ARTMAPP #29, Frühjahr 2022

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März – Juni 2022

12 ,9 0 S F R

10 ,10 € ( A )

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198367

709806

01

9, 8 0 € ( D/L U X )

Viktoria Binschtok · Robert Häusser · Helmut Newton

KUNST UND REISEN

Gerhard Richter im Albertinum Dresden Kunst in der Ostschweiz St.Gallen Museum Folkwang 100 Das Ruhrgebiet leuchtet


YVES KLEIN. Cosmogonie sans titre (COS 20). 1960 Reines Pigment und Bindemittel auf Papier, auf Leinwand. 65 × 44 cm Yves Klein Archives, COS 20. Auktion Juni 2022

AUKTIONEN 16. UND 17. JUNI 2022 KUNST DES 19. BIS 21. JAHRHUNDERTS

Kataloge online und auf Bestellung erhältlich ab Mitte Mai

GRAPHIK UND HANDZEICHNUNGEN ALTER MEISTER AUKTIONSAUSSTELLUNGEN ZÜRICH Ausgewählte Werke, 31. Mai bis 2. Juni, täglich von 12 bis 19 Uhr BERN Sämtliche Werke, 8. bis 15. Juni, täglich von 10 bis 18 Uhr

GALERIE KORNFELD • BERN KENNERSCHAFT UND TRADITION SEIT 1864 Laupenstrasse 41 | 3001 Bern | Tel. +41 (0)31 381 46 73 | galerie@kornfeld.ch | www.kornfeld.ch


Titelmotiv: Gerhard Richter im Albertinum (Detail), Dresden, 2017, © Gerhard Richter 2021 (0165/2021), Foto: David Pinzer, Staatliche Kunstsammlungen Dresden

24.3.– 14.8.2022 EDI TOR I A L #29 2022

Reiner Brouwer, Foto: Andreas Scholz

DEUT AND DEUTSCHL AND SCHL UM UM

1980

Albertinum Am 9. Februar feierte Deutschlands berühmtester Künstler seinen 90. Geburtstag und just an diesem Tag eröffnete im ­A lbertinum Dresden eine von ihm selbst zusammengestellte Ausstellung. Ich sprach mit Dietmar Elger, Biograf von Richter und Leiter des Gerhard Richter Archiv in der Heimatstadt des großen Malers.

Dietmar Elger, 2017, Foto: SKD

Lieber Herr Elger, ist die Geburtstags­ ausstellung in Dresden ein außer­ gewöhnliches Projekt für Sie und Gerhard Richter und war die Auswahl der Arbeiten etwas Besonderes? Obwohl es noch andere Ausstellungsprojekte zum 90. Geburtstag von ­G erhard Richter gibt, ist diese Ausstellung ganz sicher eine besondere geworden, da sich Herr Richter hier intensiv bei der Vorbereitung und Auswahl der Werke ­e ngagiert hat und das Ergebnis seine persönliche Handschrift trägt. Das wird schon anhand der sehr individuellen Auswahl der drei Themenschwerpunkte deutlich, die auch der Ausstellungstitel benennt: Portraits, Glas, Abstraktionen.

Unser Autor Carsten Probst schreibt über die Dresdner Ausstellung: „Gerhard ­Richters Ausstellung in seiner Geburts­ stadt Dresden wirkt wie eine Abschieds­ geste“. Wird sich Richter jetzt aus der Öffentlichkeit zurückziehen und sich auf das Zeichnen beschränken? Nein, das ist die Ausstellung ganz ­s icher nicht. Gerhard Richter ist ja weiterhin sehr aktiv. Er hat lediglich die körperlich schwere Arbeit an den Ölgemälden aufgegeben und die Schwerpunkte und das Interesse seiner Arbeit verlagert. In den letzten Jahren sind zahlreiche Zeichnungen entstanden. Er hat das Glasfensterprojekt in Tholey abgeschlossen und mehrere Editionen geschaffen. Dresden ist mit seiner Architektur und den Kunstschätzen immer eine Reise wert. Kann der Besucher der Staatlichen ­Kunstsammlungen dort ständig Arbeiten von Gerhard Richter sehen? Ja, wir zeigen im Albertinum immer zwei Ausstellungssäle, die ausschließlich den Werken Gerhard Richters gewidmet sind. Diese zwei Räume bieten einen ­retrospektiven Überblick über das Werk des Künstlers. Neben eigenen Bildern und Objekten können wir dabei auch auf ­L eihgaben der Gerhard Richter ­Kunst­s tiftung und Leihgaben privater Sammler zurückgreifen.

TICKETS.LMB.LVR.DE In Zusammenarbeit mit

Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer persönlichen ­Entdeckungstour mit ARTMAPP! Reiner Brouwer Herausgeber

Fotografien: Ingolf Thiel, Ohne Titel (Serie Moderne Gefühle), 1981/1982 | Gerd Danigel, Berlin-Marzahn, 1977 | Hans-Martin Küsters, Aachen Richterich, 1976 | Martin Langer, »Chaostage«, Hannover, 1984




VO N D E R H EYDT MUSEUM

W U P P E R TA L

FO KU S VO N D E R H E Y DT: Z E RO, P O P U N D M I N I M A L – D I E 1 96 0 E R U N D 1 970 E R J A H R E 10.4.22 — 16. 7. 23

Robert Indiana, Four, 1964 © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Die Ausstellung wird gefördert durch

www.von-der-heydt-museum.de


VO N D E R H EYDT MUSEUM

W U P P E R TA L

H A N S- C H R I ST I A N S C H I N K FREUNDSCHAF TSANFR AGE Nº 1 27.2.–– 10.7.22

Hans-Christian Schink, Zwischen Lemmersdorf und Kleisthöhe, 2016 © Hans-Christian Schink

Die Ausstellung wird gefördert durch

www.von-der-heydt-museum.de


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inhalt A RT M A P P Fr ühjahr 202 2

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F O L K WA N G 1 0 0 Da s R uhrgebiet leuchtet Das Essener Museum Folk wang feier t seinen 100. Gebur tstag SEITE 20

Short cuts Fotografie: James Barnor, Marie Allowi, Drum cover girl, Rochester, Kent, 1966, Stampa alla gelatina ai sali d’argento, © James Barnor/Autograph ABP, London

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G E R H A R D R IC H T E R : DE R BI L DE R M AC H E R

A N G E L I K A K AU F F M A N N

Der bekannteste

„ D i e k u l t i v i e r t e s t e F ra u E u ro p a s“

Bündner Kunst museum Chur

deutsche Künstler feier t

S E I T E 11 0

seinen 90. Gebur tstag

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S E I T E 74

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DA S F L I E S S E N D E M U S E U M

S T.G A L L E N K L O S T E R BE Z I R K A N N O 61 2

L e t i zia R agaglia, die ne ue Direk tor in

LIECH T ENST EIN

Ausstellungsansicht Viktoria Binschtok,

des Kunst museums

Ein Blick in die Schatzkammer

S E I T E 11 4

SEITE 86

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……………………………… C R A N AC H

„Not Until Tomorrow“, KLEMM’S, Berlin, 2020

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ALEX HANIMANN

M A L E R F Ü R S T DE R R E NA ISSA NCE

„ I A M YOU R MIR ROR“

C ra n a c h i n W i e n , W i t t e n b e r g

SEITE 98

u n d a u f d e r Wa r t b u r g S E I T E 13 2

FOTOGR AFIE Vik tor ia Binschtok

ARTMAPP

FRÜH JAHR 2022

Rober t Häusser Helmut Newton SEITE 38

WWW.44309GALLERY.NET


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BÖHL ER & OR E N D T

APPETIZER

M I T F E L I X B U RG E R

R eiset ipps zu Kunst und Kult ur

„ D i e A p o k a l y p s e e r n ä h r t i h r e n M a n n“

S E I T E 11 8

S E I T E 14 2

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……………………………… M EDIE N PFOR ZHEI M . R EUCHL I N JA HR

Katalogempfehlungen

5 0 0 . To d e s t a g v o n J o h a n n e s R e u c h l i n

S E I T E 18 7

(1 4 5 5 – 1 5 2 2 )

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S E I T E 15 2

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TERMINE Ausstellungen f ür Entdecker

K U N S T T O U R I M N O R DW E S T E N

S E I T E 194

Emden · Danga st · Oldenburg

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­F i s c h e r h u d e · Wo r p s w e d e · P a p e n b u r g IMPRESSU M

S E I T E 176

GEMÄLDE ZEICHNUNGEN DRUCKGRAFIK

S E I T E 207

9.4. – 26.6.2022 Angelika Kauffmann,„Die Trauer des Telemachs auf der Insel Calypso“, 1798, Öl auf Leinwand, 80 x 96,5 cm

Jonathan Meese, Das Bildnis des Dr. Fu Manchu, 2004, Bronze

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Follow George Grosz

Gerhard Richter, Porträt, © Werner Bartsch

KUNSTSAMMLUNG JENA www.kunstsammlung-jena.de

KUNSTSAMMLUNG. Städtische Museen Jena. JenaKultur


Cranach Die An änge in Wien

Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz » Winterthur

12. März bis 12. Juni 2022


www.skd.museum/weltenwanderer

… mit freundlicher Unterstützung der

s

Stiftung der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien


www.schauwerk-sindelfingen.de Ben Willikens · Raum 1628, Melancholia (Detail) · 2021 · SCHAUWERK Sindelfingen · Foto: Michael Steinle · © VG Bild-Kunst, Bonn 2022


50 Jahre Porsche Design. Die Sonderausstellung bis 10. Juli 2022 im Porsche Museum.


APPARAT MIT DEM EINE KARTOFFEL EINE ANDERE UMKREISEN KANN Sigmar Polke, 1969, Edition Kunstraum am Limes – Sammlung Zeitgenössische Kunst, Hillscheid, und Galerie Christian Lehtert Köln zu sehen in der Ausstellung

Eine Ausstellung des Kunstforums Ostdeutsche Galerie Regensburg in Kooperation mit der Städtischen Galerie Karlsruhe


© Universal Everything

BioMedien Das Zeitalter der Medien mit lebensähnlichem Verhalten Das ZKM zu Gast bei der EnBW

1. April bis 31. Juli 2022 EnBW-Konzernsitz, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe Mittwoch bis Freitag 10:00 bis 18:00 Uhr Samstag und Sonntag 11:00 bis 18:00 Uhr Eintritt frei! www.enbw.com

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Foto: Roman März

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NEUER KUNSTVEREIN ASCHAFFENBURG e.V. (KunstLANDing) Landingstraße16 D-63739 ASCHAFFENBURG

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MARION EICHMANN IN DER GRUPPENSHOW „PAPIER = KUNST 10

D-10969 Berlin • Hedemannstr. 14

Tel: +49 (0)30 225 027 910

Mobil: +49 (0)175 2061942

info @ galerie-tammen.de

ARBEITEN AUF PAPIER – (Künstler NN)

Mai – Juni 2022

SAM GRIGORIAN – Malerei, Zeichnungen KARSTEN KUSCH – Malerei, Zeichnungen LOTHAR SERUSET – Skulptur

bis 23. April 2022

AUSSTELLUNGEN IN DER TAMMEN GALERIE

www.galerie-tammen.de

7. - 10. Juli 2022 – Preview 6. Juli ( nur auf Einladung) / dm-Arena - Halle 4 - Stand J 27 + J 31 one-artist shows: MARION EICHMANN | PERSIS EISENBEIS | HARALD GNADE | GABI STREILE Skulpturenplatz: SONJA EDLE VON HOESSLE + HERBERT MEHLER MATTHIAS GARFF | DIETMAR BRIXY | MICHAEL LAUTERJUNG | STEPHANIE PECH VOLKER MÄRZ | LARS THEUERKAUFF | WERNER SCHMIDT

www.kunstsammlung-neubrandenburg.de

DEUTSCHE TELEKOM AG Hauptstadtrepräsentanz Französische Str. 33 a - c 10117 Berlin

ERÖFFNUNG: 28. April 2022, 18 - 21 Uhr VIP Preview: 14 - 18 Uhr

ERÖFFNUNG: 13. April 2022, 18:00 Uhr

KUNSTSAMMLUNG NEUBRANDENBURG Große Wollweberstraße 24 D-17033 Neubrandenburg

28. April – 1. Mai 2022

MARION EICHMANN PAPER POSITIONS BERLIN KUNSTMESSE FÜR PAPIERKUNST

13. April – 5. Juni 2022

MARION EICHMANN „WASCHMASCHINEN, PORSCHE“ PAPIERARBEITEN


ORTNER & ORTNER Bis Übermorgen

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Laurids und Manfred Ortner © Michael Maritsch


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James Barnor Accra / London – A Retrospective

James Barnor Sick-Hagemeyer shop assistant with bottles, taken as a colour guide Accra, 1971 © James Barnor/Autograph ABP, London

13.03.2022 – 31.07.2022 Palazzo Reali Via Canova 10 Lugano www.masilugano.ch Initiiert und organisiert von

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Wissenschaftlicher Partner

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FO LK WA N G 10 0 Das erste Museum der Welt für zeitgenös­ sische Kunst feiert Geburtstag! 1902 wurde es in Hagen von Karl Ernst Osthaus unter dem Namen Folkwang-Museum eröffnet. Seit 1922 ist die bedeutsame Sammlung in Essen.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier, drückte es beim Festakt so aus: „Essen sprühe Funken“, und es qualmt und glüht in Essen. Etwa in der Schau „Renoir, Monet, Gauguin“: Die eigene Sammlung im Dialog mit der Tokioter Sammlung Kōjirō Matsukata darf bewundert werden. Wir blicken auf die Wege, auf denen die Moderne das Ruhrgebiet erreichte und auf die Fotostadt Essen: Eine Initiative zur Gründung eines Bundesinstituts für Fotografie nimmt Fahrt auf!

www.visitessen. de

RUHR.2010, Auftaktveranstaltung, Zeche Zollverein, Essen, 2010, Foto: Manfred Vollmer Manfred Vollmer, „ausgelöst – Fotografien von 1968 bis heute“, 6. Februar bis 15. Mai 2022, LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen


ARTMAPP

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Ida Gerhardi, „Karl Ernst Osthaus“, 1903, Öl auf Leinwand, 110,5 x 50,3 cm, Osthaus Museum Hagen, Foto: Achim Kukulies, Düsseldorf


23 D a s E s s e ne r Mu s e u m F ol k w a n g f e ie r t s e i ne n 1 0 0 . G e b u r t st a g

Das Folkwang-Konzept

Pierre-Auguste Renoir, „Lise – La femme à l‘ombrelle“, 1867, Öl auf Leinwand, 184 x 115,5 cm, Museum Folkwang, Essen,

Hohenhagen) beriet. 1901 kauft Osthaus ein impressionisti­ sches Hauptwerk von Pierre-Auguste Renoir („Lise mit dem Sonnenschirm“, 1867) aus einer Ausstellung der Berliner ­Sezession, ein wunderbares Bild, das für die aktuelle Ausstel­ lung nun für einige Monate zurückgekehrt ist. Ebenso wie Claude Monets „Im Boot“ (1874) oder Paul Signacs farbsprü­ hendes Gemälde „Der Hafen von Saint-Tropez“ (1899−1901), die einst ebenfalls zur Ursprungssammlung des Museums Folkwang gehörten. Der in den Jahren 1860 bis 1910 grassie­ rende Japonismus hatte viele Artefakte aus Japan nach Europa, besonders nach Paris, gespült und damals hatten sich viele Künstler von der japanischen Kunst inspirieren lassen. Aber

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Foto: Jens Nober

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Keine Frage, das Essener Museum Folkwang besitzt eine au­ ßergewöhnliche Sammlung spätimpressionistischer Kunst, deren Stars Monet und Gauguin, Renoir, Signac und van Gogh von Beginn an dabei sind. Derzeit erinnert eine Ausstel­ lung an die Wurzeln der Sammlung und zugleich − mit der Sammlung Kojiro Matsukata aus Tokio zu Gast − an ihre inter­ nationale Strahlkraft. Im Folkwang-Jubiläumsjahr blickt Katja Behrens auf die Wege, auf denen die Moderne das Ruhr­ gebiet erreichte. Die Aufbruchsstimmung zwischen 1900 und 1914 war im ganzen Land und darüber hinaus spürbar, der Kunst und künstlerischen Betätigung wurden sogar lebensreforme­ rische Aufgaben zugetraut: vom Kunstgewerbe bis zur Architektur, von der naturhistorischen oder wissenschaft­ lichen Sammlung bis zur Freikörperkultur, von Tanz und Mode zu Formen sozialen Miteinanders. Neue Ideen und ­Konzepte befruchteten sich gegenseitig, Gattungsgrenzen wurden überschritten, Begegnung und transkultureller Aus­ tausch sollten die Kultur bef lügeln und den Menschen nahebringen. Allen Menschen! Karl Ernst Osthaus (1874−1921) war wohl einer der wichtigsten deutschen Kunstmäzene und Kunstsammler des beginnenden 20. Jahrhunderts, war mutig und voller Elan, und er hatte das nötige Kleingeld. Mit Ende 20 kauft er erste Werke von Vincent van Gogh, da hatte diesen noch keiner so richtig auf dem Schirm. Und auch der Impressionismus war längst kein Selbstläufer, wie er das heute ist, sondern eine „kritisch beäugte […] Kunstrichtung“. Das erste große Projekt, das er dann gemeinsam mit seiner Frau Gertrud in seiner ­Heimatstadt Hagen mit dem von der Großmutter geerbten Vermögen umsetzte, war 1898 die Planung eines Museums, das ursprünglich seine naturkundliche Sammlung auf­ nehmen sollte: Schmetterlinge, Muscheln, Käfer und Fossilien, von einer Asienreise war er mit islamischer Kunst zurückgekehrt. Osthaus wollte von nun an Kunst und Leben miteinan­ der versöhnen, wollte Lebensumstände mittels Kunst verbessern. In dem Namen Folkwang klingen volkspädagogi­ sche Intentionen nach: Er entstammt den altnordischen Mythen der „Edda“ und bezeichnet den Palast (Folkvangar = Volkshalle) der Göttin Freya, die neben ihrer Rolle als Frucht­ barkeitsgöttin auch als Schutzgöttin der Künste fungierte. Unterstützt bei seinem Tun wurde Osthaus vom ­belgischen Künstler und Architekten Henry van de Velde (1863−1957), den er für den Innenausbau des neuen Museums in Hagen engagiert hatte und der den Bauherren seither in Sa­ chen Kunst (sowie unter anderem bei der Künstlerkolonie


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Vincent van Gogh, „Le parc de l’hôpital, à Saint-Rémy“, 1889, Öl auf Leinwand, 75 x 93,5 cm,

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Museum Folkwang, Essen, Foto: Jens Nober

das Interesse war gegenseitig: Bereits damals begannen ­ ämlich auch japanische Sammler, hochkarätige Werke fran­ n zösischer Impressionisten und Postimpressionisten zu sammeln. Viele von ihnen sind jetzt zur Folkwang-Jubilä­ umsschau angereist. Auch Kojiro Matsukata (1866−1950) träumte seinerzeit offenbar von einem Museum als einem Ort für alle Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft. Er zeigte die von ihm gesammelten französischen Avantgardis­ ten zusammen mit der Kunst seiner Heimat. 1902 wurde in Hagen im historistischen Neubau mit van de Veldes Jugendstilinterieur das Folkwang Museum mit drei Abteilungen eröffnet: naturwissenschaftliche Artefakte, Kunstgewerbliches und – noch in ihren Anfängen − eine Sammlung zeitgenössischer Kunst. Doch ganz geradlinig verlief der Weg bis hierhin doch nicht. Der junge Schöngeist Karl Ernst Osthaus hatte in seiner Studienzeit ab 1893 anfänglich auch Kontakt zu rechten Stu­ dentengruppierungen und völkischem Gedankengut gehabt, verehrte Friedrich Nietzsche und kritisierte mit diesem die „zunehmend degenerierte Kunst der Moderne“. Zum Glück haben sich die nationalistischen Tendenzen bald zugunsten einer universelleren Perspektive verflüchtigt und er öffnete sich der Idee, das Leben aller Menschen gerade durch die För­ derung von Kunst und Kultur aufzuwerten − und kaufte ebenjene vorher verschmähte moderne Kunst. Zur gleichen Zeit, also 1902, und fast um die Ecke hat auch der Elberfelder Bankierssohn Eduard von der Heydt (1882−1964) für seine private Kunstsammlung ein kleines Museum gebaut, das Städtische Museum Elberfeld, das seit 1961 Von der Heydt-Museum heißt und heute ebenfalls eine beachtliche Sammlung vorweisen kann. In den nächsten beiden Jahrzehnten wächst die Folkwang-Sammlung moderner Kunst in Hagen stetig. Als Osthaus am 27. März 1921 in Meran stirbt, ist das Bauhaus in

Weimar gerade zwei Jahre alt, eine Kunstschule, in der auch manche der Folkwang-Ideen umgesetzt werden. Die künst­ lerischen Reformbestrebungen der Werkbund-Bewegung mit Künstlerkolonie und Museum hatten einst viele Künstler ins west f älische Hagen gelockt . Der Beg r ünder des Folkwang-Museums hatte sie darin bestärkt, Kunst in den ­öffentlichen Raum und in den Alltag der Menschen zu tragen. Schließlich war der „Hagener Impuls“ eine ästhetische ­Reform, der es darum ging, „die Schönheit wieder zur herr­ schenden Macht im Leben“ werden zu lassen, die schöne Form mit dem Alltag zu versöhnen. Schon ein Jahr nach Osthaus’ Tod haben seine Erben die Kunstsammlung dann an die Stadt Essen verkauft. Bereit­ gestellt wurden die 15 Millionen Mark damals von einer Gruppe privater Spender, die mit dem Museumsverein noch heute beteiligt sind. In Essen wurde das Museum Folkwang neu errichtet, der kunstgewerbliche Teil der Sammlung ging ans Krefelder Kaiser Wilhelm Museum. Seither setzt das Folkwang Museum das Hagener ­P rojekt erfolgreich fort, schmerzhaft unterbrochen und ­geplündert freilich 1937 von der nationalsozialistischen Säu­ berungsaktion „Entartete Kunst“, der Werke von Kirchner, Kokoschka, Marc, Matisse und anderen zum Opfer fielen. Nur einiges konnte nach 1945 zurückgekauft werden. 2010 ist das Essener Museum um einen vom britischen Architekten David Chipperfield mit viel Glas und klaren Kan­ ten geplanten Neubau erweitert worden. Der wundervoll stimmige Altbau von 1960 mit seinen Lichthöfen und Durch­ blicken und viel Tageslicht wurde dabei glücklicherweise als Sammlungsmuseum integriert. Diese transparente Architek­ tur entspricht wohl am deutlichsten der Philosophie des Folkwang-Gründers, der die Kunst nah bei den Menschen ­sehen wollte.


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Essen 2022: „Folkwang und die Stadt“ Die Ideen von Karl Ernst Osthaus besitzen eine bis heute fort­ dauernde Aktualität, das jedenfalls ist – neben der fröhlichen Feier toller Kunst − der Tenor der Geburtstagsschau. Wie aber „sieht es heute – knapp 100 Jahre nach der Gründung des Museum Folkwang in Essen – mit der gesamt­ gesellschaftlichen Teilhabe an der Kunst aus?“ Das ist wohl eine berechtigte Frage, der das Projekt „Folkwang und die Stadt“ von Mai bis August 2022 im Essener Stadtgebiet nach­ gehen möchte: Wie stellt sich die Kunst den zentralen gesellschaft­ lichen Fragen nach Integ rat ion, kult ureller Vielfalt , Nachhaltigkeit? Wie sieht es aus mit Globalisierung, Digita­ lität, urbanem Leben und Stadtentwicklung? Wie kommen die Menschen zur Kunst oder muss die Kunst auf die Men­ schen zugehen? Was ist die Rolle des Museums heute? Wo muss es den Menschen begegnen?

Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm, bei dem ­I nitiativen, Vereine, Communities sich gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern diesen wichtigen Zukunfts­ themen und aktuellen Transformationsprozessen widmen, begleitet das von Peter Gorschlüter und Markus Ambach ku­ ratierte Projekt „Folkwang und die Stadt“. Die Ausstellung im Essener Stadtraum rund um den Berliner Platz präsentiert ortsspezifische Kunstprojekte ­i nternationaler Künstler:innen, die eine neue Kooperation zwischen Kunst und Gesellschaft erlebbar machen und das Museum zur Stadt hin öffnen. Beteiligt sind unter anderem Neïl Beloufa, Anne Berlit, Alexandra Bircken, Phil Collins, Eva Koťátková, Fari Shams und Simon Starling. Eine gute Ergänzung zu einer schönen Ausstellung. Und, diese Meldung ist vielleicht schon Teil einer Antwort: Die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung und die Stadt Essen haben sich auf ein Finanzierungsmodell geeinigt, das den freien Eintritt in die Sammlung auch weiterhin ­sichert. Allen Menschen! K ATJA BEH RENS

Bis 15 . Mai 202 2 R E N O I R , M O N E T, G A U G U I N B i l d e r e i n e r f l i e ß e n d e n We l t w w w . m u s e u m -f o l k w a n g . d e

Museum Folkwang, Essen, Foto: Frank Vinken | dwb


26 Au f de m We g z u e i ne m Bu nde s i n st it ut ?

Fotostadt Essen Ein bundesdeutsches Institut für die Fotografie, ein Ort für das fotokulturelle Erbe Deutschlands soll entstehen. Das ist die gute Nachricht. Doch der Weg scheint noch weit. Dank der Initiative der ehemaligen Kulturstaatsministerin Monika Grütters wird daran schon seit 2019 gefeilt. Einem Konzept ­einer hochkarätigen Expertenkommission folgte eine Mach­ barkeitsstudie – mit dem Ziel, wie es Grütters formulierte, ein „bildhaftes Gedächtnis unserer Gesellschaft zu bewahren“.

Doch vor der Realisierung kam es zum Zwist. Wo soll es be­ heimatet sein, dieses Bundesinstitut für Fotografie? Wo der Ort, wo das fotografische Kulturerbe Deutschlands bewahrt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird? Dieser Ort, der kein klassisches Museum sein wird, soviel scheint heute klar, muss natürlich in Düsseldorf sein. Meinten die Düssel­ dorfer – die mit Stolz auf ihre große, weltbekannte Tradition künstlerischer Fotografie blicken: famous Becher-School.

S A N A A- G E B ÄU D E A rchitek toni sches Me i ste r we rk und Sit z de r Folk wang Unive rsität de r Kün ste – F a c h b e r e i c h G e s t a l t u n g m i t K o n f e r e n z z e n t r u m , A u s s t e l l u n g s f l ä c h e n u n d S e m i n a r rä u m e n . S i t z d e s Z e n t r u m f ü r F o t o g ra f i e E s s e n . M ö g l i c h e r I n t e r i m s s i t z d e s B u n d e s i n s t i t u t s f ü r F o t o g ra f i e .

Foto: © Thomas Mayer / Stiftung Zollverein


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Und es sah zuerst gut aus für die nordrhein-westfälische Lan­ deshauptstadt. Schnell wurde ein Etat von 41,5 Millionen Euro vom Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags freigegeben – für einen Standort in Düsseldorf. Doch die ­E xperten und auch die Machbarkeitsstudie sahen es kurz ­d anach anders: Nach Essen soll es, das neue Institut. In ­D üsseldorf ­reagierte man ziemlich zerknirscht. So wie Foto­ künstler Andreas Gursky, welcher der Machbarkeitsstudie „Einseitigkeit“ vorwarf. In Essen natürlich: helle Begeisterung! Peter Gorschlü­ ter, Direktor des Museums Folkwang: „Sowohl der Bericht der Expertenkommission als auch die Machbarkeitsstudie ­haben sich eindeutig für den Standort Essen ausgesprochen, aus inhaltlichen wie logistischen Gründen. An diesem Gut­ achten führt kein Weg vorbei.“ Peter Gorschlüter,

MARC PESCHKE

www.fotozent r um- essen. de

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Düsseldorf hat in der Fotografie einen internationalen ­N amen. Essen hat auf dem Gelände der Zeche Zollverein jede Menge Platz. Und so könnte hier also bis 2027 das Ins­ titut entstehen – für geschätzte 125 Millionen Euro. Doch so weit ist es noch nicht. In Düsseldorf will man weiterhin um das Institut kämpfen, will das Gelände des Düsseldorfer Ehrenhofes ­b ereitstellen. Und wie wichtig der neuen Ampel-­Koalition das Thema überhaupt ist, scheint auch noch nicht ganz klar zu sein. Ungeachtet dessen hat sich in Essen eine Initiative aus vier Partnern gebildet, die das Institut in trockene Tücher wi­ ckeln wollen: Folkwang Universität der Künste, Historisches Archiv Krupp, Museum Folkwang und Stiftung Ruhr Muse­ um haben jüngst die erste Ausgabe des Magazins „Fotostadt Essen“ herausgebracht. In diesem betonen die Macher die be­ sondere Expertise der lokalen Partner auf allen Feldern der Fotografie: „Die Essener Institutionen stehen mit ihren Pro­ grammen, nationalen und internationalen Netzwerken und Aktivitäten beispiellos für Zeitgenossenschaft, Relevanz und Wirkung in Ausbildung, Ausstellungen, Archivierung, Sammlungsarbeit, Dokumentation, Wissenschaft, Restauri­ erung und Kuratierung.“ Schon im Dezember des vergangenen Jahres fand ein internationales Symposium auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein statt, wo über „Werte des Fotografischen“ disku­ tiert wurde. Man darf gespannt auf die nächsten Schritte sein. Der Ball ist nun bei der neuen Bundesregierung, denn diese könnte von dem neu gewählten Bundestag die Zustimmung zur Inanspruchnahme der im Bundeshaushalt enthaltenen Verpf lichtungsermächtigung in Höhe von 41,5 Millionen Euro für das Bundesinstitut einholen. Denn dieses Geld liegt nun schon seit 2019 bereit.

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Foto: Museum Folkwang, Tanja Lamers


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Short cuts: Düsseldorf, Soest, Hagen H A P P I N E S S I S A S TAT E O F M I N D 26. März bis 2 2 . Mai 202 2 Kunsthalle Düsseldor f

Das Wort Glück beschreibt im Deutschen einerseits das Zu­ fallsglück (englisch „luck“) und andererseits das Lebensglück (englisch „happiness“). Während Zufallsglück kurzlebig und kaum beinflussbar ist, ist Lebensglück ein Gemütszustand, der langfristig zufrieden macht. Der Winter 2021/22 war erneut geprägt von einer ­kolossalen vierten Coronawelle: drohende Lockdowns, eine neue Virusvariante, Diskussionen über Triage und die große Verwunderung darüber, wie uns das alles schon das zweite und mittlerweile dritte Jahr in Folge passieren konnte. Gleich­ zeitig macht sich Ermüdung und Kapitulation breit. Auch das triste und nasskalte Grau der kurzen Herbst- und Wintertage half und hilft nicht über eine gewisse Lethargie hinweg. Aus dieser Situation entstand die Idee einer Ausstel­ lung, die Farbe, Freude und das Glück thematisiert und uns allen für einen kleinen Moment ein Lächeln ins Gesicht zau­ bern soll. Wir widmen uns der Lebensfreude und Euphorie, die Kunst in uns auslösen kann. Beteiligte Künst lerinnen und Künst ler: L aura ­A berham, Jan Albers, Vivian Greven, Erika Hock, Dietmar Lutz, André Niebur, Martin Pfeifle, Chris Reinecke, Hedda Schattanik & Roman Szczesny, Christoph Schellberg, Jörn Stoya, Tatjana Valsang.

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w w w . k u n s t h a l l e - d u e s s e l d o r f. d e

Antje Blumenstein, „three lines eight corners 02“, 2019, Neonröhren, Holzkubus © Antje Blumenstein, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

V I E L L I C H T – V I E L S C H AT T E N T OM MOSL E Y + A N T J E BLU M E NS T E I N Bis 8. Mai 202 2 R AU M SC H RO T H im Mu seum Wilhelm Morg ner

Licht und Schatten sind alltägliche Phänomene, denen wir meist ohne besondere Zuwendung begegnen. Tom Mosley (1927−2009) und Antje Blumenstein (* 1967) machen uns mit ihren Arbeiten neu darauf aufmerksam. Im RAUM SCHROTH werden neben leuchtenden ­I nstallationen und Wandobjekten auch Papierarbeiten ­g ezeigt, die sowohl in Blumensteins als auch in Mosleys Schaffen einen zentralen Platz einnehmen. Das lichte ­M a­t erial nutzten beide für reduzierte plastische Werke, in denen der Schatten lineare Strukturen betont oder ­m alerisch n ­ uanciert im Raum aufgeht. In direkter Ausein­ andersetzung mit ­M osleys „Schattengerüsten“, die den Schatten auf der Wand zum eigentlichen Bild erheben, ­er­arbeitete Blu­menstein eine ortsspezifische Installation aus farbigen Acrylglasplatten, die unzählige Durchblicke, ­Farbmischungen und Lichteffekte erzeugt. Die gemeinsame Präsentation zeugt von der Faszina­ tion für Licht, die Tom Mosley und Antje Blumenstein t rot z des Generat ionenunterschieds verbindet , von ­G emeinsamkeiten im Umgang mit dem Material und von individuellen Lösungen. R AU M SC H RO T H im Mu seum Wilhelm Morg ner D i / M i / F r 1 3 − 1 7 U h r, D o 1 3 − 1 9 U h r, S a / S o 1 1 − 1 7 U h r T h o m ä s t ra ß e 1 , 5 9 4 9 4 S o e s t , T + 4 9 (0) 2 9 2 1 1 4 1 7 7 www. skk-soest . de

Erika Hock, Untitled, 2020, Bedruckte Fadenvorhänge, Stahl, Pulverlack, 370 x 290 cm, Courtesy: COSAR, Foto: Frank Krüger


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Blick auf das Osthaus Museum Hagen, Foto: Werner Hannappel

U R S P R U N G D E S O S T H AU S M U S E U M : F O L K WA N G - M U S E U M I N H AG E N

­ erke von Paul Gauguin, Édouard Manet, Claude Monet, W Pierre-Auguste Renoir, Aristide Maillol, Auguste Rodin und vielen weiteren französischen Künstlern – damals ein echtes Politikum. Osthaus stellte auch Werke der jungen „Brücke“-­ Künstler aus, die Gruppe hatte sich 1905 gegründet. Daneben die Münchner Expressionisten: Wassily Kandinsky, Franz Marc und Alexej von Jawlensky. Das Hagener Museum erwarb sich somit – bis zum Tod von Osthaus 1921 – den Titel, welt­ weit das erste Museum für moderne Kunst zu sein. www. osthausmuseum. de

E LT E R C O -W U N E S R E IN E Z O L LV

uf a t s n Ku n i e r e v l Zow.zlollverein.de/kunst

BE Jahre

Der Bankierssohn Karl Ernst Osthaus eröffnete am 9. Juli 1902 in seiner Heimatstadt sein privates Folkwang-Museum, ­welches binnen etwa 20 Jahren Weltrang erreichen sollte. Der Name ist der altnordischen Sage „Edda“ entnommen: „Folkwangar“ war die Halle der Freya, für den Mäzen Osthaus ähnlich einer „Halle des Volkes“. Sein Ziel war es, „einen Stützpunkt künstlerischen Lebens im westlichen Industrie­ bezirk“ zu schaffen. Osthaus und seine Frau Gertrud kannten wichtige Künstler ihrer Zeit, beispielsweise Paul Cézanne, den sie in Aix-en-Provence besuchten. Das erste Van-­GoghGemälde in Deutschland wurde ebenfalls von der Familie Osthaus gekauft. In der Sammlung befanden sich ferner

UNESCO-Welterbe

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PARK

ESSEN

Cologne 28 April – 01 Mai 2022

© Foto KNSY

GRUGA


Sparkasse Koblenz präsentiert

Heimatmomente.de

Sayner Hütte — Bendorf/Sayn

6. bis 22. Mai 2022

MUSEUM

Dauerausstellung Besuch beim Freiherrn vom Stein 08.04. — 07.08.2022

HEINRICH GRAF

LUCKNER EIN KÜNSTLER UND SCHLOSS CAPPENBERG

HAUS OPHERDICKE 27.03. — 28.08.2022

Ausschnitt aus: Alexej von Jawlensky | Lettisches Mädchen | um 1911 | Foto: Thomas Kersten

WIEDERERÖFFNUNG 08. – 10.04.2022

Foto: Oliver Nautditt

MUSEUM

SCHLOSS CAPPENBERG Die vier Jahreszeiten (Detail) | 1938 | Wandgemälde Schloss Cappenberg | Foto: Thomas Kersten

MUSEUM

SCHLOSS CAPPENBERG

F AC E TO F AC E Porträts aus der Sammlung Frank Brabant

& Gäste

MUSEUM SCHLOSS CAPPENBERG KREIS UNNA

MUSEUM HAUS OPHERDICKE KREIS UNNA

Schlossberg 1b 59379 Selm

Dorfstraße 29 59439 Holzwickede

Di — So 10.00 — 17.30 Uhr museum-schloss-cappenberg.de

Di — So 10.30 — 17.30 Uhr museum-haus-opherdicke.de


DIE KUNST DER WIEDERHOLUNG Draiflessen Collection G I P S A B G U S S A L S „ Z W E I T O R I G I N A L“

Fragen wir nach Wert und Bedeutung eines Kunstwerks, spie­ len seine wissenschaftliche Erforschung, sein zeitlicher Kontext sowie seine öffentliche Anerkennung eine wesentli­ che Rolle – nicht zuletzt auch die nach der*dem Urheber*in des Werks. Was aber passiert, wenn Kunstwerke wiederholt werden? Wie sehen unsere Bewertungsmaßstäbe dann aus? DIE KUNST DER WIEDERHOLUNG präsentiert eben sol­ che Werke: Gipsabgüsse der Venus von Milo, von den 1811 auf der griechischen Insel Aegina entdeckten Skulpturenfrag­ mente, den Aegineten, Ergänzungen des Gipsabgusses des Torsos vom Belvedere, des Weiteren Korkmodelle antiker Bauwerke sowie Gemäldekopien und Reproduktionsgrafiken nach Raffaels Sixtinischer Madonna. Mit diesen sechs The­ menschwerpunkten stellt die Ausstellung ganz bewusst die Frage, wie eine Kopie, aber auch das zugrundeliegende Vorbild zu bewerten ist und regt dazu an, Kriterien wie Originalität, Herkunft und Autorschaft neu zu überdenken.

