aloia & Gabriel, São Paulo/Rio de Janeiro Fotos: Mateus Rubim

Rivane Neuenschwander knife does not cut fire

12.11.2021 – 24.4.2022

Kunstmuseum Liechtenstein mit Hilti Art Foundation Städtle 32 · LI-9490 Vaduz Di–So 10–17 Uhr · Do 10–20 Uhr www.kunstmuseum.li



VO N D E R H EYDT MUSEUM

W U P P E R TA L

B RÜ C K E U N D BL AUER REITER 21 .11. 2 1 –– 2 7. 2 . 2 2 Abb.: Ernst-Ludwig Kirchner, Frauen auf der Straße (Detail), 1914, Von der Heydt-Museum

Die Ausstellung wird gefördert durch

Kulturpartner


VO N D E R H EYDT MUSEUM

W U P P E R TA L

AU S D E R Z E I T G E R I S S E N J O S E P H B E U Y S : A KT I O N E N – FOTO G R A F I E RT VO N U T E K LO P H AU S 1965 – 1986 S AMMLUNG LOTHAR SCHIRMER 1 9.9. 2 1 –– 9.1. 2 2 www.von-der-heydt-museum.de Joseph Beuys in der Aktion: „Titus/Iphigenie“, 1969, Theater am Turm, Frankfurt am Main, Fotografie: Ute Klophaus, Courtesy Sammlung Lothar Schirmer © Nachlass Ute Klophaus © für das Werk von Joseph Beuys: VG Bild-Kunst, Bonn, 2021

Die Ausstellung wird gefördert durch


6

Inhalt Blick auf das Weibliche

18

„FEMALE SENSIBILIT Y“ Lentos Kunstmuseum Linz – Nicole Büsing & Heiko Klaas

20

„CLOSE-U P “ Fondation Beyeler, Riehen – Nicole Büsing & Heiko Klaas

22

BLICKE AU F DEN WEIBLICHEN KÖRPER Kurpfälzisches Museum Heidelberg spannt den Bogen – Chris Gerbing

25

„JIN YOLOGIE“ Um- und Neudeutungen von Jiny Lan – Belinda Grace Gardner

28

WIE SICH MERET OPPENHEIM DIE FREIHEIT NAHM Retrospektive im Kunstmuseum Bern – Martin Bieri

38

PAU L A MODERSOHN-BECKER Umfassende Retrospektive in Frankfurt am Main – Christoph Schütte

43

Jiny Lan, „Jede ist eine Schamanin – Da Chi“, 2021, Mischtechnik auf Leinwand, 40 x 30 cm

Jules Spinatsch

PLANETARY UPGRADE PIAZZA. DAVOS IS A VERB 18.01. bis 06.03.2022 @ www.kulturplatz-davos.ch

Expressionismus

52

EIN ORT DER MÖGLICHKEITEN Interview mit Roland Mönig, Von der Heydt-Museum, Wuppertal

60

KÜ NSTLERKOLONIE AHRENSHOOP Elisabeth von Eicken und Paul Müller-Kaempff – Jan-Peter Schröder

66

My thos Davos

76

von Andrin Schütz

„Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos“ Jules Spinatsch „Davos Is a Verb“. Ein Panoptikum der Transformationen

78 84

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2

Ausstellungen Hermann Landshoff, Mode in Bewegung. Modell Ruth Seller, 1960, Ausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe © Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Landshoff

EIN PROJEK T VON ALBERT OEHLEN IM MASI LUGANO „grosse Bilder von mir mit kleinen Bildern von anderen“ – Amrei Heyne

104

„MONDIA“ Harald F. Müller im Kunstmuseum Thurgau – Siegmund Kopitzki

110

OIL . SCHÖNHEIT U ND SCHRECKEN Carsten Probst sprach mit Kurator Alexander Klose, Kunstmuseum Wolfsburg

126


KUNATH

I’ll Try To Be More Romantic Malerei, Zeichnungen und Objekte

Harald F. Müller, „musique non stop“, 2020, Fotografie UltraSec hinter Museumsglas, 157 x 197 x 18 cm, Foto: Guido Kasper, Sammlung Kunstmuseum Thurgau

Frankfur t am Main

154

„DAS NEU E KU NSTQUARTIER IST GROSSARTIG“ Wilhelm Opatz über die Architektur in Frankfurt am Main – Marc Peschke

156

Schmuck Mode Design

178

„LOOK!“ EINE ECHTE SCHAU im Marta Herford – Kunstarztpraxis, der Kunst-Blog für NRW

180

JUGENDSTIL IN K ARLSRUHE Von anmutigen Frauen und ornamentaler Zier – Chris Gerbing

184

92

MEDIEN TIPPS

209

TER MINE

214

IMPRESSU M

223

4. Dezember 2021 – 6. März 2022

138 146

Malerei, Zeichnungen und Druckgrafik

Von Corinth bis Prix d’Art Robert Schuman – Bülent Gündüz ESCH.2022 – Neustart Kunst in Luxemburg – Carsten Probst

APPETIZER – Reisetipps zu Kunst und Kultur

11. Dezember 2021 – 6. März 2022

136

PETER SCHNÜRPEL

Luxembourg-Metz-Saarbrücken-Trier

Peter Schnürpel, Stehender, 2006, Öl/Wellpappe, © Peter Schnürpel

Quat troPole

Friedrich Kunath, I’ll Try To Be More Romantic, 2019, Acry/Lwd, Courtesy of the artist and KÖNIG GALERIE, Berlin, London, Seoul

FRIEDRICH

KUNSTSAMMLUNG JENA www.kunstsammlung-jena.de KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur


Albert

Oehlen

grosse Bilder von mir mit kleinen Bildern von anderen 05.09.2021 – 20.02.2022

Albert Oehlen Space is the Place (Ausschnitt) 2020 Öl auf Leinwand Foto: Simon Vogel © 2021, ProLitteris, Zurich

MASI LAC www.masilugano.ch

Hauptpartner

Wissenschaftlicher Partner

Mit Unterstützung von

Gründer

Institutioneller Partner


Kunst & Nachhaltigkeit Vol. 14 25 Jahre Prix Mobilière

Öffentliche Ausstellung mit Werken der Preisträgerinnen und Preisträger aus 25 Jahren Prix Mobilière, dem Kunstförderpreis der Mobiliar. Bis 31.03.2022. Die Mobiliar Bundesgasse 35 3001 Bern mobiliar.ch/kunst Sylvie Fleury, Comme des Garçons, 2021 Fiberglass, car paint, vinyl pants, 135 x 40 x 35 cm Foto: Marc Asekhame

Was immer kommt – wir engagieren uns für die Zukunft der Schweiz


Paul Müller-Kaempff (1861–1941) Zum 160. Geburtstag und 80. Todestag 4. Dezember 2021 bis 20. März 2022 Kunstmuseum Ahrenshoop Weg zum Hohen Ufer 36 18347 Ostseebad Ahrenshoop kunstmuseum-ahrenshoop.de Kunstkaten Ahrenshoop Strandweg 1 18347 Ostseebad Ahrenshoop kunstkaten.de Romantik Hotel Fischerwiege (6. bis 24.12. geschlossen) Schifferberg 9a 18347 Ostseebad Ahrenshoop hotel-namenlos.de Abbildung: Paul Müller-Kaempff, „Spätsommertag am Bodden“, 1895, Öl auf Leinwand


General Partner Dresden

Hauptförderer

Hauptförderer

Ostsächsische Sparkasse Dresden


Dietmar Brixy | Reflect | 2021 | Öl auf Nessel | 180 x 140 cm

DIETMAR BRIXY – Retrospektive 1990 - 2020 3. Dezember 2021 - 22. Januar 2022 D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14 Tel: +49 (0)30 225 027 910 • Mobil: +49 (0)175 2061942 info@galerie-tammen.de • www.galerie-tammen.de


EINLADUNG zur art K ARLSRUHE 17. - 20 Februar 2022

Die TAMMEN GALERIE zeigt: SKULPTURENPLATZ: SONJA EDLE VON HOEßLE HERBERT MEHLER Cortenstahl-Skulpturen ONE-ARTIST-SHOWS: MARION EICHMANN PERSIS EISENBEIS HARALD GNADE GALERIEPROGRAMM: DIETMAR BRIXY – Malerei MATTHIAS GARFF – Objekte + Skulpturen MICHAEL LAUTERJUNG – Malerei SABINE OSTERMANN – Linolschnitte STEPHANIE PECH – Malerei MICHAEL RAMSAUER – Malerei GABI STREILE – Malerei WERNER SCHMIDT – Malerei LARS THEUERKAUFF – Malerei

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Sie finden uns in Halle 4, Stand J 31 - Skulpturenplatz / Stand J 27 - Galerienplatz Weitere Informationen erhalten Sie über: info@galerie-tammen.de Messe Karlsruhe Messeallee 1 • D-76287 Rheinstetten www.art-karlsruhe.de


Das Max Ernst Museum Brühl des LVR wird gefördert durch:

Tickets über

www.maxernstmuseum.lvr.de

Meret Oppenheim, Eichhörnchen, 1969, Bierglas, Schaumstoff, Gips und Pelz, LEVY Galerie, Hamburg, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: LEVY Galerie, Hamburg

SUR RE AL E T IER W E SE N 3.10.2021— 6.2.2022



FRAUENKÖRPER 24. Oktober 2021 bis 20. Februar 2022

Der Blick auf das Weibliche von Albrecht Dürer bis Cindy Sherman

Abbildung: Félix Vallotton, Liegende Frau vor violettem Grund (Detail), 1924, Kunsthalle Bremen © Kunsthalle Bremen, Foto: Lars Lohrisch – ARTOTHEK

Adolf de Haer | Drei Mädchen mit Hund, um 1919 | Privatbesitz

www.sauerland-museum.de

»Worpswede, Worpswede, Worpswede! […] es ist ein Wunderland, ein Götterland.« Paula Modersohn-Becker in ihrem Tagebuch, 24. Juli 1897

www.worpswede.de Paula Modersohn-Becker, Mieke Vogeler mit Perlenkette (Ausschnitt), 1902, Öl auf Pappe 60,5 x 32 cm, Sammlung Haus im Schluh, Foto: © Worpsweder Museumsverbund

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Marina Abramović, Portrait with White Lamb, aus der Serie Back to Simplicity, 2010 © Marina Abramović, VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Courtesy of the Marina Abramović Archives

24.07.2021 – 13.02.2022

JENES SELBST / UNSER SELBST

THE PLURAL LIFE OF IDENTITY

18 11 2021– 13 03 2022

ELSA & JOHANNA



19

Jenseits der Rollenklischees und feministischer Festschreibungen zeigen etliche Ausstellungen nicht nur die Frau als Objekt, sondern präsentieren auch Künstlerinnen in großer Zahl. Überblickshaft sind die Ausstellungen „Frauenkörper“ in Heidelberg und „CLOSE-UP“ in Basel. Auf „Female Sensibility“ fokussiert Linz, während in Mannheim „Mutter!“ im Mittelpunkt steht. Retrospektiven von zwei ganz unterschiedlichen Künstlerinnen sind in Frankfurt am Main mit Paula Modersohn-Becker und in Bern mit Meret Oppenheim zu sehen. Im Kunstmuseum Liechtenstein geht die brasi­ lianische Künstlerin Rivane Neuenschwander in „knife dos not cut fire“ den Bedingungen des Lebens auf den Grund. Nevin Aladağ bietet im Museum Villa Stuck in München ein viel­f ältiges, multidisziplinäres Werk namens „Sound of ­Spaces“. Und in der Städtischen Galerie Karlsruhe führen zwei Fotografieausstellungen vor Augen, dass sich die ­Wahrnehmung von und der Blick auf Frauen ganz grundsätzlich geändert haben. CHRIS GERBING

linke Seite: Elina Brotherus, „Mein Hund ist süßer als dein hässliches Baby“, 2013, Louisiana Museum of Modern Art , erworben aus Mitteln der Augustinus Fonden © Elina Brotherus / VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Zu sehen bis 6. Februar 2022 in der Ausstellung „MUTTER!“, Kunsthalle Mannheim

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Von der Moderne bis heute


20

Birgit Jürgenssen, ohne Titel (Selbst mit Fellchen), 1974/1977, Farbfotografie, 17,5 x 11,7 cm, Edition: 3/30, SV_059_2005, Courtesy: Galerie Hubert Winter, Wien, © Estate Birgit Jürgenssen / Bildrecht, Wien 2021 / SAMMLUNG VERBUND, Wien

„ F e m a le S e n s ibi l it y “ i m L e nt o s K u n st mu s e u m L i n z

Der Protest ist weiblich M ä n n e r, a u f g e p a s s t ! D i e A u s s t e l l u n g „ F e m a l e S e n s i b i l i t y“ zeig t bis 9 . Januar 202 2 im Lentos Kunst museum Lin z Kunst der

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„ f e m i n i s t i s c h e n A v a n t g a rd e“ a u s d e r S a m m l u n g Ve r b u n d .

Die Namensliste dieser Schau versammelt ausschließlich weibliche Positionen. Von VALIE EXPORT und Eleanor ­A ntin über Annette Messager, Ulrike Rosenbach und Martha Rosler bis zu Annegret Soltau und Hannah Wilke: 82 Künstlerinnen der so bezeichneten „feministischen Avantgarde“ nehmen mit über 200 Werken an der Ausstellung teil. Die gezeigten Werke stammen aus der Sammlung ­Verbund, der Unternehmenssammlung des größten öster­ reichischen Energieerzeugers. Gabriele Schor ist die Gründungsdirektorin dieser viel beachteten und in ihrem Umfang wohl einzigartigen Sammlung, die bereits in zahl­ reichen internationalen Museen zu Gast war. Gabriele Schor prägte auch den Begriff der „feministischen Avantgarde“, der bereits in die Kunstgeschichte eingegangen ist. Es geht darum, zu untersuchen, wie Künstlerinnen aus unterschiedlichen Ländern seit den 1970er-Jahren ein neues „Bild der Frau“ ­k reierten und ganz im Sinne der 68er-Bewegung das Private

politisch machten. Dabei entwickelten sie nicht nur neue, oft provokante Bildstrategien, sondern arbeiteten außerdem in damals neuen Medien wie Video, Film oder Performance. Künstlerinnen wie Gabriele Stötzer in der DDR rebellierten gegen repressive Systeme. Andere thematisierten Rassenhass und die Unterdrückung schwarzer Frauen und Kinder, etwa die gerade wiederentdeckte US-Amerikanerin Lorraine O’Grady, oder sie lehnten sich gegen sexuelle Gewalt in einer männerdominierten Gesellschaft auf wie etwa die Öster­reicherin VALIE EXPORT. Die Linzer Schau ist in fünf Kapitel gegliedert. Auf dem Parcours lässt sich nachspüren, dass sich das emanzipato­ rische Auf begehren der Frauen nach 1968 von der Straße durchaus auch auf den häuslich-privaten Bereich verlagerte. Ein Paradebeispiel dafür ist Martha Roslers ikonisches Video „Semiotics of the Kitchen“ aus dem Jahr 1975.


21 Erstmals im Lentos Kunstmuseum sind 34 inter­n ationale ­Positionen aus Lateinamerika, Nordamerika sowie West- und Osteuropa hinzugekommen. Vor dem Hintergrund der Black-Lives-Matter-Bewegung lesen sich die Arbeiten speziell der afroamerikanischen Künstlerinnen noch einmal ganz neu. Ein weiterer Schwerpunkt der Schau liegt auf der feministischen österreichischen Kunst, die mit 17 Po­sitionen vertreten ist. Spätestens seit ihrer Teilnahme an der letzten Biennale von Venedig im österreichischen ­P avillon ist die Wienerin Renate Bertlmann, Jahrgang 1943, auch einem größeren Pu­ blikum außerhalb Österreichs b ­ ekannt geworden. Humor, Ironie, Sensibilität und Kampf bereitschaft kennzeichnen das Werk vieler der gezeigten Künstlerinnen. Da nicht wenige von ihnen lange Zeit vom männlich dominierten Kunstbetrieb ausgeschlossen wurden, organisierten sie sich selbst und gründeten eigene Zirkel und Netzwerke, die zum Teil bis heute bestehen. So gründeten Judy Chicago

und Miriam Schapiro 1972 den feministischen Ausstellungsort „Womanhouse“ in Kalifornien. Ihre im April verstorbene Kollegin Mary Beth Edelson hingegen organisierte die erste große Frauenkonferenz der bildenden Künste in Washington. Initiativen wie diese sorgten dafür, dass heutzutage sensibler auf den Anteil von Künstlerinnen bei großen Gruppenausstellungen und Sammlungspräsentationen geachtet wird. Das Museum of Modern Art in New York präsentiert sich hier beispielsweise als Vorreiter. Dennoch sind Ausstellungen wie „Female Sensibility“ umso wichtiger, als die historische Wirkungskraft der „feministischen Avantgarde“ hier einmal mehr umfassend und eindrucksvoll vor Augen geführt wird. NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

www. lentos. at

Elizabeth Catlett, „The Torture of Mothers“, 1970/2003, Farblithografie auf Papier, 38,7 x 55,88 cm, Edition: 19/25, SV_827_2020, Courtesy: Lusenhop Fine Art, Cleveland, Ohio © Estate Elizabeth Catlett / Bildrecht, Wien 2021 / SAMMLUNG VERBUND, Wien


22 „C lo s e -up“ i n de r F ond at ion B e yele r, R iehe n / B a s el

Der andere Blick der Frauen D i e A u s s t e l l u n g „ C l o s e - u p“ i n d e r F o n d a t i o n B e y e l e r v e r s a m m e l t b i s 2 . J a n u a r 2 0 2 2 We r k e v o n n e u n A u s n a h m e k ü n s t l e r i n n e n z w i s c h e n 1 8 7 0 u n d h e u t e . I m F o k u s d e r S c h a u s t e h e n P o r t rä t s u n d S e l b s t p o r t rä t s .

Eine schwarz gekleidete Dame sitzt in der Theaterloge. Mit dem Opernglas blickt sie aufs Bühnengeschehen, in der linken Bildhälfte sieht man etwas verschwommen die anderen Theaterbesucher. Das impressionistische Ölgemälde „In der Loge“ aus dem Jahr 1878 stammt von der US-amerikanischen Malerin Mary Cassatt (1844−1926). Es ist Teil der von Theo­ dora Vischer kuratierten Ausstellung „Close-up“ in der Fondation Beyeler in Riehen bei Basel. „Close-up“ versammelt Arbeiten von neun außer­ gewöhnlichen Künstlerinnen, die zwischen 1870 bis heute primär in den Medien Porträt und Selbstporträt teils radikale Wege beschritten haben. Der Ausstellungsparcours ist ­c hronologisch angelegt. Jeder Künstlerin ist ein Raum ­gewidmet. Die klug erarbeitete Schau setzt ein mit dem Werk der Pariser Malerin Berthe Morisot (1841−1895), die die ersten

Impressionistenausstellungen mit angestoßen hat. In ihren Porträts konzentrierte sie sich auf den ­h äuslichen Bereich. Zu ihren Modellen gehörten Familienmitglieder, Freunde und Bedienstete. Auch die US-Amerikanerin Mary Cassatt lebte ab 1874 in P ­ aris. Sie schloss sich dem Kreis der Impressionisten um Edgar Degas an und war mit Berthe Morisot befreundet. Auch ihr bevorzugtes Sujet waren Frauen in der häuslichen ­Umgebung beim Lesen, Teetrinken oder Nähen. Das Bild „In der Loge“, das eine Frau in der Öffentlichkeit zeigt, bildet also eine Ausnahme. Auch die norddeutsche Malerin Paula Modersohn-­ Becker (1876−1907) besuchte immer wieder Paris. Ihre stark formalisierten Selbstbildnisse können als radikal modern ­b ezeichnet werden, da sie das Prinzip der Ähnlichkeit

Lotte Laserstein, „Liegendes Mädchen auf Blau“, um 1931, Öl auf Papier, 69 x 93 cm, Privatbesitz Deutschland, Courtesy: DAS VERBORGENE MUSEUM, Foto: Anja Elisabeth Witte, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


23

Elizabeth Peyton, „Greta“, 2019, Öl auf Holz, 43,2 x 35,6 x 2,9 cm, Peter Morton, Los Angeles, Courtesy: die Künstlerin und Gladstone Gallery, New York und Brüssel

­zugunsten einer überindividuellen Darstellung ausblenden. Die Malerin im Atelier ist ein wiederkehrendes Thema auf den Gemälden der Berliner Künstlerin Lotte Laserstein (1898−1993), die zurzeit auch in der Neuen Nationalgalerie in Berlin prominent wiederentdeckt wird. Laserstein führte den Typ der häufig androgyn dargestellten „neuen Frau“ in die Malerei ein. Anhand der radikalen Selbstbildnisse von Frida Kahlo (1907−195 4) untersucht die Schau den starken Drang zur ­detailverliebten Konstruktion im Werk der mexikanischen Malerin. Ein alle sozialen Schichten umfassendes Gesellschaftspanorama aus dezidiert weiblicher Sicht schuf die US-amerikanische Malerin Alice Neel (1900−1984). Die seit 1976 in Amsterdam lebende südafrikanische Künstlerin ­M arlene Dumas (* 1953) hingegen nimmt Pressefotos und Filmstills zum Ausgangspunkt ihrer existenziell aufgela­ denen Gemälde und Zeichnungen.

Während die US-Amerikanerin Cindy Sherman (* 195 4), die einzige Fotografin in der Schau, sich seit den späten 1970er-Jahren auf Selbstporträts in verschiedenen Maske­ raden fokussiert, ist ihre Landsmännin Elisabeth Peyton (* 1965) bekannt für ihre kleinformatigen und einfühlsamen Porträts von Freunden und Celebrities. Individuelle Schönheit gepaart mit zarter Subjektivität. Ob häusliche Porträts, schonungslose Befragungen der menschlichen Existenz oder subtil durchkonstruierte Neu­ erfindungen des Selbst: Die überaus sehenswerte Schau spürt ganz unterschiedlichen Ausprägungen des weiblichen Blicks in den vergangenen 150 Jahren nach. Lohnendes Surplus: Im letzten Raum geben Schauspielerinnen wie Meret Becker oder Maria Furtwängler in kleinen Filmen persönliche Statements zu den neun Künstlerinnen ab. NICOLE BÜSIN G & HEIKO KL A AS

w w w . f o n d a t i o n b e y e l e r. c h

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — B L I C K A U F D A S W E I B L I C H E

© Elizabeth Peyton


Amedeo Modigliani, „Liegender Frauenakt auf weißem Kissen“, um 1917, Öl auf Leinwand, Staatsgalerie Stuttgart © bpk, Staatsgalerie Stuttgart

M o d i g l i a n i i n de r A l b e r t i n a W ie n

Rätsel und kein Ende Ve r s p ä t e t w i rd i n d e r W i e n e r A l b e r t i n a b i s 9 . J a n u a r 2 0 2 2 der Bildhauer und Maler Amedeo Modigliani anlässlich ­s e i n e s 1 0 0 . To d e s t a g e s g e e h r t – m i t e i n e r S c h a u , d i e a l s ­k o s t b a r e L e i h g a b e n a u s a l l e r We l t v i e l e We r k e d i e s e s ­K ü n s t l e r s z­ u s a m m e n g e t ra g e n h a t , d e r b e i P u b l i k u m und Fälscher n gleicher maßen begehr t ist.

Amedeo Modigliani bleibt ein Rätsel der modernen Malerei: Ist er nun ein großer Außenseiter, der vielleicht gar kein ­„ Moderner“ war – oder war er nur ein genialischer, aber kunsthistorisch zweitrangiger Eklektizist im Fahrwasser ­P ablo Picassos und Constantin Brâncu șis, mit denen er im P ­ aris der 1910er-Jahre befreundet war und am Montparnasse zeitweilig Tür an Tür arbeitete? Marc Restellini, Herausgeber eines neuen Werk­ verzeichnisses, stellt in der A lbertina als Kurator die These vor, dass Modigliani zwar ein moderner, aber eben kein t­ ypischer moderner Künstler gewesen sei. In seinem Werk habe er die Kunst der italienischen Renaissance, kab­b alistische S ­ ymbolik und die Adaption afrikanischer Stammeskunst, a­ ltägyptischer Kunst und der Skulptur der Kykladen zu einer „Synthese“ verbunden. Restellini lässt die Wiener Retrospektive erst mit dem Jahr 1906 beginnen, als Modigliani nach Paris kam und sich den Primitivisten anschloss. Zu seinen engen Freunden ­gehörten neben Picasso und Brâncu ș i auch André Derain, Chaim Soutine und der erst vor wenigen Jahren wieder­ entdeckte junge Moïse Kisling. Die Gegenüberstellung der Arbeiten soll zeigen: Modigliani wurde nicht nur beeinflusst, er war selbst Impulsgeber. Restellini behauptet sogar, Picasso solle sich beim Anblick von Modiglianis Skulpturen vom

­ ubismus abgewandt haben. Die Beweislage dafür ist nicht K unbedingt üppig. Der Publikumserfolg der Schau dürfte aber kaum von solchen Feinheiten abhängen. Weil das Schicksal es wollte, dass M ­ odigliani die Bildhauerei wegen eines Lungenleidens auf­geben musste, schuf er als ­malerische Kompensation unter anderem jene 25 Frauenakte, die bei ihrer ersten Ausstellung in Paris noch ein Skandal ­w aren, heute aber zuverlässig die Massen in die Museen ­ziehen. Einige der berühmtesten sind nun in Wien zu sehen, etwa der „Liegende Akt mit weißem Kissen“ aus der Staats­ galerie Stuttgart oder der „Liegende Akt“ aus dem New Yorker MoMA oder der „Sitzende Akt“ aus Antwerpen, alle von 1917. Daneben gibt es aber auch viele von Modiglianis unver­ wechselbaren Porträts zu sehen. Am Ende – um damit an Restellinis G ­ edanken anzuschließen – wirkt es, als sei es ­Modiglianis Rückkehr zur Malerei gewesen, die aus einem Modernen ­einen ziemlich ­gefühligen, aber durchaus eigen­ sinnigen ­Eklektizisten hat werden lassen. Kurator Marc Restellini und seinen jahrzehntelangen Forschungen zum authentischen Werk Modiglianis ist es zu verdanken, dass bei dieser Ausstellung nicht wieder vor allem über Fälschungen diskutiert wird. Als Ersatz dafür ist die ­A lbertina manchen Kritikern heute nicht mehr woke genug. Sie verwendet nämlich ungefragt die historische Bezeichnung „Primitivismus“ im Untertitel der Ausstellung und im Katalog den Spitznamen „Botticelli nègre“ (wie Modigliani von einem Kunstkritiker seiner Zeit genannt wurde). Und was ist überhaupt mit dem „male gaze“, dem männlichen Blick auf den unverhüllten Frauenkörper, der in dieser Ausstellung zweifellos sehr nachdrücklich zelebriert wird? CARSTEN PROBST

www. alber t ina. at


25 D a s K u r pf ä l z i s c he Mu s e u m H e idel b e r g s p a n nt de n g a n z g r oß e n B o g e n

Blicke auf den weiblichen Körper „Das Thema scheint in der Luft zu liegen“, schmunzelt Kura­ torin Dagmar Hirschfelder, die nach der Eröffnung der Ausstellung „Frauenkörper. Der Blick auf das Weibliche von Albrecht Dürer bis Cindy Sherman“ (bis 24. Februar 2022) das Kurpfälzische Museum Heidelberg verlässt, um Direktorin der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin zu werden: Neben Heidelberg thematisieren auch Karlsruhe mit gleich zwei Fotografieausstellungen und Mannheim mit der „Mutter!“-Schau Aspekte des Weiblichen. Von Dürer bis Sherman – und letztlich sogar noch ­weiter, nämlich bis in unsere jüngste Gegenwart – spannt Hirschfelder den kunsthistorischen Bogen bezüglich des Blicks auf den weiblichen Körper. Sechs Kapitel fächert sie ­dabei auf, innerhalb derer es sowohl um das Körperideal im Wandel der Zeit als auch um den männlichen Blick und weibliche Identität, um Schmerz, Gewalt und Bedrohung, um aktuelle Debatten zum Thema Körper und um die Frau als Muse und Modell des Künstlers geht. Der nackte weibliche Körper, das zeigt die Ausstellung ganz deutlich, gehört seit der Renaissance zu den wichtigsten Motiven der bildenden Kunst, im Akt wurden gängige Bildmuster festgelegt: Aktdarstellungen und die Bebilderung von Bibel- und mythologischen Szenen stehen auf der einen Seite, auf der anderen der verletzte, entstellte, gealterte Frauen­ körper. Gemälde, Skulpturen und Grafiken, aber auch Fotografien und Videoarbeiten zeugen von Kontinuitäten und Wandel der Schönheitsideale, machen aber genauso deutlich, dass sich die Wahrnehmung dessen, was Weiblichkeit überhaupt ist, in den vergangenen 500 Jahren verändert hat. „Ich greife Aspekte heraus, die man diskutieren kann“, so Hirschfelder: „Die Wiederholung von Stereotypen stelle ich der Ermächtigung von Frauen bezüglich ihres Blicks auf den eigenen Körper gegenüber“. Dabei wählte sie bewusst nicht nur große Namen und bekannte Werke aus, sondern auch Positionen, die Grenzüberschreitungen, beispielsweise zur Mode, und Schnittstellen zur Kosmetikbranche oder zur Musikindustrie anbieten. Dürer, Rembrandt, Rubens, Dix und Beckmann sind daher neben Annegret Soltau, Juul Kraijer und der Netzkünstlerin Arvida Byström zu sehen. Es geht sowohl um den Wandel von Schönheitsnormen, als auch um die Auseinandersetzung mit Bildtraditionen und dabei natürlich

auch um den männlichen Blick auf den weiblichen Körper. So stellt die Ausstellung immer wieder von Neuem die Frage, wo Kontinuitäten zu erkennen sind, wo starke Umwälzungen und Brüche. Und es werden Künstlerinnen mit ihrem Blick auf sowie ihrer tabulosen Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper vorgestellt, denn auch sie dekonstruieren geltende Schönheitsideale. CHRIS GERBING

www. mu se um-he idelbe rg. de

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Arvida Byström, ohne Titel, 2013, © Arvida Byström


Matthias Bitzer Vertigogue 05 10 2021–16 01 2022

kunsthalle-goeppingen.de

Kunsthalle Göppingen

DURCHSTARTEN TAKE OFF

Friedmann Flöther: Pole position, 2005 (Ausschnitt)

ab 19.11.2021

Ausstellungsdauer: 14. November 2021 - 15. Mai 2022

Peace Maker von Eva Bur am Orde im Auto-und Uhrenmuseum ErfinderZeiten - Gewerbepark H.A.U. 3/5, Schramberg Weitere Informationen: www.erfinderzeiten.de


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Hinter dem Horizont Elsa & Johanna in Deutschland Städtische Galerie Karlsruhe

1986 besang Udo Lindenberg seine unglückliche Liebe zu ­einem Mädchen aus Ostberlin mit „Hinterm Horizont“. Man könnte so auch „Beyond the Shadows“ frei übersetzen, eines während der Coronapandemie im Frühjahr 2020 durchgeführten Fotoprojekts von Elsa Parra und Johanna Benaïnous. Es war ein Kulturschock für beide Seiten, als die beiden in ­P aris arbeitenden Künstlerinnen in Schleswig-Holstein ihre Arbeit aufnehmen wollten. Denn die kleinen Orte in der Provinz waren nicht eingestellt auf Elsa & Johanna. Trotz der Widrigkeiten realisierten sie letztlich ihr Projekt, das nun im Zentrum der Karlsruher Ausstellung „The Plural Life of Identity“, ihrer ersten Einzelausstellung in Deutschland, steht. Bei „Beyond the Shadows“ handelt es sich um eine Installation, bei der sowohl ein Interieur mit Teppichboden und Bett, als auch die Außenperspektive mit Kunstrasen und Liegestuhl einstimmen auf den Eindruck, hinter die Kulissen zu blicken. Vermittelt wird dadurch aber auch das Gefühl, eine reale ­S zenerie zu betreten, innerhalb derer Elsa & Johanna ihre ­Fotografien präsentieren, die den trügerischen Eindruck von spontanen Schnappschüssen vermitteln. Aber weit gefehlt! Das Künstlerinnenduo inszeniert sich nämlich selbst in verschiedenen Situationen und nimmt dabei unterschiedliche Rollen ein; die Arbeiten von Cindy Sherman waren ihnen eine wichtige Inspirationsquelle. Denn die Menschen, die Elsa & Johanna auf ihren Fotografien verkörpern, sind im besten Fall Erinnerungen, zumeist aber ein Zusammenschnitt verschiedener Rollen, sie existieren also nicht wirklich.

In ihrem performativen Spiel mit Rollenmustern geht es den beiden Künstlerinnen darum, einen kritischen Blick auf die Gesellschaft zu werfen. Die Genderperspek­t ive ist d ­ abei ein Aspekt, sie greifen aber auch zeitaktuelle Themen wie Jugendkultur und Queer Culture auf. In den vergan­genen ­Jahren vervollkommneten sie ihre Inszenierungen, indem sie illusio­ nistische Räume schufen, die als Bühnen für ihre C ­ haraktere dienen und bei denen die ­B etrachterinnen und ­B etrachter ­eintauchen können in eine Atmosphäre, die dazu einlädt, ­hinter das jeweilige Porträt zu schauen, nach Indi­k atoren zu suchen, die auf das Kon­struierte dieser ­Szenerien hinweisen. Es ist ein junger, frischer Blick auf die Gegenwart, der Teil des längerfris­t igen Projekts ist, die Zielgruppe der Städtischen Galerie Karlsruhe durch aktuelle Kunst zu er­weitern und ­zugleich ­einen Fotografieschwerpunkt am Haus – auch mit der G ­ egenüberstellung zu klassischen Positionen wie beispielsweise Hermann Landshoff – zu etablieren. CHRIS GERBING

Bis 13. März 202 2 „ E l s a & J o h a n n a – T h e P l u ra l L i f e o f I d e n t i t y“ Städt ische Galer ie Karlsr uhe www. karlsr uhe. de

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Elsa & Johanna, Moormerland, 2021



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Mu lt id i me n s ion a le Um- u nd Ne u de ut u n g e n von J i ny L a n

„Jinyologie“

Jiny Lan, 2017,

Von der Wahrnehmung der Wirklichkeit zu ihrer Darstellung, vom Gedanken- in den Realraum oder auch von einem Bild in ein anderes: Jede Form künstlerischen Ausdrucks geht aus medialen und mentalen Übersetzungsprozessen hervor. Ganz besonders ist dies der Fall in den multidimen­ sionalen Bildwelten der Malerin und Aktionskünstlerin Jiny Lan, die zunächst auf dem Terrain der Performance ihre Lauf bahn startete. 1970 in Xiuyan in der nordchinesischen Küsten­p rovinz Liaoning geboren, lebt Lan seit 1995 in Deutschland mit Lebens- und Arbeitsmittelpunkten in ­Bochum und D ­ üsseldorf. Parallel hält sie sich regelmäßig in China auf, wo sie in Hangzhou an der China Academy of Fine Arts, Zhejiang, ­Malerei studierte. Die dort erlernten traditionellen Mal­techniken sind bis heute Basis ihrer malerischen Praxis, in der die historischen und zeitgenössischen Kulturen Asiens und ­E uropas sowie anderer Teile der Welt, gesellschaftspolitische Themen und persönliche Phantasmagorien, altmeisterliche und fotorealistische Stilelemente, das Pla­ kative chinesischer Politpropaganda und des westlichen Warenfetischismus, scharf kantige Kontraste und traumartig-diffuse Viel­schichtigkeit ineinanderfließen. Prominente aus Kunst und Politik – von Joseph Beuys bis Angela Merkel – sind wiederkehrende Sujets ihrer Bilder.

Beim Transfer und bei der Amalgamierung von Bildern und ­I n ha lten aus u nter sch ied lichen Z eiten , Kontex ten , ­W irklichkeiten und Orten in der übertemporalen, kul­ turübergreifenden Sphäre ihrer Malerei oszilliert Lan ständig zwischen den verschiedenen kulturellen Einf lüssen und P ­ räg ungen – spezif isch denen als weibliche Kunstschaffende in einem noch immer männerdominierten Kunstbetrieb. Aber sie stellt sich zugleich gegen die Instrumentalisierung der Kunst „als Dekoration für Politik“, wie sie diese im ­kommunistischen Staatssystem Chinas ­e rlebte. Malerei ist für sie Mittel der ungehinderten Posi­ tionsbestimmung und r­ igorosen Meinungsfreiheit: eine Perspektive der kritischen Analyse, die sich auf Herrschaftssysteme und festgefahrene Strukturen jeglicher Art richtet. Die Jahrhunderte um­s pannende sowie globale Unter­ drückung von Frauen und deren Ausschluss aus Positionen

linke Seite: Jiny Lan, „Die Krone“, 2017/18, Mischtechnik, 140 x 100 cm, Courtesy: Galerie Tammen, Privatsammlung

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Foto: Gauthier W. de Reymaker


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der Macht schlägt sich nicht zuletzt nieder in der mangelnden Anwesenheit von Künstlerinnen in den Annalen der Kunsthistorie und der Museumssamm­lungen sowie in einer geringeren Wertschätzung ihrer Werke – sowohl ästhetisch als auch pekuniär. Insbesondere im Feld der Malerei sieht Lan „zu wenig Frauen an der Spitze“, da ihnen über weite Strecken immer wieder von ihren männlichen Kollegen das Talent dazu abgesprochen wurde. Deshalb ist für sie „die ­Malerei eine Performance“, mit der sie unwiderruflich unter Beweis stellt: „Frauen können malen!“ Pinsel und Farbe setzt sie dabei als Vehikel der Selbstermächtigung und der Mitsprache ein. Die eklatante Diskrepanz zwischen der Präsentation und Rezeption männlicher und weiblicher Protagonisten im Kunstbetrieb hält sich bis heute hartnäckig. Erst jetzt, im Zuge einer zunehmenden Neubewertung bisher unentdeckter und wenig beachteter weiblicher Positionen, ändert sich die Lage allmählich, treten Künstlerinnen aus den Schatten misogyner Exklusionsstrukturen langsam ans Licht. Jiny Lan agiert als chinesisch-deutsche Künstlerin von einer ­feministischen Warte aus, die mit der Distanz einer stets von außen auf das Geschehen Schauenden undogmatisch ans Werk geht, um frauenfeindliche Rollenklischees und ­Mechanismen der A ­ usklammerung und Herabsetzung auszuhebeln. 2012 schloss sie sich mit den chinesischen Künstlerinnen Xiao Lu und Li ­X inmo zur feministischen Künstlerinnengruppe „Bald Girls“ zusammen (in weiter­ führender Anlehnung an die postfeministischen „Bad Girls“ der 1990er-Jahre, die ­gegen das Patriarchat ebenso rebellierten wie gegen rigide, lustfeindliche weibliche Selbstbilder): der ersten ihrer Art in China. Gleich die erste Präsentation des Kollektivs mit dem Gemeinschaftswerk „Collective Efforts – Red Sun“ im Iberia Center for Contemporary Art in Peking fiel der Zensur ­anheim. Noch vor Eröffnung der Ausstellung, in deren ­R ahmen Lan als Witwe von Mao Zedong aufzutreten geplant hatte, wurde sie von der Geheimpolizei verboten. Das hat die Künstlerin nur darin bestärkt, ihre Anliegen der Gleich­b erechtigung und der künstlerischen Autonomie ­r igoros zu vertreten. Neben dem eigenen biografischen Erfahrungshorizont, der viele Reisen durch Europa und andere Teile der Welt ­umfasst, wurzelt ihr Verfahren der produktiven Übersetzung in der Erschließung von Texten, die zu Joseph Beuys oder von ihm selbst verfasst wurden. Von 2006 bis 2009 bereitete Lan in der Stiftung Museum Schloss Moyland, Sitz des Joseph Beuys Archivs, als Projektkoordinatorin die erste, von ihr co-kuratierte Beuys-Ausstellung in China vor und brachte zentrale Beuys-Schriften in die chinesische Sprache. Die ­Ausstellung fand 2013 im CAFA Art Museum (The Central Academy of Fine Arts Museum) in Peking statt. Infolge ihrer intensiven Beschäftigung mit Beuys setzt sie sich seit 2017/18 auch künstlerisch mit ihm und seinem Werk auseinander und

nahm „viele seiner Gedanken als Nährstoff für die eigene Kunst“ auf. Besonders der Mythos, der um Beuys’ wun­ dersame Begegnung mit rettenden Tartaren nach seinem Flugzeugabsturz als junger Soldat auf der Krim im Zweiten Weltkrieg kreist (woraus er seine Verwendung von Fett, Filz und Honig ableitete), interessiert die Künstlerin. Desgleichen sein 1967 entstandenes utopisches Gebilde „Eurasia“, in dem Asien und Europa, Osten und Westen, Sozialismus und ­D emokratie zur Synthese kommen sollten. Im Beuys-Jahr 2021 schuf sie ein ganzes Konvolut von Bildern zu dessen ­Ideen und Arbeiten. Als Star der deutschen Nachkriegskunst gehört Beuys auch zu den P rotagonisten in Lans Gruppe der ­„ Meisterwerke“ (2019), in denen die Künstlerin die „großen Meister“ der ­deutschen Malerei der Gegenwart wie Georg Baselitz, Anselm Kiefer, Markus Lüpertz oder Gerhard Richter auf ihre ganz ­eigene, aufmischend-subversive Weise in Szene setzte. Auf der Bühne ihrer Bilder verwickelte sie die bekannten „­ Malerfürsten“ in surreale Szenerien, in denen Baselitz etwa – dessen Behauptung, Frauen könnten nicht ­m alen, bei ihr scharfen Widerstand hervorrief – über Kopf an einem Wasserfall h ­ erabzugleiten scheint: nackt und mit ­offensichtlich schwangerem Frauenkörper ausgestattet. Währenddessen mutiert Richter in Lans Interpretation in vielfachen Brechungen zum Vexierbild seiner eigenen ­Verschwommenheiten. Die Malerei der Künstlerin, die grundsätzlich viele Schichtungen und Bedeutungsebenen birgt, erwächst und entwickelt sich aus Aneignungen, Überlagerungen und Transformationen. Sie folgt einer ­i ntuitiv-planvollen Genealogie, einer „Jinyologie“ (eine verbale Korrespondenz zu „Jineologie“, dem kurdischen Begriff für die „Wissenschaft der Frauen“), wie die Künstlerin ihre offenen Motivvernetzungen und -verflechtungen nennt. Ganz entscheidend für ihren ästhetischen Ansatz: eine tief sitzende Ambivalenz, die in der Schwebe bleibt und nie auf eine Aussage fixierbar ist oder restlos darin ­aufgeht. „Found in Translation“ bedeutet bei Jiny Lan andauernde (An-)Verwandlung auf mäandernden, vielfältig ausscherenden Bahnen: ein Prozess des Weiterdenkens, bei dem nichts ver­l oren geht, sondern der Mehrwert einer gestei­g erten Wahrnehmung entsteht, die immer größere, wildere Kreise zieht. BELINDA GR ACE GARDNER

www. galer ie-tammen. de


Jiny Lan, „Ever Given“, 2021, Mischtechnik auf Leinwand, 140 x 100 cm, Courtesy: Galerie Tammen

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Birgit Dehn was ich sehe TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen 28.10.2021 – 28.01.2022

TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen Gerhard-Kindler-Straße 13 72770 Reutlingen T +49 (0) 7121 909 79 90

Öffnungszeiten Mo–Fr 9–16 Uhr Sa, So, feiertags geschlossen www.ttr-gmbh.de


33 I nt e r v ie w von M a r c P e s c h ke m it S a bi ne D eh nel

Galerie bemerkenswerter Frauen Sabine Dehnel, 1971 in Ludwigshafen am Rhein geboren, ­studierte 1993 bis 1999 Bildende Kunst an der Akademie für Bildende Künste in Mainz, danach ein Jahr am Otis College of Art and Design in Los Angeles. Die vielfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnete Künstlerin lebt in Berlin und ­a rbeitet an der Schnittstelle von Malerei und Fotografie. Ihr großes Thema ist seit jeher das Weibliche. Und ihr Blick auf Frauen ist ein sehr besonderer.

ARTMAPP: Liebe Sabine Dehnel, wir kennen uns ja schon sehr lange! Bereits im Jahr 1999 haben wir zusammen in unserer damaligen Wiesbadener Galerie kunstadapter die Ausstellung „Memory“ gezeigt. Gehen wir also zunächst zurück in die Vergangenheit und sprechen über eine ältere Serie. „Portrait I−XIII“ aus dem Jahr 2008 zeigt Frauen mit verschiedenen Kopf bedeckungen. Das Über­ raschende ist: Sie offenbaren nicht die Gesichter ihrer Protagonistinnen. Warum?

Sabine Dehnel, „Mona XVI (Marianne Brandt)“, 2020, Pigment-Inkjet-Print, 80 x 105 cm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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Sabine Dehnel: Die unterschiedlichen Frisuren und Accessoires verweisen auf einen bestimmten Typus von Frau, den die Betrachterin, der Betrachter zu kennen meint. So können die Frauen ganz viele Gesichter haben – je nachdem, wer sie anblickt. Porträts unterliegen seit jeher bestimmten Darstellungsnormen – meistens dem Dreiviertelprofil. Ich nehme das auf, führe es gleichzeitig aber ad absurdum und zeige ­damit, dass Individualität und Typus durch Normen kaum zu trennen sind.


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ARTMAPP: Haben Sie auch für diese Serie eine malerische Vorlage benutzt? SD: Ja klar! Die Fotografie würde ohne die Malerei nicht existieren. Es geht mir ja um das Überschreiben, um das Übermalen eines Momentes. Was ich in meinem ständigen Hin und Her zwischen den Medien praktiziere, weist Parallelen zum Prozess des Erinnerns auf. Gemeint ist der Umgang mit eigenen Erlebnissen und daraus resultierenden auto­ biografischen Bildern, die uns immer wieder begleiten und schließlich zu einem ganz persönlichen Bildarchiv werden.

ARTMAPP: In Ihrer inszenierten Fotografie ­kommen Malerei, Skulptur und Bühnenbildnerei zusammen. Sie bauen ganze Kulissen für Ihre ­Fotoinszenierungen, schminken Ihre Prota­ gonistinnen – Sie lieben das Handwerkliche in der Kunst, oder? SD: Vielleicht ist es ein Zusammenwirken von Intellekt und Lust. Das direkte Eingreifen mit Hand, Pinsel und anderen Utensilien ist genauso wichtig wie die konzeptionelle Weiterentwicklung. Diese verschiedenen Techniken und Materialien stellen für mich Bearbeitungsmöglichkeiten dar, um meinen Objekten, Utensilien und K leidungs­ stücken die passende Textur zu geben.


© VG Bild-Kunst, Bonn 2021

ARTMAPP: Kommen wir zu neueren Arbeiten, zu Ihrer bekannten Serie „Mona“. Wie sind die Bilder der Frauen mit Amuletten weiblicher ­„ Ikonen“ entstanden? SD: Den Wunsch, berühmte Frauenpersönlichkeiten ins Bild zu setzten, hatte ich schon lange. Mit dem Porträt auf dem Brustbein habe ich einen Platz gefunden, der die Frauen im doppelten Sinne ehrt. Früher wurden hier, nahe am Herzen, Rosenkränze getragen oder Amulette mit den Liebsten. Das Leben einer Ikone manifestiert sich zu großen Teilen erst im

Nachhinein durch die Bilder und Geschichten, die bewahrt und kreiert werden und etwa im Netz weiterexistieren. Hier wird ein Leben erneut umgeschrieben. Die Kleider und Amulette entspringen meinen persönlichen Assoziationen in Auseinandersetzung mit meiner Erinnerung an die Frauen und der erneuten Beschäftigung mit ihrer Lebensgeschichte.

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Ausstellungsansicht „Sabine Dehnel. Mona“, 2013, Museum Wiesbaden


36 ARTMAPP: Eine große Arbeit trägt den Namen „Linda“. Sie stellt einen Schwan dar, den Sie aus Nylonstrumpfhosen gefertigt haben. Auch hier verschiebt sich die Realität des Stofflichen hin zur Imagination. Um was geht es bei der Arbeit? SD: Es ist eine Art Gedenkspieluhr. Ein weibliches Porträt im übertragenen Sinne. Ich habe das Federkleid eines schwarzen Schwans aus Nylonstrumpfhosen einer verstorbenen Dame gefertigt. Mir kommen viele Assoziationen: Eher nicht die Imagination, sondern die Kontextverschiebung, wodurch ein neuer Blick auf ein reales Geschehen entsteht. Haut und ­M aterialität. Die Anmutung der Oberf lächen. Die Nylon­ strumpf hosen. Das Beinkleid der Damen. Eine zweite hauchdünne Haut, die zum Federkleid des Schwans wird. Ein Tier, dem unterschiedliche menschliche Eigenarten zugeschrieben werden. Symbolgeladen mit unterschiedlichen Bildern. Für mich der Trauerschwan. Und dieser dreht sich zum Lied „Ich liebe das Leben“ von Vicky Leandros. ARTMAPP: Ganz neu ist Ihre Serie der „Lebens­ vasen“, die vor Kurzem in der Wiesbadener Galerie Rubrecht Contemporary zu sehen war – zu der Serie ist auch ein Katalog erschienen. Was ver­ bindet den weiblichen Körper mit einer Vase? SD: Nicht die äußerliche organische Form von Körpern und Vasen hat mich hierbei interessiert. Vielmehr ging es mir um Ornamentik in der Malerei und Einschreibungen von ­M ustern in den menschlichen Körper. Ich wurde in den 1970er-Jahren geboren, in dem Jahrzehnt, in dem vereinfachte, geordnete und farbintensive Blumen auf Stoffen und

Tapeten allgegenwärtig waren. Seit ich mich erinnern kann, bin ich von Anordnungen in Form von Reihungen und ­Spiegelungen, ja von komplexer Ornamentik fasziniert. Als Ausgangspunkt für die neue Serie inszenierter Fotografien dienten Vintage-Badeanzüge. Beim Schwimmenlernen schreibt sich ebenfalls ein neues Muster in unsere Körper ein. Bis zu 1.500 Wiederholungen werden benötigt, damit eine Bewegung selbstverständlich, also automatisiert wird. Für mich ist diese Serie ein Porträt im übertragenen Sinn und knüpft wie ein roter Faden an meine Arbeit an, nämlich Bilder von Menschen zu malen! ARTMAPP: Eine weitere neue Serie sind die „Stars“. Die Personen sind mit Theaterschminke auf der Haut bemalt und halten vor der Körpermitte, zwischen Herz und Bauch, jeweils einen Fotoabzug ihrer Augen in den Händen. Es überwiegen auch in dieser Serie wieder einmal weibliche Protagonistinnen. Um was geht es Ihnen in dieser Serie? SD: Hierbei geht es um Fragen von Identität und mensch­ lichem Bewusstsein. Die Personen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und unterschiedlicher Ethnien sind wie so oft pastos mit Theaterschminke bemalt. Das Nervengef lecht ­direkt unter der Dünndarmschleimhaut wird auch als Bauchhirn bezeichnet. Hier spielen sich die gleichen Reaktionen wie beim Denken, Fühlen und Erinnern im Gehirn ab. Ich habe die äußere Form des Menschen demontiert, um ein erneutes, präziseres Hinschauen einzuleiten. Der Dialog zwischen ­Malerei und Fotografie ist hierbei impulsgebend für ästhetische und inhaltliche Fragestellungen und führt zu einem kontinuierlichen bildlichen Vorwärtsirren. Die abstrakten,

Sabine Dehnel, „Niki“, 2015, Gips, div. Steine und Perlen, 44 x 34 x 21 cm © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Sabine Dehnel, „VASE VI“, 2021, Pigment-Inkjet-Print, 100 x 70 cm

aquarellartig anmutenden Aufnahmen sind mehrfach ­a b­f otografierte und somit herangezoomte Details der menschlichen Augen. Durch das genauere Hinschauen, das Näherrücken, wird der zu erforschende Gegenstand immer unschärfer und wir landen gedanklich vielleicht im Universum oder in der Poesie … ARTMAPP: Rückblickend kann man sagen, dass Sie in Ihrem Werk sehr deutlich und immer wieder, von Anfang an, auf weibliche Protagonistinnen fokussierten und fokussieren. Warum nehmen Sie immer wieder Frauen in den Blick? Und dürfen wir nach – künstlerischen und geistigen – Vorbildern für Ihre Haltung, Ihren Blick fragen? Welche ­F rauen haben Sie beeinflusst?