W E R T S C H ÄT Z U N G D E R G E M Ä L D E KO P I E

Raffaels 1512/13 entstandenes Gemälde der Sixtinischen ­M adonna gehörte schon im 19. Jahrhundert zu einem der meist kopierten und reproduzierten Bilder. Ursprünglich als Auftragsarbeit für den Hochaltar der Kirche San Sisto im ita­ lienischen Piacenza geschaffen, wurde es im 18. Jahrhundert an den Dresdner Hof verkauft, während für die Kirche eine ­Kopie angefertigt wurde. Die Wertschätzung eines ­perfekt kopierten Gemäldes war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts groß und zeichnete auch der Könnerschaft des Kopisten aus. Spätestens mit dem bestimmenden Originalitätsanspruch der Moderne verlor das Kopieren, Wiederholen an Legitimität. Nichtsdestotrotz kamen zahlreiche Kopien eines Werks ­seiner Popularität im selben Maße zugute wie auch dessen Schöpfer*in selbst. Lässt sich also die Bedeutung eines Werks nicht gerade über vielfältige Ketten von Wiederholungen ausmachen?

Neben Gemäldekopien und Reproduktionsgrafiken präsen­ tiert die Ausstellung die beeindruckenden Gipsabgüsse der Aphrodite von Melos, der sogenannten Venus von Milo, der Aegineten und des Torso vom Belvedere – deren marmorne Vorbilder zu den berühmtesten antiken Skulpturen zählen. Das Wiederholen eines Motivs oder einer ganzen Figur in Gips blickt auf eine lange Tradition zurück, die bis weit in die Antike reicht. Abgüsse dienten der Vervollständigung priva­ ter und öffentlicher Sammlungen, als Studienobjekte und Inspiration in der künstlerischen Ausbildung. Ferner spielten sie eine wesentliche Rolle bei der Übertragung von Bildern von einem Ort zum anderen. Im 19. Jahrhundert erlebte das Herstellen von Gipsabgüssen eine Hochzeit. Aufgrund ihrer gleichmäßig weißen und ebenmäßigen Oberfläche wurden sie sogar zeitweise als „Zweitoriginal” höher geschätzt als die Vorbilder aus Marmor oder Bronze. Nicht zuletzt trugen auch sie als wichtige Ergänzungen der musealen Sammlungen zu einem umfassenderen Überblick über die Geschichte der Kunst bei. Hauptleihgeber ist das Lindenau-Museum Altenburg. Dessen Sammlung wurde von Bernhard August von Linde­ nau (17 79-185 4) in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angelegt. Sie zeichnete sich dadurch aus, dass unterschied­ lichste Bildkünste – unabhängig davon, ob Original, Kopie, Abguss oder Modell – nebeneinanderstanden. TA N JA KEMME R

8. Mai bis 31. Juli 202 2 DI E K U NS T DER W I E DER HOLU NG D ra i f l e s s e n C o l l e c t i o n G e o r g s t ra ß e 1 8 , 4 9 4 9 7 M e t t i n g e n w w w . d ra i f l e s s e n . c o m

Torso vom Belvedere als sinnender Aias, 1990er-Jahre, Gipsabguss nach römischer Kopie, 30 vor Chr. bis 14 nach Chr., nach hellenistischem Vorbild, 200 x 98 x 141 cm (Figur), 16 x 120 x 150 cm (Plinthe), Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München, Foto: Renate Kühling © Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek, München


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FRÜH JAHR 2022

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®Antje Blumenstein, VG Bild-Kunst, Bonn 2021 - Cross 02 - 2018 - Papier gefaltet

Tom Mosley + Antje Blumenstein

Licht und Schatten sind alltägliche Phänomene, die wir meist als selbstverständlich begreifen und denen wir ohne besondere Zuwendung begegnen. Die Werke in dieser Ausstellung machen uns neu darauf aufmerksam.

13. Februar – 8. Mai 2022

www.skk-soest.de

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VIEL LICHT VIEL SCHATTEN

Felix Becker Nelleke Beltjens Artjom Chepovetskyy Jaeyun Moon Eunji Seo Sarah Walker

gopea-kunstraum in der Burg Bentheim · Schloßstraße · 48455 Bad Bentheim

RAUM SCHROTH

im Museum Wilhelm Morgner, Soest

01.05.22

20.08.22

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s l i a et


i 23.1. –8.5.2022 sk w ro u K r te al W d un el e Begegnung Rudolf Holtapp nde · Eine foto_grafisch © Alle Bilder: Rudolf Holtappel, Walter Kurowski, Nachlass LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen

fft Kulturlege Ruhrgebietschronist tri

Konrad-Adenauer-Allee 46 46049 Oberhausen Di–So 11–18 Uhr, Mo geschlossen Tel. 0208 41249 28 w w w. ludwiggalerie. de


»DAS SIND MEINE MODERNEN FRAUEN« TAUSCHE MONET GEGEN MODERSOHNBECKER 20. Februar – 4. September 2022

Partner SAMMLUNG RAU für

Förderer

Arp Museum Bahnhof Rolandseck | Hans-Arp-Allee 1 | 53424 Remagen | Di bis So und an Feiertagen 11–18 Uhr Informationen +49 2228-9425-0 | www.arpmuseum.org Bildnis Lee Hoetger vor Blumengrund | Paula Modersohn-Becker | 1906 | © Museen Böttcherstraße, Bremen

Heinrich Kühn: Miss Mary im blauen Kostüm, 1910, Österreichische Nationalbibliothek, Wien © ÖNB / Kühn

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Eine neue Kunst

Photographie und Impressionismus 12. 2. – 8. 5. 2022


Bildausschnitt: Robert Häusser - o.T. ( Stephanienufer) - GBG 48

Bisher ungezeigte Werke von Robert Häusser für die GBG Mannheim

Exklusiv zu sehen und zu erwerben: 40 Werke - Edition 15 Fine Art Print auf Baryt, Modern Print 60x45cm, Galerie Rahmen mit Museumsglas 1.900€

Prince House Gallery H7,1 - Mannheim gallery@princehouse.de 0175 2289 298 www.princehouse.de


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Streifzüge

„Fotografie hat eine immer noch unglaubliche Wirkungsmacht“ erfahren wir von Matthias Harder, Direktor der Newton Foundation in Berlin. Davon überzeugen Amina Falahs’ Serie „Pott-à-Porter“ in der Stiftung Zeche Zollverein Essen, Viktoria Binschtok auf der Triennale der Photographie in Hamburg, die ungesehenen Bilder von Robert Häusser (1924-2013), einem Pionier der zeitgenössischen Fotografie. Die Entwicklung des neuen Mediums Fotografie von den 1850er-Jahren zu einer autonomen

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FRÜH JAHR 2022 — FOTOGR AFIE

Kunstform um 1900 beleuchtet eine spannende Ausstellung im Museum Barberini in Potsdam, die auch die Wechselwirkungen zwischen Fotografen und Impressionisten aufzeigt!


Amina Falah, „Ugly Chic Look“ im Revier, Motiv aus der Serie „POTT-À-PORTER“, Ausstellungsreihe „Aktuelle Fotografie im Ruhrgebiet. Pixelprojekt auf Zollverein“, Stiftung Zollverein und das „Pixelprojekt Ruhrgebiet“ © Amina Falah


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V i k t or i a Bi n s c ht ok

CONNECTION Mit einem spannenden Verwirrspiel aus digitaler und ana­ loger Virtualität hinterfragt die Künstlerin gewohntes Sehverhalten und materialisiert die Bilderflut des Internets beziehungsweise entmaterialisiert die Wirklichkeit. Viktoria Binschtok, geboren in Moskau, lebt und arbeitet in Berlin. ­A rbeiten von ihr sind gerade im Oldenburger Kunstverein und in der Kunsthalle Hamburg anlässlich der Phototriennale zu sehen. Stefan Gronert sprach mit der Künstlerin u.a. über ­Ihren neuen Katalog im Zeitalter der digitalen Medien. Stefan Gronert: Du arbeitest gerade an einer neuen Publikation, die wohl bald (wann genau?) erschei­ nen wird: Wie verhält sich für Dich das gedruckte Buch zur Präsenz Deines Werkes im Internet? Sind Bücher mittlerweile anachronistisch? Viktoria Binschtok: Mein Buch „Connection“ wird im März zu meiner Ausstellung im Oldenburger Kunstverein er­ scheinen. Für mich geht die Publikation jedoch über die Funktion eines begleitenden Ausstellungskataloges hinaus. Es ist als unabhängiges Buch konzipiert, das idealerweise ­e inen neuen Rezeptionsrahmen meiner Arbeit eröffnet. ­J edes Format, ob Buch, Netz oder Ausstellungsraum hat ­s eine ­spezifischen ­E igenschaften. Das Buch ist ein irrever­ sibles, haptisches Ding, das mit dem Druck abgeschlossen wird, während wir Inhalte im Netz immer wieder bearbeiten können. Als linear g­ e­lesenes Objekt hat es einen Anfang und ein Ende. Die H ­ erausforderung besteht u.a. in der Dramatur­ gie der Inhalte, durch die sich wiederum spannende Bezüge ­i nnerhalb des Werkes herstellen lassen. So beginne ich bei­ spielsweise mein Buch mit einer frühen und kaum bekannten Serie „Three People On The Phone“ (2004), die sich formal und fotografisch komplett von den Werkgruppen “Clusters” und “Networked Images” unterscheidet. Es gibt jedoch in­ haltliche Verbindungen, die erst jetzt, retrospektiv erkennbar werden. Neben dem umfangreichen Bildteil wird es Texte ­geben, die sich natürlich im Buch besser lesen lassen als am Display wie ich finde. Der Vorteil von Büchern ist sicher auch, dass sie ohne technische Hilfsmittel lesbar sind. Das macht sie zu zeitlosen Begleitern über Generationen hinweg. Da das ­B üchermachen allerdings eine kosten- und ressourcen­ intensive Angelegenheit ist, sollte die Entscheidung für ein Druckerzeugnis gut überlegt sein.

SG: Viele Themen und Aspekte Deines Ansatzes hast Du vor einem halben Jahr in einem sehr ­erhellenden Interview mit der Maren Lübbke-­ Tidow erläutert. Mir stellt sich vor dem Hinter­ grund Deiner Entwicklung und den mittlerweile sehr bekannten „Globen”, Deiner Abschlussarbeit an der HGB Leipzig 2002, noch die Frage, ob Du Dir vorstellen kannst einmal wieder physische Objekte in Dein Werk zu integrieren? Oder sind Deine Bilder-Installationen für Dich schon selbst als konkrete Objekte zu begreifen, die sich nur vor Ort vermitteln (Stichwort: „Original“)? VB: Wenn es ein schlüssiges Konzept erfordert, kann ich mir viele medienübergreifende Präsentationsformen vorstellen. Zunächst gehe ich aber von der Fotografie aus, die in diversen Körpern auftreten bzw. körperlos sein kann. Die “Globen” entstanden aus dem Bedürfnis heraus diese neue immaterielle Form des Digitalen zu begreifen, deshalb habe ich die Bilder und Objekte aus dem Netz in den physischen Raum übersetzt. Auch die Arbeiten der letzten Jahre verstehe ich als physi­ sche Objekte, sie haben einen Körper im Gegensatz zu den Bilddaten, die ihnen als Idee zugrunde lagen. Durch die frei­ stehende Präsentation dieser Bilder im Raum ergab jeder Standpunkt eine neue Gesamtansicht auf die unterschied­ lichen Bild­ebenen (“Not Until Tomorrow” Klemm’s, Berlin, 2020). Zudem gab es keinen linearen Pfad, sondern zahlrei­ che ­Möglichkeiten sich durch die Ausstellung zu bewegen. Diese Anordnung hat konkrete Bezüge zur verzweigten Struktur im Netz, in der alle Informationen miteinander verlinkt werden können. Dadurch gibt es keine Hierarchisie­ rung der Bilder in high und low bzw. mehr oder weniger relevant. Auch diesen Aspekt bilde ich in meinen Arbeiten ab, in denen ich Bilder aus unterschiedlichsten Kontexten miteinander kollidieren lasse. – Durch die Reisebeschrän­ kungen im letzten Jahr wurde ­meine Ausstellung mehr im Netz als in der Galerie gesehen. Doch wie wir spätestens durch die Pandemie herausgefunden haben: einen Ausstellungs­ besuch vor Ort kann man nicht ersetzen.


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Viktoria Binschtok, 2021

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Ausstellungsansicht Viktoria Binschtok, „Not Until Tomorrow“, KLEMM’S, Berlin, 2020


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Viktoria Binschtok, „Chocolate Girl“, 2019


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SG: Zuletzt die Frage nach einer „Neuentdeckung”: Welche fotografische Position hat Dich selbst ­zuletzt fasziniert?

Stefan Gronert, Kurator für Fotografie und Medienkunst am Sprengel Museum in Hannover. 2017 initiierte er einen von der Stiftung Niedersachsen finanzierten Foto-Theorie-Blog, den Sprengel FOTO-Blog. www.foto-kunst-theorie.de w w w . v i k t o r i a b i n s c h t o k . w o rd p r e s s . c o m

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VB: Mich hat diese Diskussion sehr lange gar nicht interessiert, vermutlich weil ich mich nicht repräsentiert sah in der ­De­batte, die vor allem um individuelle Interessen und Stand­ ortfragen kreiste. Für mich ist Fotografie ein schwerfassbares Phänomen, das sich zuletzt durch Smartphones in alle mögli­ chen Lebensbereiche ausgeweitet hat. Durch dieses Medium haben wir uns von passiven KonsumentInnen von Bildern zu aktiven ProduzentInnen entwickelt. Fotografie ist Teil unse­ rer globalen, nonverbalen Kommunikation. Deshalb wünsche ich mir ein Institut für Fotografie, welches das Me­dium neben den künstlerischen, wissenschaftlichen und dokumentari­ schen Erscheinungsformen vor allem als Bildphänomen unserer vernetzten Welt disziplinübergreifend erforscht. Dazu gehört die Betrachtung diverser, digitaler Bildwelten ebenso wie die kritische Auseinandersetzung mit der mono­ polistischen Infrastruktur des Netzes. Denn was wir auf unseren Displays zu sehen bekommen entscheiden letztlich nur wenige Konzerne durch ihre Algorithmen. Wie mächtig Facebook und Co. sind, konnten wir erst kürzlich durch den Blackout erahnen, der den globalen Bilderfluss plötzlich für einige Stunden zum Stillstand brachte. Es wird Zeit sich ­i ntensiv mit diesen Effekten zu befassen, gerne auch im zu­ künftigen ‚Bundesinstitut für Fotografie’. Ich würde es eher ‚Globales Institut für Fotografie’ nennen, das klingt irgendwie richtiger für ein grenzüberschreitendes Medium.

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SG: Vor der Bundestagswahl drehte sich in der öffentlichen Diskussion der Foto-Szene vieles um ein Bundesinstitut für Fotografie. Was würdest Du persönlich von einer solchen Institution erwarten?

VB: Mir fällt spontan die aktuelle und sehr sehenswerte Aus­ stellung von Peter Miller im C/O Berlin ein, die von Kathrin Schönegg kuratiert wurde. Zugegebenermaßen kannte ich die meisten seiner präsentierten Werke nicht. In seinen fotogra­ fischen, filmischen, installativen oder auch performativen Arbeiten überrascht er mit vielseitigen Aspekten der analogen Fotografie. Auch Katarina Dubovskas Werk, die sich ebenfalls mit der medialen Verfassung der Fotografie befasst, finde ich sehr spannend. Ihre hybriden Arbeiten sind mir vor vielen Jahren bei einem Besuch an der HGB Leipzig in der Klasse ­Peggy Buth aufgefallen. Inzwischen hat sie zahlreiche Aus­ stellungen bespielt und auch einen umfangreichen Katalog zu ihrem Werk veröffentlicht.


46 R ob e r t H äu s s e r : I m Au f t r a g de r G B G

Mannheim der 50er-Jahre

Den Besuchern der „Biennale für aktuelle Fotografie“ – 19. März bis 22. Mai 2022 in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg – bietet sich die einmalige Möglichkeit, mit Robert Häusser einen der

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bedeutendsten ­Fotografen der jungen Bundesrepublik neu zu entdecken.

Frauenwohnheim am Stephanienufer, um 1952, GBG 43, Foto: Robert Häusser, MARCHIVUM/GBG MANNHEIM


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O. T., Waldhof, GBG 453, Foto: Robert Häuser, MARCHIVUM/GBG MANNHEIM


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Auf einem hell erleuchteten Innenhof zeichnen sich dunkle Schatten ab. Es sind Schatten der angrenzenden Bäume, eines Hauses und einer Person, die ihren Arm in die Luft hebt, so als ob sie jemandem etwas hinterherrufen möchte. Die Rede ist von „Mein letztes Bild“ des Fotografen Robert Häusser. Es markiert den Endpunkt seiner künstlerischen Tätigkeiten im Jahr 2009, bevor er am 5. August 2013 verstirbt. Nach einer über 60-jährigen Schaffensphase hinterlässt der Fotograf ein umfangreiches und viel beachtetes Œuvre, das sich heute vor­ nehmlich in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen befindet, im sogenannten Robert-Häusser-Archiv. Über viele Jahre war Robert Häusser auch Hausfotograf der GBG und die in diesem Kontext entstandenen Auftragsarbeiten verkaufte er 2001 im Rahmen einer feierlichen Übergabe an die Woh­ nungsbaugesellschaft. In der Ausstellung „LINSE AUF // MANNHEIM“ der Prince House Gallery im Verbund mit der GBG werden nun zum ersten Mal Arbeiten aus diesem Be­ stand gezeigt. Robert Häusser zählt zu den bedeutendsten deutschen Fotografen der Nachkriegszeit, der viele nachfolgende Foto­ grafen und Künstler inspirierte. Als Person erzählt Robert Häusser auch eine deutsche Geschichte, die von seinen Erfah­ rungen mit dem Nationalsozialismus und dem Krieg, in seiner Zeit in der Ostzone und von seinen Reisen, zahlreichen Be­ gegnungen mit berühmten Persönlichkeiten sowie seiner Wahlheimat Mannheim berichtet. Seine ersten Erfahrungen mit der Fotografie sammelte der in der Nähe von Stuttgart geborene Häusser bereits als 17-Jähriger; in den Jahren 1941/42 schuf er eine bedeutsame Reihe von Bildern, welche bereits viele Facetten und Herange­ hensweisen seiner später so charakteristischen Handschrift anklingen lassen. Während der Kriegsjahre musste seine Ar­ beit mit der Kamera zurückstehen und auch nach Kriegsende, als es ihn mit seiner Frau in die Sowjetische Besatzungszone

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Es ist ein bedeutender Fundus für die Stadt Mannheim, aber auch ein bereichernder Einblick in eine angespannte Lebens­ phase des Fotografen Robert Häusser (1924−2013), der 1995 als erster deutscher Fotograf mit dem Hasselblad-Preis aus­ gezeichnet wurde und viele internationale Erfolge feierte. Es geht um über 1.000 Negative des Fotografen, die er seit den 1950er-Jahren für die GBG Mannheim (Mannheimer Woh­ nungsbaugesellschaft mbH) anfertigte und die seit 2001 im Stadtarchiv Mannheim lagern. Der Öffentlichkeit sind diese Auftragsarbeiten bislang größtenteils unbekannt geblieben und sie bringen uns nicht nur ein Stück Stadtgeschichte näher, sondern offenbaren zugleich den Geist des Fotografen, der nach dem Krieg und seiner Zeit in der Sowjetischen Besat­ zungszone endlich in der Freiheit Mannheims ankam.


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Schönau Kindergarten, GBG 118, Foto: Robert Häusser, MARCHIVUM/GBG MANNHEIM

zu seinen Eltern aufs Land verschlug, bleibt anfangs wenig Raum zum Fotografieren. „1946. Ich war unversehens zum Bauern geworden. Und die Fotografie? Wenn es uns wieder besser ginge, wollte ich fotografieren, hatte aber noch keine konkrete Vorstellung. Ich konnte ohnehin noch keine klaren Pläne machen, denn es ging jetzt erst einmal ums Überleben.“ In dieser Zeit entstehen Bilder unter dem Eindruck der landwirtschaftlichen Arbeit, die er und seine Familie zu leis­ ten hatten, wie auch unter dem Eindruck der ländlichen Gesellschaft und Umgebung. Graf isch komponierte Hell-Dunkel-Partien und klare Linien prägen immer stärker seine Bildsprache. Mit der Arbeit „Acker“ von 1950 gelingt ihm ein Höhepunkt der formal und symbolisch verdichteten Bildsprache. Es sind auch hier die scheinbar nebensächlichen Motive, die das Bild auszeichnen. Der „Acker“ zeigt die un­ endlich langen Furchen eines gepf lügten Feldes, nur im entfernten Hintergrund erkennt man den Pflug und das Pferd, geführt von Häussers Vater. Später wird Wolf Biermann die­ ses Bild mit einem eindrücklichen Gedicht würdigen.


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Porträtfoto mit Kindern, Foto: © Robert Häusser, Robert-Häusser-Archiv/Curt-Engelhorn-Stiftung, Mannheim

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Schließlich f lieht Häusser mit seiner Frau Elfrieda aus der ­Sowjetischen Besatzungszone. Er lässt bittere Erfahrungen hinter sich und will nun in Mannheim endlich in der er­ hofften freien Welt ankommen. „September 1952: Mit 5 Westmark in der Tasche, der alten Rollei und dem klappri­ gen Motorrad und das, was wir auf dem Leib hatten, kamen wir in Mannheim an: Ostflüchtlinge, Habenichtse.“ Im Nach­ kriegs-Mannheim fällt es Häusser anfänglich schwer, mit dem Beruf des Fotografen genügend Geld zu verdienen, um die Grundbedürfnisse der Familie zu decken. Doch das ändert sich schon sehr bald, nachdem Häusser den Mannheimer ­Verkehrsdirektor Vogel kennenlernt, der ihm nicht nur einen ersten kleinen Auftrag gibt, sondern ihn auch bei der Ge­ meinnützigen Wohnungsbau-Gesellschaft (heute GBG) empfehlen wird. Diese Empfehlung bringt Häusser schon ­einige Tage später einen, wie er sagte, „Großauftrag“ ein, bei dem er für die „Gemeinnützigen … 10 Aufnahmen von den Neubauten der Schönau-Siedlung bis Ende der Woche“ erstel­ len sollte. Fortan wird er mit der GBG über mehr als zwei Jahrzehnte als Hausfotograf intensiv zusammenarbeiten. Da­ bei inszenierte und dokumentierte Häusser nüchtern und sehr klar die neue Architektur, ließ sich nicht nur auf das Spiel der Formen ein, sondern verstärkte durch seinen Blick noch die gewünschte Atmosphäre der jeweiligen Lebenswelten. Zuweilen gibt er der Vorstellung des Lebens in den neuen Wohnwelten einen derart geschickten Blick, dass die Bilder wie Darstellungen einer pittoresken und fernen Urlaubswelt anmuten, zum Beispiel die Serie der Bilder im Waldhof.


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FRÜH JAH R 2022 — P O RTR ÄT

Er kommt dabei auch mit den Menschen der jeweiligen ­Siedlungen in Kontakt, etwa mit den Kindern in der Schö­ nau-Siedlung. Hier entsteht vielleicht eine der schönsten Aufnahmen aus dem Konvolut der GBG, das vom Leben und Sein der Kinder in den 1950er-Jahren erzählt („Kindergarten Schönau“). Sein Blick schweift aber zugleich immer wieder ab und er lässt Motive wie Perspektiven Teil seiner Aufnahmen werden, die alles andere als kühl-dokumentarisch sind: der Blick auf ein Hochhaus aus dem hohen Gras heraus, der ­schräge Winkel eines Hinterhofs mit spielenden Kindern, dramatische Hell-Dunkel-Kontraste, welche die gezeigte ­A rchitektur inszenieren. Die frühen Aufträge der GBG gaben Robert Häusser ­e inen finanziellen Schub, um sich wieder stärker seiner ­eigenen Fotografie zuzuwenden. Ab 1953 entstehen die atem­ beraubenden Arbeiten seiner kürzesten Periode: „Bald fuhren wir nach Paris und sogar nach Italien. Diese Reise endete

Heiligenbergstraße, Niederfeld, GBG 490, Foto: Robert Häuser, MARCHIVUM/GBG MANNHEIM


53 abrupt, wir hatten zu wenig Geld dabei. Reisen will gelernt sein. Aber welche Freiheit, reisen zu können! Und was für gute Bilder gelangen mir jetzt! Nun, da ich zum ersten Mal in meinem Leben von Schicksalsschlägen und Zwängen befreit in einem freien Land leben konnte, wurden meine Bilder von 1953 bis 1954, wie nie zuvor und auch später nicht wieder, ganz unbewusst hell und licht, oft zart. Nicht als Ausdruck ‚heller Freude‘, aber doch voll reservierter Melancholie. Mir ist dieses Intermezzo der ‚Hellen Periode‘ erst viele Jahre später aufgefallen und heute kann ich das verstehen.“ J O H A N N S C H U L Z- S O B E Z

B i s 2 7. M ä r z 2 0 2 2 L I N S E A U F // M A N N H E I M P r ince House Galler y www. pr incehouse. de

ECA-Siedlung, um 1953, GBG 106, Foto: Robert Häusser, MARCHIVUM/GBG MANNHEIM


54 I nt e r v ie w m it M at t h i a s H a r de r, D i r ek t or u nd K u r at or de r H el mut Ne w t on S t i f t u n g , B e rl i n

Helmut Newtons „Legacy“ „ I c h m a c h e m i r u m d i e E n t w i c k l u n g d e r F o t o g ra f i e ü b e r h a u p t k e i n e S o r g e n“ M AT TH IAS HARDER

Matthias Harder, Helmut Newton Stiftung, in der Ausstellung „Body Performance“ vor einer Fotografie von Vanessa Beecroft, Berlin, 2020, Foto: David von Becker


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Der 1965 in Kiel geborene Matthias Harder ist einer der ­profiliertesten Fototheoretiker, Kuratoren und Ausstellungs­ macher in Deutschland. Der Kunsthistoriker, der über Walter Hege und Herbert List promovierte, hat bereits 1995 seinen ersten Ausstellungsraum „empty rooms“ in Berlin eröffnet und kuratierte seitdem viele Ausstellungen – unter anderem für das Münchner Stadtmuseum, die nGbK − neue Gesell­ schaft für bildende Kunst, den Neuen Berliner Kunstverein, den Martin-Gropius-Bau, das Fotomuseum im Münchner Stadtmuseum, das ifa Berlin und Stuttgart, das Palais für ­a ktuelle Kunst in Glückstadt und seit 2004 für die Helmut Newton Stiftung in Berlin, wo er bis heute als Direktor und Kurator arbeitet. Er schreibt Katalogbeiträge, arbeitet für Kunstmagazine und unterrichtet zudem an der Freien Uni­ versität und an der Neuen Schule für Fotografie. Marc Peschke sprach mit ihm über neue und alte Projekte …

ARTMAPP: Lieber Matthias, in einem Interview, das wir 2009 miteinander gemacht haben, sagtest du über Helmut Newton, er sei dem Zeitgeist ­immer eine Nasenlänge voraus gewesen. Hat sich dein Blick auf Newton in den vergangenen 13 Jahren noch einmal verändert? Siehst du ihn heute anders als in der Anfangszeit deiner Tätigkeit für die Stiftung?

© Helmut Newton Foundation

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Alice Springs, Helmut Newton, Hollywood, 1996

FRÜH JAHR 2022 — FOTOGR AFIE

Matthias Harder: Natürlich sehe ich Newton und seine Foto­ grafie anders, denn ich lerne ja seit 2004 immer mehr davon kennen. Es ist ein wahrhaft beeindruckendes Werk, vor allem in den drei Hauptgenres Mode, Porträt und Akt, aber er war ja auch auf manchen „Nebengleisen“ unterwegs. All das kann ich in interessante Gruppenausstellungen münden lassen, und so waren die Gegenüberstellungen mit Werken von ­R obert Mapplethorpe, Cindy Sherman, Vanessa Beecroft, ­Robert Longo, Saul Leiter, David Lynch, Sheila Metzner oder Joel Meyerowitz in den letzten Jahren für mich ein großes Vergnügen. Die Aussage, er sei dem Zeitgeist immer eine ­Nasenlänge voraus gewesen, würde ich übrigens heute immer noch so treffen.


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ARTMAPP: Wir sprachen damals auch über das Thema des Epigonentums in der aktuellen Foto­ grafie. Hat die Fotokunst noch immer dieses ­P roblem? Wie siehst du die Gegenwart der ­Fotografie und Fotokunst? MH: Newton und manche seiner Kollegen, etwa Avedon, Penn, Bourdin oder Lindbergh, haben die Latte schon ­z iemlich hoch gehängt. Weniger talentierte oder mutige ­Fotografinnen und Fotografen orientieren sich im eigenen Werk häufig an solchen Vorbildern. So entstehen immer wie­ der Bilder, die uns irgendwie bekannt vorkommen; manchmal ist es aber durchaus pures Epigonentum, über das ich mich schon wundere. Newton selbst lebte natürlich genauso wenig im luftleeren Raum, auch er hat sich inspirieren lassen, etwa vom Medium Film, von Hitchcock, „James Bond“, Fellini oder von der Literatur, beispielsweise von Schnitzlers „Traumno­ velle“ bis zu den Kriminalromanen von Raymond Chandler. Die visuelle Transformation funktionierte in solchen Fällen natürlich intermedial und recht subtil. Mich fasziniert die zeitgenössische Fotografie und Fotokunst weiterhin; ich schreibe viele Katalogtexte für die unterschiedlichsten Bild­ autoren, und jede Position muss mich in solchen Fällen irgendwie berühren oder packen. Ich mache mir um die Ent­ wicklung der Fotografie, ob analog oder digital, überhaupt keine Sorgen. ARTMAPP: Hat sich dein Blick auf die Fotografie in all den Jahren verändert? Geht von ihr noch dieselbe Faszination aus wie früher – um in deinen Worten zu sprechen, die „Wirkungsmacht“? MH: Ja, absolut! Ich spüre weiterhin die gleiche Faszination für das Medium wie vor 27 Jahren, als ich meine erste Aus­ stellung an der nGbK Berlin co-kuratieren durfte. Natürlich hat sich mein Blick auf die Fotografie in all diesen Jahren ver­ ändert, ich war seitdem an verschiedenen Häusern tätig, habe große Fotoarchive aufgearbeitet, in zahlreichen Jurys oder in Portfolio-Reviews gesessen, habe befreundete Pri­ vatsammler beraten, Fotostudierende unterrichtet und unzählige Texte geschrieben. Die Wirkungsmacht des Me­ diums ist für mich sehr groß geblieben, und ich denke, das gilt auch für viele a­ ndere Menschen, die wie ich begeistert Fotoausstel­lungen besuchen.


© Helmut Newton Foundation

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Helmut Newton, Carla Bruni, Blumarine, Nice, 1993

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Ausstellungsansicht „Helmut Newton. Legacy“, hier mit „Fashion, Melbourne, 1955“, Helmut Newton Stiftung, Berlin, Foto: Gerhard Kassner

ARTMAPP: Kommen wir mal in die Gegenwart, zu deiner Arbeit aktuell. Ihr zeigt in der Helmut Newton Stiftung bis zum 15. Mai die Jubiläums­ schau „Helmut Newton. Legacy“ anlässlich des 101. Geburtstags Newtons − eine große Retrospek­ tive mit 300 Werken, die chronologisch angelegt ist. Wovon hast du dich bei deiner Auswahl aus diesem Riesenwerk leiten lassen? MH: Diese Ausstellung sollte die Menschen überraschen, auch diejenigen, die Newtons Werk bereits recht gut kennen. Und das ist ganz gut aufgegangen, denke ich. Die Ausstellung tourt nach der Berliner Präsentation und insofern musste die neue Retrospektive auch ikonische Bilder enthalten, die die Menschen in Belgien, Österreich, Italien und Frankreich an­ sonsten vermissen würden.

ARTMAPP: Und wie lief das Prozedere genau? MH: Ich habe parallel für diese Ausstellung sehr intensiv das hauseigene Archiv gesichtet, etwa die frühen Zeitschriften aus den 1960ern und 1970ern, Tausende von Kontaktbögen, Workprints und Polaroids. Und wenn es Markierungen auf den Kontaktbögen gab oder größere gestempelte oder sig­ nierte Abzüge, wenn die Bildmotive zu Newtons Lebzeiten publiziert wurden, sind sie für eine mögliche Auswahl ­le­g itimiert. Aus dieser Auswahl habe ich möglichst neue, überraschende Motive für die Retro ergänzt. Das Ganze habe ich erstmals streng chronologisch angeordnet, so können die Besucher die Genese eines der erfolgreichsten fotografischen Werke gut nachvollziehen. Jeder Ausstellungsraum ist anders, nicht nur farblich, sondern ebenso thematisch und was die Präsentation betrifft.


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ARTMAPP: Zur Ausstellung ist ein Buch ­erschienen. Wie ist es konzipiert und wer sollte es unbedingt kaufen? MH: Auch das begleitende Buch ist chronologisch aufgebaut, mit den gleichen Kapiteln wie in der Ausstellung; allerdings ist nicht jedes Bild, das an der Wand hängt, im Buch reprodu­ ziert – und umgekehrt. Verlegt wurde es von Taschen und erneut ist es eine großformatige dreisprachige Publikation ge­ worden, sehr gut gedruckt, in einem tollen Layout. Es liegt nun überall auf der Welt in den Buchläden – und diese Distri­ bution des Newton’schen Werkes ist für uns ebenfalls wichtig, denn sie entspricht unserem Credo: Keep him alive. Ich kann allen nur empfehlen, das Buch zu kaufen, auch denjenigen, die schon andere Newton-Publikationen besitzen.

ARTMAPP: Wie geht’s denn weiter? Was sind deine Pläne für die kommenden Monate? MH: Im Sommer eröffnen wir die Gruppenausstellung ­„ Hollywood“. Wie du sicher weißt, war Newton sehr filmbe­ geistert, sodass sein Werk auch zahlreiche kinematografische Anklänge enthält. Er selbst verbrachte die Wintermonate seit den 1980er-Jahren im Hotel „Chateau Marmont“, einem ­legendären Treffpunkt vieler Hollywoodstars. Und dann be­ gann er diese zu porträtieren. Er liebte L. A., und so gibt diese Ausstellung, in der ich außerdem Arbeiten und Werkgruppen von 13 anderen Fotografinnen und Fotografen zeige, also ­deren Interpretationen von Hollywood und Los Angeles, in unserem Haus ein sinnvolles und zugleich größeres Pano­ rama. Es folgt eine Soloshow von Newton, die seiner rein kommerziellen Fotografie der 1980er- und 1990er-Jahre ­gewidmet ist: ziemlich spannendes und teilweise völlig unbe­ kanntes Material. Und im Sommer 2023 folgt die große Retrospektive von June Newton alias Alice Springs anlässlich ihres 100. Geburtstages. Dafür werde ich dann wieder inten­ siv und tief in unser Stiftungsarchiv eintauchen und die eine oder andere internationale Übernahmestation suchen.

© Helmut Newton Foundation

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Helmut Newton, Karl Lagerfeld at Chanel, Paris, 1983

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F ot o g r a f ie u nd I mpr e s s ion i s mu s i m Mu s e u m B a r b e r i n i , P ot s d a m

Eine neue Kunstform F o t o g ra f i e t r i f f t a u f M a l e r e i : D i e A u s s t e l l u n g „ E i n e n e u e K u n s t . P h o t o g ra p h i e u n d I m p r e s s i o n i s m u s“ i m M u s e u m B a r b e r i n i i n P o t s d a m z e i g t z w e i M e d i e n i m Ve r g l e i c h .

Die majestätische Weite des Meeres, Wolkenstudien, Getreide­schober bei unterschiedlichen Lichtverhältnissen, Paris als das Zentrum der Moderne um 1900 – dies sind nur ­e inige Sujets der Ausstellung „Eine neue Kunst. Photo­ graphie und Impressionismus“ im Museum Barberini in Potsdam. Die „neue Kunst“, das war die 1826 erfundene ­F otografie, die zunächst weniger als Kunstform denn als technische Er­r ungenschaft verstanden und eher den ­N a­t urwissenschaften zugeordnet wurde. Bei genauerer ­Betrachtung aber sind die Verbindungslinien zur bildenden Kunst schon früh erkennbar. Die über 150 Werke umfassende Potsdamer Schau zeigt jetzt anhand zahlreicher Vergleiche auf, wie sehr sich die ­b evorzugten Motive der Maler und Fotografen ähnelten. ­L ange Zeit galt die Fotografie als Hilfsmittel, gerade für die Impressionisten. An den Kunstakademien wurden foto­ grafische Vorlagen nur zu Studienzwecken verwendet. Um 1900 jedoch begann sich die Fotografie zu befreien. Mit dem Piktorialismus entstanden freiere Formen und experimen­ telle Drucktechniken. Die Fotografie emanzipierte sich und wurde „malerisch“. Ortrud Westheider, Direktorin des Museum Barberini, äußert sich zu der Entstehungsgeschichte der anspruchs­ vollen Schau folgendermaßen: „Wir hatten die Idee, eine Ausstellung zu konzipieren, die wie ein Resonanzraum auf die Sammlung reagiert.“ Somit wird eine Verbindungslinie zum Gründer und Mäzen des Museums, dem Unternehmer Hasso Plattner, gezogen, dessen Privatsammlung einen Schwerpunkt auf den Impressionismus legt. Die Ausstellung „Eine neue Kunst“ umfasst Fotogra­ fien und impressionistische Werke aus der Sammlung Hasso Plattner, die zwischen 1850 und 1910 entstanden sind. Dane­ ben sind zahlreiche internationale Leihgaben zu sehen. Gegliedert ist die Schau in verschiedene Themenräume. „So können wir ein ganzes Museum mit Impressionismus und Fotografien anbieten“, erläutert Ortrud Westheider. Als Gast­ kurator konnte mit Ulrich Pohlmann, dem Sammlungsleiter Fotografie des Münchner Stadtmuseums, ein ausgesproche­ ner Kenner des Mediums gewonnen werden. Zum Auftakt der Schau präsentiert er den Besuchern eine aus zwei Negativen zusammengesetzte Fotografie von Gustave Le Gray, die den f lüchtigen Naturmoment einer aufgepeitschten Welle vor dem weiten Himmel einfing. Dieses Bildkonstrukt korres­ pondiert mit der gängigen Marinemalerei jener Zeit.

Nach diesem romantischen Stimmungsbild wartet die Schau mit einer aufschlussreichen Gegenüberstellung ein und ­desselben Motivs in zwei verschiedenen Medien auf: der­­b erühmte Kreidefelsen von Étretat als Fotografie von Louis-­A lphonse Davanne und als Gemälde von Claude ­M onet. Während der Fotograf mit geradezu mathema­ tischer Genauigkeit die exakten Details des Strandlebens abbildete, konzentrierte sich der Maler auf die Farb- und Lichtref lexe, um ein atmosphärisches Stimmungsbild ­momenthaft zu verdichten. Ein weiteres Kapitel der Ausstellung sind Wolken­ studien, die in der Bildtradition der romantischen Malerei, etwa von Caspar David Friedrich oder John Constable, stehen. Gerade den Fotografen gelang es, so Ulrich Pohlmann, eine gesamte „Grammatik der Wolkendarstellungen“ mit der ­K amera einzufangen. Diese bildhaft-atmosphärischen ­E rscheinungen wiederum wanderten oft in die Ateliers der Maler, die sie als Vorlagen benutzten. Szenenwechsel. Die dramatischen Veränderungen im Stadtraum von Paris um 1850 durch Baron Haussmann ani­ mierten sowohl Fotografen wie Charles Marville, aber auch Maler wie Gustave Caillebotte oder Claude Monet zur Dar­ stellung neu entstandener Boulevards mit breiten Trottoirs, f lanierenden Personen und dichtem Verkehr. Fotografien vom leeren Stadtraum ohne Passanten, aufgenommen aus er­ höhter Perspektive, stehen im Kontrast zu Gemälden mit schemenhaft aufgelösten Flaneuren, die die Flüchtigkeit des städtischen Lebens verkörpern. Ein weiterer Schwerpunkt der Schau liegt auf der ­E ntdeckung der Fotografie als Kunstform zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Piktorialismus mit seinen Edeldruckver­ fahren brachte Aufnahmen mit Unikatcharakter hervor. Einer der Vorreiter für den Emanzipationsprozess der Fotografie war Heinrich Kühn. Die Ausstellung zeigt auf, wie sich die ­Fotografie der Malerei annäherte, erste Farbaufnahmen ent­ standen und gleiche Motive in unterschiedlichen Licht- und Wetterverhältnissen eingefangen wurden. Ein eigener Raum widmet sich der Autochromfotogra­ fie und präsentiert kleinformatige, von hinten beleuchtete Diapositive. Schließlich rundet ein Technikraum mit alten Kameras und Betrachtungsgeräten die gelungene Schau ab. Wer sich auf den Weg nach Potsdam macht, kann ab Frühjahr 2022 gleich noch einer neuen Attraktion der Hasso Plattner Foundation einen Besuch abstatten. Dann eröffnet


Antonin Personnaz, Armand Guillaumin beim Malen von „Badende bei Crozant“, um 1907, Autochrome (als Faksimile präsentiert), 9 x 12 cm, Société française de photographie, Paris

N ICOLE BÜSING & H EIKO KL A AS

Bis 8. Mai 202 2 E i n e n e u e K u n s t . P h o t o g ra p h i e u n d I m p r e s s i o n i s m u s Mu se um B arbe r ini, Pot sdam www. museum-barber ini. de 2 . Ok tober 202 2 bis 8 . Januar 2023 Vo n d e r H e y d t- M u s e u m , W u p p e r t a l w w w . v o n - d e r- h e y d t- m u s e u m . d e

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„DAS MINSK“, ein Museum für zeitgenössische Kunst und Kunst der DDR, auf dem Brauhausberg. Die Stiftung hat das vom Abriss bedrohte Gebäudeensemble aus den 1970er-­ Jahren gerettet und zu einem Museum mit Café umgebaut. Damit knüpft man an die Nutzung des Gebäudes zu DDR-­ Zeiten als Ausstellungsort und Terrassencafé an. Der Name „MINSK“ leitet sich vom Namen des beliebten historischen Cafés ab. Zum Auftakt heißt es dann einmal mehr „Ost trifft West“: Den Landschaftsgemälden der DDR-Ikone Wolfgang Mattheuer werden Schrebergartenfotografien des Kanadiers Stan Douglas gegenübergestellt.

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© Société française de photographie, Paris


62 F ot o g r a f ie n au s e i ne m f e r ne n L a nd

Deutschland um 1980 E i n A u s s t e l l u n g s p ro j e k t d e s LV R - L a n d e s M u s e u m s B o n n i n K o o p e ra t i o n mit de r De ut sche n Fotothek, Dresde n, und de r St if t ung F.C . Gundlach, Hamburg

Martin Langer, „Chaostage“, Hannover, 1984 © Deutsche Fotothek / Martin Langer / VG Bild-Kunst, Bonn 2022


63 Höchst individuell blicken die sieben Fotografinnen und ­ otografen auf die Entwicklungen in Deutschland um 1980: F als freie Akteure, als Reportagefotografen im Auftrag von ­Zeitungen und Magazinen oder als Fotokünstler. Sie ­zeigen das facettenreiche Bild einer Epoche, die unserer ­Gegenwart ­ferngerückt zu sein scheint und dennoch bis heute vielfach nachwirkt. Ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm und ein reich bebilderter Katalog ergänzen die Ausstellung. DAS KU R ATO RE N TE A M LOTH A R A LTRI N G E R , J E NS BOV E, A D E L H E I D KOM E N DA , S E BA S T I A N LUX U N D T H O RS T E N VA L K

2 4 . März bis 1 4 . August 202 2 D e u t s c h l a n d u m 1 9 8 0 . F o t o g ra f i e n a u s e i n e m f e r n e n L a n d

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Die Zeit um 1980 war eine Phase tiefgreifender Umbrüche und zugleich eine Epoche großer Zukunftsängste. Globales Wettrüsten, grassierende Umweltzerstörung und mas­ senhafte Arbeitslosigkeit befeuerten eine allgemeine Untergangsstimmung, sorgten jedoch zugleich für einen extremen Kreativitätsschub. Punk und Pop trieben wilde Blüten und beeinflussten die künstlerische Avantgarde. Eine bunte Jugendkultur behauptete sich als Motor feministischer wie homosexueller Emanzipation. Reformparteien und Öko­ bauern standen plötzlich hoch im Kurs. Die Ausstellung „Deutschland um 1980“ nähert sich dieser bewegten Zeit anhand von sieben fotografischen ­P osit ionen: Neben A rbeiten von A ngela Neuke und Hans-Martin Küsters, deren Nachlässe das LV R-Landes­ Museum Bonn beherbergt, sind Fotografien von Mahmoud Dabdoub, Gerd Danigel, Barbara Klemm, Martin Langer und Ingolf Thiel zu sehen. Ihre Arbeiten stammen aus den Archiven der Deutschen Fotothek, Dresden, und der Stif­ tung F.C. Gundlach, Hamburg.


Short cuts: Fotografie

James Barnor, Two friends dressed for a church celebration with James’ car, Accra, 1970s, Stampa alla gelatina ai sali d’argento, © James Barnor/Autograph ABP, London

J A M E S B A R N O R , AC C R A / L O N D O N – A R E S T ROSPEC T I V E

Das Museo d’arte della Svizzera italiana in Lugano präsentiert die umfangreichste Retrospektive, die dem ghanaischen ­Fotografen James Barnor (* 1929 in Accra, Ghana, lebt und ­a rbeitet in London) je gewidmet wurde. In seiner mehr als sechs Jahrzehnte langen Karriere auf zwei Kontinenten war Barnor ein außergewöhnlicher Augenzeuge sozialer und ­politischer Veränderungen – von der Unabhängigkeit Ghanas bis zur afrikanischen Diaspora in der afrikanischen Gemein­ schaft in London. Indem er sich mit großer Gewandtheit in den unterschiedlichsten geografischen Regionen, Kulturen

und Genres bewegte – vom Fotojournalismus bis zum Studio­ porträt, von der dokumentarischen bis zur Mode- und Lifestylefotografie –, hat sich Barnor immer durch einen ­modernen Blick und eine bahnbrechende Arbeitsweise ausge­ zeichnet. Obwohl er mehrere Generationen von Fotografen nicht nur in Afrika, sondern auch weltweit beeinflusst hat, ist sein Werk erst in jüngster Zeit wiederentdeckt und entspre­ chend gewürdigt worden. 13. März bis 31. Juli 202 2 M u s e o d ’a r t e d e l l a S v i z z e ra i t a l i a n a M A S I , L u g a n o www. masilugano. ch


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P O T T-À- P O R T E R .

w w w . p i x e l p ro j e k t- r u h r g e b i e t . d e www. zollve re in . de

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Foto: Amina Falah | POTT-À-PORTER

Die Stiftung Zollverein und das Pixelprojekt Ruhrgebiet ­starteten im November 2021 die Ausstellungsreihe „Aktu­ elle Fotografie im Ruhrgebiet. Pixelprojekt auf Zollverein“. Das Projekt sammelt Fotografien, die im Laufe von Jahr­ zehnten als Produkte der seriellen Auseinandersetzung einzelner F ­ otografen mit Themen der Region entstanden sind. So ­entsteht ein unabhängiges fotografisches Gedächt­ nis der Region. Mit dieser Zusammenarbeit intensiviert die Stiftung Zollverein die Stellung des UNESCO-Welterbes Zollverein als zentralen Ort der Fotografie. Die Reihe konzentriert sich im weitesten Sinne auf zeitgenössische Positionen und Ruhrgebietsthemen. Eröffnet wurde die Reihe mit „POTT-À-PORTER“ von Amina Falah (* 1991 in Moers). Sie fotografiert den „Ugly Chic Look“ im Revier. Obwohl es in ihren Arbeiten vorder­ gründig um Mode geht, entwirft sie auch das Bild eines multikulturellen Lebensgefühls der Jugend im Ruhrgebiet. Die Serie zeigt junge Leute an verschiedensten Orten im Ruhrgebiet und zeichnet ein soziales Porträt von Freundin­ nen und Freunden, Geschwistern und fremden Menschen in ihrem jeweiligen Alltag. Peter Liedtke, Kurator, Projektleiter und Gründer des Pixelprojekts: „Mit der Fotoserie von Amina Falah zeigen wir nicht nur eine frische, freche, unkonventio­ nelle Arbeit einer jungen Fotografin, sondern geben auch der Jugend der 2020er-Jahre ein Gesicht, in dem die Region Ruhr­ gebiet eine besondere Rolle spielt.“

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F O T O G R A F I E N VO N A M I N A FA L A H


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Rudolf Holtappel, HOAG-Thomaswerk, Oberhausen, 1960er-Jahre und Walter Kurowski, Arbeiter, o. J. © Rudolf Holtappel & Walter Kurowski, Nachlass LUDWIGGALERIE

H O LTA P P E L U N D K U R OW S K I / M A N F R E D VO L L M E R

Manfred Vollmer trägt mit seinen ikonischen Fotografien von den Arbeitskämpfen im Ruhrgebiet bis hin zu monumentalen Bildern anlässlich „RUHR.2010“ zu einem neuen Image des Reviers bei. Bekannt wurde er durch eindrucksvolle Auf­ nahmen von Arbeiterinnen und Arbeitern oder von den Lebensbedingungen der sogenannten „Gastarbeiterinnen“ und „Gastarbeiter“. Daneben fotografierte er als internationa­ ler Bildreporter das „Adirondack Balloon Festival“ in Glens Falls/NY oder berichtete 1978 über die Ölpest in der Bretagne. Rund 80 programmatische Aufnahmen zeichnen eine Werk­ schau des wichtigen Bildfinders.

Über das Zechensterben, die Arbeitskämpfe der 1970er- und 1980er-Jahre bis zu aufragenden Industriekulissen – zahl­ reiche Themen des Ruhrgebiets treffen in den Werken von Rudolf Holtappel und Walter Kurowski auf­einander. Wäh­ rend Holtappel Industrie, Mensch und Stadt in Szene setzt und das Bild vieler Unternehmen an Rhein und Ruhr prägt, kämpft Kurowski als Karikaturist an der Seite der Arbeiterin­ nen und Arbeiter gegen Ausbeutung und ­b eeinf lusst als einziger Stadtkünstler überhaupt die Kunst- und Musikszene Oberhausens. Von Holtappels Fotos bis zu Kurowskis Grafik und Bildern ist die Metropolregion in ­allen Facetten zu sehen. Bis 8. Mai 202 2 R u d o l f H o l t a p p e l u n d Wa l t e r K u ro w s k i . E i n e f o t o g ra f i s c h e B e g e g n u n g Bis 15 . Mai 202 2 M a n f r e d Vo l l m e r – a u s g e l ö s t – F o t o g ra f i e n v o n 1 9 6 8 b i s h e u t e LU DW IG GA L E R I E Schloss Obe rhau se n www. ludwiggaler ie. de


Amoco Cadiz, 1978, © Manfred Vollmer

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© Jan von Holleben

1 5 . U M W E LT F O T O F E S T I VA L „ HOR IZON T E Z I NGS T “

Vom 20. bis 29. Mai 2022 dreht sich in den Ausstellungen (fast) alles um das Thema Ernährung. „Damit“, so betont Jens Schröder – Schirmherr von „horizonte zingst“ und „GEO“-Chefredakteur –, „rückt das Festival inhaltlich sehr nah an die Besucherinnen und Besucher heran.“ Bei eben­ jenen dürfte die Sehnsucht und die Lust auf Fotografie nach der zweijährigen pandemiebedingten Festivalpause groß sein. „Wir sind zurück und planen ein Festival mit allem Drum und Dran“, erklärt Christian Zornow, Bürgermeister von Zingst, und verrät, dass er sich jetzt schon auf die besondere

Stimmung und Atmosphäre beim „Get together“ in der Strandlounge freut. Als Kuratorin des Umweltfotofestivals legt Edda Fahrenhorst großen Wert darauf, umweltrelevante Themen für das P ublikum so aufzubereiten, dass eine ­G edanken- und Diskussionsgrundlage entsteht. Zum Aus­ tausch bietet das Festivalprogramm viele Gelegenheiten: in Fotoworkshops, beim Fotomarkt, bei den Live- und Panel­ vorträgen, bei Fotografiegesprächen sowie der „Bilderf lut“ am Strand ist viel Raum für Begegnungen und Erlebnisse. 20. bis 29. Mai 202 2 E AT I T – A BOU T FOOD 15 . Umwelt fotofest ival „ hor i zonte zingst“ www. zingst. de


Cao Fei, Nova 04, 2019, Inkjet Print, 90 x 150 cm © Cao Fei, Courtesy Sprüth Magers & Vitamin Creative Space

­reifere Positionen aus Südafrika, dem Iran, China, Kuba, den USA und Europa korrespondieren in 100 Werken an beiden Orten im klugen Dialog miteinander und beschreiben in ­ihren Aussagen den Zustand der Welt in ästhetischer Schön­ heit und Klarheit. Kuratiert von Petra Giloy-Hirtz und Eva Maria Fahrner-Tutsek. Bis 2 4 . Juni 202 2 W I DE OPE N. I N S OF F E N E Z e i t g e n ö s s i s c h e F o t o g ra f i e & S k u l p t u r a u s G l a s A l e x a n d e r Tu t s e k - S t i f t u n g , M ü n c h e n www. at st if t ung. de

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Die renommierte Alexander Tutsek-Stiftung wird 20 Jahre jung! In ihrer internationalen Sammlungstätigkeit konzent­ riert sie sich auf zeitgenössische Fotografie, auf Skulpturen und Installationen mit dem Medium Glas. Zur Sammlung ­gehören bedeutende Werke chinesischer Künstlerinnen und Künstler wie Ren Hang, RongRong oder Cao Fei. Sie feiert ihr Jubiläum mit einer neuen Ausstellung und einem neuen Kunstraum in Münchens neuer Parkstadt Schwabing: der BlackBox! 30 internationale junge und überaus berühmte,

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D I E A L E X A N D E R T U T S E K- S T I F T U N G W I R D 2 0


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F E M A L E V I E W − MODE FO TOGR A F I N N E N VO N D E R M O D E R N E B I S Z U M D I G I TA L E N Z E I TA LT E R

Die Ausstellung „Female View“ zeigt einen Querschnitt durch mehr als 90 Jahre (1925−2020) Modefotografie. Dieser Kunstbereich wurde über Jahrzehnte von Frauen geprägt. Ihre Kunstwerke erschienen in einf lussreichen Magazinen wie „Harper’s Bazaar“, „Vogue“, „Elle“, „Marie Claire“, „Cosmopolitan“, „Redbook“ und prägten so den Stil ihrer Epochen. Viele von ihnen standen zuvor anderen Fotografen Modell und kennen somit das Metier auf beiden Seiten der ­K amera. So behauptet Ellen von Unwerth zutreffend: „Ich kenne die Perspektive.“ Eine Vielzahl von Ausstellungen zur Modefotografie bildete bislang den männlichen Blick auf den weiblichen ­Körper ab, anhand dessen in zuweilen zweifelhaften Darstel­ lungen die Kleidungsstücke inszeniert wurden. Dabei sind

die Betrach­tenden dieser Bilder meist weiblich. In der Ausstel­ lung wird der Wandel des fotografischen Bildes und seine mediale Verbreitung ästhetisch dargestellt. Die Auswahl der Kunstwerke konzentriert sich auf wichtige Modefotografin­ nen aus Europa und den USA mit ihren Streiflichtern auf die Entwicklung in den jeweiligen Modezentren. 20. März bis 3. Juli 202 2 F e m a l e V i e w − M o d e f o t o g ra f i n n e n von der Moder ne bis zum Digitalen Zeitalter Kunsthalle St. Annen, Lübeck w w w . k u n s t h a l l e - s t- a n n e n . d e

Ute Mahler, Julia, Lehnitz, 1979,

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Fotografie, Modern Baryt, © Ute Mahler


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DIE FOTOGR A F I N A N N EL ISE K R E T SCH M ER (19 0 3 − 19 8 7)

Annelise Kretschmer zählt zu den bedeutenden deutschen Fotografinnen, deren Arbeiten bereits in der Zeit der Weima­ rer Republik internationale Anerkennung erhielten. Mit ihrem besonderen Interesse an und ihrem Gespür für Men­ schen gelangen ihr eindringliche Porträtaufnahmen, die als das herausragende Charakteristikum ihres Schaffens gelten. Das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster, das seit Ende 2019 den Nachlass Kretschmers verwaltet, widmet dem Lebenswerk der in Dortmund geborenen Fotografin im Früh­ jahr 2022 eine umfangreiche Sonderausstellung, die alle Schaffensphasen beleuchtet und ihrem bevorzugten Motiv – dem Porträt – einen besonderen Schwerpunkt einräumt. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem LWL-Medien­ zentrum für Westfalen. 6. Mai bis 1 4 . August 202 2

Annelise Kretschmer, Porträt der Opernsängerin Ellice Illiard , 1930/31,

D e r A u g e n b l i c k . D i e F o t o g ra f i n A n n e l i s e K r e t s c h m e r

Nachlass Annelise Kretschmer, LWL MKuK, Münster.

LW L - M u s e u m f ü r K u n s t K u l t u r, M ü n s t e r

Reproduktion: LWL / Hanna Neander

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26.03. – 22.05.2022 Laura Aberham Jan Albers Vivian Greven Erika Hock Dietmar Lutz André Niebur Martin Pfeifle Chris Reinecke Hedda Schattanik & Roman Szczesny Christoph Schellberg Jörn Stoya Tatjana Valsang

s s e n i p p a H d n i M f o e t Is a Sta Ständiger Partner der Kunsthalle Düsseldorf

Kunsthalle Düsseldorf wird gefördert durch

Dietmar Lutz, 12.08.2021, 2021 Acryl auf Leinwand, Atelieransicht © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

www.kunsthalle-duesseldorf.de

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LANDSCHAFTEN IM LICHT. DER IMPRESSIONIST LUDWIG VON GLEICHENRUSSWURM 5.2.– 15.5.2022


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GERHARD RICHTER Gerhard Richter, „Tisch“, 1962, Öl auf Leinwand, 90 x 113 cm, Werk Nr. 1, © Gerhard Richter 2022 (22022022)


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Der Bildermacher Können wir uns die zeitgenössische Kunst ohne Gerhard Richter (* 1932 in Dresden) überhaupt noch vorstellen? Nahezu jeder Mensch kennt seine ­Bilder. In einem Interview 2011 mit Nicholas Serota, ­seinerzeit Direktor der Tate London, sagte er: „Ich versuche, von dem, was ich gesehen habe und mich berührt hat, ein Bild zu malen, so gut wie möglich. Das ist ­a lles.“ Wir laden zur Spurensuche ein: Die ­Sonderausstellungen in Berlin, Düsseldorf, Dresden und Köln feiern den großen Gentleman-Bildermacher in seinem Jubiläumsjahr.

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FRÜH JAHR 2022 — GERHARD RICHTER

AMREI HEYNE


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Gerhard Richter, 8. Juni 16 (8), 2016, Öl auf Farbfotografie, 12,6 x 16,7 cm © Gerhard Richter 2022 (22022022)


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Der konzeptuelle Künstler

© Gerhard Richter 2022 (22022022)

DIE TMAR ELGER

Dietmar Elger, geb. 1958, studierte Kunstgeschichte, ­ eschichte und Literaturwissenschaften in Hamburg. G 1984/85 war er Sekretär im Atelier Gerhard Richter, von 1985 bis 1988 Kurator am Museum am Ostwall in Dortmund und von 1989 bis 2006 Kustos für Malerei und Skulptur am Sprengel Museum Hannover. Elger organisierte zahlreiche Ausstellungen zur modernen und zeitgenössischen Kunst. Seit 2006 ist er Leiter des G ­ erhard Richter Archiv in Dresden. g e r h a rd - r i c h t e r- a r c h i v . s k d . m u s e u m

FRÜH JAHR 2022 — GERHARD RICHTER

Dietmar Elger, 2022, Foto: David Pinzer, Staatliche Kunstsammlungen D ­ resden

Eine besondere Rolle kommt Richters Fotografien bei der Werkgruppe der übermalten Fotos zu. Hier überarbeitet der Künstler die banalen fotografischen Motive abstrakt mit bun­ ten Ölfarben. Auf diese Weise entsteht eine faszinierende Symbiose, bei der sich die Gegenständlichkeit der Fotografie und die Abstraktion der Malerei nicht mehr voneinander ­unterscheiden lassen. Mit seinem gesamten fotografischen Werk erweist sich ­Gerhard Richter als ein konzeptueller Künstler, den vor allem die Analyse und Durchdringung komplexer Bilderwelten interessiert.

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Fotografische Bilder haben Gerhard Richter sein gesamtes Werk hindurch begleitet. Bereits sein erstes offizielles Ge­ mälde, der „Tisch“ von 1962, dem er die Werknummer 1 zugeteilt hatte, malte er nach einem gedruckten Foto aus der italie­n ischen Designzeitschrift „Domus“ von 1956. Seine ­F otobilder aus den 1960er-Jahren entstanden fast aus­ schließlich nach ­g efundenen fotografischen Vorlagen aus Zeitungen, I­ llustrierten und privaten Familienalben. Eigene Fotografien fertigte Richter erstmals 1965 an, als er für ­bestimmte T ­ hemen, die er malen wollte, keine passenden Motive finden konnte. Eine erste eigene Kamera hatte ihm ­bereits seine M ­ utter geschenkt, als er noch Jugendlicher war. Damals hatte er sogar schon die Möglichkeit, seine Auf­ nahmen in einer Dunkelkammer selbst zu entwickeln. Seit 1965 hat Gerhard Richter Zehntausende Foto­ grafien angefertigt und Hunderte von ihnen gemalt. Vor allem seine romantischen Landschaftsbilder haben eigene Aufnahmen als Vorbilder. Zunächst hat Richter noch alle ­F otografien sowie ausgeschnittenen Reproduktionen aus Zeitungen und Zeitschriften in Schuhkartons, Mappen und Schubladen u ­ ngeordnet gesammelt. Ende der 1960er-Jahre begann er schließlich, das Material kritisch zu sichten, eini­ ges davon a­ uszusortieren und die übrigen Motive thematisch zu ordnen und sorgfältig auf große Kartons zu kleben. Dies war der ­B eginn des ATLAS’. Der ATLAS wurde zu einem soge­n annten „work in progress“, das Richter in den folgen­ den Jahrzehnten kontinuierlich revidiert und ergänzt hat. Dabei erkannte er in den zusammengetragenen Tafeln im­ mer mehr ihre eigenständige künstlerische Qualität. Seit er den ATLAS 1972 erstmals präsentierte, ist das Werk von 343 auf i­ nzwischen 809 Tafeln mit mehr als 12.000 Skizzen, ­P rojektentwürfen und vor allem eigenen Fotografien ange­ wachsen. In Richters Gesamtwerk nimmt der ATLAS heute eine herausragende Position ein. Er ist sowohl die Grundlage seines malerischen Œuvres als auch autarkes Werk.


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D e r b ek a n nt e st e de ut s c he K ü n st le r f e ie r t 9 0 . G e b u r t st a g

Onkel Gerhard Zwe i Au sstellunge n in B e rlin und Dresde n näher n sich dem pr ivaten und k ünstler ischen S e l b s t v e r s t ä n d n i s G e r h a rd R i c h t e r s mit Einblicken und Mater ialien, die selten in so kon zent r ier ter For m versammelt sind.

Die Ausstellung in Gerhard Richters Geburtsstadt Dresden wirkt wie eine Abschiedsgeste: ein großes melancholisches Memento mori, von ihm selbst zusammengestellt mit ­v ielen privaten Anspielungen, die nur ein kleiner Kreis ­e nger ­Vertrauter zu lesen vermag. Darin besteht zugleich ihre ­öffentliche Botschaft. Im Glasrahmen des wie eine unscharfe Fotografie ge­ malten „Schädels“, der zu einer Serie mit Vanitas-­Stillleben von 1983 gehört, soll sich auch das Antlitz des Betrachters spiegeln und so die ungefähre Vorahnung des Endes teilen. Richters dunkel-schlieriges Selbstporträt von 1996, eigens aus dem New Yorker MoMA entliehen und Zeugnis einer pri­ vaten Umbruchsituation, nimmt jene Vorahnung mit einem fast erschrockenen Blick in die Zukunft auf. Dass Richter sein offiziell letztes ­G emälde, das vor allem in Grün-, Blau- und Violetttönen gerakelte „Abstrakte Bild“ von 2017, an die Stirnwand des letzten der insgesamt drei Säle wie einen opti­ schen Fluchtpunkt hat hängen lassen, bildet mit Ahnung und Mahnung den pas­senden Dreiklang.

Im Raum mit den figürlichen Bildern wiederum ­h ängen ­neben Landschaften vor allem kleinformatige Fa­m ilien­ porträts seiner jüngsten Kinder im Säuglingsalter. Symbolisch rundet sich neben den Naturbildern so der ewige Kreislauf von Werden und Vergehen – eigenartig kontrastiert durch ein großes „Grau“-Bild von 1976, das unter den figür­l ichen ­Motiven eigentlich gar nichts zu suchen hätte. Doch gegen­ über den entrückten Ansichten der blühenden Natur wirkt es wie ein Meditationsbild, das das Lebendige in monochrome Zeit­losigkeit transzendiert. Die Landschaften, die für pri­ vateste Erinnerungsmomente stehen, demonstrieren das wortkarge öffentliche Für-sich-sein-Wollen des Malers. Selbst Richters Glasarbeiten, an Reduktion und Aussagelosig­ keit kaum zu übertreffen wie die „9 stehenden Scheiben“ von 2002/2010, markieren nun zusammen mit den großen, ein­ ander ge­genüber platzierten „Spiegeln“ aus Kristallglas von 1989 den Übergang in die immaterielle Unendlichkeit. So sakral und getragen wie in Dresden geht es in der Geburtstagsausstellung der Berliner Kunstbibliothek in der Neuen Nationalgalerie glücklicherweise nicht zu. Anhand von Richters Künstlerbüchern sucht sie seiner Selbstreflexion des künstlerischen Tuns näherzukommen. Alles ist klein­ teilig nicht nur wegen der kleinen Exponate, der Skizzen, Leporellos, Fotografien und Bücher – die Zusammenstellung konzentriert sich auf den Kern von Richters Selbstbild von seinen Anfängen in der alten Bundesrepublik an. Nur ein ­g roßes Gemälde, das abstrakte „Atelier“ von 1985, deutet die Größe des Werkes an.

rechte Seite: Gerhard Richter, „Selbstporträt (836-1)“, 1996, Öl auf Leinwand, 51 x 46 cm, Leihgabe Museum of Modern Art, New York. Gift of Jo Carole and Ronald S. Lauder and committee on Painting and Sculpture Funds, 1996


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Öl auf Leinwand, 67 x 92 cm

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Gerhard Richter, „Apfelbäume (650-1)“, 1987,

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Seine Selbstinszenierung hat Richter demnach als Künstler früh zur Distanzierung von seiner öffentlichen ­Rezeption ­g enutzt. Einem Brief an den Ausstellungskurator Wulf ­Herzogenrath für ein Buch über künstlerische Selbstdarstel­ lung legte er statt des erbetenen Selbstporträts eine Aufnahme des Hausmeisters der Düsseldorfer Kunstaka­d emie bei. ­Umgekehrt zeigt sich in der eigenen fotografischen Doku­ mentation seiner künstlerischen Arbeit Richters starkes Ringen um sein öffentliches Bild, das er dann, wie im be­ rühmten „Atlas“, auf sein privates und familiäres Umfeld ausweitet, um sich so erkennbar von Narrativen des Persön­ lichen in der Öffentlichkeit zu lösen. Dass er sich selbst als Bildermacher, nicht als Maler bezeichnet, unterstreicht diese eigentümliche Interpretation von künstlerischer Autonomie in einer Welt, in der zunehmend alles mit allem vernetzt ist und der „Tyrannei der Intimität“ (Richard Sennet) unterliegt. Bemerkenswert ist dabei der – vermeintliche – Kontrast zwischen dem Maler, der in seinem Werk so oft das Zufällige und Widersprüchliche zelebriert, und dem Künstler als ­Ku­rator in eigener Sache, der mehr oder weniger nicht das Ge­ ringste dem Zufall überlässt, wenn es darum geht, subtilen Einfluss auf die L ­ esarten seines Werkes zu nehmen. Es gehört zu den Eigenarten des zeitgenössischen Museumsbetriebes, dass man ihn in seinem Kontrollbedürfnis gerade in öffentli­ chen Insti­t utionen so umfangreich gewähren lässt. Auch wenn die Berliner A ­ usstellung von Michael Lailach kuratiert wurde und nicht von Gerhard Richter selbst: Die Materialien, etwa aus dem Dresdner Richter-Archiv, auf die die Berliner Aus­stellung unter anderem zurückgreift, wurden sorgsam durch den Künstler vorselektiert, nicht durch unabhängige Forschung. Wie das Zufällige in seinem Werk offenkundig die Spuren des Per­sönlichen v ­ erwischt, so wenig zufällig ist das Bild des Nachruhms ­zusammengesetzt, um das Richter sich seit ­geraumer Zeit bemüht.


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Bis 1. Mai 202 2 G e r h a rd R i c h t e r. P o r t ra i t s . G l a s . A b s t ra k t i o n e n Albe r t inum Staatliche Kun st sammlunge n Dresde n Bis 29. Mai 202 2 G e r h a rd R i c h t e r. K ü n s t l e r b ü c h e r Neue Nat ionalgaler ie, B erlin Bis 2 4 . Apr il 202 2 G e r h a rd R i c h t e r. B i r k e n a u -Z y k l u s , Z e i c h n u n g e n , Ü b e r m a l t e F o t o s K u n s t s a m m l u n g N o rd r h e i n - We s t f a l e n K 2 1 , D ü s s e l d o r f „Gerhard Richter. Künstlerbücher“,

Bis 1. Mai 202 2

Ausstellungsansicht, Neue Nationalgalerie 2022

S a m m l u n g s p rä s e n t a t i o n

© Staatliche Museen zu Berlin / David von Becker

z u m 9 0 . G e b u r t s t a g v o n G e r h a rd R i c h t e r

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FRÜH JAHR 2022 — GERHARD RICHTER

M USEU M LU DW IG, Köln

Sowohl in Berlin wie in Dresden fällt auf, wie vertraut Richter in seiner onkelhaften Verschmitztheit und der Anblick seiner Bilder geworden sind. In Dresden bekennt Dietmar Elger, ­L eiter des Richter-Archivs im Albertinum, man habe lange überlegt, was man anlässlich des Geburtstages überhaupt ­zeigen könne, schließlich gäbe es ja schon alles. Zu ergänzen wäre: Die kritische Diskussion dieses Werkes in großen ­M useen, die für jeden anderen Künstler eine ehrenvolle ­Würdigung bedeuten würde, laviert bei Richter nach wie vor an den roten Linien entlang, die er selbst gesetzt hat. Ein solch spezielles Verständnis von Künstlerautonomie trifft fraglos einen Nerv der Zeit, in der das Bedürfnis nach Anerkennung und konservativen Werten mindestens ebenso groß ist wie das nach Distanz und Selfmade-History. Als Zeitgenosse par excellence, den jeder zu kennen glaubt und der in seiner ­Malerei sogar wieder die Zeitgeschichte gültig ins Bild setzen darf, wird sein Werk wohl erst in ferner Zukunft mit der ­Distanz betrachtet werden, die in ihm selbst angelegt ist und die ihm gebührt. CARSTEN PROBST

Gerhard Richter wurde am 9. Februar 1932 in Dresden ­geboren; er studierte von 1951 bis 1956 an der Hochschule für Bildende Künste in seiner Heimatstadt. 1961 begann er ein zweites Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Von 1971 bis 1994 unterrichtete Richter ebenda als Professor für Malerei. Seit 1983 lebt und arbeitet Gerhard Richter in Köln. Das Gerhard Richter Archiv bei den Staat­ lichen Kunstsammlungen Dresden gibt es seit 2006. w w w . g e r h a rd - r i c h t e r. c o m


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Gerhard Richter, „Abstraktes Bild (952-4)“, 2017, Öl auf Leinwand, 200 x 250 cm


Ins_ARTMAPP_Februar 2022_09022022

Harald F. Müller – MONDIA Bis 26. Juni 2022

www.kunstmuseum.tg.ch 1. Mai bis 30. September: täglich 11 –18 Uhr

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Künstlerporträts aus der Sammlung Würth Bis 6. Juni 2022 Eintritt frei

Alex Katz vor seinem Werk (*1927), fotografiert von François Meyer (*1953), 1978, Sammlung Würth, Inv. 7112 © François Meyer / Alex Katz, 2022, ProLitteris, Zurich

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www.forum-wuerth.ch ⋅ Tel. +41 71 225 10 70 ⋅ rorschach@forum-wuerth.ch Alle Kunstaktivitäten des Forum Würth Rorschach sind Projekte von Würth.

3. April bis 16. Oktober 2022 Kunsthalle Ziegelhütte Kunstmuseum Appenzell JUDITH ALBERT MIRIAM CAHN VALÉRIE FAVRE ASI FÖCKER AGNÈS GEOFFRAY ROSWITHA GOBBO DIANA MICHENER MARTINA MORGER SUZANNE TREISTER BIRGIT WIDMER

Heinric Kultur Agnès Geoffray: Metamorphose V, 2015 © Agnès Geoffray u. Galerie Maubert, Paris

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Wir öffnen


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Kathedrale St.Gallen, Foto: Thomas Egger


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Klosterbezirk anno 612 Umgeben vom Alltagstrubel St.Gallens öffnen sich in der Mitte der Stadt Türen und Tore in eine reiche 1. 400-jährige Klostergeschichte. Zu verdanken ist dies dem irischen Mönch Gallus, der 612 hier die Einsamkeit suchte, bei der Mühlenenschlucht zufällig über eine Wurzel stolperte und himmlisch berührt den Grundstein für St.Gallen legte. Er entschloss sich, dort zu bleiben, und bald gesellten sich ­A nhänger zu ihm. 7 19, rund 100 Jahre später, schuf Abt ­O tmar aus der Niederlassung ein ordentliches Kloster, die Fürstabtei St.Gallen, die 1805 vom Kanton St.Gallen aufge­ löst wurde. In dieser über 1.000-jährigen Geschichte zählte das K loster zu den bedeutendsten geistigen Zentren des europä­i schen Abendlandes. Und auch heute noch ist der Geist der Benediktinermönche spürbar. Die Stiftskirche, heute Kathedrale, die Stiftsbibliothek und das Stiftsarchiv, die alle Zeugen der Abtei St.Gallen sind, bilden zusammen mit der Neuen Pfalz, den weiteren Gebäuden, dem Kloster­ hof sowie den ­Kulturgütern des ehemaligen Klosterbezirks ein kulturgeschichtliches und architektonisches Ganzes, das seinesgleichen sucht: den Stiftsbezirk, eine einzig­ artige Schatzkammer der europäischen Überlieferung und g leich zeit ig ein her ausr agendes Den k ma l ba rocker ­B aukunst. Die frühe Aufnahme in die Liste des UNESCO-­ Weltkulturerbes im Jahr 1983 unterstreicht diese Tatsache.

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st. gallen-bodensee. ch


E I N BL IC K I N DI E S C H AT Z K A M M E R H E I L S TÄT T E D E R S E E L E

Der wohl berühmteste Ort des heutigen Klosterareals ist die Stiftsbibliothek, die zu den schönsten historischen Bücher­ sälen der Welt zählt. „Heilstätte der S ­ eele“ steht auf Griechisch über dem prunkvollen Eingang geschrieben, der in

den Barocksaal der Stiftsbibliothek führt, und spielt ­darauf an, welche Wirkung der Ort schon damals auf die ­Besuchenden hatte. So wie wir in der Apotheke Arzneien von den Regalen nehmen, um unseren Körper g­ esund zu machen, so nehmen wir Bücher von den Regalen, um ­unsere Seele zu heilen. Wer die „Seelenapotheke“ heute b ­ esucht, schlurft e­ hrfürchtig in Pantoffeln über den ­holz­getäfelten Boden der ehemaligen Schreibstube der Benediktiner­mönche. Die M ­ önche ver­ schwanden, doch was in der Bibliothek erhalten blieb, sind ­Z ig­t ausende unschätzbare Schriftstücke. Der Bestand der heute noch aktiven Bibliothek umfasst rund 170.000 ge­ druckte Bücher sowie mehr als 2.000 original erhaltene Handschriften, davon ent­standen 400 vor dem Jahr 1000. Die Sammlung wurde 2017 von der UNESCO als Weltdoku­ mentenerbe ausgezeichnet und enthält mit der St.Galler Epenhandschrift eine der drei ­M anuskripte des Weltdoku­ mentenerbes „Nibelungenlied“.