SD: Das ist meiner Natur als ästhetisch forschende Künstlerin geschuldet und dem Wunsch, meinem Wesen so nah wie möglich zu kommen. Einige Frauen werden vielleicht nur ­u nbewusst gewirkt haben. Direkt ins Gedächtnis kommen Werke von Marlene Dumas, Rebecca Horn, Niki de Saint Phalle, Rosemarie Trockel und Pipilotti Rist. Aber es waren eindeutig zu wenig konstant sichtbare weibliche Vorbilder, da die Frauen in den Schulbüchern und an den Kunst­ akademien in meiner Studienzeit fast nicht vorkamen. Dadurch reifte nach und nach die Idee zur „Mona“-Serie: ­e iner Ahnengalerie bemerkenswerter Frauen, die immer mehr Platz in unserem kollektiven Gedächtnis finden sollen. Be­eindruckt und nachhaltig inspiriert von ihrer Haltung und ihrem G ­ estaltungswillen bin ich von Greta Thunberg und L ­ uisa Neubauer. sabinedehnel. de

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© VG Bild-Kunst, Bonn 2021


38 R e t r o s p ek t ive i m K u n st mu s e u m B e r n

Wie sich Meret Oppenheim die Freiheit nahm


39 Sie wollte sich nicht festlege n, auf ke ine n St il und schon gar nicht auf e in Bild, da s ande re sich von ihr machte n . Me re t O ­ p p e n h e i m (1 9 1 3 − 1 9 8 5 ) i s t d e r W i l d f a n g d e r S c h w e i z e r K u n s t . D a s K u n s t m u s e u m B e r n w i d m e t i h r e i n e g ro ß e R e t ro s p e k t i v e .

­ uropa wird sie nur in Bern zu sehen sein. Eine reiche E ­Materialschau mit Arbeiten quer durch das 20. Jahrhundert − Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen, Assemblagen: „Das Paar (mit Ei)“, zwei ineinander gewachsene Stiefel, „seltsam eingeschlechtlich“; ausdrucksstarke Masken mit herausgestreckter Zunge. Oder „Ma Gouvernante“, verschnürte Stöckelschuhe mit Kreppmanschetten auf den Absätzen, drapiert auf einem Silbertablett wie ein Poulet. Oppenheim hatte ein Händchen für Objekte: „Das Spielerische ist das Wichtigste. Durch Spiel entsteht Ernst“, sagte sie.

L E G E N DÄ R E H A P P E N I N G S I N B E R N

Meret Oppenheim wurde 1913 in Berlin geboren: gutbürger­ liche Familie, der Vater Deutscher, die Mutter Schweizerin. Ihre Kindheit verbrachte sie in Basel, im Jura und im Tessin. Als junge Frau siedelte sie nach Paris über, um Künstlerin zu werden. Dort freundete sie sich mit Sophie Taeuber-Arp, ­A lberto Giacometti und Max Ernst an − fand so Anschluss zu den Surrealisten, mit denen sie bald schon ausstellte. 1936 kaufte Alfred H. Barr Jr., der Gründungsdirektor des MoMA, Oppenheims Pelztasse „Déjeuner en fourrure“ aus einer ­solchen Ausstellung, woraufhin das Objekt, von Oppenheim wohl nicht beabsichtigt, zu einem Symbol des Surrealismus und einem Schlüsselwerk des 20. Jahrhunderts wurde. Vor dem Zweiten Weltkrieg kehrte Oppenheim nach Basel zurück, fand aber erst in den 1950er-Jahren, nachdem sie nach Bern umgezogen war, ihr Selbstverständnis als Künstlerin wieder. Oppenheim wurde zu einer Zentralfigur des damals sehr lebendigen Milieus um die von Arnold Rüdlinger und später von Franz Meyer geführte Berner Kunsthalle. Sie prägte legendäre Happenings wie die Aufführung von Pablo Picassos Theaterstück „Wie man Wünsche am Schwanz packt“ mit Daniel Spoerri oder das „Dîner sur la femme nue“, bei dem vom Körper einer nackten Frau gegessen wurde. André Breton inszenierte dieses „Frühlingsfest“ in Paris später nach, durchaus nicht im Sinne Oppenheims.

MI T EL EGA N T ER V EHE ME NZ

Zeit ihres Lebens kämpfte Oppenheim darum, selber darüber bestimmen zu können, wofür sie künstlerisch steht und ­wofür nicht. Sie wehrte sich dagegen, als Surrealistin schubladisiert, oder, noch schlimmer, als Inspiration der Surrealisten

Margrit Baumann, „Meret Oppenheim in ihrem Atelier“, 1982, Fotografie, Barytabzug, selengetont, 18,4 x 27,7 cm, Kunstmuseum Bern, Bernische Stiftung für Fotografie, Film und Video © Margrit Baumann

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Nur die Pelztasse ist nicht da. Zu fragil ist das ikonische Werk unterdessen, es verlässt das Museum of Modern Art in New York nicht mehr. Sonst aber fehlt fast nichts in dieser groß ­a ngelegten Ausstellung über Meret Oppenheim im Kunstmuseum Bern. Sie ist in Kooperation mit dem MoMA in New York und der Menil Collection in Houston entstanden; in


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Meret Oppenheim, „Husch-husch, der schönste Vokal entleert sich, M.E. par M.O.“, 1934, Öl auf Leinwand, 45,5 x 65 cm, Sammlung Bürgi, Bern, Foto: Roland Aellig, Bern © 2021, ProLitteris, Zürich

E I N - U N D AU S AT M E N

marginalisiert zu werden: „Die Journalisten fragen mich nach In Ber n präsent blieb die Künst ler in stet s da nk des den Beziehungen zu A, zu B, zu C, niemand fragt mich nach ­M eret-Oppenheim-Brunnens, nur wenige Meter vom meinen Beziehungen zur rohen Umbra, zur gebrannten Kunstmuseum entfernt. Nach seiner Errichtung 1983 noch ­Umbra, zu Ultramarinblau.“ Oppenheims Ringen um Souve- umstritten, ist die Betonsäule längst Teil des Stadtbilds und ränität erforderte Mut. „Das stimmt nicht!“, teilte sie dem beliebter Treffpunkt geworden. Im Sommer ganz grün vom mächtigen Kurator Harald Szeemann – man kannte sich aus Bewuchs – Hagebuche, Edelkastanie, Schwarzer Holunder –, gemeinsamen Berner Jahren – brieflich mit, als der ihre Kunst gefriert das vertikale Biotop im Winter zu einem acht Meter als „figuration romantique“ und „abstraction“ beschrieb. hohen Wasserfall, e­ inem einzigen großen Eiszapfen. 1975 erhielt Oppenheim den Basler Kunstpreis. Sie Dieses langsame Pulsieren galt auch für Oppenheims nahm ihn mit einer fulminanten Rede entgegen und goss den Werk. Kunst habe das Ein- und Ausatmen nötig, sagte sie. Willen zur Selbstbestimmung in einen prägnanten Satz: „Die ­Oppenheims gesamtes Schaffen kennt solche Phasen und die Freiheit wird einem nicht gegeben, man muss sie nehmen.“ Berner Ausstellung versucht, jede einzelne davon zu wür­ Die elegante Vehemenz, mit der sie sich über Konventionen digen. Sie zeigt, wie Oppenheim in den 1960er-Jahren mit hinwegsetzte, verstand Oppenheim auch politisch. Sie wei- Nouveau Réalisme, Arte povera und Pop-Art verbunden war. gerte sich, den gesellschaftlichen Erwartungen an sie als Frau Aus den späten Jahren, Oppenheim starb 1985, sind fast zu entsprechen. Sie weigerte sich aber genauso, „Künstlerin“ mono­c hrome Gemälde zu sehen, die sich um das Thema zu sein, und nannte sich selbst „Künstler“. Festlegen ließ sie „­ Nebel“ drehen. Hier erscheinen Objekte und Körper nur sich nie. Waren Bern und Paris ihre künstlerischen Heimat- noch indirekt als Schatten und Schemen. städte, lebte sie doch die meiste Zeit in Carona im Tessin in der familieneigenen Casa Costanza.


41 S PÄT E R R U H M

PA R A L L E L AU S S T E L L U N G I N S O L O T H U R N

In den 1980er-Jahren wurde Oppenheim eine späte Aner­ kennung für ihr ganzes Œuvre zuteil, nicht nur für ihre Rolle im Paris der Surrealisten. Bücher erschienen, sie wurde zur „documenta 7“ eingeladen. Oppenheim reagierte gelassen ­d arauf. „Ich hatte Ruhe mein ganzes Leben lang vor dem Ruhm, den ich als etwas eher Störendes empfinde. Jetzt finde ich ihn ganz in Ordnung.“ Um die Präsentation ihrer Arbeit nicht anderen zu überlassen, zeichnete Oppenheim auf zwölf Blättern den Plan einer imaginären Ausstellung: „Mon Exposition“. Vorschriften wollte sie aber keine mehr machen und nannte den Entwurf „nur ein Beispiel“. Deshalb konnte sich Nina Zimmer, Direktorin des Kunstmuseums Bern, die die aktuelle Ausstellung kuratiert hat, den Titel guten Gewissens leihen. Vieles von dem, was Oppenheim vorgesehen hatte, war schon da. Das Haus verfügt über das weltweit größte Museums­ konvolut der Künstlerin: ein wunderlicher, manchmal melancholischer, manchmal vor Witz sprühender Kosmos von Meret Oppenheims Œuvre, eine vielschichtige Wachtraumwelt, so rätselhaft wie präzis.

Es ist so umfangreich, dass sogar noch Zeichnungen in die Nachbarstadt Solothurn ausgeliehen werden konnten. Im Graphischen Kabinett des dortigen Kunstmuseums findet ­parallel eine mit über 100 Exponaten ebenfalls reich bestückte Überblickspräsentation von ­P apierarbeiten Oppenheims statt. Zu sehen sind seltene Selbstporträts der Künstlerin und mehrfach eines ihrer Lieblingsmotive: die Wolke. So hat das Publikum Gelegenheit, in Solothurn und Bern in dieses umfängliche Werk von Meret Oppenheim einzutauchen. MARTIN BIERI

Bis 13. Februar 202 2 „ M e r e t O p p e n h e i m : M o n E x p o s i t i o n“ www. k unst museumber n. ch B i s 2 7. F e b r u a r 2 0 2 2 „ M e r e t O p p e n h e i m (1 9 1 3 – 1 9 8 5 ) A r b e i t e n a u f P a p i e r“ K u n s t m u s e u m S o l o t h u r n , G ra p h i s c h e s K a b i n e t t

Meret Oppenheim, „Pelzhandschuhe“, 1936/1984, Pelz, Holz und Nagellack, 5 x 21 x 10 cm, Ursula Hauser Collection, Schweiz, Foto: Stefan Altenburger Photography Zürich © 2021, ProLitteris, Zürich

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www. k unst museum-so. ch


Otto Modersohn Fischerhude 1926-1932 bis 2. Januar 2022

Gesellschaft-Otto-Modersohn-Museum e. V.

OTTO MODERSOHN MUSEUM geöffnet täglich von 10 bis 18 Uhr geschlossen am 24., 25. und 31. Dezember 2021 T +49 (0) 42 93 328 In der Bredenau 95, 28870 Ottersberg, OT Fischerhude www.modersohn-museum.de


P au l a M o de r s oh n- B e c ke r : Um f a s s e nde R e t r o s p ek t ive i n F r a n k f u r t a m M a i n

Paula Modersohn‐Becker, Detail, 1905, Foto: Karl Brandt, © Paula-Modersohn-Becker-Stiftung

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Eine Frau auf der Suche nach ihrem eigenen Weg


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C h r i st oph S c hüt t e i m I nt e r v ie w m it I n g r id P f e i f f e r, K u r at or i n de r S c h i r n K u n st h a l le

ARTMAPP: Frau Pfeiffer, Modersohn-Becker ­gehört sicher zu den herausragenden und wohl auch zu den bekanntesten Künstlerinnen des begin­ nenden 20. Jahrhunderts. Sie war schon früh ein Mythos. Was macht diesen Mythos aus? Ingrid Pfeiffer, Foto: Gaby Gerster © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2021

Zu Lebzeiten notorisch erfolglos, nach ihrem Tod im Kindbett rasch zum Mythos geworden: Das Leben von Paula Modersohn-Becker bietet Stoff für vielerlei Erzählungen. In der Schirn Kunsthalle Frankfurt ist bis 6. Februar 2022 eine ­R etrospektive zu sehen, die mancherlei Überraschungen ­bietet. Kuratiert hat die Schau Ingrid Pfeiffer, die in den vergangenen Jahren immer wieder das Werk insbesondere von Künstlerinnen in monografisch oder thematisch motivierten Ausstellungen gewürdigt hat.

Ingrid Pfeiffer: Als Modersohn-Becker 1907 starb, kannten selbst ihre engsten Freunde und ihr Mann Otto Modersohn nur einen Bruchteil ihres Werkes von 734 Gemälden und rund 1.500 Arbeiten auf Papier. Sie öffneten das Atelier und waren laut Berichten von der Qualität und Modernität ihres Schaffens überrascht. Parallel zum beginnenden Expressionismus wurden mehrere umfassende Gedächtnisausstellungen organisiert und besonders nach dem Erscheinen ihrer Briefe und Tagebücher (allerdings in stark gekürzter und geschönter Form) war es möglich, sie zur tragischen und verkannten ­Figur (und Frau) zu stilisieren. Eine neue Sammlergeneration und Museen kauften Werke an. 1927 wurde ihr als erster Künstlerin überhaupt ein eigenes Museum in Bremen gewidmet. Die Rezeption im 20. Jahrhundert war ein Auf und Ab aus Verfemung in der Nazizeit und Stilisierung zur „Weg­ bereiterin der Moderne“, je nach Perspektive. ARTMAPP: Zu Lebzeiten notorisch erfolglos, ­w urde ihr Werk nach ihrem Tod vergleichsweise früh gewürdigt. Trotzdem hat es mit der Auf­nahme in den Kanon gedauert. Warum? IP: Modersohn-Beckers Werk entstand früher als der deutsche Expressionismus, außerdem war sie die Frau eines Künstlers und wurde häufig nur lokal verortet, in Norddeutschland, in Worpswede, das erschwerte lange die objektive Betrachtung ihrer künstlerischen Leistung.


Paula Modersohn-Becker, „Mutter mit Kind auf dem Arm, Halbakt II“, 1906, Öltempera auf Leinwand, 80 x 59 cm, Dortmund, Museum Ostwall, Foto: Jürgen Spiler, Dortmund, © Museum Ostwall im Dortmunder U, Dortmund

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ARTMAPP: Das hat sich nun gründlich geändert. Allein in den vergangenen zehn, 15 Jahren, etwa zu ihrem 100. Todestag, gab es zahlreiche monogra­ fische Ausstellungen zu ihrem Frühwerk, zu den Landschaften oder als Pionierin der Moderne. Was kann dem eine Retrospektive wie jene in der Schirn Kunsthalle hinzufügen? IP: Das ist nur die halbe Wahrheit. Eine umfassende Aus­ stellung mit allen Werkgruppen gab es zuletzt 1997 in München! Und heute stellen wir ganz andere Fragen. Wir ­haben durch den an Gegenwartskunst geschulten Blick eine völlig veränderte Perspektive auf ein solches Werk. So können wir viel freier mit Brüchen oder stilistischer Vielfalt umgehen als früher. Gerade das lässt das Werk Modersohn-Beckers vielfältig und aufregend erscheinen. Darüber hinaus zeigt ­u nsere Ausstellung auch viele selten gezeigte Arbeiten aus den USA und zum Teil lebensgroße Aktzeichnungen. Da ist noch viel zu entdecken.

ARTMAPP: Das stimmt natürlich. Aber Modersohn-Becker ist vergleichsweise populär. Es gibt die Biografie von Barbara Beuys, 2016 kam Christian Schwochows „Paula“ in die Kinos und schon seit den 1920er-Jahren ist ihr ein Museum gewidmet. Wo sind die weißen Flecken? IP: Viele Biografien und auch der populäre Film behandeln immer nur die Frau und ihr „tragisches“ Schicksal. Unsere Ausstellung will stattdessen das Werk in den Vordergrund stellen, die malerische Qualität. Es gibt Ansätze zur Abstraktion, große Formate, radikale Ausschnitthaftigkeit, das nahe Heranrücken des Motivs im Rahmen, viele Experimente mit Material und Oberfläche … 116 Arbeiten aus allen wichtigen Werkgruppen sollen für sich sprechen und möglichst klischeefrei die Wucht und Radikalität ihrer Arbeiten erlebbar werden lassen.

Paula Modersohn-Becker, „Mädchen mit gelbem Kranz“, um 1901, Öl auf Pappe, 53 x 50 cm, Courtesy: Kallir Resarch Institute, New York © Private Collection


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ARTMAPP: Welche Werkgruppen sind das? IP: Das sind vor allem die Selbstporträts, die Porträts von Kindern, die Landschaften und Stillleben, aber auch lebensgroße Akte, die kaum jemand kennt. Darüber hinaus gibt es genügend vertiefende Informationen in Form von Wandtexten, Audioguide, bebilderter Biografie usw., doch im Vordergrund steht die direkte Kommunikation zwischen den Arbeiten und uns Betrachtenden. Dafür haben wir eine spezielle Archi­ tektur gebaut, bestimmte Wandfarben gewählt und alles möglichst perfekt beleuchtet. ARTMAPP: Besonders ähnlich sieht sie sich auf den Selbstbildnissen aber eigentlich nicht, wenn man von den Fotografien im dokumentarischen, das Leben Modersohn-Beckers skizzierenden Teil der Ausstellung in der Rotunde der Schirn ausgeht. Und auch in den Porträts ging es ihr offenbar ­weniger um realistische Bildnisse.

Paula Modersohn-Becker, „Alte Bäuerin mit auf der Brust gekreuzten Händen“, 1907,

ARTMAPP: Angesichts Ihrer Karriere in den vergangenen 20 Jahren fallen immer wieder besondere Ausstellungen auf, populäre ebenso wie äußerst überraschende. Und wenn man an Ausstellungen wie die „Impressionistinnen“, zu Yoko Ono, zu den Sturm-Frauen vor ein paar Jahren oder die „Fan­ tastischen Frauen“ im letzten Jahr denkt, möchte man meinen, Sie interessierten sich vor allem für die Frau in der Kunst. Ist das so? Oder was hält ihre kuratorische Tätigkeit zusammen?

Öltempera auf Leinwand, 75,7 x 57,7 cm, The Detroit Institute of Arts, Gift of Robert H. Tannahill © Detroit Institute of Arts

IP: Seit den „Impressionistinnen“ 2008 ist mir besonders bewusst geworden, dass die Kunstgeschichte nur ein Konstrukt ist, in dem besonders viele Künstlerinnen durch die Maschen gefallen sind. Viele von ihnen waren großartig und einzigartig, und ich finde es ohnehin langweilig, immer nur dieselben Künstler zu zeigen. Außerdem ist vielen Menschen gar nicht bewusst, dass es zu allen Zeiten auch Künstlerinnen gegeben hat. Da ist noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Soziologische Fragen nach Kontext und Rezeption sind ohnehin sehr spannend, so etwa bei der Ausstellung „Glanz und Elend in der Weimarer Republik“, da waren übrigens auch 30 Prozent der Werke von Frauen. Natürlich müssen ebenso manche Männer neu und wiederentdeckt werden – etwa der Wiener Maler Richard Gerstl vor vier Jahren. Bei Modersohn-Becker reizt es mich, allzu Bekanntes und (aus meiner Sicht falsch) Kategorisiertes erneut auf den Prüfstand zu stellen.

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IP: Modersohn-Becker suchte nach „inneren“ Bildern, auch und gerade bei den Porträts von Freunden und Familie. So schilderte sie Rainer Maria Rilke zwar sehr kubisch-abstrakt, aber mit geöffnetem Mund als einen Mann der Sprache. Man erkennt ihn, obwohl es kein realistisches Porträt ist. Und in ihren rund 60 Selbstporträts reflektierte die Künstlerin zunächst einmal ihre eigene Rolle und spielte alle Stile durch, denn sie entstanden kontinuierlich vom Beginn ihres Werkes bis zum Schluss. Dabei sind es vor allem die Augen, die ihren Fotografien ähneln. Sie sind groß, dunkel und intensiv. Die Künstlerin war sehr belesen und auch der Kunsttheorie gegenüber aufgeschlossen: „Geistige Interessen hat Paula mehr als irgendeine“, schrieb Otto Modersohn über sie.


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IP: Modersohn-Becker kam aus einer gebildeten Familie in Bremen, wuchs bürgerlich auf, die Familie mütterlicherseits war sogar adelig. Sie schaute permanent Ausstellungen an und ging in Museen, nicht nur bei ihren vier Parisaufenthalten, sondern genauso auf Reisen in Deutschland. Ihr ganzes Denken kreiste um künstlerische Fragen und sie arbeitete sehr intensiv und mit straffem Tagesablauf. ARTMAPP: Dabei fällt immer wieder die unge­ heure Breite ihrer Referenzen auf. Mag man hier an Holbein oder Lucas Cranach denken, dort an Cézanne, an Henri Rousseau vielleicht, an den Picasso der „blauen Periode“ oder an Natalja Gontscharowa. IP: Sie war eine junge Frau auf der Suche nach ihrem eigenen Weg. Ich denke, die Ausstellung zeigt sehr gut die inneren ­roten Fäden in ihrem Werk, und zwar von Anfang an. Es ist symptomatisch, dass Modersohn-Becker sich vor allem mit der Kunstgeschichte auseinandergesetzt hat, besonders auch mit außereuropäischer Kunst wie den Skulpturen der Khmer oder den römisch-ägyptischen Mumienporträts. Sie suchte nach Reduktion und Vereinfachung, nach Statik und Zeit­ losigkeit, nach überindividuellen Bildern für Alter, Kindheit, Mutterschaft, Menschsein. Mit Symbolen wie Früchten und Blumen versetzte sie ihre Figuren in eine andere, von der Gegenwart losgelöste Welt. Vielleicht war das unbewusst eine Form der Flucht vor einer Umgebung, die ihren Arbeiten verständnislos gegenüberstand. ARTMAPP: Aber wo steht, wo bleibt dann Modersohn-Becker bei all den offenliegenden Verweisen? Was zeichnet ihr Werk am Ende aus? IP: Auch wenn Modersohn-Becker eine Armenhäuslerin mit Farben malte, die an Gauguin erinnern, so bleibt es doch eine Armenhäuslerin mit groben Händen und dicker Nase, als die Otto Modersohn ihre Figuren einmal charakterisierte.

ARTMAPP: Zugleich fällt auf, und die Ausstellung unterstreicht das, dass von den rund 750 Gemälden ihres in gerade einmal zehn Jahren entstandenen Werks mehr als die Hälfte Kinderbilder vorstellen. Wie kommt das? IP: Modersohn-Becker suchte in Worpswede nach Modellen und konnte nicht viel bezahlen, deshalb griff sie oft auf Kinder und alte Menschen zurück, die tagsüber nicht arbeiten mussten und die ihr leicht zur Verfügung standen. Ihre Bilder von Kindern aber unterscheiden sich sehr von der damals populären Art, Kinder als unschuldige, fröhlich spielende Wesen darzustellen. Bei ihr wirken sie oft wie fremde Geschöpfe, stehen vor weitem Himmel, sind wie in sich versunken, lächeln nie. Es ist eine große und äußerst vielfältige Serie, in der die Künstlerin experimentiert hat. Manches wirkt fast abstrakt, es gibt auch viele malerische Varianten, so sitzt die Farbe sehr dick oder sie kratzte mit dem Pinselstiel in die noch feuchte Oberfläche hinein. ARTMAPP: Das Thema Mutterschaft, also ihr eigener Kinderwunsch, spielt da aus Ihrer Sicht keine so große Rolle? Immerhin kreist mit dem „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“, in dem Modersohn-Becker sich schwanger porträtiert, ohne es zu sein, eines ihrer Hauptwerke um dieses Thema. IP: Das Bild ist sehr komplex, es spielt mit den Widersprüchen, denn Modersohn-Becker hatte Otto verlassen und ihm ­g eschrieben, dass sie zu diesem Zeitpunkt gar kein Kind wolle. Sie unterschrieb nur mit „P. B.“ (Paula Becker). Im Louvre ­h atte sie oft die Venus von Lucas Cranach nachgezeichnet, auch sie hat immer diesen gewölbten Bauch. Manche deuten das Bild so, dass sie sich doppelt „potent“ dargestellt hat, als jemand, der sowohl eines Tages Leben hervorbringen könnte. Im Moment der Entstehung brachte sie aber vor allem Kunst hervor. ARTMAPP: Worauf ich hinauswill, schon ­Heinrich Vogelers Grabmal für Modersohn-Becker erscheint von ungeheurem Pathos. Nun fügt sich die Schau in der Schirn Kunsthalle ein in eine ganze Reihe aktueller Ausstellungen, die sich mit der Frau als Künstlerin, als Mutter, als Modell oder als ­P rotagonistin der Moderne beschäftigen. Kann das Zufall sein? IP: Ich denke, es ist wichtig, das Werk von heute aus zu betrachten und auf seine Aktualität hin zu hinterfragen. Darauf kommt es in dieser Ausstellung an. Und ich denke, selbst ­Kenner des Werkes oder diejenigen, die der Künstlerin mit Vorurteilen begegnen, werden überrascht sein. www. schir n. de

linke Seite: Paula Modersohn-Becker, „Selbstbildnis am 6. Hochzeitstag“, 1906, Öltempera auf Pappe, 101,8 x 70,2 cm, Museen Böttcherstraße, Paula Modersohn-Becker Museum, Bremen

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ARTMAPP: Wenn wir jetzt durch die Ausstellung gehen, so fällt auf, dass Modersohn-Becker die Kunstgeschichte, aber auch die Malerei ihrer Zeit offenbar sehr gut kannte. Wie kommt das zustande? Für eine Künstlerin aus dem Teufelsmoor?


MUSEUM

HAUS OPHERDICKE

Werke aus der e Sammlung Bunt

MUSEUM HAUS OPHERDICKE KREIS UNNA Dorfstraße 29 59439 Holzwickede Di – So 10.30 – 17.30 Uhr kreis-unna.de/haus-opherdicke

Hermann Stenner | Grüne Frau mit gelbem Hut | 1913 |Sammlung Bunte

05.09.2021  27.02.2022


RAUM SCHROTH

im Museum Wilhelm Morgner, Soest

kuratiert von: Nana Oforiatta Ayim

The Museum as Home Kunst aus Ghana 10.12.2021 06.03.2022

Hartmut Böhm

SYSTEM UND PROGRESSION 14. November 2021 – 30. Januar 2022 Hartmut Böhm arbeitet seit den 1960er Jahren wegweisend an den grundlegenden Themen minimal-konzeptueller Kunst, wie der Sichtbarmachung universeller Gesetze, Ordnungen und Systeme. Werke aus fünf Jahrzehnten geben einen Überblick über sein Schaffen, das von rationaler Klarheit und sinnlicher Anmutung geprägt ist. © Hartmut Böhm, VG BILD-KUNST Bonn, 2021

www.skk-soest.de

Eine Ausstellung von:

Gefördert durch:


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express A r n sb e r g , A s c h a f f e nb u r g , D avo s , F r a n k f u r t / M .

KirchnerHAUS Museum, Aschaffenburg, Ernst Ludwig Kirchners Königsteiner Wandmalereien Innenansicht des „Kirchner-Kubus“, 3-D-Rendering © TH Aschaffenburg 2021


ionismus

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O phe r d ic ke , W i nt e r t hu r, Wor p s we de , Wupp e r t a l


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Fifi Kreutzer, Entwurf zu Flügeldecke, o. J., Gouache und Goldfarbe mit Grafit-Vorzeichnung auf Fotokarton, 143 x 100 cm, Ausstellung im Sauerland-Museum, Arnsberg, Privatbesitz, Foto: Atelier Strube, München © Erben Kreutzer

Expressionismus Aktuelle Ausstellungen ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N G ER D PRESL ER

Die drei großen Ausstellungen zum Ende des Jahres, Paula Modersohn-Becker-Retrospektive in der SCHIRN Kunst­ halle, „Brücke und Blauer Reiter“ im Von der Heydt-Museum sowie im Kirchner Museum Davos das Projekt „Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos“, sind der Anlass Ihnen weitere wunderbare Ausstellungen zum Thema Expressionismus vorzustellen:

K I RC H N E R H AU S A S C H A F F E N B U RG E R N S T L U DW I G K I RC H N E R S KÖ N I G S T E I N E R WA N D M A L E R E I E N

Ende 1915 sorgte Hans Fehr, der militärische Vorgesetzte von Ernst Ludwig Kirchner, dafür, dass der von Medikamentenund Morphiumabhängigkeit gezeichnete Künstler in ein Sanatorium eingewiesen wurde. „Freiwillig unfreiwillig“ hatte der sich ein halbes Jahr zuvor zum Dienst an der Waffe gemeldet, war der Feldartillerie in Halle (Saale) zugeteilt worden und brach schon bald unter dem Kriegsdienst, den Schrecken der Front und den Nachrichten vom Tode naher Freunde zusammen. Das Gemälde „Selbstbildnis als Soldat“ (1915, Gordon 435) zeigt ihn mit amputierter rechter Hand. Eindeutig, was er damit sagen will. In Königstein im Taunus nahm der Neurologe und Psychiater Oskar Kohnstamm den traumatisierten Patienten auf. Der Mediziner muss ein kluger und umsichtiger Mann gewesen sein. Seine Therapie: Er gab dem Maler jenen Bereich zurück, in dem er allein gesunden konnte. Konkret hieß das: Im Sanatorium gab es einen Brunnenturm, der die einzelnen Klinikbereiche miteinander verband. Große Wandf lächen, das ideale „Terrain“ für den Künstler-Architekten: „Hier fand Kirchners Wunsch und Streben, Räume malerisch zu gestalten, Erfüllung.“ Fünf große Felder, zwei als Supraporten oberhalb von Durchgangstüren, drei den Treppenaufgang begleitend, füllte er mit Badeszenen, in denen weibliche und männliche Akte wie losgelöst von allen Bedrohungen einen herrlichen Sommertag am Strand der Insel Fehmarn durchschreiten. Kirchner griff die wesentlichen Merkmale seiner lebensbejahenden Malerei der Jahre 1912 bis 1914 auf, als er im

Schatten des Leuchtturmes von Staberhuk ein Paradies betrat und in glühenden Farben bewahrte. „Eine sonnige Verherr­ lichung des Badelebens am Meer.“ Dieses Werk, das Kirchner aus der gesundheitlichen Krise in eine kraftvolle Verdichtung seiner künstlerischen Möglichkeiten führte, erlitt schon bald ein erschütterndes Schicksal: Es wurde in der Zeit des ­N ationalsozialismus abgeschlagen, zerstört, vernichtet. ­A llein der Umsicht des Hamburger Museumsdirektors Max Sauerlandt ist es zu danken, dass wir heute wissen, was der Künstler „in nur sechs Wochen“ schuf. Der kluge Kunst­ historiker ließ – ­sicher, dass hier ein überragendes Zeugnis des „Brücke“-Expressionismus geschaffen worden war – 1925 Schwarz-Weiß-Aufnahmen machen. 1926 beauftragte er den Königsteiner Fotog rafen Franz Schilling, K irchners ­Wand­gemälde mit „Lumiere“-Glasplatten farbig aufzunehmen. Sie gerieten in Vergessenheit, wurden wiedergefunden und 2004 veröffentlicht. Und mit den technischen Möglichkeiten von heute gelang es, die helle aquarellhafte Farbigkeit und das ­architekturale Miteinander von Raum und Malerei zu rekonstruieren. Ein unerhörtes Erlebnis! Wer in den ­kommenden Wochen den „Kirchner-Kubus“ auf dem Platz zwischen dem Geburtshaus des Künstlers und dem Hauptbahnhof von Aschaffenburg betritt, erlebt, was der Maler vor 105 Jahren schuf. Bis 16. Januar 202 2 www. k irchne rhau s . de


55 S AU E R L A N D - M U S E U M , A R N S B E RG I M W E S T E N V I E L N E U E S : FAC E T T E N D E S ­R H E I N I S C H -W E S T FÄ L I S C H E N E X P R E S S I O N I S M U S

Die Ausstellung bemüht sich um den Nachweis, dass es – wie in Dresden und Berlin – auch im Rheinland und in Westfalen zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine bemerkenswerte expressionistische Kunstszene gab. Und auch hier ging es darum, die in akademischen Traditionen verfestigte Szene mit neuen, unbelasteten Ausdrucksformen zu beleben. Die Kuratorin Ina Ewers-Schultz zeigt neben den bekannten Vertretern Heinrich Campendonk, Wilhelm Morgner, Hermann Stenner, August Macke und Peter August Böckstiegel vor allem auch bisher unbekannte „Schaffende“: Amely Dannemann,

Marianne Ahlfeld-Heymann, Trude Brück, Curt Lahs, Aloys Röhr und Will Lammert. Dabei gelang eine bemerkenswerte Entdeckung: eine großformatige Gouache von Fifi Kreutzer. Sie lag Jahrzehnte aufgerollt, vergessen in einer Schublade. Nun kann dieser Entwurf für eine Klavierflügelabdeckung (endlich) gezeigt werden. Bis 23. Januar 202 2 www. sauerland-museum. de

Hermann Stenner, „Kaffeegarten am Ammersee“, 1911, Öl auf Leinwand, 51,5 x 69 cm, Sammlung Bunte

M U S E U M H AU S O P H E R D I C K E HER MA N N ST EN NER U ND SEINE LEHR ER

Hermann Stenner (1891−1914), Künstlerkollege von Johannes Itten, Oskar Schlemmer und Willi Baumeister, hinein­ geworfen in ein Leben von nur wenigen Jahren, dann vergessen – und wiedergefunden, gewürdigt, in das Be­ wusstsein der Nachwelt gerückt durch die Achtsamkeit eines Sammlers: Der Jurist Hermann-Josef Bunte kam, wie er selbst berichtet, „Mitte der 1970er-Jahre zum Kunstsammeln. Das fand ich faszinierend als Ausgleich zu der doch ganz trockenen Materie der Juristerei. Über die Kunst habe ich Zugang zu einer ganz anderen Welt gefunden.“ Was ihn interessierte, waren vor allem die Schicksale, die hinter den Kunstwerken standen. Und hier kam es dann zu einer Begegnung mit dem kurzen, intensiven Lebensgang und dem Schaffen eines ­vergessenen Malers: Hermann Stenner, geboren 1891, fiel am

5. Dezember 1914, kaum mehr als 23 Jahre alt, an der Ostfront. „Stenner entdeckte ich 1974 in einer Ausstellung in Bielefeld, empfand ihn als herausragend. Fasziniert hat mich, dass er nur fünf Schaffensjahre hatte – 1909 bis 1914. Der künstlerische Ertrag, die künstlerische Entwicklung in dieser kurzen Zeit, übten auf den Sammler eine starke Wirkung und auch einen erheblichen Druck aus. Schon bald gelang es ihm, Gemälde und Zeichnungen zu erwerben. „Ich habe einmal zwei Bilder von Stenner gekauft, die jahrzehntelang in einem Kohlenkeller lagerten. Es war auf ihnen überhaupt nichts mehr zu erkennen, keine Farbe. Sie waren vollkommen mit Kohlenstaub bedeckt. Die Restauratorin aber sagte: ‚Keine Angst, das ist das Beste, was den Bildern passieren konnte. Der Kohlenstaub hat die Farben wunderbar konserviert.‘ Und in der Tat.

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56 B U C E R I U S K U N S T F O R U M , H A M B U RG NOL DE U N D DE R NOR DE N

Sie strahlen heute wie neu.“ Der Sammler empfindet die ­ erke Stenners heute als Familienmitglieder. Und: „Es gibt W Bilder – wie Stenners ‚Auferstehung‘ –, mit denen wird man nie fertig. Sie beschäftigen mich ständig, immer wieder ent­ decke ich etwas Neues.“ Weit gereist: Ein Bruder des Künstlers entschloss sich 1932, Deutschland zu verlassen und ein neues Leben in Kanada zu beginnen. Walter Stenner, der 27-Jährige, wanderte aus und nahm sein Erbe – Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen des ­Bruders – mit in die Ferne. Vergessen, bis der Sammler die Spur fand: „Ich kam mit den in Kanada lebenden Nachfahren in Berührung.“ Sie waren bereit, die Bilder – 34 an der Zahl – abzugeben. In ihrer neuen Heimat bestand kein Interesse, sie zu zeigen. Hermann-Josef Bunte versprach, sie der Öffentlichkeit in Deutschland zugänglich zu machen, erwarb sie, ließ sie restaurieren, rahmen – und recherchierte: Hermann Stenner nahm schon 1913 an der „Ersten deutschen Expressio­ nisten-Ausstellung“ in Dresden teil; er gestaltete zusammen mit Oskar Schlemmer und Willi Baumeister Wandmalereien in der „Kölner Werkbundausstellung“. „Stenner ist ein ­f rischer, heiterer Mensch und Künstler. Seine Kunst war das große Auf blühen ohne Hemmungen und Unterbrechung. Stenner wäre einer der besten Maler Deutschlands geworden, wenn nicht der […] Krieg seine Opfer geholt hätte“, schrieb Willi Baumeister später. Die jetzige Ausstellung leuchtet diesen Hintergrund aus: Frucht des leidenschaftlichen Suchens und Findens eines Sammlers. B i s 2 7. F e b r u a r 2 0 2 2 www. k re i s-unna . de

Von dem Besuch der Weltausstellung – Paris 1900 – kehrte Emil Nolde tief beeindruckt zurück. In einem Pavillon war er auf faszinierende Bilder skandinavischer Künstlerinnen und Künstler gestoßen. Die unmittelbare Folge: eine Reise nach Kopenhagen, um „vor Ort“ kennenzulernen, was sich im Norden vollzog. Angekommen, suchte er Viggo Johansen, Vilhelm Hammershøi, Niels Skovgaard, Jens Ferdinand ­W illumsen auf. Schon bald aber verließ er die turbulente Hauptstadt, tauchte ein in die Einsamkeit eines winzigen ­F ischerdorfes an der Westküste Jütlands. Hier lernte er die stillen Bilder der „Skagener Künstlerkolonie“ kennen: Gemälde von Peder Severin Krøyer, Holger Drachmann, Anna und Michael Ancher. Meereslandschaften, aber auch Genreszenen mit Fischern und häuslichen Interieurs vermittelten in ihrer meditativen Stille jenes Element, das Nolde ein Leben lang suchte und schließlich fand. So sind diese Monate im Sommer 1901 in Lild Strand am Rande der Welt der eigentliche Ausgangspunkt der Kunst Emil Noldes. „[…] erster Schritt in den großen Künstler“ mit der Gewissheit: „Mir ist um meine Kunst[,] für die ich lebe[,] nicht bange.“ So schrieb er an seine spätere Frau Ada Vilstrup. Bis 23. Januar 202 2 www. bucer iusk unst for um . de

Parallel präsentiert die Hamburger Kunsthalle Ergebnisse e­ ines interdisziplinären Forschungsprojektes zur Ar­b eitsweise und zu den Materialien des Künstlers in der Studioausstellung: „‚Meistens grundiere ich mit Kreide …‘. Emil Noldes Maltechnik“. Bis 18 . Apr il 202 2 w w w . h a m b u r g e r- k u n s t h a l l e . d e

K U NS T FORU M H E R M A N N S T E N N E R , BI E L E F E L D W E N Z E L H A B L I K : K R I S TA L LT R ÄU M E . E X P R E S S I O N I S T I S C H E A RC H I T E K T U R , U T O P I E

Sehr früh hat sich der Maler, Gestalter und Architektur­ visionär Wenzel Hablik aus allen Einengungen gelöst, zeichnete und malte Architektur, die den Himmel berührt. Die jetzige Ausstellung hilft, einen Künstler zu entdecken, „dessen Inspiration vom kleinsten Kristall ausging, um sich in den Weltraum zu erstrecken“. 1881 in Westböhmen geboren, kam er früh mit dem Expressionismus in Berührung, stellte bei Herwarth Walden in Berlin aus, verband Malerei und ­A rchitektur, als er sich mit Walter Gropius, Bruno Taut und Hans Scharoun austauschte, sie hinter sich ließ und eine „farbgewaltige, verspielte Alternative zum pragmatischeren Bauhaus in Dessau“ entwickelte. Bis heute wirken seine ­A rchitekturutopien nach in den Bauten von Zaha Hadid und Daniel Libeskind. Bis 6. März 202 2 w w w . k u n s t f o r u m - h e r m a n n - s t e n n e r. d e Wenzel Hablik, „Schlafende Mutter“, 1907, Öl auf Leinwand, 95 x 95 cm, Wenzel-Hablik-Museum, Itzehoe, Foto: © Wenzel-Hablik-Stiftung, Itzehoe


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Albert Müller (1897–1926), „Interieur“, 1924, Öl auf Leinwand, 110 x 119 cm, Kunst Museum Winterthur, Foto: SIK-ISEA, Zürich, Ausstellung „Expressionismus Schweiz“, Kunst Museum Winterthur

R E I N H A R T A M S TA D T G A R T E N

A L L E S ! 1 0 0 J A H R E J AW L E N S K Y I N W I E S B A D E N

E X PR E SSION ISM US SCH W E IZ

Am 1. Juni 1921 traf Alexej von Jawlensky in Wiesbaden ein. Der weit gereiste, welterfahrene Künstler fand hier seinen ­Lebensmittelpunkt und blieb bis zu seinem Tode am 15. März 1941. Heute ist das Museum Wiesbaden Zentrum der Er­ forschung seines Werkes, zugleich das Haus mit einer der weltweit bedeutendsten Jawlensky-Sammlungen. Grund ­genug, die wesentlichen Bestände und neueste Forschungs­ ergebnisse in einer Ausstellung und in einem Katalog vorzulegen. Dabei stand die „detaillierte Klärung von Da­ tierungsfragen, die Erstpublikation von unbekanntem Quellenmaterial bis zur Präzisierung von Provenienzen“ (Martin Hoernes, Ernst von Siemens Kunststiftung) im ­Mittelpunkt. Ausstellung und Katalog führen dichter an eine schöpferische Persönlichkeit heran, die man zu kennen ­glaubte und die sich doch hinter ungelösten Rätseln verbarg. Ein Schritt, sogar ein wichtiger Schritt, aber sicher nicht der letzte, ist getan.

Als eine Ausstellung mit expressionistischen Werken 1907 in Solothurn eröffnet wurde, regte sich Protest, Unmut: „Eine Beleidigung des Publikums.“ Was hier geschah, war in der Tat unerhört: „Eine junge, aufstrebende Generation wollte die Enge der bürgerlichen Kultur des 19. Jahrhunderts […] aufbrechen“, so Konrad Bitterli im Katalog. Diese Anfänge zeigt nun das Kunst Museum Winterthur in einer Ausstellung mit 120 Werken von 40 Schweizer Künstlerinnen und Künstlern, die diesen Auf bruch als wilde künstlerische Avantgarde gegen alle Zurückweisung, alle Widerstände durchkämpften. Sie beriefen sich auf Vincent van Gogh, Edvard Munch und Paul Gauguin, verlangten Freiheit in der Behandlung von Linie, Fläche und Farbe. „Nicht mehr das Abbild der realen Welt, sondern das eigene Innere zu befragen, war ihr Ziel.“ Cuno Amiet stellte die Verbindung her zu den Bestrebungen der „Brücke“ in Dresden. In Zürich und Ascona traten Marianne von Werefkin und Alexej von Jawlensky gegen das auf, was galt; in Weggis Hans Arp und Walter Helbig; in Davos einige Jahre später Hermann Scherer, Albert Müller und Paul Camenisch, befeuert und angetrieben von Ernst Ludwig Kirchner.

B i s 2 7. M ä r z 2 0 2 2 www. museum-wiesbaden. de

Bis 16. Januar 202 2 www. k mw. ch

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KU NST MUSEU M WIN T ERTHU R , M USEU M W I E SBA DE N


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Heinrich Vogeler, „Sehnsucht (Träumerei)“, um 1900, Ausstellung „Heinrich Vogeler. Der Neue Mensch“, Worpswede – Die Museen, 27. März bis 6. November 2022

Worpswede Fischerhude Bremen Diese drei Orte trennen nur wenige Kilometer – verbunden durch einen Namen, der die Kunstgeschichte nachhaltig ­geprägt hat: Modersohn. Museen tragen diesen Namen. Ausstellungen halten ihn wach, führen zu ihm hin: immer neue Aspekte, immer neue Sichtweisen. GERD PRESLER

D I E WO R P S W E D E R M U S E E N GE SA M T ER L EBN IS K Ü NST L ER DOR F

Das Ehepaar Modersohn lebte von 1900 bis zum Tode von Paula Modersohn-Becker 1907 gemeinsam in Worpswede; sie führten eine für damalige Zeit moderne Künstlerehe. Die Künstlerkolonie Worpswede entstand schon vor ihrer Ehe Ende des 19. Jahrhunderts im Teufelsmoor nahe Bremen. Seit 2010 arbeiten die Museen Barkenhoff, Große Kunstschau, Haus im Schluh und Worpsweder Kunsthalle, die das An­ denken an die Gründerzeit der Künstlerkolonie Worpswede pflegen und mit zeitgenössischen Positionen immer wieder frischen Wind in das Dorf einladen, im „Worpsweder ­Museumsverbund“ unter Federführung des Landkreises ­O sterholz und der Gemeinde Worpswede eng zusammen. Wo r p s w e d e – D i e M u s e e n www. wor pswede-museen. de


59 TAU S C H E C R A N AC H G E G E N M O N E T Meister werke aus den Sammlungen R au und Roselius Bis 30. Januar 202 2 Paula Mode rsohn-B ecke r Mu se um, B re me n TAU S C H E M O N E T G E G E N M O D E R S O H N - B E C K E R 20. Febr uar bis 4 . September 202 2 Ar p Mu seum B ahnhof Roland seck

Zwei Sammler: Was Gustav Rau (1822–1902) und ­L udwig Roselius (1874–1943) an Kunst erwarben, trägt nach Umfang und Qualität den Stempel des Außergewöhnlichen. Beide waren mit nahezu unbegrenzten finanziellen Möglichkeiten ausgestattet: Der eine sammelte als Teilhaber der bis heute weltweit agierenden Firma Kaffee Hag nur Werke von ­h öchstem Rang und stiftete 1927 in Bremen das erste ­Museum, das allein dem Schaffen einer Frau, Paula Modersohn-Becker, ­g ewidmet war. Gustav Rau verkaufte ein profitables F ­ a­m ilienunternehmen und errichtete im Kongo unerschrocken als spät promovierter Mediziner ein Krankenhaus. Es besteht bis heute. Zugleich reiste er nach New York, London und Paris, um Spitzenwerke der Kunst zu kaufen. Beide Sammlungen ­e rgänzen sich auf wunderbare Weise. Dass sie nun zu Teilen in einer Ausstellung gezeigt werden können, ist ein Ereignis und nicht weniger als ein Gang durch die Kunstgeschichte von Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) und Paula Modersohn-Becker (1876–1907), Fra Angelico (1367–1 455), Canaletto (1697–1768) bis Claude ­Monet (1840–1926).

Mary Cassatt, „Louise, ihr Kind stillend“, 1899, Pastell auf braunem Papier, Foto: Mick Vincenz, © Remagen, Arp Museum Bahnhof Rolandseck,

w w w . m u s e e n - b o e t t c h e r s t ra s s e . d e

Sammlung Rau für UNICEF

www. ar pmu seum . org

O T T O M O D E R S O H N – F I S C H E R H U D E 19 2 6 – 19 3 2 Bis 2 . Januar 202 2

Otto Modersohn, „Fensterblick mit Pferdewagen“, 1926

In den Jahren 1926 bis 1932 führte Otto Modersohn ein Doppelleben: Er, der seine Kraft aus der unmittelbaren Begegnung mit der norddeutschen Landschaft, ihrem Licht, ihrer flachen Weite unter einem mächtigen Himmel bezog, reiste nach Süddeutschland – seiner dritten Frau Louise Modersohn-Breling zuliebe. Sie träumte von einem Leben in den Bergen des Allgäus; er befürchtete, von seinen schöpferischen Wurzeln abgeschnitten zu werden, Beruf und Berufung zu verlieren. Ein Konflikt, dem die jetzige Ausstellung nachgeht, indem sie Werke zeigt, die bei aller Zerrissenheit in Fischerhude entstanden. Der Maler erlebt vor den großen Fenstern seines Ateliers die Herbst- und Winterstürme, die überschwemmten Wümme-Wiesen. Er nimmt alles in sich auf, um es in eigenen Formen und Farben aus einer nur ihm möglichen schöpferischen Intelligenz zu gestalten. Gemälde wie „Fensterblick mit Pferdewagen“ von 1926 und „Überschwemmung“ von 1932 stecken den Rahmen ab, in dem der Maler seine ­silbrig-grauen Kompositionen fasst. Eine Ausstellung, die das zeigt, was in den gleichen Jahren im alten Bauernhaus auf dem Gailenberg bei Bad Hindelang entstand, wird folgen. www. modersohn-museum. de

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Ot to-Modersohn-Museum


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D a n iè le P e r r ie r i nt e r v ie w t R ol a nd M ön i g , Von de r H e ydt- Mu s e u m Wupp e r t a l

Ein Ort der Möglichkeiten Am 1. April 2020 trat Roland Mönig die Nachfolge von seine prachtvolle Sammlung ins Licht der Kunstöffentlichkeit ­G erhard Finckh als Museumsdirektor des Von der Heydt-­ zu rücken. Nun kehrt der gebürtige Bochumer, der an der Ruhr-Universität über Franz Marc und Georg Trakl seine DisMuseums in Wuppertal an. Seit 2013 war Mönig Vorstand der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz. Seine wichtigste Auf­ sertation verfasste, an den Ort, an dem er als freier Mitarbeiter erste Museumserfahrungen sammelte, als Direktor zurück. gabe dort war es, gemeinsam mit Kuehn Malvezzi / Michael Riedel den Erweiterungsbau der Modernen Galerie des Saar- Im November realisiert er mit der großen Ausstellung landmuseums Saarbrücken zu vollenden, um das Museum „Brücke und Blauer Reiter“ seine erste eigenständige Schau sozusagen „aus der Skandalecke an den richtigen Ort“ und in Wuppertal.


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„ Der Or t ist eigentlich zu schön, u m d o r t n o c h K u n s t z u z e i g e n .“

Wassily Kandinsky, „Improvisation Sintflut“, 1913, Öl auf Leinwand, 95,8 x 150,3 cm, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München

Roland Mönig: Am wichtigsten für mich ist, dass die Ausstellung auf einer in dieser Form einzigartigen Zusammenarbeit beruht, auf einer engen und sehr fruchtbaren Partnerschaft zwischen dem Von der Heydt-Museum, dem Buchheim ­Museum in Bernried und den Kunstsammlungen Chemnitz. Drei hochrangige Sammlungen zum deutschen Expressionismus, angesiedelt an weit voneinander entfernten Orten im Süden, im Westen und im Osten der Republik, finden sich zusammen, um ein Schlüsselthema der Kunstgeschichte darzustellen. Dabei muss man betonen: Eine Zusammenschau von „Brücke“ und „Blauem Reiter“, wie wir sie nun realisieren, hat es seit 25 Jahren nicht mehr gegeben. Wir werden viele neue Fragen an die Werke herantragen – Fragen, die gerade deshalb hoch spannend sind, weil viele Werke eine ­enorme Popularität besitzen. Im Von der Heydt-Museum

wird die Ausstellung insgesamt rund 160 Arbeiten umfassen: knapp 90 Gemälde und gut 70 Arbeiten auf Papier. Für die „Brücke“ sind unter anderem Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Erich Heckel, Max Pechstein, Emil Nolde und Otto Mueller dabei, für den „Blauen Reiter“ Wassily ­K andinsky, Gabriele Münter, Franz Marc, August Macke, Alexej von Jawlensky, Marianne von Werefkin und Paul Klee. Handverlesene Hauptwerke aus den drei kooperierenden ­Museen bilden die Basis. Und dann kommen noch Leihgaben aus weiteren international renommierten Häusern hinzu, die gezielt ergänzen, was unseren Sammlungen fehlt. So er­ warten wir hochkarätige Gemälde unter anderem aus dem Lenbachhaus in München, dem Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), aus der Kunsthalle zu Kiel und aus dem Stedelijk ­Museum Amsterdam.

linke Seite: Direktor Roland Mönig, im Hintergrund Franz Marc, „Fuchs“, 1911, Öl auf Leinwand, Foto: Andres Fischer

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ARTMAPP: Herr Mönig, was erwartet den ­Besucher in „Ihrer“ ersten Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“?


Vincent van Gogh, „Kartoffelsetzen – Planter des pommes de terre“, 1884, Leinwand, 70,5 x 170 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal

ARTMAPP: Wenn wir über den Expressionismus sprechen, dann sprechen wir natürlich auch über die aktuelle Debatte um Dekolonisierung. In manchen Museen wurden Werke abgehängt, auf der Straße Skulpturen von ihren Sockeln gestürzt. Wie stehen Sie dazu? RM: Das Museum ist immer schon ein Ort des Diskurses ge- diese Geschichte in die Gegenwart tragen soll, darf nicht vaporisiert werden. Man muss sich den Fragen stellen, und das wesen. Ein Ort, wo Bilder kommentiert werden und sich auch kann man nur, wenn man die Werke zulässt, an die sich diese gegenseitig kommentieren. Wenn man diesen Auftrag ernst nimmt, macht man einen großen Fehler, indem man Werke, Fragen richten. Das heißt nicht, dass man alles toll findet. Das mit denen man aus welchen Gründen auch immer nicht zu- sagt auch Bénédicte Savoy sehr klar und schön. Man muss nicht die im Namen des Kolonialismus begangenen Verbrerechtkommt, reflexartig abhängt. George Orwell hat einen chen schönreden, um Klossner, dazu zu© stehen, welchen enormen schönenFrantiček BegriffKlossner, dafür gefunden, „Melting Selves“, wenn Werkreihe man jemanden seit 1990, performative oder Skulpturen, Foto: Frantiček 2021, ProLitteris, Zürich Mehrwert es für Künstler bedeutet hat, dass sie plötzlich in etwas zum Verschwinden bringen will: „vaporisieren“. In Kontakt mit anderen Kulturen gekommen sind. ­einer Einrichtung, die der Geschichte verpflichtet ist und die


RM: Mit Blick auf diese aktuellen und wichtigen Debatten ­haben wir Wert darauf gelegt, bei der wissenschaftlichen Aufarbeitung und im Katalog die Perspektive zu ändern. Der Autor, der im Katalog über das Thema Exotismus und Kolo­ nialismus schreibt, ist ein afrikanischer Kunsthistoriker: Frank Ugiomoh, Professor an der Universität von Port ­H arcourt in Nigeria. Und natürlich stellt er viele kritische ­Fragen, aber er sieht wie Bénédicte Savoy ebenso die Chancen, die aus dem Dialog der Kulturen entstehen.

RM: Vor allem hat mich die Struktur des Museums fasziniert. Das Von der Heydt-Museum, 1902 eröffnet, wurde von ­Bürgern gegründet. Es ist eine Bürgersammlung, die natio­ nale, ja internationale Geltung hat. Der Gründungsimpuls und der Genius Loci beeinf lussen das Museum und seine ­E ntwicklung ganz nachhaltig. Der Kunst- und Museumsverein hat weit über 2.000 Mitglieder und stärkt unsere Arbeit wesentlich. Aus dem bürgerschaftlichen Engagement ist auch die besondere Konstruktion erwachsen, dass eine gemein­ nützige GmbH den Ausstellungsbetrieb trägt, was gewisse Freiheiten bietet.

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ARTMAPP: Hat dies auch einen Impact auf die Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“?

ARTMAPP: Sie haben in Saarbrücken das Museum aus der Schieflage geholt und wurden für Ihre ­Auf bauarbeit an der Modernen Galerie mit der „Goldenen Ente“ der Landespressekonferenz ­aus­gezeichnet. Nun treten Sie in die Fußstapfen eines erfolgreichen Direktors. Was war für den Wechsel ausschlaggebend?


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ARTMAPP: Die Sammlung des Von der Heydt-­ Museums beinhaltet Kleinode prominenter Künstler des Impressionismus, die teilweise atypisch für deren Schaffen sind. So das „Kartoffelsetzen“, ein früher van Gogh, der noch nahe an Corots Werk ist; außerdem ein Spätwerk von Gauguin, das in seiner Komposition an Cézanne erinnert, und von Letz­ terem einen Akt, der Matisse vorwegnimmt. RM: Das sind Hochkaräter. Wir haben drei Arbeiten von ­C ézanne, die seine wichtigsten Themen darstellen: ein Por­ trät, eine Landschaft und einen Akt, der zugleich ein Stillleben ist. Die Bilder, die Sie gerade genannt haben, sind alter ­Bestand. Das heißt, sie haben teils schon vor dem Ersten Weltkrieg der Familie von der Heydt bzw. anderen Wuppertaler Familien gehört oder waren sogar bereits im Haus. Man muss dabei bedenken: Es war um 1900 ein Politikum, französische Impressionisten zu sammeln. In Berlin kam der Leiter der ­Nationalgalerie Hugo von Tschudi deswegen in Konflikt mit dem Kaiser und musste letztlich gehen. ARTMAPP: Sie haben Ihre Tätigkeit während des Pandemie-Lockdowns aufgenommen. Welche Auswirkungen hat das für Sie gehabt? RM: Meine langfristigen Ziele sind durch die Pandemie nicht beeinträchtigt worden. Es war dennoch eine komische Zeit, weil alles, was einen am Anfang sonst beschäftigt, nicht stattgefunden hat: Kontakte, Eröffnungen, Empf änge, das Herumgereicht-Werden in der Stadtgesellschaft. Andererseits bot die Pandemie mir die Chance, mich stärker auf die Inhalte zu konzentrieren. Mein Wunsch war es von Anfang an, stärker digital zu arbeiten. Durch Corona ging das dann sehr schnell: Wir haben eine Menge neue digitale Formate aufgelegt, zum Beispiel digitale Führungen – ein wunderbares Vermittlungsinstrument, das bleiben wird: Wir erzählen den Menschen zu Hause die Geschichten zu den Bildern, und dann kommen sie vorbereitet ins Museum. Inzwischen haben wir auch die Website komplett erneuert und in Kürze werden wir einen großen Teil der Sammlung online stellen. ARTMAPP: Was sind die Themen, die Sie beschäftigen? RM: Wie finden wir spannende Konzepte? Wie finden wir Ausstellungsthemen, bei denen wir stärker als früher mit der eigenen Sammlung umgehen? Viel schlummert ungesehen im Depot. Das ist ein Potenzial, aus dem sich immer wieder neue Fragen stellen, neue Themen entwickeln lassen. Die ­Museen haben lange vergessen, diese immer vorhandene ­Stärke zu nutzen. Viel zu einseitig haben sie auf große Ausstellungsereignisse gesetzt.

ARTMAPP: Die Renate und Eberhard Robke-­ Stiftung ermöglicht Ihnen vorrangig Ankäufe der zeitgenössischen Kunst. Wie gedenken Sie, die Sammlungsbestände zu erweitern? RM: Ich möchte das gerne wenigstens teilweise im Dialog mit den Künstlern machen, gekoppelt an eine neue Ausstellungsreihe: „Freundschaftsanfragen“. Dabei gehen wir auf Künstler zu, bei denen wir das Gefühl haben, sie könnten uns etwas Neues über unsere eigene Sammlung zeigen. Wir laden sie ein, mit ausgewählten Beständen einen Dialog anzustiften. Und wenn die Chemie stimmt zwischen Künstler und Museum, dann wäre für mich der Wunsch, aus diesem Ausstellungsprojekt jeweils etwas zu erwerben. Das halte ich für einen Weg, die Sammlung auf nachhaltige Weise zu entwickeln. ARTMAPP: Viele Museen forcieren den Ankauf von Künstlerinnen, um langfristig einen Ausgleich zu schaffen. Ist das für Sie eine Priorität oder geht es Ihnen primär um andere Werte? RM: Das Wichtigste nach meinem Gefühl ist: Ist etwas aktuell und aufregend? Wenn man sekundäre Kriterien in den Vordergrund stellt, dann kriegt man, glaube ich, ganz schnell Probleme. Es gibt unendlich viele fantastische, wegweisende Künstlerinnen. Wie Sie wissen, habe ich in Saarbrücken die Eröffnungsausstellung der Modernen Galerie mit einer wunderbaren Künstlerin gemacht, Pae White. Und natürlich muss man heute Genderfragen mitdenken. Aber die inhaltliche Arbeit mit Denkverboten zu beginnen, finde ich sehr schwierig. ARTMAPP: Das nächste unabwendbare Thema betrifft die Auswirkungen des Klimawandels auf den Museumsbetrieb. Museen sind angehalten, ihren ökologischen Fußabdruck zu messen. Neben Licht und Klimaanlage sind vor allem die Trans­porte ein Problem. Wie begegnen Sie der Herausforderung, unter diesen Voraussetzungen weiterhin attraktive Ausstellungen zu bieten? RM: Ich habe noch keine Patentlösung dafür – und das geht uns allen im Kunstbetrieb so. Klar ist: Unreflektiert so weitermachen wie bisher, das werden wir nicht können. Für mich kommt hier wieder die Frage ins Spiel, ob wir nicht mehr mit den eigenen Pfunden wuchern müssen: mit unserer Sammlung. Wenn wir nachhaltiger arbeiten wollen, ist das sicher ein wichtiger Faktor. Und wir müssen regionaler denken. Mit der Ausstellung „Brücke und Blauer Reiter“ gehen wir schon in diese Richtung. Wir verbinden drei Sammlungen miteinander, was ökologisch und ökonomisch interessant ist. Zugleich können wir das jeweilige regionale Publikum auf andere ­Weise ansprechen. Jeder kann an seinem Standort noch mal deutlicher sagen, wofür das einzelne Haus steht.


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Paul Cézanne, „Liegender weiblicher Akt (Femme nue couchée)“, 1885/1887,

ARTMAPP: Ihr Schlusswort? RM: Das würde ich gern bei Maurizio Nannucci entlehnen. Wir haben im Entrée eine Arbeit von ihm, eine Neonschrift: „It is possible to imagine that all impossible images exist in the field of all possibilities“. Das ist das Museum: ein Ort der Möglichkeiten, ein Ort auch fürs Unmögliche.

Bis 9. Januar 202 2 J o s e p h B e u y s : A k t i o n e n – f o t o g ra f i e r t v o n U t e K l o p h a u s , Sammlung Lothar Schir mer 2 1 . N o v e m b e r 2 0 2 1 b i s 2 7. F e b r u a r 2 0 2 2 Br ücke und Blauer R eiter w w w . v o n - d e r- h e y d t- m u s e u m . d e

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Öl auf Leinwand, 44 x 62 cm, Von der Heydt-Museum Wuppertal


K ü n st le rkolon ie A h r e n sho op: E r i n ne r n a n E l i s a b e t h von E ic ke n u nd P au l Mü l le r- K ae mpf f

Die Gründergeneration Ahrenshoop feiert in diesem Winter Paul Müller-Kaempff. Vier Jahre nach dem 125. Jubiläum der Künstlerkolonie an der Ostsee werden zugleich der 160. Geburtstag und der 80. Todestag des erfolgreichen Landschaftsmalers zelebriert, der allgemein als ihr Begründer gilt. Die Geschichte, dass M ­ üller-K aempff das idyllisch gelegene Dorf im Spätsommer 1889 während einer Wanderung mit dem Tiermaler Oskar Frenzel ganz zufällig entdeckt habe, gehört zu

den Legenden des Ortes. Der Künstler hat sie in seinen ­„ Erinnerungen an Ahrenshoop“ selbst aufgeschrieben. Seine zahlreichen Gemälde mit Fischland-Motiven – reetgedeckte Fischerkaten in malerischer Landschaft unter dramatischen Himmeln – sind für viele Ahrenshoop-Freunde geradezu emblematisch, und sie erzielen bis heute hohe Preise: Bei der diesjährigen Ahrenshooper Kunstauktion bot ein Sammler für ein Bild stolze 26.000 Euro.


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Elisabeth von Eicken, „Winterliche Gehöfte an der Ostsee“, nach 1900,

Kein Wunder also, dass Müller-Kaempffs Gemälde einmal mehr in großem Stil gezeigt werden. Selbstverständlich (5. Dezember 2021 bis 20. März 2022 ) im Kunstkaten, der vor über 100 Jahren nach seinem Entwurf und unter seiner Leitung als „Haus für heimische Kunst und Kunstgewerbe“ erbaut wurde, und im „Romantik Hotel ­Namenlos & Fischerwiege“, das dank der Leidenschaft seines Besitzers eine beachtliche Sammlung beherbergt. Präsent ist Müller-Kaempff natürlich auch (4. Dezember 2021 bis 6. März 2022) im Kunstmuseum Ahrenshoop. Im Sammlungssaal des modernen Gebäudeensembles füllt sein Gemälde „Alter Schifferfriedhof “ aus der Kunsthalle zu Kiel eine ganze Wand – ein starkes Bild, sehr eindrucksvoll. Zum Doppeljubiläum setzt Katrin Arrieta, die künstlerische Leiterin des Hauses, aber lieber einen anderen Akzent: Sie zeigt Zeichnungen des Künstlers – Blätter aus dem Bestand des ­Museums und Leihgaben aus Privatbesitz. Warum? „Bei ­M üller-Kaempffs Gemälden wird immer der Eindruck ­erweckt, als ginge es um urtümliche Naturbegegnungen, aber

so ist es gar nicht. Die viel beschworene Ahrenshooper Freilichtmalerei, bei ihm ist sie im Wesentlichen ein Mythos. Viel entstand im Atelier, vieles ist wiederholt gemalt worden – auch weil sich die Bilder gut verkauft haben“, erklärt die Kunsthistorikerin. „Ich finde ihn als Zeichner interessanter. Das ist das Feld, auf dem man merkt, dass er sich mit der ­L andschaft auseinandersetzte. Die Zeichnungen sind das ­Authentische bei Müller-Kaempff. Nicht skizzenhaft, sondern fein gearbeitet, fast immer mit Bleistift. Aber es gibt auch stimmungsvolle Farbstiftzeichnungen, teilweise schöner als die Gemälde.“ In der Tat: Auf Papier zu sehen sind mit sicherer Hand ins Bild gesetzte Landschaften, Blicke auf den Bodden über Felder und Wiesen, Katen, blühende Sträucher, Windflüchter, Wolkenhimmel. Viele Details daraus finden sich gewissermaßen als Bausteine in den Gemälden wieder – dort allerdings dramatisiert und im Ausdruck gesteigert. Das Gesamtwerk Müller-Kaempffs hat der Magde­ burger Arzt und Sammler Konrad Mahlfeld mehr als ein Jahrzehnt lang erforscht und jüngst in einem dreibändigen Werkverzeichnis publiziert. Er war es auch, der 2017 das Grab von Paul und Else Müller-Kaempff auf dem Friedhof von ­B erlin-Stahnsdorf ausfindig machte und dafür sorgte, dass die beiden doch noch ihre letzte Ruhestätte auf dem Ahrens­hooper Schifferfriedhof fanden. Die Ausstellung im Kunstmuseum greift auf Mahlfelds Wissensschatz zurück und wurde von ihm mit kuratiert. Zur Gründergeneration der Künstlerkolonie gehörten aber ebenso Malerinnen wie Anna Gerresheim und Eli­ sabeth von Eicken, und die haben wie etwa Carl Malchin, der schon Jahre vorher in Ahrenshoop zum Pinsel griff, aber − anders als Müller-Kaempff – tatsächlich öfter vor der Natur gemalt. K ­ atrin Arrieta ist es wichtig, dies richtig einzuordnen und auch zu zeigen. „Müller-Kaempff war ein wichtiger An­stoßer“, sagt sie, aber eben nicht der, der die Künstler­ kolonie allein gegründet und alle anderen nachgezogen hat. Als Kunsthistorikerin weigere ich mich, das so zu erzählen.“ Für sie war Ahrenshoop von Beginn an eine offene Künstler­ kolonie mit offenen St r ukt uren und verschiedenen Entwicklungssträngen, die gerade deshalb so schnell bekannt und attraktiv geworden ist. Deshalb fokussiert (5. Dezember 2021 bis 2 4. April 2022) das Kunstmuseum parallel zu Müller-Kaempff mit einer monografischen Schau auch Leben und Wirken der Malerin Elisabeth von Eicken. Die 1862 in Mülheim an der Ruhr ge­ borene Künstlerin hatte in Paris studiert und sich 1894 ein kleines Haus in Ahrenshoop gebaut. In der Umgebung des Dorfes und auf dem Darß malte sie viele Sommer über ihre schönsten Bilder, die auch international Anerkennung fanden. Im Winter lebte sie in Berlin, wo sie regelmäßig ausstellte.

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Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Foto: Archiv Kunstmuseum Ahrenshoop


68 Die Elisabeth-von-Eicken-Schau in Ahrenshoop war ei­ gentlich schon vor einem Jahr geplant, musste wegen der Coronapandemie aber verschoben werden und ist nun endlich zu sehen. „Vorgestellt wird ihr Lebenswerk – ausschnitthaft, aber in einer zusammenhängenden Ausstellung, mit mehr ­F acetten, als man bisher kennt“, verspricht Arrieta. „Dazu ­gehören nicht oder wenig gezeigte Kunstwerke und Lebensdokumente, selbstverständlich Gemälde, die in Ahrenshoop entstanden sind, aber auch Motive von anderen Orten – aus Frankreich etwa. Und wir zeigen beispielhaft, was die Malerin im kunsthandwerklichen Bereich gemacht hat, wie sie sich so durchgeschlagen hat. Sie war ja durchaus geschäftstüchtig.“ Die Museumsleiterin sieht diese Ausstellung als gute Ergänzung zum Müller-Kaempff-Jubiläum. Zeitgleich erscheint übrigens eine neue Monografie über Elisabeth von Eicken aus der Feder des Schweriner Historikers Wolf Karge. Im Kunstmuseum gibt es außerdem noch einen Saal mit ­A rbeiten aus Ahrenshoop, die nach 1945 entstanden sind. „Um zu zeigen, dass es hier noch viel anderes und Spannendes gegeben hat“, sagt Arrieta, „nicht nur die Naturidylle.“ Müller-Kaempff pur gibt es dagegen im Kunstkaten. Das leuchtet ein, weil das Haus selbst ja gewissermaßen zu den für Ahrenshoop wichtigen Arbeiten des Meisters gezählt werden kann. Heute gehört es offiziell als Betriebsteil zur Kurverwaltung des Ortes und Galerieleiterin Sandra Schröder möchte mit der Jubiläumsausstellung „Wolken­ bilder“ einen „Querschnitt seines Lebens zeigen – alle Jahreszeiten, alle Stimmungen, alle Schaffensperioden“. Am wichtigsten auch für sie: „das besondere Licht zwischen O ­ stsee und Bodden, das ihn so fasziniert hat, dass er sich hier niederließ“.

Zu sehen sein werden über 35 Gemälde fast ausschließlich aus verschiedenen Privatsammlungen, kuratiert von dem Dresdner Sammler Andreas Käppler, einem ausgewiesenen Müller-Kaempff-Kenner. Begeistert ist Sandra Schröder ­besonders von dem „Spätsommertag am Bodden“, einer Ölmalerei auf Leinwand von 1895, die eine typische Szenerie zeigt – mit reetgedecktem Haus, Wasser und Wolken, Wiese und Weg, auf dem eine Bäuerin ihre Gänse heimtreibt. „Als ich gehört habe, dass wir das haben können, war die Freude groß“, sagt die Kunsthistorikerin. „Das wird ein Hingucker!“ Ergänzend dazu gibt es ein paar Grafiken – um auf die Ausstellung im Kunstmuseum zu verweisen – und Vitrinen mit Postkarten, Jahrbüchern, einer Heimatmappe mit Illustra­ tionen und Arbeiten zur Vogelkunde. Artefakte, die beweisen, wie vielseitig interessiert und engagiert der Maler neben seiner künstlerischen Arbeit war. „Müller-Kaempff war pfiffig, hat damals schon erkannt, was Ahrenshoop für ein Potenzial hat“, erklärt Sandra Schröder. „Deshalb hat er nicht nur den Kunstkaten gegründet und die Ausstellungen seiner Kolleginnen und Kollegen wöchentlich gewechselt – ein großer Aufwand, wenn man bedenkt, dass die Hauptstraße damals noch ein Sandweg war und die Kunstwerke per Pferdewagen angeliefert wurden. Eigentlich hat er damit begonnen, den Ort zu vermarkten.“ Dazu passt die Anekdote, dass der rührige Künstler im Gemeinderat die erste Ahrenshooper Kurtaxenverordnung mit erarbeitet hat. JAN-PETER SCHRÖDER

www. ost seebad- ahre n shoop. de/ k un stkate n/ www. k un st mu se um- ahre n shoop. de

Paul Müller-Kaempff, „Sommer am Dornenhaus (Ahrenshoop)“, um 1902, Farbstiftzeichnung, Privatbesitz, Foto: Archiv Kunstmuseum Ahrenshoop


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Paul Müller-Kaempff, „Wolkenschatten“, um 1920, Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Foto: Leihgeber

Au s P au l Mü l le r- K ae mpf f s „ E r i n ne r u n g e n a n A h r e n sho op“, i n : M e c k le nb u r g i s c he M on at shef t e 7/1 9 2 6:

„ Im Spätsommer 18 89 hielt ich mich mit meinem Kollegen, d e m T i e r m a l e r O s k a r F r e n z e l , i n W u s t ro w a u f d e m F i s c h ­ „W i e v i e l e B i l d e r h a b e i c h i n d e n l a n g e n J a h r e n v o n

Anhöhe e r re icht hat te n, zu un se r n Füße n e in Dor f :

­A h r e n s h o o p , A l t- u n d N i e h a g e n g e m a l t ! I n a l l e W i n d e s i n d

­A h r e n s h o o p . W i r h a t t e n v o n s e i n e r E x i s t e n z k e i n e A h n u n g

sie ze rst re ut, bi s Arge nt inie n und selbst bi s China . Diese

u n d b l i c k t e n ü b e r ra s c h t u n d e n t z ü c k t a u f d i e s e s B i l d

er nste Landschaf t sagt meinem Empf inden am meisten zu,

d e s F r i e d e n s u n d d e r E i n s a m k e i t .“

s o h a b e i c h s t e t s d e ra r t i g e M o t i v e b e v o r z u g t . W i r s o l l t e n doch nur un se re He imat male n, mit de r wir ve r wach se n sind

(… )

u n d d i e u n s v o n K i n d e s b e i n e n a n v e r t ra u t i s t , s t a t t u n s ­M o t i v e a u s a n d e r e n L ä n d e r n z u h o l e n .“

„ A b e r e i n e s Ta g e s t ra f e n w i r e i n e n K o l l e g e n i n d e n D ü n e n a n seiner Staf felei: Carl Malchin, der mit seiner Familie sich dor t eingemietet hat te und eigene Wir tschaf t f ühr te, denn e i n U n t e r k o m m e n m i t Ve r p f l e g u n g g a b e s d a m a l s d o r t n i c h t .“ (… )

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

l a n d e a u f, u m S t u d i e n z u m a l e n . G e l e g e n t l i c h e i n e r Wa n d e r u n g a m h o h e n U f e r l a g p l ö t z l i c h , a l s w i r d i e l e t z t e


70 D a s b e e i nd r uc ke nde We rk e i ne s f a st ve r g e s s e ne n K ü n st le r s de r M o de r ne

Alfred Heinsohn

Alfred Heinsohn, „Abend am Wasser / Am Ufer“, um 1910, Öl auf Leinwand, Ostdeutsche Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Ostseesparkasse Rostock, Foto: © Archiv, Kunstmuseum Schwaan

Dräuende Seestücke und starke Stadtbilder, stimmungsvolle Hafenszenen, lichtdurchf lirrte Waldimpressionen und ­expressive Landschaften, zeichenhaft-abstrakte Tierdarstellungen und ein düsterer Blick auf verzweifelte Menschen – mit einer beeindruckenden Schau präsentiert das Kunstmuseum Schwaan in Mecklenburg bis 28. November das Werk des norddeutschen Malers Alfred Heinsohn (1875–1927). Der Künstler war 90 Jahre nahezu vergessen, eine letzte große Ausstellung ist 1932 in Hamburg gezeigt worden, seine Arbeiten sind seither verstreut in Privatbesitz. Auf­gefunden, dokumentiert und zusammengestellt werden

konnten sie jetzt durch ein Gemeinschaftsprojekt des kleinen Kunstmuseums Schwaan mit dem großen Staatlichen ­Mu­seum Schwerin. Und das hat sich gelohnt: Die Fülle der Motive, die hohe Qualität und auch die stilistische Vielfalt der gezeigten Gemälde und Miniaturen weisen Alfred Heinsohn als einen experimentierfreudigen Maler aus, der die feine Peinture ebenso meisterlich beherrschte wie den kraftvollen Strich und den pastosen Farbauftrag, der sich immer wieder von aktuellen Kunstströmungen anregen ließ und ganz o ­ ffensichtlich auf Augenhöhe mit berühmteren Zeit­ genossen malte. Van Gogh lässt grüßen! Die Schwaaner


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Alfred Heinsohn, „Mecklenburgische Landschaft an der Warnow“, um 1910,

Heinsohn-Schau rückt die ehemalige Künstlerkolonie auf halbem Weg zwischen Rostock und Güstrow jedenfalls einmal mehr in den Kontext der Klassischen Moderne. Der in Hamburg geborene Künstler hatte dort bereits während des Studiums gemeinsam mit Rudolf Bartels, Franz Bunke und Peter Paul Draewing vor der Natur gemalt und später fast zehn Jahre in Schwaan gelebt und gearbeitet. Deshalb fanden sich auch drei oder vier seiner Arbeiten in der Sammlung des Schwaaner Museums, in dem das Erbe der Künstlerkolonie seit 2002 gehütet und präsentiert wird. „Das war der Ausgangspunkt“, erzählt Heiko Brunner, der das Projekt als langjähriger Leiter des Hauses vorangetrieben hat. „Wir forschen seit 2003/04 zu Heinsohn. In Schwerin wird er ebenfalls geschätzt, die haben schon vor uns Gemälde von ihm angekauft, weil sie von der Qualität überzeugt waren. Dort gab es zunächst aber auch nur vier Bilder.“ Die Suche

nach weiteren Arbeiten war langwierig und mühsam, am Ende aber erfolgreich. Das Werkverzeichnis, das Brunner parallel zur Ausstellung erarbeitet hat, listet auf über 200 Seiten 154 Gemälde sowie 150 Zeichnungen und Aquarelle auf. Es ­e rscheint dieser Tage in Buchform und enthält auch um­ fangreiche Essays auf Deutsch und Englisch; „ Alfred Heinsohn – Maler der Moderne“, Sandstein Verlag, Dresden. „Damit wollen wir Heinsohn auch international ­bekannt machen“, erklärt Heiko Brunner. „Schon seine Zeitgenossen haben ihn in höchsten Tönen gelobt. Aber er hatte keine Kinder, keine Erben, und nach seinem Freitod 1927 ist sein Schaffen vergessen worden.“ In Schwaan wird es nun wieder ins Licht gerückt. JAN-PETER SCHRÖDER

www. k unst museum-schwaan. de

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Öl auf Leinwand, Privatbesitz, Foto: © Archiv, Kunstmuseum Schwaan


Tanz (Odori), 1924, Performance von (von links nach rechts): Sumiya Iwane, Okada Tatsuo, und Takamizawa Michinao erschienen in der Zeitschrift Mavo, Bd. 3, September 1924, Foto: Courtesy Otani Shogo

Gruppendynamik – Kollektive der Moderne
 Lenbachhaus München

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Bis 2 4 . Apr il 202 2

Beijing, Buenos Aires, Mumbai, Casablanca, Khartum, Kyoto, Lahore, Łód ź, Nsukka, São Paulo, Tokyo: Überall auf der Welt schlossen sich im 20. Jahrhundert Künstler zu Kollektiven zusammen. Die Tendenz zur gleichgesinnten und solidarischen Gruppenarbeit war und ist universell; die Anliegen der Mitglieder, ihre ästhetischen Methoden, politischen Ziele und utopischen Ideen sind – je nach Zeit und Ort – verschieden. Die Ausstellung beleuchtet exemplarisch die Ent­ stehung und Entwicklung von Künstlergruppen vor dem Hintergrund ihrer jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Zeitgenossenschaft. Der gewählte Zeitraum um 1910 bis in die 1980er-Jahre umfasst internationale Moderni­ sierungsbewegungen und antikoloniale Befreiungskämpfe. Eine Gruppe lebt von Zusammenschluss und Bruch, ihre

Dynamik ist unberechenbar: Gemeinsames Arbeiten, Gespräche, Geselligkeit, Rivalität, Freundschaft, Offenheit, Inklusion, Abgrenzung, Ermüdung, Streit, Liebe, Polemik und Enthusiasmus zeichnen sie aus. Gruppen bieten uns ein mögliches Modell, Kunstproduktion überindividuell zu denken: Kunst entsteht nicht im luftleeren Raum, sie basiert auf Austausch und gesellschaftlichem Miteinander. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts nimmt die Mobi­ lität zu: Die Künstler stehen über ihre Städte und Länder hinweg im Austausch, Gruppen schärfen ihre Programme in Soli­d arität mit internationalen Entwicklungen – und häufig in Opposition zu den klassischen Kunstakademien und aus ­i hrer unmittelbaren Umgebung. Die Gründung neuer K ­ unstschulen und Kollektive, die Veröffentlichung pro­g rammatischer Texte wie Zeitschriften begleiten ­d ieses Phänomen. M it der Moder ne ver ä nder ten sich die gesell­ schaftlichen ­Verhältnisse nachhaltig: Die Welt wurde kosmopolitischer, zugleich verhärteten sich Klassenunterschiede. Die Mo­derne markiert einen späten Höhepunkt der europäischen Kolonialherrschaft und gleichzeitig ihr Ende in Form von Befreiungskämpfen. In Kunst und Kultur ent­ wickeln sich gegenläuf ige und einander bedingende Tendenzen wie Fortschrittsglaube und Esoterik, Technik­ fetischismus und Naturkult. Die eigene Modernität wurde von Künstlern und Gruppen als radikales Programm for­ muliert – eine Tatsache, die sich auch in einer Vielzahl von Manifesten niederschlug. In ihrem Zusammenspiel zeichnen die in der Ausstellung vereinten Künstler und Werke ein Bild eines dynamischen Mit- und Gegeneinanders, einer komplexen internationalen Welt, in der die Kunst als Kompass dient und als Grund, sich lebhaft und lautstark auszutauschen. Das Projekt wird im Rahmen des Programms „Museum Global. Sammlungen des 20. Jahrhunderts in globaler ­Perspektive“ von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Parallel dazu wird seit Frühjahr 2021 eine zweite Ausstellung gezeigt, die dem Künstlerkreis „Der Blaue Reiter“ gewidmet ist: „Gruppendynamik – Der Blaue Reiter“, Lenbachhaus, bis 5. März 2023. www. lenbachhaus. de


Gabriele Münter, Selbstbildnis, um 1909, Schloßmuseum Murnau, © VG Bild-Kunst , Bonn 2021

Angermuseum Erfurt

07. 11. 2021 bis 06. 02. 2022 Kunstmuseen der Stadt Erfurt Anger 18 99084 Erfurt www.kunstmuseen.erfurt.de

Fritz Winter DURCHBRUCH ZUR FARBE

Ausstellung in Kooperation mit dem Emil Schumacher Museum, mit Unterstützung des Fritz-Winter-Hauses Ahlen www.schlossmuseum-murnau.de

Jochen Plogsties: vor Tizian nach Monet 20. November 2021—6. Februar 2022

MEWO Kunsthalle Bahnhofstraße 1 87700 Memmingen www.mewo-kunsthalle.de

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Di–So und feiertags 11–17 Uhr am 24.12. und 31.12.2021 geschlossen

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28.11.2021–30.10.2022

Europa auf Kur Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der My thos Davos www.kirchnermuseum.ch

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23.09.21 10:50


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Mythos Davos Wintervergnügen: Tailing-Party hinter einer Kutsche, Davos um 1900/1910, Privatbesitz,

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Foto: © Germanisches Nationalmuseum


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DI E W E LT BR AUC H T F R I S C H E L U F T Wo einst, in warme Decken und edle Pelze gehüllt, Kurgäste aus ganz Europa in der Höhen­ sonne auf Heilung hofften und mit ihrem «blauen Heinrich» über die Prome­n aden flanierten, treffen sich rund 100 Jahre später die Eliten aus Wirtschaft und Politik zum alljährlichen ­gemeinsamen Brainstorming. Die Weltwirtschaft ist im ­Januar hier auf Kur: Die Helikopter kreisen ohne Unterlass über die ansonsten eher ­r uhige Berglandschaft und in den hell ­erleuchteten Fassaden des renommierten ­Ferienortes widerspiegelt sich die Welt der Nationen, Konzerne und NGOs. ANDRIN SCHÜTZ


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Ernst Ludwig Kirchner, „Die Brücke bei Wiesen“, 1926, Öl auf Leinwand, 1,20 x 1,20 m, Kirchner Museum Davos, Schenkung Landschaft Davos Gemeinde 1982


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D avo s z w i s c he n K u r t r a d it ion u nd Welt w i r t s c h a f t sfor u m

Europa auf Kur D a s S p a n n u n g s f e l d z w i s c h e n K u r- , G e s e l l s c h a f t s - , K u n s t- u n d To u r i s m u s ­ g e s c h i c h t e s o w i e d e r a k t u e l l e n g l o b a l e n M a c h t s t r u k t u r e n w i rd i n D a v o s in den kommenden Monaten ver t ief t au sgelotet :

Nimmt sich die umfangreiche Ausstellung „Europa auf Kur. Ernst Ludwig ­K irchner, Thomas Mann und der Mythos D ­ avos“ im Kirchner Museum vom 18. November 2021 bis zum 30. Oktober 2022 dem einstigen Kurbetrieb und dem damit verbundenen kulturellen und touristischen Aufstieg des Berg­dorfes an, ­ref lektiert der in Davos geborene Bündner ­F otograf Jules Spinatsch zugleich ­gekonnt und unvor­eingenommen über den alljährlichen rund vier Wochen ­andauernden Ausnahmezustand in der weltbekannten ­Tourismusgemeinde. Das thematisch angelegte Projekt hat inzwischen bereits in den zwei Publikationen „Temporary Discomfort“ und „DAVOS IS A VERB“ sowie in Ausstel­lungen in Chur und am Zürichsee seinen konzentrierten Niederschlag gefunden. Im ­Umfeld der Ausstellung im K ­ irchner Museum ist Jules Spinatsch in Davos mit ­einer raumgreifenden Installation präsent.

K I RC H N E R M U S E U M DAVO S Vo m 2 8 . N o v e m b e r 2 0 2 1 b i s z u m 3 0 . O k t o b e r 2 0 2 2 i st im Kirchne r Mu se um Davos die umfang re iche Au sstellung ­ „ E u ro p a a u f K u r. E r n s t L u d w i g K i r c h n e r, T h o m a s M a n n

Die Schau, welche einen vertieften Einblick in das ­Leben und das Schaffen sowie im Besonderen in die Davoser Zeit der ­beiden Protagonisten gibt, ist zugleich als spannungsvolles Panoptikum der gesellschaftlichen und politischen Ver­fassung Europas im Übergang des Fin de Siècle zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu lesen. Die Kulisse für die ­eindrucksvolle Präsentation, die ebenso mit wichtigen ­Werken Kirchners, selten zugänglichen Originaldokumenten Thomas Manns ­s owie mit vielen zeitgenössischen Fotogra­f ien und mannigfaltigen Gegen­ ständen aus dem damaligen Kuralltag aufwartet, liefert der ab 1870 einsetzende rasante Wandel des kleinen idyllischen Bergdorfes Davos zum international ­bekannten Weltkurort.

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u n d d e r M y t h o s D a v o s“ z u s e h e n .


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K R I E G , K R I S E U N D K R A N K H E I T: E U R O PA L E I D E T U N T E R S C H W I N D S U C H T

Dr. Dettweiler’s Spuckfläschchen „Blauer Heinrich“, Herstellung ab 1904, Foto: GNM, Georg Janßen

Den historischen und soziokulturellen Hintergrund für den tiefgreifenden Wandel, welcher die Entwicklung einer ­g anzen Region, wenn nicht gar der ganzen Schweiz nach­ haltig prägen sollte, bildet ein zunehmend von Krieg, Krise und Krankheit geplagtes Europa: Der Deutsch-Franzö­ sische Krieg hat ebenso wie zahlreiche andere inner- und außer­e uropäische Auseinandersetzungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts seine Spuren hinterlassen. Auch die einst als ausschließlich heilsamer zivilisatorischer Fortschritt ­g e­priesene Industrialisierung forderte inzwischen ihren menschlichen Tribut. Wenn man es in jenen Tagen noch nicht zu wissen vermochte, düstere Ahnungen schwebten gleich dem Schwert des Damokles über den heiteren Soireen der Bourgeoisie und des Adels: Europa stand gesellschaftlich und politisch vor dem Abgrund. Schwadronieren Richard Wagner und seine Gefährten in den deutschen Niederungen noch vom unbezwingbar Heroischen in der europäischen und ­namentlich der germanischen Kultur, wittert Friedrich Nietzsche in der frischen Nachmittagsbrise am Ufer des Silsersees nahe St. Moritz bereits früh das aufkommende Unheil. Dies nicht ohne Grund: Die Auszehrungen der Kriegszeiten und das Leben im Moloch der Großstädte fordern zunehmend Opfer: Die gefährliche Tuberkulose breitet sich jenseits der Arbeiterklasse nun auch im Bürgertum aus, das aufregende und ungewohnte Leben im raschen Rhythmus der Moderne fördert Neurose und Hysterie. Europa leidet in mannigfaltiger Weise unter „Schwindsucht“.


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Das „Curhaus“ (rechts im Bild), erbaut von Willem Jan Holsboer und Alexander Spengler, links davon Villa „Helvetia“ und Villa „Germania“, um 1878

D I E L U F T K U R : H E I L S V E R S P R E C H E N F Ü R KÖ R P E R ,

Heilung für Körper und Geist versprechen die seinerzeit ­neuartigen Luftkuren, die unter anderem vom Davoser Arzt Alexander Spengler (1827−1901) ab den 1860er-Jahren pro­ pagiert werden und in der Folge regen Zulauf erfahren. Aufgrund der Theorien Spenglers eröffnet eine kleine Gruppe von Basler Ärzten unter der Ägide von Dr. med. Adolf ­H ägler-Gutzwiler 1896 mit dem „Basler Sanatorium“ die ­erste Volksheilstätte. Auf Basis eines Legats des Gründers der Rhätischen Bahn und seines Schwiegervaters Willem Jan Holsboer initiiert wiederum Lucius Spengler, der Sohn Alexander Spenglers,

linke Seite: Blick auf einen Davoser Liegestuhl aus dem Kurhaus Holsboer, heute Hotel Europe, Davos, um 1930, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Foto: GNM, Dirk Messberger

um Weihnachten 1900 das luxuriöse Sanatorium „Schatzalp“, in welchem vornehmlich wohlhabende Tuberkulose­ patienten aus Großbritannien und Deutschland behandelt werden. Weitere Heilstätten entstehen ungefähr zeitgleich im ­be­nachbarten Arosa sowie im Engadin. 1911 folgte in Davos die Eröffnung des Waldsanatoriums (heute „Waldhotel“), in dem Thomas Mann 1912 anlässlich eines Besuches seiner an Lungenspitzenkatarrh erkrankten Frau Katja abstieg. Die dort erfahrenen Eindrücke sowie ein reger Briefverkehr zwischen den Eheleuten Mann bilden die Grundlage für den 192 4 ­erschienen Roman „Der Zauberberg“. Nebst Thomas Mann finden sich zahlreiche führende Intellektuelle aus ganz Europa in Davos ein: So unter anderem die Schriftsteller Arthur Conan Doyle, Robert Louis Ste­ venson oder der Physiker Albert Einstein. Auch der große deutsche Expressionist Ernst Ludwig Kirchner vermeint, von Sucht ­sowie körperlichem und seelischem Leiden gequält, sein Heil in der unberührten alpinen Landschaft.

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GEIST U ND GESELLSCHAF T


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Plakat „Internationale Eiswettlaufen Davos“, Walther Koch, 1909 © Germanisches Nationalmuseum, Oschmann-Stiftung

AU F S C H W U N G U N D T R AG Ö D I E Z U G L E I C H

Wird Davos auf diesem Wege zu einem Zentrum des europäischen Denkens fernab der Großstädte, entwickelt sich rund um den eigentlichen Kurbetrieb eine attraktive architektonische und touristische Infrastruktur, welche der Unterhaltung der meist betuchten Dauergäste dienen soll. Das Schlittschuhlaufen, der Skisport und das Eisstockschießen sowie elegante Bars halten Einzug in die hochalpine Landschaft. Trotz ansehnlicher Behandlungserfolge aber endet der Aufenthalt für viele − nicht nur für einige Protagonisten in Thomas Manns „Zauberberg“ − letztendlich tödlich. Für Ernst Ludwig Kirchner verläuft die Geschichte allerdings nicht nur tödlich, sondern auch äußerst tragisch: 1917 zieht er, gezeichnet von Lähmungserscheinungen und Morphinsucht, nach Davos und lebt dort in einem kleinen Haus nahe der Schatzalp, während seine langjährige Lebenspartnerin Erna Schilling versucht, Kirchners Lebensunterhalt durch Bilderverkäufe im städtischen Umfeld in Deutschland zu ­s ichern. In Davos entstehen indes viele von Kirchners ­b edeutendsten Werken. Glücklich aber wird er auch hier trotz einiger hoffnungsvollerer Lebensphasen nicht. Ernst Ludwig Kirchner nimmt sich 1938 in Davos verzweifelt das Leben. Der Geist und die grandiose, eindrucksvolle Malerei Kirchners sind aber noch heute in Davos im Kirchner Mu­ seum präsent. Und so lässt die aktuelle Ausstellung die Besucher den sich immer wieder wandelnden Seelenzustand Kirchners, aber ebenso die Lebensumstände und den Zeitgeist im Allgemeinen hautnah erleben. Die Reise geht mitten

hinein in die Welt des „blauen Heinrich“ und der berühmten „Davoser Liegen“. Zeitgenössische Fotografien zeugen von trügerischem und exaltiertem Glamour, während sich in medizinischen Gerätschaften und Instrumenten die Omni­ präsenz von Krankheit und Tod manifestiert. Die Reise durch das wilde Prättigau nach Davos lohnt sich also in jedem Fall. Zumal sie heutigen Tages weniger beschwerlich und furchterregend sein dürfte, als Thomas Mann sie einst im „Zauberberg“ mit folgenden Worten schilderte: „Wasser rauschte in die Tiefe zur Rechten; links ­strebten dunkle Fichten zwischen Felsblöcken gegen einen steingrauen Himmel empor. Stockfinstere Tunnel kamen, und wenn es wieder Tag wurde, taten weitläufige Abgründe mit Ortschaften in der Tiefe sich auf.“ ANDRIN SCHÜTZ

k irchne r mu se um . ch Dig italStor y des Ger manischen Nat ionalmuseums z u r A u s s t e l l u n g „ E u ro p a a u f K u r“ a u f e u ro p a - a u f- k u r. g n m . d e

Die GNM_DigitalStory „Europa auf Kur“ entstand u. a. mit Mitteln des Bundes und des Freistaats Bayern im Rahmen des Aktionsplans der Leibniz-Forschungsmuseen. Kooperation und Partner: Kirchner Museum Davos


Ernst Ludwig Kirchner, „Skilift Bolgen/Davos“, nach dem 23.12.1934, Aquarell, Leihgeber: Galerie Iris Wazzau Der weltweit erste Bügelschlepplift wurde Weihnachten 1934 am Bolgen (Jakobshorn) eröffnet. Er transportierte schon in der ersten Saison 70.000 Personen. Heute sind in Davos und Umgebung ca. 300 km Skipisten erschlossen. Ernst Ludwig Kirchner stellte die wegweisende Erfindung bereits kurz nach deren Eröffnung in diesem Aquarell dar.

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84 J u le s S pi n at s c h

„Davos Is A Verb“


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D I E W E LT Z U G A S T

Seit 1971 findet in Davos jährlich das vom Ravensburger Wirtschaftswissenschaftler Klaus Schwab begründete „World Economic Forum“, besser bekannt unter „WEF“, statt. Während, aber auch vor und nach dem Großanlass, der jeden Januar für zwei Wochen die Elite der global agierenden Konzerne und der Weltpolitik nach Davos lockt, ist die ­beliebte und bekannte Tourismusdestination einer veritablen Transformation unterworfen. In den Tagen vor der Veran­ staltung quälen sich gewichtige Sattelschlepper durch das vorgelagerte Prättigau, Militär und Polizei errichten Straßen­ sperren, der Luftraum wird überwacht und bereits kreuzen schwer gepanzerte schwarze Limousinen über die Prome­ naden der inmitten der Alpen gelegenen Stadt. Sind die Lastwagen, die Bagger und die Auf bauteams erst einmal ­verschwunden, finden sich Einheimische und Gäste gleichermaßen in einer scheinbar vollkommen neuen Welt aus Leuchtschriften, zeitweilig installierten Landesvertretungen und Firmenzentralen wieder. Die Sektgläser klingen und auf kleinstem Raum wird länder-, branchen- und interessenübergreifend, ja gar thematisch und geografisch global diskutiert, entwickelt, kritisiert und hie und da auch im verhaltenen Rahmen der beschränkten Möglichkeiten demonstriert.

J U L E S S P I N AT S C H – DAVO S I S A V E R B :

Rund 15 Jahre nach der vielbeachteten Publikation „Temporary Discomfort“ beschäftigt sich der 1964 in Davos geborene und weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Bündner Fotograf Jules Spinatsch in „DAVOS IS A VERB“ erneut mit der Transformation des Kurortes während des Gipfels. Dass Spinatsch der Buchpublikation von 2005 nun ein umfang­ reiches weiteres Kapitel hinzufügt, hat seinen guten Grund: „Seit der Finanzkrise 2010 hat sich das WEF massiv verändert“, berichtet Spinatsch. „Entlang der drei Kilometer langen ­P romenade entsteht alljährlich eine nicht zum Kernanlass selbst gehörende Parallelwelt. Waren ursprünglich nur die globalen Eliten aus Wirtschaft und Politik vertreten, sind im Laufe der Jahre zunehmend NGOs, größere und kleinere ­i nternational agierende Konzerne und Unternehmungen ­sowie auch vermehrt Exponenten der Klimabewegung hinzugekommen. Das Gesamtspektrum des Kongresses ist als vor allem mit den maßgeblich in der Peripherie präsenten ­A kteuren viel breiter geworden“.

Jules Spinatsch, „Davos Is A Verb – Tata Dome“, 2020, textiles Wandbild, Inkjet auf Decotex Satin, 265 x 350 cm (H x B) Ausstellung „Davos Is A Verb“ bis 18. Dezember 2021 in der Kunsthalle 8000, Wädenswil bei Zürich, Courtesy: Galerie Luciano Fasciati, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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E I N PA N O P T I K U M D E R T R A N S F O R M AT I O N E N


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P L A N E TA RY U P G R A D E P I A Z Z A I M M A S S S TA B 1 : 1 S T R AT E G I E N , H O F F N U N G U N D S C H E I T E R N I M L A BOR DE R W I R K L ICHK E I T

Das WEF hat sich somit in seinem Wandel zum real handelnden und funktionierenden Labor der globalen Wirklichkeit entwickelt, in welchem von den verschiedenen Interessensgruppen mit unterschiedlichen Kommunikationsstrategien gearbeitet wird. Markiert die politische und wirtschaftliche Elite mittels Abschottung und Pressekonferenzen Präsenz und Absenz zugleich, positionieren sich die NGOs, die Schwellenländer und die kleineren Unternehmen in improvisierten hippen Lounges, die Diskussionspartner, Lobbyisten und mögliche Investoren zugleich anziehen sollen, während die Klimabewegung versucht, die wenigen auch während des WEF öffentlich gebliebenen Plätze zu bespielen. Wirbt das WEF mit seinem allseits bekannten ­Slogan „improving the state of the world“, hat sich auf der anderen Seite unter dem Leitsatz „planetary upgrade“ die „Blockbase“ in Form einer freigeistigen, alternativen und international vernetzten Community als prägender und kreativer Player im Szenario etabliert. Im Rahmen seiner fotografischen Recherche interagiert Jules Spinatsch auf spannungsvolle Weise mit dem Weltmodell „WEF Davos“ und seinen jeweiligen Ausprägungen. Er hat die intime Nähe und die nötige Distanz gefunden, um den stets dynamischer und bunter werdenden Diskurs gekonnt ins Bild zu setzen. Akribisch und immer wieder neu gesehen, folgt er der Chronologie des Anlasses sowie den diversen ebenso mäch­ tigen wie ohnmächtigen Akteuren, welche die grandiose Kulisse dramaturgisch gekonnt und oft mit ebenso viel ­K apitalkraft wie persönlicher Präsenz bespielen. „Deren Strategien und Hoffnungen“, so Spinatsch, „erfüllen sich innert weniger Tage, oder sie scheitern … Auf jeden Fall zielen sie ­darauf ab, Aufmerksamkeit zu generieren und am unmittelbaren oder am zukünftigen Geldfluss teilzunehmen“, so der Künstler weiter. Gemäß Spinatsch entsteht in Davos auf diese Weise ein Set von Verhaltensweisen, in welchem sich sowohl Einheimische und Touristen wie auch die Teilnehmenden ­bewegen. „Besonders interessant an dieser nahezu überfall­ artigen Transformation von Davos ist unter anderem, dass sich der Ort in ein nur für kurze Zeit existierendes verklei­ nertes Abbild und Modell der Welt mit ihren Verhältnissen, Protagonisten und Abhängigkeiten verwandelt“, berichtet ­Jules Spinatsch. Über die Fotografie und die Publikationen ­hinaus, hat Spinatsch in verschiedenen installativen Ordnungen und Ausstellungspräsentationen einen faszinierenden Spiegelsaal des Weltmodells „Davos während dem WEF “ entwickelt. Die begehbaren Modelle des temporär errichteten potemkinschen Dorfes in Davos eröffnen dem Besucher den Raum, betrachtend, interagierend oder auch sitzend die ­Ebenen und die Metaebenen der scheinbaren globalen Wirklichkeit sowie des gesellschaftlichen Diskurses im eigenen Modellversuch persönlich auszuloten und nachzuvollziehen.

Die Resultate seiner fotografischen Recherchen hat Jules ­Spinatsch mit den Publikationen „Temporary Discomfort“ und „DAVOS IS A VERB“, beide erschienen bei Lars Müller Publishers, bereits in Buchform gebracht. Ebenso konnten raumgreifende Installationen in der Galerie Luciano Fasciati in Chur sowie in der Kunsthalle 8000 Wädenswil am Zürichsee r­ ealisiert werden.


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ANDRIN SCHÜTZ

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Jules Spinatsch, Ausstellungsansicht „Davos Is A Verb“, bis 18. Dezember 2021 in der Kunsthalle 8000, Wädenswil bei Zürich, Courtesy: Galerie Luciano Fasciati, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — M Y T H O S D A V O S

Für den kommenden Winter ist nun mit der Installation ­„ Planetary Upgrade Piazza. Davos Is A Verb“, programmiert vom neuen Kulturzentrum Kulturplatz Davos, eine groß ­a ngelegte Außeninstallation im bis anhin weitgehend ungenutzt gebliebenen öffentlichen Raum in Davos geplant: Auf dem zentral gelegenen Arkaden­platz und in den angrenzenden Kulturplatz Davos hinein wird ein rund 100 Meter langer U-förmiger Kreuzgang mit textilen Umsetzungen der Fotografien von Jules Spi­n atsch entstehen. Die Besucherinnen

und Besucher werden somit unmittelbar in die Perspektive sowie die Chronologie des Fotografen hineinversetzt und so Teil der Szenerie und ihres alljährlichen Wandels. Die Installation wird am 18. Januar 2022 eröffnet und bis 6. März dem Publikum zugänglich gemacht.


10 Dinge, die Sie diesen Winter tun sollten Bucket-List Davos Klosters Schön, lesen Sie diese Zeilen. Mit unseren Tipps wird Ihnen diesen Winter in Davos Klosters garantiert nicht langweilig. Und sollte Ihr Aufenthalt zu kurz dafür sein: Kommen Sie einfach wieder!