Seelenapotheke, © Stiftsbibliothek St.Gallen


linke Seite: Stiftsbibliothek St.Gallen, Foto: Roland Gerth

D E R S T. G A L L E R K L O S T E R P L A N

Der St.Galler Klosterplan – der interessanteste Bauplan des Mittelalters, der erhalten ist – gehört zu den kostbarsten Schätzen und ist seit 2019 für die Öffentlichkeit im Ori­g inal zu sehen. Das einzigartige Dokument ist von großer ­B e­deutung für die Kultur- und Architekturgeschichte des Frühmittelalters, denn es gibt sonst nichts, das von ver­ gleichbarer Aussagekraft wäre. 45 Gebäudeeinheiten, darunter eine große Kirche, eine Schule, Räume für ­Mönche und Gäste, eine Anlage für die medizinische Versorgung, verschiedene Handwerksbetriebe, Ställe und zudem sechs Gärten verschiedener Art sind zu finden. Seit Jahrhunderten weckt das Dokument das Interesse der Forschung. Nach heu­ tigem Wissensstand handelt es sich um ein Plankonzept, das auf der Reichenau ­e rstellt wurde, um den St.Galler Abt ­G ozbert (im Amt 816 – 837) bei der Vorbereitung neuer Kloster­bauten zu unterstützen.

Klosterplan, © Stiftsbibliothek St.Gallen

F O L C H A R T- P S A LT E R –

Psalter, © Stiftsbibliothek St.Gallen

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Ein weiterer Schatz ist der zwischen 872 und 883 entstan­ dene Folchart-Psalter. Benannt ist er nach dem Schreiber Folchart († 903), der wohl alle 368 Seiten selber schuf. Mit den Initialen zu jedem der 151 Psalmen, die in Vielfalt und Fülle schon fast barock wirken, ist ihm ein Hauptwerk der mittelalterlichen Initialkunst gelungen. Oben am Rand platzierte Folchart eine Diebes­ verwünschung in zwei Hexametern: „Auferat hunc librum nullus hinc per aevum / Cum Gallo partem quisquis habere velit“ („Keiner, der mit Gallus [der Seligkeit] teilhaftig wer­ den will, entwende dieses Buch jemals von hier.“) Der Band dürfte eines der 13 Psalmenbücher gewesen sein, welche sich gemäß einem Bericht von Ekkehart IV. († um 1060) um 900 im Chor der Kirche befanden.

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W U N D E RW E R K D E R I N I T I A L K U N S T


90 E I N GL OBUS A L S K R I EGSBE U T E

Im europäischen Vergleich spät, nämlich Mitte des 18. Jahr­ hunderts, legten die Fürstäbte eine Kuriositätensammlung an. Diese sollte das in der Bibliothek versammelte Bücherwissen mit sichtbaren Belegen aus den Bereichen Kunst, Natur und Wissenschaft ergänzen. Die berühmteste Rarität stellt der St.Galler Globus dar. Er hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Ursprünglich stammt er aus Schwerin. Dort baute ihn der Geograf Tilemann Stella (1525–1589) im Auftrag von ­H erzog Johann Albrecht I. von Mecklenburg. Das Projekt ­geriet mit dem Ableben des Herzogs 1576 ins Stocken und wurde erst unter seinem Nachfolger Johann VII. vollendet. Nach dessen Tod musste der zwei Meter hohe Erd- und ­Himmelsglobus verkauft werden, um Schulden zu tilgen. So kam das einzig­artige Stück nach St.Gallen.

Im Toggenburgerkrieg von 1712 bis 1718 wurde der Globus zur Kriegsbeute der reformierten Truppen aus Bern und Zürich. Auch nach dem Frieden von Baden (1718) behielt Zürich zahl­ reiche Handschriften und Drucke sowie den Globus. Das führte zum sogenannten Kulturgüterstreit, der 2006 endete. Zu dessen Beilegung wurde unter anderem vereinbart, dass der Globus im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich bleiben sollte, der Kanton Zürich aber eine originalgetreue Replik als Geschenk für die Stiftsbibliothek erstellen musste. Sie wurde in über 7.000 Arbeitsstunden angefertigt.

ÄG Y P T I S C H E M U M I E S C H E P E N E S E

Ursprünglich nicht Teil der Kuriositätensammlung war die ägyptische Mumie Schepenese. Sie kam erst nach der Kloster­ aufhebung in den Besitz der Stiftsbibliothek und ruht dort bis heute zusammen mit ihren zwei Holzsärgen. Ihre Lebenszeit wird von ungefähr 650 bis 610 v. Chr. angegeben. Man weiß über die Mumie, dass sie die Tochter eines Priesters in der Stadt Theben gewesen ist und in der Spätzeit gelebt hat, in der frühen 26. Dynastie. Seit ihrem Eintreffen in St.Gallen 1820 hat sie immer wieder das Interesse der Menschen auf sich ­gezogen. Anfang dieses Jahres konnte das Gesicht der Schepe­ nese erstmals wissenschaftlich rekonstruiert werden.

DIE GA L LUSGLOCK E

Einen Steinwurf von der Stiftsbibliothek entfernt, in der ehe­ maligen Stiftskirche und heutigen Kathedrale, befindet sich ein außergewöhnliches Erinnerungsstück an die irische ­M ission des namensgebenden Heiligen am Bodensee: die ­G allusglocke. Wenn man sich den Klöppel, das Joch, den ­L äutearm und die barocke Bemalung von Gallus mit dem ­Bären wegdenkt, hat man die Glocke in ihrer ursprünglichen Form vor Augen. Eine Inschrift gibt Informationen zur ­H erkunft. Demnach verwendete der Heilige Gallus diese ­Glocke in seiner Höhle in St. Gallenstein bei Bregenz, wo er sich um 610 aufhielt. In der Barockzeit wurden ihr magische Kräfte zugesprochen. Dokumente in der Stiftsbibliothek ­b elegen, dass sie 1786 von der Bregenzer Pfarrkirche ins ­K loster St.Gallen gelangte.

Gallusglocke, © Stiftsbibliothek St.Gallen / Paul Joos


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Globus, © Stiftsbibliothek St.Gallen


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K LO S T E RG E S C H IC H T E E R L E BE N E i n e 1 . 4 0 0 - j ä h r i g e G e s c h i c h t e g r e i f b a r z u m a c h e n – d a z u b ra u c h t e s r e d e g e w a n d t e G u i d e s , i n t e r e s s a n t e A u s s t e l l u n g e n u n d d i e e i n e o d e r a n d e r e K u r i o s i t ä t . U n d s p ä t e s t e n s n a c h e i n e m A b s t e c h e r i n s K l o s t e r b i s t ro , b e i e i n e m k ü h l e n K l o s t e r b rä u , s p ü r t d a n n a u c h d e r L e t z t e d e n G e i s t d e r B e n e d i k t i n e r m ö n c h e .

S TA D T F Ü H R U N G : M I T B E S U C H I N D E R K AT H E D R A L E U N D S T I F T S B I B L I O T H E K

Während 90 Minuten erwecken die Guides von St.Gallen-­Bodensee Tourismus Geschichten der Altstadt und des Stiftsbezirks zum Leben. Besucht werden bei dieser Führung die barocke Kathedrale sowie die Stiftsbibliothek. Jetzt ­buchen unter: www.st.gallen-bodensee.ch.

Luftaufnahme Stiftsbezirk: Zum Weltkulturerbe Stiftsbezirk gehören die Stiftsbibliothek, die Kathedrale und das Stiftsarchiv. Foto: © kurzschuss photography gmbh / Damian Imhof


Der hölzerne Fußboden der Stiftsbibliothek darf nur mit Filzpantoffeln betreten werden. Der prunkvolle Barocksaal der St.Galler Stiftsbibliothek gilt als einer der schönsten seiner Art. © Schweiz Tourismus

WA S I S T F R E I H E I T ? E I N E I L L U S I O N ?

Z E I T E N W E N DE – NO T K E R DE R DEU T SCHE

Die Jahresausstellung „Familia sancti Galli – Dasein in Un­ freiheit“ beschäftigt sich mit einem hochaktuellen Thema. Sie beleuchtet Aspekte von Unfreiheit und Freiheit der Menschen im Einflussgebiet des Klosters St.Gallen. Dazu gehörten einst Übertragungen von Unfreien ans Kloster und Freilassungs­ urkunden, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit und Heiratsbeschränkungen, aber auch die freiwillige Unfreiheit von Mönchen hinter Klostermauern. Heute ist Freiheit ein hochgeschätzter Wert. Doch was ist Freiheit? Eine Illusion? Sind wir frei oder muss Freiheit immer wieder errungen ­w erden? Gibt es Grenzen von Freiheit oder grenzenlose ­Freiheit? Die historischen Beispiele sollen dazu anregen, sich mit eigenen Freiheitsvorstellungen auseinanderzusetzen. Zu sehen im Ausstellungssaal des Stiftsarchiv St.Gallen vom 28. Januar 2022 bis 25. Januar 2023.

Am 28. Juni 1022, also vor 1.000 Jahren, starb der St.Galler Mönch Notker der Deutsche an einer vom Heer Heinrichs II. eingeschleppten Krankheit. Als herausragender Wissen­ schaftler, Lehrer und Übersetzer hatte er die St.Galler Gelehrsamkeit und die Klosterschule zu einem Höhenf lug geführt. Die Ausstellung präsentiert die Leistungen dieser visionären Gestalt und gibt einen Eindruck vom vielfäl­ tigen Geistesleben um die erste Jahrtausendwende, die auch eine Zeit des gesellschaftlichen Auf bruchs war. Zu ­s ehen im Barocksaal der Stiftsbibliothek vom 8. März bis 6. November 2022.

D E R H E I L I G E N W I B O R A DA N AC H S P Ü R E N

Wiborada, © Stiftsbibliothek St.Gallen

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FRÜH JAH R 2022 — ST.GALLEN

Wenn es um die St.Galler Klostergeschichte geht, kommt man um sie nicht herum: die Heilige Wiborada. Die erste heiliggesprochene Frau ließ sich um 916 freiwillig für zehn Jahre in einer angebauten Klause bei der Kirche St. Mangen einschließen und rettete durch ihre Visionen beim Einfall der Ungarn die Bibliotheksschätze von St.Gallen. 2021 wurde sie unter anderem mit diesem einzigartigen Pro­ grammpunkt wieder in die Öffentlichkeit gerückt: Zehn Personen ließen sich jeweils für eine Woche in eine nachge­ baute Zelle bei der Kirche St. Mangen einschließen. 2022 wird dieser Programmpunkt wieder aufgenommen; mehr Infos unter: www.heilige-wiborada.ch.



«GUT» DER ANFANG IST WEISSES GOLD Geschichten der Sanktgaller Tuchherstellung 1250 bis Bignik BIGN IK

St.Gallen kann auf eine viele Hundert Jahre währende Textil­ geschichte zurückblicken, die ihren Anfang im Mittelalter nimmt. Die hohe Qualität begründet einst den Ruhm der St.Galler Leinwand; als „weißes Gold“ wird sie zu einem ­Mythos, der bis heute nachwirkt. Die Konzept- und Aktions­ künstler Frank und Patrik Riklin vom St.Galler Atelier für Sonderaufgaben nehmen textile Traditionen auf und verlei­ hen ihnen mit „Bignik“, einer jährlich wachsenden sozialen Skulptur, neue Bedeutung. In einer freien künstlerischen ­I nterpretation verbindet Martin Leuthold, selbst Ikone zeit­ genössischer Textilgestaltung, textile Vergangenheit und Gegenwart und kreiert eine raumgreifende Installation, die vom 22. April 2022 bis zum 29. Januar 2023 im Textilmuseum St.Gallen zu sehen ist.

Die Leinwandzeit hat vor Jahrhunderten ein Ende gefunden und mit ihr sind die zum Bleichen auf den Wiesen ausgelegten Stoff bahnen verschwunden. Und doch sind die Hügel um St.Gallen heute wieder mit Tuch bedeckt – zumindest spora­ disch. „Gemeinsam ein riesiges Picknicktuch für die ganze Bevölkerung erschaffen, bestehend aus 293. 438 Tüchern, ­exakt so viele wie die Einwohnerzahl der Region.“ Das ist die Vision der Brüder Frank und Patrik Riklin vom Atelier für Sonderaufgaben, die im Jahr 2012 gemeinsam mit der REGIO Appenzell AR-St.Gallen-Bodensee das Projekt „Bignik“ ins Leben rufen und seitdem Jahr für Jahr eine Auslegung an unter­schiedlichen Orten in der Region initiieren. Nach 10 Jahren Sammeln und Nähen wird die Stadt St.Gallen am 12. Juni 2022 (Ausweichtermin 19. Juni 2022) zum Auslegungsort: Weiß stößt auf Rot, Wirtschaft auf ­Kultur, Geschichte auf Leben. Aus diesem Anlass zeigt das Textilmuseum St.Gallen die Ausstellung «GUT» DER AN­ FANG IST WEISSES GOLD, in der sich textile Vergangenheit und Gegenwart zu einem visuellen Gesamtkunstwerk verbinden.

W EISSES GOL D

« G U T» D E R A N F A N G I S T W E I S S E S G O L D

2 2 . Apr il 202 2 bis 29. Januar 2023 G e s c h i c h t e n d e r S a n k t g a l l e r Tu c h h e r s t e l l u n g 1 2 5 0 b i s B i g n i k

Seit dem 13. Jahrhundert zählt die Leinwandproduktion zu den wichtigsten Einnahmequellen der Stadt und Region St.Gallen. Zehntausende Menschen beschäftigen sich mit dem „weißen Gold“: dem Anbau von Flachs, dem Spinnen von Garn sowie dem Weben, Bleichen und Veredeln der ­T ücher. Dass die Leinwand über alle Produktionsstufen hin­ weg den höchsten Ansprüchen genügt, darüber wachen Zünfte und städtische Behörden. Mit einem „G“ bezeugen sie die Herkunft („St.Gallen“) – in mancher Lesart auch die ­Qualität („Gut“) – der für den Fernhandel bestimmten Texti­ lartikel. Als das Leinwandgewerbe im 18. Jahrhundert unter Druck ­gerät, beginnt sich die Textilregion St.Gallen neu aus­ zurichten – und bringt zuerst die Baumwollverarbeitung, später dann die Stickerei zur Blüte.

Te x t i l m u s e u m S t . G a l l e n 6. bis 16. Apr il 202 2 BIGNIK Nähwerkstat t Te x t i l m u s e u m S t . G a l l e n www. tex t ilmuseum. ch 1 2 . Juni 202 2 (A u s w e i c h t e r m i n : 1 9 . J u n i 2 0 2 2 ) BIGNIK Ausleg ung Stadt St.Gallen www. big nik. ch

«GUT» DER ANFANG IST WEISSES GOLD. Geschichten Sanktgaller Tuchherstellung 1250 bis Bignik, Foto: © Alltag

BIGNIK Tuchjagd, Foto: Bodo Rüedi

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FRÜH JAHR 2022

linke Seite: Martin Leuthold und Marcus Gossolt, „Off-White“, 2022,


© Brasserie LOK

S t e r n e n a u s g e z e i c h n e t e n „ E i n s t e i n G o u rm e t “. D i e b e i d e n K ü n s t l e r d e r g u t e n K ü c h e nehmen ihre Gäste mit auf eine kreative Reise der Aromen und internationalen ­G e s c h m a c k s k o m p o n e n t e n . D e r f r a n z ö s i s c h g e p r ä g t e u n d w e l t o f f e n e Ko c h s t i l wird vom Restaurantleiter Loris Lenzo d u r c h e r l e s e n e We i n e a b g e r u n d e t . Im hauseigenen Bistro bekommt man köstliche Gerichte von früh bis spät und wer v o n e i n e m a b w e c h s l u n g s r e i c h e n Ta g n o c h n i c h t g e n u g h a t , d e n f ü h r t d e r We g i n d i e „ E i n s t e i n B a r “, u m i n f r ö h l i c h e r R u n d e d e n Abend zu genießen.

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FRÜH JAH R 2022 — ST.GALLEN

Faksimiles hängen, bewegen sich z wi-


A le x H a n i m a n n

„I AM YOUR MIRROR“

Alex Hanimann, „Same But Different“, 2018, Leuchtkasten, Aluminium weiß eloxiert, LED, 170 x 123 x 10 cm, Courtesy: Galerie Skopia, Genf / Hengesbach Gallery, Wuppertal, © 2022 ProLitteris, Zürich


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Alex Hanimann, o. T. Fotografie, 2019, digitaler C-Print, 40 x 30 cm, © 2022 ProLitteris, Zürich

Das Plakat zur Alex-Hanimann-Ausstellung 2019 im Kunst­ museum St.Gallen zeigte viermal das Porträt des Künstlers: vier vergrößerte Passbilder, die aber seltsam entrückt bleiben und wie Phantombilder einer gesuchten Person mit unbe­ kannter Identität wirken. Wer schaut uns hier an? Ist es Alex Hanimann? So, wie wir ihn kennen? Oder ist es ein anderer? Der Künstler spielt mit dem Bild seiner selbst: Zum einen ver­ wendet er eine Aufnahme aus früheren Tagen und schafft sozusagen eine historische Distanz, zum anderen zeigt er sich in zwei gespiegelten Varianten: Welches ist nun aber der „richtige“ Alex Hanimann? Der Künstler sucht die Verwir­ rung. Er verwendet ein altes Bild, wiederholt und spiegelt dieses, zeigt und entzieht sich zugleich. „Same But Different“. Was uns der Künstler mit dem ­Titel zu dieser Ausstellung suggeriert, hat Methode. Das Spiel mit der Irritation kann beginnen – und es geht gleich weiter:

„I AM YOUR MIRROR“ steht da mit leuchtender Neonschrift im Treppenhaus des Kunstmuseums, das uns zur Ausstellung hinaufführt: in die Räume, in denen Alex Hanimann seine jüngsten Werke präsentiert. Er zeigt uns seine Kunst und ­behauptet, uns damit einen Spiegel vorzuhalten, ja sogar ein Medium zu sein in der Übersetzung dessen, was wir sehen und wie wir es sehen. „Reflect what you are“ heißt es im Ref­ rain eines Songs von Velvet Underground, dessen Titel uns hier einholt: „I’ll be your mirror“. „ARE WE / ARE I / AM YOU“ schreibt Alex Hani­ mann auf eine Tafel, „I LOVE / YOU ME / WE US“ auf eine andere und dann „I LOVE / HATE / YOU ME“. Wer spricht – und wer ist gemeint? Das Plakat und der Auftakt zu jener Ausstellung eröffnen ein Feld von Bedeutungen und Bezügen, das Alex Hanimann seit Jahren schon bearbeitet. Er bedient sich dafür verschiedener Medien.

Alex Hanimann, o. T. [I love you], 2012,

Alex Hanimann, o. T. [I love hate], 2012,

Gouache auf Papier, montiert, 220 x 185 cm,

Gouache auf Papier, montiert, 220 x 185 cm,

Courtesy: Galerie Skopia, Genf, © 2022 ProLitteris, Zürich

Courtesy: Galerie Skopia, Genf, © 2022 ProLitteris, Zürich

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FRÜH JAH R 2022 — P O RTR ÄT

Alex Hanimann, o. T. Fotografie, 2019, digitaler C-Print, 40 x 30 cm, © 2022 ProLitteris, Zürich


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Alex Hanimann, „Shifting“ (Videostills), 2004, Video, Farbe, Ton, 22’16”, Courtesy: Galerie Skopia, Genf / Hengesbach Gallery, Wuppertal, © 2022 ProLitteris, Zürich

Ref lexion und Irritation gehören zu seinen beliebten Stra­ tegien. Das eine führt zum anderen und umgekehrt. Der Künstler lässt uns gerne in der Schwebe, wenn es darum geht, etwas ­genau sehen oder richtig verstehen zu wollen: Seine großformatigen, grob gerasterten Zeitungsbilder bleiben ­immer undeutlich, besonders wenn man nähertritt, um sie genauer zu betrachten. Und in seinen Textarbeiten verlieren einfache Verlautbarungen aus der Alltagssprache ihren Aus­ sagewert, weil Selbstverständlichkeiten fraglich werden und Wahrheiten sich ins Gegenteil verkehren – „believe it“, „don’t believe it“, „I don’t believe it“. Wer behauptet, muss mit ­Widerspruch rechnen. „DON’T / TRUS / T ART“ schreibt Alex Hanimann einmal mit bildhaften Lettern auf ein Blatt Papier. Dass er das A in der letzten Zeile auf den Kopf stellt, kann als Geste ver­ standen werden, um aus dem Statement eine künstlerische Manifestation zu machen. Er rahmt das Blatt und hängt es an die Wand – als Kunst. Darf man glauben, was hier steht? Wer es tut, ist bereits verloren, denn man muss gleichzeitig einge­ stehen, dass man es nicht glauben darf, weil es Kunst ist. Nur wer diese Äußerung ernst nimmt, weiß, dass die Kunst recht hat, auch wenn sie das Gegenteil behauptet. Damit wird deutlich, dass uns Alex Hanimann immer wieder da abholt, wo wir uns in Sicherheit wähnen, wo wir uns auf Vertrautes und Bekanntes verlassen, nur um uns sehr subtil den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Das kann beim Blick in den Spiegel passieren, wenn wir uns darin nicht wiederfinden. Oder wenn wir mit Bildern und Sätzen kon­ frontiert sind, die wir zu verstehen glauben und die plötzlich ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Ganz eindrücklich war das zu erleben, als wir 2009 im Aargauer Kunsthaus Aarau unter dem Titel „Conceptual Games“ die Textarbeiten von Alex ­Hanimann zeigten. Die Ausstellung und das sie ­begleitende Buch versammelten eine große Anzahl ganz unterschied­ licher Arbeiten, in denen einzelne Worte, Satzfragmente oder Texte formuliert waren: in verschiedenen Schriften, gezeich­ net oder gemalt, als Leuchtkasten, Neonschrift, Tafel oder mit Klebebuchstaben auf die Wand gesetzt. Allein die Vielfalt der Schreibweisen, in denen die Texte zu lesen waren, machte deutlich, dass sich Bedeutung mit der Erscheinungsform ­ä ndern kann. Behauptungen standen n ­ eben Fragen, gegen­ sätzliche Aussagen beförderten Widerspruch und es waren verschiedene Intonationen denkbar. Man könnte es als lingu­ istische Spielerei betrachten, wenn es bei Alex Hanimann nicht weiter ginge und an den Grund­festen unserer Wahr­ nehmung rüttelte. Mein damaliges Resümee lautete: „Wenn die Sprache unseren Blick auf die Wirklichkeit prägt, kann nur ein permanentes Infragestellen unserer Sprachgewohnheiten unser Wirklichkeitsverständnis verändern und unsere ­E rkenntnissuche bef lügeln.“ Mit Blick auf das vielfältige Schaffen von Alex Hanimann erkennen wir neben der analy­ tischen Betrachtung der Sprache und ihrer Möglichkeiten weitere künstlerische Mittel, in denen das Verhältnis von Ich und Welt reflektiert wird. Dies offenbart sich als Dreh- und Angelpunkt seines Schaffens.


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Alex Hanimann, o. T. [I am your mirror], 2018, 5 Neonröhren, 13,7 x 205,3 cm,

Vielleicht versinken wir da doch im metaphysischen Gruseln, das uns Mani Matter prophezeite, als er beim Frisör in den Spiegel blickte und sich selbst von hinten sah? Alex ­Hanimann bleibt prosaischer, wenn er Alltagserfahrungen an den Anfang seiner künstlerischen Auseinandersetzung stellt. Er versucht dabei nicht, die Gegenwart zu transzendieren, sondern richtet den Blick auf die Stellen, wo uns Bilder, ­Zeichen und Worte fremd werden, weil sie ihre Eindeutigkeit verlieren oder weil sie festhalten wollen, was sich einer fixie­ renden Beschreibung entzieht. In welche Welt blicken wir, und wer schaut uns da entgegen?

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„I AM YOUR MIRROR“: Wie kann uns Alex Hanimann Spie­ gel sein und uns zur Reflexion führen, wenn er sich selbst im Bildnis entzieht und sich im Spiegelbild verkehrt? Und was ist, wenn sich der Spiegel selbst widerspiegelt wie im Schulhaus Gossau, wo der Künstler zwei gegenüberliegende Wände mit Spiegeln bedeckte und den Raum ins Unendliche weitete?

FRÜH JAH R 2022 — P O RTR ÄT

Courtesy: Kunstmuseum St. Gallen, © 2022 ProLitteris, Zürich


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Alex Hanimann, 24–11–1963–1122 [Gesture serie 4: A vietnamesian partisan, packed with bombs], 2011, Tusche auf Papier, 229 x 187 cm, Courtesy: Galerie Skopia, Genf © 2022 ProLitteris, Zürich


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Als mir anlässlich eines geführten Rundgangs durch die ­A arauer Ausstellung eine junge Frau entgegentrat und kund­ tat, dass sie mit dieser Form der Infragestellung der Welt nichts mehr anfangen könne, habe ich das nicht als Bedürfnis nach Halt und Gewissheit angesichts der immer komplexeren Welt verstanden, sondern als Kritik an der permanenten ­Re­lativierung, die sich einer klaren Position entzieht. Was ich in einer Tradition philosophischen Denkens sah und als ­be­sondere kreative Praxis verstand, war für die Besucherin Ausdruck von Unverbindlichkeit. Wenn die Wahrheit brüchig wird, nicht da und nicht dort, aber auch nicht zwischen zwei gegensätzlichen Behaup­ tungen liegt, und niemand mehr einen Geltungsanspruch formulieren will, eröffnet sich ein Blick auf die Welt, der viele Perspektiven miteinschließt. Alex Hanimann betrachtet die Welt nicht als etwas Feststehendes, sondern schafft Bilder, die es erlauben, das Gegenüber von verschiedenen Blickpunkten

aus zu betrachten und sich darin stets selbst zu spiegeln, wohl wissend, dass sich beide Seiten ständig wandeln können: Wenn wir uns ändern, ändert sich auch unser Spiegelbild. Aber nichts animiert uns mehr, uns zu bewegen, als der Blick in den Spiegel. Erkennen wir uns darin wieder? Oder wollen wir uns in ihm anders sehen? Welchem Vorbild folgen wir? So vertauschen sich auch mal die Rollen. Dann, spätestens dann, werden die Grenzen f ließend und wir nehmen uns als Teil dessen wahr, was wir betrachten. Alex Hanimann, dem Spie­ gel sei Dank! S T E P H A N K U N Z , künstlerischer Direktor am Bündner Kunstmuseum Chur

Der Text ist ein gekürzter Vorabdruck aus der Publikation „Alex Hanimann: Same But Different“, die im Snoeck Verlag, Köln, im Spätsommer erscheinen wird.

Courtesy: Galerie Skopia, Genf / Hengesbach Gallery, Wuppertal © 2022 ProLitteris, Zürich

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Alex Hanimann, 1971 [into the light], 2019, Leuchtkasten, Aluminium eloxiert, LED, 200 x 315 cm x 10 cm,

FRÜH JAH R 2022 — P O RTR ÄT

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„Damals gab es fast nichts, und wir konnten Steine ins Rollen bringen.“ Inter view mit Alex Hanimann über die ak t uelle Kunstszene und die wilde Gr ünderzeit der Kunsthalle St.Gallen

Der Schweizer Künstler Alex Hanimann ist eng mit der Ost­ schweiz verbunden. 1955 in Mörschwil im Kanton St.Gallen geboren, lebt er noch heute in St.Gallen. Lange Jahre lehrte er als Professor für Visuelle Kommunikation an der Zürcher Hochschule der Künste. Er war Mitbegründer der Kunst­ halle St.Gallen und acht Jahre Mitglied der Eidgenössischen Kunstkommission. Marc Peschke sprach mit ihm über die 1980er-Jahre in St.Gallen, über Auf bruchsstimmung, Selbst­ hilfe, Offspaces und Kunst an politisch brisanten Orten … ARTMAPP: Lieber Herr Hanimann, wenn Sie heute auf die Kunstszene in St.Gallen blicken mit Kunstmuseum, Kunsthalle und den hier ­agierenden Galerien und anderen Ausstellungs­ initiativen – da darf man recht zufrieden sein, oder? Alex Hanimann: Um es kurz zu machen: Jein! Auf der institu­ tionellen Ebene ist es großartig. Wir haben hier Häuser mit internationaler Ausstrahlung. Es kommen Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt. Und es gibt ein tolles Publikum. Es fehlt aber eine lebendige Galerienszene. Kunst muss auch den Weg zu den Sammlerinnen und Sammlern finden. Na­ türlich ist es nicht einfach, in einer kleinen Stadt wie St.Gallen so etwas aufzubauen. Aber die Provinz bietet auch viele Vor­ teile, man hat nahezu keine Konkurrenz – und Zürich ist nur eine Stunde entfernt! Eine Galerie mit einem interessanten Programm könnte heute in St.Gallen erfolgreich sein. ARTMAPP: In den frühen 1980er-Jahren war alles anders. Das Kunstmuseum stand leer. Es wurde erst 1987 wiedereröffnet. Die Kunsthalle existierte noch gar nicht. Es gab allerdings einige sehr inte­ ressante Offspaces und Ausstellungsorte – etwa die St. Galerie von Felix Müller in der Zürcherstraße. Wie war diese Zeit für Sie als Künstler und Teil der hiesigen Kunstszene? A H: Wir haben in den 1980ern eine große Auf bruch­ stimmung gespürt. Plötzlich wurde die Kultur ernster genommen – und wir nahmen diese Energie mit. Die Galerie von Felix Müller war sehr wichtig. Damals gab es fast nichts, und wir konnten gemeinsam Steine ins Rollen bringen – das ist heute nicht mehr so einfach. Wichtig war die Vernetzung: Es gab nicht mehr als ein Dutzend Offspaces in der ganzen Schweiz. Ein kleines Netz unabhängiger Kunstorte. Wir ­waren alle miteinander verbunden.

ARTMAPP: Wie an vielen Orten in Deutschland und der Schweiz in den frühen 1980er-Jahren war wohl ein Vakuum da. Das Alte war vorbei und das Neue hatte sich noch nicht gebildet, war noch nicht institutionalisiert. In dieses Neue gingen Sie mit Ihren Mitstreiterinnen und Mitstreitern, als sie dann 1985 den Verein Kunsthalle St.Gallen ­g ründeten. Es wurden mit wenigen Mitteln ­Kunstorte für eine beschränkte Zeit geschaffen. Was lief da so in den ersten Jahren? AH: Zuerst war es eine Behauptung. Wir haben behauptet: Es gibt in St.Gallen eine Kunsthalle. Ein Haus gab es nicht. Wir suchten mögliche Orte. Die erste Aktion fand im noch heute existierenden Volksbad statt, das abgerissen werden sollte. Das älteste Volksbad der Schweiz! Mit unserer Aktion haben wir eine breite Diskussion über den Ort ausgelöst. Dann ­bespielten wir ein ehemaliges Möbelhaus mit Kunst, später ein Lagerhaus. Wir brachten die Leute an neue Orte – an Orte, die städtebaulich interessant und auch brisant waren.


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ANDY GUHL, RALPH HUG und NORBERT MÖSLANG, Eröffnungsperformance im Volksbad,

AH: Ja, aber das war auch gut so! Unsere Arbeit als Verein, die Arbeit von einem Dutzend Leuten, wurde honoriert. Wir konnten uns nach und nach zurückziehen, neuen Leuten mit neuen Ideen Platz machen. Eine Kunsthalle muss sich weiter­ entwickeln – es braucht diesen Durchlauf, nur so kann der Ort den Ansprüchen gerecht werden. Es ist wichtig, dass das Per­ sonal wechselt und neue Leute den Ort immer wieder neu definieren können – nur so bleibt es spannend.

ARTMAPP: Sie selbst sind St.Gallen und der Ost­ schweiz treu geblieben – lehrten aber lange an der Zürcher Hochschule der Künste. War das wichtig, zwischen den Städten zu pendeln? AH: Ja, enorm. Mir war es wichtig, immer wieder Distanz zu schaffen – Distanz zu St.Gallen, aber auch Distanz zu Zürich. Es war mir wichtig, in Bewegung zu bleiben. Pendeln und die Orte zu wechseln, heißt aber natürlich, man muss immer auch die Energie aufbringen, sich neu zu fokussieren. Die Unaufge­ regtheit und Ruhe, die man hier in St.Gallen findet, habe ich immer sehr geschätzt. Das war mit ein Grund, mich hier mit dem Atelier einzurichten. K9 0 0 0 . c h

ARTMAPP

ARTMAPP: 1987 eröffnete die Kunsthalle an ihrem ersten Standort in der Wassergasse. 1992 zog sie in die Davidstraße. Davor, von 1985 bis 1987, war sie ein „wandernder Verein“, der aber doch sehr stark die lokale Kunstszene und ihre besondere Auf­ bruchstimmung sichtbar machte. Seit 1990 wurde sie von der Stadt St.Gallen finanziell gefördert. Begann damit die Institutionalisierung?

FRÜH JAH R 2022 — ST.GALLEN

Ausstellung „Fotogramm, BALTHASAR BURK.HARD“, 9. Juni bis 31. Juli 1985, Foto: © Kunsthalle St.Gallen


UN UNIVERS SINGULIER

12.2. – 1.5.2022

Figure surexposée, Acryl auf Leinwand, 2002, 200 × 140 cm© 2021, ProLitteris, Zürich. Foto: A. Stocker


29.1. – 24. 4. 2022 Köpfe, Küsse, Kämpfe Nicole Eisenman und die Modernen *Aargauer Kunsthaus Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 –17 Uhr Do 10 – 20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch

Nicole Eisenman, Northern California Potter Woman, 2015 Privatsammlung © Nicole Eisenman Courtesy of the artist und Vielmetter Gallery, LA, Foto: Ingo Bustorf

artbodensee.info art_bodensee


108 VA R L I N / M O S E R : E X Z E S S I V ! M U S E U M Z U A L L E R H E I L I G E N S C H A F F H AU S E N

Short cuts: Appenzell und Schaffhausen

Wilfrid Moser, „Aux Halles“, 1962, Privatbesitz

Die beiden Zürcher Maler Varlin (Willy Guggenheim, 1900– 1977) und Wilfrid Moser (1914-1997) sind Schlüsselfiguren der Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts. Sie haben sich ge­ genseitig gekannt und geschätzt. Beide analysierten die Welt aus der Distanz, waren kritisch und kompromisslos. Das ­Museum zu Allerheiligen stellt das umfangreiche Werk der beiden Künstler ins Zentrum einer großen Ausstellung. Prä­ sentiert werden Werke aus allen Schaffensphasen, darunter selten und noch nie in dieser Breite gezeigte Spätwerke. Varlin blieb zeitlebens ein „gegenständlicher“ Maler. Mit seinen Generationsgenossen Max Gubler und Alberto ­Giacometti zählt er zu den wichtigsten Nachkriegsrealisten der Schweiz. Auch Wilfrid Moser war ein eigenständiger Re­ alist, der die äußere Wirklichkeit jedoch zeitweilig hinter sich ließ und existentielle Befindlichkeit in abstrakt-informellen Spannungsfeldern auslotete. Exzessive Wahrheitssucher ­w aren beide. Sie spürten den Taumel der Großstadt, rissen Fassaden ein, leuchteten Tabuzonen aus und fanden Ant­ worten auf die großen Fragen ihrer Zeit. Metroschächte, Friedhöfe, Autorennen, Metzgereien, Kathedralen, Pissoirs und Geröllhalden waren ihre Lieblingsmotive – gemalt auf für Schweizer Künstler ihrer Generation untypische, experi­ mentelle Großformate. Zur Ausstellung erscheint ein reichbebilderter Katalog. 8 . Apr il bis 25 . September 202 2 Museum zu Allerheiligen Schaf f hausen www. allerheiligen. ch

R . A .W. O R T H E S I R E N S O F T I TA N « J E M A N D D O R T O B E N M AG D I C H ! » K U R T VO N N E G U T

Science meets imagination, culture meets existentialism. Kurt Vonnegut hat das in seinem 1959 publizierten Roman «The Sirens of Titan» exemplarisch durchgespielt – ein ­w inziges Artefakt prägt die gesamte menschliche Zivili­ sationsgeschichte, gestaltet scheinbar sinnvolle Realitäten und Wahrheiten. So wie wir es uns gelegentlich von der Kunst, g­ erade in Schwellen- oder Krisenzeiten, erträumen. «R . A .W. or the sirens of Titan» zeigt im Kunst­ museum Appenzell und in der Kunsthalle Ziegelhütte in zehn Räumen Werkgruppen von Judith Albert, Miriam Cahn, Valérie Favre, Asi Föcker, Agnès Geoffray, Roswitha Gobbo, Diana Michener, Martina Morger, Suzanne Treister und B ­ irgit Widmer, die auf je eigene Art und Weise Zeitgeschichte, die Geschichten des Denkens und der Sinne, in Form, in Töne, in Licht, in ­Poesie, in Bilder, in Leben verwandeln. 3 . Apr il bis 16. Ok tober 202 2 Kunst museum Appen zell l Kunsthalle Ziegelhüt te www. k unst museumappen zell. ch Miriam Cahn fast ich | Schönheit, 24.11. | 6./7.12.2003 Öl auf Leinwand, 29,2 x 23,2 cm


Wolfgang Laib, Installationsansicht

Wolfgang Laib (* 1950, D) gilt als einer der bedeutendsten Künstler der Gegenwart. Sein Schaffen zeichnet sich durch eine tiefe Beziehung zur Natur und einem Bekenntnis zur Einfachheit aus. Dabei prägen östliche Philosophien aus ­I ndien sein Leben und seine künstlerische Praxis seit den 1970er-Jahren. Der Künstler konzentriert sich bis heute auf wenige zyklische Werkgruppen. Seit seinen Reisen nach Indien als junger Mann ist Laib inspiriert von der Idee, den Menschen als Teil eines großen Ganzen zu sehen. Dieser Lebensweise folgt er auch in seiner Kunst. Der Künstler ist dabei dem Universellen, dem ­Z eit­losen auf der Spur und arbeitet mit natürlichen Materialien wie Pollen, Reis, Milch oder Bienenwachs. Er findet dieses ganzheitliche Verständnis aber auch in

­u nserer Kultur. In der Gegenüberstellung von einem ­ leinen Berg aus farbintensivem Blütenstaub und einem k Eucha­r istiekästchen gestaltet Wolfgang Laib im Bündner Kunstmuseum in Chur eine verblüffende Beziehung. Die Präsentation steht in einem ausgelegten Feld aus Tausenden Reisbergen. Als wichtiges Nahrungsmittel symbolisiert Reis Vitalität und ist grundlegend für das irdische Leben. Mit der temporären Installation offenbart der Künstler die spirituelle Dimension der Kunst und führt uns direkt zu den Quellen seiner Poetik. Zur Ausstellung erscheint bei Lars Müller Publishers eine reich bebilderte Publikation mit Textbeiträgen und Installationsansichten. Bündner Kunst museum B a h n h o f s t ra s s e 3 5 , 7 0 0 0 C h u r b u e n d n e r- k u n s t m u s e u m . c h

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19. März bis 31. Juni 202 2

FRÜH JAHR 2022

Wolfgang Laib. Crossing the River Bündner Kunstmuseum, Chur


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Angelika Kauffmann,„Selbstbildnis mit der Büste der Minerva“, um 1784, Öl auf Leinwand, 93 x 76,5 cm © Bündner Kunstmuseum, Chur


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„ D ie k u lt iv ie r t e st e F r au E u r op a s“

Angelika Kauffmann

K A F F E E U N D C O C K TA I L S I N H E I L IGE N H A L L E N DE R K U NS TGE SCHICH T E

Angelika Kauffmann,„Selbstbildnis am Scheideweg zwischen Musik und Malerei“, 1794, Öl auf Leinwand, 151,0 x 212,0 cm, Inv. Nr. 1376, Moskau, Staatliches Puschkin-Museum für Bildende Künste

E I N E W E LT G E WA N D T E

Angelika Kauffmann wächst zu einer weltgewandten und selbstbewussten jungen Frau heran, die ihre Umgebung be­ stehend aus Palästen, Villen, eleganten Booten und großen Theatern sichtlich genießt. Nach dem Tod der Mutter ziehen Vater und Tochter vorerst zurück ins heimische Schwarzen­ berg, um rund drei Jahre später nach Italien zurückzukehren, wo Angelika Kauffmann die Antike und die Renaissance stu­ diert und in diesem Zuge das Diplom an der Accademia del Disegno in Florenz erwirbt. Der weitere Weg führt die Kauff­ manns nach Rom, wo das malerische Talent Angelikas mit einem Porträt des berühmten Archäologen Johann Joachim Winckelmann weithin bekannt wird. Es folgen zahlreiche weitere Aufträge und die junge Malerin spezialisiert sich vor­ erst auf die Porträtmalerei. Ein Genre, das sie hervorragend beherrscht. Ihre Arbeiten bestechen nebst der herausragenden Qualität durch Realitätsnähe in Kombination mit der seltenen

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U N D S E L B S T B E W U S S T E J U N G E F R AU

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Schlendert man an einem schönen Frühlingstag durch die wundervolle Altstadt von Chur, führt der Weg mit einiger ­Sicherheit auch in die stets fröhlich-belebte Reichsgasse. Dort, gleich gegenüber der trutzigen Rathaushalle, findet sich an unscheinbarer Fassade die Hausnummer 57. Im Erdgeschoss lädt „Elas Coffee & Cocktails“ zum Verweilen drinnen und draußen. Einen Besuch in der Churer Institution sollte man sich keinesfalls entgehen lassen! Und dies nicht nur wegen des behaglichen Ambientes, des hervorragenden Kaffees und der kreativen Cocktails. Vielmehr findet sich der geneigte Besu­ cher sogleich in bescheiden anmutenden hiesigen heiligen Hallen der europäischen Kunstgeschichte wieder. Denn an dieser Adresse wurde 1741 die Malerin Angelika Kauffmann geboren, welche bereits in ihren jungen Jahren als eine der ­ersten Frauen zum europaweiten Star in der Kunstszene avan­ cierte. Erstaunlich, aber kein Zufall: Denn Kauffmanns Vater, der bekannte, aus dem vorarlbergischen Schwarzenberg stammende Freskenmaler Joseph Johann Kauffmann, steht in jenen Jahren in den Diensten des Fürstbischofs von Chur. Nachdem die Arbeiten am bischöflichen Schloss beendet sind, zieht die Familie 1752 weiter nach Como, bleibt aber in bünd­ nerischen Diensten. Die größten Auftraggeber in der neuen Heimat sind die ursprünglich aus Soglio (Bergell, Graubün­ den) stammenden Grafen von Salis: Eine ideale Umgebung für die elfjährige Angelika Kauffmann, deren Vater ihr im­ menses Talent bereits früh erkannt hatte. Er lässt sie in den Fächern Malerei und Musik unterrichten, weiter lernt sie nebst Deutsch Italienisch, Englisch und Französisch.