A B TAU C H E N I M F R I S C H E N P U LV E R S C H N E E

Einmal tief Luft holen und los. Der Schwung schwingt von ganz allein, Pulverschnee wirbelt auf beiden Seiten hoch. Es ist wie Surfen. Nein, noch viel besser: Es ist wie Schweben. Den leichten Anf lug von Angst vor der Fahrt? Ver­g essen. Höchste Zeit, dass auch Sie diesen Endorphin-Rausch am Berg erleben.

M E I S T E R N S I E B E R E I T S M O RG E N S E I N E TA L A B FA H R T DR E HE N SI E E I N E RU N DE

Zugegeben: Langlaufen bei Sonnenschein in den Seiten­t älern ist ein Traum. Aber haben Sie schon einmal diese mystische Stimmung auf der Nachtloipe erlebt? Draussen – mit Blick auf die Sterne. Tipp: bei Vollmond ein noch intensiveres Erlebnis. Täglich während der Wintersaison bis 21.30 Uhr möglich.

Sie kennen die Talabfahrten nur gegen halb vier nach­ mittags, wenn die P iste voll und schon verfahren ist? Das ist viel zu schade. Gönnen Sie sich diese Piste einmal schon morgens um 10 Uhr. Ein Klassiker ist die Parsenn-­ Talabfahrt – Ein­hei­m ische und Kenner schwören darauf. PS: Danach dürfen Sie selbstverständlich wieder mit der Parsennbahn hoch ins Skigebiet.

A B AU F S E I S U N D Z WA R A B E N D S

S AU S E N S I E KO P F Ü B E R

AU F D E R N AC H T- L O I P E

DE N H A NG HI NA B

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Ein uralter Wintersport erlebt vielerorts ein hippes Revival: das Eislaufen. Und das hat in Davos eine lange Tradition. ­A nstelle der Natur­eisbahn ist der «Eistraum Davos» eröffnet worden, der diesen Winter in die sechste Saison startet. Abends bei Beleuchtung verwandelt sich der «Eistraum ­Davos» in ein wahr gewordenes Wintermärchen.

Bei Surfen denken Sie gleich an Strand? Weit gefehlt. Auf Pischa surft man liegend durch den Tiefschnee. Und zwar auf einem Airboard – einem auf blasbaren Kissen. Bodyboarding auf Schnee sozusagen. Ein alternativer Wintersport, der leicht erlernbar ist.

Eistraum Davos, Dezember 2018, Foto: © Patrick Cavelti


Madrisa, Davos Klosters, Foto: © Matthias Paintner

F U N I L I N E : GE SICH E RT Ü B E R N AC H T E N S I E W I E E I N R O C K S TA R

U N D D O C H F R E I P OW D E R N

Treten Sie in die Fussstapfen von Jimi Hendrix, Jim Morrison oder John Lennon – und übernachten Sie wie ein Rockstar im Hard Rock Hotel Davos. Es ist das Erste seiner Art auf dem ­e uropäischen Festland. Übrigens: Im Hard Rock Store in ­Davos sind auch die legendären T-Shirts erhältlich.

Die Funi Line macht ihrem Namen, abgeleitet von Funicular (Seilbahn), alle Ehre. Diese Tagestour verbindet alle gesicherten aber unpräparierten Pisten in Davos Klosters. Kurz: kein Aufstieg. Nur neue Lines in den Pulverschnee ziehen. Highlights vom Jakobshorn aus sind die Abfahrten nach Teufi und nach Mühle.

ER KLIMMEN SIE E I N E N G E F R O R E N E N WA S S E R FA L L

S TA P F E N S I E M I T S C H N E E S C H U H E N H I N AU F Z U M R O S S B O D E N

Karabiner rasseln, Haken klirren, Eissplitter rieseln. Mit einer Hand schlagen Sie einen Eispickel über sich in die Wand und rammen das Steigeisen ins Eis. Kleine Pause. Tief Luft holen und weiter geht’s. Schritt für Schritt erklimmen Sie die ­K askaden des gefrorenen Wasserfalls, der im Licht in verschiedenen Blautönen schimmert. So oder ähnlich fühlt sich ein Eiskletter-Abenteuer im Sertig an.

Nur das Knirschen unter den Sohlen ist zu hören, als die Schneeschuhe sanft im Neuschnee einsinken. Die mar­ kierte und gesicherte Schneeschuhtour führt von der Jakobshorn-­B ergstation vorbei am Stadlersee hoch zum Rossboden auf über 2 .600 Meter über Meer. Ein Natur­ erlebnis fernab des Rummels.

M AC H E N S I E E I N E N A B S T E C H E R

Bleiben Sie auf dem Laufenden

AU F D I E A L P G A R F I U N

mit dem monatlichen Newslet ter au s Davos Klosters:

Manchmal reichen zwei PS: Schnappen Sie sich Ihren ­L ieblingsmenschen, kuscheln Sie sich unter wärmende Felle und geniessen Sie bei einer Kutschenfahrt die verschneite Winterlandschaft Richtung Alp Garfiun. Wer möchte, kann die Strecke auch als Winterspaziergang ab dem Parkplatz Monbiel starten.

davos. ch/infor mie re n/ne ws- ak t uelles/ne wsle t te r


90

S t e i g e nb e r g e r Gr a nd hot el B elvé dè r e – D avo s

Moderne Eleganz mit großer Tradition Gleich gegenüber dem Kirchner Museum Davos thront das Steigenberger Grandhotel Belvédère über dem Park und der Promenade. Das in seinen originalen Grundstrukturen bis heute erhaltene, 1875 im Auftrag des hessischen Kurgastes ­J ohann Carl Coesters erstellte Gebäude prägt mit dem ­c harakteristischen Kuppelbau bis heute massgeblich das Ortsbild. Weit über die Region hinaus gilt es als eines der heraus­r agendsten Beispiele für Hotelarchitektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Andrin Schütz sprach mit Marcus Bernhardt, CEO Steigenberger Hotels AG/Deutsche Hospitality, der als Schweizer eine besonders innige Beziehung zu Davos und zum Grandhotel Belvédère hat. ARTMAPP: Was macht das Belvédère innerhalb des Hotelportfolios der Deutschen Hospitality zu etwas Besonderem? Marcus Bernhardt: Das Steigenberger Grandhotel Belvédère ist eines der geschichtsträchtigsten Hotels der Welt mit ­einer einzigartigen Historie. Seit seiner Eröffnung im Jahr 1875 ist das Traditionshaus das Zentrum des gesellschaftlichen ­L ebens in Davos und auch heute hat das Haus eine enorme Strahlkraft und zieht sowohl die internationale High Society an wie auch die Spitzen aus Politik, Wirtschaft, Kunst und Kultur. Bill Clinton, Prinz William, Bill Gates, Matt Damon und Angelina Jolie sind nur einige der Gäste, die hier schon zu Gast waren. Das Belvédère ist eine Ikone ­u nter den Grand­ hotels der Welt, es repräsentiert im Hotelportfolio der Deutschen Hospitality gemeinsam mit dem Frankfurter Hof, dem Grandhotel & Spa Petersberg, dem Parkhotel Düsseldorf, dem Grandhotel Handelshof und dem Steigenberger ­W iltcher‘s das Luxus-Segment. Wir vereinen diese legen­ dären Häuser in der Marke Steigenberger Icons. ARTMAPP: Wie leben sie die große Hotelkultur zwischen Tradition und Moderne? MB: Wir verbinden Geschichte und Tradition mit einer ­i nternationalen Ausrichtung, die unsere Luxushotels zu echten Ikonen machen. Unsere Steigenberger Icons bieten ­Gästen ein luxuriöses und zugleich angenehm ungezwungenes ­E rlebnis. Sie erfüllen die Wünsche unserer Gäste nach Beständigkeit, außergewöhnlicher Qualität, Geborgenheit und Privatsphäre und bieten gleichzeitig einzigartige Lagen und moderne Technik.

Hans Eggimann, Plakat „Grand Hotel & Belvedere, Davos“, 1905


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Steigenberger Grandhotel Belvédère – Davos, Foto: © Steigenberger Hotels AG 2021

MB: Letztes Jahr haben wir mit unserer Marke Steigenberger eine Partnerschaft mit der Kunstplattform Kensington Art vereinbart, um Raum für Experimente zu bieten und span­ nende Begegnungen zu ermöglichen. Durch Ausstellungen in verschiedenen Steigenberger Hotels und Resorts wurde Künstlerinnen und Künstlern eine zusätzliche Reichweite ­geboten, von der auch Investoren und Kunstliebhaber profitieren. Mit der Wiedereröffnung des Belvédère im letzten Dezember haben wir im Rahmen dieser Partnerschaft eine Ausstellung mit ausgewählten Werken von Hans Emil Deutsch gestartet, einem Pionier des europäischen ab­ strakten Expressionismus.

ARTMAPP: Welche Position nehmen diese Aspekte ein, welche Rolle spielen Sie? MB: Unsere Hotels sind Orte der Kommunikation. Im Rahmen des World Economic Forum trifft sich im Belvédère die Polit- und Wirtschaftsprominenz, während der Frankfurter Buchmesse begegnet sich die internationale Literatur-Szene jährlich im Frankfurter Hof. Kunst und Kultur verbinden, provozieren und regen zum Austausch an. Die persönliche Begegnung ist ein wichtiger Teil des Hotelerlebnisses. Deshalb ist es uns wichtig, Impulse zu geben, die Menschen aus vielen Ländern der Welt miteinander ins Gespräch bringen. ARTMAPP: Haben Sie Tipps für den kulturell interessierten Gast? MB: Man kann in Davos hervorragend Natur, Kultur und ­Genuss verbinden. Ich empfehle Gästen, mehr als zwei Tage einzuplanen, um die Schönheit der Bergwelt und die Reize des Ortes Davos zu erleben. Ein Besuch des Kirchner Mu­ seums, das die weltweit größte Sammlung des deutschen Expressionisten beherbergt, gehört auf jeden Fall dazu. Ins­ besondere auch die Ausstellung „Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos“. Im Anschluss eine traditionelle Fahrt mit dem Pferdeschlitten im Schnee, eine wohltuende Massage und zum Abschluss ein ­feines Menü mit Spezialitäten der heimischen Graubündner Küche in unserem Hotel. Das ist mein Tipp für einen wunderbaren Tag. Nähe re Infor mat ione n: w w w . s t e i g e n b e r g e r. c o m

Marcus Bernhardt, Foto: Henning Ross

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A P P E T I Z E R

ARTMAPP: Inwiefern engagiert sich Steigenberger heute noch in der Kultur und in der Kunst?


R e i se t ipps z u K un s t und K ult ur zusammengestellt von B et t ina Götz

Bremen Manet &

Davos

­A struc

Urbane ­W ellness

Wä h re n d d e r we l t b e r ü h m t e M a l e r Éd o u a rd M a n e t a l s z e n t ra l e Pe r s ö n l i c h ke i t d e r Pa r i s e r

W i e wä re e s , I h re n n ä c h s t e n

Kü n s t l e r s z e n e d e s a us g e h e n -

S t ä d t e t r i p n a c h D a vos u n d d e n

d e n 19. J a h r h u n d e r t s g i l t, i s t

B e s u c h i m K i rc h n e r M us e u m

Ausstellung im Lutherhaus, Foto: Christiane Würtenberger © Thüringer Tourismus GmbH

Eisenach Ai Weiwei

Erlach

meets Luther

Schlafen wie „Influencer “

d e r Ku n s t k r i t i ke r u n d S c h r i f t -

m i t e i n e m We l l n e s s -Wo c h e n -

steller Zacharie Astruc heute

e n d e z u ve r b i n d e n? I m S u n s t a r

2022 f e i e r t T h ü r i n g e n d a s

ka u m b e ka n n t. D i e Ku n s t h a l l e

H o t e l D a vos i n m i t t e n e i n e s

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B re m e n w i d m e t s i c h n u n e r s t -

Pa r k s n a h e d e r Fl a n i e r m e i l e

Luthers Bibelübersetzung.

m a l s i n e i n e r A us s t e l l u n g i h re r

„P ro m e n a d e“ t a n ke n S i e n a c h

B e s o n d e r s d i e W i r ku n g s s t ä t t e n

Goethe

u n g ewö h n l i c h e n Fre u n d s c h a f t

e i n e m e re i g n i s re i c h e n Ta g

d e s e i ns t i g e n V i s i o n ä r s i n

J o h a n n Wo l f g a n g vo n G o e t h e

u n d p rä s e n t i e r t M e i s t e r we r ke

n e u e E n e rg i e. D a s H o t e l b i e t e t

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wa r e i n V i e l re i s e n d e r. We n n e r

Manets neben Arbeiten

e i n v i e l f ä l t i g e s We l l n e s s - u n d

Z e u g n i s s e j e n e r Z e i t. E r ku n d e n

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n ä c h s t e. D re i m a l b e s u c h t e d e r

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b us - S h u t t l e z u r Ve r f ü g u n g .

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D i c h t e r f ü r s t d i e S c hwe i z u n d

a t t ra k t i ve Pa us c h a l e z us a m -

G ro ßz ü g i g e u n d ko m f o r t a b e l

m e h r f a c h a us g ez e i c h n e t e

i n s p i r i e r t e a l s „I n f l u e n c e r “

m e n g e s t e l l t : Zwe i Ü b e r n a c h -

e i n g e r i c h t e t e Z i m m e r, e i n

­D a u e ra us s t e l l u n g i m L u t h e r-

z a h l re i c h e „Fo l l owe r “ z u

t u n g e n i m H o t e l I h re r Wa h l

S p a - B e re i c h d e r E x t ra k l a s s e,

h a us . A l s a k t u e l l e A t t ra k t i o n

­e i g e n e n Re i s e n . I n v i e l e n

i n k l us i ve Fr ü h s t ü c k s b u f f e t, d a s

e i n b e s t e n s a us g e s t a t t e t e s F i t -

i s t i m I n n e n h o f A i We i we i s

U n t e r kü n f t e n vo n d a m a l s

T i c ke t f ü r d i e S o n d e ra us s t e l -

n e s s c e n t e r u n d z we i Re s t a u -

S ku l p t u r „m a n i n a c u b e“ z u

­k ö n n e n G ä s t e n o c h h e u t e

lung, eine Stadtführung und

ra n t s m i t e i n e m re i c h h a l t i g e n

s e h e n, d i e i n s b e s o n d e re a u f

ü b e r n a c h t e n, d a r u n t e r d a s

d i e B re m e n C A R D f ü r z we i

A n g e b o t a n re g i o n a l e n u n d

M a r t i n L u t h e r s S p ra c h e u n d

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Ta g e kos t e n p ro Pe r s o n i m

s a i s o n a l e n S p e i s e n ve r s p re -

I d e e n B ez u g n i m m t. „L u t h e r-­

D o p p e l z i m m e r a b 137 € .

c h e n e i n e n A u f e n t h a l t, d e r

E r l e b n i s t a g e“ n e n n t d i e To u -

s c h o n e i n p a a r J a h re z u vo r

­k e i n e Wü n s c h e o f f e n l ä s s t.

rist-Information Eisenach ein

J e a n - J a c q u e s Ro us s e a u H a l t

b re m e n - t o u r i s m us .d e ku n s t h a l l e - b re m e n .d e

d a vos . s u ns t a r.c h

A r ra n g e m e n t m i t z we i Ü b e r-

i m C l u n i a z e n s e r- K l os t e r a u f

n a c h t u n g e n i n k l us i ve Fr ü h -

d e r e i n s t i g e n I n s e l i m B i e l e r-

stück, einer Stadtführung,

s e e. H e u t e e i n H o t e l i s t e s e i n

f re i e n E i n t r i t t i n d a s L u t h e r h a us

O r t d e r Ru h e g e b l i e b e n . E s i s t

u n d i n d i e Wa r t b u rg m i t d e r

n u r z u Fu ß, p e r Fa h r ra d o d e r

l e g e n d ä re n L u t h e r s t u b e.

m i t d e m S c h i f f e r re i c h b a r. D i e 13 Z i m m e r w u rd e n b e h u t s a m

eisenach.info

u n d s­ t i l vo l l n e u g e s t a l t e t. s t - p e t e r s i n s e l .c h mys w i t z e r l a n d .c o m

Sunstar Hotel Davos, Außenansicht im Winter © Sunstar Hotels Management AG


93

Frank furt

a r ra n g e m e n t s f ü r Ku l t u r re i s e n -

Rembrandt

z u r A us s t e l l u n g „N e n n t m i c h

und Paula

A m s t e rd a m“ i m S t ä d e l u n d e i n e

Modersohn-­ Becker

d e g e s c h n ü r t : e i n e Ku r z re i s e Re m b ra n d t ! D u rc h b r u c h i n z u r g ro ß e n Pa u l a - M o d e r s o h n -­ B e c ke r- Re t ros p e k t i ve i n d e r S c h i r n Ku n s t h a l l e Fra n k f u r t. D a s Pa ke t a b 73 bz w. 78 € p ro Pe r s o n i m D o p p e l z i m m e r ­e n t h ä l t e i n e Ü b e r n a c h t u n g

E i n B e s u c h d e r M a i n m e t ro p o l e

i n k l us i ve Fr ü h s t ü c k s b u f f e t i m

l o h n t a l l e i n s c h o n we g e n d e r

g ew ü n s c h t e n H o t e l, d e n

s t e t s s p e k t a ku l ä re n S o n d e r-

­E i n t r i t t i n d i e j ewe i l i g e

a us s t e l l u n g e n i n d e n Fra n k­

­A us s t e l l u n g u n d d i e Fra n k f u r t

f u r t e r M us e e n .

C a rd f ü r z we i Ta g e.

D i e To u r i s m us + C o n g re s s

Zumthor-Ferienhäuser in Leis, Foto: Ralph Feiner, © Familie Zumthor

G m b H Fra n k f u r t a m M a i n h a t

f ra n k f u r t - t o u r i s m us .d e

d i e s e n H e r bs t/ W i n t e r w i e d e r

s t a e d e l m us e u m .d e

z we i ve r l o c ke n d e Pa us c h a l ­

s c h i r n .d e

Karlsruhe

Leis (Vals) Urlaub für

Luxemburg

Architektur ­

Im Land der

begeisterte

Roten Erde

D i e T h e r m e Va l s d e s i n t e r n a t i -

D i e M i n e t t -To u r f ü h r t a u f e i n e r

Jugendstils

Georg Klimt, Relief mit Frauen­ darstellung, Wien, um 1900, Badisches Landesmuseum,

e t wa 35 K i l o m e t e r l a n g e n

Pe t e r Zu m t h o r z ä h l t z u d e n

­R o u t e d u rc h d i e e h e m a l i g e

b e d e u t e n d s t e n z e i t g e n ös s i -

I n d us t r i e re g i o n i m S ü d e n

Die große Sonderausstellung im

s c h e n B a u we r ke n d e r S c hwe i z .

­L uxe m b u rg s . D a s „L a n d d e r

Badischen Landesmuseum Karls-

G a n z i n d e r N ä h e ka n n m a n i n

Ro t e n E rd e“ o d e r „D e M i n e t t “,

ruhe zeigt ein schillerndes und

e i n e m Fe r i e n h a us d e s S t a r­

w i e e s a u f L uxe m b u rg i s c h

faszinierendes Bild der Frau im

a rc h i t e k t e n U r l a u b m a c h e n .

g e n a n n t w i rd, ve rd a n k t s e i n e n

Jugendstil. ­„Göttinnen des

I n L e i s , e i n e m We i l e r i n d e n

N a m e n d e m ro t e n E i s e n e r z ,

Jugendstils“ thematisiert nicht nur

B e rg e n o b e r h a l b vo n Va l s i n

d a s h i e r n o c h b i s 1981 a b g e -

äußerst idealisierte und mystische

G ra u b ü n d e n, h a t Pe t e r

b a u t w u rd e. D i e M i n e t t -To u r ve r b i n d e t f ü n f S t a n d o r t e m i t

Frauendarstellungen, sondern

­Z u m t h o r d re i H o l z h ä us e r m i t

widmet sich auch den Ambivalen-

­g ro ß e n Pa n o ra m a f e n s t e r n

unterschiedlichen themati-

zen dieser bewegten Zeit sowie

e r r i c h t e t : d a s O b e r h us , d a s

s c h e n A us r i c h t u n g e n, d i e d i e

dem Aufbrechen der Geschlecht-

U n t e r h us u n d d a s Tü r m l i h us .

G e s c h i c h t e d e r S t a h l i n d us t r i e

errollen. Haben Sie Lust auf einen

D i e „L e i s e r h ä us e r “ s i n d

b e e i n d r u c ke n d ve ra n s c h a u ­

Aufenthalt im Zeichen des

­e x k l us i v e i n g e r i c h t e t. N e b e n

l i c h e n: vo m M i n e t t - Pa r k Fo n d -

Jugendstils? Die KTG Karlsruhe

­D e s i g n e r m ö b e l n u n d - l a m p e n

d e - G ra s ü b e r d i e H o c h ö f e n

Tourismus GmbH offeriert ein

g i b t e s B a d ez i m m e r a us

B e l va l, d a s M us e u m d e r

Angebot, das ab 71 € pro Person

­T e a k h o l z u n d Kü c h e n d e r

C o c ke r i l l g r u b e i n E s c h/­ A l z e t t e, d a s N a t i o n a l e

im Doppelzimmer kostet.

­E x t ra k l a s s e. ­S p ü re n S i e d i e

Dazu gehören unter anderem

b e s o n d e re ­A us s t ra h l u n g e i n e s

­M us e u m d e r l uxe m b u rg i s c h e n

eine Übernachtung inklusive

M a s s i v h o l z h a us e s u n d g e n i e -

­E i s e n­e r z g r u b e n i n Ru m e l a n g e

­F rühstück im Drei- oder Vier-­

ß e n S i e d i e t ra u m h a f t e n A us -

b i s h i n z u m D o ku m e n t a t i o n s ­

Sterne-Hotel, ein Ticket zur

b l i c ke i n d i e N a t u r. D i e P re i s e

zentrum für Menschliche

­A usstellung mit Audioguide und

va r i i e re n j e n a c h S a i s o n .

M i g ra t i o n e n i n D u d e l a n g e.

u r l a u bs a rc h i t e k t u r.d e

v i s i t l uxe m b o u rg .c o m/d e

eine Cityplus-Karte des KV V.

Foto: Peter Gaul © Badisches Landesmuseum

o n a l re n o m m i e r t e n A rc h i t e k t e n

ka r l s r u h e - e r l e b e n .d e l a n d e s m us e u m .d e

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A P P E T I Z E R

Göt tinnen des


Sankt Gallen Städtischer

Solothurn

Wintersportort

Die magische Zahl elf

O b M us e u m s b e s u c h e f ü r Ku l t u r ­i n t e re s s i e r t e o d e r O u t d o o re r l e b n i s s e f ü r A k t i ve –

We r d u rc h d i e s c h ö n s t e

Sankt Gallen hat viele

B a ro c k s t a d t d e r S c hwe i z b u m -

Blick auf den Salzburger Dom, Foto: Günter Breitegger

Fa c e t t e n . I m M us e u m s v i e r t e l

m e l t, w i rd a u f S c h r i t t u n d Tr i t t

© Tourismus Salzburg

f ü g e n s i c h d i e A us s t e l l u n g s -

m i t d e r Z a h l e l f ko n f ro n t i e r t.

h ä us e r w i e Pe r l e n e i n e r Ke t t e

Fü r S o l o t h u r n h a t d i e m a g i s c h e

a n e i n a n d e r. D o c h g i b t e s n o c h

Z a h l e i n e g a n z b e s o n d e re

Salzburg

m e h r z u e n t d e c ke n . S e i e s d i e

Bedeutung, die auf eine lange

m i t ro t e m G u m m i g ra n u l a t

Tra d i t i o n z u r ü c k b l i c k t :

Saarbrücken

Zauberhaf te

ü b e r zo g e n e S t a d t l o u n g e d e r

Es gibt zum Beispiel elf

Kü n s t l e r i n P i p i l o t t i R i s t o d e r

­M us e e n, e l f h i s t o r i s c h e

Vier Städte

Winter­

d a s U N ES CO -We l t ku l t u re r b e

­B r u n n e n, e i n e „11i - U h r “ a m

S t i f t s b ez i r k S t. G a l l e n, d i e

A m t s h a us p l a t z , d i e n u r e i n

Drei Länder

momente

M e t ro p o l e d e r O s t s c hwe i z h a t

­E l f- S t u n d e n -­Z i f f e r b l a t t h a t,

Ein Bet t D i e we l t b e r ü h m t e M oz a r t s t a d t

für jeden Geschmack das

u n d s o g a r e i n „Ö u f i “- B i e r.

­r i c h t i g e A us f l u g s z i e l .

D i e „E l f e r- ­A t m os p h ä re“ g i p f e l t

A l s s­ t ä d t i s c h e r W i n t e r s p o r t o r t

i n d e r S t. U r s e n - Ka t h e d ra l e,

i s t S t. G a l l e n d a g e g e n we n i g e r

d i e i h r B a u m e i s t e r i m 18. J a h r-

entfaltet im Winter einen ganz

b e ka n n t. D re i S k i l i f t e, v i e r

h u n d e r t a rc h i t e k t o n i s c h ko m -

E n t d e c ke n S i e d i e ku l t u re l l e

e i g e n e n Z a u b e r. N e b e n

L a n g l a u f l o i p e n a m Ra n d e d e r

p l e t t a u f d i e Z a h l a bs t i m m t e:

V i e l f a l t i m D re i l ä n d e re c k

­We i h n a c h t s m ä r k t e n, A d ve n t s -

S t a d t, e i n e Ku n s t - u n d e i n e

a n g e ­f a n g e n vo n d e r Fre i ­

D e u t s c h l a n d, L uxe m b u rg u n d

ko n z e r t e n u n d B ra u c h t u m s ­

N a t u re i s b a h n g a ra n t i e re n

t re p p e m i t 3 x 11 S t u f e n b i s

Fra n k re i c h . E r ku n d e n S i e

ve ra n s t a l t u n g e n z i e h e n a u c h

i m W i n t e r f ü r e i n i g e Wo c h e n

h i n z u r B a uz e i t vo n e l f J a h re n .

G e m e i n s a m ke i t e n u n d U n t e r-

K r i p p e n u n d We i h n a c h t s a us -

jede Menge Pistenspaß

We n n S i e m e h r w i s s e n m ö c h -

s c h i e d e d e r v i e r S t ä d t e S a a r-

stellungen im Spielzeug­

u n d E i s ve rg n ü g e n .

b r ü c ke n, M e t z , L uxe m b u rg

m us e u m u n d D o m Q u a r t i e r

u n d Tr i e r. S t a r t e n S i e d a b e i

G ä s t e i n i h re n B a n n . E i n Ko n -

vo n I h re m z e n t ra l e n S t a n d o r t

t ra p u n k t z u m vo r we i h n a c h t ­

S a a r b r ü c ke n m i t e i n e m

lichen Geschehen bildet bis

­A r ra n g e m e n t d e r To u r i s m us

8. J a n u a r d a s W i n t e r f e s t, d a s

Z e n t ra l e S a a r l a n d . I m P re i s

g rö ß t e Fe s t i va l f ü r m o d e r n e

a b 139 E U R p ro Pe r s o n i m

C i rc us ku n s t i m d e u t s c h s p ra c h i -

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11i-Uhr, © Solothurn Tourismus, Tino Zurbrügg


95

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Karl-Marx-Hof, © Wien Tourismus, Paul Bauer

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A P P E T I Z E R

Kultur freunde

Wuppertal


In der UNESCO-Welterbestadt Regensburg verbinden sich Tradition und Moderne, Altstadt, © Bilddokumentation Stadt Regensburg

Regensburger Handwerk erleben In Regensburg trifft Tradition auf Moderne: Handwerks­ betriebe, die schon seit Generationen in Familienbesitz sind, ergänzen sich mit kreativen Jungunternehmer:innen, die neue Ideen entwickeln. Mit der neuen, kompakten ­B roschüre „Handwerkspaziergang“ können Sie sich auf ­e inen ganz besonderen Spaziergang durch die Regens­ burger Altstadt begeben. Der Handwerkspaziergang führt Sie zu Keramik­b et rieben, Goldschmiedinnen, Korb­ machern, Messerschleifern und vielem mehr. Insgesamt laden 19 Betriebe dazu ein, ihr Handwerk auf ganz persönliche Weise kennenzulernen.

Wie einzigartig das Regensburger Handwerk ist, zeigen einige der zahlreichen Beispiele. Wie kommt man z.B. auf die Idee, Perlbeutel zu stricken und diesen sogar ein eigenes Museum zu widmen? „Diese Frage höre ich oft“, sagt Claudia ­F lügel-Eber, Inhaberin des Ladens und Cafés „Carakess“, in dem sie ihr ganz spezielles Handwerk präsentiert. „Ich stelle sie mir manchmal auch selbst; wenn ich z.B. dabei bin, 30.000 Perlen mit 1,2 Millimeter Durchmesser nach Muster auf einen

Regensburg ist seit langem eng mit dem Handwerk verbunden. Bereits im Mittelalter war die UNESCO-Welterbestadt für ihre Handwerkskunst bekannt. Der Regensburger Dom und die Steinerne Brücke sind noch heute Sinnbild architektonischer Meisterleistungen. Nun haben aber auch die inhabergeführten, kleinen Betriebe die Möglichkeit zu glänzen, Denn die Bandbreite der Handwerkstätigkeiten prägt die Atmosphäre der Altstadt mindestens genauso sehr wie die großen Sehenswürdigkeiten.

Titelbild der neuen Broschüre „Handwerkspaziergang“, © RTG, bauercom.eu


Faden zu fädeln, mit dem Vorhaben, diese Perlen mit Strick­ nadeln in der Dicke von ca. 1,25 Millimeter nach Muster wieder abzustricken. Kuchen backen geht schneller.“

Die Broschüre ist außerdem mit verschiedenen QR-Codes versehen, die zum Aktivwerden einladen. Die Hand­ werker:innen bieten verschiedene Kurse, Führungen und Einblicke in die Verkaufsräume. So können z.B. Werkstattführungen bei Keramikhandwerkern, Geigenbauern oder Goldschmieden durchgeführt werden. Für Interessierte werden Floristikworkshops und Kerzenkurse angeboten und Buchkinder entwickeln in kleinen Gruppen frei ihre eigenen Geschichten und Träume, denen sie mit künstlerischen ­Mitteln Gestalt verleihen.

Titelbild des bereits erschienenen „Kunstspaziergangs“, © RTG

Der Handwerkspaziergang ist Teil einer Reihe, zu der auch der Kunstspaziergang gehört. Dieser stellt 15 der wohl spannendsten Kunstorte in Regensburg vor. Darunter der Regensburger Dom, das Haus der Bayerischen Geschichte und viele kleine Galerien mit ganz besonderem Charme. Beide Broschüren sind in der Tourist Information am Alten Rathaus erhältlich Laufen Sie los auf www.tourismus.regensburg.de

Wer sich für ein besonderes Thema wie Mode & Accessoires interessiert, wird ebenfalls fündig. Nachhaltige Slow-Fashion Mode, ein individuell gestalteter Geldbeutel aus Bioleder oder neue Wanderschuhe. Man kann sich in Regensburg von Kopf bis Fuß perfekt einkleiden.

T 09 4 1 507 4 4 10, tour i s mu s @ rege n sburg. de

Carakess Laden & Café: Claudia Flügel-Eber

Werkstattführungen sind z.B. beim Geigenbauer Goldfuss möglich

in ihrem Perlbeutel-Museum beim Perlbeutelstricken

© Geigenbau Goldfuss

© C. Flügel-Eber

To u r i s t I n f o r m a t i o n R athau splat z 4 , 93047 R egensburg

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — R E G E N S B U R G

Das Ladengeschäft Kuss-Künstlerhaus wird von einer Ko­ operation Regensburger Kunsthandwerkerinnen betrieben. Hier findet man ausschließlich anspruchsvolles und zeitgenössisches Kunst handwerk aus Regensburg. Dazu gehören Glaskunst von Annemarie Bengler, Filzkunstwerke von Karin Miethaner, Keramikarbeiten von Dagmar Reinecke und ­P apierkunst von Ina Zeller-Bleil. Sie werden bei Ihrem Besuch immer eine Künstlerin persönlich antreffen, mit der Sie sich austauschen können. Der Laden ist 1999 aus einer Werk­stattgemeinschaft entstanden und war der erste dieser Art in Regensburg. Und jedes Jahr kann man übrigens die ausge­stellten Exponate auch auf dem Lucrezia-­ Weihnachtsmarkt erwerben.


Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Foto: Lorenz Richard © Schweiz Tourismus

Goldener Herbst in Winterthur Sobald die ersten farbigen Blätter zu Boden fallen, ist klar: der Sommer ist vorbei. Die Tage werden kürzer, die Temperaturen sinken, das soziale Leben verschiebt sich langsam aber sicher wieder nach drinnen. Wer in dieser kälteren aber nicht minder schönen Jahreszeit Lust auf Kultur hat, ist in Winterthur genau richtig. Obwohl die Grossstadt mit ihren vielen Museen das ganze Jahr über sowohl Einheimische als auch Touristen anlockt und begeistert, steht der Herbst immer ganz besonders im Zeichen der Kultur. Wenn es draussen grau wird, blüht Winterthur nochmals richtig auf. Auch wenn das vielfältige Kulturangebot in Winter­ thur noch viel mehr hergibt, stellen wir Ihnen hier eine kleine Auswahl spannender und faszinierender Aus­ stellungen vor, die richtig Lust auf einen Museumsbesuch machen. Ob in der wunderschönen Villa Reinhart, dem Kunst Museum Winterthur, der Fotostiftung Schweiz und dem F ­ otomuseum Winterthur oder auch dem Swiss S ­ cience Center Technorama – in allen vieren kann man Kunst und Kultur auf ganz verschiedene Art und Weise ­e rleben. In ­d iesem Sinne wünschen wir Ihnen ­einen wunderschönen, vielfältigen und faszinierenden Kulturherbst.

« C O U R B E T – T R ÄU M E E I N E S R E A L I S T E N » SA M M LU NG OSK A R R E I N H A RT « A M RÖM E R HOL Z » WIN TERTHUR

Es gibt Museen, deren Besuch lohnt sich wegen der ausser­ gewöhnlichen Ausstellungen. Und dann gibt es Museen, bei welchen das Gebäude selbst schon ein Besuch wert ist. Ein ­s olches ist die Villa des ehemaligen Winterthurer Kunstsammlers Oskar Reinhart. Inmitten einer wunderschönen Parkanlage befindet sich das ehemalige Wohnhaus des 1965 verstorbenen Mäzens Oskar Reinhart. Die Villa und die historische Parkanlage mit den Skulpturen verbinden sich mit der Sammlung zu einem kleinen, aber beeindruckenden ­G esamtkunstwerk. Nicht zu vergessen ist das charmante Café mit Aussicht, das nach dem Kunstgenuss zu Gaumenfreuden einlädt. In der Villa untergebracht sind mehr als 200 Gemälde, ­Z eichnungen und Skulpturen europäischer Kunst von ­aussergewöhnlicher Qualität. Es ist eine der wichtigsten ­P rivatsammlungen des 20. Jahrhunderts. Sie beinhaltet ­G emälde des französischen Impressionismus und deren ­u nmittelbare Vorläufer, ergänzt durch bedeutende Beispiele älterer Kunst. Renoir, Cézanne, Daumier und Courbet sind mit grösseren Werkgruppen vertreten. Letzterem ist die ­a ktuelle Kabinettausstellung gewidmet: «Courbet – Träume eines Realisten» präsentiert erstmals den kompletten Sammlungsbestand der Werke Gustave Courbets (1819 – 1877), der bislang nur in Teilen gezeigt wurde. Ergänzt durch einzelne hoch­k arätige internationale Leihgaben bietet die Ausstellung einen breitgef ächerten Überblick auf das ­S chaffen des Künstlers. Dieser wurde zu Recht von Oskar Reinhart als Wegbereiter der Moderne besonders geschätzt. Courbets ­h intergründiges, oft auch provokatives Spiel mit den Konventionen der ­R omantik und den Vorstellungen ­einer realistischen Darstellungsweise traf den Nerv seiner Zeit. Sein Schaffen zeichnete sich stets aus durch sein kompromissloses Engagement für die Malerei und ist auch heute noch hochaktuell.

Gustave Courbet, „Die Hängematte“, 1844, Öl auf Leinwand

25 . September 202 1 – 2 . Januar 202 2

© Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur

Sammlung Oskar R einhar t «Am Römerhol z» H a l d e n s t ra s s e 9 5 , C H – 8 4 0 0 W i n t e r t h u r Z H w w w . ro e m e r h o l z . c h D i b i s S o 1 0 - 1 7 U h r, M i 1 0 – 2 0 U h r


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Claudia Andujar, Unahi Opiki- thëri, Bundesstaat Roraima, Brasilien, 1974 © Claudia Andujar

« D E R Ü B E R L E B E N S K A M P F D E R YA N O M A M I » FOTOST IF T U NG & FOTOM USEU M

Seit über 50 Jahren bietet die Fotostiftung Schweiz Erhaltung, Erforschung und Vermittlung von fotografischen Werken. Zusammen mit dem Fotomuseum Winterthur gehört sie zum Fotozentrum Winterthur. Diese beiden Institutionen sind die führende Kompetenzstelle für Fotografie und fotobasierte Kunst in der Schweiz. Die Fotostiftung betreut die um­ fangsreichste und bedeutendste Sammlung der Schweizer Fotografie und zeigt herausragende Werke in ihrem kultur­ geschichtlichen und ästhetischen Zusammenhang. Mit eigenen Ausstellungen und Publikationen stellt die Foto­ stiftung Schweiz regelmässig historische oder aktuelle Positionen der Schweizer Fotografie vor. Aktuell in der Überblickschau «Nach der Natur», ­welche erstmalig die ersten 50 Jahre des damaligen neuen M ­ ediums, der Fotografie, in der Schweiz beleuchtet und ein bisher wenig erforschtes Kapitel der Schweizer Fotografie zeigt. In der Ausstellung werden ­herausragende Werke aus zahlreichen öffentlichen und pri­ vaten Sammlungen zur Schau gestellt.

Ab dem 23. Oktober werden die Werke der Fotografin Claudia Andujar ins Zentrum gerückt. Die Ausstellung «Claudia ­A ndujar: Der Überlebenskampf der Yanomami» umfasst ­Fotografien, audiovisuelle Installationen und Zeichnungen der indigenen Gemeinschaft der Yanomami im Amazonas im Norden Brasiliens. Seit fünf Jahrzehnten kämpft Andujar für die Rechte der Yanomami in Brasilien und begleitet diese mit ihrer Kamera. Die humanitären und ökologischen Krisen vor Ort werden durch die Pandemie und die aktuelle brasilianische Regierung weiter verschärft. Andujars aktivistische Bestrebungen haben somit nicht an Aktualität verloren. Ausstellung Claudia Andujar 23 . Ok tober 202 1 – 13 . Febr uar 202 2 Fotomuseum Winter thur G r ü z e n s t ra s s e 4 4 + 4 5 , C H – 8 4 0 0 W i n t e r t h u r www.fotomu seum . ch D i b i s S o 1 1 – 1 8 U h r, M i 1 1 – 2 0 U h r Montag geschlossen Ausstellung «Nach der Nat ur» 23 . Ok tober 202 1 – 30. Januar 202 2 Fotost if t ung Schwei z G r ü z e n s t ra s s e 4 5 , C H – 8 4 0 0 W i n t e r t h u r D i b i s S o 1 1 – 1 8 U h r, M i 1 1 – 2 0 U h r

© Collection Nicolas Crispini, Genève

Montag geschlossen

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2

www. fotost if t ung. ch Friedrich von Martens, Märjelensee, um 1854


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Technorama Vortextunnel © House of Winterthur

« KO P F W E LT E N » DA S S W I S S S C I E N C E C E N T E R T E C H N O R A M A

Im Technorama in Winterthur wird Wissenschaft für jeden erleb- und begreifbar. Bei den über 500 Exponaten gibt es für Jung und Alt viel zu entdecken und zu staunen. Anders als in «normalen» Museen dürfen und sollen die Ausstellungs­ stücke sogar angefasst werden. Die Besucherinnen und Besucher werden im Technorama eingeladen, selbst Hand ­a nzulegen und die verschiedensten Naturphänomene mit ­a llen Sinnen zu erleben und zu manipulieren. Egal ob bei w underschön sonnigem oder regnerisch schlechtem ­Herbstwetter – das Technorama bietet ein Eintauchen in die Welt der Wissenschaft. Inmitten dieser Welt hat auch die Kunst ihren Platz gefunden. Denn das Erleben von Wissenschaft wird im Technorama stets an ein ästhetisches Erlebnis gekoppelt. So haben zahlreiche Künstler Ideen und Exponate für die v ­ erschiedenen Ausstellungssektoren im Swiss Science Center beigesteuert. Der neugestaltete Ausstellungsbereich «Kopfwelten» widmet sich ganz der menschlichen Wahrnehmung. Diese ist im Grunde ein ­K onstrukt des menschlichen ­G ehirns. Sie b ­ asiert auf ­äusseren Reizen sowie der Erfahrung und Inter­a ktion mit der Welt. Diese Erfahrungen

werden im Ausstellungsbereich «Kopfwelten» auf die Spitze getrieben, sodass man sich selbst ständig h ­ interfragt. ­Spannende neue Exponate wie die «Machine­ToBeAnother», der «Schiefe Raum», die «Umkehr-Brille», aber auch bereits bekannte Experimentierstationen, wie der ­b eliebte «Vortex-Tunnel» und der «Ames-Raum» sind einen Besuch wert. S w i s s S c i e n c e C e n t e r Te c h n o ra m a Te c h n o ra m a s t ra s s e 1 , C H - 8 4 0 4 W i n t e r t h u r w w w . t e c h n o ra m a . c h Täglich geöf f ne t 10 – 1 7 Uhr

Technorama Pendelwelten © House of Winterthur


«E X PR E SSION ISM US SCH W E IZ » KU NST MUSEU M WIN T ERTHU R

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand in der Schweiz eine neue künstlerische Strömung, die sich einer völlig neuen ­Bildsprache bediente. Die künstlerische Avantgarde, die ­d ahintersteckte, griff zu einer neuen Formensprache und ­bisher unbekannter Farbigkeit. Inspiration bekamen die Schweizer aus dem benachbarten Ausland, wo Künstlerinnen und Künstler mit Expressionismus, Kubismus und F ­ auvismus neue Experimente wagten. Der Schweizer Expressionismus war geboren. Neu war nicht mehr ein Abbild der realen Welt das Ziel. Vielmehr sollte das Innere, Subjektive zum Ausdruck gebracht werden. In Künstlergruppen vereint und gleichzeitig stets als Individuen agierend, experimentierten die Künstlerinnen und Künstler mit Farben und Formen. Nebst sozialkritischen und politischen Inhalten standen dabei aber auch gutschweizerisch die unverfänglichen Gattungen des Stilllebens und der Landschaft im Zentrum. Die Ausstellung «Expressionismus Schweiz» zeigt ­einen umfassenden Überblick über den Expressionismus in der Schweiz. Dabei werden nicht nur Schweizer Künstlerinnen und Künstler, wie die Gruppe «Rot-Blau», Hans Berger und Alice Bailly gezeigt. Auch Ausländische Künstlerinnen und Künstler, die in der Schweiz gearbeitet haben, unter ­i hnen Alexej von Jawlensky und Marianne von Weref kin, sind Teil der Ausstellung.

Marianne von Werefkin (1860–1938), „Atmosfera tragica“, 1910, Museo Comunale d‘Arte Moderna, Ascona © Kunst Museum Winterthur

Die Tourist Information im Bahnhof Winterthur kennt noch viele weitere Highlights von Winterthur. Von Kunst und K ­ ultur, über hübsche kleine Läden in der Altstadt, bis hin zu lauschigen Kaffees und Restaurants, wo Sie sich ­k ulinarisch verwöhnen lassen dürfen. Hier werden Sie persönlich beraten.

10. September 202 1 bis 16. Januar 202 2

To u r i s t I n f o r m a t i o n

Kunst Museum Winter thur / R einhar t am Stadtgar ten

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S t a d t h a u s s t ra s s e 6 , 8 4 0 0 W i n t e r t h u r

w w w . w i n t e r t h u r. c h

Herman Scherer (1893–1927), „Der Maler“, um 1925, Privatbesitz © Kunst Museum Winterthur

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2

www. k mw. ch


© Ottmar Hörl, «Weltanschauer IB», 2006

Dan Ein grosses Dankeschön an unsere Besucherinnen und Besucher und an alle, die es immer wieder möglich machen!


nke Wir freuen uns auf 2024!

Bad Ragartz www.badragartz.ch


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105 E i n P r ojek t von A l b e r t O eh le n i m M A S I L u g a no

„grosse Bilder von mir mit ­k leinen Bildern von anderen“

AMREI HEYNE

linke Seite: Julian Schnabel, „Portrait of Albert Oehlen“, 1997, Öl, Wachs, Harz und Lack auf Leinwand, 273 x 258 cm, Foto: def image, © Julian Schnabel / 2021, ProLitteris, Zürich

Amrei Heyne sprach in Lugano mit Christian Do­minguez, der die Schau zusammen mit Francesca Benini kuratierte und mit Albert Oehlen seit über 30 Jahren bekannt ist. ARTMAPP: Der Ausstellungstitel „Albert Oehlen − ‚grosse Bilder von mir mit kleinen Bildern von anderen‘“ klingt zugegeben ziemlich … besonders. Wie würden Sie diese außergewöhn­ liche und wunderbare Schau unseren Leserinnen und Lesern näher beschreiben? Christian Do­minguez: Es handelt sich um eine Ausstellung, die Werke mehrerer Kunstschaffender aus der persönlichen Sammlung Albert Oehlens mit Arbeiten von ihm kombiniert. Der Künstler selbst ist nicht ganz geneigt, die Werke, die er lange Jahre gruppiert hat, „Sammlung“ zu nennen. Auch wenn der B ­ etrachter frei versucht ist, zunächst eine Genea­ logie innerhalb der Geschichte der zeitgenössischen Kunst oder, genauer, auf das Werk Oehlens zu ziehen. Auch wenn wir d ­ iese A ­ usstellung mit den Augen der Kunst­geschichts­ schreibung betrachten, so sollten wir dies nicht tun, um im Einklang mit der wahren Absicht dieser zu bleiben. Hier stehen wir vor einem höchst subjektiven Projekt, das versucht, die mehr oder weniger direkten Verbindungen und Korrela­ tionen zwischen den Werken von Albert Oehlen und den anderen in der Ausstellung vertretenen Künstlern ­direkt an die Oberfläche zu bringen. Albert Oehlen ist ein Künstler, der jeglichen vorgefassten und assimilierten B ­ egriffen oder ­H ierarchien innerhalb der Kunstgeschichte grundsätzlich misstraut. Seine tief ausgearbeitete respektlose Haltung gepaart mit seinem ironischen Sinn für Humor, der typisch für jemanden ist, der sich mit gutem Gewissen in der Kunst­ geschichte bewegt, greift offensichtlich auch in die Titel seiner Ausstellungen ein.

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

Die Reise nach Lugano dauerte viele Stunden länger als mein Aufenthalt und ich betrachte sie als ein Geschenk. Das P ­ rojekt am See von Albert Oehlen ist mehr als eine ­r eine Kunstausstellung. In einer fast schon intimen Situa­ tion, trotz der großzügigen Architektur, bringt sie uns einen großen Künstler sehr nahe. Wie nahe? Das Herauszufinden ist unser Job, mit Glück und Gelassenheit finden wir uns womöglich selbst. Im September eröffnete im Tessin im Museo d‘arte della Svizzera italiana, Lugano, eine Ausstellung, wie es sie vermutlich noch nie gab und auf lange Zeit kaum g­ eben wird. Albert Oehlen (* 195 4) mag man in Deutschland noch immer zu den „Jungen Wilden“ zählen, längst ist er welt weit vielleicht sogar der wichtigste lebende zeit­ genössische Künstler. Das von ihm selbst konzipierte Ausstellungs­projekt zeigt eigene Schlüsselwerke und Teile seiner Privatsammlung mit Arbeiten von ca. 30 Künstlerinnen und Künstlern wie Willem de Kooning, Mike Kelley, Paul McCarthy, Duane Hanson, Franz West, Julian Schnabel, ­K onrad Klapheck, Richard Artschwager, Daniel Richter, ­M alcolm Morley, Peter Br üning, Mart ha Jung w irt h, Michaela Eichwald, John Graham, Eugène Leroy, Joyce ­P ensato, C ­ hristina Ramberg, Karl Wirsum, Ed Paschke, ­Gernot ­Bubenik und Gino De Dominicis.


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ARTMAPP: Albert Oehlen ist seit Jahren in den internationalen Kunstrankings sehr weit oben angesiedelt, Tendenz steigend! Wie lässt sich sein (bisheriges) Werk in die Kunstzeitrechnung, in die Kunst selbst einordnen? Anders gefragt: Ist er ­womöglich der wichtigste Künstler unserer Zeit?

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

CD: Obwohl wir in einer Zeit leben, in der ich persönlich das Gefühl habe, dass Geld in unserem Leben fast völlig frei von Gegensätzen ist, bin ich zutiefst davon überzeugt, dass Albert Oehlen von zwei für das künstlerische Schaffen absolut ­w esentlichen Kräften an vorderster Front bewegt wird: ­L eidenschaft und Innovation. Die Leidenschaft eines Künstlers für seine Arbeit ist durchaus in seinen Werken zu erkennen, ich habe sie in all den Jahren auch mit eigenen Augen verifizieren können. In Sachen Innovation habe ich schon erwähnt, dass ich Albert Oehlen aus absolut positiver Sicht als den fruchtbarsten perversen Künstlergeist unserer Zeit betrachte. Niemand hat es in den letzten Jahrzehnten gewagt, das „Gemälde-Schloss“ so total abzureißen, um dann aus einer Auswahl seiner Trümmer neben einer weiteren Auswahl an Peripheriegeräten mit visionärem Geist und Weisheit ­weiterzubauen. Albert Oehlen ist seit einigen Jahren der wohl einflussreichste Maler unserer Zeit.

Ausstellungsansicht „Albert Oehlen −

Richard Phillips, „Venetia Cuninghame Left (After John D Green)“, 2002,

‚grosse Bilder von mir mit kleinen Bildern von anderen‘“

Öl, Aluminium und Graphit auf Leinen, 213,5 x 164,4 cm

© MASI Lugano

© Richard Phillips


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hintere Wand, unten Mitte: Duane Hanson, „Man with Walkman“, 1989,

Malcolm Morley, „First Class Cabin“, 1966,

Autobody filler, farbig bemalt mit Öl, Mischtechnik, Accessoires,

Mischtechnik auf Leinwand, 56 x 81,5 cm

132,1 x 61 x 106,7 cm, © 2021, ProLitteris, Zürich

© Malcolm Morley


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Albert Oehlen, Ohne Titel, 1997/2005, Öl auf Leinwand, 210 x 300 cm, Foto: Lothar Schnepf © 2021, ProLitteris, Zürich


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Peter Brüning, „Objektbild Rhein“, ca. 1966/67, Farbig gefasste ausgesägte Spanplatte, Holzlatten, 170 x 110 cm, Foto: Courtesy Galerie Michael Haas, Berlin © 2021, ProLitteris, Zürich

CD: Anstatt mich darauf zu beschränken, ein bestimmtes Werk in dieser spezifischen Ausstellung auszuwählen, ziehe ich es vor, über die Interaktionen nachzudenken, die zwischen den in der Ausstellung vorhandenen Werken in den Köpfen der Besucher stattfinden. Darüber, wie sie sich gegenseitig beleuchten und was sie über die kraftvolle Kreativität verraten, die in der Vorstellungskraft jedes der in der Ausstellung vertretenen Künstler lebt. B i s 2 0 . F e b ­r u a r 2 0 2 2 „ A l b e r t O e h l e n − ‚ g ro s s e B i l d e r v o n m i r m i t k l e i n e n B i l d e r n v o n a n d e r e n‘ “ M u s e o d ‘ a r t e d e l l a S v i z z e ra i t a l i a n a , L u g a n o masilugano. ch

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ARTMAPP: Ihr Lieblingsbild der Ausstellung ist welches? Und warum?


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H a r a ld F. Mü l le r i m K u n st mu s e u m T hu r g au , Wa r t h

„MONDIA“ „Les Fleurs du Mal“, die Blumen des Bösen, das dichterische Hauptwerk von Charles Baudelaire, 1857 erstmals erschienen, handelt von Großstädtern und deren mit Langeweile, Lust wie Unlust und Verdruss verbundener Entfremdung gegenüber dem Dasein. Baudelaire wurde wegen Verletzung der öffent­lichen Moral angeklagt, der Gedichtband verboten. Ungeachtet dessen gilt „Les Fleurs du Mal“ als Ausgangspunkt moderner europäischer Lyrik.

Im Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen, das ­a k­t uell Harald F. Müller eine Ausstellung w ­ idmet, zitiert der Konzept künst ler Baudelaires ber ühmt-­b er ücht igten ­G edichttitel mit großen, vor einer grünen Wand regelrecht schwebenden hölzernen Lettern. Die geometrisch streng ­stilisierte Installation ist nicht nur als Hommage an e­ inen Großen der Literatur und Zweifler an der Welt zu verstehen.


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Ausstellungsansicht „Harald F. Müller – MONDIA“, 2021, Foto: Guido Kasper linke Seite: Harald F. Müller, „musique non stop“, 2020, Fotografie UltraSec hinter Museumsglas,

Mit dem lyrischen Zitat – hier folgen wir den „­ f liegenden ­ lättern“ von Markus Landert, Direktor des Kunstmuseums, B ein „klassischer“ Katalog ist nicht geplant – erweitert Müller seinen Kunstbegriff über das Bildhafte hinaus ins Poetische. Eines der Gedichte aus „Les Fleurs du Mal“, „L’Invita­ tion au voyage“, Einladung zur Reise, schließt mit den Worten: „Là, tout n’est qu’ordre et beauté, Luxe, calme et ­volupté“ − Da ist Ordnung und Schönheit, Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit. Der Baudelaire-Leser und Kunsthistoriker ­L andert weist in dem Zusammenhang auf den Titel eines der bekanntesten B ­ ilder von Henri Matisse hin, „Luxus, Ruhe und Sinnlichkeit“ (1904), womit er zugleich den Bogen zu den farbintensiven Ausstellungswände in der ehemaligen ­K losteranlage schlägt. Der Fauvist Matisse, Bewunderer ­B audelaires, gehört ebenso wie Tizian, Paul Cézanne, Le Corbusier und Mark Rothko zu den Farbmagiern der Kunst,

mit denen sich Müller, der sich nicht als Maler versteht und keinen Trennstrich zwischen der Bild- und seiner archi­ tekturbezo­g enen Farbarbeit zieht, immer wieder neu auseinandersetzt. – Vier Fotografien von Guido Kasper, mit dem er zusammenarbeitet, dokumentieren Müllers Arbeiten im öffentlichen Raum. Der 1950 in Karlsruhe geborene und in Singen le­ bende Künstler beschäftigt sich nicht nur obsessiv mit französischer Literatur sowie exklusiven Bildthemen und Farben – in s­ einem Stratozero genannten Atelier hält er ­Gläser mit 900 Pigmenten vor –, er arbeitete schon früh mit Titeln, die er zu gewaltigen Wortskulpturen montiert. In Singen schuf er im Rahmen eines Kunstprojekts zur Landesgartenschau 2000 die Installation „Singen“. Die in Neonpink auf blauschwarzem Grund gestaltete Wandskulptur ver­ wandelt den Stadtraum in einen sinnlichen Erfahrungsraum.

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157 x 197 x 18 cm, Foto: Guido Kasper, Sammlung Kunstmuseum Thurgau


112 Eine ähn­l iche Wirkung geht auch von dem elektrifizierten Buchstabenwerk „Located world“ von Joseph Kosuth aus, das in direkter Nachbarschaft zu Müllers Intervention am ­R athaus angebracht ist. Das Werk, ebenfalls Teil des Kunstprojekts aus dem Jahr 2000, positioniert den Standort im weltweiten Gefüge unterschiedlichster Ortsnamen. Das alles will auch sagen: Müller kennt seinen Kosuth. Nicht nur im Gewölbekeller des Kunstmuseums, auch im ­Singener Atelier hat Harald F. Müller Ausstellungswände, „Tableaux“, eingerichtet und damit eine Art Suggestivräume geschaffen. Auf einer der Wände hängt ein „Cut“, wie der Künstler seine ins XXL-Format aufgeblasenen, in das Hochglanzmedium des Cibachromeprints veredelten Repros von gefundenen Fotografien nennt, die er ausschnitthaft auf Alucore, Aluminiumwabenplatten, aufgezogen präsentiert. Das bearbeitete Bild zeigt eine leicht bekleidete mehrgesichtige Schöne mit einer Maschinenpistole in den Händen. Die Vor­ lage dazu lieferte das Cover einer populären französischen

Krimiserie. In Müllers Archiv schlummern Tausende solcher und ähnlicher Funde aus Magazinen, Büchern und Zeitschriften. Bei der Auswahl geht er sehr selektiv vor. Auch in der Kartause Ittingen sind „Cuts“ zu sehen: „Prater“ zeigt das Riesenrad in Wien; „Japan II“ nimmt einen Vorfall auf, als 1990 ein Fundamentalist den Übersetzer von Salman Rushdies „Satanischen Versen“ angriff, um ihn für die Verbreitung des islamkritischen Buchs zu bestrafen. Das „Japan II“-Repro ist eines der wenigen gesellschaftspolitischen Bilder Müllers. Zur Gruppe der „Cuts“ gehört ebenso der „Spiegelcut“, ein Wandbild, das neben zwei monochromen brauntönigen ­Werken hängt, die Müller „Ciba Noir“ nennt, was hier quadratische, nicht entwickelte Cibachromefotopapiere meint. Als Hauptwerk der Ausstellung gilt die großforma­ tige Fotografiecollage „Musique non stop“, die Müller vor ­leuchtgelbem Hintergrund platzierte. In dieser Arbeit verbinden sich das Plattencover der deutschen Elektropopband


113 Plane eines Transportwagens. Es steht aber auch für den ­M arkennamen von Fahrrädern und Uhren, es lässt sich als „mon dia“ – also „mein Diapositiv“, meine Fotografie – lesen und bedeutet im Rumänischen „Welt“. Beschwört der Künstler also mit dem gefundenen Begriff die visuelle Welt? Es ist (ihm) den Versuch wert. Auf jeden Fall nimmt Müller die Besucher der Ausstellung mit auf seine Reise. Dazu verführt das Roadmovie „En route“, das eine bewegende Tour dokumentiert, die Müller mit Fabian Winkler, einem anderen Kollaborateur des Künstlers, quer durch Europa unternahm (stratozero.net/enroute). Winkler hat die Videodaten neu abgemischt, er hat aber auch die Webseite stratozero.net/mondia zu einem eigenstän­ digen Projekt entwickelt. Und was das Reisethema angeht: Im Atelier Stratozero, das als Teil der Ittinger Ausstellung zu ­verstehen ist, schwebt an einer leuchtgelben Wand eine mächtige Buchstabeninstallation in Pink mit dem Titel „VOYAGE“. Womit wir wieder bei Baudelaire angekommen sind. So ­ge­sehen ist die Ausstellung einfach zu lesen: Sie hat etwas ­Nomadenhaftes, man bleibt nicht an einer Stelle kleben, ist „on the move“, auf dem Loop. SIEGMU N D KOPITZKI

Bis 26. Juni 202 2 H a ra l d F . M ü l l e r – M O N D I A Kunst mu seum Thurgau/ It t inger Mu seum kunst museum.ch S t ra t o z e ro s t ra t o z e ro . n e t

linke Seite: Guido Kasper, 2021, Fotografie, Latex-Druck auf Hadern-Papier, 200 x 200 cm, Kartause Ittingen, Unteres Gästehaus, Harder Spreyermann Architekten, Motiv aus der Bildstrecke über Harald F. Müllers Architekturprojekte Ansicht der Arbeit von Harald F. Müller (2004) im Bau van Harder Spreyermann Architekten, Foto: Guido Kasper, 2018

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„Kraftwerk“, zwei US-amerikanische Glühbirnen und der ­b arocke Kirchenraum der Kartause zu einem komplexen Vexierbild. In ihrer surreal anmutenden Kombination pro­ voziere Müller ­einen Diskurs mit einer der Grundfragen der Ästhetik, notiert Markus Landert. Hinterfragt werde die ­Beziehung von Bild, Wirklichkeit, Wahrnehmung und der Erzeugung von Sinn. Das Werk, das auf ganz unterschiedliche Realitäten und Sinnkonstruktionen verweist, hat das Kunstmuseum für die eigene Sammlung erworben. Müllers Wandskulpturen, Titel, Cuts und Repros ­erschließen sich auf Anhieb nicht allein aus der Beachtung der ästhetischen Form. Sie erfordern den gedanklichen Nach­ vollzug eines offenen theoretischen Konzepts durch einen interessierten Betrachter. Das gilt im Übrigen auch für Kosuths Werk, von dem das Kunstmuseum die Bodeninstallation „Eine verstummte Bibliothek“ besitzt. Ein Beispiel für Müllers Offenheit gegenüber dem Neuen ist der „Elektrocut“: Auf einem grobauflösenden Monitor, gesteuert durch einen Algorithmus, werden Fotografien seiner Werke zerlegt und wieder neu zusammengesetzt. Eine Maschine, die hemmungslos Bilder produziert. „Ein Forschungsprojekt“, wie Müller sagt. Der Kopf gehört, wie erwähnt, dazu. Und gelegentlich Hintergrundwissen. Extrem vielschichtig ist der Ausstellungstitel, der im Eingangsbereich der Ausstellung in riesigen blau gefassten Holzbuchstaben vor einer orange-roten Wand spiegelverkehrt im Raum zu schweben scheint: „AIDNOM“. Aus Landerts klugen „fliegenden Blättern“ erfahren wir, dass „MONDIA“ ein Bildfundstück ist. Das Wort prangte auf der


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Bl ic k z u r üc k : S c hwe i z e r i s c he Tr ie n n a le de r S k u lpt u r „ B a d R a g A RTz“

„Hiersein ist herrlich!“


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H E R BS T TAG Herr: es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein; gieb ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

R A I N E R M A R I A R I L K E (18 75 −19 2 6 )

Walter Moroder, „Mauta“, 2018, Bronze,

Werner Pokorny, „Wheel“, 2004, Cortenstahl, Foto: Foto Fetzer, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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Foto: Foto Fetzer


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Rainer Maria Rilkes Worte im Ohr machen wir einen letzten Rundgang durch die 8. Schweizerische Triennale der Skulptur, die „Bad RagARTz 2021“. Die Parkanlagen haben sich in ein wahres Feuerwerk aus Rot, Gelb und Blau verwandelt, der Herbst spielt seine ganze Pracht aus und lässt die mehr als 400 ausgestellten Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt noch einmal in neuem Licht erscheinen. Der Abschied fällt schwer. Schon bald werden in diesem Paradies auf Zeit die Kranwagen und Sattelschlepper auffahren und die Skulpturen werden ihre Heimreisen in nahe und ferne Ge­ stade antreten. Die Gewissheit aber, dass der Sommer, um mit Rilke zu sprechen, „sehr groß“ war, verwandelt die Schwermut in ein Glücksgefühl, denn: „In der mehr als 20-jährigen Geschichte der ‚Bad RagARTz‘ haben noch nie so viele Menschen in die Ausstellung gefunden, wie in diesem großen Sommer. Noch nie zuvor haben Tourismus und Gewerbe ­einen solch intensiven Aufschwung in so kurzer Zeit erlebt“, berichten Esther und Rolf Hohmeister, die Gründer und ­Organisatoren der Skulpturen-Triennale. Und weiter: „Mit Freude erinnern wir uns an Abertausende von lachenden ­Gesichtern, an angeregte und kritische Diskussionen und genießen noch einmal diese wundervolle Stadt aus Farben, Formen und Gedanken. Dies umso mehr, als es gelungen ist, nach einer schwierigen Zeit des Alleinseins und des langen und bangen Wachens die Menschen zusammenzubringen und ihnen Stunden voller Inspiration, Glück und Perspektive für die Zukunft zu schenken. Rilke hatte wahrlich recht, als er angesichts eines seiner Besuche in Bad Ragaz zu Papier brachte: ‚Hiersein ist herrlich!‘“ Für das Team der Triennale aber bleibt nur wenig Zeit, in schönen Erinnerungen zu schwelgen. Einsame und stille Herbstabende wird es kaum geben. „Denn für uns geht es nun daran, zu ‚wachen, zu lesen, und lange Briefe zu schreiben‘ und mit aufmerksam planendem Auge durch die Alleen zu wandern, damit auch die Triennale 202 4 wieder zu einem großartigen Ereignis für Künstler, Besucher und Organisa­ toren wird“, schließt Rolf Hohmeister. ANDRIN SCHÜTZ

w w w . b a d ra g a r t z . c h


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Manolo Valdés, „Clio Bianca“, 2020, Alumium und Edelstahl, Foto: Foto Fetzer, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Der malerische Michelangelo aus Lenzburg 150 Jahre Werner Büchly

Werner Büchly, «Bogenschützen», Wandbild im Treppenhaus (Ausschnitt), Angelrain-Schulhaus in Lenzburg, um 1903


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Der Schweizer Künstler Werner Büchly (1871–1942) hinterließ einen wahren Schatz an imposanten Bildthemen, gebannt auf Papier, Leinwand und Fassaden. Seine Werke an Sakralbauten, Schulhäusern und Privatvillen waren nie ein Touristenmagnet. Genau das macht aber den Reiz s­ einer großformatigen Arbeiten aus. Es gilt, sie zu entdecken. Die Jubiläumsausstellung im Ikonenmuseum Schweiz, Lenzburg, bietet eine großartige Gelegenheit, sich in sein Werk zu vertiefen.

Werner Büchly, «Alpenruf», Wandbild im Singsaal, Angelrain-Schulhaus in Lenzburg, um 1903

Adam J. Finn traf den Kurator und Museumsleiter Dr. Marc Philip Seidel vor der Buchvernissage zum Interview.

Marc Philip Seidel: Als ich vor vier Jahren, damals noch als Sammlungsleiter, einen Stapel an ungeordneten Dokumenten sichtete, fiel mir ein großformatiger Klappaltar auf. Zu meiner Überraschung offenbarte sich der Entwurf zweier ­K irchenglasfenster im Jugendstil: unsigniert, im Inventar nicht auffindbar, doch künstlerisch von ausgezeichneter Qualität. Das faszinierte mich, und ich wollte mehr über Werk und Künstler in Erfahrung bringen. Ich suchte nach ikonographisch verwandten Sammlungsstücken und wurde fündig. Damals konnte ich noch nicht ahnen, dass diese weiteren ­Entwürfe Wettbewerbseingaben für das neu erbaute Schweizerische Landesmuseum in Zürich waren.

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ARTMAPP: Ich freue mich sehr über die Einladung zum persönlichen Gespräch. Ich habe mir eben die Originalentwürfe im Ikonenmuseum angesehen und bin überrascht von dieser malerischen Qualität. Büchly scheint eine wahre Entdeckung zu sein. Nun, wie kamen Sie denn dazu, Werner Büchly neu zu entdecken?


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Werner Büchly, Verputz- und Farbstudie mit Engelskopf (Sgraffito) für das Eingangsportal, Ref. Kirche Othmarsingen, um 1921, Sammlung Museum Burghalde, Lenzburg

ARTMAPP: Sie meinen die Ausschreibung von 1896, aus der Ferdinand Hodlers berühmte „Schlacht bei Marignanon“ als Siegesbild gekürt wurde? MPS: Exakt. Büchly erlangte mit seinen epischen Szenerien „Hans Waldmann“, Heerführer der alten Eidgenossenschaft, und dem Minnesänger „Hadlaub“ den zweiten Platz. Aber das ist nicht alles! Wegen dem vorzeitigen Ableben des ­B asler Symbolisten Hans Sandreuter konnten die bunten Glas­mosaike auf den Fensterbrüstungen nicht fertiggestellt werden und mussten neu vergeben werden. Büchly ging im Januar 1903 ex aequo mit Augusto Giacometti und Johann Bossard als Sieger hervor. Zur Ausführung kamen diese ­u nerklärlicherweise nie.

ARTMAPP: Büchlys Name ging trotz seines ­beachtlichen Portfolios vergessen… MPS: In der Tat. Büchlys Werke, so unscheinbar an doch so prominenten Orten im Raum Aarau, Lenzburg und Zürich, lassen sich – meist im öffentlichen Raum – noch heute bewundern. Die großformatigen Bilder am Pestalozzi-Denkmal in Birr, im Krematorium Zürich-Sihlfeld, im Krematorium Rosengarten in Aarau oder im Vindonissa Museum in Brugg sind meisterlich und es erstaunt, dass es 80 Jahre brauchte, bis sein Werk in Buchform zusammengetragen wurde. Das 150 Jahrjubiläum eignet sich bestens für diese Würdigung.


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ARTMAPP: Ich durfte einen Blick in den reich­ bebilderten Werkkatalog werfen. Büchly war auch technisch ein Meister … MPS: Bemerkenswert ist seine Experimentierfreude mit ­ arbe und Malgrund. Etwa entwickelte Büchly die SgraffitoF technik weiter, indem er die Verputzschicht modellierte. Das Flachrelief aus drei farbigen Malschichten erzielt eine be­ eindruckende Wirkung. Der Engelskopf auf blauem Grund, geschaffen für die Reformierte Kirche Othmarsingen etwa, fasziniert mich. Ebenso die vier großformatigen Propheten aus dem Alten Testament. „Moses’“ Erscheinung ist gewaltig.

ARTMAPP: Aber auch seine ikonenhaften Motive sind einprägsam … MPS: In der Tat. Büchlys Virtuosität zeigt sich auch in den ­epischen Bildzyklen mit Helden und Propheten aus unserer Kulturgeschichte. Im tiefsten Inneren beschäftigten den Künstler die großen Fragen der Menschheit: Friede, Freiheit und das Wesen des Seins. Malerisch wird ihm die Bezeichnung „der Michelangelo aus Lenzburg“ gerecht. Seine gerühmte zehnjährige Tätigkeit als anatomischer Zeichner an der Universität Basel zeigt sich in den figür­ lichen Darstellungen.

Im reich bebilderten Ausstellungskatalog und Jubiläumsbuch beleuchten zahlreiche Texte Werner Büchlys Leben und Werk – vom aufstrebenden Zeichentalent an der Universität Basel bis zum vergessenen Künstler in seinem Lenzburger „Parzival“-Haus. 192 Seiten, kartoniert, Seidel & Schütz, Zürich 2021 ISBN 978-3-03846-930-8 Im Buchhandel erhältlich. Herausgegeben von der Stiftung Museum Burghalde, Lenzburg www.museumburghalde.ch

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Informationen zum Jubiläumsjahr: www.ikonenmuseum.ch


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Kunsthaus Zürich, Chipperfield-Bau, Ansicht Heimplatz mit Installation „Tastende Lichter“, 2020, von Pipilotti Rist, © Pipilotti Rist, Foto: Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

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Im Chipperfield-Bau Das neue Kunsthaus Zürich Mit der Anfang Oktober gefeierten Neueröffnung ist das Kunsthaus Zürich das größte Kunstmuseum der Schweiz. Es besteht aus vier Gebäuden: dem Moser-Bau (1910), dem ­P fister-Bau (1958), dem Müller-Bau (1976) und nun dem ­Chipperfield-Bau (2020). Die Stadt Zürich lobte 2008 einen Architektur­ wettbewerb um einen Erweiterungsbau aus und lud dazu 20 internationale Büros ein, neun Schweizer, darunter so renommierte wie Gigon / Guyer, Max Dudler und Diener & Diener. Es gewann der Brite David Chipperf ield; die Schweizer landeten auf Platz zwei und drei bzw. bei einem Ankauf. Städtebaulich stehen sich das Neue und das Alte und das Schauspielhaus gegenüber; auf dem Heimplatz herrscht weiter reger Straßenverkehr, Pippilotti Rists Kunst-am-Bau-Werk „Tastende Lichter“ steht tagsüber eher traurig und verloren da. Die Pressekonferenz im Festsaal zur Eröffnung war sehr feierlich, riesige Blumenbouquets umrahmten die ­R eden − zahlreiche Medienschaffende lauschten den ­Ausführungen um Konzepte, Pläne, Zahlen in schwindel­ erregenden Dimensionen wurden genannt. Sir David Chipperfield stellte kurz die (unbeantwortete) Frage, was Architektur sein kann, dankte seinem Team, lobte den Geist des Prozesses − „spirit is fundamental“ − und hofft, dass das Ergebnis den Menschen gefallen möge. Formvollendet ­höflich, very british.

Keine Frage: Der Neubau ist und hat Klasse. Was für eine ­elegante Opulenz, die Fassade aus Jurakalkstein − die lichten Foyers, die Treppenhalle großzügig in nachhaltigem Sicht­ beton, goldglänzendes Messing, Marmorböden. In den unterschiedlich großen Ausstellungssälen Eichenparkett und Tageslicht. Und erst die Kunst! Neben der umstrittenen Sammlung Emil G. Bührle sind die Sammlungen von Werner und Gabriele Merz­bacherMayer, Hubert Looser, Ferdinand und Karin Knecht nun im Neubau zu sehen. Merzbacher erreichte die Schweiz mit ­einem Kindertransport aus Deutschland; seine Eltern w ­ urden deportiert und ermordet. Die 170 Bilder der Sammlung des Waffenfabrikanten und Kunstförderers Bührle müssen die nächsten Jahre in den übrigens farblich anders gestalteten Räumen zusammen ­gezeigt werden. Müssen? Emil G. Bührle sammelte seit 1936 Kunst und brachte es auf 600 Werke, nicht nur Rodins ­„ Höllentor“ ist sein Geschenk an Zürich. Der Journalist Daniel Binswanger stellte in der Pressekonferenz dem (2022 zurücktretenden) Direktor Christoph Becker die Frage nach dem Umgang und Restitution von „Fluchtgut“. Herr Becker antwortete ausweichend und verwies auf juristische Klärung nach Glaubhaftmachung von Ansprüchen. Zynisch. Die Stille im Saal auch. Die Lektüre von Binswangers mehrteiliger Recherche „Bührle Connection“ im Schweizer Onlinemagazin „Republik“ empfehle ich sehr. AMREI HEYNE

www. k unsthaus. ch


Ins_ARTMAPP_November 2021_08102021

Harald F. Müller – MONDIA Bis 22. Juni 2022

www.kunstmuseum.ch 1. Oktober bis 30. April: Montag bis Freitag 14 –17 Uhr

art faces forum-wuerth.ch ⋅ Tel. +41 71 225 10 70 ⋅ rorschach@forum-wuerth.ch Alle Kunstaktivitäten des Forum Würth Rorschach sind Projekte von Würth.

Samstag, Sonntag und allgemeine Feiertage: 11 –17 Uhr

Künstlerporträts aus der Sammlung Würth Bis 29. Mai 2022 Eintritt frei

Cuno Amiet (1868–1961), fotografiert von Kurt Blum (1922–2005), 1954, Sammlung Würth, Inv. 7000 © Kurt Blum

1. Mai bis 30. September: täglich 11 –18 Uhr



Bernd Zimmer: Lichtung. Übergang, 2010, Acryl auf Leinwand, 145 x 120 cm

Ein Werk aus der Ausstellung SEIT 1971

„Schlaglichter aus 5 Jahrzehnten Galeriearbeit 50 Jahre – 100 Künstler“

Galerie Schrade · Schloß Mochental

hloß Mochental : 89584 Ehingen-Mochental : Fon 07375/418 : Fax -467 rlsruhe : Zirkel 34-40 : 76133 Karlsruhe : Fon 0721/1518-774 : Fax -778

hrade@galerie-schrade.de : www.galerie-schrade.de

www.galerie-schrade.de


C a r st e n P r ob st i m G e s pr äc h m it de m K u r at or A le x a nde r K lo s e

Oil. Schönheit und Schrecken Zusammen mit Benjamin Steininger hat der Berliner ­K ulturwissenschaftler Alexander Klose die Ausstellung „Oil. Schönheit und Schrecken des Erdölzeitalters“ kon­ zipiert, die sie gemeinsam mit Andreas Beitin aktuell am Kunstmuseum Wolfsburg realisiert haben. Die wirtschaft­ liche Abhängigkeit moderner Gesellschaften von fossilen

Brennstoffen und ihre ökologischen Folgen für das Welt­ klima werden schon seit Jahrzehnten kritisiert. In ihrem 2020 erschienenen Weltatlas zur G ­ eschichte der modernen Ölökonomie, der die Grundlage für die Wolfsburger Ausstellung ist, schildern die Kuratoren anschaulich auch deren politische und kulturelle Dimensionen.


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Monira Al Qadiri, „OR-BIT 1“, 2016, Schwebende Skulptur, Kunststoff, 30 x 30 x 30 cm, © Monira Al Qadiri, Courtesy: die Künstlerin, Foto: Lorenzo Pusterla „OR-BIT“-Serie: Eine Reihe schwebender, schillernder Modelle von Ö ­ lbohrern, die sich leise drehen, als wollten sie den Himmel über ihnen durchbohren. Das Werk ähnelt architektonischen Modellen, hier dem Turm zu Babel, und verkörpert den unendlichen menschlichen Wunsch, nach oben zu streben und gleichzeitig mehr Reichtum und Macht anzuhäufen. Der Reichtum, der durch die Ölförderung generiert wurde, befeuerte diese bösartigen Bestrebungen des Menschen, in einer scheinbar endlosen S ­ piralbewegung, über anderen zu schweben.

ARTMAPP: Standardcontainer und ­E rdöl­w irtschaft bedingen einander also? AK: Es war, glaube ich, zumindest folgerichtig, als ich von meiner Erforschung der Containerlogistik zur Erforschung der Ölkultur kam. Aber ich würde eher von einer Vertiefung sprechen: Erdöl ist die Materialgrundlage, der Treibstoff für das Funktionieren dieser gesamten globalisierten Wirtschaft und der weltweiten Bewegung von Gütern –übrigens nicht zuletzt für die Herstellung des Stahls, aus dem die Container gemacht sind. Aber Erdöl könnte auch jede andere logistische Weltordnung antreiben, nicht nur die jetzige.

Alexander Klose: Logistik ist das Prinzip, mit dem im 20. Jahrhundert die sich globalisierende Welt organisiert wurde, bis hin zum Computer: Computer sind in hohem Maß logistisch aufgebaut. Es gibt aber auch ein logistisches Denken, das sich damit ausbreitet: ein Denken und Organisieren in modularen Einheiten. Dass man so etwas wie „Black Boxes“ als selbst­ verständlich empfindet, die man weltweit herumschieben kann und nur dann aufmacht, wenn es wirklich nötig ist, ein ­solches Denken empfindet es nicht mehr als zwingend notwendig, Dingen einen festen Platz zuzuweisen. Das ist das nomadische Kalkül der Globalisierung, aus ihm resultiert ­d irekt das Konzept standardisierter Versandbehälter – und diese wiederum benötigen passende Vehikel, die sie mit ­möglichst billigem Treibstoff von einem Ende der Welt zum anderen transportieren.

AK: „Effizienz“ trifft es eher als „Rationalität“. Mit der Logistik der Standardcontainer lassen sich knappe Güter klüger zuweisen, man spart Ressourcen und erzielt dadurch an ­a nderer Stelle mehr Gewinn. Der globale Aufstieg des ­Walmart-Konzerns besteht zum Beispiel nur in der Effizienz seiner Lieferketten, durch die die Preise für die Einzelpro­ dukte in den Märkten sinken. Zugleich sind geschätzt zwei Drittel der Gegenstände, die bei Walmart verkauft werden, pure Überschussware mit geplanter Obsoleszenz, das heißt, wenn sie etwas solider gefertigt wären, müssten sie nicht ­ständig neu gekauft werden. Logistische Effizienz korreliert also mit ökonomisch gewollter Verschwendung, die das ­ganze Wirtschaftsmodell antreibt. „Rational“ würde ich das nicht nennen.

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ARTMAPP: Herr Klose, wie hängen Standard­ container und Erdölproduktion kulturgeschichtlich miteinander zusammen?

ARTMAPP: Zu den Grundannahmen unter dem Begriff des „Anthropozäns“, des neuen Erdzeit­ alters, in dem die von Menschen geschaffenen Strukturen erstmals die Naturräume flächenmäßig übertreffen, gehört es doch, gerade die wirtschaft­ liche Rationalisierung für die Umweltzerstörung verantwortlich zu machen. Würden Sie widersprechen?


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ARTMAPP: Ein anderes Weltwirtschaftssystem ohne Nutzung fossiler Brennstoffe – und die ­Standardcontainer würden verschwinden? AK: Ich habe mir die Anf änge des US-amerikanischen ­C ontainersystems einmal angeschaut: Die damaligen euro­ päischen Versuche, zu einem einheitlichen Containerdesign zu kommen, arbeiteten im Vergleich zum heutigen Größen­ standard allesamt mit deutlich kleineren Kisten. Auch in den USA selbst gab es konkurrierende Entwürfe, die im Vergleich ­k leiner waren. Denn Sie müssen sich eines klar machen: Selbst Deutschland als langjähriger „Export­ weltmeister“ hat einen Großteil seines Handels immer mit seinen kontinentalen Nachbarn abgewickelt. Braucht man

für Nachschubliefe­r ungen über vergleichsweise geringe ­ istanzen so riesige Container? Denn die muss man ja erst D einmal vollmachen! Es liegt also nahe anzunehmen, dass mit dieser viel zu groß d ­ imensionierten Standardkiste ganz ­b ewusst ein sich selbst verstärkendes Prinzip einhergeht. Ein System, das förmlich dazu zwingt, immer noch mehr zu produzieren, auszuliefern, zu verkaufen, um die Kisten voll zu kriegen. Diese Riesen­k isten schreien förmlich: Mach mich voll, sonst lohnt sich der ganze Aufwand nicht!

Romuald Hazoumè, „Elf rien à foutre“, 2005, Autowrack, Öl-Kanister mit Masken-Bemalung, 120 x 450 x 180 cm, Courtesy: Magnin‑A Gallery, Foto: Florian Kleinefenn © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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ARTMAPP: Der leere Stauraum der Container und die Ölproduktion prägen die Kultur der globalen Handelsnetzwerke? AK: Treibstoff ist natürlich einer der zentralen Punkte bei den Netzwerkkosten, aber vor allem hat er als endliche Ressource eine immense politische Bedeutung. Normalerweise kostet der Treibstoff ja fast nichts. Die Containerfrachter ebenso wie alle anderen Schiffe fahren nur mit dem Ausschuss, dem Schweröl, das übrig bleibt, wenn das Rohöl vollständig raffiniert und gecrackt wurde, also mit richtig fetter Schlacke, und die ist billig. Aber geht der Ölpreis hoch, explodieren die Logistikkosten. Deshalb wurden immer wieder riesige Vorräte angelegt. Die meisten Kriege im 20. und 21. Jahrhundert drehten sich um die Verfügbarkeit von Ölvorkommen. ARTMAPP: Sie bieten in Ihrer Wolfsburger Ausstellung zahlreiche künstlerische Beiträge auf, die sich dieser ökonomischen, politischen, kulturellen Abhängigkeiten der petrochemischen Moderne stellen: von der Umweltzerstörung über Kriege bis zum Plastikmüll. Trotzdem habe ich nicht den Eindruck, dass man am Ende mit einer eindeutigen moralischen Botschaft wieder hinausgeht, die Welt zu retten, das Klima zu schonen, auf Petrochemie zu verzichten.

Michael Najjar, „orbital ascent (2016)“, 2016, Hybride Fotografie, Archiv-Pigmentdruck, Aludibond, Diasec, maßgefertigter Aluminium-Rahmen, 280 x 182 cm, Sammlung Wemhöner, Herford/Berlin, Courtesy: der Künstler © Michael Najjar

Bis 9. Januar 202 2 O i l . S c h ö n h e i t u n d S c h r e c k e n d e s E rd ö l z e i t a l t e r s K u n s t m u s e u m Wo l f s b u r g www. k unst museum. de

Andrea s B e it in, Ale xande r Klose, B e njamin Ste ininge r „OI L . SCHÖN H E I T U N D SCH R ECK E N D E S E R D Ö L Z E I TA LT E R S “ A u s s t e l l u n g s k a t a l o g K u n s t m u s e u m Wo l f s b u r g Ve r l a g d e r B u c h h a n d l u n g Wa l t h e r u n d F ra n z K ö n i g , 2 0 2 1 D i e P u b l i k a t i o n b e l e u c h t e t a n h a n d v o n r u n d 2 5 0 i n t e r­ nat ionale n k ün stle r i sche n Posit ione n gesell schaf tliche, ökonomi sche, polit i sche und k ult urelle B eding unge n und

ARTMAPP: Kann es bei gesellschaftlichen Fragen von solcher Tragweite überhaupt schnell gehen mit dem Ausstieg?

K o n t e x t e d e r w e l t u m s p a n n e n d e n E rd ö l m o d e r n e .

B e n j a m i n S t e i n i n g e r, A l e x a n d e r K l o s e

AK: Das ist wohl nicht nur meine Befürchtung: Dass es noch lange mehr oder weniger so weitergeht, wie es heute ist, auch mit diesem wirtschaftlichen Wachstum, und dass das System dadurch irgendwann krachend an die Wand fährt. Verteilungskriege eingeschlossen, wenn etwa durch die Häufung von Naturkatastrophen immer mehr Menschen zu Migrantinnen und Migranten werden.

„ E R D Ö L . E I N AT L A S D E R P E T R O M O D E R N E “ Mat thes und Seitz , B erlin 2020

Alexander Klose „ DA S C O N TA I N E R- P R I N Z I P : W I E E I N E B OX U N S E R D E N K E N V E R Ä N D E R T “ mare ve rlag, Hamburg 2009

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AK: Jetzt weiter Alarm zu schlagen, dass diese Art von ­Ökonomie endlich auf hören muss, ist aus unserer Sicht ­eigentlich überhaupt nicht mehr sinnvoll. Es gibt das Pariser Klimaabkommen, darin ist alles gesagt. Die Idee für das Ausstellungsprojekt entstand ja unmittelbar nach Paris, und so zugespitzt, wie die Lage mittlerweile ist, muss man jetzt eher mit der Trauerarbeit anfangen: Sich noch einmal darüber klar werden, wie total unser Leben mit dem Rohstoff Öl verbunden war und ist. Was es bedeutet, ihn bereitzustellen, damit zu handeln, ihn zu verbrauchen. Und sich wirklich zu überlegen: Was droht verlorenzugehen, was bricht da für eine Kultur der Petromoderne zusammen, wenn es das nicht mehr gibt? An wie viele dieser überf lüssigen Alltäglichkeiten habe ich mich gewöhnt? Wie viel Einschränkungen im Gesundheitssystem, das sehr stark von petrochemischen Verfahren und Produkten lebt, bin ich bereit, zu akzeptieren? Mancher Verzicht wird wehtun. Und das ist keine ökonomische, sondern eine kulturelle Frage.


01.12.2021 - 30.01.2022

VAN RAY

LIFE IS A F***ING RAINBOW

Bahnhofstraße 41 89231 Neu-Ulm

Sterngasse 14 89073 Ulm

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131 K u n st h au s G öt t i n g e n u nd G R I M M W E LT K a s s el

Märchen und Moderne abzuheben. Andererseits überragt das Kunsthaus das benachbarte winzige Günter Grass-Haus deutlich. Der Neubau und Lückenschluss in der Düsteren Straße war für den Göttinger Steidl offenbar eine Herzensangelegenheit: In einem Interview hat der Gründungsdirektor erklärt, dass die Idee für ein Kunsthaus vor 50 Jahren geboren wurde; seinerzeit war der Verleger 20 Jahre alt. Bis zu vier Ausstellungen sind pro Jahr geplant. Über eine Sammlung verfügt die Kultureinrichtung nicht, des­ wegen wird das Wort „Museum“ vermieden. Die erste Ausstellung war der US-Künstlerin Roni Horn gewidmet. Horn ist mit ihren Arbeiten in vielen namhaften Museen vertreten, im Museum of Modern Art und im Guggenheim in New York etwa, in der Tate Modern in London und im Kunstmuseum Basel. Die Premierenausstellung ist ein Hinweis darauf, welche Ambitionen die Verantwort­ lichen mit dem Kunsthaus verbinden. Danach folgte von Mitte August bis Mitte September, gleichsam zwischendurch, eine Ausstellung mit Arbeiten des Malers und Comiczeichners Bernd Pfarr, der 2004 starb. Pfarr erfand die Cartoonfigur „Sondermann“ und wird für seine Kunst gerühmt, die Balance zwischen Komik und Malerei zu halten.

Kunsthaus Göttingen, Foto: © Simone Bossi, 2021

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Märchenhaft, das ist es, was die GRIMMWELT Kassel und das im Juni eröffnete Kunsthaus Göttingen verbindet. In ­K assel ­befasst sich das Ausstellungshaus auf dem Weinberg am ­R ande der Innenstadt mit dem Leben der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm, ihren Märchen und dem von ihnen be­gonnenen „Deutschen Wörterbuch“. 50 Kilometer vom hessischen Kassel entfernt, in der traditionsreichen Unistadt Göttingen in Südniedersachsen, erscheint es märchenhaft, dass die quirlige Stadt mit ihren Cafés, Buchläden und ­Boutiquen nun auch eine Adresse für die moderne Kunst vorweisen kann. Dass es ein Kunsthaus in Göttingen gibt, hat die Stadt Förderern wie dem renommierten und international ­geschätzten Verleger Gerhard Steidl zu verdanken. Zwischen zwei betagten Fachwerkhäusern hat sich der Neubau des Kunsthauses Platz verschafft. Das Gebäude mit seiner eleganten Fassade bringt das Kunststück fertig, sich mit einem Spitzdach in das Stadtbild der Düsteren Straße einzufügen und zugleich mit dem grauen gerillten Modellierputz und den in der Fassade abgestuften Stockwerken dezent


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Necla Rüzgar, „Orbit”, 2008, Mischtechnik auf Papier, 29 x 36 cm

Aktuell zeigt das Kunsthaus eine Gruppenausstellung von acht Künstlerinnen und Künstlern aus unterschiedlichen Ländern, die sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Tier beschäftigen. Zu sehen sind Arbeiten von Wolf E ­ rlbruch, Roni Horn, Sanna Kannisto, Jo Longhurst, Olivier Richon, Michal Rovner, Thomas Struth und Tomasz Gudzowaty. Die Ausstellung „Modell Tier“ läuft bis zum 2. Januar. Das Kunsthaus ist donnerstags von 15 bis 20 Uhr sowie freitags, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der ­E intritt ist frei, der neuerdings im Dax gelistete Göttinger Konzern Sartorius, ein Pharma- und Laborzulieferer, ­sponsert ein Jahr lang die Eintrittsgelder. Weitere private Förderer haben ihren Teil zum ­Kunsthaus in Göttingen beigetragen. 4,5 Millionen Euro ­F ördermittel stammen aus dem Bundesprogramm „Na­ tionale Projekte des Städtebaus“. Die Stadt unterstützt den Betrieb pro Jahr mit 180.000 Euro. Der Duderstädter ­P rothesen-Unternehmer Hans Georg Näder (Ottobock), ebenfalls ein großer Kunstfreund, unterstützte den Bau mit einer Million Euro.

Selbst wenn es auf den ersten Blick überraschend erscheint: Moderne Kunst gibt es auch in der GRIMMWELT Kassel zu sehen. Das mehrfach mit Architekturpreisen ausgezeichnete Haus mit seiner zurückhaltenden und preisgekrönten Optik, das vor sechs Jahren in exponierter Lage auf dem Weinberg ­gebaut wurde, zeigt seit einiger Zeit ebenfalls zeitgenössische Kunst. Schließlich ist Kassel Standort der „documenta“, der weltgrößten Kunstschau, das verpf lichtet. Im März wurde eine Sonderausstellung mit Arbeiten der Schweizer Künst­ lerin Sabine Hertig eröffnet. „Home“ hieß die Schau, in der großformatige Bildlandschaften gezeigt wurden. Typisch für Hertig sind ihre Collagen, die sie aus zahllosen Fundstücken aus Zeitungen, Magazinen und Büchern zusammensetzt, die sie über viele Jahre sammelt. Aktuell zeigt die GRIMMWELT Arbeiten der türkischen Künstlerin Necla Rüzgar, einer ­vielseitigen kreativen Kraft, deren Werk unter anderem Malerei, Skulptur, Collage und Videokunst umfasst. Im Mittelpunkt des Hauses stehen aber Leben und Werk der Brüder Jacob und Wilhelm Grimm. Als Herzstück der Dauerausstellung gelten die beiden Bände der ersten und zweiten Auf lage der „Kinder- und Hausmärchen“, die 1812 und 1815 erschienen sind. Im September 2020 feierte die Stadt


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den fünften Geburtstag der GRIMMWELT. Die heimische ­ eitung würdigte das Haus als Publikumsmagnet. Jährlich Z besuchen rund 80.000 Gäste die Ausstellung, berichtet ­P ressesprecherin Katja Blum. Zurück zur zeitgenössischen Kunst: Wie passt die zu den Brüdern Grimm? Künstlerin Sabine Hertig fand dazu ­f olgenden Vergleich: „Mit den Brüdern Grimm verbindet mich die Sammelleidenschaft und Besessenheit.“ Ohne ­g roße Verrenkungen lässt sich auch eine Brücke zu Necla ­R üzgar schlagen. Ihre fantastischen Tiermotive ­z eigen m ­ ärchenhaft, wie nah sich Mensch und Tier sind. Prä­sentiert werden rund 100 Zeichnungen und Aquarelle – erstmals in e­ iner Einzel­a usstellung sind die Werke in Deutschland zu sehen.

Auf dem Weinberg in Kassel kommen sich Märchen und ­moderne Kunst näher, beides sind Erfindungen der Fantasie, die Menschen beflügeln. Übrigens, gleich um die Ecke, ebenfalls am Weinberg, befindet sich das Museum für Sepulkralkultur. Das Haus, das 1992 eröffnet wurde, befasst sich mit Sterben, Tod, Bestattung und Trauer. Die Dauerausstellung zeigt Zeugnisse des Be­s tattungswesens, einige stammen aus dem Mittel­a lter. Zu sehen sind Särge, Leichenwagen, Trauer­ kleidung und Trauerschmuck, Grabsteine, Skulpturen und vieles mehr, was Sterben, Tod und Trauer thematisiert. O L IVER S TA D E

www. k unsthaus-goet t ingen. de www. g r immwelt. de w w w . s e p u l k ra l m u s e u m . d e

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GRIMMWELT Kassel, Foto: Jan Bitter


Quatre villes,

une culture transfrontalière

Vier Städte,

eine grenzüberschreitende Kultur

Plus d’info : quattropole.org



Philharmonie Luxembourg, Architektur: Christian de Portzamparc, Christian Bauer & associés, Foto: porta3.mk

Liebfrauenkirche, Trier, älteste gotische Kirche Deutschlands, Foto: Rita Heyen


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Centre Pompidou-Metz, Architektur: Shigeru Ban, Jean de Gastines, Philip Gumuchdjian, Foto: Roland Halbe

V IER M A L K U NST IM DR EIL Ä NDER ECK Im Jahr 1957 begründeten die deutsche Stadt Trier und die französische Stadt Metz eine Städtepartnerschaft, wie es sie in der Nachkriegszeit häufig gab, um die Beziehungen ­z wischen Deutschland und Frankreich zu verbessern und die einstige „Erzfeindschaft“ zwischen den beiden Ländern endgültig h ­ inter sich zu lassen. Drei große Kriege hatten die Region ­geprägt, die mal von Frankreich, dann wieder von Deutschland dominiert war. Im Jahr 2000 wurde die ­Ko­operation von Trier und Metz auf die Städte Luxemburg

und Saarbrücken ausgeweitet. Das neue Netzwerk bekam den griffigen Namen „QuattroPole“ und sollte die Großstädte der Grenzregion Saar-Lor-Lux vernetzen. Längst waren die vier Städte des ­B allungsraumes wirtschaftlich eng verknüpft. Die Kultur und die Probleme des Struktur­ wandels weg von der Montan­i ndustrie verbanden die Metropolen ohnehin schon lange. Neben der Verbesserung der Wirtschaftsförderung sollte das QuattroPole-Projekt vor allem das kulturelle Angebot enger vernetzen. BÜLENT GÜNDÜZ

Schloss Saarbrücken, Mittelpavillon des Corps de logis, neugestaltet von Gottfried Böhm (einziger deutscher Pritzker-Preisträger), Foto: © Regionalverband Saarbrücken / Christof Kiefer

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w w w . q u a t t ro p o l e . o r g


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Grenzregion Saar-Lor-Lux Von Corinth bis Prix d’Art Robert Schuman Die QuattroPole-Städte haben an Kultur und Kunst einiges zu bieten. Bedeutendstes Museum in der Region ist das Centre Pompidou in Metz, eine Filiale des Pariser Stammhauses mit seiner herausragenden Sammlung. Schon die Architektur des Gebäudes ist eine Augenweide, leider aber wenig funktional, weil die Ausstellungssäle lang und schmal sind. Das Haus zeigt vor allem kunst- und kulturhistorische Ausstellungen zur Moderne, aber auch zeitgenössische Kunst.

Etwas versteckt befinden sich die Ausstellungsräume des Fonds régional d’art contemporain de Lorraine (kurz FRAC Lorraine) hinter der mittelalterlichen Kathedrale. Hier wird vor allem aktuelle Kunst gezeigt. Es ist ein kleines lebendiges Experimentierlabor, in dem sich alle Gattungen der bildenden Kunst austoben dürfen.

Charlotte Berend-Corinth, „Selbstportrait, Santa Barbara, Kalifornien“, 1941, Jüdisches Museum Berlin, Foto: Roman März, © Michael Hecker, 2021, Danville, USA Ausstellung „Charlotte Berend-Corinth – Wiederentdeckt“, bis 20. Februar 2022 im Saarlandmuseum – Moderne Galerie, Saarbrücken


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Liu Chuang, Lithium Lake and the Lonely Island of Polyphony, 2020

„Du und Ich, wir leben nicht auf demselben Planeten“ bis 4. April 2022, Centre Pompidou-Metz, konzipiert und produziert vom Taipei Fine Arts Museum für die 12. Taipei Biennial und vom Centre Pompidou-Metz adaptiert

Im Sommer verwandelt sich Metz zur Kulturmetropole der Region. Seit 2017 läuft von Juli bis September das Kunst- und Kulturfestival „Constellations“. Es lädt ein zum Entdecken von Street-Art, Kunst im öffentlichen Raum sowie Licht- und Klangkunst. Höhepunkt ist die allabendliche Lichtshow auf der Fassade der Kathedrale, aber auch die Stadtrundgänge zu den Orten der Kunst sind spannend, weil sie lokale Sehenswürdigkeiten mit Kunstgenuss verbinden.

I n der g leich na m igen H aupt st adt des Her zog t u ms ­Lu­xemburg ist das Mudam das wichtigste Museum für zeit­ genössische Kunst. Auf dem Kirchberg errichtete die Stadt zwischen 1999 und 2006 einen modernen Bau aus Stein und Glas in kühler Architektur. Es ist das schönste Museum der Großregion und eines der spannendsten, schon weil mehrere große Ausstellungen zeitgleich laufen und so immer viel zu sehen ist.

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© Courtesy of the Artist and Taipei Fine Arts Museum


Célia Charvet, Kuratorin, Autorin und Dozentin an der École Supérieure d‘Art de Lorraine in Metz und Kunstpreis-Kuratorin der Stadt Metz, Foto: Thierry Géhin

Inmitten des idyllischen Stadtparks im Zentrum der Stadt liegt die repräsentative klassizistische „Villa Vauban“ mit ­einem modernen Anbau. Hier ist das Stadtmuseum Luxemburg untergebracht, das hier nicht nur seine herausragende Kunstsammlung zeigt, sondern auch vielfältige kunst- und kulturhistorische Ausstellungen. Ein echter Geheimtipp ist das Casino Luxembourg in der Innenstadt. Das 1882 errichtete Gebäude war einst sozialer und kultureller Treffpunkt der Schönen und Reichen der Stadt. Im Jahr 1995 wurde es zum Forum für aktuelle Kunst. Seinen Charme hat das Haus bewahrt, der Kontrast zwischen luxuriöser Architektur und Kunst ist wunderbar. Auf der anderen Seite der Mosel liegt Trier. Die Stadt besitzt mit dem Rheinischen Landesmuseum Trier eines der bedeutendsten archäologischen Museen Deutschlands. Wer sich für zeitgenössische Kunst interessiert, sollte unbedingt einen Abstecher zum Kunstverein „Junge Kunst“ machen. Das Haus zeigt vor allem aktuelle Kunst aus der Großregion. Ein weiterer Anziehungspunkt für Kunstinteressierte ist die Kunsthalle der Europäischen Kunstakademie in Trier in den Räumen eines ehemaligen Schlachthofes.

Katharina Ritter, Künstlerische Leiterin der Stadtgalerie Saarbrücken und Kunstpreis-Kuratorin der Stadt Saarbrücken, Foto: Anna-Maria Ritter

Auch Saarbrücken bietet eine facettenreiche Museums­ landschaft. Größtes Pfand der Landeshauptstadt ist die Moderne Galerie des Saarlandmuseums. Hier wird Kunst von der M ­ oderne bis in die aktuelle Zeit gezeigt. Gerade hat eine ­herausragende Ausstellung zu Lovis Corinth begonnen. ­Museumsleiterin Andrea Jahn hat das Haus im vorherigen Jahr übernommen. Jahns Programm ist spannend, durchdacht und weiblich. Künstlerinnen möchte sie stärker in den Vordergrund rücken und tut das sehr klug. Bei Lovis Corinth widmet sie dessen Ehefrau Charlotte Berend-Corinth einen eigenen Ausstellungsbereich und hebt die einst vor allem als Muse und Modell bekannte Gattin als herausragende Künst­ lerin ins Bewusstsein der Öffentlichkeit (bis 20. Februar 2022). Eine echte Wiederentdeckung! Am St. Johanner Markt, der guten Stube der Stadt, ist in einem kleinen Palais die Stadtgalerie untergebracht, die Jahn bis 2020 leitete. Seit April hat Katharina Ritter hier das Sagen. Jahn hatte das lange vernachlässigte Haus zu einer Topadresse für zeitgenössische Kunst gewandelt. Ritter setzt den eingeschlagenen Weg fort und möchte doch einiges anders machen. Sie zeigt neben arrivierten Positionen auch Künstlerinnen und Künstler der Region, möchte die Vermittlung ausbauen und setzt stärker auf Kooperationen, um die Kunst in der Stadt zu verankern und darüber auch Veränderungen in ihr und ­ihrer Gesellschaft in Gang zu setzen. In diesem Herbst zeigt die Stadtgalerie die Ausstellung zum Kunstpreis Robert Schuman. Die Auszeichnung ging aus der kulturellen


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Kunstpreis-Kuratorin der Stadt Luxemburg, Foto: privat

Koopera­t ion der QuattroPole-Städte hervor. Vier Kuratoren wählen je vier Kunstschaffende für ihre Stadt aus. Schon seit 1991 bietet der mit 10.000 Euro dotierte Kunstpreis der zeit­genössischen Kunst in der Großregion ein Podium. Ziel des Preises ist es, ­einen ­intensiven Dialog zwischen den un­ terschiedlichen V ­ ertretern der aktuellen Kunst aus den beteiligten Städten a­ nzuregen, das künstlerische Schaffen in der Großregion zu doku­mentieren und zu fördern, um auf diese Weise einen ­Beitrag zur Integration Europas zu leisten. Mit diesem grenzüber­schreitenden Ansatz folgt der Kunstpreis den ehrgeizigen Zielen seines Namensgebers, dem Politiker R ­ obert Schuman (1886−1963), der als einer der Gründerväter Europas gilt. Als französischer Außenminister und erster Präsident des Europäischen Parlaments setzte er sich intensiv für die Förderung des interkulturellen Dialogs auf internationaler Ebene ein. Eine achtköpfige Fachjury, bestehend aus je zwei ­A kteuren der Kunst und Kultur der jeweiligen Städte, kürt die Gewinnerin oder den Gewinner am Abend der Eröffnung. Die diesjährige 15. Ausgabe des Kunstpreises wird aus­gerichtet unter der L ­ eitung von Katharina Ritter und der Projektkoordinatorin Kamila Kolesniczenko. Sie gestalten das Projekt gemeinsam mit Julie Reuter, Kuratorin für die Stadt Luxemburg, Célia Charvet, Kuratorin für die Stadt Metz, s­ owie Simon Santschi für die Stadt Trier. Neben der Stadt­g alerie ist auch das Saar­l ändische Künstlerhaus in der K arlst raße Ausstellungsort f ür die Nominierten des ­S chuman-Preises. Das Haus hat sich in den letzten Jahrzehnten ebenfalls zu ­e iner der ersten Kunstadressen der Stadt entwickelt.