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Gabe, die Porträtierten nahezu in ihrem gesamten Wesen wohlwollend zu erfassen. Der Erfolg führt Kauffmann nach England, wo sie gar zum Gründungsmitglied der Royal ­Academy wird. Sie bewegt sich in besten Kreisen, lernt be­ deutende Musiker, unter anderem Georg Friedrich Händel, kennen, genießt das gesellschaftliche Leben und heiratet den schwedischen Grafen Frederick de Horn. Dieser ist, wie sich alsbald aber zeigt, kein Graf, sondern vielmehr ein windiger Heiratsschwindler. Die Gehörnte lässt sich allerdings nicht unterkriegen, heiratet in der Folge auf Anraten ihres besorgten Vaters den vene­z ianischen Maler Antonio Zucchi und kehrt mit ihm nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1781 als gefeierte Malerin nach Rom zurück.

Kaum verwunderlich demnach, dass selbst Johann Wolfgang von Goethe künstlerisch und freundschaftlich mit dem Multi­t alent verbunden war, während Kauffmann vom ­Dichter und Theologen Johann Gottfried Herder gar als „kul­ tivierteste Frau Europas“ gelobt wurde.

PRO TO T Y P DE R MODE R N E N K Ü NS T L E R I N I N D E R M A L E R E I S P I E LT D I E M U S I K

Im Inneren der Künstlerin aber tobt noch immer ein Kampf: Die Konzentration auf die Malerei verwehrt ihr eine vertiefte Beschäftigung mit der Musik, die sie so sehr liebt. Ein ­Zwiespalt, der sich unter anderem im großartigen Werk „Selbstbildnis am Scheideweg zwischen Musik und Malerei“ aus dem Jahre 1794 manifestiert. Dennoch wird gerade hierin ersichtlich, dass Angelika Kauffmann wesentlich mehr als eine begnadete Porträtmalerin ist: Die musische Gabe schlägt sich in ihren rhythmisch-dynamischen Kompositionen so­ wie in ihren feinfühligen und tiefsinnig gefassten Allegorien sichtbar nieder. Die Malerin entwickelt in ihrer reiferen Phase eine für diese Epoche erstaunlich eigenständige Bildsprache.

Herder hatte wohl gesprochen. Denn nebst einer exakt und geschickt geplanten Karriere und dem darauf fußenden Erfolg darf man in Angelika Kauffmann durchaus einen „Proto­t ypen“ der modernen erfolgreichen Künstlerin sehen: talentiert, weltgewandt, gebildet, klug und vor allem selbst­ bewusst und selbstbestimmt. Angelika Kauffmann verstarb 1807 als wohlhabende und angesehene Frau in Rom, wo sie nahe der Spanischen Treppe ein prunkvolles Atelier unter­ hielt. Ihre Werke sind in vielen namhaften Museen, unter anderem in der Schweiz, in Österreich, Deutschland, England und Italien, präsent. Möchte man den faszinierenden Spuren der großen Malerin folgen, muss man aber nicht unbedingt sogleich zu ­e iner ausgedehnten Europareise auf brechen. Vielmehr ­empfiehlt sich in jedem Fall ein Besuch im Kunstmuseum Chur. Das in vielerlei Hinsicht sehenswerte Haus verfügt über umfangreiche Sammlungsbestände von Angelika Kauff­ mann, die einen vertieften Einblick in das Schaffen der faszinierenden Künstlerin geben. Kürzlich wurde die Samm­ lung durch die großzügige Schenkung von Johannes Fulda um eine herausragende Werkgruppe ergänzt. Die Schenkung gibt den erfreulichen Anlass für eine erweiterte Werkschau vom 12. März bis 31. Juli 2022. Lohnenswert ist in diesem ­K ontext auch die kurze Weiterreise ins vorarlbergische Schwarzenberg, wo das Angelika Kauffmann Museum behei­ matet ist, das zugleich intensive Forschung zum Werk der Künstlerin betreibt. ANDRIN SCHÜTZ

Angelika Kauffmann Museum, Schwarzenberg,

k u n s t m u s e u m . g r. c h

Foto: Marion Hirschbühl

angelika-kauf f mann. com


© Wien Museum

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Angelika Kauffmann,„Bildnis Joseph Johann Graf Fries“, 1787, Foto: Birgit und Peter Kainz

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114 L e t i z i a R a g a g l i a , D i r ek t or i n de s K u n st mu s e u m s L ie c ht e n st e i n , i m G e s pr äc h m it M a r c P e s c h ke

Das fließende Museum ARTMAPP: Von 1996 bis 2021 war Friedemann Malsch Direktor der Liechtensteinischen Staat­ lichen Kunstsammlung und des Kunstmuseums Liechtenstein. Eine ungewöhnlich lange Zeit. Wie gehen Sie mit diesem Erbe um? Eine Südtirolerin unterwegs in Liechtensteins Kunstwelt. ­L etizia Ragaglia übernahm im letzten Juli das Amt der ­D irektorin des Kunstmuseums Liechtenstein. Sie trat damit die Nachfolge von Gründungsdirektor Friedemann Malsch an, der das Kunstmuseum mit auf baute und über 20 Jahre lang leitete. ARTMAPP: Liebe Letizia Ragaglia, als neue ­D irektorin des 2000 gegründeten Kunstmuseums Liechtenstein haben Sie schon zu Beginn Ihrer Arbeit im Sommer von einem Museum gesprochen, das Ort der Begegnung, des Dialogs und des ­Austauschs sein soll. Sie zitieren dabei die Vor­ stellung eines „fließenden Museums“ nach Boris Groys oder auch – nach Michel Foucault – den ­Museumsraum als „Raum des Möglichen“. Welche neuen Wege wollen Sie mit dem ­Kunstmuseum Liechtenstein und der 2015 eröffneten Hilti Art Foundation gehen? Letizia Ragaglia: Das Kunstmuseum Liechtenstein und die Hilti Art Foundation werden sich diesen Herbst in einer ­e rsten gemeinsamen Ausstellung nicht nur begegnen, ­sondern aktiv austauschen. Eine neue fotografische Serie der renommierten Künstlerin Candida Höfer bietet den perfekten Anlass dafür. Ihre abgelichteten Architekturen und Räume lassen erkennen, was der Kunst dient, was sie stützt und ­ermöglicht. Gleichzeitig unterstreichen Höfers Fotografien die soziale Rolle von Archiven und Sammlungen. Das Kunst­ museum Liechtenstein und die Hilti Art Foundation setzen beide ihren Schwerpunkt auf ihre Sammlungen als kultu­ relles Erbe Liechtensteins. Die Verantwortung gegenüber den Geschichten, die diese Werke erzählen, liegt mir dabei be­ sonders am Herzen.

LR: Friedemann Malsch hat großen Wert auf die Sammlung gelegt und gleichzeitig nie einen permanenten Sammlungs­ parcours eingerichtet. Präsentationen aus der Sammlung und Wechselausstellungen haben die Bestände des Museums ge­ genseitig bereichert. Das ist ganz im Sinne eines fließenden Museums! Die Sammlung soll kontinuierlich recherchiert und belebt werden, sie braucht Dialoge, Herausforderungen und Mut zu neuen Perspektiven. Auch größere Häuser ­können es sich schon lange nicht mehr leisten, einfach chro­ nologisch Werk an Werk zu reihen: Wir brauchen in den Museen Kurzschlüsse, die neue Fragen aufwerfen und wir müssen uns zu Lücken bekennen und sie hinterfragen. ARTMAPP: Ab Mai zeigen Sie die von Ihnen kura­ tierte Ausstellung „C 4“. Hierbei werden sich die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler mit der Sammlung des Museums auseinandersetzen. Was ist die Idee der Ausstellung? LR: „C 4“ ist meine erste Ausstellung im Kunstmuseum ­L iechtenstein und deshalb kommen dort einige meiner „Her­ zensangelegenheiten“ vor. Ich schätze die Arbeit mit lebenden Künstlerinnen und Künstlern sehr und möchte mit dem Pub­ likum teilen, was ich als bereichernd empfinde: eine nicht lineare Geschichtenerzählung, die Fähigkeit, einen Raum emotional aufzuladen, oder das Anwenden von Fiktion, um Stereotypen und Lücken der Vergangenheit aufzudecken und neu zu schreiben. Ich habe Kunstschaffende einer jüngeren Generation zu Solopräsentationen eingeladen: eine Position pro Raum der großen Ausstellungsfläche im Museum. Die einzige Vorgabe war, sich mit mindestens einem Werk der Sammlung auseinanderzusetzen und es in die Präsentation zu integrieren – das ist „C 4“: die Sammlung („Collection“) wird von den vier Positionen verstärkt, aber auch kontaminiert.„C“ ist „contamination“ und „crossover“, denn es wird interdiszi­ plinär sein, aber auch „community“, denn die Künstler:innen stärken sich auch untereinander, obwohl sie sehr verschieden sind. Drei Positionen sind bewusst weiblich, nicht alle kom­ men, nochmals bewusst, aus Europa.


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LR: Wir haben Candida Höfer zu uns ins Museum eingeladen und dabei ist sogar eine eigene Liechtenstein-Werkserie ­entstanden, was uns natürlich besonders freut. Sie hat Innenund Außenansichten der Museumsarchitektur, Bibliotheken oder Depoträume fotografiert, die kulturellen Zwecken ­d ienen. Ihre Arbeiten werden in beiden Institutionen zu ­sehen sein und mit Werken aus den Sammlungen einen Dia­ log aufnehmen.

ARTMAPP: Die aktuelle, von Christiane MeyerStoll kuratierte Sammlungspräsentation „Matthias Frick: Kälte speichern in kalten Ländern für warme Länder“ stellt einen früh verstorbenen Schweizer Künstler vor, der sein Werk selbst im Umfeld der Art brut verortete. Was fasziniert Sie an seinen Zeichnungen? LR: Matthias Frick ist ein Künstler unserer Sammlung, der mit seinem speziellen Kunstverständnis eine ganz eigene Kosmologie entwickelt hat. Seine Zeichnungen, die ich sehr humorvoll finde, werfen in der Ausstellung einen neuen Blick auf andere Werke der Sammlung, wodurch spannende Kurz­ schlüsse entstehen. Kunst museum Liechtenstein mit Hilt i Ar t Foundat ion S t ä d t l e 3 2 , L I - 9 4 9 0 Va d u z www. k unst museum. li

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ARTMAPP: Ab September gibt es dann „Candida Höfer. Liechtenstein“ zu sehen. Diese Schau ist im Dialog mit den Sammlungen des Kunstmuseums Liechtenstein und der Hilti Art Foundation ­entstanden. Was verbindet die Vertreterin der Düsseldorfer Fotoschule mit Liechtenstein? Was wird zu sehen sein?

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Letizia Ragaglia im Ausstellungsraum, Foto: Sandra Maier


116 E d it ion H e id i We b e r i n B a d R a g a z

Le Corbusiers Druckgrafiken Am 31. Oktober 2021 fand die 8. Schweizerische Triennale der Skulptur, die „Bad RagARTz“, ihren Abschluss. Der vergan­ gene Sommer dürfte der erfolgreichste in der Geschichte der weltbekannten Freiluftausstellung gewesen sein. Auf Kunst müssen Einheimische und Gäste aber auch außerhalb der Triennale-Jahre nicht verzichten. Denn in den Räumlichkeiten des „Grand Resort Ragaz“ gibt es bis Ende

April 2022 wahre Trouvaillen der Kunstgeschichte zu ent­ decken: Gezeigt werden bedeutende Druckgrafiken des weltbekannten Architekten, Künstlers und Designers Le Cor­ busier (1887−1965). Die Werke, eine Schenkung von Frau Heidi Weber an die Stiftung der Schweizerischen Triennale der Skulptur, eröffnen einen vertieften Einblick in das bemer­ kenswerte grafische Schaffen Le Corbusiers.


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M E IS T E R H A F T E R S T R ICH B AU M E I S T E R , D E S I G N E R , K Ü N S T L E R U N D P O E T

U ND SKU LP T U R ALE PR ÄSENZ

Waren Le Corbusiers architektonische Leistungen bereits zu Lebzeiten einer breiten Öffentlichkeit bekannt, fand sein künstlerisches Schaffen bis in die 1960er-Jahre weniger ­B eachtung. Ein Umstand, der insofern verwunderlich scheint, als Le Corbusier in seinen Jugendjahren primär die Passion für Malerei, Skulptur und Grafik lebte und sich erst in einem zweiten Studienschritt nach einer Ausbildung zum Uhrengraveur und intensiven Studien der Malerei der Archi­ tektur zuwandte. Aber es ist gerade die Symbiose von ikonischer Kraft, statischer Innovation und ebenso funktionaler wie mu­ sischer R hythmik, die den Bauwerken Le Corbusiers innewohnt, welche darauf verweist, dass Le Corbusier nicht nur Architekt war. Wir sehen uns vielmehr mit einem „uomo universale“, einem Baumeister, Künstler, Designer, Dichter und Denker konfrontiert.

Die Radierungen und Kupferstiche überzeugen mit dem kla­ ren und freien Strich des Graveurs und vermögen motivisch zu begeistern: Mit zärtlicher Ironie näherte sich Le Corbusier in „cinq femmes“ den Charakteren der Damenwelt, während die „petites confidences“ von intimer Poesie getragen werden. Manifestieren sich in den Radierungen zeichnerisches Kön­ nen sowie die feinfühlige und konzentrierte Gedankenwelt des Dichters, tritt in den Lithografien der Maler und Bildhauer verstärkt zutage. Im Kern kubistischen Ansätzen folgend, ­zerlegt Le Corbusier in seinen Kompositionen den mensch­ lichen Körper und formuliert ihn neu. Flächigkeit, Kontur und Farbigkeit bestimmen hier das Bildgeschehen, indes die organische Rhythmik sowie die geometrische Aufteilung des Bildraumes eine skulpturale Präsenz zu erzeugen vermögen. Sowohl in Radierung und Lithografie als auch in Zeichnung, Malerei und Skulptur entwickelt Le Corbusier im Laufe der Jahre seine unverwechselbare Bildsprache. Kraftvolle Frauenfiguren, der Mythos des Minotaurus, das Stillleben und zwischenmenschliche Szenerien sowie das Motiv der Hände finden zu einem dynamischen Universum zusammen. Allen Werken aber wohnen die folgenden As­ pekte inne: die menschliche Güte eines klugen Humors, die feinsinnige Poesie und der reflektierte Freigeist eines univer­ sell denkenden Menschen.

Wurde die Komplexität der Künstlerpersönlichkeit „Le Cor­ busier“ von seinen Zeitgenossen häufig nicht erkannt, brachte die in den späten 1950er-Jahren beginnende Zusammenarbeit mit der Zürcher Innenarchitektin Heidi Weber in dieser Hin­ sicht den Wendepunkt. Dass die Kollaboration nachhaltig fruchtbar sein würde, manifestiert sich bereits in einer Äuße­ rung Le Corbusiers ihr gegenüber am 26. Juni 1961: „Sie sind aktiv und objektiv; Ihre Vorgehensweise ist einheitlich, und das ist sehr wichtig.“ Objektivität, Aktivität und Konsequenz offenbaren sich auch in den Folgejahren: Wird Heidi Weber vorerst zur Produzentin von Le Corbusiers Möbeln, überträgt er ihr 1964 sämtliche Rechte an seinem bildnerischen Werk. Dies nicht ohne Grund. Heidi Weber hatte die „Einheitlichkeit“ in Le Corbusiers Gesamtwerk erkannt und animierte ihn dazu, sich wieder mit der Malerei, der Skulptur und der Druckgrafik aus­ einanderzusetzen. Mit den Worten „Monsieur, ich möchte Sie arbeiten machen!“ überreichte sie Le Corbusier, der zu jener Zeit wenig Vertrauen in sein bildnerisches Schaffen hatte, ­einige Kupferplatten. Der Meister begab sich sogleich ans Werk und es entstanden zahlreiche grandiose Radierungen, auch Lithografien; unter anderem der Zyklus „cinq femmes“, „Naissance de Minotaure“ sowie die „petites confidences“ in Le Corbusiers einzigartiger Rhodoid-Technik. Gedruckt ­w urde das grafische Werk vornehmlich in der Werkstatt ­Fernand Mourlots in Paris. Später editierte Heidi Weber das Werkverzeichnis „Le Corbusier. Das graphische Werk“.

DA S H E I D I W E B E R M U S E U M : E I N FORU M DE S F R E I E N DISK U R SE S I N ZÜ R ICH

Inspirierte Heidi Weber Le Corbusier in seinem künstleri­ schen Schaffen und fungierte zugleich als Triebkraft in der Umsetzung der Möbelentwürfe, wird sie auch zu seiner ­w ichtigsten Sammlerin. Ein Aspekt, der sie veranlasst, Le Corbusier mit einem Museumsbau im Zürcher Seefeld zu be­ auftragen. Le Corbusier favorisierte erst einen Bau aus Beton, erklärte sich aber schließlich mit Heidi Webers Verlangen nach einer innovativeren Konstruktion aus Eisen, Glas und Aluminium einverstanden. Das im Sinne von Heidi Webers Idee als Gesamtkunstwerk konzipierte „Heidi Weber Mu­ seum − Centre Le Corbusier“ konnte 1967, zwei Jahre nach Le Corbusiers Tod, eingeweiht werden und wurde bald − ganz in dessen Sinne − zum Zentrum und Forum des freigeistigen künstlerischen und politischen Diskurses in Zürich, bis es im Jahre 2014 im Baurecht an die Stadt Zürich zurückfiel. Nach Abschluss der Ausstellung in Bad Ragaz sind weitere Ausstellungen mit dem grafischen Werk Le Cor­ busiers in der Schweiz geplant, so unter anderem im Ikonenmuseum Schweiz in Lenzburg im Dezember 2022. ANDRIN SCHÜTZ

w w w . b a d ra g a r t z . c h w w w . l e c o r b u s i e r- h e i d i w e b e r. c h linke Seite: Le Corbusier, „Autrement que sur terre“, 1963, Farblithografie, 56,2 x 45,1 cm

FRÜH JAHR 2022 — AUSSTELLUNG

A R B E I T E N M AC H E N ! “

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„ MONSI EU R , ICH MÖCH T E SI E


S t . G a l le n , K u lt u r me t r op ole a m B o de n s e e

Kunst-Spitze Gaby Senn lebt mit ihrer Familie in St.Gallen. Die Ostschwei­ zerin ist seit 2005 im Vorstand des Kunstvereins St.Gallen und seit September 2021 Präsidentin des Kunstvereins. Neu ist sie von Amts wegen auch D ­ elegierte des Kunstvereins in der Stiftung Kunstmuseum St.Gallen. Reiner Brouwer sprach mit Gaby Senn. ARTMAPP: St.Gallen gilt als Kulturmetropole am Bodensee. Was muss man sich darunter vorstellen? Gaby Senn: St.Gallen verbindet man mit der Geschichte rund um das Kloster sowie mit einer wunderbaren Altstadt. St.Gallen kann aber viel mehr als pittoreske Erker, vor allem auch im kulturellen Bereich! Es gibt ein Theater, welches sich mit seinen Inszenierungen seit Jahrzehnten sehen ­lassen kann, Festspiele im Klosterhof, Konzerte in der Ton­ halle, kunst-/historische Ausstellungen mit Bezug zur Gegenwart, ein ­neues naturhistorisches Museum, ein mit der ökonomisch-­historischen Vergangenheit unserer Stadt

verbundenes Textilmuseum – all die klassischen Angebote, auf die eine Stadt nicht verzichten möchte. St.Gallen kann aber nicht nur traditionell sein, sondern scheut auch die kul­ turelle Auseinandersetzung mit der heutigen Zeit nicht. Dazu gehören das Kunstmuseum, welches sich mit seinen Wechselausstellungen weit über die Landesgrenzen hinaus einen Namen gemacht hat; eine Lokremise, welche als Kul­ turzentrum ­Theater, Kunst, Kino und Gastro auf spannende Weise miteinander verbindet; die Kunsthalle, als Ort für die Produktion künstlerischer Experimente sowie die Kunst­ gießerei als Großwerkstatt für Kunstschaffende. Und in Sachen Musik zeigt sich St.Gallen durchaus up to date mit dem OpenAir St.Gallen, dem Weihern Openair, dem Kugl, dem Palace, der Grabenhalle. Dazu kommen ein unermüd­ licher Innova­t ionsgeist seitens der Kulturschaffenden der freien Szene und immer wieder neu entstehende Kulturorte. Mit Sicherheit habe ich nicht alles aufgezählt: Dies nur eine Auswahl der u ­ nzähligen kulturellen Angebote, mit denen St.Gallen aufwartet.


119 linke Seite: Notre Dame – Festspieloper 2021, Klosterhof St.Gallen: Die Opernrarität des österreichischen Komponisten Franz Schmidt nach Victor Hugos Roman „Notre-Dame de Paris“; Anna Gabler, Simon Neal, Tanzkompanie, Foto: Toni Suter / TT Fotografie

ARTMAPP: Kann man sich mit einer Kultur­ positionierung gegenüber dem Wettbewerb differenzieren?

GS: Ich glaube, die St.Galler Kunstschaffenden sind auf einem guten Weg, sich immer wieder weiterzuentwickeln, um die Stadt auch künftig zu bereichern. Die Frage ist jedoch, ob die Rahmenbedingungen Schritt halten können. Das heißt, ­entwickeln sich auch die Kulturkonsumierenden, die orts­ ansässigen Firmen und die Politik weiter und wissen das reichhaltige Kulturangebot zu schätzen? Wenn diese nicht im Gleichschritt mitziehen und die Kultur mit unterstützen, dann wird’s langfristig schwierig.

„Roter Platz“ – Kunststadt St.Gallen: Die Stadtlounge verwandelt das Bleicheli-Quartier in eine rund um die Uhr zugängliche Spiel-, Relax- und B ­ usinessoase. Die Idee für dieses ungewöhnliche Projekt einer ö ­ ffent­l ichen „Stadtlounge“ hatten der Architekt C ­ arlos Martínez und die Multimediakünstlerin Pipilotti Rist. Foto: Giglio Pasqua / Schweiz Tourismus

ARTMAPP: Welches sind Ihre persönlichen Kulturperlen? GS: Aber es gibt vier Tage Ende Juni, wo mein Herz jeweils sehr hoch schlägt … (Anmerkung der Redaktion für alle Nicht-St.Galler:innen: Gemeint ist das Open Air St.Gallen, eines der ältesten und größten Musikfestivals der Schweiz.) st. gallen-bodensee. ch

FRÜH JAHR 2022 — APPETIZER

ARTMAPP: Wohin entwickelt sich der Kultur­ standort St.Gallen in den nächsten Jahren?

Gaby Senn, Foto: Alexandra Devos Koch

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GS: Eine Kulturpositionierung unterstreicht die Einzigartig­ keit und Unabhängigkeit einer Stadt. Schon Kandinsky meinte: „Es gibt kein Muss in der Kunst, denn die Kunst ist frei.“ Ein schönes Zitat, das einiges über Kunst und Kultur aussagt. Kulturangebote bereichern St.Gallen und die dafür verantwortlichen Kunstschaffenden prägen das Stadtbild und machen St.Gallen bunt, herausfordernd und frei. Denn die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur ist nicht immer angenehm und fordert die Zuschauenden, Betrachtenden und Zuhörenden. Aber ist es nicht genau das, was wir von einer modernen Stadt erwarten?


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Baiersbronn Hotel in ­K ünstlerhand

m o n a t i g e n D a u e ra us s t e l l u n g z e i g t s i c h e i n d r u c k s vo l l, w i e d u rc h K re a t i v i t ä t u n d Kö n n e n Ku n s t w i rd – i m A t e l i e r w i e i n d e r Kü c h e d e s D re i - S t e r n e -­

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29. A p r i l b i s 2. M a i 2022.

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Deutschland. Das Gesamt-

u n d a us P r i va t b e s i t z . Fe r n e r

ku n s t we r k d e s J u g e n d s t i l s

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Team Schwarzwaldstube mit Restaurantleiter David Breuer, Küchenchef Torsten Michel, Chef-Sommelier Stéphane Gass vor Bildern von Sabine Tress, © Traube Tonbach, Julian Beckmann


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d e t N a t u re r l e b n i s u n d kü n s t l e -

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FRÜH JAHR 2022 — APPETIZER

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Das Elbhangfest auf acht Kilo-


122

Mecklenburg-­ Vorpommern

Salzburg

Neues Leben

Eine Herberge

in alten ­M auern We r d u rc h d a s O s t s e e küs t e n h i n t e r l a n d f ä h r t, w i rd f e s t s t e l l e n: j e d e r O r t h a t s e i n e i g e n e s G u t s h a us . D i e s e G u t s h ä us e r b i l d e n j ewe i l s d a s h i s t o r i s c h e Zentrum des Or tes und gelten a l s e c h t e G e h e i m t i p ps . Zu m Wo h n ra u m u m g e s t a l t e t e o d e r a l s mys t e r i ös e Ru i n e n b e l a s s e n, wa r t e n s i e a u f I h re n

für Mensch „MitsommerRemise“ in MV, Foto: © Herrenhaus Vogelsang

Rothenburg ob der Tauber Ein Land-

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A us s t e l l u n g i m Ro t h e n b u rg ­

C a rd d i e Ku n s t u n d Ku l t u r i m

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Pa r k s e i n t a u c h e n, k l a s s i s c h e n

M us e u m a n h a n d vo n G e m ä l -

Ru h rg e b i e t ! S o v i e l f ä l t i g u n d

L e b e n g e f e i e r t. I m We i n a rc h i v

K l ä n g e n vo r i m p os a n t e r

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b u n t w i e d i e M e t ro p o l e Ru h r

l a g e r t n i c h t n u r d e r We i nvo r-

S c h l os s ku l i s s e l a us c h e n, d u rc h

Ta u b e r s t a d t vo m 18. J a h r h u n -

i s t a u c h i h r ku l t u re l l e s A n g e -

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Ko n g l o m e ra t b o g e n i s t d a s H e r z s t ü c k d e s H a us e s . H i e r w i rd w u n d e r b a r g e g e s s e n,

m a l e r i s c h e Pa r ka n l a g e n s p a -

d e r t b i s i n d i e G e g e nwa r t.

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s t a l t u n g e n, Fa m i l i e n f e i e r n u n d

z i e re n u n d m i t G u t s h a us b e s i t -

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S i e i m g e s a m t e n J a h r 2022

J a z z ko n z e r t e s t a t t. A n d re a s

z e r I n n e n b e i e i n e m G l a s We i n

L o n d o n«, e i n e we i t e re A us s t e l -

j e ­e i n m a l i g f re i e n E i n t r i t t i n

G f re re r, d e r H o t e l i e r, f o l g t e

a m L a g e r f e u e r i n s G e s p rä c h

l u n g i m Ro t h e n b u rg M us e u m,

a l l e 21 Ru h r Ku n s t M us e e n u n d

s e i n e r Ku n s t l e i d e n s c h a f t ;

ko m m e n . D i e „ M i t t s o m m e r­

b e l e u c h t e t e i n e n b i s l a n g vö l l i g

b e i a l l e n Ku l t u r s c h ä t z e n .

120 O r i g i n a l -We r ke vo n

Re m i s e“ s t a r t e t a m18. J u n i

u n b e ka n n t e n A s p e k t d e r i n t e r-

Zu d e m g i b t e s a n d e n 11 Ru h r-

­S i e g f r i e d A n z i n g e r b i s Fra n z

2022 i n M e c k l e n b u rg u n d a m

n a t i o n a l e n A us s t ra h l u n g

B ü h n e n u n d b e i 5 Ku l t u r f e s t i -

We s t b e g l e i t e n d i e G ä s t e i m

19. J u n i 2022 i n Vo r p o m m e r n .

Ro t h e n b u rg s . A b M a i ve r-

va l s j e e i n Vo r s t e l l u n g s t i c ke t

g a n z e n H a us . DZ a b 129 E U R .

gleicht das Mittelalterliche

z u m h a l b e n P re i s .

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b l a u e g a n s .a t r u h r ku l t u r. j e t z t

Altstadt Rothenburg o. d. Tauber, Foto: © Rothenburg Tourismus Service, W. Pfitzinger


123

St.Gallen Kulturerlebnis St.Gallen

im Stiftsbezirk

Museumsnacht B e s u c h e n S i e d e n S t i f t s b ez i r k , d e r s e i t 1983 z u m U N ES CO -­ nacht steht wieder an.

Die Stif tsbibliothek, die älteste

A m 10. S e p t e m b e r 2022 p rä -

B i b l i o t h e k d e r S c hwe i z u n d

s e n t i e re n d i e m e i s t e n M us e e n

e i n e d e r s c h ö n s t e n d e r We l t,

n e b e n d e n re g u l ä re n A us s t e l -

b i e t e t I h n e n z us a m m e n m i t

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l u n g e n w i e i n d e n f r ü h e re n

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M us e u m s n ä c h t e n e i n S p ez i a l -

n e u re n ov i e r t e n G ewö l b e ke l -

p ro g ra m m z u m M o t t o d e r

l e r e i n e i n m a l i g e s Ku l t u re r l e b -

N a c h t. A u c h d i e s m a l s o l l s i c h

n i s . E n t d e c ke n S i e i n d i e s e m

d a ra n n i c h t s ä n d e r n, a u ß e r

e i n e N e u i ns z e n i e r u n g vo n

d a s s vo r w i e g e n d f re i s c h a f f e n -

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O r i g i n a l e n, d a r u n t e r d a s

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mann-Saal in Schwarzenberg besticht nicht nur durch seine einzigartige Lage ­i nmitten einer

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beschaulichen W ­ iesen- und Berg­

im Bündner

perfekte ­a kustische ­B edingungen,

Bergdorf

landschaft, s­ ondern bietet auch die ­K ünstler und P­ ublikum gleicher­ maßen ins Schwärmen bringen. Foto: © Schubertiade GmbH

o f f e r i e r t e i n S p ez i a l -­

g e l iu m d e r We l t b ez e i c h n e t

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nacht: Übernachtung mit

kö n n e n S i e d e n S t i f t s b ez i r k m i t

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A u d i o - G u i d e, M o b i l i t y-T i c ke t,

­( L o n d o n, Zü r i c h) h a b e n d e n

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M us i ke r l e b n i s s e s o rg e n . s c h u b e r t i a d e.a t

Aux Losanges im Bündner Bergdorf Tschiertschen © Hélène Binet

FRÜH JAHR 2022 — APPETIZER

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ANDREAS SCHOLZ ININDIEN

from still live to here

26.2.–26.3.2022 art.hub.59 Andreas Scholz, „400 lemons“, August 2003 Academy for literature and art, New Delhi

Marktstr. 59 88212 Ravensburg 0751 9770414 ulla-k@ulla-k.biz


126

„cubes and trees“ von HD Schrader, Maurener Tal, Foto: Andreas Sporn

Kultur-Landschaft im Süden Kunst und Kult ur kann man auf vielfält ige Ar t u n d We i s e e r l e b e n i n B a d e n - W ü r t t e m b e r g : In alten Gemäuer n und neuen Kunst museen, auf Theaterbühnen und in Kon zer tsälen sowie immer mal wieder mit ten in der schönen Landschaf t.

Ein Vogelnest auf Stelzen. Meterhoch. Als ob es ein Riese ­direkt auf die Wiese gesetzt hätte. Nachts leuchtet es und an Ostern werden darin kunterbunte Eier platziert, Größe XXXXXL. Selbst von der Autobahn A81 sieht man es. Ein Blickfang am Wegesrand, der Menschen zum Staunen und zum Lächeln bringt. Das gigantische Vogelnest des Künstlers Matthias Schweikle ist einer der Höhepunkte der SCULPTOURA. Ein 40 Kilometer langer Rad- und Wanderweg in den herrlichen Landschaften des Schönbuchs und Heckengäus, der von Kunstwerken gesäumt ist. 60 eigenwillige Exponate, die die Natur inszenieren und mal im Wald, mal auf der Wiese oder in einem Flusslauf versteckt sind.

­ ichaelskirche in Schwäbisch Hall oder in den Höhlen der M Schwäbischen A lb. Dort w urden einige der ältesten Musik­i nstrumente der Menschheit gefunden. Flöten aus Schwanenknochen und Mammutelfenbein, faszinierende Zeugnisse der Kunstfertigkeit unserer Vorfahren. Im Weikersheimer Schlosspark glotzen einen die ­Gnome frech ins Gesicht. Skulpturen aus der Zeit des Barocks, eine Karikatur des höfischen Lebens, die noch heute amüsiert. Jährlich einmal zeigen die Weikersheimer moderne Plastiken, gewagte Menschenbilder, Figuren der Neuzeit, die im fröh­ lichen Dialog mit der Geschichte stehen.

EI N E R A DTOU R MI T 60 SK U L P T U R E N

Es ist ganz erstaunlich, wie viele verschiedene Gesichter Kunst und Kultur im Süden haben. Man trifft sie auf den ­T heaterbühnen von Heilbronn, auf der Freitreppe der Hendrik ECB Beikirch, „VÉRA“, 2016, Projekt: Stadt.Wand.Kunst, Foto: Alexander Krziwanie


Kunst ist mehr als etwas nur Vergangenes. Sie lebt und ­belebt, verwandelt Städte in Schaubilder der ganz eigenen Art. Mannheim zum Beispiel. Dort haben Street-Artists die Häuser­f assaden gestaltet. Sogenannte Murals, Mauerbilder, die vor Kreativität nur so sprühen. Meisterwerke der Graffiti von internationalen Künstlerinnen und Künstlern, die aus der Industriestadt ein Freiluftmuseum machen. Galerien gibt es in Stuttgart unzählige. Die Landes­ hauptstadt ist ein Zentrum von Kunst und Kultur. Die Oper, das Ballett, die bekannte Staatsgalerie. Viele kommen auch wegen der berühmten Weißenhofsiedlung nach Stuttgart und den ambitionierten Museen der großen Autohersteller Mercedes und Porsche. Vor über 135 Jahren nahm hier die ­Geschichte des Automobilbaus ihren Anfang. Schloss Heidelberg im Frühling, Foto: Tobias Schwerdt

H E I D E L B E RG E R K L A S S I K- F R Ü H L I N G

Mit dem Auto kann man auch heute noch vieles entdecken. Klöster und Kirchen entlang der Oberschwäbischen Barock­ straße. Die Burgen und Schlösser der Schwäbischen Alb. Die Schätze der Uhrenindustrie an den historischen Standorten im Schwarzwald. Viele Altstädte laden zu einem Päuschen ein. Verzau­ bern mit ihrem historischen Charme sowie manchmal auch mit den Klängen, die durch ihre Gassen dringen. Alljährlich verwandelt sich Heidelberg in ein Zentrum der klassischen Musik. Die romantische Stadt am Neckar wird zur Bühne für über 100 Künstlerinnen und Künstler aus aller Welt. Das Schloss, die alte und neue Universität – überall kommen Kon­ zertfreunde beim „Heidelberger Frühling“ auf ihre Kosten. Ein Urlaub im Süden ist eine kulturelle Zeitreise. In Baden-­ Baden begegnet man einer uralten Kur- und Bädertradition. Schon die Römer ließen sich hier verwöhnen, später kamen reiche Gäste aus ganz Europa ins Tal der Oos. Heute lockt auch das renommierte Museum Frieder Burda Besucherinnen und Besucher an sowie ein Festspielhaus, das größer ist als jedes andere in Deutschland.