BÜLENT GÜNDÜZ

www. k ult urbesit z . de www. stadtgaler ie. saarbr uecken. de

Simon Santschi, Leiter der Europäischen Kunstakademie e.V und Kunstpreis-Kurator der Stadt Trier, Foto: privat

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Julie Reuter, stellvertretende Konservatorin für die zwei Museen der Stadt Luxemburg und

Auffällig ist die Bandbreite der gezeigten Arbeiten: M ­ alerei, Installation, Fotografie und bildhauerische Werke sind zu sehen. Zu den Favoriten dürfte Julien Hübsch aus L ­ uxemburg gehören, dessen skulpturale Gebilde aus Alltagsmaterialien faszinieren. Ähnlich herausragend sind die reduzierten Skulpturen von Ivda Montanavelli und die Installationen zu den Themen Zeit und Erinnerung von Célia Muller aus Metz. Bei den Künstlern aus Trier begeistert das Duo Dyffort & Driesch mit seinen Klanginstallationen. Aus Saarbrücken dürfte die deutsch-ghanaische Fotografin und Künstlerin Akosua Viktoria Adu-Sanyah zum Favoritenkreis gehören. Ihre Arbeiten oszillieren zwischen Fotografie, Video­k unst und Bildhauerei. Der Jahrgang verspricht viel und beweist, wie divers und lebendig die Kunstszene der Groß­region tatsächlich ist, aber auch, wie wichtig Austausch und Impulse der Kultur in der und für die Region sind.


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Kunst für eine bessere Welt Kulturort Wintringer Kapelle Der Regionalverband Saarbrücken versucht, mit Kunstund Kulturprojekten gesellschaftliche Veränderungen voranzutreiben. Bülent Gündüz sprach mit dem Kultur­ referenten des Regionalverbandes Peter Michael Lupp über die Möglichkeiten, mit Kunst Impulse für einen sozialen und ökologischen Wandel in der Region zu setzen.

Peter Michael Lupp, Foto: Elke Birkelbach

ARTMAPP: Der Regionalverband Saarbrücken initiiert im nahen Biosphärenreservat Bliesgau Kunstprojekte. Warum dort und nicht in Saarbrücken? Peter Michael Lupp: Unser Zuständigkeitsbereich widmet sich insbesondere dem Umland der Landeshauptstadt ­S aarbrücken, und dazu gehört auch ein Teil des UNESCO-­ Biosphärenreservats Bliesgau. Vor diesem Hintergrund haben wir 2019 mit den Preisträgerinnen und Preisträgern unseres Kunstpreises für engagierte Kunst ein prozessorientiertes Kunstprojekt zur Zukunft der Erde ins Leben gerufen. Die Schauplätze des Projekts sind die katholische Kirche ­M aria Heimsuchung in Auersmacher und die Kapelle des Wintringer Hofs, die bereits seit Jahren als Kulturort und Kunststation ein neues Denken fördern soll. Ziel ist es, ­m ittels Sprache und Kunst zu einer Annäherung an ein ­ökologisch und ethisch tragfähiges Verhältnis zwischen Menschen und Natur zu i­ nspirieren. Bewusst erschließen wir so auch den ländlichen Bereich.


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linke Seite: Martin Steinert, „[Ver]Wandlung – Weltenkreis Erde am KulturOrt Wintringer Kapelle“

ARTMAPP: Welche Kunstschaffende sind daran beteiligt?

ARTMAPP: Wird das Projekt von der Bevölkerung in der Region angenommen? PML: Ja, mit zunehmender Tendenz. Das prozesshafte Ar­ beiten bietet viele Möglichkeiten der Partizipation und integriert Menschen und Institutionen, die mit Gegenwartskunst im Alltag normalerweise kaum in Berührung kommen. Gerade in ländlichen Räumen lassen sich neue Zielgruppen erschließen.

Martin Steinert und François Schwamborn, Katholische Kirche, Auersmacher

ARTMAPP: Sie sprechen von Wandel in der ­Region. Wie kann Kunst das schaffen? PML: Schon seit mehreren Jahren erforschen wir, inwieweit sich ökologisches Denken und Handeln durch flankierende künstlerische Prozessarbeit intensivieren lässt. Unser Ziel ist es, über die Sprache der Kunst neue Wege und Formen der Verständigung und Vernetzung auszuloten, um Menschen für ein selbstbewusstes Denken und beherztes Handeln im anstehenden sozialen und ökologischen Wandel zu gewinnen. Veranstaltungen und Bildungsangebote unserer Volkshochschulen begleiten die Projekte. Die Kunst und der zugehörige Prozess erweitern so auf kreative Art und Weise den menschlichen Gestaltungsraum. w w w . k u l t u ro r t- w i n t r i n g e r- k a p e l l e . d e

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — Q U A T T R O P O L E

PML: In den Jahresprojekten mit dem Titel „per annum“ wirkten bereits viele Künstlerinnen und Künstler mit. Das aktuelle Kunstprojekt begann 2020 im Rahmen der Passionsspiele Auersmacher, die von der Amateurschauspielgruppe „junge bühne auersmacher“ gegenwartsbezogen initiiert werden. Der Bildhauer Martin Steinert formte dabei scheinbar schwebend über dem Altar der katholischen Kirche in Auersmacher eine überdimensionale Dornenkrone aus kurzen Holzlatten, die der Lichtkünstler François Schwamborn mit einer Licht­ installation bereicherte. Die Gemeinschaftsarbeit steht sinnbildlich für das Bild der Menschheit, die sich als Krone der Schöpfung sieht und den Planeten zunehmend mit Dornen „übersät“. Unter dem Titel „[Ver]Wandlung – Weltenkreis Erde am KulturOrt Wintringer Kapelle“ hat Steinert vor der Wintringer Kapelle eine hölzerne Plastik in Form einer sechs Meter hohen Kugel errichtet. Damit ­reagiert er auf sein erstes Werk in Auersmacher und artikuliert über die Sprache der Kunst den Prozess eines sozialen und ökologischen Wandels der Menschheit zugunsten einer ­besseren Welt. Um das welt­ umspannende Netzwerk der U ­ NESCO-Biosphärenreservate als „Ideenlabore“ dafür zu symbolisieren, wurden grün eingefärbte Holzsegmente in die Plastik eingefügt. Jedes Segment steht für eines der 714 ­Biosphärenreservate der Erde.


Europäische Kunstakademie & Kunsthalle Trier Seit 1977 befasst sich die Europäische Kunstakademie (EKA) in Trier mit nahezu allen Bereichen der bildenden Kunst. In 18 Ateliers und Werkstätten wird ein breit gefächertes Kursprogramm für Anfänger, Fortgeschrittene und Künstler angeboten. Im Westen Triers hat die EKA ihren Sitz in einem umgebauten Schlachthof direkt an der Mosel. Die Akademie ist in einem weitläufigen Gebäudekomplex von über 3000 qm Nutzfläche untergebracht, zu dem auch eine Spielstätte des Theater Trier und das Restaurant Herrlich Ehrlich gehören. Ein verstecktes Kleinod ist die angeschlossene Kunsthalle. Gezeigt wurden insbesondere Ausstellungen von Lehrkräften und Studierenden, außerdem wurde die Halle als Veran­ staltungsort genutzt. Das Programm lockte aber nur wenige überregionale Besucher an. Das soll sich nun ändern. Seit Februar 2020 ist der Schweizer Simon Santschi (44) Leiter der Akademie und der Kunsthalle, deren Träger ein Verein ist. Er will das Ausstellungshaus neu positionieren und dessen Bekanntheit steigern. Santschi studierte in Zürich und Amsterdam Design und Bildhauerei. Seine

beruf liche Karriere begann er als Dozent und war Leiter der Weiterbildung in den Fachbereichen Kunst und Design der Hochschule Luzern, wechselte dann als Rektor an die berufsbildende Schule für Gestaltung Aargau und arbeitete als Projektleiter an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Santschis Einstieg in Trier war nicht einfach. Kurz nach seinem Amtsantritt brach die Covid-19-Pandemie aus. Die Akademie musste schließen und die Kursbeiträge der ­Teilnehmer blieben entsprechend aus. Förder- und Hilfs­ programme konnten das Schlimmste verhindern, die eingesparten Honorare für die freiberuf lichen Lehrkräfte senkten die Ausgaben. Inzwischen ist das Lehrprogramm an einer der größten nichtuniversitären Kunstakademie Deutschlands wieder angelaufen. Hier kann man vielfäl­ tige Kurse in Malerei, Zeichnen, Druckgrafik, Fotografie und Bildhauerei besuchen. Seit 2010 ist auch ein sechs­ semest r iges, ber ufsbegleitendes Kunst st udium mit Diplomabschluss möglich.


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linke Seite: Ausstellungsansicht mit Werken von Jaakov Blumas, 2021 © EKA / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Atelier der Kunstakademie, 2021

In der Kunsthalle sind rund acht Ausstellungen pro Jahr zu ­sehen. Im Dezember zeigt das Haus im Rahmen der bundesweiten Veranstaltungsreihe „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ junge israelische Künstlerinnen und Künstler aus Berlin. Es folgt eine Ausstellung zum Thema „Hafen“, die sich mit internationalen Gastkünstler den ­T hemen Häfen, Handelswege und Globalisierung auseinandersetzen wird. Im Juni 2022 wird im Rahmen des Kultursommers eine Gruppenausstellung kroatischer Künstlerinnen und Künstler präsentiert. Außerdem wird sich die Kunsthalle im Begleitprogramm der rheinland-pfälzischen Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ mit zeitgenössischen ­Positionen aus dem Mittelmeerraum beteiligen.

Schon das Programm dieses Jahres zeigt, wohin Santschi will. Der Kurator der Kunsthalle bremst aber zu große Erwartungen: „ Aufgrund der finanziellen Situation sind große Sprünge nicht möglich. Ich möchte das Programm der Kunsthalle in den nächsten Jahren behutsam weiterentwickeln. Es soll überregionaler und internationaler werden.“ Das Potenzial hat die Kunsthalle trotz des schmalen Budgets, denn die Region Trier hat nur wenige und kleinräumige Orte für zeitgenössische Kunst. Die Kunsthalle kann hier neue Akzente setzen, weil schon die Räumlichkeiten und die internationalen Kontakte der Europäischen Kunstakademie große Möglichkeiten bieten. BÜLENT GÜNDÜZ

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© EKA


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Neustart Kunst in Luxemburg ESCH.2022 In Luxemburg t ut sich et was: W ährend in Esch-sur-­ Alzette, der Europäischen Kulturhauptstadt 2022, schon einmal die neue Kunsthalle mit einer großen Schau von Gregor Schneider eingeweiht wird, gibt das Musée d’Art Moderne in Luxemburg (MUDAM) bekannt, dass seine ­D irektorin Suzanne Cotter das Haus nach nicht einmal vier Jahren wieder verlässt – oder vielmehr: es für den Rest ihrer Amtszeit zumeist in Abwesenheit führt. Bei der Eröffnung der aktuellen Ausstellung des M ­ UDAM „Post-Capital: Kunst und Ökonomie im digitalen Zeitalter“ Anfang Oktober war Cotter, in deren internatio­nales Renommee man in Luxemburg große Erwartungen gesetzt hatte, schon nicht mehr zugegen. Ein klassischer Fall von Provinzflucht? Ein Besuch in dem Land zeigt: Der Wind des Wandels macht auch vor dem bisher so beschaulichen Kulturbetrieb des Großherzogtums nicht Halt. Von Luxemburg sind es mit dem Zug nach Esch, der zweitgrößten Stadt des Landes, nur 20 Minuten. Die Fahrt ist kostenlos wie der gesamte öffentliche Nahverkehr. Beim ­Spaziergang durch die Escher Altstadt mit der Rue de ­l ’Alzette und ihren wie ein schönes Gebiss gepf legten, in Reih und Glied aufgestellten Gründerzeithäusern flimmern Angebote über die Bildschirme von Immobilienbüros, das durchschnittliche Einfamilienhäuser zu Preisen um die

1,6 Millionen Euro. „Das kann sich hier kein Mensch mehr leisten“, sagt Christian Mosar, Gründungsdirektor der soeben eröffneten Kunsthalle, der zuvor auch schon das Programm für Esch als Europäische Kulturhauptstadt 2022 geleitet hat. Wir sitzen in Mosars offenem Büro in der Kunsthalle, es ist ein Kommen und Gehen in diesen Tagen. Viele Besucher aus den Nachbarländern sind da, um zu sehen, was sich hier tut. Das Gebäude, in das die Kunsthalle eingezogen ist, war vorher ein Möbelkauf haus, fensterloser 1970er-Jahre-­ Brutalismus. Als das Geschäft aufgeben musste, sei es sofort von der Stadt gekauft worden, erzählt Mosar. „Das machen sie seit Jahren so, weil es den Entwicklungsplan gibt. Und der Entwicklungsplan für diese Region von Luxemburg, nur ­einen Fußmarsch von der französischen Grenze entfernt, sieht einen Anteil von Kulturausgaben am Gesamtetat von sage und schreibe knapp 30 Prozent vor (der von Luxemburg insgesamt liegt bei einem Prozent).“ Das kommende Kulturhauptstadtjahr hat darauf natürlich Einfluss, aber nicht nur, wie Mosar betont. Esch steckt nämlich auch so mitten in einer zweiten Welle der K ­ onversion, des grundlegenden Wandels des öffentlichen ­L ebens. Die erste Welle brach an, als in den 1970er-Jahren der ­Eisenerzabbau in der Region endete, der das 38.000-Einwohner-Städtchen über ein Jahrhundert lang geprägt und die Basis für den heutigen Wohlstand des ganzen

Konschthal Esch, Außenansicht, Foto: Emile Hengen, © Konschthal Esch


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viertgrößten Stadt des Landes, zusammenwachsen zu einer neuen Minimetropole, deren Einwohnerzahl diejenige der Hauptstadt Luxemburg übertreffen wird, wo der Wohnraum heute schon noch unerschwinglicher ist als hier. In gewisser Weise nimmt die neue Kunsthalle diese Entwicklung vorweg. Hinsichtlich ihrer schieren Ausstellungsfläche, technischen Ausstattung und ihres Etats ist sie eine Institution, die jeder Großstadt in Deutschland zur Ehre gereichen würde. Sie ist das kulturelle Flagship, das Aushängeschild für die zweite Konversion von Esch in die künftige Luxemburger Minimetropole: „Für Gentrifizierung ist es zu spät“, sagt Christian Mosar, „wir laufen der Entwicklung ein bisschen hinterher. Alle wollen hierher.“ Das extreme Wachstum droht die Orte der Umgebung auszuhöhlen. Weil es keinen Wohnraum mehr gibt, sind jenseits der französischen Grenze reine Pendlersiedlungen entstanden, Dörfer ohne ­B äcker, Supermarkt, Apotheke und Café. Zwar gelobt der ­Galerist Alex Reding, Chef der „Luxembourg Art Week“, in Luxemburg hielten alle Kunstinstitutionen ­zusammen, und

Daniel Reuter, „Providencia“, 2021, Installationsansicht, Konschthal Esch, 2021, © CNA / Romain Girtgen

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Großherzogtums gelegt hat. Damals taten sich Regierung, Gewerkschaften und ArcelorMittal, der seinerzeit weltgrößte Stahlkonzern zusammen, um die drohende Massenarbeits­ losigkeit abzufedern. Bis heute wird die Situation von Esch gern mit dem Ruhrgebiet verglichen, allerdings ist man hier etwas schneller gewesen. Die gewaltigen Hochöfen der Stahlkocher von Belval im Südwesten der Stadt stehen heute blankpoliert und restauriert als technische Denkmale im Zentrum einer neu errichteten „Science City“, in der es auch eine Konzerthalle, Kino, Restaurants, Kindergärten, eine große Bibliothek und einen futuristischen Bahnhof gibt. Auf anderen Industriebrachen, die unten am Gare Central horizontweit in die Landschaft schneiden und wo noch die ehemaligen Firmenzentralen und Villen der einstigen Werksdirektoren stehen, laufen die Planungen für ein völlig neues Kapitel in der Stadtgeschichte. Denn Esch soll in den nächsten Jahren auf rund 50.000 Einwohner anwachsen, um ein Drittel der bisherigen Bevölkerungszahl, und in der Konsequenz eines Tages mit seinem Nachbarort Schiff lange, immerhin der


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Belval 2, Foto: Emile Hengen

es gebe keine Konkurrenz. Die neue „Konschthall“, wie man sie demonstrativ auf Letzeburgisch getauft hat, sei nur eine Ergänzung und biete endlich den ­jungen Künstlerinnen und Künstlern aus Luxemburg, die stets zum Studieren ins Ausland gehen und dort oft bleiben, eine Plattform, sagt Reding. Aber das ist nur die halbe W ­ ahrheit, wie schon der allererste Augenschein beim Eröffnungswochenende zeigt. Mit Daniel Reuter und Lisa Kohl werden zwar tatsächlich zwei hochveranlagte Landeskinder in der „Konschthall“ vorgestellt, deren fotografisch-installative Arbeiten andernorts in Luxemburg, Deutschland oder Belgien kaum so schnell einen so großen Ausstellungsort fänden. Doch im Vergleich mit dem Main Act der Eröffnung, der mehrteiligen Großinstallation „Ego Tunnel“ von Gregor Schneider, bleiben sie nur Zaungäste. Das aufwendige Environment des Deutschen aus Rheydt erstreckt sich als eine Art Potpourri seiner bisherigen Arbeiten über alle Etagen des ehemaligen Möbelkaufhauses. Das Publikum, das absichtsvoll nur über den Lastenaufzug in Schneiders wie immer psychodramatisch ausgestaltetes ­L abyrinth vorgelassen wird, bildet schon wegen der Pandemieschutzmaßnahmen beeindruckende Warteschlangen am Eingang. Danach hat keiner mehr einen Blick für aufstrebende junge Positionen.

Schneiders Welt der Wahrnehmungsverzerrung und ­ ko­nomisch eingesetzten Panikattacken verfehlt ihre Wirö kung selten. Mit abgedunkelten Räumen, in denen man über ­leb­lose Körperpuppen stolpert, mit aseptischen weißen ­Zellen, mit dem Nachbau zweier nahezu identischer Neubau­ wohnungen einschließlich tropfendem Wasserhahn und des Kellers in seinem Elternhaus mit stahlummantelter Kühlkammer, in die man sich lieber nicht allein begeben möchte, inszeniert Schneider einen Spuk, der geradezu kongenial zur Atmo­sphäre leerer Pendlerdörfer und aufgegebener Stahl­ wwerke passt. Nichts für schwache Nerven jedenfalls, wie sich zeigt, als ein älterer Besucher die Polizei rufen will, weil er glaubt, in der I­ nstallation heimlich gefilmt worden zu sein. Doch e­ igentlich möchte Christian Mosar nur unterstreichen, dass hier ein Haus mit internationalem Anspruch entsteht. ­Nächstes Jahr sollen Jeppe Hein und Deimantas Narkevič ius eine ähnlich große Bühne in der „Konschthall“ erhalten. Das sieht dann doch nach veritabler Konkurrenz für die bisherigen Platz­hirsche aus, für das Casino Luxembourg − Forum d’art contemporain und ebenso für das Musée d’Art Moderne (MUDAM) in Luxemburg, dem bislang unangefochtenen ­Repräsentationsbau für die Kunst im Großherzogtum. CARSTEN PROBST

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„Summer of ’69“. Werke von Berthe Lutgen und Misch Da Leiden seit den Jahren der Revolte 2 7. N o v e m b e r 2 0 2 1 b i s 2 1 . M a i 2 0 2 2 V i l l a Va u b a n – M u s é e d ’A r t d e l a V i l l e d e L u x e m b o u r g

Villa Vauban, Foto: boshua © Les 2 Musées de la Ville de Luxembourg

Die von Dr. Gabriele Grawe kuratierte Ausstellung widmet sich den Werken der 1935 in Esch-sur-Alzette geborenen ­Malerin und Frauenrechtlerin Berthe Lutgen und des 1948 in Luxemburg geborenen Malers und Serigrafisten Michel ­Daleiden, der unter dem Künstlernamen „Misch Da Leiden“ in Düsseldorf lebt und arbeitet. Daleiden trat Ende der 1960er-Jahre der Luxemburger ­„ Arbeitsgruppe Kunst“ bei, deren Mitbegründerin Lutgen war. Zusammen mit anderen Künstlern organisierten sie 1968/69 verschiedene spektakuläre Kunstaktionen und bildeten eine informelle Gruppe mit dem Namen „Initiative 69“, deren M ­ itglieder bis zum Anfang der 1970er-Jahre in Kontakt standen, um anschließend indi­ viduelle Wege zu gehen.

Happening „We call it ­A rden and live in it“, Salon CAL, 196, Foto: Tony Krier, © Photothèque de la Ville de Luxembourg


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Misch Da Leiden, „Autobahn Notturno“, 2009, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Parallel zeigt die Ausstellung anhand ausgewählter Werke von Berthe Lutgen und Misch Da Leiden, wie sich diese zwei wichtigen Akteure des „Summer ’69“ bis heute weiter­ entwickelt haben. Obwohl Lutgen und Da Leiden sowohl geografisch wie auch künstlerisch unterschiedliche Wege gingen, sind sie in mancherlei Hinsicht der subversiven Kraft der Jahre ab 1968 verbunden geblieben. BORIS FUGE

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Berthe Lutgen, „Das Leben verläuft nun mal in Kurven“, 1976

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Diese heute fast vergessenen Initiativen luxembur­g ischer Künstlerinnen und Künstler waren Teil einer globalen ­B e­w egung, die zur Ablösung der Abstraktion als „Welt­ sprache der Kunst“ beitrug. Verbindende Grundzüge dieser Be­wegung waren die Kreation unterschiedlichster Formen von abbildender oder objekthafter Kunst: Pop Art, Op Art, ­Concept Art, Neo-Dada, Nouveau Réalisme, Hard Edge, Land Art, Kinetik, Body Art oder Happening. Die 1960er-Jahre ­w aren von einem das künstlerische Ex­perimentieren stark ­begünstigenden Klima geprägt. Künstlerinnen und Künstler arbeiteten im Sinne einer von allen Fesseln befreiten und ­oftmals politischen Kunst. In Luxemburg suchte die junge Generation sich dabei vor allem von den Zwängen der „École de Paris“ als einziger reprä­sentativer Strömung der zeitgenössischen Kunst zu lösen. Künstlerische Aktionen der Protestbewegung in Luxemburg, die damals viel Aufsehen erregten, werden in der Ausstellung dokumentiert: Das Happening „We call it ­A rden and live in it“ anlässlich der Eröffnung des „Salon du Cercle artistique de Luxembourg“ 1968, das Projekt „Ligne brisée“ (eine monumentale Zickzacklinie im öffentlichen Raum der Hauptstadt) von 1969, angesiedelt zwischen Land Art und ­s ozialer Kunst, das offene Kunstwerk der „Salle ­électrique“ als Beitrag zur Ausstellung des Europäischen Verbandes der Bildenden Künstler aus Eifel und Ardennen in Prüm 1969 ­sowie die „Erste nichtaffirmative cooperative Ausstellung ­a ktueller Kunst“ im Herbst 1969, bei der Berthe Lutgen ihre feministisch inspirierte Arbeit „Beine statisch, Beine in ­B ewegung, Beine live“ zeigte und die in einem ­w ilden H ­ appening unter den Titeln „Destruction I (hot)“ und „De­struction II (cool)“ endete.


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Frankfurt immer wieder neu Frankfurt erfindet sich immer wieder neu. Schon in den 1920er-Jahren, als Ernst Mays Stadtplanungsprogramm des „Neuen Frankfurt“ ästhetische und gesellschaftliche Maß­ stäbe setzte. Heute gilt Frankfurt als eine der wichtigsten Kunststädte Europas. Und auch in jüngster Zeit zeigt die Stadt, was in ihr steckt. Sensationelle Hochhausarchitektur trifft auf eine umwerfende Museumslandschaft. Die Neu­eröffnungen des Historischen Museums, des Jüdischen Museums und des Deutschen Romantik Museums erweitern das Spektrum noch einmal. Unglaublich: Mit der Frankfurter „Museums­ uferCard“ kann man 38 (!) Museen besuchen. Wir haben einige Museen besucht, feierten in der Schirn die große Paula Modersohn-Becker-Retrospektive und entspannten uns im Palmengarten, der einzigartigen botanischen Oase mitten in der City. Was ist das Besondere an Frankfurt? Der Architekturkritiker Wilhelm Opatz meint, es sei der „Wille zur Veränderung“, der die Stadt so besonders macht. Kommen Sie mit uns auf einen Streifzug durch das immer wieder neue Frankfurt am Main!

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Detail der Fassade, Historisches Museum, Frankfurt, Architekten: LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart, Foto: Roland Halbe

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MARC PESCHKE


156 W i l hel m O p at z ü b e r d ie A r c h it ek t u r i n F r a n k f u r t a m M a i n

„Das neue Kunstquartier ist großartig“ INTERVIEW VON M ARC PESCHKE

ARTMAPP: Lieber Herr Opatz, Sie leben in einer Stadt, die zwar als cool, international und kunst­ affin gilt, aber gleichzeitig auch von ihren Bewohnern seit jeher kritisch beäugt wird und etwa Marcel Reich-Ranicki im Jahr 1975 fragen ließ: „Kann man sich hier überhaupt wohlfühlen?“ Wilhelm Opatz: Wir leben am nördlichen Stadtrand, sehr ­r uhig, fast dörf lich, aber doch in einer – zuweilen wird von der kleinsten gesprochen – Metropole, in der ich, nach einer viertelstün­d igen Radfahrt alle Vorteile des Globalen genießen kann: hervorragende Kultur, gute Buchhandlungen, interessante Leute, exotische Küche, vielfältige Freizeiteinrichtungen … ARTMAPP: Architektur in Frankfurt. Mit Ihren Büchern gehen Sie der Sache auf den Grund. Was macht die jüngere Architekturgeschichte der Stadt interessant und speziell?

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Wilhelm E. Opatz, Foto: Julius W. Opatz

Bücher über Architektur erscheinen in großer Zahl, doch ­selten hat man eine so hochwertig gestaltete und inhaltlich vielschichtige Reihe gesehen, wie jene Bücher, die der 1962 geborene Frankfurter Grafik­d esigner, Innen­a rchitekt und Architekturkritiker Wilhelm Opatz b ­ egründet hat. Seine gemeinsam mit dem „Deutschen Werkbund” beziehungsweise den „Freunden Frankfurts“ herausgebrachte Serie über die Frankfurter ­A rchitektur der 1950er-, 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre stellen die jüngere Bau- und gleichzeitig auch Kultur­geschichte der Stadt am Main in Bildern, Essays und Interviews vor. Bei der Auswahl der Gebäude bleibt immer Platz für Überraschungen, für Abseitiges. Marc Peschke sprach mit Wilhelm Opatz über seine Bücher, das Leben, Museen, Kunst und Kultur – und die ­A rchitektur in Frankfurt.

WO: Es ist der Wille zur Veränderung. Nicht nur die Silhou­ette ändert sich. Auch im Schatten der Hochhäuser fallen Altbauten. Nein, nicht die der heiligen Gründerzeit. Es sind Häuser der Stadtreparatur der Nachkriegszeit, die den Neubauten weichen müssen. Das Denkmalamt muss hier aufpassen und sehr schnell reagieren. ARTMAPP: Auch in Frankfurt gibt es einen Trend zur Historisierung. Die neue Frankfurter Altstadt: Was empfinden Sie, wenn Sie da durchlaufen? WO: Ich kann nicht verleugnen, dass mich das Treiben in den neuen, alten, verwinkelten Gassen durchaus positiv stimmt – aber wann sehe ich das schon? Die Altstadt wurde nicht in erster Linie für Frankfurter gebaut. Einige Mutige wohnen dennoch dort. Touristen erfreuen sich vor allem daran.

rechte Seite: Museum für Moderne Kunst, Foto: Georg Dörr



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Trauerhalle von Max Bächer auf dem Parkfriedhof Heiligenstock, Foto: Georg Dörr


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WO: Oh ja, die Skyline wird aktuell mächtig verdichtet. Mit Abstand das interessanteste Projekt in dem Zusammenhang dürfte „FOUR“ sein: Auf dem ehemaligen Deutsche Bank Gelände, mitten in der Stadt, entstehen vier Hochhäuser, die mit einer Sockelzone verbunden sein werden, alles nach ­Plänen des niederländischen Architekturbüros UNStudio von Caroline Bos und Ben van Berkel. Dieser, typisch Frankfurt, hatte in seiner Zeit als Leiter der Architekturklasse der Städelschule kein Projekt in der Stadt realisiert … ARTMAPP: Haben Sie so etwas wie einen ­L ieblingsbau in Frankfurt? WO: Natürlich, aber wundern Sie sich nicht: Es ist die Trauerhalle von Max Bächer (1925 – 2011), hier im Norden der Stadt gelegen. Wenn ich mit Besuchern etwas Längeres besprechen muss, führe ich sie dorthin spazieren. Der Bau ist angemessen, aber alles andere als voller Trauer. Und der angrenzende Friedhof ist eine Parkanlage, mit dem Blick auf den Taunus auf der einen und die Hochhäuser auf der anderen Seite. ARTMAPP: In Ihren Büchern geht es auch um Architektur, die es nicht mehr gibt. Was ist für Sie das schönste Gebäude in Frankfurt, das nicht mehr steht? WO: Ich bin ein optimistischer Zeitgenosse, zukunftsgerichtet. Den schmerzenden Rückblick auf ein geliebtes Gebäude das es nicht mehr gibt, vermeide ich. Das würde nur Ärger und schlechte Laune verursachen. Aber ein Abriss muss dennoch nicht gleicht Trauer bedeuten: Der skurrile Henninger Turm von 1961, 2012 ist er gefallen, wurde durch einen Doppelgänger von Meixner Schlüter Wendt Architekten würdevoll ersetzt. Nicht mehr ganz so asketisch: Man erblickt darin den Wohlstand der Stadt. ARTMAPP: Wann wird der nächste Band der ­ Reihe erscheinen? WO: Wir sind mitten drin. Dreiviertel der Bauten sind bereits fotografiert – inklusive der Trauerhalle! Die Autoren sind mit den Texten beschäftigt, alles läuft nach Plan. Jetzt steht die Finanzierung an. Ein großes Thema, aber wie ich es bereits sagte, ich bin ein optimistischer Mensch. Deshalb planen wir die Buchvorstellung für den Herbst 2022!

ARTMAPP: Lassen Sie uns über die Museen in Frankfurt sprechen. Die Entwicklungen sind ja erstaunlich! Neben dem klassischen Museumsufer haben wir seit einigen Jahren in der Altstadt eine Zentrierung von Kunst und Kultur. Wie nehmen Sie das als Einheimischer wahr? WO: Die immense – bis heute anhaltende – Strahlkraft des Museumsufers schrie förmlich nach einer Fortsetzung. ­S einerzeit gab es in der Innenstadt nur die Kunsthalle SCHIRN (1986), das Archäologische Museum (1988) und das MMK/Museum für Moderne Kunst (1991). Das erweiterte neue Kunstquartier ist großartig, es kommt meinen persön­ lichen, durch den Lauf der Jahre sich wandelnden Interessen, sehr entgegen. In der 2008 eröffneten Caricatura z.B. staune ich nun über die Musealisierung der Neuen Frankfurter Schule, kürzlich lachte ich dort sehr herzlich bei einer Lesung von Hans Traxler (*1929); dafür gab ich die Mitgliedschaft in der Tischgesellschaft des MMK auf und bin jetzt aktiver Freund des Deutschen Architekturmuseums/DAM geworden. Und unser Sohn schätzt die ausgelassene Stimmung auf der Fahrgasse während der Galeriefeste. ARTMAPP: Vor kurzem wiedereröffnet wurde das bereits 1988 gegründete Jüdische Museum ­F rankfurt zwischen Mainufer und Schauspielhaus. Nach fünf Jahren Bauzeit gibt es nun mit dem ­Neubau von Volker Staab und dem sanierten ­neoklassizistischen Rothschild-Palais mehr ­Ausstellungsfläche, aber auch ein Café und eine öffentlich zugängliche Bibliothek. Wie finden Sie den Entwurf des N ­ eubaus und wie gefällt Ihnen das Ensemble aus Alt und Neu? WO: Das Café kann ich wärmstens empfehlen und in der ­B ibliothek, in dieser wunderbar ruhigen, gelehrsamen ­A t­mosphäre, fühlt man sich einfach nur wohl. Ja, mit dem Neubau entstand städtebaulich ein gelungener Ort, der Platz davor lädt förmlich zu Festen ein. Der Pracht des Roth­s child’schen Palais stellte das Büro von Volker Staab einen kantigen, durch wenige horizontale Sprünge betonten ­N eubau gegenüber. Eigentlich eine sehr undankbare Aufgabe – wegen der Neoklassik besucht man/frau doch all die schönen alte Städte –, aber mit einer farblichen An­ gleichung beider Bauteile, wahrlich einer salomonischen Tat, kommen sowohl die Erneuerer als auch die Bewahrer auf ihre Kosten. Und noch ein schöner Kunstgriff ist den Architekten gelungen: die ­neuentstandene Hofsituation zwischen den Bauteilen wirkt sehr beruhigend, herrscht doch entlang beider Fassaden, ­s owohl der südlichen des Altbaus als auch der ­nördlichen des Neubaus, ein reger Autoverkehr.

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ARTMAPP: Frankfurt ist bekannt für sein ­Museumsufer, für die Architektur des Neuen Frankfurt, vor allem aber für die Hochhaus­ architektur – für seine Skyline. Sehen Sie da ­interessante neue Entwicklungen?


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Lichtbau des Jüdischen Museums, Foto: Norbert Miguletz


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Deutsches Romantik-Museum, Foto: FDH / Alexander Paul Englert

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ARTMAPP: Und noch ein neues Museum hat Frankfurt. Das Deutsche Romantik-Museum will die Romantik – multimedial – als Schlüsselepoche erfahrbar machen. Es ist das einzige Haus dieser Art – weltweit. Auch dieser im vergangenen Herbst eröffnete dreigliedrige Neubau von Christoph Mäckler neben dem benachbarten Goethe-Haus wurde sehr euphorisch aufgenommen. Teilen Sie die Begeisterung für das Museum und die Architektur? WO: Hm, das Romantik-Museum... dem Pflichtbesuch im Goethe-Haus vor Jahrzehnten, dazu noch mit einem Freund aus Kyoto, folgten keine weiteren, ich schätze, das genügt als ehrliche Antwort. Davon abgesehen, der Frankfurter Architekt Christoph Mäckler hat die Aufgabe sehr schlau gelöst: durch die unterschiedlichen – in Breite, Höhe, Fensteranordnung und Farbigkeit – Fassaden, wird die kurze Straße, Großer Hirschgraben, auf eine sehr wohltuende Art aufgelockert, bald wird man sagen, so hätte es schon immer ausgesehen; eine glatte Front (’schau, ich bin neu’) wäre hier wirklich fehl am Platz. Allerdings zählt die gelbliche Farbgebung, meiner Meinung nach, nicht zu den Stärken des Baus. Am Tage gesehen. Als Kontrast zu dem hinterleuchteten blauen Erker wird es bei Dämmerung – und später – sehr wohl funktionieren. Wie gesagt, schlau der Architekt.

ARTMAPP: Der Palmengarten mit seinen ­k ultu­rellen Veranstaltungen ist eine botanische Oase im Frankfurter Westend. Jetzt feiert er seinen 150. Geburtstag. Ist das ein Ort, den Sie schätzen und gerne besuchen? Brauchen Großstädte solche Räume? WO: JA, JA und noch mal JA. Neben den kulturellen Ver­ anstaltungen sind es die Ruhe und Weitläufigkeit in den Außenbereichen und die Vegetation der unterschiedlichsten Klimazonen in den Gewächshäusern die einen Besuch des Palmengartens so reizvoll machen. Das imposante ehrwür­ dige Glashaus aus dem 19. Jahrhundert beeindruckt nach wie vor, die beiden neuen sternförmigen, in den 1980er Jahren vom Konstanzer Architekten Hermann Blomeier geplant, ­f ügen sich wunderbar in die Landschaft ein, und dann steht dort auch noch ein Höhepunkt der Neuen Sachlichkeit: das von Martin Elsaesser erbaute Gesellschaftshaus (das 2012 von ­D avid Chipperfield Architects/Berlin sehr stilvoll saniert wurde). Was steht dem Kauf einer Jahreskarte noch im Wege?

WILHELM OPATZ: Nach einem Innenarchitektur-­ Studium an der Fachhochschule Wiesbaden arbeitete Wilhelm Opatz in renommierten Werbeagenturen (u. a. Meiré und Meiré, GGK, Ogilvy & Mather) und gründete 1997 gemeinsam mit seiner Ehefrau Natalie Opatz das ­Grafikdesign- und Text-Büro Opatz Kommunikation. In jüngster Zeit erlangte er Bekanntheit als Herausgeber und Mitautor von Werken über die Architektur Frankfurts. www. opat z . de



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nahe d e s Frank f ur t er B ahnhof s b ef ind e t sic h


Der Palmengarten in Frankfurt am Main: Publikumsmagnet seit 150 Jahren

Luftaufnahme Palmenhaus, Foto: skyline-frankfurt.com

Ein Stück Natur mitten in der Stadt. Ein Ort, der Rückzug und gleichzeitig Raum für Entdeckungen, Spiel, Kultur und ­W issen bietet – das ist der Palmengarten der Stadt Frankfurt am Main. Auf seinen 22 Hektar trifft Tradition auf Moderne, in seiner Pf lanzenvielfalt spiegeln sich die geografischen Zonen der Erde. Nahe dem 1869 eröffneten Palmenhaus thront das in den 1980er Jahren erbaute, bis heute architektonisch einzig­ artige Tropicarium. Dazwischen reihen sich Baumriesen und Beetanlagen. Besucher*innen spazieren, je nach Jahreszeit, vorbei an üppig blühenden Rosen, wogenden Gräsern, ­duftenden Gewürzsträuchern, bunten Wiesenblumen, in den Schauhäusern wachsen Palmen verschiedenster Art, ­K akao- und Mangobäume, Kaffeesträucher und Bananenstauden, meterhohe Euphorbien und sesselgroße Kugelkakteen. Allen Wissbegierigen bietet der Palmengarten spannende ­Bildungsangebote mit Aha-Effekt, allen Kulturbegeisterten ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm mit Konzerten, Ausstellungen und Festen.

Zu seinem diesjährigen 150-jährigen Geburtstag hat der ­P almengarten das neue Blüten- und Schmetterlingshaus ­eröffnet. Zwischen bunten Blüten lassen sich täglich kleine Wunder erleben: Wenn im Puppenkasten ein Schmetterling schlüpft, sich entfaltet und zu seinem ersten Flug ansetzt. Wenn man von tropischen Bananenfaltern, Weißen Baumnymphen, Himmels- und Atlasfaltern umschwirrt wird, wenn sich ein Falter federleicht auf Schulter, Arm oder Kopf niederlässt. Nur wenige Schritte weiter, die benachbarte ­Ausstellung „Ab­gestaubt – von Blüten und ihren Besuchern“ lädt dazu ein, die Vielfalt der Insekten zu entdecken. Die Schau liefert grund­legende Informationen zum Thema Bestäubung und verdeutlicht die faszinierende Vielfalt, die sich im Laufe von vielen Millionen Jahren durch mannigfaltige Wechselbeziehungen zwischen Blüten und ihren Bestäubern entwickeln konnte. Das Blüten- und Schmetterlingshaus ist damit das Herzstück des im Jubiläumsjahr ausgerufenen Leitthemas „Blüten- und Bestäuberökologie“: Die Schmetterlinge sind die Sympathieträger, mit denen der Garten die auf den enormen Nutzen von Insekten für Menschen und


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gleichzeitig die Gefahr, in der sich die Sechsbeiner befinden, aufmerksam machen will. Bis zum 12. Dezember flattern die Schmetter­linge im Palmengarten, danach macht das Haus bis Anfang Februar eine kurze Flatterpause. Ein weiterer Höhepunkt in seinem Geburtstagsjahr ist die große Jubiläumsausstellung „Frankfurts grünes Herz – 150 Jahre Palmengarten“, die vom 18. November 2021 bis zum 16. März 2022 in der Galerie am Palmenhaus zu sehen sein wird. Vielerlei Exponate, darunter eine Büste des Gartengründers Heinrich Siesmayer, ein Hochrad, eine Posaune und auch eine Sauciere führen durch die Geschichte des Gartens und berichten den Besucher*innen allerhand Überraschendes. So Palmengarten, Winterlichter, Foto: tom-wolf.com

Das Palmengarten-Jubiläumsjahr klingt aus mit den Winterlichtern – auch sie sind inzwischen eine schöne Tradition geworden. Vom 4. Dezember 2021 bis zum 9. Januar 2022 verwandeln diverse Lichtinstallationen den Garten mit Einbruch der Dunkelheit in ein leuchtendes, funkelndes Wunderland. www. palmengar ten. de

Palmenhaus, Foto: tom-wolf.com

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war der Palmengarten zur Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert der sportliche Hotspot der Stadt. (Hoch)Radrennen wurden dort ausgetragen, Rugby, Kricket und Tennis gespielt. Wettbewerbe in diversen Sportarten fanden statt und im Winter f lutete man die Tennisplätze, sodass man sich dort beim Eislauf vergnügen konnte. Reproduktionen historischer Pläne zeigen, wie der Palmengarten in mehreren Etappen wuchs und sich dann im Bestand immer wieder veränderte, Veranstaltungsplakate aus verschiedenen Jahrzehnten ­e rinnern an Feste, die im Palmengarten gefeiert wurden, an Stars, die dort auf der Bühne standen und auch an das Or­chester, das der Garten rund 100 Jahre lang betrieb. So wird die Jubiläums-Schau zur Zeitreise durch 150 Jahre ­P a lmeng a rtengeschichte, erzä hlt a nha nd von sechs ­Themenschwerpunkten: Gartenkunst, botanische und gärtnerische Sammlungen im Wandel der Zeit, Glanz und Gastlichkeit, Musik im Palmengarten, Sport und Spiele ­sowie Bildung und Engagement.


168 S k u lpt u r e np a rk E s c hb or n

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Reiner Seliger Was bringt einen Künstler dazu, aus einem Haufen Bauschutt bzw. Ziegelbruch, eine nicht begehbare Architektur ohne Fenster oder Türen zu errichten, völlig zweckfrei also, etwas schief in den Konturen – eine Art Trümmerromantik? Die ist seit kurzem in den Oberwiesen des Skulpturenparks Eschborn-Niederhöchstedt zu sehen, wo Reiner Seliger aus dem niedergerissenen Feuerwehrgebäude, dem Abraum ­eines Hauses aus den 1920ern sowie privat gestifteten Steinbruchmaterialien drei Türme errichtet hat. Er räumt selbst eine Besessenheit ein, die ihn treibt. Das mag jedoch allenfalls den Antrieb erklären, das Spiel mit der Form, die Spannung des möglichen Scheiterns, die Balance zwischen Auf bau und Abbruch. Reiner Seliger geht kontemplativ an seine Arbeiten heran, die einerseits eine Grandezza der Ewigkeit ausstrahlen und andrerseits immer den Hauch des Zeitlichen in sich tragen. Die sich auftürmenden Arbeiten ähneln Archiskulpturen im baulichen Kontext, die geradezu die natürliche Umgebung suchen. Reiner Seliger sagt selbst, er unterliege der »Lust am Architektonischen«. Dass hier also disparate Kräfte wirken, macht sein Werk so faszinierend. Der Bildhauer ist den Urgründen der Skulptur auf der Spur. Seine Arbeiten wecken Assoziationen an archaische Riten, kultische Arrangements – eine Ref lexion über die ­keltischen Siedlungen im nahe gelegenen Taunusgebirge darf erlaubt sein. Sie sind aber auch memoriale Zeichen: ­Zumal der Ziegel ist einer der ältesten vorgefertigten Baustoffe – die Ziegelhistorie Eschborns ist ein beredtes Zeugnis dafür. Nun antworten die Eschborner T ­ ürme auf die ­G eschichte des Ortes und auf die benachbarte Skyline von Frankfurt. Geht man vom Ziegel und von Eschborn weg, entdeckt man in Seligers Schaffen ein immenses Materialfeld. Es finden sich die Werkstoffe Backstein und Ziegel, aber auch natürliche Materialien wie Marmor, andere Natur­ steine wie Schiefer, immer wieder auch Kreiden. Dazu kommen gefertigte oder gemischte Stoffe wie Glas, Plexiglas, Styropor, Asphalt, Beton. Die Bandbreite ist nahezu unerschöpflich. GÜNTER BAUM ANN

w w w . r e i n e r s e l i g e r. d e

Reiner Seliger, „RETURN“, 2021, 500 x 550 x 350 cm, Skulpturenpark Oberwiesen, Eschborn-Niederhöchstadt




HERMANN

NITSCH

MYTHOS PASSION. MIT WERKEN AUS DER SAMMLUNG JAEGERS

20.11.2021 – 27.02.2022

Ernst Ludwig Kirchner: Fehmarndüne mit Badenden unter Japanschirmen, Öl auf Leinwand, 1913, © Kirchner Museum Davos

Kirchners BADENDE

www.museen-aschaffenburg.de Pfaffengasse 26, D-63739 Aschaffenburg

Einheit von Mensch und Natur Kirchner HAUS

MUSEUM

63739 Aschaffenburg, Ludwigstrasse 19 am HBF / gegenüber dem Busbahnhof Di. - Fr. 14.00 - 17.00 Uhr Sa. - So. 11.00 - 17.00 Uhr 24./ 25./ 31.12.2021 geschlossen Tel.: 0 60 21 – 58 09 250 ail: info@kirchnerhaus.de Mail:

www.kirchnerhaus.de ww.kirchnerhaus.de Kirchner HAUS M U S E U M

ASCHAFFENBURG

116.10.2021 6.10.2021 - 16.01.2022 FÖRDERER:

RNK - Stiftung

UNTERFRÄNKISCHE KULTURSTIFTUNG


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Pavel Odvody: Seismogramme Galerie Netuschil „Seismographien” war der Titel einer Ausstellung, die Pavel Odvody im Sommer des Jahren 2015 in der Kunsthalle Darmstadt zeigte. Ein Seismograf ist ein Instrument, das ­Erschütterungen zu messen versteht, das Erdbeben registrieren kann. Aber welche Messungen führen die Fotografien des Darmstädter Fotografen Pavel Odvody aus? Nur eine Frage von vielen, die sich beim Blättern in dem neuen Katalogbuch des Fotokünstler stellt. Der deutsch-­ tschechische Fotograf pflegt seit vielen Jahren schon einen ziemlich klassischen Umgang mit dem Licht. Was einst Avantgarde war, ist heute zur Klassik mutiert, denken wir uns beim Betrachten der Bilder. Die Fotoexperimente sind viel­ fältig, doch sie alle eint eine Idee: Sie führen uns in eine andere Welt jenseits des üblich Sichtbaren. Es gibt eine lange Tradition tschechischer Avantgardefotografie – denken wir etwa an Josef Sudek, Karel Teige oder Jaromír Funke. Odvody, 1953 in Domažlice geboren, ist ein später Avantgardist, ein später Surrealist, der mit seinen Schwarz-Weiß-Fotografien eine phantastische Welt schafft: Stillleben aus Stein, Glas oder Holz, Landschaften, Akte oder auch Porträts von Frauen fertigt er an, die ihre Augen geschlossen halten. Mehrfachbelichtungen, Lichtsilhouetten, tanzende Figuren, Fotogramme, Negativabbildungen, Menschen in Bewegung, Bewegungsunschärfe, Abstraktion durch Bewegung, Arbeiten mit Lichtwellen, die den Körper elektrisierend umschwingen. Wie ungewöhnlich sind diese Bilder heute: Diese Schwarzweißfotografie hat sich vollkommen vom gängigen Zeitgeist verabschiedet. Diese Kunst, Arbeiten etwa wie „Wir sprachen über Leonardo“ aus dem Jahr 2002, ist vollkommen frei ist von poli­t ischen Implikationen. Stattdessen geht es in ­d iesen ­Bildern vor allem um die Lust, den Bewegungen und

Hirmer Verlag, München 2021 192 Seiten 215 Farbabb. 23,5 x 28 cm Hardcover 34,95 EUR ISBN 978-3-7774-3872-6 Dt./Engl.

Pavel Odvody – Photography Mit Beiträgen von Julia Hichi, Celina Lunsford und Pavel Odvody

Schwingungen des Lichts nachzuspüren. Das Licht selbst ist der Seismograf. Die eigene, subjektive Wirklichkeit die Erfüllung dieser Bilder. Die Schönheit der Dinge entsteht hier stets durch ­Bewe­g ung – über all die Jahre ist sich der ehemalige archäologische Zeichner treu geblieben. Diese Konstanz offenbart das schlicht „Photography“ betitelte Buch, dem auch zwei erhellende Texte von Celina Lunsford und Julia Hichi beigegeben sind. Celina Lunsford weist in ihrem Beitrag darauf hin, dass wir es hier mit Kameratechniken zu tun haben, die man heute wieder erklären müsste: In der digitalen Ära geht einiges an Wissen über analoge Fotoexperimente verloren. Julia Hichi erklärt in ihrem Beitrag, wie Odvodys Körpervernetzungen der Serie „Seismogramme“ entstehen. Mit Punktlichtquellen, mit denen der Fotograf am Aktmodell entlangfährt. Doch ­eigentlich wollen wir gar nicht so genau wissen, wie diese Langzeitaufnahmen gemacht werden. Wir wollen lieber einfach nur staunen über diese zeichnerischen Licht-Kokons, den das jetzt erschienene Buch adäquat vorzustellen vermag. MARC PESCHKE

Bis 26. November 202 1 P a v e l O d v o d y „ K ö r p e r, R a u m u n d L i c h t “ und M a t t h i a s W i l l „ K ra f t f e l d B a l a n c e“ – S ­ tahl sk ulpt ure n ( E s e r s c h e i n t e i n K a t a l o g : „ K l e i n e K ü n s t l e r r e i h e“ , N r. 6 . ) Galer ie Net uschil, Dar mstadt www. galer ie-net uschil. net

Pavel Odvody in seinem Studio, Foto: Dorna Oladi


Pavel Odvody, „Wir sprachen über Leonardo“, Fotografie, 2002 Pavel Odvody wird von der Galerie Netuschil vertreten.

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Wir vertreten das Werk von Matthias Will. Aktuelle Ausstellung bis 27. November 2021:

Stahlskulpturen

Matthias Will

Gefördert von:

Galerie Netuschil Darmstadt www.galerie-netuschil.net

Kraftfeld Balance


24. Oktober 2021 bis 28. Januar 2022

Eberhard und Gotthelf Schlotter Dem Maler und dem Bildhauer zum 100. Geburtstag

Kunst Archiv Darmstadt e.V. Kasinostraße 3 (Literaturhaus), 64293 Darmstadt Tel. 06151-291619, E-Mail: info@kunstarchivdarmstadt.de Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10 - 13 Uhr, Do 10 - 18 Uhr Winterpause: 11. Dezember 2021 bis 10. Januar 2022 www.kunstarchivdarmstadt.de

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Sie uns auf der

Werner Berges zum Achtzigsten Ausstellung in der DavisKlemmGallery

Abb.: Werner Berges, Die Beiden, 1967, Filzstift, Fettkreide, Ölkreide auf Papier, 45 x 62,5 cm

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Helmut Newton, Italian Vogue, Bordighera 1982, copyright Helmut Newton Foundation

HELMUT NEWTON. LEGACY


Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion 04.09.— 06.03.22 Marta Herford Marta Herford – Museum für Kunst, Architektur, Design / Tel 05221.994430-0, marta-herford.de / Motiv: Talia Chetrit, Ever (Wet), 2018, Courtesy the artist; Sies + Höke, Düsseldorf

Hermann Landshoff Porträt Mode Architektur Fotografien 1930–1970 23/10/2021 – 30/01/2022


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L O O K

Schmuck Mode Design

Schon Gottfried Keller wies in seiner zeitlos aktuellen ­ ovelle „Des Kaisers neue Kleider“ darauf hin, dass Kleidung N über ihre Trägerinnen und Träger einiges sagt. Neben Be­ deckung und Schutz transportiert sie Emotionen und verrät viel über die Haltung der jeweiligen Person. Darin gleichen sich Kleidung, Schmuck und Design. In diesem Herbst fokussieren einige Aus­stellungen auf unterschiedliche Facetten dieser Themenbereiche: Die Modefotografie rückt in Karls­ ruhe mit Hermann Landshoff in den Blick. In Herford werden mit dem künstlerischen Blick auf die Fashionwelt (Marta) und mit „Mode und Verführung“ zwei unterschiedliche Mode­ aspekte aufgegriffen. Dagegen setzt die Kestner Gesellschaft in Hannover auf Slow Fashion. Das Ledermuseum Offenbach fokussiert auf den Schuh und das Schmuckmuseum Pforzheim auf filigranen Eisenschmuck. CHRIS GERBING


Mari Katayama, „Shell“, 2016, C-Print, 130 x 130 cm, Collection Antoine de Galbert, Paris, Ausstellung „Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion“, 4. September 2021 bis 6. März 2022, Marta Herford, Museum für Kunst, Architektur, Design

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„Look!“ Eine echte Schau im Marta Herford T E X T: K U N S TA R Z T P R A X I S . D E – D E R D I E D A S K U N S T- B L O G F Ü R N R W

Pieter Hugo, „Portrait #47, South Africa“, 2016, C-Print, 120 x 160 cm, Courtesy: PRISKA PASQUER, Köln

Röcke aus Fruchtsafttüten, Kleider aus Keramikkacheln und gemalte Versace-Hemden im XXXXXXL-Format: Im Marta Herford beleuchtet eine knallbunt reflektierende Ausstellung das wechselvolle Verhältnis der aktuellen Kunst zur Mode. Und mitschneidern (und mitfühlen) kann man auch.

Wir s­ agen hier bewusst nicht welcher, aber einer von uns aus der KunstArztPraxis hat einen Namensvetter, der ist Friseurmeister mit Calligraphy-Cut-Gold-Star-Zertifizierung in der Kölner Innenstadt. Und der bewarb sein Metier jahrelang mit einem bemerkenswerten Motto: „Wer mit der Mode geht, ist seiner Zeit immer eine Nasenlänge voraus.“


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FA L S C H E O D E R R I C H T I G E S I G N A L E

Dass diese Form der Verschmelzung tatsächlich sehr weg­ weisend sein kann, zeigt gerade „Look!“ im Marta Herford. Ihre knapp 100 Fotografien, Malereien, Videos, Skulpturen und Installationen beleuchten die identitätsstiftende, kommunikative und stilbildende Rolle der Kleidung. Selbst die Materialforschung und das Virtuelle bekommen ihren Platz. Oft stammen die Positionen von Künstlern, die auch in der Beauty- und Glamourwelt der Mode zuhause sind. Trotzdem geht es vor allem auch um einen kritischen Blick auf die sozialen und politischen Implikationen der Modeindustrie. Und um Fashion als ein Zeichensystem, das richtige ebenso wie falsche Signale senden kann. So zeigt Pieter Hugo in unberührter Natur südafrikanische Kinder, die sich mit dem teils äußerst schlecht sitzenden Dresscode der ehemaligen Kolonisatoren – sprich: mit Kleiderspenden aus Europa – ummanteln (müssen?). Talia Chetrit hinterfragt mit Teenager-Bildern und ihren an Werbemustern orientierten Inszenierungen die prägenden, oft sexualisierten Verführungsstrategien der Reklame. Und Christian Haake präsentiert als Raum im Raum die komplette – und komplett leere – Auslagenfront eines ­L adenlokals, aus dem alle Stoffe des Wohlstands gewichen sind. So wird die Leere selbst zum Stoff für eine Erzählung über den gegenwärtigen Zustand des Kapitalismus. In Zeiten von Corona und Online-Handel besonders aktuell.

Austellungsansicht: Hrafnhildur Arnardóttir / Shoplifter, Fathoms III, 2021, synthetische Haarverlängerungen und Paracordseile, Maße variabel, Foto: KunstArztPraxis.de, © Marta Herford

K U N S T, D I E S I C H V E R K L E I D E T H AT

Auch dabei verwischen allenthalben die Genregrenzen. Andy Dixon etwa präsentiert ein übergroßes, mit Acryl und Öl­ kreide bemaltes Leinwand-Hemd im Versace-Style. Und bei Gili Avissar, dessen archaisch anmutenden Kostüm-Skulp­ turen bei der Ausstellungsvernissage, durch einen Tänzer animiert, in direkten Dialog zu anderen Exponaten traten, ­gehen D ­ esign, Mode, Installation und Performance komplett ineinander über. Würde unserem calligraphy-cut-gold-star-zertifizierten Namensvetter aus Köln die Herforder Schau also gefallen? Wäre „Look!“ sein Look? Wir glauben eigentlich schon. Immerhin würde er selbst dann, wenn er sich zwar viel um Mode, um Kunst aber nur ein wenig scherte (was wir nicht wissen), hier ebenso einleuchtend wie niederschwellig, ja: ­sogar standesgemäß abgeholt.

I M E X T E N T IONS -BÜSCHE L -HI M M E L

Schließlich baumeln im Foyer die quietschbunt-rapunzel­ haften Extentions-Büschel der haarvernarrten Hrafnhildur Arnardóttir aka Shoplifter von der Decke, durch deren synthetisch lockende Plüschigkeit man streichen kann wie durch Kundenhaar. Und am Ende kann man sich auf der Mitmach-­ Insel von Adrien Tirtiaux an eine der Nähmaschinen setzen oder auf dem dortigen Selbstbespiegelungs-Laufsteg Outfit-Inspirationen holen. Das ganze Paket macht „Look!“ im Marta zu einer ­echten Schau. Da gibt es selbst für Avantgarde-Nasen in der Pole-Position nichts zu rümpfen. Bis 6. März 202 2 Look! Enthüllungen zu Kunst und Fashion m a r t a - h e r f o rd . d e k u n s t a r z t p ra x i s . d e

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Ersetzt man die Nasenlänge durch die Speerspitze, dann ist man mitten in der Avantgarde: Der Fashion-Begriff des Friseurmeisters und die Kunstauffassung seit der Mo­derne zielen also in dieselbe Richtung. Nach vorne. In die Zukunft. Mit dem weiten, unverstellten Blick der Pole-Position. Und im wohligen Bewusstsein, bei Bedarf vielleicht sogar etwas naserümpfend auf die da hinten zurückzublicken. Tatsächlich sind Haute Couture und Contemporary Art auch über ihr Selbstverständnis als Trendsetter und ­I mpulsgeber mit gesellschaftlicher – und gesellschafts­ kritischer – Stoßrichtung längst miteinander verschmolzen. Wo da die Mode auf hört und die Kunst anfängt (oder um­ gekehrt), ist oft nicht mehr trennscharf auszumachen. Verhüllung und Enthüllung erweisen sich dabei ohnehin als zwei Seiten einer Medaille. Manche sagen auch: Untragbarkeit und Unerträglichkeit.


182 Helmut Newton, Elle, Paris 1969 © Helmut Newton Foundation

Short cuts Schmuck Mode Design ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N CH R IS G ER B I N G

L E D E R M U S E U M O F F E N B AC H : S C H U H M O D E I M WA N D E L

Schuhe sind, neben der Notwendigkeit, die Füße vor Wit­ terungseinf lüssen und Gefahren am Boden zu schützen, essenzielle Bestandteile eines Outfits und sie sagen als ­solche viel über ihre Träger respektive über die Trägerinnen aus. Denn neben dem Schutz der Füße schmücken sie uns und z­ eigen zudem auf, wo und wie wir leben. Weil sie ­t agtäglich getragen werden, ist ihr Verschleiß hoch und es gibt einen ­b eständigen Erneuerungsbedarf: Allein jeder Deutsche ­e rwirbt pro Jahr zwischen drei und fünf Paar neue Schuhe. In Filmen wie „Der Teufel trägt Prada“ spielen sie folgerichtig eine tragende Rolle und Schuhdesigner haben es allein mit eingefärbten Sohlen zum Kultstatus gebracht. „Step by Step: Schuh.Design im Wandel“ lautet der Titel der Ausstellung, mit der das Ledermuseum Offenbach 150 Schuhe und Schuhpaare aus der hauseigenen Sammlung präsentiert. Sie sind, das wird deutlich, mehr als nur Funktion: Sie zeugen vom ­S tatus ihrer Besitzerinnen und Besitzer, geben politische State­m ents ab und sind, ganz klar, wichtiger Modebestandteil. Ve r l ä n g e r t b i s 1 6 . J a n u a r 2 0 2 2 www. leder museum. de

HEL M U T N EW TON ST IF T U NG H E L M U T N E W T O N . L E G AC Y E I N E R E T R O S P E K T I V E Z U M 1 0 1 . G E B U R T S TAG DE S FO TOGR A F E N

Helmut Newton ist nur schwer zu fassen. Die meisten von uns glauben, sein Werk zu kennen, zumindest die wichtigen ­A spekte. Doch hat der deutsch-australische Fotograf ein so einf lussreiches und ikonisches Œuvre hinterlassen, dass jede systematische Aufarbeitung scheitern muss, will man auch nur den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit ­erheben. Und so ist auch diese chronologisch angelegte Ausstellung, die nach der Berliner Präsentation international touren wird, nur eine weitere Annäherung an das vermutlich meist­publizierte fotografische Werk überhaupt. Es ist zeit­ genössisch und zeitlos zugleich, es verzaubert und verstört uns bis heute. Bis 2 2 . Mai 202 2 HELMU T NE W TON ST IF T U NG w w w . h e l m u t- n e w t o n -f o u n d a t i o n . o r g

Kinderstiefel aus Lachsleder, Amur, Sibirien, Anfang 20. Jh., und Kindergummistiefel, Unikko-Saapas, marimekko, Helsinki, Finnland, 2005/06, © DLM, M. Özkilinc


183 Etui mit Anstecknadel und Plakette „Gold gab ich für Eisen“, Uhrenkette „Gold zur Wehr, Eisen zur Ehr“ sowie zwei Ringe in Originaletui, Koch, Frankfurt am Main/Baden-Baden, 1914 sowie 1916, Sammlung Klaus-Peter und Judith Thomé, Foto: Winfried Reinhardt

M U S E U M AU G U S T K E S T N E R , H A N N OV E R : S L OW FA S H I O N G E G E N V E R S C H W E N D U N G U N D H Ä SSL ICH E K L E I DU NG

Bis 13. März 202 2 w w w . m u s e u m - a u g u s t- k e s t n e r. d e

SCH M UCK M USEU M PFOR ZHEI M: E I S E N S C H M U C K AU S E I N E R P R I VAT S A M M L U N G

Eisen bringen wir in der Regel als Hauptbestandteil von Stahl mit massiven Bauwerken, dem Fahrzeug- und Schiffsbau, aber auch mit Verpackungen, Rohrleitungen oder Druck­ behältern in Verbindung. Im kunsthandwerklichen Bereich war es früher ebenfalls verbreitet und erfreute sich großer Wertschätzung. Besondere Beachtung verdient der Eisenschmuck, weil das Material plötzlich seine zarten Seiten zeigt. „Gold gab ich für Eisen“ war die patriotische Devise der Freiheits­k riege; um 1800 war filigraner Schmuck aus Eisendraht, der gotisches Maßwerkornament, florale und antike Motive kopierte, weit verbreitet, und das auch, weil der Guss einzelner Ornamente großen Gestaltungsspielraum bot. Weil das von schwarzem Firnis überzogene anspruchslose Material in krassem Gegensatz zur aristokratischen Macht­ entfaltung stand, wurde Eisenschmuck zum Sinnbild für preußische Sparsamkeit und Soldatentum. Der selbst­ gewählte Verzicht auf Luxus machte ihn zum Schmuck des Bürgertums par excellence. „Berliner Eisen“ wurde zum ­preußischen Exportschlager, es ist entsprechend in der Schau im Schmuckmuseum vertreten. Bis 6. Februar 202 2 www. schmuck museum. de

„MINDFUL MESS“, Design: Dalia Rottleuthner, Foto: Joana Lavie

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Kleidungsstücke erzählen Geschichten. Wie sind sie entstanden? Wer hat sie gekauft? Warum wurden sie entsorgt? „use-less“ zeigt, was in unseren Schränken steckt und was sich hinter der Idee der „Slow Fashion“ verbirgt. Egal ob Jeans, T-Shirts oder Nylonstrümpfe – Kleider entstehen in komplexen Produktionsabläufen mit Folgen für Menschen und Umwelt. Die Ausstellung stellt die Ergebnisse der Slow Fashion-Forschung der Hochschule Hannover vor. Die Designprojekte machen deutlich, wie Mode langlebig, ressourcensparend und schön gestaltet werden kann. Gleichzeitig fragt die Ausstellung, was Nutzerinnen und Nutzer durch ihre Art des Konsums verändern können.


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185 Von a n mut i g e n F r aue n u nd or n a me nt a le r Z ie r

Jugendstil in Karlsruhe

linke Seite: Alfons Mucha, „La Nature“, Badisches Landesmuseum

Jenny Fikentscher, „Schloss Augustenburg in Grötzingen“, 1898, Städtische Galerie Karlsruhe, Foto: Heinz Pelz, Karlsruhe

Diese Architekten sind aber nur die „Speerspitze“ einer vielseitigen Jugendstilarchitektur, die in der Innenstadt ebenso zu finden ist wie in Ost- und Weststadt, die neben Villen auch Kirchen, Brunnen und den Hauptbahnhof hervorgebracht hat, deren Repertoire zwischen geometrisch-linear und verspielt-geschwungen anzusiedeln ist und natürlich diverse florale Elemente aufweist. Wer mit offenen Augen durch die Stadt läuft, dem fallen Details ebenso ins Auge wie die architektonische Großform, die allerdings mal mehr, mal weniger gut als Gesamtkunstwerk erhalten ist. Diesen Anspruch hatte der Jugendstil durchaus, und er lässt sich gut am 1913 von August Stürzenacker errichteten Hauptbahnhof ablesen. Er gilt als einer der wenigen gut erhaltenen Bahnhöfe aus der Zeit des

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Bereits 1898 befand die englische Zeitschrift „The Studio“, Karlsruhe verdiene einen der vorderen Plätze als Kunststadt Deutschlands. Gemeint waren damit vorrangig Künstler wie Hans von Volkmann, der Meisterschüler des nur wenige Jahre älteren Gustav Schönleber in Karlsruhe war, oder der Aka­ demieprofessor Leopold Graf von Kalckreuth sowie die Maler Franz Hein und Gustav Kampmann, beide Mitglieder der Grötzinger Malerkolonie. Aus heutiger Sicht ließe sich die ­außerordentlich positive Erwähnung Karlsruhes in dem ­M agazin ausweiten sowohl auf die vielseitige Karlsruher ­Jugendstilarchitektur wie auf die Karlsruher Kunstakademie und die damals dort beschäftigten Professoren, aber genauso auf die Malerinnenschule (Frauen durften bis 1919 nicht an Akademien studieren) und damit auf Künstlerinnen wie ­Jenny Fikentscher. Bekannt wurde die Künstlerin durch ­k alligrafisch gestaltete ornamentale Gedichte, vor allem aber durch die Lithografien von Pf lanzen in natürlicher ­U mgebung im Sinne des Jugendstils. Starke Komplemen­ tärkontraste bestimmen ihre Werke, wobei die Motive oft grafisch-linear dargestellt und mit ausgeprägten Konturen versehen sind. Fikentscher sowie weiteren Künstlerinnen und Künstlern der Grötzinger Malerkolonie hat die Städtische ­G alerie in den vergangenen Jahrzehnten Ausstellungen ­gewidmet, desgleichen beispielsweise dem renommierten Karlsruher Architekten Hermann Billing oder dem Architekturbüro Curjel & Moser.


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Jugendstils – auch wenn die Überdachung des Eingangs­ bereichs aus den 1970er-Jahren seinen Eindruck schmälert und Stürzenacker klassizistische Elemente mit Jugendstil­ ornamentik kombinierte. Ein weiteres Kleinod ist die Lutherkirche in der Oststadt, die, von Curjel & Moser bis 1907 erbaut, eine Einheit mit Pfarrhaus und Gemeindesaal bildet. Für die im Zweiten Weltkrieg zerstörten Glasfenster wurde Max Laeuger gewonnen, der auch als Wegbereiter künstle­ rischer Keramik im 20. Jahrhundert gilt; für die Bauplastik zeichnete Hermann Binz verantwortlich, ebenso für die ­Ausführung der Bild­hauerarbeiten an Billings Brunnen am Stephansplatz. Seinen gesamten künstlerischen Nachlass vermachte Binz der Stadt Karlsruhe. Während die Städtische Galerie das Thema Jugendstil in s­ einen verschiedenen Facetten punktuell in Ausstellungen aufgreift, beherbergt das Museum beim Markt als wenige Schritte vom Karlsruher Schloss entfernte Zweigstelle des ­Badischen Landesmuseums eine umfassende, Europa abdeckende Sammlung zu angewandter Kunst um 1900. Schmuck, Glasarbeiten von der Vase bis zum Motivfenster, Tafelaufsätze und Möbelstücke aus Frankreich, England und Schottland

sowie Österreich, darunter ganze Interieurs der Wiener Werkstätte, zeigen die Bandbreite der Möglichkeiten in verschiedensten Facetten. Die Jugendstilzentren, darunter Darmstadt, Dresden und München, werden ebenso vorgestellt wie Baden und dessen Hauptstadt Karlsruhe. Parallel zu dieser ständigen Ausstellung ist bis Mitte 2022 die „Große Sonderausstellung“ im Schloss zu sehen, die „Göttinnen des Jugendstils“ thematisiert. Medusen, Harpyien und Wasserwesen sind damit ebenso gemeint wie die sich durch die Industrialisierung massiv verändernden Lebensumstände gerade der Frau. Die Reinheit der Natur – wie sie beispielsweise durch die Frauenbüste „La Nature“ von Alfons Mucha verkörpert wird – steht dabei neben einem fortschrittlichen Frauenbild. Tänzerinnen wie Loïe Fuller, die Schauspielerin Sarah Bernhardt, die Keramikerin Jutta Sika oder die Werbegrafikerin Änne Koken stehen für die Bandbreite der Lebens- und Arbeitsbereiche, die sich Frauen plötzlich eröffneten. Nicht zu vergessen natürlich auch die Mode: So stammte die erfolgreiche Modedesignerin Emmy Schoch aus Karlsruhe. Allerdings ist, das zeigt die Ausstellung ebenso, der Blick auf die Frau um 1900 noch weitgehend männlich, die Frau als Motiv steht im Vordergrund, ob im Werbeplakat, bei der Kühlerfigur des Rolls-Royce oder in idealisierten Rückzugswelten. Doch greift die Schau von der Konsumwelt auf die Lebenswelten der Frauen über, die um 1900 Zugang zu B ­ ildung erhielten, aber auch Zielgruppe für Werbung wurden. Künstlerinnen wie Jenny Fikentscher und Käthe Roman-­F örsterling, die als erste Frau in der ­M ajolika-Manufaktur arbeitete und an der Malerinnen­ schule lehrte, stehen nicht nur für den Karlsruhe-Bezug, sondern ebenso dafür, dass sie, selbst wenn sie erfolgreich waren, erst langsam wieder ins ­Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit rücken. CHRIS GERBING

18. Dezember 202 1 bis 19. Juni 202 2 „ G ö t t i n n e n d e s J u g e n d s t i l s“ landesmuseum. de karlsr uhe-tour ismus. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2

Schrank, Karlsruhe, um 1910, M. Reutlinger & Cie. Möbelfabrik, Karlsruhe, Museum beim Markt, Foto: Peter Gaul, © Badisches Landesmuseum


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Karlsruhe Jugendstil Villenkolonie, Baischstr., Herman Billing, 1903, Foto: © Jan Dimog, thelink.berlin


Franz Bernhard Haus, Lichthof, Foto: © Andreas C. H. Schell-Stiftung

Das Franz Bernhard Haus Ein neuer Kunstraum für Karlsruhe Das Wort „Hinterhofatmosphäre“ ist sonst eher negativ ­konnotiert – in Karlsruhe ist es durchweg positiv gemeint in Bezug auf das neu eröffnete Franz Bernhard Haus, das sich in einem Weststadt-Hinterhof befindet. Ein schlichter Sicht­ betonkubus mit großen Fenstern, davor sind einige der Skulpturen des Künstlers Franz Bernhard (193 4–2013) ­platziert, für dessen Kunstwerke Privatsammler Andreas Schell das Haus hat errichten lassen. Franz Bernhard, der ab 1959 an der Karlsruher Kunstakademie bei Wilhelm Loth und Fritz Klemm studierte, der seit den frühen 1970er-­ Jahren bis zu ­seinem Tod in Jockgrim/Pfalz lebte und 1977 an der „documenta 6“ teilnahm – eine der wichtigen bildhaue­ rischen Posi­t ionen der Nachkriegszeit.

Direkt neben dem Hauseingang befindet sich jene Skulptur, die sowohl für das Logo der Andreas C. H. Schell-Stiftung verantwortlich zeichnet als auch R ichtschnur für das ­M useum sein soll. „Gespräch“ sind die beiden einander ­z ugewandten Köpfe aus Cortenstahl betitelt. Stiftungsvorstand Andreas Schell versteht den Ort als Einladung, „Teil der Gesellschaft zu werden, die man hier antrifft“. Er meint damit die auf zwei Geschosse verteilten Skulpturen des Künstlers, der sich zeitlebens mit der menschlichen Figur beschäftigte: „Der Mensch ist Ausgangspunkt, Stimulans und Ziel meiner Arbeit.“ Geht man mit dieser Grund­ prämisse durch die Ausstellung, fällt immer wieder die genaue Beobachtung Bernhards auf, die Kern verschiedener Körper- und Kopf haltungen seiner Plastiken ist, deren ­R eduktion auf das absolut Wesentliche in Kombination von Holz mit Stahl oder nur aus Holz oder Stahl ihre Ästhetik wesentlich bestimmen. „Baut mir bloß kein Mausoleum“, sorgte sich Franz Bernhard, der die Idee zu einem Ausstellungshaus bis zu ­seinem Tod 2013 begleitete. So ist es Andreas Schell Anliegen und Verpf lichtung, einen Begegnungsort zu schaffen, bei dem nicht nur Bernhards Skulpturen in wechselnder ­Auswahl erlebt werden können. Vielmehr sollen sie auch zu ausgewählten jungen Position in Dialog gebracht werden. ­D arüber hinaus will Schell, der seine Sammlung seit ­e inem ersten Spont a n k au f 2 0 01 su k zessive au f d ie ­P osit ion B ­ er nha rds redu zierte und daf ür die vorher ­z usammengetragenen Kunstwerke verkaufte, auch die wissenschaftliche Ausein­a ndersetzung, beispielsweise durch die Förderung von Publikationen über Bernhards Werk, ermöglichen. ­I nsofern war der Weg von der Präsentation in den eigenen Wohn­r äumen zum Museum ebenso konsequent wie das gezielte Auf kaufen des künstlerischen Nachlasses. Derzeit u ­ mfasst die Sammlung bereits über 100 Plastiken, mehr als 200 Zeichnungen und das komplette Œuvre von Bernhards Radierungen. CHRIS GERBING

www. andrea sch schell-st if t ung. de


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Starke Frauen Hermann Landshoff in der Städtischen Galerie Karlsruhe

Hermann Landshoff, Eva Hesse mit der Skulptur „Untitled or Not Yet“ in ihrem Atelier, New York, 1969 © Münchner Stadtmuseum, Sammlung Fotografie, Archiv Landshoff

fürs Ungewöhnliche, für den Finger am Auslöser im richtigen ­ oment. Mit seiner ganz speziellen Art zu fotografieren prägM te er ­„Generationen an Fotokünstlern“, wie Stefanie Patruno ausführt. Die Leiterin der Städtischen Galerie will auch im Hinblick auf die im Haus ansässige Sammlung Garnatz den Foto­g rafieschwerpunkt ausbauen und damit neue Ziel­ gruppen erschließen. Dafür ruft sie in diesem Jahr den „Fotoherbst 2021“ in der Städtischen Galerie aus. CHRIS GERBING

Bis 30. Januar 202 2 Städt ische Galer ie Karlsr uhe www. karlsr uhe. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — S C H M U C K M O D E D E S I G N

Der berühmte Modefotograf Richard Avedon äußerte 1970, sein Metier sei das f*-Wort in der Kunst, weil es sich eben nicht um „richtige Kunst“ handele. Nichtsdestotrotz prägte die Modefotografie das Bild der Frau im 20. Jahrhundert nachhaltig. Fotografen wie Avedon, Irving Penn und Helmut Newton oder im deutschsprachigen Raum F. C. Gundlach ­erschufen eine Ästhetik, die noch im hintersten Winkel der Republik Frauen animierte, bestimmte Rollen einzunehmen, sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten und zu kleiden. In die Kategorie der wichtigen Fotografen dieses Genres gehört zweifellos auch Hermann Landshoff (1905– 1986), der, obwohl er ebenfalls für „Harper’s Bazaar“ und die „Vogue“ fotografierte, noch nicht denselben Ruhm wie die ­genannten Zeitgenossen genießt. Dennoch: Seine Models waren stets starke Frauen, die ­K leidung offensichtlich nicht als Korsett verstanden. Er inszenierte sie in Bewegung auf dem Fahrrad oder auf Rollschuhen, springend, im Wasser oder Konfetti werfend. Dabei haben sie offensichtlich Spaß, versprühen Freude und Energie. Größere Bekanntheit erlangte der über Paris und Spanien emigrierte deutsche Jude in New York in den 1940er-Jahren durch seine Porträts von Fotografen und Akteuren des Surrealistenzirkels um Marcel Duchamp, Max Ernst und André Breton; zuvor war ihm noch in Berlin mit einer ersten Serie über Albert Einstein der Durchbruch als Fotograf gelungen. Die Verbindung zur Familie Einstein blieb auch nach deren Emigration in die USA 1935 bestehen. Zwischen 1946 und 1950 entstanden in ihrem Haus in Princeton weitere Fotografien, von denen ein Porträt des Physikers zu dessen 100. Geburtstag 1976 für die 15-Cent-Briefmarke Verwendung fand. Die Fotografie hatte sich Landshoff autodidaktisch angeeignet und entwickelte bereits in Paris seine künstlerische Fotografietechnik. Er war ein Verfechter des „straight print“, wobei das Negativ in vollem Umfang Verwendung fand, also keine Bildausschnitte gewählt und keine Retuschen vor­ genommen wurden. Obschon er in seiner Anfangszeit noch als Fotoreporter tätig war und ihm deshalb die Ästhetik des Schnappschusses geläufig war, die er dann auch in seinen ­M odefotografien anwandte, sah er sich doch primär als Künstler. Schnappschussartig sind seine im Pariser Zoo ­entstandenen Arbeiten, bei denen sich der Modeaspekt erst auf den zweiten Blick offenbart, nachdem man den Elefanten, das Lama oder die Giraffen als Gegenüber der Models identifiziert hat. Genauso zeugen die in die Luft hüpfenden, am Strand Rad schlagenden und fröhlich springenden oder im Regen durch Pfützen platschenden Models von seinem Blick


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E n BW-Au s st el lu n g „ D ie Ne ue n L e ip z i g e r kom me n“ z e i g t e i ne Au s w a h l von Bi lde r n au s de r L e ip z i g e r V N G - K u n st s a m m lu n g

Im Um- und Aufbruch Das in Leipzig ansässige Gas- und Infrastrukturunternehmen VNG AG, ein Tochterunternehmen der EnBW, besitzt mit VNGart eine einzigartige Kunstsammlung von über 1.000 Kunstwerken. Darunter befinden sich über 200 Gemälde und Grafiken aus der sogenannten Neuen Leipziger Schule. Im Jahr 1990 fasste die VNG den Entschluss, Künstlerinnen und Künstler aus dem Umkreis der Leipziger HGB Hochschule für

Grafik und Buchkunst zu fördern. In Christine Rink fand man die ideale Sammlungsberaterin, denn sie ist eine ausgewiesene Kennerin der Leipziger Kunst- und Kulturszene. Sie leitete seit 1979 die Galerie an der Leipziger Kunsthochschule und konnte schon vor dem Fall der Mauer neben DDR-Größen wie Willi Sitte, Max Schwimmer und Bernhard Heisig Vertreter der zeitgenössischen Westkunst wie Helmut Newton, Wolf

Werner Tübke, „Herbst ’89“, 1990, Foto: VNG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Vostell, Joseph Beuys oder Klaus Staeck ausstellen. Außerdem war sie die Ehefrau des Leipziger Malers, Hochschulprofessors und Rektors Arno Rink (1940−2017), der eine der prägenden Figuren an der HGB war. Aus der VNGart-Kunstsammlung präsentiert nun die EnBW an ihren firmeneigenen Standorten in Karlsruhe und Stuttgart eine Auswahl von rund 30 Gemälden und Arbeiten auf Papier. Die EnBW setzt damit ihre Ausstellungsreihe „Special Statements“ zu Sammlungen verbundener Firmen und ihre Kooperationen mit Kulturinstitutionen fort. Viele der ausgestellten Künstlerinnen und Künstler haben bei Arno Rink studiert. Er war eine der einflussreichsten Gestalten für die neuen sich entwickelnden Kunstpositionen und Strömungen an der Leipziger Kunsthochschule. Außerdem hatte er von 1987 bis 1994 das Amt des Rektors inne. Zu dieser sich bald als Neue Leipziger Schule etablierenden Marke gehören selbstverständlich die längst vertraut klingenden Namen wie Tim Eitel (* 1971), Michael Triegel (* 1968), Rosa Loy (* 1958) und Neo Rauch (* 1960). Aber auch bisher noch eher wenig bekannte Vertreter der Neuen Leipziger Schule wie Sebastian Rug (* 1974) oder insbesondere

Künstlerinnen wie Claudia Rößger (* 1977), Katrin Heichel (aka Katrin Brause, * 1972) oder Petra Ottkowski (* 1967) gilt es, mit ihren Werken zu entdecken. Ein großer Teil der Exponate ist unmittelbar nach der deutschen Wiedervereinigung oder in den darauffolgenden Jahren entstanden, als man an die aktuellen Tendenzen anschließen wollte und zugleich etwas Eigenes, Selbstständiges zu formulieren suchte. So sind diese Werke besondere Zeugnisse des historischen Um- und Auf bruchs im Osten Deutschlands. Dabei beeindruckt die Bandbreite der kreativen Positionen: Das ganze Spektrum von figürlich bis abstrakt ist vertreten. Eine zentrale Stellung in der VNGart-Kunstsammlung nimmt Werner Tübkes (1929−2004) Gemälde „Herbst ’89“ aus dem Jahr 1990 ein. Denn es thematisiert gleichsam den historischen Ausgangspunkt für das Entstehen der Neuen Leipziger Schule: den Fall der die beiden deutschen Staaten trennenden Mauer. Die Haltung des 60-jährigen Tübke zur Öffnung der Grenze war – wie seinen Tagebucheintragungen zu entnehmen ist – sehr skeptisch und dies, obwohl er schon lange Kontakte in den Westen unterhielt und dort auch ausstellen konnte.

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Verena Landau, „Flight I“, 2000, Foto: VNG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Rosa Loy, „Trockenzeit“, 1993, Foto: VNG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Anlass für die Entstehung des Gemäldes war die Einladung des Berliner Galeristen Dieter Brusberg (1935−2015) an verschiedene Künstler, die friedliche deutsche Revolution zum Thema eines Bildes zu machen. Tübke fand darauf eine für ihn und seine Malerei spezifische, vieldeutige Antwort. Er mischte in dem Bild die aus seinem Œuvre bekannten Gaukler und Harlekingestalten mit den historischen Ereignissen: Man blickt auf einen Platz, umgeben von einer gewaltigen Mauer, die an einer Stelle aufgebrochen ist. An dieser Bresche staut sich eine große Menschenmenge. Der überwiegende Teil drängt von außen durch die schmale Öffnung hinein und strömt auf die Betrachtenden zu. Auf der Mauerkrone stehen

und knien gef lügelte Wesen – apokalyptische Wesen des Zorns oder Segen und Wohltaten spendende Engel? – und verteilen aus großen Schalen eine Art Geldregen. Kerzen haltende Menschen auf der rechten Seite erinnern an die regierungskritischen Montagsdemonstrationen und an die widerständigen Andachten in kirchlichen Räumen. Ebenfalls rechts liegen zerborstene Steinplatten, am Bildrand vorne eine umgestürzte Denkmalbüste. Die ­Menschen ­stecken in einer für Tübke typischen Mischung aus zeitgenössischer und mittelalterlicher Tracht. In der dicht gedrängten, geradezu amorphen Masse erblickt man ­M enschen bei den unterschiedlichsten Handlungen und


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und Sichtbarmachens, aber auch de[n] Mut, Schnitte zu setzen und das Ganzheitliche auseinander zu nehmen, die Perspek­ tive zu ändern, den Blickwinkel neu zu bestimmen und dem Denken von Zeit zu Zeit eine andere Richtung zu geben“. ­Dieser Einschätzung ist rundum zuzustimmen. J O H A N N E S B R Ü M M E R , Kurator bei der EnBW

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Matthias Weischer, „Industrielandschaft“, 1999, Foto: VNG, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

Tätigkeiten, im Hintergrund – jenseits der Maueröffnung – erkennt man die Rotorblätter eines Hubschraubers, Fahnen werden ­g eschwenkt. Eine ambivalente Stimmung kennzeichnet die Situation: Sie pendelt zwischen Angst und Hoffnung, Ernst und Freude, Panik und Tanz. Das Ganze hat etwas Beklemmendes und trägt groteske Züge. Dem Maler gelang eine Art Historienbild. Er schaute auf die unmittel­ bare Vergangenheit und öffnete zugleich den Blick nach vorne in die (ungewisse) Zukunft. Anders als für Tübke knüpften viele, vor allem junge Menschen große Erwartungen an die damals herauf brechende Zeit. Man hoffte, die trostlosen und repressiven Umstände der DDR hinter sich zu lassen. Die jungen Künstlerinnen und Künstler wollten sich endlich selbstbestimmt informieren, an westliche Tendenzen anknüpfen und selbst neue setzen, auch wenn sich die Wünsche im Nachhinein oft nicht erfüllten. Die Kunst der Neuen Leipziger Schule hat in den letzten Jahren national wie international große Aufmerksamkeit und Anerkennung erfahren. Christoph Tannert (* 1955), ­Ausstellungsmacher und Experte für die zeitgenössische ostdeutsche Kunst, schätzt an ihr „die Variabilität des Sehens


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E i ne M e s s e , d ie i n E r i n ne r u n g ble ib e n s ol l

art KARLSRUHE 2022

2021 hatte die Karlsruher Messe- und Kongress GmbH (KMK) als Ausrichterin der „art KARLSRUHE“ pandemiebedingt mit „art KARLSRUHE selections“ auf Virtualität geset zt . Britta Wirt z als Geschäftsführerin der K MK schloss aber eine Kopie als Onlinemesse dezidiert aus. Vielmehr ­präsentierten sich rund um das Pfingstwochenende europaweit in verschiedenen Städten rund 50 Galerien mit einer Art Messeprogramm; begleitet wurde dieses dezen­ trale ­C oronaprogramm von verschiedenen Talks, die auf die H ­ erausforderungen des Kunstbetriebs eingingen, aber auch die Ausrichtung der Messe widerspiegelten. Nur: Es ist eben nicht dasselbe, wenn Kunst weitgehend online ­e rlebt werden muss, so Britta Wirtz, obwohl die Messe ­natürlich alle Kanäle nutzt, „um Inhalte zu vermitteln, eine jüngere Generation dazu anzuregen, sich mit dem Kunstkauf zu befassen, sie n ­ eugierig zu machen und damit den Weg zur ‚art KARLS­RUHE‘ zu ebnen“. Die Kunstmesse spannt mit ihrer Ausrichtung von der Klassischen Moderne bis zur Gegenwartskunst den Bogen über 120 Jahre Kunstgeschichte; dennoch bleiben die computergestützten Kunstrichtungen (aktuell noch) außen vor. Skulptur, Installation, Malerei, Grafik, Collage, aber auch Video­arbeiten werden 2022 wieder in den luftigen Hallen präsentiert; Galeriekojen und Skulpturenplätze wechseln sich in den vier Messehallen ab. Neben vielen Galerien, die auf die „art KARLSRUHE“ abonniert sind, gibt es 2022 auch wieder zahlreiche Neubewerber. „Der Zuspruch für unsere Kunstmesse ist ungebrochen groß“, so Ewald Karl Schrade als Gründer und Kurator der „art KARLSRUHE“. Das hänge auch mit der langen coronabedingten Kunstabstinenz zusammen, die gerade Galerien hart getroffen hatte.

Stephan Balkenhol, ohne Titel (Frau), 1995, Foto: Martin Url, Sammlung Klöcker, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Sammler-Ehepaar Maria-Lucia Klöcker und Ingo Klöcker, Foto: Michael Schick

die Schrade als „atemberaubend“ bezeichnet. Die durchgängig hohe Qualität der international ausgerichteten Sammlung ist allerdings auch herausfordernd: „Dass Maria Lucia und Ingo Klöcker mir als Kurator die Auswahl der Werke für ­K arlsruhe überlassen wollen, ehrt und verpflichtet mich. Was zeigen?“, war die entscheidende Frage bei den vielen Positionen. Die Besucherinnen und Besucher können gespannt sein auf Einblicke in eine besondere Sammlung, insgesamt auf ein besonderes Kunsterlebnis und auf eine Messe, die in Erinnerung bleiben soll. CHRIS GERBING

1 7. b i s 2 0 . F e b r u a r 2 0 2 2 Sonderschau der ar t K A R L SRUHE in Halle 3 „ F ra u e n : S a m m l u n g K l ö c k e r“ F ra u e n d a r s t e l l u n g e n in der Nachk r iegs- und Gegenwar tsk unst Messe Karlsr uhe w w w . a r t- k a r l s r u h e . d e

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

Ewald Karl Schrades war und ist eine nicht wegzudenkende Größe innerhalb der Messeplanungen, aber auch im engen Kontakt zu den präsentierten Galerien. Aus Altersgründen zieht er sich nach der nächsten Messe sukzessive aus dem aktiven Geschehen zurück. Für 2022 hat er aber noch zusammen mit dem Team eine etwas veränderte Aufplanung der vier Messehallen vorgenommen, die zu einer Konzentration der Empfänge, Bewirtungen, Talks und Sonderschauen in einer Halle führen wird. Bewährtes wie die Verleihung des Hans Platschek Preises oder die Skulpturenplätze bleiben dennoch erhalten. Gerade Letztgenannte und die Präsentation von Privatsammlungen als integralem Bestandteil der Messe lagen Schrade immer am Herzen; mit „Frauen: Sammlung Klöcker“ werden Ausschnitte aus der „stringent dem Motiv verpflichteten Kollektion“ des Bad Homburger Juristenpaars gezeigt,


der ethnografische nachlass herion neu präsentiert

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Argentinische Verwandtschaft

Matthias Garff im neuen Atelier in Leipzig, rechts oben sein „Waschbär“, 2021, Sektkühler, Aluminium, Fell, Besenhaare, 80 x 40 x 55 cm, Foto: Reiner Brouwer

Seine Vogelfiguren sind überlebensgroß, haben Charakter und bestehen auch mal aus alten DDR-Laternen. In seinen Insektenkästen wimmelt es bunt und vielfältig – dabei ist alles … Müll! Das Atelier gleicht einem Rohstoff lager und befindet sich in einer alten Lebensmittelfabrik umgeben von Brach­f lächen, wo Natur und urbaner Raum zu einer Symbiose werden. Hier sagt auch mal der Fuchs persönlich Gute Nacht. Patricia Potrykus, Kuratorin in der Städtischen Galerie Offenburg, sprach mit Matthias Garff anlässlich der Aus­ stellung über seine Kunst. ARTMAPP: Nach den Lockdowns warst du 2021 viel unterwegs auf Messen, hattest Ausstellungen in Galerien und Ausstellungshäusern. Wie reagiert das Publikum, das endlich wieder live vor Ort ­deine Kunst erleben kann?

Matthias Garff: Der Ausstellungsbetrieb hat sich ja nur langsam normalisiert. Die ganzen Eröffnungen fanden entweder ohne Publikum oder mit vielen Einschränkungen statt. Erst vor Kurzem hatte ich wieder eine „richtige“ Vernissage − ohne Maske, was nur mit 2G möglich war. Ein ungewohntes und gleichzeitig schönes Gefühl. Denn die meisten Kontakte hat man ja mit dem Publikum bei den Eröffnungen oder Künstlergesprächen. Ich habe den Wunsch nach Kultur und Kontakt gespürt, es ergaben sich viele schöne Begegnungen und ­Gespräche. Für mich lief es auf der „Positions“ in Berlin und bei meinen Ausstellungen in den Galerien in Hamburg, Ulm und Berlin gut, die Leute hatten mich auf dem Schirm. Es ist sicherlich schwieriger in so einer Zeit, wenn man neu ist und anfängt als Künstlerin oder Künstler.


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ARTMAPP: War dein Weg zu Kunst und Skulptur von Anfang an klar? Wie fing es beim Kunst­ studium in Dresden an der Hochschule für ­Bildende Künste an? Wie kamst du überhaupt „auf den Vogel“? MG: Das mit dem Kunststudium stand schon in der Schulzeit fest. Ich hatte einen Kunstlehrer, der mich unterstützt hat. Ich habe fotorealistisch gemalt und habe mich für Malerei an der Akademie beworben. Erst zum Diplom hin hat sich meine heutige Richtung entwickelt. Auf den Vogel kam ich während meiner Studienzeit in Argentinien, bei einem längeren Aufenthalt bei meinen dort lebenden Großeltern. Mein Opa hat sich schon immer für Vögel interessiert. Gemeinsam haben wir diese im Garten beobachtet. Ich habe dann einen kleinen Videofilm gedreht – schon als Kind wollte ich Tierfilmer ­werden, war viel draußen in der Natur. Im Film habe ich die verschiedenen Vogelarten porträtiert und bei meiner ­Rückkehr nach Deutschland kam ich so auf die Idee für die ­Diplomarbeit. So entstanden sechs riesige Vogelfiguren, die „Argentinische Verwandtschaft“. Der Chef, der Clown, die schüchterne Rotbauchdrossel – verschiedene Charaktere in einer Gruppe, die miteinander kommunizieren. Ich habe auf farbliche Zusammenhänge und unterschiedliche Materialien geachtet, um ein vielfältiges Bild zu erzeugen und meine ­Beobachtungen umzusetzen.

Matthias Garff, „Rotbauchdrossel“, 2013, Hirschleder, Holz, Ölfarbe, Hartplastik, A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — P O R T R Ä T

140 x 70 x 250 cm, Foto: Robert Vanis


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ARTMAPP: Du arbeitest nicht mit Stein oder Holz, sondern nimmst Recyclingmaterialien und suchst und findest zum Beispiel Sektkübel oder ­Gartenhandschuhe bei Haushaltsauflösungen oder in Baumärkten? Wie werden daraus Figuren mit Persönlichkeit? MG: Ich war nie in einer Bildhauerklasse. Und hatte somit ­keine Berührung mit klassischen Materialien für Skulptur. Und nachdem ich den Impuls hatte, die Vogelfiguren zu ­b auen, habe ich eben Dinge genommen, die mir zur Ver­ fügung standen. Die beste Quelle war der Baustoffcontainer an der Hochschule. So habe ich aus Abfall und Resten der ­a nderen Neues gemacht und den Gegenständen neuen Sinn gegeben. Es ergaben sich viele Überraschungsmomente. Ich lasse mich gerne inspirieren von Dingen, die ich finde oder ­geschenkt ­bekomme. Inzwischen habe ich viel probiert und experimentiert. Mittlerweile habe ich auch einen großen ­F undus und weiß, was gut funktioniert. Gummistiefel als Füße sind gut, Mandolinen ergeben schöne Entenbäuche und Handschuhe sind optimal für Flügel. Dabei kann ich zugleich unendlich variieren, weil die Objekte nie gleich sind und man den Figuren durch kleine Veränderungen unterschiedliche Züge verleihen kann. Ich mag es, mit gebrauchten Gegen­ ständen zu arbeiten, weil sie eine Geschichte mit sich bringen. Manchmal sind es sehr persönliche Dinge, eine meiner ­Tauben trägt zum Beispiel meine Lieblingsjacke aus der ­Jugend. Ziel des kreativen Prozesses ist ein Gegenüber mit ­einem eigenen Charakter. Die Größe der Figur spielt dabei eine große Rolle und die Augen sind sehr wichtig, für die brauche ich am längsten, eben so lange, bis mich jemand ­a nschaut. So entsteht einerseits eine Figur und gleichzeitig kann man erkennen, aus was sie entstanden ist. Es ist eine Art Spiel, meine Tiere sollen dazu einladen, sich mit diesem ­P rozess auseinanderzusetzen. Matthias Garff, „Storch“, 2021, Straßenlaterne, Mopedhelm, Padel, Ast, 320 x 100 x 210 cm, Foto: Matthias Garff


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Matthias Garff, „Großer Insektenkasten I“, 2020, Mischtechnik, 160 x 200 x 14 cm, Foto: Matthias Garff

MG: Die Form der Präsentation naturhistorischer Samm­ lungen fand ich schon immer reizvoll. Da wird das ganze Spektrum und die Vielfalt des Lebens geordnet aufgereiht. Meine Insekten sind aber Straßenfunde, ich baue sie aus Müll. Hier weise ich schon auf den Umgang mit Natur, mit Ressourcen hin und möchte die Betrachtenden durch die Irritation zum Nachdenken über all diese Themen bringen und zu Diskursen anregen. Das Artensterben und der Insektenschwund sind hochaktuell, eine Million Tierarten sind vom Aussterben bedroht. Und ich interessiere mich für die Natur, ich bin viel draußen unterwegs, vor allem im Stadtraum, auf Brach­ flächen, wo die Natur sich ihren Raum (zurück-)erobert. Hier finde ich Inspiration für meine Kunst und hier treffe ich die Bewohnerinnen und Bewohner, die heimischen Vögel oder auch mal einen … Fuchs.

ARTMAPP: Die Ausstellung in der Städtischen Galerie Offenburg bietet 9 Räume auf 400 qm, dazu kommt Fläche im Außenraum. Wir wollen ja Deine Vielfalt zeigen. Wie läuft die Konzeptfindung? MG: Die Ausstellung in Offenburg wird meine bisher größte in einem Museum sein. In so vielen großzügigen Räumen kann man sich gut ausbreiten und auch mal Luft dazwischen lassen. In der Planung haben wir versucht die ganze Band­ breite zu zeigen und thematische Schwerpunkte zu setzen. Das Spektrum reicht von kleinen Collagen, über Objektkästen bis hin zu 3 Meter hohen Skulpturen. In den letzten Jahren ist sehr viel entstanden. Die früheste Arbeit, die zu sehen sein wird, ist ein Videofilm aus meiner Studienzeit in Dresden. Viele Arbeiten habe ich aber auch extra für die Ausstellung angefertigt. Ich freue mich sehr darauf, alles an einem Ort zu versammeln. In der Ausstellung wird es übrigens auch einen Bereich geben, in dem die Besucher eingeladen sind kreativ zu werden und selbst kleine Skulpturen zu gestalten. 1 2 . Dezember 202 1 bis 8. Mai 202 2 MAT T HIA S GA R FF Städt ische Galer ie Of fenburg www. gale r ie - of fe nburg. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — P O R T R Ä T

ARTMAPP: Bei den Insektenkästen nimmst du ja deutlich Bezug zu Präsentationsformen aus dem Bereich der Naturkunde. Geht es dir hierbei auch um die Irritation der Betrachtenden? Und: Beschäftigst du dich mit Themen wie Artensterben oder dem Umgang der Menschen mit Natur?


GARFF  EDITION

„Blaumeise (Porträt)“, 2019

„Buchfink (Porträt)“, 2019

„Rotkelchen (Porträt)“, 2019

„Goldammer (Porträt)“, 2019


Selbstporträts, Fotografie, je 60 x 60 cm, signiert, gerahmt, nummeriert Limitierte Editionen, Auflage 10, je 900 € zzgl. Versand

„Kohlmeise (Porträt)“, 2019

M AT T H I A S GA R F F

SKULPTUREN UND OBJEK TE

Bestellungen bei ARTMAPP an garff@artmapp.net Herausgeber & Courtesy: Galerie Tammen, Berlin

GA R F F. D E


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Matthias Bitzer, „Paradoxe Ecke“, 2019, Sammlung Klein

M at t h i a s Bit z e r i n de r K u n st h a l le G öppi n g e n

Der Zauberer Der Titel, den der in Berlin lebende Matthias Bitzer (* 1975) für seine Ausstellung in der Kunsthalle Göppingen erfunden hat, setzt unmittelbar die Maschinerie heterogener Vorstellungswelten in Gang, die so charakteristisch für seine Bildarbeiten ist. Schnell scheint zwar geklärt, dass es sich bei „Vertigogue“ um die Zusammenziehung der Worte „Vertigo“ und „Gogue“ handelt, also eines medizinischen Terminus für Schwindel mit der Bezeichnung aus dem Pferdesport für einen Teil des Zaumzeugs. Doch da ist es bereits zu spät! Die davongalop­ pierenden Imaginationsketten führen unwillkürlich in vollkommen verschiedene Richtungen. Hinter dem aus der Mode geratenen Möbelstück lugt listig Alfred Hitchcock ­hervor und zahlreiche andere Gestalten aus der jüngeren ­Kulturgeschichte – prominente wie auch halbvergessene Künstlerinnen und Künstler, Dichter und andere Zauberer – tänzeln à gogo durch den von Matthias Bitzer eingerichteten Ausstellungsparcours.

Schon auf dem Treppenaufgang der Göppinger Kunsthalle sind die Besucherinnen und Besucher mit einem exempla­ rischen Auszug aus dem seit einigen Jahren entstehenden umfassenden Werkkomplex der kleinerformatigen „Phosphor Notes“ konfrontiert. Den antiken Hypomnemata verwandt – einer Art altgriechischer Notizbücher –, sind hier dicht an dicht Zeichnungen, überarbeitete Porträtfotos, ­philosophische Zitate, Ausrisse aus Zeitungen und andere Fundstücke miteinander kombiniert. Der überzeitliche ­P arforceritt durch die Geistesgeschichte zurückliegender Epochen trifft unversehens auf die persönliche Biografie des Künstlers: Nicht ausgeschlossen, dass ein hier angeführter Aphorismus nicht etwa, wie vermutet, aus dem 19. oder 20. Jahrhundert stammt, sondern von Matthias Bitzer selbst verfasst wurde.


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So wie die geschilderte Treppensituation vorsätzlich die Anschauung des Vielen und des Ganzen erschwert, so untersucht Matthias Bitzer auch im weiteren Verlauf der Ausstellung die unterschiedlichen Methoden menschlicher Wahrnehmung. Anamorphe Wandmalereien und andere inszenierte Raumillusionen stellen zur Disposition, was Wirklichkeit oder Fiktion ist, Fake oder Sinnestäuschung. Die Porträtköpfe sowohl von historisch belegten Persönlichkeiten als auch von allerhand Fantasiegestalten lösen sich in konstruktivistische oder kubistische Abstraktionen auf. – Oder umgekehrt gesehen: Es formieren sich aus den diffus geometrisierenden Fraktalen, aus denen der Kosmos besteht, individuelle Physiognomien von Figuren wieder zurück, verschichtet und verschüttet unter den zahllosen Sedimenten der eigenen und fremder Erinnerungen und Einbildungskräfte.