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HESSE , SCHIL L ER U N D R EUCHL I N

Baden-Württemberg ist auch ein Land der Dichter und ­D enker. Der große Klassiker Friedrich Schiller wurde in ­M arbach geboren, der Literaturnobelpreisträger Hermann Hesse in Calw. Beide Städte widmen ihren genialen Söhnen Ausstellungen, laden Interessierte dazu ein, auf ihren Spuren durch den Ort zu wandeln. Eine Geistesgröße war auch Johannes Reuchlin. Er wurde zu einem Vordenker des Humanismus und Berater von Königen und Kaisern. Seine Wurzeln liegen in Pforzheim. Die Stadt gedenkt seinem 500. Todestag 2022 mit einer Viel­ zahl von Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen. Das Schöne ist, dass man auf Reisen all dies mit einer besonderen Leichtigkeit erlebt. Kunst und Kultur als sinnliche Wegbegleiter, die ebenso inspirierend wie unterhaltsam sein können. We i t e r e I n f o r m a t i o n e n z u K u l t u ra n g e b o t e n in B ade n-Wür t te mbe rg unte r www. k ult ursueden. de

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FRÜH JAHR 2022

v o n K u l t u r- H i g h l i g h t s k a n n k o s t e n f r e i u n t e r


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Historisches und Erbauliches auf der Kunstschleife der Wasser-Radlwege Oberbayern erradeln Seit Herbst 2019 laden die neuen Wasser-Radlwege zum ­ adeln durch Oberbayern ein. Rund 1.200 Kilometer werden R von dem Fernradweg abgedeckt, welcher sich über drei ­H auptschleifen durch ganz Oberbayern erstreckt. Die drei Teilrouten machen sich dabei die regionalen Besonderheiten zu eigen: Im Norden ist der Radweg geprägt von Hopfen & Bier, im Südosten stehen das Salz und im Südwesten Kunst & Kultur im Fokus. Zentraler Dreh- und Angelpunkt aller ­Touren ist die Landeshauptstadt München. Aber unabhängig davon, auf welcher Schleife man sich befindet, das Wasser ist ein steter Begleiter. Auf keinem anderen Radweg kann man Kunst, Kultur und aktiven Naturgenuss so gut verbinden, wie auf den ­Wasser-Radlwegen Oberbayern. Hier finden sich die Vor­ bilder zu zahlreichen Motiven der Kunstgeschichte, Wirkorte berühmter Künstler und natürlich auch aktuelles Kunst­ handwerk. Die Kunstschleife der Wasser-Radlwege verläuft au f r u nd 350 K i lometer n z w ischen Mü nchen u nd

Garmisch-­Partenkirchen und führt direkt durch das Murnau­ er Moos, den Ursprung des Blauen Reiters sowie die idyllische Fluss- und Seenlandschaft rund um den Ammersee. Hier fin­ den Kunstliebhaber im Bereich der Pinakotheken und des Lenbachhauses eine Kunstsammlung, die ihresgleichen sucht. Welcher Kunstform man sich zuwenden möchte auf der Kunstschleife, hängt von den eigenen Interessen ab. Die Bandbreite reicht von der Moderne in München über den „Blauen Reiter“ bis hin zu historischen Fundstätten. Und ge­ nau diesen folgen wir dieses Mal etwas genauer. Südlich von München geht es direkt los mit der Villa Rustica in Leutstetten. Anfang 2000 wurden die Grund­ mauern dieses römischen Gutshofes freigelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Der Hof weist eine typi­ sche L-Form auf und liegt Richtung Karlsberg und Würmtal ausgerichtet. Über die ausgestellten Funde und Grundrisse ist ein Eintauchen in 2.000 Jahre Geschichte möglich.

Radln rund um den Walchensee im Tölzer Land, Foto: @ Tourismus Oberbayern München e. V. / Christoph Jorda


Wieskirche, Foto: oberbayern.de

Was sich wie eine farbenfrohe Perlenkette anhört, ist tat­ sächlich eine. Entlang der Kunstschleife finden sich weitere kunsthistorisch bedeutsame Gebäude, etwa die Klöster Fürs­ tenfeld und Tegernsee. Und das immer am Rande tief blauer Seen, inmitten saftig grüner Wiesen oder nahe goldgelber Mooslandschaften. Ein besonderes Farbenspiel, welches man in der Geschwindigkeit des Radelns perfekt aufnehmen kann. Mehr da zu unter: w w w . o b e r b a y e r n . d e /s u e d w e s t s c h l e i f e - k u n s t

FRÜH JAHR 2022

w w w . o b e r b a y e r n . d e / ra d l n / w a s s e r ra d l w e g e

Franz Marc, Staffelalm, Foto: Janina Laszlo

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Weiter geht es ähnlich historisch, und doch spielen hier auch schon die Filmkunst und mediale Inszenierung eine Rolle. Wir erreichen Schloss Possenhofen, in dem Kaiserin Elisabeth von Österreich ihre Jugend verbrachte. Zwar kann es von in­ nen nicht besichtigt werden, doch der ehemals dem Adel vorbehaltene Badebereich ist mittlerweile auch für kunstinte­ ressierte Radler und alle anderen zugänglich. Südlicher am Starnberger See gelegen, genauer gesagt in Bernried, befindet sich das Buchheim Museum. Es wartet mit einer hochwertigen expressionistischen Sammlung und kleineren volkstümlicheren Nebensammlungen auf. Be­ sonders spannend ist hier das Zusammenspiel aus Kunst, Architektur und Natur. Westlich von Murnau am Staffelsee liegt Steingaden und dort treffen wir auf die Wieskirche – eine Wallfahrts­ kirche, die bereits seit den 1980er-Jahren von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben wurde. Sie ist ein Juwel der ­R okokozeit und beherbergt den „Gegeißelten Heiland“ – eine künstlerisch eher bescheidene Darstellung, die aus zwei ­B estandsfiguren erschaffen wurde. Und doch emotiona­ lisiert sie die hierher strömenden Menschen auf eine ganz besondere Weise. Auf dem Rückweg nach München streifen wir die Erz­ abtei St. Ottilien. Ein Benediktinerkloster, das in den letzten 100 Jahren eine imposante Ausdehnung erfahren hat. Zum Kloster zählen heute Kirche, Bibliothek, Schule und weite landwirtschaftliche Flächen. Ein Rund- und Wandelgang lohnt sich hier allemal.


08.05.2022 - 26.06.2022 /werner knaupp/vulkan = tod/galerie claudia jennewein/www.kunstkontor-nuernberg.de


26. März – 10. Juli 2022

Wolfgang Mattheuer Markus Matthias Krüger

Unter blauen

Himmeln

www.museen-aschaffenburg.de Pfaffengasse 26, D-63739 Aschaffenburg


Cranach MALERFÜRST DER RENAISSANCE

Er gilt als einer der bedeutendsten Maler der deutschen Renaissance. Lucas Cranach d. Ä. (1472–1553) war aber wohl auch einer der ersten Kunstunternehmer der alten Welt. Ihm gelang es vorbildlich, sich mit seiner Malerei an die neue Zeit anzupassen, nicht nur war er als Porträtmaler hoch angesehen, sondern ebenso als Grafiker und Buchdrucker, als politischer Mensch und erfolgreicher Geschäftsmann. Er war Hofmaler am kursächsischen Hof und einer der gefragtesten Maler der Reformation. 2022 wird er zu seinem 550. Geburtstag mit zahllosen Ausstellungen geehrt –

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FRÜH JAHR 2022 — CR ANACH

ARTMAPP hat einige Empfehlungen.

K ATJA BEH RENS

Lucas Cranach d. Ä., „Bildnis eines bartlosen jungen Mannes“ (Detail), um 1500, Öl auf Holz, 63 x 50 cm, © Hessische Hausstiftung, Kronberg im Taunus Ausstellung „Cranach – Die Anfänge in Wien“, 12. März bis 12. Juni 2022, Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur



134 Zwe i Au s st el lu n g e n i n W i nt e r t hu r u nd W ie n

CRANACH – Die Anfänge in Wien Schöne Frauen und mächtige Männer, Eremiten und ihre t­ ierischen Begleiter, Heilige und Sünderinnen, geistreiche Gelehrte und mythische Gestalten, wundervolle Farben, ­zarte Haut und schimmerndes Geschmeide, eine exquisite altmeisterliche Feinmalerei, brillante Farben und gewagte ­Figurationen. Die viel bewunderte Malerei von Lucas Cranach d. Ä. (1472−1553) ist in einem weiten künstlerischen wie his­ torischen Kontext zu verorten. Ein großer Bogen spannt sich von den Meistern der Spätgotik und frühen Renaissance nörd­ lich der Alpen bis zu den großen Künstlern seiner eigenen Epoche, die wie er sowohl mit sakralen als auch mit profanen Bildern brillierten. Es war eine Zeit des Wandels. Die alten Weltbilder ­waren brüchig geworden seit im 16. Jahrhundert technische Neuerungen wie das Plattendruckverfahren, geografische und wissenschaftliche Neuentdeckungen, Kolumbus’ Ent­ deckung der Neuen Welt, Kopernikus’ Erkenntnis, dass die Erde sich um die Sonne dreht, und die von Luther angestoße­ ne Reformation das bisherige Denken auf den Kopf stellten. Humanismus und Reformation ebenso wie der zunehmende Kulturtransfer ließen bald neue Themen in den Bildkanon ­gelangen. Im Zuge der frühen Globalisierung der Handels­ beziehungen und -routen (und mithilfe der Druckerpresse) reisten inzwischen nicht nur Waren, sondern eben auch Ideen und Bilder um den Globus. Zudem hatten sich mit Beginn des 16. Jahrhunderts die politischen und gesellschaftlichen Machtverhältnisse verschoben. Geltung und Einf luss von Kaiser und Kirche schwanden allmählich. Das sich etablieren­ de Bürgertum wurde selbstbewusster und mischte nun auch in der Kultur mit, wurde Förderer und Auftraggeber, Sammler und Liebhaber. Lucas Cranach d. Ä., „Bildnis des Dr. Johannes Cuspinian“, um 1502, Öl auf Fichtenholz, 60 x 45 cm, © Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» / P. Schälchli, Zürich


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Öl auf Fichtenholz, 60 x 45 cm, © Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» / P. Schälchli, Zürich FRÜH JAHR 2022 — CR ANACH

K ATJA BEH RENS

Lucas Cranach d. Ä., „Bildnis der Anna Cuspinian-Putsch“, um 1502,

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Über Cranachs frühe Jahre ist vergleichsweise wenig ­bekannt, vermutlich erhielt er seine Ausbildung beim Vater und nahm den Namen seiner Geburtsstadt Kronach an, ­b evor er auf Wanderschaft ging und es ihn nach Wien ver­ schlug. Hier wurde er anscheinend mit offenen Armen empfangen. Seine – im Vergleich mit den Zeitgenossen − deutlich expressivere und emotionalere Malerei sowie die an Dürer angelehnte neue Formensprache überzeugten offenbar besonders im humanistischen Milieu, ein Erfolg, der ihm zahllose Porträtaufträge einbrachte. Die in Winterthur von der Sammlung Oskar Reinhart „Am Römerholz“ in Zusammenarbeit mit dem Kunsthistori­ schen Museum Wien konzipierte Ausstellung „Cranach – Die Anfänge in Wien“ (12. März bis 12. Juni 2022) beleuchtet nun erstmals in einer eigenen Präsentation die künstlerischen ­A nfänge Lucas Cranachs d. Ä. Die Schau in Winterthur, ausgehend von dem eigenen Sammlungsschwerpunkt, widmet sich dabei in erster Linie den Porträts, die Wiener Ausstellung (21. Juni bis 16. Oktober) konzentriert sich mehr auf das religiöse Bild. In einem ­g emeinsamen Katalog (dt., engl., frz.) werden die beiden Stränge im frühen Werk des Künstlers dann kenntnisreich zusammengeführt. Das in Winterthur zu sehende Ehediptychon des ­Johannes Cuspinian und seiner Frau Anna, entstanden um 1502, kann stellvertretend für Cranachs frühe Schaffens­ phase gelten. Zu ihm gesellen sich in der Ausstellung ähnliche W ­ erke anderer Frührenaissancemaler: Der Porträt­ typus des Ehepaarbildnisses war damals eine beliebte Bildform. ­A nhand von Animationen kann virtuell erforscht werden, wie die Diptychontafeln früher vermutlich präsen­ tiert wurden. Auch der Umgang Cranachs mit Figur und Landschaft in jenen Jahren ist durchaus bemerkenswert, was besonders schön an seinen frühen religiösen Werken wie dem „Büßenden Hl. Hieronymus“ (Wien) zu beobachten ist. Von den zehn bekannten Gemälden der Wiener Zeit wird auch dank großzügiger internationaler Leihgaben die Mehrheit im Rahmen des gemeinsamen Ausstellungs­ projekts zu sehen sein. Daneben einige herausragende Beispiele seiner seltenen Zeichnungen dieser Zeit und – ­vollständig – alle ­d amals entstehenden Entwürfe Cranachs für Druckgrafiken. Aber auch Beispiele der Buchdruckkunst wie das „Missale ­S alisburgense“ der Oberösterreichischen Nationalbibliothek. Das Bild der Stadt Wien als eines der Kunstzentren der frühen Renaissance, als ein humanistischer Hotspot jener Tage, wird – neben den hochkarätigen Gemälden − noch ­einmal in den interaktiven Formaten erlebbar, die den Rund­ gang ergänzen.


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C r a n ac h i n W it t e nb e r g , We i m a r u nd au f de r Wa r t b u r g

Bilderfluten. Eine Entdeckungsreise Lucas Cranach d. Ä. blieb in Wien, bis er 1505 vom sächsi­ schen Kurfürsten Friedrich III. (dem Weisen) als Hofmaler nach ­W ittenberg berufen wurde, wo er sein Amt fast 50 Jah­ re lang ausführen sollte. Seine Aufgaben waren vielfältig und ­w uchsen mit zunehmender Zufriedenheit seiner Brötchen­g eber: Er war nicht nur Hofmaler und Leiter der Druckwerkstatt, s­ ondern ebenso zuständig für Entwürfe und Ausführung von Dekorationsarbeiten, für die Aus­ schmückung von Hoch­z eiten, Turnieren und anderen Hoffesten oder die Beaufsichtigung von Handwerkern.

Neben wunderbaren allegorischen Gemälden und zahl­ reichen Altarwerken waren es dann aber vor allem Porträts seiner Dienstherren und deren Entourage ebenso wie ­mythologisch verbrämte Aktdarstellungen, die ihn bekannt machten. Und auch die gut betuchten Bürger nebst ihren ­Gattinnen tauchten nun in großer Zahl in den Bildern auf. Kurzum: Cranachs Werkstatt blühte und die Bildproduktion zog immer weiter an. Das Bild wurde bald als Massenmedium und Werbemittel erkannt und eingesetzt; der Fortgang der Geschichte des Buch- und Bilderdrucks ist bekannt. Die


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linke Seite: Lucas Cranach d. Ä. (Werkstatt), „Gesetz und Gnade“, um 1535–1540, ölhaltige Farbe auf Rotbuchenholztafel © Klassik Stiftung Weimar

Lutherbibel, 1534, © Klassik Stiftung Weimar

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historischen Wirkungsstätten der Malerfamilie in Witten­ berg sind in der Ausstellung „Cranachs Welt“ und zahlreichen weiteren Sonderveranstaltungen zu erleben. Und auch in Weimar sind noch heute „alle authentischen Cranachorte – das Cranachhaus, der Cranach­a ltar und das Schloss – zu besichtigen“. Überhaupt gewähren die zahllosen Ausstel­ lungen und Projekte der Initiative „Wege zu Cranach“ im Jubiläumsjahr 2022 einen umfassenden Einblick in jene sich damals entfaltende Kunstpraxis und beleuchten die weiteren Kontexte, in denen Cranach, Luther und ihre Zeitgenossen aktiv waren.

In vielen mitteldeutschen Kirchen befinden sich nach wie vor Cranach-Werke an ihren originalen Schauplätzen. ­A bsolut ­s ehenswert in Neustadt an der Orla ist der mo­ numentale vorreformatorische Flügelaltar in der Stadtkirche St. Johannis. Dieses Meisterwerk (1512) ist der erste pro­ minente Altar­auftrag, den der Maler von der Bürgerschaft einer Stadt erhalten hatte. Und auch der Reformationsaltar in Schneeberg (1532–1539, in der wiedererrichteten Kirche St. Wolfgang), e­ ines der umfangreichsten Werke der Maler­ familie Cranach, ist nahezu gänzlich erhalten, was einen guten Einblick in Konzeption und Bildprogramme der ­Reformationsaltäre bietet. Die Sonderausstellung „Luther übersetzt. Von der Macht der Worte“ auf der Wartburg in Eisenach (4. Mai bis 6. November 2022), an dem Ort also, wo Luther vor 500 Jah­ ren das Neue Testament ins Deutsche übertragen hat und wo „neben mehreren Lutherbildnissen (…) weitere Arbeiten von Vater und Sohn Cranach bewahrt“ werden, befasst sich expli­ zit mit der Macht der Worte und denkt dabei Ver­g angenheit und Gegenwart zusammen: „Wie hängt der Buchdruck mit ­modernen und digitalen Kommunikationswegen zusam­ men? Wie hat sich Sprache im Lauf der Zeit verändert? Welche Macht haben Worte in Vergangenheit und Gegen­ wart? Und was hat eigentlich ein Wassereimer mit der Heiligen Schrift zu tun?“


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Lucas Cranach d. Ä., „Bildnis der Margarete Luther“, Wittenberg, um 1527, Öl auf Rotbuchenholz, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0069, Foto: Wartburg-Stiftung

Die Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar widmen sich in ihrer Präsentation ab Juni der medialen Wirkmacht von „Cranachs Bilderfluten“ (ab 4. Juni 2022). Im Renaissancesaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wird der Frage nach­ gegangen, wie mit Bildern Meinungen gemacht werden. Ein auch und gerade in unserer Gegenwart aktuelles Thema: Wie werden Bilder „benutzt, um jemanden im besseren Licht dar­ zustellen oder seine Gegner zu verspotten“. Und wie gelang es Lucas Cranach und seiner Werkstatt, „innerhalb so kurzer Zeit so viele Bilder in die Welt zu bringen und zu verbreiten?“ ARTMAPP: Frau Löw, Sie sind Sprecherin der ­Städtekooperation „Wege zu Cranach“. Was hat es mit diesem Verbund auf sich? Was ist das Ziel und was ist das Besondere? Kerstin Löw: Die Städtekooperation „Wege zu Cranach“, die im vergangenen Jahr ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert hat, ist ein Zusammenschluss von 14 Orten in Bayern und Mittel­ deutschland, die unmittelbar mit Leben und Werk der Malerfamilie Cranach verbunden sind. [...] Zum 550. Geburts­ tag Lucas Cranach d. Ä. jährt sich 2022 ja auch die Übersetzung des Neuen Testaments aus dem Griechischen, die Martin Luther auf der Wartburg angefertigt hat, zum 500. Mal. Zu dieser hat Lucas Cranach in Auseinandersetzung mit Dürers berühmter „Apokalypse“ eine Reihe von eindrücklichen ­I llustrationen beigetragen. Beide Jubiläen bieten einen ­w undervollen Anlass zu einer Reihe von spannenden Aus­ stellungen und Veranstaltungen in den Cranach-Orten. Das Besondere der Kooperation ist dabei sicherlich der diszi­ plinenübergreifende, sich gegenseitig befruchtende Ansatz.

Lucas Cranach d. Ä., „Bildnis des Hans Luther“, Wittenberg, um 1527, Öl auf Rotbuchenholz, Wartburg-Stiftung, Kunstsammlung, Inv.-Nr. M0070, Foto: Wartburg-Stiftung


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Rokokosaal der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, Foto: Alexander Burzik, © Klassik Stiftung Weimar

EAW: Ja, absolut. [...] Wir wissen zum Beispiel immer noch zu wenig über seine Jugend, seine Ausbildung und sein Frühwerk und sind dabei nach wie vor weitestgehend auf Mutmaßungen angewiesen. Dann tauchen neue Werke auf, neue Untersuchungsmethoden bieten neue Einblicke oder, wie zuletzt in Lübeck, das Œuvre von Hans Kemmer, einem seiner zahlreichen Mitarbeiter und Schüler, wird wissen­ schaftlich erschlossen, wodurch sich auch unser Wissen über Cranach dann wiederum erweitert. K ATJA BEH RENS

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FRÜH JAHR 2022 — CR ANACH

Elke Anna Werner: Lucas Cranach d. Ä. war in seiner Zeit ­u nglaublich innovativ [...]: nicht nur künstlerisch, sondern auch im Hinblick auf die Werkstattorganisation, ökonomi­ sche Fragen und nicht zuletzt was sein Selbstverständnis als Künstler betrifft. Jede Epoche entdeckt neue interessante ­F acetten an ihm, heute bietet vielleicht das Konzept des Start-up-Unternehmers die beste Vorstellung vom Agieren dieses so erfolgreichen Künstlers.

ARTMAPP: Gibt es bei diesem alten Meister ­überhaupt noch Neues zu entdecken?

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ARTMAPP: Frau Werner, Sie sind Kennerin, ­Forscherin und Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der „Wege zu Cranach“. Was macht den Renaissancekünstler Lucas Cranach d. Ä. bis heute so interessant?


Es wird höchste Zeit für Phantasie! DIE BLAUE NACHT 2022 in Nürnberg

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FRÜH JAHR 2022

Alexander Mrohs, „Fantasmagorie 22“, Blaue-Nacht-Kunstwettbewerb 2022

Was als einmaliges Spektakel zum Stadtjubiläum angelegt war, hat sich zum immer wieder überraschenden Blick in Nürnbergs Kunst-Landschaft entwickelt: DIE BL AUE NACHT. Seit 2000 lockt die Lange Nacht der Kunst und ­Kultur jährlich bis zu 140.000 Besucherinnen und Besucher in die Altstadt. Nach einer pandemiebedingten Pause kehrt die Veranstaltung nun am 6. und 7. Mai auf den Kultur­ kalender zurück. 2022 steht die „Phantasie“ im Fokus der Programm­ auswahl – dem wesent lichen „ Handwerkszeug“ des Kulturbetriebs. Über 70 Kunst- und Kultureinrichtungen ­l aden zu einem Streifzug durch die in Blau gehüllte Alt­ stadt ein. Das jährlich wechselnde Motto, ein jurierter internationaler Kunstwett­b ewerb, ein Artist-in-Resi­ dence-Programm mit der hiesigen Kunsthochschule und neue Kooperationen – wie mit dem jüngst eröffneten Deutschen Museum Nürnberg – ermög­l ichen immer wie­ der aufs Neue einen Perspektivwechsel.

Als Publikumsmagneten haben sich die Kaiserburg und der Hauptmarkt etabliert. Die Burg inszeniert die Fürther ­M i xe d- M e d i a- K ü n st le r i n S a s c h a B a nc k m it e i ne r ­B ilder­g eschichte inspiriert von Klarträumen, Imagina­ tionstechniken und künstlicher Intelligenz, oszillierend zwischen abstrakter Malerei und feiner Zeichnung. Die Rathausfassade bespielen die Festival-of-Lights-erprobten Digitalmagier RE:SORB aus Berlin mit einer phantastisch-­ psychedelischen Mapping-Installation. Überraschende Künstlerpositionen gibt es beim Kunstwettbewerb: In Parkgaragen, Gärten und Off-Locations werden 13 orts­ spezif ische Ku nst projek te von L icht-, Sou nd- u nd Medienkunst über Malerei bis zu Performance und Instal­ lation gezeigt. blaue nacht . nue r nbe rg. de @ p ro j e k t b u e ro k u l t u r_ n b g


Nini und Carry Hess 11. März – 22. Mai 2022

Nini & Carry Hess: Schabtai Prudkin, 1927, Privatbesitz

Die Fotografinnen

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14.02.22 09:51

CLAUDIA JENNEWEIN

andreas scholz & friends 04.03. – 24.04.2022

Andreas Scholz, „Quellgebiet“, Öl auf Leinwand, 140 x 200 cm zeitgleich zur Ausstellung zeigen wir Arbeiten aus der Brouwer Edition von Sabine Becker, Stefan Bircheneder, Marita Damkröger und Magda Krawcewicz

Kunstkontor Nürnberg Füll 12, D-90403 Nürnberg +49 (0)179 811 4825 www.kunstkontor-nuernberg.de


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„T he M e s s ye t t o C ome“: B öh le r & O r e ndt m it F el i x Bu r g e r i m K u n st- u nd G e we r b e ve r e i n R e g e n sb u r g

„Die Apokalypse ernährt ihren Mann“ VON PETER L ANG


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Felix Burger x Matthias Böhler + Christian Orendt (v.l.): Die drei Fotos sind Installationsansichten der Arbeit Felix Burger x Matthias Böhler + Christian Orendt, „A Mess Carol“,

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Zum Profil des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg ­gehört auch der Blick über den Tellerrand. Das lokale Kunst­ geschehen abzubilden, zu hegen und pflegen, ist nur ein Teil seiner Aufgabe, einer wichtigen, gewiss! Aber ebenso ist es den Mitgliedern des Vereins mit Gründungsdatum 1847 ein Desiderat, immer wieder auch internationale Tendenzen des Kunstbetriebs zu präsentieren, neue Positionen, Künstler und Werke, die bereits überregional für Furore und vielleicht auch Verstörung gesorgt haben. Ab Ende April bespielt das Kunst-Kollektiv Böhler & Orendt im Verbund mit Felix ­Burger die Räume des Kunst- und Gewerbevereins mitten in der Welterbestadt Regensburg mit großdimensionierten ­Installationen und Perfomativem.

Mit „The Mess yet to Come“ intensivieren Felix B ­ urger und Böhler & Orendt ihre Zusammenarbeit. Nach mehreren ­kollaborativen Einzelprojekten inszenieren sie in den Räu­ men des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg gemeinsam eine raumgreifende, aus mehreren abgewandelten oder neu geschaffenen installativen Arbeiten zusammen­g estellte Meta­installation. In dieser manifestieren sich die Auswirkun­ gen menschlichen Macht- und Leistungsstrebens in einem komisch-dystopischen futuristischen Pandämonium von geisterhaften Bildern und Szenerien. Nacheinander begegnen sie uns als ephemere Erscheinungen in einer aufwendigen Video­installation, deren Titel auf Charles Dickens’ bekannte Geistergeschichte zum Weihnachtsfest Bezug nimmt. Der ­didaktisch-moralistische Ton dieser Erzählung wird von den Künstlern humorvoll überspitzt und ironisch gebrochen: Die Freiheit des Menschen besteht im Grunde nur darin, in seinen Bemühungen, das Richtige zu tun, stets aufs Neue zu Schei­ tern ganz gleich, wie gut seine Kenntnisse oder Absichten auch sein mögen. In den multimedialen Installationen „Don’t be ­M aybe“ und „Old Habits Die Hard“ (beide 2020) von Felix Burger ist jeweils eine Vielzahl humanoider Puppen in sil­ bernen ­O veralls technoiden Apparaturen ausgesetzt, die sie ­merkwürdigen, regelmäßig-ritualhaft anmutenden Manipu­ lationen von unklarem Nutzen oder Schaden unterziehen. Um ein Ritual kreist auch die performative Installation „Salbung“ (2013/2021) von Böhler & Orendt, in der ver­ mummte Anzugträger unentwegt ein Götzenbild salben, dessen Form an eine exponentielle Wachstumskurve erin­ nert, die als Ideal eines kapitalistischen Weltverhältnisses auf diese Weise die ihr gebührende Huldigung erfährt. Der Titel der Ausstellung nimmt Bezug auf die ­v ierte Arbeit der Ausstellung „A Mess Carol, as Told by a C a ndid Mir ror“ (2 013 /2 02 0), eine Kooperat ion von ­Burger, Böhler & Orendt. Der genannte „aufrichtige Spiegel“ bildet im räum­ lichen wie konzeptionellen Sinn das Zentrum des gesamten Ausstellungssettings. Drei nebulöse Geisterwesen, die ab­ wechselnd mittels Videoloop in dem Spiegel in Erscheinung treten, halten dem Ausstellungsbesucher in rhythmischen ­L itaneien den fatalen Einfluss der ehemals, gegenwärtig und zukünftig lebenden Menschen auf den Zustand der Welt vor. Dabei s­ teigert sich das Schlamassel chronologisch immer ­weiter, um als „The Mess yet to Come“ (das noch bevorste­ hende Chaos) in der Litanei des dritten Geists völlig absurde Ausmaße anzunehmen.

FRÜH JAHR 2022 — AUSSTELLUNG

2013 / 2020, Digitale Videoloop-Projektion auf Nebel-Screen.


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Zeichnungen und Objekte, Diverse Materialien

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Böhler & Orendt, „Against all the Cares of the World“, 2019,

FRÜH JAHR 2022 — AUSSTELLUNG

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Die umfangreiche Ausstellung mit dem Titel „The mess yet to come“ gibt einen repräsentativen Einblick in die Kunstwelt von Böhler & Orendt und Felix Burger. Sie ist ab 30. April zu sehen. Peter Lang führte ein Interview mit Christian Orendt stellvertretend für Felix Burger und Böhler & Orendt. ARTMAPP: Zwei Personen – ein Künstler? Oder doch gar drei? Wie darf man sich Ihre „Arbeits­teilung“ vorstellen? Christian Orendt: Matthias Böhler und ich arbeiten seit 2008 fest als Künstlerduo zusammen. Mit Felix Burger haben wir erstmals 2013 bei der Videoinstallation „A Mess Carol“, die in der Kunsthalle Baden-Baden gezeigt wurde, sozusagen als temporäres Künstlertrio kollaboriert. Seitdem gab es immer wieder vereinzelte Kooperationen, bei denen wir mehr oder weniger eng zusammenarbeiteten. Im Kunst- und Gewerbe­ verein Regensburg zeigen wir eine modifizierte Version von „A Mess Carol“ sowie einige weitere raumgreifende instal­ lative Arbeiten, die hier alle entweder von Felix alleine oder von Böhler & Orendt stammen. Es wird also zugleich eine Ausstellung mit Arbeiten von einem Solokünstler, einem Künstlerduo und einem Trio. ARTMAPP: Entsteht das Konzept zu einer Kunstarbeit im Konsens miteinander? Und wie gestaltet sich die Ausführung arbeitsteilig? CO: Wir haben das Konzept für die Ausstellung in Re­ gensbu rg zu dr it t sow ie in enger t hemat ischer u nd ­a tmosphärischer Anlehnung an unsere gerade genannte gemeinsame Installation entwickelt. Wir waren uns einig, dass das Grundthema auch dieser Ausstellung sein soll, was dabei herauskommt, wenn Menschen denken, sie könnten auf schlaue und vernünftige Weise auf die Geschicke der Welt Einfluss nehmen und dabei scheitern. ARTMAPP: Ihre Kunst beinhaltet Installation, Performance, Bühnenbild, Modellbau, Videokunst, ja sogar Land Art − im Prinzip alle bildnerischen Mittel. Wann ist welche Gattung das Mittel der Wahl? CO: Sowohl bei Felix als auch bei uns (Matthias und mir) be­ stimmt der Inhalt oder die Geschichte, die man erzählen möchte, die Wahl der Mittel. Gemeinsam ist uns vielleicht ­a llen ein Ausgangspunkt beim DIY mit einem verstärkten Zug hin zum Digitalen; sowohl die Installationen als auch ­deren Vorbereitung beinhalten mehr und mehr digitale Tech­ nik. Grundsätzlich ist es uns aber allen dreien zu langweilig, zum Beispiel mit 25 Jahren zu beschließen, Lehm ist unser Medium und das dann die restlichen bestenfalls 50 Lebens­ jahre so durchzuziehen.

ARTMAPP: „The Mess yet to Come“ – man übersetzt den Titel Ihrer Arbeit für den ­ Kunst- und Gewerbeverein Regensburg mit „Das Schlimmste steht uns noch bevor“, richtig? Wie apokalyptisch wird es? CO: Schon ein bisschen. Von Wilhelm Genazino gibt es in ­e inem seiner Bücher den schönen Satz „Die Apokalypse ­ernährt ihren Mann“, will heißen diejenige oder denjenigen, die/der sich mit forschend oder in unserem Fall künstlerisch mit ihr befasst. Das gilt wohl zugegebenermaßen auch für uns drei. Sowohl Felix’ als auch unseren Arbeiten ist ein eher ­d üsterer Grundton eigen, was angesichts der globalen ­Nachrichtenlage der letzten Jahre, die größtenteils von durch­ geknallten rechtspopulistischen Halb- oder Volldiktatoren, einer weltweiten Pandemie und einer umfassenden ökolo­ gischen Bankrott­erklärung bestimmt ist, auch nicht gerade abwegig erscheint. ARTMAPP: Kann Kunst eine positive ­Weichenstellung auf politische und ökologische Entscheidungen bewirken? CO: Unserer Ansicht nach schon, weil man mit künstleri­ schen Mitteln gewillten Betrachterinnen und Betrachtern Vorschläge machen kann, wie sich die Welt sehen lässt. Wenn diese vorgeschlagene Weltsicht darauf hinausläuft, dass zwi­ schen den Menschen sowie zwischen Menschen und ihrer Mitwelt derzeit schon einiges im Argen liegt, steht es jeder und jedem frei, für sich daraus den Schluss zu ziehen, nach Möglichkeit dazu beizutragen, den Planeten oder wenigstens den Bereich, den sie/er beeinflussen kann, zu einem etwas weniger abgefuckten Ort zu machen. ARTMAPP: Kein Auge ist unschuldig! In welcher Gemütshaltung nähert man sich am besten Ihrer Schau? Generell einer Kunstausstellung? CO: Mit ehrfürchtigem Staunen natürlich! Und wenn das zu anstrengend ist, vielleicht doch lieber mit einer vorsichtigen Offenheit, das heißt der Bereitschaft, den vorgefundenen künstlerischen Weltbetrachtungsvorschlägen je nach eige­ nem Ermessen, mit freudiger Zustimmung oder bei Bedarf auch gelangweiltem Abwinken zu begegnen.


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Felix Burger, „Don’t Be Maybe“, 2020, Video 4K, 8’ 35”

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30. Apr il bis 2 4 . Juli 202 2 „ T h e m e s s y e t t o c o m e“ Feli x Burge r und B öhle r & Ore ndt w w w . k u n s t- u n d - g e w e r b e v e r e i n . d e

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Alle Arbeiten © und Courtesy: Felix Burger und Böhler & Orendt

FRÜH JAHR 2022 — AUSSTELLUNG

FELIX BURGER (* 1982 in München) studierte Freie Kunst in München, Wien und Köln. Er war Stipendiat der Studien­ stiftung des Deutschen Volkes, des International Studio & Curatorial Program in New York und an der Rijksakademie van beeldende kunsten in Amsterdam. 2014 erhielt er den Bayerischen Kunstförderpreis, 2015 das Arbeitsstipendium der Kunstfonds Bonn, 2021 das Initial Stipendium der Aka­ demie der Schönen Künste in Berlin. Seine Filme und raumgreifenden Installationen wur­ den in zahlreichen Museen und Institutionen ausgestellt, wie dem Eye Filmmuseum in Amsterdam, dem Centre Pompidou in Paris oder der Bundeskunsthalle in Bonn.

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Seit 2008 arbeiten M AT T HIAS BÖHL ER (* 1981 in ­A achen) und CHRIS­T IAN ORENDT (* 1980 in Sighişoara, Rumänien) zusammen als Böhler & Orendt. Sie studierten ­beide an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg, an der Akademie der Bildenden Künste Wien (Matthias) und an der HGB Leipzig (Christian). Seit 2019 leben und arbeiten sie in Berlin. Sie haben als Solo- wie Duokünstler zahlreiche ­P reise und Stipendien erhalten, etwa den Bayerischen ­Kunstförderpreis oder das Arbeitsstipendium der Stiftung Kunstfonds. Ihre Arbeiten wurden in Institutionen wie den Kunst-­Werken Berlin, dem Irish Museum of Modern Art, dem Halsey I­ nstitute of Contemporary Art, Charleston, South ­Carolina, oder der Bundeskunsthalle Bonn gezeigt. Arbeiten von Böhler & Orendt finden sich in unterschiedlichen ­öffentlichen Sammlungen, unter anderem in d ­ enen des ­Neuen Museums in Nürnberg, der Kunsthalle ­G öppingen und der Kunsthalle Schweinfurt. Per­manente Installationen im öffentlichen Raum von Böhler & Orendt sind im Park des Wildbads ­R othenburg und im Innenhof des Bayerischen Landesamts für Statistik in Fürth zu sehen.


Franz Fischnaller, THE GREAT CIRCLE, 2022, immersive Multimedia-Installation, Installationsansicht KUNSTKRAFTWERK Leipzig © KUNSTKRAFTWERK, 2022, Foto: Luca Migliore

TÜBKE MONUMENTAL Digitale Innovation trifft auf kulturelles Erbe 11. März – 31. Dezember 202 2

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FRÜH JAHR 2022

K U NS T K R A F T W ER K Leipzig

Mit T ÜBK E MONUMEN TA L präsentiert das KUNST­ KRAFTWERK in Leipzig ein vielgestaltiges und innovatives Projekt: TÜBKE MONUMENTAL ist eine Hommage an den Maler Werner Tübke (1929 – 2004), Mitbegründer der ­L eip­ziger Schule und Schöpfer des größten Gemäldes Mittel­ europas. Sein Bauernkriegspanorama „Frühbürgerliche Revolution in Deutschland“ misst 14 x 123 m und ist bis heute, fernab der i­ nternationalen Kunstmetropolen, im Panorama Museum in Bad Frankenhausen beheimatet. In Leipzig trifft digitale I­ nnovation auf ein Schlüsselwerk der deutschen Kunst­geschichte. Das Projekt ermöglicht mit THE GREAT CIRCLE und TÜBKE TOUCH einen völlig neuen Zugang zu dem g­ igant ischen und komplexen Gemälde. Neuste ­Technologien schaffen neue Vermittlungsansätze und ­E rfahrungen, welche Tübkes Meisterwerk wieder in der ­öffentlichen Wahrnehmung verankern und für kommende Generationen bewahren. T HE GR E AT CIRCL E ist eine immersive Multi­ med ia-I nst a l lat ion des Med ia A r t Kü nst ler s F r a n z Fischnaller. Über die Wände der großen Maschinenhalle des KUNSTKRAFTWERK gleiten ausgewählte Szenen aus Tübkes Bauernkriegspanorama. Untermalt von effektvoller Musik des amerikanischen Komponisten Steve Bryson

werden die Figuren lebendig und die Besucher*innen selbst Teil der 360° Inszenierung. Anders als andere immersive ­P räsentationen in Erinnerung an namhafte Künstler*innen, ist THE GREAT CIRCLE selbst eine künstlerische Arbeit und Auseinandersetzung mit Tübkes einzigartigem Werk. TÜBKE TOUCH ist eine Cloud basierte App, die ein gezieltes Hineinzoomen in das Bauernkriegspanorama ­e rlaubt und das Ergebnis eines aufwendigen Digitalisie­ rungsprozesses. Im Auftrag des KUNSTKR AF T W ERK w urde das 1 .700 Quadrat meter g roße Panoramabild ­hochauf lösend a­ ufgenommen. 3.000 einzelne GigaPixel-­ Auf na hmen des histor ischen Werkes sind jet zt die Grundlage für neue ­D imensionen der Betrachtung und ­E rforschung des Gemäldes bis ins kleinste Detail. Ein Tool für die Bildung und Vermittlung, aber auch für intensive wissenschaftliche ­U ntersuchungen ist bereit, auch von ­e inem breiten P ­ ublikum entdeckt zu werden. Denn der ­Besuch im KUNSTKRAFTWERK ist ganz dem ERLEBEN und ENTDECKEN gewidmet. Bis 31. Dezember 2022 ist dies in Leipzig möglich. Danach geht das Projekt auf Tour. Das Projekt TÜBKE MONUMENTAL ist eine interna­ tionale Kooperation von kreativen Köpfen aus Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Es wird gefördert von der Ostdeutschen Sparkassenstiftung gemeinsam mit der Spar­ kasse Leipzig und einer Leipziger Bürgerinitiative. w w w . k u n s t k ra f t w e r k - l e i p z i g . c o m


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11.02.22 13:46

Wir zeigen zwölf große Einzelausstellungen folgender Künstlerinnen und Künstler:

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art Karlsruhe / 07.–10.07.2022 Halle 2 / Contemporary Art 21 Stand M22 / P07 Brouwer Edition one artist shows

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25 09 2022–31 01 2023 Pforzheim Galerie / Kunstmuseum der Stadt Pforzheim Bleichstraße 81 / 75173 Pforzheim / Fon 07231.393930 Mi und Sa 14–17 Uhr, So 10–17 Uhr / www.pforzheim.de/pforzheim-galerie

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Erkundet das Fremde! P F O R Z H E I M FE I E RT D E N 50 0. TO D ES TAG VO N J O H A N N ES R E U C H L I N (14 55–1522)

Johannes Reuchlin ist eine der herausragenden Gestalten der Pforzheimer Geschichte. Sein Einsatz für Toleranz, Respekt und Menschenrechte haben den großen Humanisten bis heute ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben. Seine Botschaft „Erkundet das Fremde, zerstört es nicht“ ist aktueller denn je.

Der Todestag Reuchlins jährt sich am 30. Juni 2022 zum 500. Mal. Das ist Anlass für die Stadt Pforzheim, ein ­g roßes Reuchlinjahr zu begehen. Das Motto lautet: Reuchlin gehört allen! Kulturschaffende, Vereine, Institutionen sowie Bürgerinnen und Bürger aus Stadt und Region wirken an dem gemeinsamen und vielfältigen Veranstaltungsprogramm mit.

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re uchlinjahr 202 2 . de


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„Zu seiner Zeit ein Wunderzeichen“

Matthias Dämpfle, „Bildwerk für den Humanisten Johannes Reuchlin“, 1994–1995, 2,5 x 2,5 x 2,5 m, Eingangsbereich Reuchlinhaus, Stadtpark Pforzheim, Foto: Chris Gerbing Die Skulptur, angeregt durch Dürers Meisterstich „Hieronymus im Gehäus“, besteht aus vier Blöcken Impala-Granit, die einen begehbaren Würfel ­b ilden. In das Innere des Kubus ist eine stilisierte Bibliothek eingearbeitet, die sich auf die berühmte Büchersammlung ­R euchlins bezieht. Die Außenhaut des dunklen Granits ist beschliffen und graviert mit einer Bildwelt über das Leben, Werk und Wirken des Humanisten ­J ohannes Reuchlin (1455–1522) und die Stadtgeschichte Pforzheim.

Johann Wolfgang von Goethe hob einst mit den Worten „Wer will sich ihm vergleichen, zu seiner Zeit ein Wunderzeichen“ die herausragende Bedeutung Johannes Reuchlins hervor, der sich zum Anwalt der Juden gemacht hatte, für Respekt und Toleranz dem Fremden gegenüber warb. Das Andenken an den in Pforzheim geborenen europäischen Humanisten wird seit über 100 Jahren gepflegt. Seit 1961 gibt es das Reuchlin­ haus, seit 2008 außerdem das Museum Johannes Reuchlin an der Pforzheimer Schlosskirche. Anlässlich seines 500. Todes­ tages wird Reuchlin mit zahlreichen Events gedacht. Mit Christoph Timm, dem „Reuchlinbeauftragten“ der Stadt Pforzheim, sprach Chris Gerbing.


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ARTMAPP: Herr Timm, welche Highlights im „Reuchlinjahr“ würden Sie Besuchern ­P forzheims empfehlen?

C T: Aber sicher! Die stimmungsvolle Schlosskirche St. ­M ichael, wo Reuchlin Chorknabe war, zeugt von der mittel­a lterlichen Blütezeit der Stadt; in ihrem Stiftschor macht die Klanginstallation „Genesis“ seine Botschaft hörbar, neben der Kirche steht sein Denkmal. Im dort angebauten Museum Johannes Reuchlin lässt er sich sicher am direktesten erfahren. Das Projekt „reuchlin-digital.de“ ist ein Angebot, um den Museumsraum als Lernort für die junge Generation attraktiv zu machen. Neugierig bin ich auch auf die Projekte von Schülerinnen und Schülern, die sich mit der Botschaft Reuchlins auseinandersetzen und diese zum Beispiel in Form von Street-Art mit künstlerischen Mitteln an bestimmten Stationen im Stadtraum verorten wollen. Schließlich: Ein be­ kanntes touristisches Ziel ist das Reuchlinhaus, ein Kleinod der Nachkriegsmoderne; im angrenzenden Stadtpark steht zudem das Reuchlindenkmal von Matthias Dämpfle.

ARTMAPP: Johannes Reuchlin ist aktueller denn je. Seine Botschaft „Erkundet das Fremde, zerstört es nicht“, kann auch als Aufruf an alle Kriegstreiber und Säbelrassler weltweit verstanden werden. Umso wichtiger scheint die Verbreitung dieser Botschaft. Was gibt es denn an Möglichkeiten, Johannes Reuchlin in der Region zu erleben, ihn auch außerhalb Pforzheims zu greifen? CT: Seine Herkunft aus Pforzheim war Reuchlin wichtig, dort verbrachte er die ersten 15 Lebensjahre. Sein wichtigstes litera­ risches Werk, den „Augenspiegel“, ließ er 1511 in Tübingen drucken. Stuttgart war etliche Jahre bis zu seinem Tod sein Le­ bensmittelpunkt. Dort lässt sich in der Leonhardskirche sein dreisprachiges Grabmonument besichtigen, während man in der Tübinger Altstadt zwischen Rathaus und Alter Burse auf seinen Spuren wandeln kann. Im Kurpark von Bad Liebenzell, das direkt an der „Kulturbahn“-Strecke von Pforzheim nach Tübingen liegt, suchte er einst Erholung. Das Nagoldtal lässt sich übrigens nicht nur per Bahn auf seinen Spuren erkunden, auch der Enztalradweg und ein „literarischer Radweg“ er­ schließen es in Richtung Hirsau und Hermann-Hesse-Stadt Calw. Mein persönlicher Geheimtipp ist ein Ausflug ins mit­ telalterliche Städtchen Zavelstein und ins benachbarte Bad Teinach, wo in der evangelischen Kirche die einzigartige von Reuchlins Werk inspirierte kabbalistische Lehrtafel der Prin­ zessin Antonia von Württemberg steht. www. re uchlinjahr 202 2 . de

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ARTMAPP: Pforzheim wurde im Zweiten ­Weltkrieg stark zerstört. Kann man dennoch auf Reuchlins Spuren wandeln?

Christoph Timm, Foto: Sonny Timm

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Christoph Timm: Ganz im Geiste Reuchlins kreisen viele der Beiträge und Veranstaltungen um seine Kernbotschaften ­Respekt, Toleranz und Dialog. Konzerte, Mitmachprojekte, Vorträge, Ausstellungen, aber auch Poetry Slams, Theater und Street-Art-Projekte setzen Zeichen gegen Hass und ­Fa­natismus. „Reuchlin gehört allen!“ ist das Motto. Dem Kul­ turamt sind partizipative Formate wichtig, wir laden ­explizit nicht nur zum Erinnern, sondern auch zum Mitfeiern und Mit­g estalten ein. Menschen aus über 1 40 Nationen leben ­i nzwischen in Pforzheim, mehr als 70 Prozent aller schul­ pflichtigen Kinder haben einen Migrationshintergrund. Das interkulturelle Zusammenleben, dessen bereichernde Aspek­ te Reuchlin im Laufe seines Lebens schätzen lernte, spiegelt sich auch in der lokalen Gastronomie wider – so hat die ­Tourist-Information das Format „Multi-Kulti-Genusstour“ initiiert und bietet Führungen mit kulinarischen Kostproben an, bei denen Geschichte, Gaumenfreuden und verschiedene Kulturen aufeinandertreffen. Am 29. Juni beginnt mit einem öffentlichen Abendvortrag der 9. Internationale Reuchlin-­ Kongress, der bis zum 1. Juli andauert. Gesellschaftlicher Höhepunkt des Jahres wird der Festakt zur Verleihung des Reuchlinpreises sein, ein Wissenschaftspreis, mit dem die Stadt Pforzheim seit dem Reuchlinjahr 1955 im mehrjährigen Turnus namhafte Persönlichkeiten der geisteswissenschaft­ lichen Forschung und Lehre würdigt: Am 15. Oktober wird er an die deutsch-iranische Islamwissenschaftlerin und Po­­ litologin Katajun Amipur für ihren Beitrag zur offenen Gesellschaft und zum Dialog der Religionen verliehen.


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Das Museum Johannes Reuchlin Seit 2008 gibt es in Pforzheim das Museum Johannes Reuch­ lin an der Schlosskirche St. Michael. Es trat an die Stelle der einstigen, an den Stiftschor angebauten Kirchenbibliothek, die am 23. Februar 1945 einem schweren Luftangriff zum ­O pfer fiel. Die Initiative zum Wiederauf bau geht auf den ­Verein „Freunde der Schloßkirche“ zurück, der den Archi­ tekten Professor Bernhard Hirche (Hamburg) mit der Entwurfs­planung beauftragte. Hirche schuf ein architek­ tonisches Juwel: Er vereinte die Annäherung an das äußere Bild des kriegszerstörten Vorgängerbaus mit einer modernen Innengestaltung und respektierte zudem die baulichen Be­ standsreste im Sinne einer spurensichernden Denkmalpflege. In diesem „Einraum“ (Hirche) blieb die beschädigte Stifts­ chorwand mit ihren Wunden als mahnende Erinnerung an den Akt der Kriegszerstörung raumhoch sichtbar („Wand des Humanismus“). Den neu geschaffenen Raum füllt eine

t­ ransparente Ausstellungsarchitektur, die als begehbare Stahl-Glas-Skulptur Assoziationen an die einstige Kirchen­ bibliothek weckt, die Namensgeber Reuchlin durch seine Bücherstiftung (1522) bereichert hatte. Die gleichsam „schwe­ benden“ Ausstellungsebenen mit gläsernen Vitrinen, in denen Exponate zu Lebenslauf, Werk und Wirkung des ­Humanisten präsentiert werden, verleihen dem Innenraum sein besonderes Flair. Dem Museumsraum benachbart ist der spätgotische Stiftschor, einst Versammlungsort der Mitglieder des Ge­ lehrtenstifts St. Michael, ab 1556 umgestaltet zur Grablege der markgräf lich-badischen Familie mit künstlerisch ­auf­wendigen Grabdenkmälern im Stil der Spätrenaissance­ zeit. Ein Zyklus kostbarer Farbglasfenster nach Entwürfen des Künstlers Charles Crodel schuf nach dem Zweiten Weltkrieg eine weitere Bedeutungsebene. Die jüngst ein­ gebrachte Klang­i nstallation „Genesis“, ein dialogisches Musikwerk als Hommage an Reuchlin, nutzt die wunder­ volle Raumakustik. Das Museum Johannes Reuchlin versteht sich als Lern­ ort und Stätte des Humanismus. Es ist Mitglied im Netzwerk der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Ge­ denkstätten (alim) in Baden-Württemberg.

Das Museum Johannes Reuchlin wurde 2008 an die Schlosskirche angebaut nach Entwürfen des Architekten Bernhard Hirche (Hamburg). Es ist eine Stätte des Humanismus, der Ort zur weltweiten Erinnerung an den Juristen, Hebraisten und Menschenrechtler Johannes Reuchlin (1455–1522). Die Dauerausstellung informiert zweisprachig (deutsch/englisch). Foto: Gunter Beck


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„Augenspiegel“-Inszenierung, Foto: Museum Johannes Reuchlin, Pforzheim

D E R „ AU G E N S P I E G E L“ :

­ anatismus löste er vor 500 Jahren eine europaweite De­batte F aus und schuf einen Projektionsraum für die Schlüssel­begriffe Toleranz, Respekt, Dialog und Menschenwürde. Werte, die für das friedliche Zusammenleben der Menschheit im 21. Jahr­ hundert mehr denn je unverzichtbar sind. Anhand literarischer und visueller Erinnerungs­ spuren lädt das Museum dazu ein, diesen Humanisten von europä­i scher Bedeutung und sein faszinierendes Lebens­ werk zu entdecken. CHRISTOPH TIMM

Museum Johannes R euchlin an de r Schlossk irche St . Michael M o u n d M i 1 4 − 1 7 U h r, S o 1 2 − 1 7 U h r

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Im Museum dreht sich alles um den „Augenspiegel“. So beti­ telte Johannes Reuchlin (1455−1522) seine Programmschrift, mit der er im Zeichen der Brille eine mutige, kraftvolle, nach­ haltige Gegenerzählung zu den überall kursierenden Verschwörungsmythen und Hassbotschaften schuf, die ­„ Juden“ zu minderwertigen Dienern und erbitterten Feinden der Christenheit herabwürdigten. Er setzte den Hass­ predigern das Prinzip von Respekt und Dialog entgegen, kulturelle Vielfalt schilderte er nicht als Bedrohung, sondern als Bereicherung. Reuchlins „Augenspiegel“ (1511) sollte zum Fanal ­werden: Der promovierte Jurist und Staatsmann geriet in die Pionierrolle eines Anwalts, der uneigennützig und un­ missverständlich für die Rechte einer diskriminierten Menschengruppe eintrat. Mit seiner Absage an Hass und

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V E R B R E N N T N I C H T, WA S I H R N I C H T K E N N T !


Wendeltreppe im Foyer des Reuchlinhauses, Foto: Valentin Wormbs, © Schmuckmuseum Pforzheim

D a s R e uc h l i n h au s P for z he i m

Gebaute Weltoffenheit und Toleranz Im vergangenen Jahr beging das Reuchlinhaus Pforzheim sei­ nen 60. Geburtstag. Benannt nach dem wohl bekanntesten „Sohn“ der Stadt, dem Humanisten Johannes Reuchlin (1455– 1522), ist der Name durchaus Programm. Der Architekt des

Hauses, Manfred Lehmbruck, entwarf im Stil der Bauhaus-­ Moderne ein zeitloses Gebäude, das bei seiner Eröffnung 1961 eines der ersten Kulturzentren der jungen Bundesrepublik war. Heimat- und Schmuckmuseum erhielten nach den


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Armschmuck, Gold, Perlen, Email,

Der Name Gottes in verschiedenen Sprachen und Alphabeten

Lucien Falize, Paris, um 1880,

aus Reuchlins Kommentar zu seiner lateinischen Übersetzung

Schmuckmuseum Pforzheim,

der „­ Quaestiones ad Antiochum ducem“, die fälschlicherweise

Foto: Günther Meyer

Athanasios von Alexandrien zugeschrieben wurde. Aus einem Druck von Thomas Anshelm, Hagenau, 1519,

Besuchern – sowohl über die unterschiedliche Fassaden­ behandlung wie über die großzügige Verglasung. Das Heimatmuseum, das heute die ethnografische Sammlung von Eva und Peter Herion beherbergt, ist mit in der Region an­ stehendem Rotsandstein verkleidet , die historische Schmucksammlung befindet sich in einem mit alternieren­ den Riffelglas- und Aluminiumgussplatten verkleideten Kubus. Gerade die raumhohen Fenster der „Wechselausstel­ lungshalle“, in der bis heute verschiedene Ausstellungen durch den Kunstverein präsentiert werden, sind mit ihrer Öffnung zum Stadtgarten eine Einladung an die Öffentlich­ keit – wohingegen der Blick ins Grüne den Besuchern eine Entspannung des Auges offeriert.

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Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs, die Pforzheim beson­ ders stark getroffen hatten, ebenso eine neue Bleibe wie der Kunstverein, das Stadtarchiv, das Kulturamt und die Stadtbi­ bliothek. Kaum zu glauben, dass auch noch die Zünfte dort über eigene Räumlichkeiten verfügten und zwischenzeitlich eine „Forschungsstelle Johannes Reuchlin“ als Außenstelle der Universität Heidelberg dort eingerichtet wurde – Letztere allerdings erst, nachdem Stadtarchiv und Kulturamt bereits wieder ausgezogen waren. Die verschiedenen Funktionen des Gebäudes lassen sich bis heute an der Fassade der vier Kuben ablesen, die sich windmühlenartig um das allseitig verglaste Foyer gruppieren. Im Sinne einer „sprechenden“ Architektur kommuniziert Manfred Lehmbrucks Bau mit Passanten und

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Stadtarchiv Pforzheim, Sign. T-Reu 37058, Bl. G3a


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Brosche „No-blabla-la #8“, als ein zeitgenössisches Beispiel für Sprache im Schmuck, Kunststoff lackiert, Edelstahl, Silber, Norman Weber, Deutschland, 2017, Schmuckmuseum Pforzheim

Diese weitgehende Transparenz – auch die ehemalige Stadt­ bibliothek ist großzügig zum Stadtpark hin verglast – war nach 1945 allgemein ein architektonisches Anliegen. Nach den Gräueln der Judenvernichtung und den Schrecken des Vernichtungskriegs wollte die Architektenschaft mit ­solchen Bauten zum einen ihren Anschluss an die inter­n ationale ­Moderne dokumentieren, zum anderen aber den Paradigmen­ wechsel von Diktatur zu Demokratie visualisieren. Auch beim Reuchlinhaus handelt es sich um ein Gebäude, das ohne Pathos und große Geste auskommt, s­ ondern sich mit seinen maximal zweigeschossigen Teil­bereichen harmonisch in den Stadt­g arten einfügt. Ohne die gedanklichen „Vorarbeiten“ ­e ines Johannes Reuchlin, der sich insbesondere dafür

einsetzte, dass jüdische Schriften nicht der Vernichtung ­z ugeführt ­w urden, ist der Siegeszug der Demokratie im 20. Jahrhundert nicht denkbar. Mit seiner Offenheit anderen Religionen und Geisteshaltungen ­gegenüber gilt Reuchlin heute als Vorbild für Toleranz und interreligiösen Dialog, die sich im Schmuckmuseum auch in der Dauerausstellung und den Wechselausstellungen ­manifestieren: Schmuck war und ist, so lässt sich in der h ­ istorischen Sammlung an zahlreichen Objekten aus 5.000 Jahren nachvollziehen, immer schon ein Gut, das mit den Handelsrouten reiste und damit die Kunde ferner Länder in sich trug. Ein Schlaglicht auf den aktuellen Umgang mit außer­ europäischem Schmuck wirft die ethnografische ­Sammlung von Eva und Peter Herion. Das Pforzheimer Sammlerehepaar vermachte dem Schmuckmuseum seine Stücke aus Asien und Afrika, die nun in der Neupräsentation mit den anderen Sammlungsbereichen in Dialog gebracht werden. Damit trägt das Schmuckmuseum dem Umstand Rechnung, dass sich in der letzten Zeit der Blick auf außer­e uropäische Artefakte deutlich geändert hat. Wesentlich ist, die Objekte aus ver­ schiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Der kulturelle und historische Kontext ist ebenso von Bedeutung wie der künst­ lerische Anspruch oder die globale Schmuckgeschichte. So werden die Exponate nun anhand grundlegender Kriterien wie Form und Material, Oberflächengestaltung oder Farben präsentiert, eingebunden in das übergeordnete Thema „Phä­ nomen Schmuck“.

Schmuckmuseum Pforzheim, Foto: Winfried Reinhardt


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„bios [bible]“, Roboterinstallation, Robotlab – Matthias Gommel, Martina Haitz, Jan Zappe In der Installation „bios [bible]“ schreibt ein Industrieroboter mit einer Schreibfeder die Bibel Wort für Wort auf Papierrollen nieder. Mit Präzision führt die Maschine die kalligrafischen Linien aus und lässt so wie ein Mönch im klösterlichen Skriptorium nach und nach den Text entstehen. Das Akronym „bios“ steht für „basic input output system“, entspricht aber auch dem griechischen Wort für „Leben“.

CHRIS GERBING

25 . Juni bis 6. November 202 2 Schöngeschr ieben – Schmuck, Zeichen- und Dr uckk unst Au sstellung zum R euchlinjahr der Stadt P forzheim www. schmuck museum. de

FRÜH JAHR 2022 — PFOR ZHEIM

Kommunikation auch mittels Schmuck möglich war und ist, entweder ganz direkt, etwa über eine in den Armreif oder Ring eingelassene Botschaft, oder indirekt über das Design, das Elemente anderer Kulturen aufgreift, eigene integriert und damit das Verbindende über das Fremde stellt.

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Anlässlich des 500. Todestages Johannes Reuchlins stehen mit „ Schöngeschrieben“ alle Ausstellungsräume des Schmuckmuseums Pforzheim im Zeichen von Schmuck, Schrift und Sprache. Schmuck ist, so die Aussage der Kurato­ ren, Mittel zur Kommunikation, transportiert entsprechend Botschaften und Bedeutung. Die Besitzerin bzw. der Besitzer des Schmucks trägt ihn nicht nur, um sich zu schmücken, son­ dern auch, um Status, Stand – möglicherweise aber genauso Toleranz und Respekt anderen Kulturen gegenüber – zum Ausdruck zu bringen. Vor dem Hintergrund der hohen Wert­ schätzung, die Johannes Reuchlin der Sprache als Medium friedlicher Verständigung entgegenbrachte, zeigen die Schmuckstücke, die in Kom­bination mit Handschriften und Drucken, Kalligrafie und Videoinstallationen sowie einem ­b ibelschreibenden Roboter präsentiert werden, dass


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Short cuts: Pforzheim 3 6 0°- PA N O R A M A G R E AT B A R R I E R R E E F

Mit dem weltweit größten 360°-Panorama „GREAT BAR­ RIER REEF – Wunderwelt Korallenriff “ ist ein absolutes Highlight im Gasometer Pforzheim zu sehen. Als zweites Werk des Berliner Künstlers Yadegar Asisi in Süddeutschland wird es noch bis Ende 2022 im umgebauten ehemaligen ­G asspeicher im Pforzheimer Enzauenpark zu sehen sein. ­Zusammen mit dem Asisi-Panorama „ROM 312“, das bis 2018 zu sehen war, wurden bereits über 1 Million Besucher gezählt. Das 35 Meter hohe und 110 Meter umfassende Pano­ rama macht die unvergleichliche Schönheit und die enorme Artenvielfalt des Korallenriffs nordöstlich von Australien ­erlebbar. Dabei werden – künstlerisch verdichtet – die unter­ schiedlichsten Formen des über 2.000 Kilometer langen Ökosystems unter Wasser in einem Riesenrundgemälde ge­ zeigt. Die Motivation lag bei Asisi in der Faszination für die unter der Wasseroberfläche existierende Vielfalt und fragile Komplexität eines auf den ersten Blick nicht wahrnehmbaren Lebensraums. Vom 15 Meter hohen Besucherturm (bis 12 Me­ ter barrierefrei) in der Mitte des Gasometers aus hat man eine optimale, atemberaubende Sicht auf das Panorama. In Kooperation mit dem Baden-Badener „Museum Frieder Burda“ wird derzeit auch ein zusätzliches, gehäkeltes Riff aus der aktuellen Ausstellung des Museums „WERT UND WANDEL DER KORALLEN. Margaret und Christine Wertheim“ gezeigt. Ein Kunst- und Communityprojekt, zu dem mehr als 4.000 Häklerinnen und Häkler aus ganz Europa ihre wollenen Korallen eingesandt haben. Der Gasometer Pforzheim ist in der Regel täglich von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Von der Autobahn 8 und über die B 10 in wenigen Minuten erreichbar. Kostenlose Parkplätze. w w w . g a s o m e t e r- p f o r z h e i m . d e

Foto: © Galerie für Schmuck · Kunst · Design

GA L E R I E F Ü R SCH M UCK · K U NS T · DE SIGN

Die Galerie für Schmuck · Kunst · Design in den Schmuck­ welten im Herzen der Goldstadt Pforzheim ist eine der weltweit größten Galerien für handgearbeiteten Schmuck. In diesem Jahr feiert sie bereits ihr 15-jähriges Jubiläum mit ­interessanten Ausstellungen. Unsere Schmuckschaffenden stammen größ­t en­ teils aus der Reg ion, dar unter sind St udierende und Absol­ventinnen der Hochschule Pforzheim, der hiesigen Goldschmiedeschule und M it glieder der Gold- und ­Silberschmiedeinnung. Darüber hinaus zeigen wir ausge­ wählten Schmuck aus dem In- und Ausland. Ausgesuchte Gebrauchsgegenstände mit hohem Designanspruch, klein­ formatige Objekte und Plastiken ergänzen das Sortiment. Die Formensprache der über 80 Designerinnen und Designer ist vielfältig, Ideenreichtum und Handwerkskunst begeistern. Das kompetente Team der Galerie berät gern zu Schmuckumarbeitungen und Anfertigungen nach Kun­ denwunsch. Sehr beliebt sind Schmuckworkshops zu unterschiedlichen Themen für Kinder und für Erwachsene. In der Verkaufsausstellung „Design aus Nordrhein-­ Westfalen“ vom 14.5. bis 11.6.2022 haben Kundinnen und Kunden die einmalige Gelegenheit, für wenige Wochen eine große Vielfalt aus dem bevölkerungsreichsten Bundesland zu erleben und sich etwas ganz Besonderes auszusuchen. www. galer ie-schmuck. de

Foto: Samsony


BEGE Galerien James Francis Gill Women in Cars 22. April bis 4. Juni 2022

Weitere für 2022 geplante Ausstellungen: Internationaler Museumstag 15. Mai 2022

Martin C. Herbst AUGEN|BLICKE 24. Juni bis 23. Juli 2022 art KARLSRUHE Halle 4 F05 / F06 7. bis 10. Juli 2022 Devin Miles In Gold we trust 29. Juli bis 3. September 2022 Todd Williamson The Abstract Nature of Color 23. September bis 4. November 2022 Ausschnitt aus ‚DANCE OF LONELINESS‘, Limited Edition

BEGE Galerien Ulm 89073 Ulm Tel +49 (0) 179 . 483 41 88 www.bege-galerien.de

Galerie am Saumarkt Fischergasse 34 , 89073 Ulm Tel +49 (0) 731 . 934 074 11 und +49 (0) 731 . 6 33 49 Mo und Di nach Vereinbarung, Mi bis Fr 10 – 13 und 14 – 18 Uhr, Sa 10 – 13 Uhr


164 D e r M a le r L e o S t a i g le i n de r P for z he i m G a le r ie

Die Erde ist rund In den großformatigen Acrylmalereien von Leo Staigle (*1991) erscheinen in leuchtenden Farben Fragmente moder­ nistischer Architekturen unvermittelt in vermeintlich ursprüngliche Naturräume versetzt zu sein. Aus oft boden­ tiefen Wandöffnungen fällt da der Blick aus dem Innenraum in die Landschaft, die mit scharfgratigen Silhouetten oder ­horizontweiten Blauflächen formelhaft als Gebirgszug und Gewässerstreifen angelegt sind. Leitmotivisch kehren Palmen und riesenhafte Kakteenwälder als Chiffren für Natur, Sockel, Liegen und Leitern dagegen als Versatzstücke menschlicher Behausungen und Aktivitäten wieder. Welche Objekte sind aber diesen Sockeln nur abhanden gekommen, die nun als nutzlos gewordene Stellvertreter den Raum versperren?

Einmal abgesehen davon, dass nirgends auch nur eine menschliche Figur zu sehen ist, bleibt der gesamte Bildraum rätselhaft und unwegbar. Ob draußen oder drinnen, wirft das funktionslose Mobiliar gleichzeitig Schatten in völlig ver­ schiedene Richtungen. Ständige Perspektivwechsel und fast unmerkliche Verzerrungen machen schwanken, wo und wie sich der die Arbeiten Betrachtende darin zurechtfinden könn­ te. Scheintüren führen mutwillig in die Irre, ein Sockelgebilde riegelt widerspenstig die Treppe ab; mal stehen die Ruhe­ liegen auf filigranen Stelzen, mal schweben sie vollends schwerelos geworden als Flachkörper im Raum, für Aladdins Abflug bereit. Zu diesem Eindruck trägt die starkfarbige Fas­ sung der geometrischen Segmente bei, die chamäleonartig von den industriell designten Oberf lächen aus dem Haus­ inneren auf die Naturerscheinungen im Außenraum und wieder zurück hin- und herwechseln, hier die Récamièren und dort die Berggipfel in ein und demselben Orangeton.

links: Leo Staigle, „Blausee“, 2021, Acryl auf Leinwand, 180 x 120 cm rechte Seite: Leo Staigle, „Freiland“, 2020, Acryl auf Leinwand, 140 x 200 cm


165

CLEMENS OT TNAD

Vo m 2 5 . 0 9 . 2 0 2 2 b i s 3 1 . 0 1 . 2 0 2 3 w i rd d a s K u l t u ra m t d e r S t a d t P f o r z h e i m d i e D e b u t a u s s t e l l u n g „W i e k o c h t m a n e i n S t ü c k L a n d “ m i t We r k e n v o n L e o S t a i g l e , d i e v o n d e r K u n s t h i s t o ­r i k e r i n R e g i n a M . F i s c h e r k u ra t i e r t w i rd , i n d e r P f o r z h e i m G a l e r i e , dem Kunst museum der Stadt P forzheim, zeigen.

FRÜH JAHR 2022 — PFOR ZHEIM

www. pforzheim-galer ie. de

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So unbewohnbar die Architekturen von Leo Staigle sind, so wenig zugänglich muten auch die Landschaften des Künstlers an, der an der Hochschule Pforzheim Bildhauerei studiert ­hatte und sich erst 2020 der Malerei zuwandte. Mögen die Pal­ men zunächst eine mediterrane Atmosphäre verbreiten, ist die übrige Umgebung von der Farbtemperatur eher in eisige Polarnähe verrückt. Mitunter mutieren selbst noch die Pflan­ zen, der Quader Buchs gerät zum organisch überwachsenen Podest und aus Baumkronen ranken sich fleischige Kakteen­ kringel herab. Mehr und mehr stellen sich in der Folge Zweifel an den eingeübten Kategorien und Klischees ein, mit der wir unserer Dingewelt begegnen: Was bedeutet Landschaft und Natur überhaupt und wie können wir mit und in ihr leben?

Voller Ironie und malerischer Raffinesse unterläuft Leo ­S taigle die Erwartungen, die wir so üblicherweise an die ­sichtbare Wirklichkeit herantragen. Die dargestellten Land­ schaften jedenfalls bieten keinerlei Erholungswert und die geradezu musealen Domizile taugen allerhöchstens als Hinter­g rundkulisse eines schöner Wohnens, in dem der Mensch nur stört. Stattdessen können wir diese Arbeiten ebenso gut als gegenstandslose Farbflächenkompositionen ­lesen. Denn möglicherweise ist die Erde ja doch eine Scheibe.


„Kultursommer Nordschwarzwald“ 2022 vom 15. Juli bis 14. August

Foto: Matthias Zizelmann, © Subiaco Open-Air-Kino, Alpirsbach

Kult urelle Vielfalt und Highlight s in de r R eg ion

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FRÜH JAHR 2022

­N o rd s c h w a r z w a l d e r l e b e n − e i n E v e n t d e r b e s o n d e r e n A r t !

Der erste Kultursommer 2021 war ein voller Erfolg für Veran­ stalter, Künstler und Besucher. Trotz coronabedingter Einschränkungen und vieler Hindernisse im Vorfeld konnte ein abwechslungsreiches Programm geboten werden. In Zu­ kunft soll sich darum das gemeinsame Kulturprojekt der Arbeitsgemeinschaft Kulturregion Nordschwarzwald unter der Führung des Regionalverbands Nordschwarzwald in der Region etablieren und unter dem Dach des „Kultursommers“ eine Vielzahl von Einzelveranstaltungen im gesamten Nord­ schwarzwald abbilden. Und so macht auch der zweite „Kultursommer Nord­ schwarzwald“ 2022 wieder Lust auf Kultur! Vom 15. Juli bis 1 4. August 2022 wird ein attraktives gebündeltes Kultur­ angebot präsentiert. Rund 100 Veranstaltungen sorgen dafür, dass bei Musikfans, Kunst-, Theater- und Literaturliebhabern ­k eine Langeweile auf kommen wird. So vielf ältig das ­P rogramm und die Locations sind, so breit ist auch die Adres­ satengruppe, jeder wird sein persönliches Highlight finden. Für besondere Erlebnisse in ausgefallener Kulisse stehen die Klosterkonzerte in Maulbronn und Alpirsbach, das Belcanto Opera Festival Rossini in Wildbad, mit weltbekannten Star­ tenören und der Sopranistin Angela Meade, der „Calwer Klostersommer“ mit Topkonzerten unter anderem mit Udo Lindenberg und N ­ icolas Santos. Traditionell gehts unter

anderem beim „Schäferlauf “ in Wildberg zu, der „Gerbers­ auer Lesesommer“ in Calw lässt Erinnerungen an Hermann Hesse wach werden. Die Burg­r uine Löffelstelz in Mühlacker wird zur Draußenkulisse für Theater und Tanz ebenso wie das Schloss Neuenbürg. Pforzheim wird im Zeichen des Reuchlinjahres zum Nachdenken anregen, aber auch im ­R ahmen eines Theater- und eines Musik­f estivals mit be­ kannten regionalen und internationalen Künstlern für atmosphä­r ische Abende sorgen. Ein Aufgebot an Open-AirKinos, Ausstellungen, Märchenstunden, Figurentheater, Lesungen, Zeitreisen zurück ins Mittelalter und Lichtshows, spannungsvoll und abwechslungsreich. Die Besucher erwar­ ten Events, die sich von klassischen Angeboten unter dem Jahr deutlich abheben. Die Region mit den Kreisen Calw und Freu­ denstadt, dem Enzkreis sowie der Stadt Pforzheim präsentiert sich ­s owohl nach innen als auch nach außen als wahre ­„ Kulturregion“. Sie können sich also heute schon auf einen spannenden und abwechslungsreichen Sommer 2022 freuen! Gehen Sie in der Region auf Entdeckungstour, erkunden Sie die landschaftliche Schönheit und neue Orte mit ihren ­S ehenswürdigkeiten und erleben Sie die kulturelle Vielfalt von Alpirsbach bis Sternenfels. Das gesamte Programm ­erscheint im Mai auf unserer Website, Flyer werden in den örtlichen Tourismusbüros ausgelegt. Informieren Sie sich das ganze Jahr über sämtliche Kulturevents in der Region: w w w . k u l t u r. n o rd s c h w a r z w a l d . d e


»The Reflection of Landscape« Objekt Ruan Weng Mong 1997


Leonardo da Vinci Erfinder und Wissenschaftler

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Skulptur Petr Hrbek

MUSEEN · SAMMLUNGEN · AUSSTELLUNGEN · MESSEN

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Museum im Schafstall in Neuenstadt a. K.