In ein grell verschlungenes Lampengebilde schließlich ­ erwandelt, dient aber das „Gogue“ – entgegen seiner v ­u rsprünglichen Bestimmung – nicht mehr dem Bezähmen des Kopfes eines Tiers. Im Gegenteil: Weg vom manipulativ dressierten Menschsein strebend, lösen die Arbeiten Matthias Bitzers immer nur weitere optisch-visuelle Schwindelanfälle im besten Sinn aus. Zwischen unlösbaren Zaubern und Rätseln werden die Parameter menschlicher Existenz und ihrer Identität damit ständig neu hinterfragt. CLEMENS OT TNAD

Bis 16. Januar 202 2 M a t t h i a s B i t z e r. Ve r t i g o g u e www. k unsthalle-goeppingen. de

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — A U S S T E L L U N G

Matthias Bitzer, „The Transcendentalist“, 2018


Die Neuen Leipziger kommen » Werke aus der VNG-Kunstsammlung bei der EnBW Ausstellung: 28. Oktober bis 31. Dezember 2021 EnBW-Konzernsitz, Durlacher Allee 93 76131 Karlsruhe 10. Januar bis 10. März 2022 EnBW City, Schelmenwasenstr. 15 70567 Stuttgart jeweils montags bis freitags (an Werktagen) geöffnet von 10:00 bis 18:00 Uhr Eintritt frei! www.enbw.com

Claudia Rößger: o.T. (Das Segel), 2004 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


P ngpong Ein Kooperationsprojekt des Freiburger Museums für Neue Kunst und der Kunststiftung Baden-Württemberg 24.09.–28.11.2021 Weitere Infos unter: www.kunststiftung.de www.freiburg.de/ping-pong

Alina Schmuch Anike Joyce Sadiq Ephraim Wegner Erik Sturm Erik Wunderlich Gin Bahc Georg Lutz Havin Al-Sindy Jakob Obleser Jan F. Kurth Jonny König

Mit großem Dank an Frau Renate Reichert

Katarina Baumann Katrin Ströbel Martin Pfeifle Niko Seibold Simon Pfeffel Sophie Innmann Vera Sebert Volker Engelberth

Gefördert von:

KEIN TAG OHNE

Werke aus der Sammlung Marli Hoppe-Ritter 7.11.2021—24.4.2022 Museum Ritter Waldenbuch museum-ritter.de Vera Molnar, A dieu Knifer, n° 25, 2005, (Detail) © VG Bild-Kunst, Bonn 2021, Foto: Franz Wamhof


art Karlsruhe / 17.–20.02.2022 Halle 2 / Contemporary Art 21 Stand P07 / M22 one artist shows SABINE BECKER STEFAN BIRCHENEDER MARITA DAMKRÖGER MICHAEL LAUTERJUNG ANDREAS SCHOLZ brouwer-edition.com

Michael Lauterjung „Einzelne Himbeere“, 2019 Acryl, Lack, Leinwand, Öl auf Holz 92 x 86 cm


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ABSOLUT CUBA Raúl Cañibano Mit einem Essay von Leonardo Padura Fuentes

Edition Lammerhuber 192 S. 100 Fotos 17 x 23,5 cm Hardcover, in Leinen gebunden, „French Fold“-Schutzumschlag EUR 59 ISBN 978-3-903101-80-7 Dt./Engl./Span.

Raúl Cañibano, „Playita de Cajobabo“, 2005

Schöner, klüger und sinnlicher kann man das Lebensgefühl der größten Insel der Karibik nicht fotografieren! „ Alle zeigen sich, wie sie sind, liefer n sich – auch wenn sie sich dessen nicht bewusst sind – dem Blick des Künstlers gan z e infach in ihre r komple xe n E x i ste n z au s, e rlaube n un s de n Blick in ihr Inne res und e nthülle n so de n Me n sche n in sich . U m i h r B i l d z u k o n k r e t i s i e r e n , b ra u c h t C a ñ i b a n o n u r s i e s e l b s t u n d e i n b i s s c h e n L i c h t . N i c h t m e h r u n d n i c h t w e n i g e r.“ L E O N A R D O PA D U R A F U E N T E S

1961 in Havanna geboren, begann Raúl Cañibano sich erst spät autodidaktisch mit Fotografie zu beschäftigen. Durch die Auseinandersetzung mit den Werken der großen Meister der Malerei formte er seinen eigenen – wie er sagt – „irgendwie surrealistischen Stil“. Seine Arbeiten werden weltweit in M ­ agazinen gedruckt und in den wichtigsten Fotografie­ museen wie dem International Center of Photography (icp) in New York und bei den renommiertesten Festivals wie den „Rencontres de la photographie d’Arles“ gezeigt. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Grand Prix für kubanische Fotografie. Leonardo Padura Fuentes gehört zu den erfolgreichsten Schriftstellern Kubas, der den kubanischen Kriminalroman von Grund auf erneuert hat. Raúl Cañibano, „Chambas“, 2017

„This book is amazing. I mean, AMAZING!“, sagt Fotografiespezialist Bill Shapiro, der für E s qu i r e , Va n i t y F a i r oder T h e N e w Yor k T i m e s M ag a z i n e schreibt, über das Buch.

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — M E D I E N T I P P S

ABSOLUT CUBA ist Raúl Cañibanos Liebeserklärung an ­seine Heimat, eine Auswahl von 100 Aufnahmen aus seinem fotografischen Werk aus fast drei Jahrzehnten. Sein über­ raschender und so unglaublich genauer Blick wie sein empathischer Intellekt lassen ihn dort Momente festhalten, wo scheinbar schon alles bekannt ist – im ganz normalen Alltag des urbanen Lebens ebenso wie draußen auf dem Land. Das macht ihn zu einem der begnadetsten Fotografen Lateinamerikas. Seine Bilder sind identitätsstiftend und wahrhaftig. Sie sind voll Tradition, Glück, Tragödie und Magie.


Da steht ein Mensch / There stands human being Tina Heuter Hrsg.: mianki.Gallery, Berlin, Text von Dr. S. Ziegenrücker Im Zentrum des Werks von Tina Heuter steht der Mensch. Seit über einem Vierteljahrhundert arbeitet die Künstlerin an Ausdrucksformen, die seine Existenz erfassen, und entdeckt das alte Thema der Bildhauerei immer wieder von Neuem: der Mensch als Akrobat, als Engel, im Alltag, mit Tier oder als klassische Standfigur. So unterschiedlich der Blick auf den Menschen sein kann, so variantenreich ist das Bild von ihm, das sie in ihren Plastiken formt. Der Katalog wird gefördert von NEUSTART KULTUR – STIFTUNG KUNSTFONDS.

Paula Modersohn-Becker Die Malerin, die in die Moderne aufbrach Uwe M. Schneede Paula Modersohn-Becker (1876–1907) war eine der großen, singulären Künstlerinnen der Moderne. Mutig ging sie, allein auf sich gestellt, als Frau ihren Weg – lernte Paris und seine Kunst kennen und wurde mit ihren intensiven und ausdrucksstarken Bildern zu einer Wegbereiterin der deutschen Avantgarde. mianki.Verlag Andreas Herrmann 104 S. 130 Farbabb. 22 x 26 cm Softcover EUR 25 (D) ISBN 978-3-949445-05-7 Dt./Engl.

Verlag C.H.BECK 240 S. 120 Abb. 17 x 24 cm Leinen EUR 29,95 (D) ISBN 978-3-406-76045-7 Dt.

Blüten und Neumond, Gebet und Portraits Malerei und Zeichnungen Marlis E. Glaser Eigenverlag Marlis E. Glaser 102 S. 121 Farbabb. 30 x 21 cm Hardcover EUR 18 (D) ISBN 3-924922-75-6 Dt./Eng.

Anlässlich des Jubiläums „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ erscheint dieser Katalog mit aktuellen Malereien und Zeichnungen der Künstlerin Marlis E. Glaser, darunter Bilder zu jüdischer Tradition, mit ­B ezügen zu hebräischen Handschriften und Porträts historisch bedeutsamer jüdischer Frauen. Mit Texten von Rabbiner Dr. Tom Kučera, Rabbinerin Dr. Ulrike Offenberg, Sylvia Dym. Vertrieb durch die Galerie Schrade, Schloss Mochental.


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100 Tage Lockdown Daniela Walther, Yvonne Weber-Sturm, ­ Viktoria Hellriegel, Isabella Schnürle, Ute Lieser, Karl Stangenberg, Roland Held Lockdown, das Museum muss schließen! Und plötzlich war das ganze Team zur Untätigkeit verurteilt. Nicht mit uns, meinte die hoch motivierte Crew des Museum Stangenberg Merck und präsentierte jeden Tag einen neuen Beitrag im Internet. Die ersten 100 Tage des „virtuellen Museums“ sind in diesem Buch zusammengefasst. Hier finden Sie viele bislang nicht ­veröffentlichte Informationen, Sie sehen Bilder aus den Privat­ alben der Künstlerin Heidy Stangenberg-Merck und begleiten sie ein Stück weit ihres Lebens.

Orlandus Verlag 260 S. 556 Abb. 30 x 21 cm Gebunden EUR 25 (D) ISBN 978-3-936237-43-6 Dt.

Ein Leben für die Avantgarde Die Geschichte von Gabriële Buffet Picabia Anne Berest, Claire Berest Die 27-jährige Gabriële Buffet – Musikerin, Freigeist und als Feministin ihrer Zeit weit voraus – trifft auf Francis ­P icabia, einen erfolgreichen jungen Maler mit skandal­t rächtigem Ruf. Gabriële wird an seiner Seite zur „Frau mit dem erotischen Gehirn“, der die Männer zu Füßen liegen, unter ihnen Marcel Duchamp und Guillaume Apollinaire. Claire und Anne Berest erinnern mit diesem hinreißenden Porträt an die Lebensgeschichte ihrer Urgroßmutter.

Weltkulturerbe Trierer Dom Einblicke in Deutschlands älteste Kathedrale Gesehen von Gerd Detemple Erstmals wird hier eines der bauhistorisch spektakulärsten Bauwerke nördlich der Alpen mit seiner hochwertigen Ausstattung in einem großformatigen Bildband ­d okumentiert. Die Fotografien gehen nahe an die ­O bjekte heran, eröffnen Perspektiven, zeigen die dichte Atmosphäre des Raums und jeden sonst nicht ­z ugänglichen Winkel des Komplexes. Begleitende ­A ufsätze vermitteln Hintergrundwissen zu diesem ­e indrucksvollen Bau.

Aufbau Verlag Übersetzt von Annabelle Hirsch 302 S. Mit Abb. Gebunden, mit Schutzumschlag EUR 22 (D) ISBN 978-3-351-03855-7 Dt.

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — M E D I E N T I P P S

Verlag Schnell & Steiner 192 S. 14 Abb. s/w, 196 Farbabb. 30 x 32 cm Hardcover, fadengebunden EUR 50 (D) ISBN 978-3-7954-3618-6 Dt.


BIBLIOPHILE NEUERSCHEINUNG

Umschlagabbildungen obere Reihe: Paul Klee, Judith Hopf, Ernst L. Kirchner; untere Reihe: Katharina Grosse, Edvard Munch, Rainer Fetting

Haben Maria Lassnig, Katharina Grosse, Anselm Kiefer und Alberto Giacometti in ihren Kindertagen gezeichnet – und blieben diese „Werke“ erhalten? Griffen Edvard Munch, Ernst Ludwig Kirchner, Paul Klee und Max Beckmann zu Pinsel und Stift, als sie noch bei ihren Eltern lebten? Und nahm vielleicht schon hier etwas Gestalt an, das auf eine alles überragende Begabung verwies? Ungelöste Fragen. Erstmals gestellt. Gerd Presler, Autor

168 Seiten, 48 €, bibliophile Rarität, deutsch/englisch Auflage: 95 Exemplare, signiert, nummeriert ISBN 978-3-00-069585-8, bestellung@presler.de

presler.de


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Werner Berges Neues Werkverzeichnis der Druckgrafik und Auflagenkunst Hrsg.: DavisKlemmGallery, Wiesbaden

Isensee Verlag 272 S. 925 Abb. 21 x 29,7 cm Broschur EUR 48 ISBN 978-3-7308-1848-0 Dt.

Beginnend mit Werner Berges’ (1941–2017) ersten zarten ­a bstrakten Radierungen umspannt das Werkverzeichnis sechs Jahrzehnte seines Schaffens und zeigt, wie der Künstler insbesondere die Frau und die weibliche Figur – mal mit ­Streifen und Rasterpunkten, mal skizzenhaft und silhouettenartig − nachzeichnete. Unter dem Titel „Die Würde des Mannequins ist unantastbar“ schreibt die Kunstjournalistin

Dorothee Baer-Bogenschütz, „wie Werner Berges in der ­jungen Bundesrepublik Frauenemanzipation und Vielfalt auffasst und eine deutsche Pop-Art-Variante etabliert. [...] Er ist der Chronist e­ ines Lebensgefühls und betrachtet die Nachkriegszeit und -gesellschaft im Spiegel ihres Verlangens nach Eleganz und Schick, aber auch vor dem Hintergrund ihrer Straßenschlachten und des politischen Aufbruchs.“ Das Werkverzeichnis, das unter der wissenschaft­ lichen Leitung der Kunsthistorikerin Dr. Antje Lechleiter zum 80. Geburtstag des Künstlers entstanden ist, verzeichnet ­E ditionen und Ausstellungsplakate aus den Jahren 1961 bis 2021, inklusive sechs vom Nachlass autorisierter Editionen, die zwischen 2018 und 2021 erschienen sind. Dazu gehören zwei mehrfarbige Siebdrucke, die als Vorzugsausgaben zum Werkverzeichnis veröffentlicht werden.

Werner Berges, „Geraldine“, 2021, Siebdruck in vier Farben, 70 x 50 cm, Prägesignatur und Nachlassstempel, hand­ signiert von Annett-Maria Berges, Auf lage 80 + 8 AP, Subskriptionspreis 580 Euro (inkl. Werkverzeichnis) Buch und Vorzugsausgaben können bei der DavisKlemmGallery, Wiesbaden, bestellt werden. info@davisklemmgallery.de

Werner Berges Edition „berges“, 2021 © Gregor Zawadzki, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2 — M E D I E N T I P P S

Werner Berges, „berges“, 2021, Siebdruck in drei Farben, 26 x 20 cm, Prägesignatur und Nachlassstempel, hand­ signiert von Annett-Maria Berges, Auf lage 180 + 18 AP, Subskriptionspreis 280 Euro (inkl. Werkverzeichnis)


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Aschaf fenburg

Bietigheim- Bissingen

Chemnitz

Kirchners Badende Einheit von Mensch und Natur Bis 16.1.2022 KirchnerHAUS Museum Aschaffenburg

Japonismus 2.0 Landschaft im Zeichen Japans Bis 6.2.2022 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen

Relax, it‘s only paranoia Stefan Vogel 5.12.2021 – 13.2.2022 Kunstsammlungen Chemnitz

Der badende, sich in Einheit mit der Natur fühlende Mensch veranschaulicht einen zentralen Aspekt im Werk Ernst Ludwig Kirchners und zeugt von der faszinierenden Fähigkeit des Expressionisten, sein künstlerisches Schaffen immer wieder neu zu erproben und zu erfinden. Mit Gemälden und Arbeiten auf Papier präsentiert das Museum im Geburtshaus des Künstlers „Kirchners Badende“ – von seinen Anfängen, den Badeszenen in den Ateliers, über die Badenden an den Moritzburger Teichen, auf der Ostseeinsel Fehmarn und, nach dem Ersten Weltkrieg, an den Gebirgsbächen von Davos. Die monumentalen ­W andgemälde, die Kirchner 1916 im Sanatorium Dr. Kohnstamm in Königstein/Taunus in Erinnerung an die glücklichen Aufenthalte auf Fehmarn malte, bevor sie in nationalsozialistischer Zeit zerstört ­w urden, werden in Zusammenarbeit mit der TH Aschaffenburg erstmals farbig und in Original­ größe in einem „Kirchner-Kubus“ am Hauptbahnhof von Aschaffenburg zu neuem Leben erweckt. ☞ KirchnerHAUS Museum Aschaffenburg Di–Fr 14–17 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Ludwigstraße 19, 63739 Aschaffenburg T +49 (0) 6021 5809250 www.kirchnerhaus.de

Groß war die Begeisterung, als im 19. Jahrhundert japanische Kunst nach Europa gelangte. Insbesondere in Frankreich ließen sich Künstler wie Claude Monet, Paul Gauguin und Vincent van Gogh von den Stil­ mitteln des japanischen Farbholzschnitts inspirieren. Auch Jugendstil und Expressionismus sind ohne diesen Einfluss undenkbar. Die Ausstellung „Japonismus 2.0“ präsentiert Werke sechs zeitgenössischer Künstler*innen, die von japanischer Kultur fasziniert sind und dabei stets das Phänomen des Japonismus’ ­m itreflektieren. So bezieht sich Sven Drühl in seinen Lack- und Silikongemälden auf japanische Holz­ schnitte der 1920er-Jahre, die ihrerseits wiederum Elemente westlicher Landschaftsdarstellung integriert hatten. Der Künstler thematisiert auf raffinierte ­W eise die gegenseitige kulturelle Beeinflussung, wie es auch die ausgestellten Zeichnungen, Fotografien, Videos und Installationen von Edgar Honetschläger, Raffi Kaiser, Thomas Neumann, Hans-Christian Schink und Fiona Tan veranschaulichen. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr, Sa/So/Feiertag 11–18 Uhr Hauptstraße 60 - 64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 7142 74-483 galerie.bietigheim-bissingen.de

Die Kunstsammlungen Chemnitz zeigen ab Dezember die erste Museumsausstellung des in Leipzig arbei­ tenden Künstlers Stefan Vogel. In „Relax, its only Paranoia“ inszeniert er die Ausstellungsräume in Form eines Kellers mitsamt seiner rohen Materialität neu. Diese artifiziellen Räume, in die Erinnerungen und unvollendete Projekte eingelagert sind, sollen vom Publikum erfahren und durchlaufen werden, um so dem Unrat des Unabgeschlossenen und Gescheiterten zu begegnen. Der Keller ist die Schädelstätte der verdrängten, missglückten Entwürfe, der Untergrund der enttäuschten Hoffnungen auf ein besseres Leben in der Utopie eines eigenen Heims. Doch wie alles Verdrängte führt auch die Enttäuschung ein Eigen­ leben. Um dieses Leben in Szene zu setzen, hat ­S tefan Vogel eine Raum-in-Raum Konstruktion ­g ewählt, welche die Ausstellungsfläche vollständig auskleidet und in einen Keller verwandelt. ☞ Kunstsammlungen Chemnitz Di/Do–So/Feiertag 11–18 Uhr, Mi 14–21 Uhr geschlossen 24./31.12. Theaterplatz 1, 09111 Chemnitz T +49 (0) 371 4884424 www.kunstsammlungen-chemnitz.de

Ernst Ludwig Kirchner, „Drei Badende an Steinen“, Fehmarn, Farblithografie, 1913, © bpk/Städel Museum, Frankfurt am Main 2020

Sven Drühl, „HY 2015”, Museum DKM, Duisburg © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Stefan Vogel, „Chi sa chi sa chi sa“, 2018, Syker Vorwerk, Installationsansicht, verschiedene Medien, Foto: Tobias Hübel, Courtesy: Stefan Vogel und Jahn und Jahn, München © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


Eb erdingen - Nus sdor f

Friedberg

EFIE. The Museum As Home. Kunst aus Ghana 10.12.2021 – 6.3.2022 DORTMUNDER U Zentrum für Kunst und Kreativität

Zwischenzeit Bis 19.12.2021

Augenblicke. Zeit in der Kunst Bis 20.2.2022 Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg

Das Dortmunder U präsentiert eine von der Kunst­ wissenschaftlerin Nana Oforiatta Ayim kuratierte Ausstellung zeitgenössischer Kunst aus Ghana. Die Ausstellung greift die Idee eines enzyklopädischen Museums auf, die in der Vergangenheit auf dem westlichen Blick auf andere Kulturen beruhte. In den letzten Jahren wurde diese eurozentrische Betrachtungsweise zunehmend hinterfragt und die westliche Perspektive wurde um eine globale erweitert. Nana Oforiatta Ayim greift diesen Diskurs auf und setzt am Beispiel Ghanas den eigenen Blick in den Fokus. Die Schau ist die erste Ausstellung in Deutschland, die diesen Diskurs um Ghanas zeitgenössische Kunst und Kulturgeschichte präsentiert und damit eine hochaktuelle Debatte in der Kunstwissenschaft aufgreift. Die Ausstellungsarchitektur wird der renommierte ghanaische Architekt DK Osseo-Asare entwickeln. Mit Arbeiten von Afroscope, Diego Araúja, Rita Mawuena Benissan, Kwasi Darko, Kuukua Eshun, Na Chainkua Reindorf und Studio Nyali. ☞ DORTMUNDER U Zentrum für Kunst und Kreativität Di/Mi/So/Feiertag 11–18 Uhr, Do–Sa 11–20 Uhr Leonie-Reygers-Terrasse, 44137 Dortmund T +49 (0) 231 50-24723 www.dortmunder-u.de

Die vertauschten Köpfe Andreas Mühe. Konrad Mühe 23.1.2021 – 24.4.2022 KUNSTWERK Sammlung Klein Noch bis zum 19. Dezember 2021 zeigt die Hängung #23 „Zwischenzeit“ rund 20 künstlerische Positionen aus der Sammlung Klein, die im Zusammenklingen ein Lebensgefühl der Zeit reflektieren. Die folgende Ausstellung „Die vertauschten Köpfe“ konzentriert sich ab 23. Januar 2022 auf Werke von Andreas und Konrad Mühe. Die beiden Brüder präsentieren im KUNSTWERK erstmals ein gemeinsames Projekt. Den Hintergrund bildet dabei die Geschichte ihrer Familie, in aufbauender Rückwendung betrachtet ausgehend von den prominenten Eltern, dem 2007 verstorbenen Schauspieler Ulrich Mühe und der Theater­r egisseurin Annegret Hahn. In einem Comic zeichnen die beiden Künstler biografische und gesellschaftspolitische Aspekte der Familiengeschichte nach. Über die Selbstvergewisserung der gemein­ samen Wurzeln gehen Andreas Mühe in seinen ­F otografien sowie Konrad Mühe in seinen figurativ anmutenden Videoskulpturen jedoch hinaus, indem sie die Bedingungen von Identitätskonstruktionen in mehrfacher Hinsicht hinterfragen. ☞ KUNSTWERK Sammlung Klein Mi–Fr/So/Feiertag 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 sammlung-klein.de

Das Phänomen „Zeit“ ist für alle Menschen eine ­p rägende Erfahrung. Was aber ist Zeit? – Mit dieser großen Frage haben sich von jeher ­b ildende Künstler auseinandergesetzt. Welche unterschied­lichen Aspekte sie herausge­ arbeitet haben, soll die Ausstellung an ausgewählten Kunstwerken vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart vorführen. Dabei werden Arbeiten regional ­b edeutsamer Künstler ebenso präsentiert wie von international renommierten Meistern, darunter Max Beckmann (1884−1950), Tony Cragg (geb. 1949), Salvador Dalí (1904−1989) oder Philipp Otto Runge (1777–1810). Das Themenspektrum reicht von Tagesund Jahreszeitendarstellungen, über die Verbild­ lichung der menschlichen Lebensalter, über Chronos, die Personifikation der Zeit, bis hin zu Kunstwerken zur Apokalypse, der „Endzeit“. Wie Künstler mittels Fotografie versucht haben, zeitliche Abläufe fest­ zuhalten, bildet einen weiteren Aspekt der Schau, ebenso ausgewählte Positionen aktueller Kunst. Mit freundlicher Unterstützung von: Kulturfonds ­B ayern und der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern. ☞ Museum im Wittelsbacher Schloss Friedberg Di–So/Feiertag 10–17 Uhr geschlossen 24./31.12. Schlossstraße 21, 86316 Friedberg T +49 (0) 821 6002-681 www.museum-friedberg.de

Andreas Mühe, „Mühe Kopf O“, 2018, aus der Serie Mühe Kopf Kunst wissenschaftlerin Nana Oforiatta Ayim © Nana Oforiatta Ayim

© VG Bild-Kunst, Bonn 2021 Massimiliano Pironti, „Quo vadis?“, 2018, @Massimiliano Pironti

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Dortmund

TERMINE FÜR ENTDECKER

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Güstrow

Heilbronn

Jena

90 Jahre Atelierhaus Bis 20.2.2022 Ernst Barlach Museen Güstrow Atelierhaus in Güstrow

Fragile! Alles aus Glas. Grenzbereiche des Skulpturalen 18.12.21 – 15.5.2022 Kunsthalle Vogelmann

Friedrich Kunath. I’ll Try To Be More Romantic 11.12.2021 – 6.3.2022 Kunstsammlung Jena

Auf dem Zenit seines Erfolgs ließ sich Ernst Barlach (1870–1938) ein repräsentatives Atelierhaus am Ufer des Inselsees errichten. Anlässlich des neunzigjährigen Bestehens dieses einzigartigen Baudenkmals präsentieren die Ernst Barlach Museen Güstrow im Rahmen einer großen Sonderausstellung die wechselvolle Geschichte des Atelierhauses im Spiegel seiner Zeit. Von ersten Entwurfszeichnungen über die ­B auphase bis hin zur privaten und schließlich öffent­ lichen Nutzung versammelt die Ausstellung eine ­V ielzahl mitunter ungesehener Zeitdokumente. ☞ Ernst Barlach Museen Güstrow Atelierhaus in Güstrow Di–So/Feiertag 11–16 Uhr Heidberg 15, 18273 Barlachstadt Güstrow T +49 (0) 3843 84400-0 www.barlach-museen.de

Die Ausstellung rückt explizit die bildhauerische Emanzipation des Materials Glas in den Fokus. Dabei wird der „Kult des Kristallinen“ mit Brunos Tauts Glashaus (1914) ebenso anschaulich wie die ­v isio­n ären Architekturphantasien der „Gläsernen ­K ette“ um Hermann Finsterlin, Wenzel Hablik oder Hans Scharoun. Zugleich wird das Ringen um die ­o rnamentbefreite skulpturale Form von Gebrauchsglas in den Entwürfen von „Allroundern“ wie Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Josef Hoffmann oder Wilhelm Wagenfeld zum Thema. Knüpfen konzeptuell-­k onkrete Künstler wie Larry Bell oder Barry Le Va in den 1960er-Jahren an das „Große Glas“ (1915) von Marcel Duchamp an, wagen sich fast ­z eitgleich e­ rstmals Altmeister wie Max Ernst oder Hans Arp an das Material und Harvey F. Littleton und Erwin Eisch begründen die sogenannte Studioglas­ bewegung. V­ ielstimmig erscheint die „feste Flüssigkeit“ in der Gegenwartskunst mit Werken u. a. von Asta Gröting, Isa Melsheimer, Tony Cragg, Mona Hatoum oder ­B ethan Huws. ☞ Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/Feiertag 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 7131 564420 www.museen-heilbronn.de

Friedrich Kunath ist 1974 in Chemnitz geboren, in Berlin aufgewachsen und lebt seit mehr als fünfzehn Jahren in Los Angeles. In seinem künstlerischen Werk, das neben Malerei auch Skulpturen, Installationen, Filme und Musik umfasst, sind Sehnsucht, Einsamkeit, Euphorie und Furcht die wiederkehrenden Themen. Er durchspielt mühelos alle Genres der Gegenwartskunst und findet zu bildnerischen Formen, die an jenes „Fest von Witz, Laune und Philosophie“ ­e rinnern, welches Ludwig Tieck bei den Jenaer ­R omantikern bemerkt hat. Für Friedrich Kunath ist die Romantik eine Erinnerung an die ferne Heimat und vielleicht trägt die Ferne dazu bei, Friedrich Schlegels ästhetisches Grund­ prinzip der romantischen Ironie aufzurufen. Die Nähe von Schöpfung und Abgrund, die Schlegel als dialektisches Prinzip beschrieben hat, offenbart sich bei Kunath als doppelter Boden, der die Heiterkeit seiner Werke wie ein Schatten begleitet. ☞ Kunstsammlung Jena Di–So 10–17 Uhr Markt 7, 07743 Jena T +49 (0) 3641 498250 www.museen-jena.de

Atelier Ernst Barlachs (Detail) um 1931, Foto: Berthold Kegebein © SLUB Dresden, Deutsche Fotothek, Berthold Kegebein Kai Schiemenz, „Crystal Chamber“, 2013, Sammlung Kemmler, Stuttgart, Foto: Galerie EIGEN & ART Berlin

Friedrich Kunath: „I’ll Try To Be More Romantic“, 2019, Acrylic on canvas, Courtesy: the artist and KÖNIG GALERIE, Berlin, London, Seoul


Kaiserslautern

Kornwestheim

Künzelsau

Finale – Director’s Cut Einblicke in das Wachsen einer Sammlung 27.11.2021 – 8.5.2022 Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

René Wirths Time is on my side Bis 23.1.2022

Geometrie – Wahrnehmung – Einfühlung Lun Tuchnowski in der Sammlung Würth Bis 9.1.2022 Museum Würth

Finale – im Fußball wäre es ein Endspiel, für das mpk ist es eine fulminante Ausstellung über mehr als ­e inhundert Ankäufe und Schenkungen der letzten drei Jahrzehnte. Die Schau würdigt die Leistung von Britta Buhlmann, die als Direktorin zwischen 1994 und 2021 die Kunstsammlung des Museums ausgebaut und entscheidend geprägt hat. So wurde die Klas­ sische Moderne mit bedeutenden Werken von Otto Dix, Hermann Scherer und Carl Buchheister verstärkt, die Skulpturenabteilung um wichtige Positionen von François Morellet, Karin Sander, Kiki Smith und anderen ergänzt sowie ein neuer Sammlungsbereich mit Arbeiten amerikanischer Künstler*innen wie Carmen Herrera, Charles Pollock und Richard Pousette-Dart etabliert. Die Werkauswahl lag in den Händen von Britta Buhlmann: Zum Abschied ein Director’s Cut. Dieser geht nun durch die Hände des Teams. Man darf gespannt sein, wie sie 1,3 Millionen Sandkörner, leuchtende Neonröhren oder stimmungsvolle ­L andschaften miteinander ins Spiel bringen. ☞ Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Di 11–20 Uhr, Mi–So/Feiertag 10–17 Uhr geschlossen 24./25./31.12./1.1. Museumsplatz 1, 67657 Kaiserslautern T +49 (0) 631 3647201 www.mpk.de

Helden des Südwestens Kultprodukte und Werbeikonen aus Baden-Württemberg Bis 26.6.2022 Museum im Kleihues-Bau Im postmodernen Ausstellungshaus des Kleihues-Baus in Kornwestheim treten faszinierende Ausstellungen in einen spannenden Dialog. Die meisterhaften Werke des in Berlin lebenden Künstlers René Wirths zeigen realistisch gemalte Motive des täglichen Lebens, die vor einem neutral weißen Hintergrund überlebensgroß abgebildet werden. Sein analytisch beobachtender Blick gilt dem Ding „an sich“ und so entstehen im Atelier faszinierende und überraschende Objekt-­ Portraits. Wer aus dem Südwesten Deutschlands kommt, wird besonders die Ohren spitzen, wenn über Steiff-Plüschtiere oder den Getränke-Klassiker Caro-­K affee gesprochen wird – schließlich handelt es sich bei diesen Kultprodukten um Marken mit dem Label „Made in Baden-Württemberg“. Neben diesen ­E rrungenschaften bekommt auch der Salamander-Held Lurchi einen besonderen Platz im Museum. Die Ausstellung ermöglicht einen nostalgischen Blick auf die eigene Kindheit. ☞ Museum im Kleihues-Bau Fr–So 11–18 Uhr Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim T +49 (0) 7154 202-7401 museum-kleihues-bau.kornwestheim.de

Mit der retrospektiven Ausstellung würdigt das ­M useum Würth einen Künstler, der sich in vielerlei Hinsicht um die Sammlung Würth verdient gemacht hat und letztlich so eng wie wohl kein Zweiter mit ihr verbunden war. Lun Tuchnowski (1946–2018). Der Bildhauer, der lange in München lebte und hier sein Atelier hatte, führt in seinen Skulpturen zwei unterschiedliche bildhauerische Auffassungen des 20. Jahrhunderts zusammen: Geometrisch orientierte Formen gehen eine Synthese mit figurativen Formen ein. Grundmaterialien in seinem Werk sind vornehmlich Metalle, aber auch Holz, Beton, Kunststoff und Gips werden variantenreich verwendet. Eindrucksvoll halten seine Arbeiten die fragile Balance zwischen Ruhe, Kraft und Dynamik. Gezeigt werden über 200 Skulpturen, Gemälde und Zeichnungen, die den Stationen des beeindruckenden gesamtkünstlerischen Wirkens Tuchnowskis folgen. ☞ Museum Würth Mo–So 11–18 Uhr, 25./26.12./ 1.1. 12–17 Uhr geschlossen 24./31.12. Reinhold-Würth-Straße 15, 74653 Künzelsau T +49 (0) 7940 15-2200 www.kunst.wuerth.com

TERMINE FÜR ENTDECKER

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François Morellet, „Lunatique neonly 4 quarts n°5“, 2002 (Detail), Foto: mpk, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

„Lurchi“, Werbefigur der Firma Salamander, 1960er-Jahre, Stadtgeschichtliche Sammlung Kornwestheim

A R T M A P P   W I N T E R 2 0 21/ 2 2

Einblick in die Ausstellung, Foto: Julia Schambeck


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Künzelsau

Ludwigshafen

Memmingen

Weitblick Reinhold Würth und seine Kunst Seit 28.6.2020 Museum Würth 2 im Carmen Würth Forum

Denken wie ein Oktopus, oder: Tentakuläres Begreifen Bis 9.1.2022 Rudolf-Scharpf-Galerie

Jochen Plogsties: vor Tizian nach Monet Bis 6.2.2022 MEWO Kunsthalle

Mit rund 18.500 Werken zählt die an Vielfalt und Besonderheiten reich bestückte Sammlung Würth zu den großen deutschen Privatsammlungen und dokumentiert die persönliche Sicht des Sammlers Reinhold Würth auf die Entwicklungen der Kunst vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Kunst unserer Tage. „Weitblick“ folgt deshalb zwar sammlungsimmanent zentralen, jedoch keinen ausgetretenen Pfaden. ­V ielmehr ist sie das Ergebnis ausgedehnter samm­ lerischer Streifzüge durch die Kunstwelt der Moderne, die sich hier in drei Themenfeldern zusammenfügt: Aspekte der Abstraktion, Natur und Landschaft und schließlich Metamorphosen der Figur. Darunter sind Klassiker wie Max Beckmann, Pablo Picasso, Ernst Ludwig Kirchner, darüber hinaus Werke von Georg Baselitz, David Hockney, Anish Kapoor, Anselm Kiefer und von vielen anderen mehr. Sie alle sind Herz­ stücke der Sammlung Würth und verbinden den Sammler mit seiner Kollektion. Der weitläufige ­S kulpturenpark um das Carmen Würth Forum ist frei zugänglich. ☞ Museum Würth 2 im Carmen Würth Forum Mo–So 11–18 Uhr, 25./26.12./1.1. 12–17 Uhr geschlossen 24./31.12. Am Forumsplatz 1, 74653 Künzelsau T +49 (0) 7940 15-2230 www.kunst.wuerth.com

Versteht sich der Mensch bis heute als „Krone der Schöpfung“, der aufgrund seiner Fähigkeit zu Denken und zu Sprechen dem Tier überlegen ist und sich ­d aher Tiere und Natur Untertan machen darf, so ­v erfolgt die von Julia Katharina Thiemann kuratierte Ausstellung eine differenziertere Betrachtungsweise, einen Paradigmenwechsel im Tier-Mensch-Verhältnis. Anhand vielfältiger künstlerischer Arbeiten hinterfragt die Ausstellung und die begleitende Publikation das bisherige Tier-Mensch-Verhältnis. Am Sinnbild des hochintelligenten Oktopus’, dessen Denk- und Sinnes­ apparat grundsätzlich anders strukturiert ist als ­u nserer, werden Perspektivverschiebungen ästhetisch in den Raum gestellt. Beteiligte Künstler*innen: ­M onira Al Qadiri, Paulo Arraiano, Sarah Browne, Erik Bünger, Eli Cortiñas, Andreas Greiner, Klara Hobza, David Horvitz, Krõõt Juurak und Alex Bailey, Annika Kahrs, Gretta Louw ☞ Rudolf-Scharpf-Galerie Fr–So/Feiertag 11–18 Uhr geschlossen 24./31.12. Hemshofstraße 54, 67063 Ludwigshafen T +49 (0) 621 504-3045 www.wilhelmhack.museum

Jochen Plogsties spielt mit dem kollektiven Bild­ gedächtnis. Er malt Bilder von Bildern nach Bildern. Inspirationen zieht er aus den Werken alter Meister, den Postkarten davon oder den Darstellungen in ­M agazinen. Seine Arbeit lässt sich als Rücküber­ setzung in die Malerei umschreiben. Es geht Plogsties nicht um die exakte Wiedergabe, vielmehr werden die Motive in freiere Strukturen und Pinselstriche aufgelöst. Sie erzählen dennoch Geschichten, auch wenn sich diese nicht linear, sondern strukturell entwickeln – sie zugleich malerisch und bildlich sind. Plogsties’ freier Umgang mit den Formen lässt viele Assoziationsmöglichkeiten zu, die bewusst keine Antworten liefern. Assoziationen sind erwünscht, Interpretationen eher nicht. Diese Offenheit ist zugleich der Schlüssel, sich den Bildern anzunähern. Es finden sich weniger eindeutige Referenzen, als Ankerpunkte, die im Spiel der eigenen Vorstellungen und kollek­ tiven Erinnerungsmomente Halt bieten. ☞ MEWO Kunsthalle Di–So/Feiertag 11–17 Uhr geschlossen 24./31.12. Bahnhofstraße 1, 87700 Memmingen T +49 (0) 8331 850-771 www.mewo-kunsthalle.de

Monira Al Qadiri: „Divine Memory“, 2019, Filmstill

Einblick in die Ausstellung, Foto: Andi Schmid

Jochen Plogsties, „5_21 [Greta Thunberg] [Nach: Time Magazine, 27. Mai, 2019, Front Cover.]“, 2021 © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


Mettingen

Neunkirchen

Oberhausen

TOUCH 28.11.2021 – 27.2.2022 Draiflessen Collection

Stefanie Gerhardt. kopfüber himmelwärts 10.12.2021 – 20.2.2022 Städtische Galerie Neunkirchen im KULT. Kulturzentrum

UNVERÖFFENTLICHT – Die Comicszene packt aus! Strips and Stories – von Wilhelm Busch bis Flix Bis 16.1.2022

Was bis vor kurzem noch völlig alltäglich, ein selbstverständlicher Akt der menschlichen Begegnung war, ist dies plötzlich nicht mehr: die gegenseitige ­B erührung, die Umarmung oder der Handschlag zur Begrüßung. Diesen Moment und die Bedeutung dieser menschlichen Verbindung thematisiert der nieder­ ländische Künstler Daan Roosegaarde (*1979) in seiner eigens für die Draiflessen Collection ­e nt­w ickelten raumgreifenden Installation. In dem 4.300 m 3 fassenden Ausstellungraum des Museums hat Roosegaarde mit TOUCH ein interaktives Kunstwerk entstehen lassen, das die Besucher*innen beim Betreten in seinen Bann zieht, Verwunderung ent­ stehen lässt und ohne Worte zum Handeln auffordert und inspiriert. Dass unsere Wahrnehmung und Handlung gezielt auf diesen besonderen Akt der Verbindung gelenkt werden, enträtselt sich genau im ­M oment der Berührung: Dies ist der Schlüssel zu ­e iner imposanten visuellen Explosion, die uns und unser Gegenüber in ein neues Universum versetzt. ☞ Draiflessen Collection Mi–So 11–17 Uhr, Jeden 1. Do im Monat 11–21 Uhr Georgstraße 18, 49497 Mettingen T +49 (0) 5452 91683500 www.draiflessen.com

Die Städtische Galerie Neunkirchen zeigt ab dem 10. Dezember 2021 eine große Einzelausstellung der Freiburger Künstlerin Stefanie Gerhardt. In den unterschiedlichsten Medien – mit Gemälden, Aquarellen, Skulpturen, Videoarbeiten und Installationen – spürt Stefanie Gerhardt kurzen Momenten des Daseins nach. Ihre Protagonisten befinden sich in Übergängen von einer Zeitebene in die nächste, von einem Raum zum anderen. Sie stellt Neugeborene, Kleinkinder und ältere Menschen dar. Menschen in Bewegung, Tiere bei Nacht, im Wasser schwimmend. Für die Künstlerin geht es um Werden und Vergehen. Bisweilen legt sie einen nebelartigen Schleier über ihre Darstellungen, als wolle sie das Gemalte wieder verschwinden und ungreifbar werden lassen. Sie konfrontiert uns in ihren mal zarten, mal kraftvoll farbigen Werken mit surreal ­a nmutenden Situationen, die den Betrachter in einen atmosphärischen Sog ziehen. ☞ Städtische Galerie Neunkirchen im KULT. Kulturzentrum Mi–Fr 10–18 Uhr, Sa 10–17 Uhr, So/Feiertag 14–18 Uhr geschlossen 24./25./31.12./1.1. Marienstraße 2, 66538 Neunkirchen T +49 (0) 6821 202-480 staedtische-galerie-neunkirchen.de

Ruhrgebietschronist trifft Kulturlegende – Rudolf Holtappel und Walter Kurowski. Eine foto_grafische Begegnung 23.1. – 8.5.2022 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Zum ersten Mal in der deutschsprachigen Comic­ geschichte zeigen bekannte ZeichnerInnen und ­N ewcomerInnen ihre bisher verborgenen Projekte. In über 300 Einzelblättern und Geschichten treffen Comicgenres, Zeichenstile und Strömungen aufeinander und bieten einen umfangreichen Überblick auf die facettenreiche Comicwelt. Dabei öffnen von Wilhelm Busch, Franz Graf von Pocci und Erich Ohser bis hin zu Isabel Kreitz, Ralf König und Flix über 50 Künstler*innen für die Besucher*innen ihre geheimen Schubladen. Die Ausstellung zeigt, wie ausdrucksstark die Zeichner*innen ihre Geschichten gestalten und die Figuren zum Leben erwecken. Alle Comicfans sind eingeladen, einer kleinen Geschichte des Comics wie einer kleinen Geschichte der Welt auf einer ­e indrucksvollen Entdeckungsreise durch die ­A usstellung zu begegnen! ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +49 (0) 208 4124928 www.ludwiggalerie.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

219

Stefanie Gerhardt, „Universal Child“, 2018,

Daan Roosegaarde, „Touch 2021“, Foto: Peter Hübbe © Draiflessen Collection / Daan Roosegaarde

Sheree Domingo, „Unveröf fentlicht“, 2020 © Sheree Domingo

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27 x 27 cm, Öl auf Aluminium, © VG Bild-Kunst, Bonn 2021


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Pen z b erg

Regensburg

Soest

Gerhard Fietz Formen innerer Freiheit Bis 27.2.2022 Museum Penzberg Sammlung Campendonk

Sigmar Polke. Dualismen Bis 16.1.2022 Kunstforum Ostdeutsche Galerie

Hartmut Böhm SYSTEM UND PROGRESSION Bis 30.1.2022 RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner

„Das Bild hat seine eigene Individualität.“ Genau ­d iese „autonome Gültigkeit“ war es, die Gerhard Fietz (1910–1997) auf den Weg bringen wollte. Der Maler studierte bei Alexander Kanoldt, Oskar Schlemmer und Heinrich Nauen, wandte sich aber bald von dem ab, was er an der Akademie erlernt hatte. „Farbe als Phänomen eigenen Lebens“ wollte Fietz zeigen, „eine Existenzform von Energien“ ­s pürbar machen. Nur wie? Ab 1940 löste er sich vom Gegenstand und widmete sich abstrahierten Landschaften und organischen Formen. Er experimentierte mit Materialien und Techniken und schuf freie Kompositionen voller Balance und Farbgewalt. Das Museum Penzberg – Sammlung Campendonk setzt Fietz’ Frühwerk in Bezug zu seinen berühmten Lehrern und seinem Künstlerfreund Karl Schmidt-Rottluff. Der Bogen spannt sich über Arbeiten der mittleren Jahre, Objekte und Fotografien bis hin zu den ­o pulenten Farbwelten des Spätwerks. ☞ Museum Penzberg Sammlung Campendonk Di–So 10–17 Uhr Am Museum 1, 82377 Penzberg T +49 (0) 8856 813480 www.museum-penzberg.de

Sigmar Polke (1941–2010) zählt zu den wichtigsten Gegenwartskünstlern Deutschlands. Zusammen mit weiteren Künstlern prägte er in den 1960er-Jahren den Stilbegriff „Kapitalistischer Realismus“. Zur gleichen Zeit entstanden Polkes erste Raster-­ Bilder. Die Technik des Punkte-Rasters durchzieht sein gesamtes Schaffen. In seinen Arbeiten hinterfragt Polke Seh­g ewohnheiten sowie die Wahrnehmung an sich, er experimentiert mit ungewohnten Materialien und Techniken. Die Ausstellung „Sigmar Polke. Dualismen“ gibt mit rund 90 Ge­ mälden, Z­ eichnungen, Fotografien und Objekten ­e inen um­f assenden Einblick in Polkes Schaffen seit den 1960er-­J ahren bis 2009. Viel­s chichtig, voller Ver­w eise – etwa auf Kunst- und Z­ eit­g eschichte – ­t ief­s innig und humorvoll zugleich geben seine Werke neue Impulse und laden ein, einge­f ahrene Sicht­ weisen und Denkmuster zu ­ü berprüfen. Die Aus­ stellung zu Polkes 80. Geburtstag ist im KOG bis 16.1.2022 zu sehen, bevor sie in die Städtische ­G alerie Karlsruhe (5.3.–12.6.2022) wandert. ☞ Kunstforum Ostdeutsche Galerie Di/Mi/Fr–So/Feiertag 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr geschlossen 24./25./31.12./1.1. Dr.-Johann-Maier-Straße 5, 93049 Regensburg T +49 (0) 941 29714-0 www.kunstforum.net

Auf dem Feld der minimal-konzeptuellen Kunst nimmt Hartmut Böhm (*1938, Kassel) eine eigenständige Position ein. Seit den 1960er-Jahren arbeitet er wegweisend und mit großer künstlerischer Innovationskraft an deren grundlegenden Themen wie der Sichtbarmachung universeller Gesetze, Ordnungen und Systeme. Die künstlerische Übertragung dieser ­Z usammenhänge in Zeichnungen, Objekte und drei­ dimensionale Werke hat sein vielgestaltiges Werk geprägt. Dabei sind eine intensive Beobachtung der dinglichen Welt, ein ganz eigener Blick auf die ­B eschaffenheit von Materialien und Techniken, sowie deren künstlerische Kombinationen, persönliche Grundlagen seiner Arbeit. So verleiht er seinen ­W erken neben inhaltlicher und rationaler Klarheit sowohl ausgeprägte ästhetische Qualitäten als auch eine sinnliche Anmutung. Die Ausstellung SYSTEM UND PROGRESSION im RAUM SCHROTH, Museum ­W ilhelm Morgner führt anhand einer präzisen Auswahl von Werken Hartmut Böhms aus fünf Dekaden diesen Zusammenhang vor Augen. ☞ RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner Di/Mi/Fr 13–17 Uhr, Do 13–19 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Thomästraße 1, 59494 Soest T +49 (0) 2921 14177 www.skk-soest.de

Sigmar Polke, „Freundinnen II“, 1967, Of fsetdruck, koloriert, Kunstraum am Limes – Sammlung Zeitgenössischer Kunst, Hillscheid, Foto: Werner Baumann, © The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Gerhard Fietz, „1948-63“, 1948, Lensch-Stiftung / Museum Penzberg – Sammlung Campendonk © Erbengemeinschaft Fietz

Hartmut Böhm, „Ausbalanciert“, 2010, PVC, 260 x 120 x 0,5 cm, Foto: Monika Brandmeier © Hartmut Böhm, VG Bild-Kunst, Bonn, 2021


Wiesbaden

Winterthur

Israelische Künstler:innen in Deutschland 2.12.2021 – 31.12.2021 Europäische Kunstakademie e.V. Kunsthalle Trier

Werner Berges zum Achtzigsten 3.12.2021 – 5.2.2022 DavisKlemmGallery

Alchemie der Oberfläche Peter Bauhuis, Laurenz Stockner, Anita Tarnutzer Bis 6.2.2022 Gewerbemuseum Winterthur

Die Ausstellung „Israelische Künstler:innen in Deutschland“ zeigt zeitgenössische künstlerische Positionen von in Berlin lebenden und arbeitenden Kunstschaffenden – Alma Alloro, Zohar Fraiman, Michal Fuchs, Liat Grayver, Yair Kira, Yehudit ­S asportas und des Komponisten Amir Shpilman. ­B erlin ist seit der Wiedervereinigung ein Hotspot der internationalen Kunstszene. Auch junge Israeli sie­ delten sich in den vergangenen Jahrzehnten in der deutschen Hauptstadt an und bilden ein loses Netzwerk innerhalb der Metropole. Die israelischen Künstler:innen präsentieren in der Kunsthalle Trier der ­E uropäischen Kunstakademie erstmals ihre Werke in Rheinland-Pfalz. Präsentiert werden Malerei, Skulptur und Medieninstallationen. Mit der repräsentativen Auswahl wird eine Übersicht über die junge israelische Kunstszene in Deutschland ermöglicht und der Öffentlichkeit in der Großregion zugänglich gemacht. ☞ Europäische Kunstakademie e.V. Kunsthalle Trier Di–Fr 11–18 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Aachener Straße 63, 54294 Trier T +49 (0) 651 89782 www.kunsthalle-trier.de

Am 7. Dezember 2021 wäre Werner Berges 80 Jahre alt geworden. Die DavisKlemmGallery nimmt seinen Geburtstag zum Anlass, ihn und sein Werk in einer Ausstellung zu würdigen. Die Anfänge seiner Kunst reichen in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück – eine Zeit des Aufbruchs, der Proteste und einer neuen Kunstrichtung namens Pop, die sich ihre Inspirationen aus den Medien holte. Als junger Student in West-Berlin schloss sich Werner Berges der Gruppe „Großgörschen 35“ an. Frauen, „Modepuppen“ und „Startanten“ wurden das Hauptmotiv seiner Kunst und diese wurden mal flächig, mal gerastert oder gestreift abstrahiert. Die sechziger und die ­s iebziger Jahre waren auch die große Zeit der ­A uf­lagenkunst. „Kunst für Alle“ war das Motto. Wer sich kein Unikat leisten konnte, sollte wenigstens eine signierte, limitierte Grafik kaufen können. Werner Berges, der vor seinem Kunststudium in Berlin ­G ebrauchsgrafik in Bremen studiert hatte, fand im Siebdruck die ideale Technik für seine Motive. ☞ DavisKlemmGallery Fr/Sa 12–18 Uhr u. n. V. Steinern-Kreuz-Weg 22, 55246 Wiesbaden T +49 (0) 6134 2869730 www.davisklemmgallery.de

Liat Grayver,

­S choellershammer, 80 x 60 cm, Courtesy: DavisKlemmGallery

„(Learning) the Grammar of the Act / tactile Nr. 1“, 2016

© VG Bild-Kunst, Bonn 2021

Schalen, Gefäße, Materialexperimente aus Metall: Mit drei künstlerischen Positionen zeigt „Alchemie der Oberfläche“, wie mit experimenteller Neugier und kreativer Materialforschung die Grenzen des Werkstoffs Metall ausgelotet und die visuellen Erschei­ nungen in unzählige Variationen weiterentwickelt werden können. Peter Bauhuis präsentiert aus verschiedenen Metalllegierungen gegossene Gefäße, die durch das ungewöhnliche Verfahren in archaisch anmutenden Farben und Strukturen erscheinen. ­L aurenz Stockner zeigt Schalen, die er aus mitunter selbstgewonnenem „Zementkupfer“ und Eisen schmiedet. Mit seinen Arbeiten lotet er auch stets die Grenzen des Materials aus, so verformen sich seine hauchdünn ausgetriebenen Kupferschalen selbst im feinsten Luftstrom. Anita Tarnutzer bearbeitet mit natürlichen Oxidations- und Färbeverfahren Bronzeund Messingplatten. In „Quintessenzen“ sind es Pflanzen, die Färbeprozesse auslösen und auf der Metalloberfläche einen unmittelbaren chemischen Abdruck hinterlassen. ☞ Gewerbemuseum Winterthur Di–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Kirchplatz 14, CH-8400 Winterthur T +41 (0) 52 2675136 www.gewerbemuseum.ch

Werner Berges,„Startanten“, 1967, Filzstift, Ölkreide auf

© Liat Grayver, VG Bild-Kunst, Bonn 2021

„Alchemie der Oberfläche“, Gewerbemuseum Winterthur, Foto: Bernd Grundmann

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