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Bahnhofstraße 13 · 75417 Mühlacker Tel. 07041/9690-0 · Fax 07041/9690-25 info@schmid-online.com www.schmid-online.com

Mittwoch und Sonntag 10.00–17.00 Uhr | Eintritt: € 5,- / ermäßigt € 3,- | www.museum-im-schafstall.de

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Neue Stipendiat*innen 2022:

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Oliver-Selim Boualam Elisa Jule Braun Heidi Herzig Laura Hinrichsmeyer Hannah J. Kohler Zhou Pei Sophia Schiller Herzlichen Glückwunsch! Kontakt: Bernd Georg Milla, Geschäftsführung Corina Rombach, Pressekontakt www.kunststiftung.de

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Das Leben ist ein Salat 25. Karlsruher Künstler*innenmesse

Die Karlsruher Künstler*innenmesse bietet ein vielfältiges Panorama künstlerischen Schaffens. Erstmals findet die von der Stadt Karlsruhe und dem Bezirksverband Bildender Künstler (BBK) ausgerichtete, jurierte Messe in der Städti­ schen Galerie statt. Für die diesjährige Ausgabe bewarben sich über 130 Künstlerinnen und Künstler zur Teilnahme an dieser besonderen Messe, die sich als Plattform zur Präsentation und für den Verkauf der Kunstwerke sowie zur Kommunikation zwischen den Künstlern und den kunstinteressierten Besu­ chern versteht. CHRIS GERBING

2 1. Juli bis 25 . September 202 2 Städt ische Galer ie Karlsr uhe L o r e n z s t r. 2 7, 7 6 1 3 5 K a r l s r u h e www. karlsr uhe. de

FRÜH JAHR 2022 — AUSSTELLUNG

Grit Reiss, „Lore Ley“, 2020, Lambda Print, 110 x 165 cm

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2010 fand in New York die Performance „The Artist Is Present“ statt, anlässlich derer Marina Abramović über 700 Stunden an einem Tisch im MoMA den unterschiedlichsten Menschen schweigend gegenübergesessen hatte. Ruhe, Stille, Kon­ templation – Themen, die in einer schnelllebigen Welt aktiv gesucht werden müssen, die während der Pandemie eine ­a ndere Konnotation erfahren haben. In ihrer Performance „Ada vs. Abramović“ aus dem Jahr 2018 griff Hannah Cooke die Arbeit Abramovićs auf und setzte sich dieser Situation mit Kind auf dem Arm aus. Wie sich Ada wohl fühlte in ­einem s­ olchen Gegenüber, in einer Ruhesituation, die nicht zu e­ inem Kleinkind passt? Wie sich die Künstlerin selbst fühlte im Hinterfragen ihrer Rolle als Mutter, aber auch als Künstlerin? Das kritische Überdenken gesellschaftlicher Verhaltens­m uster und Geschlechterrollen respektive ­w eiblicher Zuschreibungen taucht ebenso im Werk von Ann-Josephin Dietz und Ghaku Okazi auf. Sie machen überdies die Bandbreite der Möglichkeiten deutlich von der analogen Fotografie über die Ölmalerei bis zur Video­ performance. Oberthemen auch für diese genderspezifische Auseinandersetzung sind die Kontraste und Widersprüche, die unser modernes Leben prägen. Stellvertretend dafür, aber zugleich für das Neu­ erfinden in ­e iner Welt ohne feste Wahrheiten, kann die Installation von Stefanie Manhillen „Das Leben ist ein Salat“ gelesen werden. Auch wenn sie seit 2017 daran arbeitet und die Installation sich seither verändert hat, taugt sie als Sinn­ bild für die derzeitige Situation, wenngleich sie für die Künstlerin auch für ihre ­„offene und hinterfragende Haltung zur Welt“ steht. Eine s­ olche wünscht man sich natürlich, ­i nsbesondere vor den U ­ nwägbarkeiten, die die Pandemie weltweit mit sich bringt. Es überrascht nicht, dass sich etliche der insgesamt 32 Künstlerinnen und Künstler mit dem Thema „Zeit“ in unterschiedlichsten Medien und künstlerischen Ausprägungen auseinandersetzen. Sie kann wie bei Nils ­Weiligmann als Videostill im Stile eines Computerspiels ­d aherkommen und auf die Zerstörung unserer (Um-)Welt ­fokussieren, sie kann aber auch wie bei Boglárka Balassas ­abstraktem Ölgemälde auf den zeitlichen Prozess selbst – und damit auf das Thema „Vergänglichkeit“ – Bezug nehmen. ­Umwelt, Natur und Gesellschaft sind die überwiegenden Themen der präsentierten Werke, aber auch Digitalisierung und Technologisierung, Geistesströmungen, die Auseinan­ dersetzung mit Religionen, mit Geschichte und Gegenwart in (architektonischen) Räumen in Bezug auf die Gesellschaft wie auf die eigene Person – all das wird in den unterschiedlichsten Medien angesprochen.


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Die Geister ins Schloss gerufen: 22. KISS-Kunst- und Kultursommer Ausstellung FANTASMA

Fantasmen in der Kunst existieren seit Anbeginn aller Dar­ stellungen. Schließlich eignet sich nichts besser, um Imaginationen zu realisieren. Grund genug für den Kunstver­ ein KISS, sich diesem Thema auf 1.100 Quadratmetern zu widmen und dafür unter anderem die Geister ins Schloss ­Untergröningen zu rufen: zu einer Ausstellung, bei der es fan­ tastisch wird − Gänsehautfeeling inbegriffen. „FA N TA SM A“ steht als Wort für Erscheinung, Traumbild, Schreckgespenst, Spuk. Doch Kunst muss nicht unbedingt dem Genre des Fantastischen angehören, um Fan­ tasmen zu schaffen. Oftmals bewirken dies Präsentation und Kombination, wozu sich ein Schloss ideal anbietet. Oder wie Kuratorin Heidi Hahn formuliert: „Wo, wenn nicht hier?“ So umf ängt „FANTASMA“ die Besuchenden gleich einer ­u nendlichen Geschichte aus rund 200 Werken, in der das ­F antastische zum Zuge kommt − pur, in voller Wucht und ­D irektheit: Ob Daniel Depoutots (toten-)tanzende Skelette und andere seiner „Schatten-Objekte“, ob die Videoarbeit „never call me mensch again“ von Johanna Mangold/Jeremias Heppeler, Pieter Lerooijs Tiermetaphern, Sundari Arlts Chi­ mären oder Alex Tennigkeits Realfantasmus − es geht um die Auswüchse unserer Fantasie. Anna Bittersohls Gemälde ent­ ziehen den sicheren Boden im Hier und Jetzt, wie umgekehrt Sabine Hertigs Collagen sich zu wundersamen Landschaften formieren. Florian Schlumpfs „Time Machines“ und Uwe Ditz’ Serie „Temptation“ transferieren Zeit und Raum. Robert Matthes hält uns mit schaurigen Metaphern den Spiegel vor, Eckart Hahns Fantasmen chiffrieren die vermeintliche Realität. Das Credo der Kuratorin: Kunstpräsentation zum spannenden Erlebnis zu machen. Ein Konzept, das Jahr für Jahr mehr Menschen zu KISS holt und ganz nebenbei immer mehr für die Kunst begeistert. Deshalb sollen die Geister im

Schloss nicht müffeln nach den Altvorderen, sie tauchen auf in allen erdenklichen Realitäten: Ob digital, zwei- oder drei­ dimensional wie bei Rainer Plums Laserinstallation, Manfred P. Kages optischem Konzert, Werner Fohrers „Streetlife“ oder Daniel Bengessers Gigahologramm − sie sind zum Anfassen oder Durchfassen wie Nick Veaseys X-Ray-Fotografien. In Jeongmoon Chois Installation „Drawing in Space“ entstehen völlig neue erlebbare Dimensionen im Raum und Margaret Marquardts „Boundless Space“ lässt gar den unendlichen Ab­ grund erahnen. Ab und an gewährt „FANTASMA“ ein verträumtes Durchatmen bei Feen und Elfen: in einem Quasimärchenland, in dem sich Patricia Wallers Häkelfiguren und Daria Petrillis „Ibis“-Arbeiten tummeln; wo Steve Viezens Motive sowie ­R enata Mauriellos „Hundert Jahre“ f lankiert von Enrik ­Hüpedens Wandarbeit vermeintlich direkt zurück in die Kindheit führen. Sie alle packen durch doppelten Boden, ­beißende Ironie und einen Schuss Absurdität. Oder gar mit Angst und Schrecken wie Olga Golos’ Installation „Night“. Und sie stellen Fragen wie Richard Allrich, Susanne Kircher-­ Liner oder Marina Sailer: nach dieser Welt jenseits unseres Bewusstseins. Die Antworten darauf müssen nur ans Licht geholt werden. „FA N TA SM A“ hilft dabei. Und in jedem Fall wird es hochkarätig und spannend. Auch bei den Be­ gleitveranstaltungen vom „optischen Konzert“ bis zum „Double-Holo-Konzert“. P E N N Y PA L FF Y

9. Apr il bis 31. Juli 202 2 F A N TA S M A Kun st ve re in K I S S S c h l o s s , 7 3 4 5 3 A b t s g m ü n d - U n t e r g rö n i n g e n S a 1 4 − 1 8 U h r, S o / F e i e r t a g 1 1 − 1 8 U h r, 7 E U R E i n t r i t t I n f o s z u A u s s t e l l u n g + B e g l e i t p ro g ra m m / F ü h r u n g e n w w w . k i s s - u n t e r g ro e n i n g e n . d e


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RICHARD ALLRICH SU N DA RI A RLT DANIEL BENGESSER ANNA BITTERSOHL JEONGMOON CHOI DANIEL DEPOUTOT UWE DITZ WERNER FOHRER OLGA GOLOS ECKART HAHN JEREMIAS HEPPELER SABINE HERTIG ENRIK HÜPEDEN MANFRED K AGE SUSANNE KIRCHER-LINER PIETER LEROOIJ JOHANNA MANGOLD MARGARE T MARQUARDT RO BERT M AT TH ES RE NATA M AU RI E LLO DARIA PETRILLI RAINER PLUM S T E FA N RO H R E R MARINA SAILER FLORIAN SCHLUMPF ALEX TENNIGKEIT GAN-ERDENE TSEND NICK VEASEY STEVE VIEZENS PAT R I C I A WA L L E R

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FRÜH JAHR 2022

Richard Allrich, Augendruck



MALERISCHE POESIE

DURCHSTARTEN TAKE OFF

Friedmann Flöther: Pole position, 2005 (Ausschnitt)

13. 2.– 9. 10. 2022 kunsthalle weishaupt Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1 89073 Ulm Dienstag bis Freitag: 11-17 Uhr Samstag, Sonn- und Feiertag: 11-18 Uhr Montags geschlossen Tel: 0731 161 4360 www.kunsthalle-weishaupt.de

GRAFIKEN VON CHAGALL

UND ZEITGENOSSEN

30.01.— 08.05.2022 Syker Vorwerk Zentrum für zeitgenössische Kunst

\ Kuratiert von Alejandro Perdomo Daniels Marwa Arsanios \ Delaine Le Bas / Helen Cammock / Andrew Gilbert \ Manaf Halbouni \ Jasleen Kaur / Mónica de Miranda / Harold Offeh \ Ahmet Öğüt \ Lerato Shadi www.syker-vorwerk.de

Marc Chagall | Bateau-Mouche au Bouquet | aus „Regards sur Paris“, 1962 | Mourlot 352 | © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

bis 13.11.2022


Otto Modersohn die Blumenstillleben 21. Mai – 24. Juli 2022

Fischerhude www.otto-modersohn-museum.de GESELLSCHAFT-OTTO-MODERSOHN-MUSEUM e. V.


29.03. bis 10.07. 2022

BILDER AUS DEM TEUFELSMOOR TREFFEN AUF LANDSCHAFTSMALEREIEN AUS DEM EMSLAND

Otto Modersohn, Moormädchen neben einem Birkenstamm, Öl auf Malpappe, 1904, 50,5x40,5 cm, ©Otto-Modersohn-Stiftung

KÜNSTLERKOLONIE WORPSWEDE

AUSSTELLUNGSZENTRUM GUT ALTENKAMP Papenburg-Aschendorf Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr · www.gut-altenkamp.de Freundeskreis GUT ALTENKAMP

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Heinrich Vogeler, „Juninacht“, 1898/1900, Öl auf Leinwand, 85 x 117 cm, Privatbesitz, Ausstellung auf Gut Altenkamp, Papenburg

D e r ne ue M e n s c h , d a s Un ive r s u m u nd d ie Zu k u n f t

Kunsttour im Nordwesten VON BIRGIT DENIZEL

Als hätten sich die Ausstellungshäuser abgesprochen, steht das Programm in diesem Frühjahr ganz im Zeichen der Neu­ bewertung. Zufall oder Zeitgeist? Wieder einmal befindet sich der Mensch in einer Umbruchsituation, die seit Jahr­ hunderten zu ein und derselben Frage führt: Was ist der Mensch und wohin führt sein Weg? Der Bogen spannt sich

von expressionistischen Zerrbildern der modernen Gesell­ schaft der 1920er-Jahre über den Rückzug in das naturnahe Leben jenseits der brodelnden Metropolen, vorbei am Blick in das ferne Universum und die heimische Blumenwelt bis hin zum Glauben an den schöpferischen Menschen und zur Begegnung mit einer Landschaftsform, welche die Kunst vor 100 Jahren fasziniert hat und heute zum Umdenken aufruft: das Moor.


177 K U NS T H A L L E E M DE N

E x pressioni smu s in Film und Kun st www. k unsthalle-emden. de

­F riedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden

F R A N Z R A D Z I W I L L H AU S , DA N G A S T

Zur etwa gleichen Zeit, 1923, entschied sich Franz Radziwill (1895–1983) der Großstadt den Rücken zu kehren und nach Dangast zu ziehen. Von dem abgelegenen Dorf am Jadebusen hatte er durch die „Brücke“-Maler erfahren, die ihm im Kreis der Hamburger Sammlerin Rosa Schapire begegnet waren. Zugleich könnten seine frühen Besuche in Worpswede, die Radziwill als junger Architekturstudent unternahm, die Ent­ scheidung noch verstärkt haben. Seine Landschaftsgemälde befinden sich in zahlreichen musealen Sammlungen, doch seine Figurenbildnisse haben Seltenheitswert. Die Porträtier­ ten geben sich jetzt im Künstlerhaus ein Stelldichein. Neben Bildnissen seiner Eltern, seiner beiden Ehefrauen und seiner Tochter sind zahlreiche Werke zu entdecken, die zuvor noch nie ausgestellt wurden. Wer kennt schon seine Schwester Cla­ ra oder seine Nachbarn, das Ehepaar Busch? Vor seinem Umzug nach Dangast trieb sich Radziwill, der in Bremen auf­ wuchs, gerne in Berlin und Hamburg herum. Im „Trichter“, dem legendären Revuetheater auf der Reeperbahn, zeichnete er zwei Frauen in noch expressionistischer Manier mit schwarzer Tusche auf weißes Bütten. Gewidmet hat er die „Trichtermädchen“ seiner Freundin Hilde, datiert auf den 9. Dezember 1921. Sechs Jahre später erlebte die Porträtmalerei in Radziwills Schaffen eine kurze und intensive Hochzeit, als er während eines Studienaufenthalts in Dresden auf Otto Dix traf. Durch den Veristen angeregt, fand Radziwill seine ­Modelle in Kaffeehäusern, Gaststätten und Wärmestuben. Es bleiben Fremde, die uns weniger über sich selbst als vielmehr über des Künstlers Stilwandel erzählen. Dieser führte über die Neue Sachlichkeit zu einem symbolistischen Spätwerk, in dem das irdische Dasein in einen tiefschwarzen Kosmos ein­ gebunden ist. Der Maler selbst bezeichnete diese Folie als den „Urgrund allen Seins“. 20. März 202 2 bis 8. Januar 2023 Familie. F reunde. F re mde. w w w . ra d z i w i l l . d e

Franz Radziwill, „Bildnis Konstanze“, 1969, Öl auf Leinwand, 62,5 x 53 cm, Privatbesitz, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022

FRÜH JAHR 2022 — KUNST NORDWEST

Bis 1 2 . Juni 202 2 Ein Bild der Zeit

Filmstill aus „Metropolis“ (Regie: Fritz Lang, Drehbuch: Thea von Harbou, 1927), freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der

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Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu. Eine Symphonie des Grauens“ feierte vor 100 Jahren am 4. März 1922 in Berlin Pre­ miere. Die legendäre Vampirgeschichte ist nur ein Beispiel des expressionistischen Films, der Malerei und Grafik aus eben­ dieser Epoche in Emden gegenübergestellt wird. Deutlich wird, dass der Film, der nach dem Ersten Weltkrieg in nur we­ nigen Jahren zum Massenmedium avancierte, unmittelbar an die Formensprache der Vorkriegsjahre anknüpfte. Inhaltlich jedoch brachte die neue Bilderflut keine blauen Pferde oder paradiesischen Badefreuden an den Moritzburger Seen hervor. „Denken wir zum Beispiel an die frühen Werke der ‚Brücke‘, so hat der Expressionismus im Krieg seine Unschuld verlo­ ren“, betont die wissenschaftliche Direktorin Lisa Felicitas Mattheis. Urbanes Leben und Mobilität, die gesellschaftlichen Auswirkungen des Krieges oder die Technisierung der ­A rbeitswelt – all diese Themen fanden im Film ihren Nieder­ schlag. Und: Der expressionistische Film erhob das Magische und Okkulte zum Kunstprinzip, das neben „Nos­feratu“ eine Figur wie „Dr. Caligari“ hervorbrachte, der den som­nambulen Cesare durch Hypnose zu einem willenlosen Werkzeug macht. „Psychologische Abgründe werden im Film nochmal weit stärker verhandelt als in der bildenden Kunst“, so ­M attheis. Insbesondere der frühe Stummfilm bildete eine spezifische Lichtästhetik aus, die mit ihrer schwarz-weißen Bildmächtigkeit, mit Mehrfachbelichtungen und Über­ blendungen wiederum in Wechselwirkung zur bildenden Kunst stand. 1927 erschuf Fritz Lang in „Metropolis“ die erste ­Ro­boterfrau. In der Ausstellung begegnet sie Rudolf Bellings „Schreitender“ von 1921, der die Idee des Maschinenmenschen sichtbar vorwegnimmt.


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H O R S T- J A N S S E N - M U S E U M O L D E N B U RG

Die Berliner Künstlerin Nanne Meyer hat das All nicht nur zu einem Thema, sondern vielmehr zu einem Forschungs­ gegenstand gemacht. „Meine Herangehensweise ist dabei eher assoziativ, ich bin ja keine Wissenschaftlerin. Mich ­i nteressiert allerdings die Astrophysik“, so die Künstlerin, „denn schließlich sind wir alle ein Teil des Weltalls.“ Und so grenzenlos wie das Universum, so unerschöpflich erscheint ihre künstlerische Produktion. Nanne Meyer arbeitet ­vornehmlich auf Papier: Sie zeichnet, tuscht, schafft Collagen, klebt ihre Planetenbilder mitunter sogar auf runde Camem­ bert-­S chachteln, um sie in eine plastische Installation zu überführen. Die Ausstellung hat sie selbst konzipiert. Über­ große schwarz gefärbte Blätter, auf denen sich Figuren tummeln wie in Stefan Lochners „Weltgericht“, reichen bis an die Decke, während sich über andere Wände – fernen Gala­ xien gleich – kleinformatige Zeichnungen ziehen. Die Titel ihrer Arbeiten lauten „Quantenschaum“, „DNA der Milch­ straße“ oder „Klumpen und Globen“. Anregungen holt sie sich aus Büchern und Fachliteratur. Zur frühen Lektüre der Künstlerin gehörte „Meyers Handbuch über das Weltall“, das in den 1970er-Jahren das gängige Lexikon zur Annäherung an die Kosmologie darstellte. Den Buchtitel hat Nanne Meyer für ihren Ausstellungskatalog übernommen. „Wenn man diesen Namen schon hat, bietet sich das an“, scherzt die 68-Jährige. Dass sie sich seit Jahrzehnten mit dem Universum beschäftigt, dokumentieren ihre jährlichen Künstlerbücher, die summa summarum „rund zehn- bis elftausend Zeichnungen“ ­enthalten. Ein ausgewähltes Dutzend liegt aufgeblättert in ­Vitrinen und lässt den Kosmos ihrer Ideen nur erahnen. Bis 15 . Mai 202 2 N a n n e M e y e r : ü b e rA l l w w w . h o r s t- j a n s s e n - m u s e u m . d e

Nanne Meyer, „Freier Fall“, 2020, Acrylfarbe und Gouache auf Papier, 312 x 150 cm


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Otto Modersohn, „Ein Strauß mit Margeriten“, 1933, Öl auf Leinwand, 61 x 74 cm

Bevor sich die Türen in diese „Wunderwelt“ öffnen, geht ihr vom 9. April bis 15. Mai noch eine Sonderausstellung voraus: Unter dem Titel „Malerei als nach vorn offene ­H andlung“ werden Werke der beiden Hamburger Künstler Willem Grimm (1904–1986) und Walter Kaiser (1899 – 1973) ­p räsentiert. Grimm widmete sich wiederholt dem Rummelpottlaufen, das zu Silvester mit lautem Getrommel böse Geister vertreiben soll, damit sie nicht mit in das neue Jahr kommen. Weit weniger bekannt ist das Werk von Walter ­K aiser, das sich von der Gegenständlichkeit zur Abstraktion wandelte. „Seine späten Bilder der 1960er- und 1970er-Jahre sind seine stärksten“, weiß Kurator Rainer Noeres. Kaiser ist ein „echter Spätblüher“, um im Jargon zu bleiben. 2 1. Mai bis 2 4 . Juli 202 2 Die Blumenst illleben. S o e i n S t ra u s s i s t e i n e W u n d e r w e l t www. ot to-modersohn-museum . de

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Nicht nur die Sterne, auch Flora und Fauna können aufregend sein. Wenngleich sich Otto Modersohn (1865–1943) aus­ schließlich als Landschaftsmaler verstand, so finden sich in seinem Werk vereinzelt auch Blumenstillleben. Schon in der Jugend sammelte er Insekten und Schmetterlinge, presste Blumen in Alben und erfreute sich an dem Farbspiel ihres Welkens. Wegen ihrer sterblichen Schönheit gelten Blumen seit jeher als Inbegriff der Vergänglichkeit. Im Gemälde bleibt das Kolorit lebendig. Modersohns frühe Vorbilder waren die Franzosen. Begeistert schrieb er über die üppigen Blumen­ bouquets von Courbet oder Renoir, suchte aber fortan nach weiteren Ausdrucksmöglichkeiten dieses Sujets. Noch in den frühen 1930er-Jahren notiert er in sein Tagebuch: „Ich ent­ wickle immer mehr meinen eigenen Stil für Blumensträuße. Sie werden immer reicher, phantastischer, geheimnisvoller – so ein Strauß ist eine Wunderwelt, phantastischer als die Natur da draußen [...].“ Mit 35 Bildern ist es die erste Aus­ stellung, die allein diesem Bildthema gewidmet ist.

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O T TO -MODE R SOH N-M USEU M , F ISCHE R H U DE


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Von Albers bis Warhol 100 Meisterwerke aus der Sammlung Hupertz Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg Im Herzen der Stadt Oldenburg liegt das Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte mit den drei Standorten Schloss, Augusteum und Prinzenpalais. Immer wieder zeigt das ­Museum bedeutende Sonderausstellungen zu vielfältigen Themen − von barocker Malerei über das Leben am Olden­ burger Hof bis hin zum Expressionismus. Nun widmet sich das Landesmuseum erstmals der ­ungegenständlichen Kunst der Moderne: „Konstruktiv, Kon­ kret, Minimal“ heißt die empfehlenswerte Überblicksschau, die noch bis zum 1. Mai 2022 im Augusteum zu sehen ist. Sie versammelt rund 100 Meisterwerke aus der Privatsammlung Hupertz und spannt den Bogen vom frühen 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Anfänge der Sammlung liegen in den 1960er-Jah­ ren, als das Hamburger Ehepaar Stephan und Birgit Hupertz damit begann, schwerpunktmäßig abstrakte Kunst zu kaufen. Bis heute kamen so über 400 Werke von internationalen Künstlerinnen und Künstlern zusammen. Josef Albers, Carl Andre, Bernd und Hilla Becher, Jose Dávila oder Ólafur Elíasson – das sind nur einige hochkarätige ­Namen, die in der fulminanten Ausstellung vertreten sind. „Konstruktiv, Konkret, Minimal“ richtet den Blick auf den Konstruktivismus, die konkrete Kunst und die Minimal Art. Losgelöst von den klassischen kunsthistorischen Ord­ nungskriterien nähert die Schau sich den Werken anhand der Themenbereiche Figur, Form, Farbe, Raum und Zeit und er­ möglicht den Besucherinnen und Besuchern einen neuen Zugang zur abstrakten Kunst von Malerei über Grafik bis hin zu dreidimensionalen Objekten. „Konstruktiv, Konkret, Minimal“ ist eine Hommage an die Schönheit und die Faszination der geometrischen Kunst. Doch es sind nicht allein die Kunstwerke, die diese Schau so sehenswert machen: Jedes Ausstellungsstück er­ zählt uns etwas über das Sammlerpaar Stephan und Birgit Hupertz und ihre Liebe für die Kunst. JULIA DITSCH

Bis 1. Mai 202 2 „ K o n s t r u k t i v , K o n k r e t , M i n i m a l – D i e S a m m l u n g H u p e r t z“ Aug u steum, Oldenburg www. landesmuseum-ol. de Otto Freundlich, „Abstrakte Kompositionen“, 1936–1938, Foto: Karlheinz Grünke © Les Amis de Jeanne et Otto Freundlich, 2022


181 WO R P S W E D E R M U S E E N

wor pswede. de

AU S S T E L L U N G S Z E N T R U M G U T A LT E N K A M P, PA P E N B U RG

„Birken, Birken, Kiefern und alte Weiden. Schönes braunes Moor, köstliches Braun! Die Kanäle mit den schwarzen ­Spiegelungen, asphaltschwarz. Die Hamme mit ihren dunk­ len Segeln, es ist ein Wunderland, ein Götterland.“ Nichts bringt die Faszination der Worpsweder Moorlandschaft ­besser zum Ausdruck als das viel zitierte Schwärmen Paula Modersohn-­Beckers im Sommer 1897. Das Teufelsmoor rund um den Weyerberg zog sie alle in den Bann: Hans am Ende, Fritz ­Mackensen, Otto Modersohn, Paula Modersohn-Becker,

120 x 98 cm, Privatbesitz/Dauerleihgabe an die Barkenhoff-Stiftung Worpswede, Foto: © Barkenhoff-Stiftung Worpswede/Jörg Sarbach

Fritz Overbeck und Hermine Overbeck-Rothe, Ottilie Reylaender, Carl Vinnen oder Heinrich Vogeler. Mit ihren Werken haben die Malerinnen und Maler diesem besonderen Landschaftstypus und seinen Bewohnern ein Denkmal ­gesetzt. Als die Künstler um 1900 in Worpswede zusammen­ fanden, war das Moor allerdings bereits kolonisiert. Über mehrere Jahrhunderte hinweg haben die Moorbauern die Landschaft urbar gemacht. Bilder vom Torfstich dokumentie­ ren die Zeugnisse ihrer harten Arbeit, die erst nach mehreren Generationen Früchte trug. In ihrem Tagebuch schreibt Paula Modersohn Becker weiter: „Ich habe Mitleid mit diesem schö­ nen Stück Erde, seine Bewohner wissen nicht, wie schön es ist.“ Es war wohl der künstlerische Blick, der ihnen fehlte. Für die Moorbauern galt vielmehr der Spruch: „Den Eersten sien Dod, den Tweeten sien Not, den Drütten sien Brod.“ In der Jetztzeit erweist sich die Trockenlegung der Moore als obsolet, denn sie speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt. 2 7. M ä r z b i s 1 7. J u l i 2 0 2 2 K ü n s t l e r k o l o n i e Wo r p s w e d e – B i l d e r a u s d e m Te u f e l s m o o r b e g e g n e n den Moorlandschaf ten im Emsland w w w . g u t- a l t e n k a m p . d e

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2 7. M ä r z b i s 6 . N o v e m b e r 2 0 2 2 H e i n r i c h Vo g e l e r. D e r N e u e M e n s c h

Heinrich Vogeler, „Die Geburt des Neuen Menschen“, 1923, Öl auf Holz,

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Das große Thema, das in Worpswede verhandelt wird, bil­ det gewissermaßen die Matrix der Ausstellungsreise. Anlass der Gesamtschau, die sich durch vier Häuser zieht, ist der 150. G ­ eburtstag des Universalkünstlers Heinrich Vogeler (1872–1942), der sowohl Maler als auch Designer, Grafiker, Architekt und politischer Künstler war. Seine Utopie des „neuen Menschen“ wird anhand einzelner Statio­ nen wirkungsvoll erzählt und zugleich auf ihre Aktualität hin überprüft. Bekannt w ­ urde er als Vertreter des Jugendstils und Mitbegründer der Künstlerkolonie. Seine Idee vom Gesamt­ kunstwerk, die sich im Barkenhoff verkörpert, führte den wohlhabenden Bremer Kaufmannssohn bald dazu, Frieden und inneres Glück nicht länger als persönliche Angelegenhei­ ten zu sehen, sondern als Ziele einer klassenlosen Gesellschaft zu begreifen. Als Vogeler 1918 aus dem Krieg nach Worpswe­ de zurückkehrte, war er i­ nspiriert vom Leitgedanken der Oktoberrevolution in Russland. Er ließ sein vorheriges Leben, „die Insel des Schönen“, hinter sich und wendete sich mit glei­ cher Intensität einer ­neuen Verheißung zu. Nun galt es, mit dem Auf bau der neuen Gesellschaft zugleich einen neuen Menschentypus zu schaffen. Programmatisch dafür steht das Gemälde „Die G ­ eburt des neuen Menschen“. Entstanden ist es 1923 bei ­einem Aufenthalt in Moskau. Malerisch entwickel­ te der Künstler ­einen ganz eigenen Expressionismus, dessen kristalline Formen ihn zu den sogenannten „Komplexbildern“ führten. Nicht selten enthalten sie Embleme wie den roten Stern, Hammer und Sichel, doch die Zeichen haben ihre ­Versprechungen nicht erfüllt. Vogelers Vision, in der Sowjet­ union eine bessere gesellschaftliche Realität zu schaffen, scheiterte. Wonach Vogeler stets strebte, war der schöpferi­ sche Mensch, der sich – im Dialog mit der Natur und ihren kosmischen Gesetzen – kontinuierlich wandelt und neu er­ schafft. Ein Weltentwurf, den Joseph Beuys später mit der Idee der Sozialen Plastik fortsetzen sollte und der zeitgemäßer nicht sein kann. Zu sehen ist die umfassende Retrospektive im Barkenhoff, in der Großen Kunstschau, im Haus im Schluh und in der Worpsweder Kunsthalle.


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Mehran Contemporary, Hamburg Plattform für zentralasiatische Kunst

Timur D’Vatz, „Blauer Falke im Schnee“, 2021, Öl auf Leinwand, 50 x 100 cm, Foto: Mehran Contemporary

Als im Jahr 2005 auf der 51. Biennale von Venedig erstmals auch ein zentralasiatischer Pavillon mit von der Partie war, ge­ langte eine Kunstregion in den Fokus der internationalen Aufmerksamkeit, die zuvor nahezu unentdeckt war. Unter Zentralasien versteht man folgende Länder: Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan, Turkmenistan und Kirgisistan. Alle fünf Länder sind ehemalige Sowjetrepubliken, die nach 1991 zu selbstständigen Staaten geworden sind. Was sie neben der postsowjetischen Identität verbindet, sind die gemeinsame Vergangenheit sowie kulturelle Traditionen und eine multi­ ethnische, überwiegend muslimische Bevölkerung. Der Pavillon Zentralasiens auf der 51. Biennale von ­Venedig wurde von Viktor Misiano kuratiert. Damals sagte er: „Die zentralasiatische Kunst ist der einzige weiße Fleck auf der Weltkarte der Kunst. Die zentralasiatische Kunst ist noch weitgehend unbekannt.“ Und genau das möchte die Ham­ burger Galerie Mehran Contemporary ändern.

„Die Mission der Galerie besteht darin, die zeitgenössische Kunst aus Zentralasien zu fördern sowie die künstlerische Vielfalt der Region in Deutschland sichtbar zu machen. Die Galerie soll eine Plattform sein, auf der sich Kunst und Künst­ ler aus Zentralasien im Westen präsentieren können. Das Publikationsprogramm der Galerie konzentriert sich auf ­Monografien und Bücher über Kunst und Kultur der Region Zentralasien“, sagt der Gründer der Galerie Dr. Manuchehr Kudratov. Außerdem in Planung ist eine „Artist Residency“ auf dem Kleinen Grasbrook, einem derzeit in Entwicklung ­b efindlichen neuen Hamburger Stadtteil. Hier sollen in ­Zukunft zentralasiatische Künstler für ein bis zwei Monate in der Hansestadt arbeiten und anschließend ihre Werke aus­ stellen können. Zurzeit vertritt Mehran Contemporary ein knappes Dutzend Künstlerinnen und Künstler mit kulturellen Wur­ zeln in ­Tadschikistan, Usbekistan und Kasachstan. Nicht alle jedoch leben dort. Zudem wirft die Galerie immer auch ein Auge auf zentralasiatische Künstlerinnen und Künstler, die in der ­D iaspora, etwa in London, Russland oder Berlin, leben.


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Bobur Ismoilov, „Bruchteile“, 2019, Öl auf Leinwand, 120 x 120 cm, Foto: Mehran Contemporary

Zu den Positionen der Galerie zählt der 1968 in Moskau ge­ borene Maler Timur D’Vatz, der mittlerweile in London und in der Normandie lebt und arbeitet. Seine in warmen Erd­ tönen gehaltenen Bilder zeichnen sich durch den Rekurs auf ­m ittelalterliche Legenden und symbolisch besetzte Tier­ gestalten aus, die er in collagierender Malweise nahezu altmeisterlich auf die Leinwand bannt. Was alle Künstlerin­ nen und Künstler der Galerie verbindet, ist ihre Suche nach neuen Narrativen im Spannungsfeld zwischen nationalen und ethnischen Traditionen, individuellen Mythologien und internationaler Kunstproduktion.

Ein g utes Beispiel daf ür ist auch der 197 3 geborene ­u sbekische Maler Bobur Ismoilov. Auf seinen Gemälden ­m ischen sich o ­ rientalische Mysterien mitunter mit Ele­ menten der italie­n ischen „Commedia dell’arte“. Die sehr harmonisch aufgefassten Arbeiten des usbekischen Künst­ lers Timur Ernst Akhmedov, Jahrgang 1968, wiederum vereinen ornamentale, figurative und abstrakte Elemente. Oft zeigen sie traumwandlerische Figuren, die innerhalb ­äußerst ­facettenreicher Hintergründe nahezu versteckt sind. Mit einem Gast auf t r it t auf der „ Nord A rt“ im schleswig-­holsteinischen Büdelsdorf hat die Galerie ihren Künstlerinnen und Künstlern im vergangenen Jahr eine ­g roße Sichtbarkeit verliehen. Für die Sonderschau „Iden­ tität“ wurden Arbeiten von acht Künstlern aus Zentral­a sien ausgestellt. Für die diesjährige Ausgabe der Großausstel­ lung wurden erneut vier Positionen der Galerie von einer Jury ausgewählt. Im Oktober 2022 wird die Galerie zu Gast beim „Roten Kunstsalon“, einer kleinen, exquisiten Kunstmesse im ­Museum Villa Rot im baden-württembergischen Burgrieden, sein. Die Teilnahme an weiteren Messen ist geplant. N I C O L E B Ü S I N G & H E I K O K L A A S

Timur Ernst Akhmedov, „Opera II“, 2021, Öl auf Leinwand, 120 x 90 cm, Foto: Mehran Contemporary

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FRÜH JAHR 2022

w w w . m e h ra n - c o n t e m p o ra r y . d e


30. April bis 24. Juli 2022 im Kunst- und Gewerbehaus, Ludwigstraße 6, 93047 Regensburg Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag 12:00 – 18:00 Uhr | www.kunst-und-gewerbeverein.de Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Regensburg und der Kunst- und Kulturstiftung Oswald Zitzelsberger

© 2022 KUNS T- UND GE WERBE VEREIN REGENSBURG e.V. | Abbildung: © Burger, Böhler & Orendt

K UNST- U N D G E W E R BE V E R E I N R E G E N S B U RG


ANNA EHRENSTEIN Tupamaras Technophallus 18.02.—15.05.2022

LUKAS RATIUS Der Apparat und andere Geschichten 18.02.—15.05.2022


Eva Bur am Orde PEACE MAKER Ausstellung im Auto- und Uhrenmuseum in Schramberg bis 15. Mai 2022 www.erfinderzeiten.de


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WATER­C OLOURS – AQUARELLE – ACUARELAS Klaus Hinkel

Seit 1998 arbeitet der Künstler im eigenen Studio in Frigiliana, einem kleinen Dorf oberhalb von Nerja an der Costa del Sol, inmitten der pittoresken weißen Dörfer ­A ndalusiens. 2005 wurde er mit dem 1. Preis Primer Premio Certamen Andaluz de Acuarela DUQUESA DE ALBA aus­gezeichnet. Er leitet u. a. mehrsprachige Workshops und veranstaltet Malreisen in ­Marokko und Andalusien. In seinem Buch führt der Künstler Theorie und Praxis des Aquarellierens zusammen. Mit nur wenigen Grundfarben zeigt Hinkel uns ein riesiges Farbspek­ trum. Experimentierfreudigkeit spielt der Künstler gekonnt mit lasierenden Farben. Anhand von Bildbeispielen und ­erklärenden Zeichnungen vermittelt dieses Buch viel Wis­ senswertes über Perspektive, Bedeutung des verwendeten Materials, ­M altechniken und Bildplanung mithilfe von Tonwert­skizzen. Brillante F ­ arbwiedergabe, echte Bildtiefe, Detailschärfe und feinste Tonwertabstufungen zeichnen dieses besondere Buch aus. Der Künstler bringt Theorie und Praxis des Aquarellierens zusammen. Der Künstler stellt per­ sönlich auf der ARCO in Madrid (Ende ­Februar) aus, um sein neues Buch vorzustellen. www. spurbuch. de

Spurbuchverlag 124 S. Durchgehend vierfarbig 17 x 26,8 cm Kartoniert EUR 38 ISBN 978-3-88778-052-4 Dt./Eng./Span.

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Klaus Hinkel lebt seit über 20 Jahren im sonnigen Spanien. Seine Aquarelle sind geprägt von der Fülle des mediterranen Kolorits Andalusiens. Wie kein anderer nuanciert er das Blau des Himmels. Durch seine Lebendigkeit und Feinsinnigkeit in Ausdruck und Balance der Farbelemente lässt uns das Werk dieses Aquarellisten an OSKAR KOLLER (1925–2004) oder ANDREAS FELGER (* 1935) erinnern. In seinem soeben ­erschienenen Buch „WATER­COLOURS – AQUARELLE – ACUARELAS“ offenbart der Künstler sein facettenreiches Œuvre und seine besondere Art, Ideen zu realisieren. Innova­ tiv und beeindruckend produktiv besticht der Künstler in seiner Empathie für den Augenblick. Kräftige Farbigkeit bis zur berührenden Behutsamkeit w ­ echseln in künstlerischer Qualität mit dem expressiven Blau des Südens. Klaus Hinkel, 1960 geboren in Augsburg, begann 1986 mit dem Aquarel­ lieren. Die erste Ausstellung präsentierte er im Jahr 1990, es folgten Solo- und Gruppenausstellungen in Deutschland (Augsburg) und Spanien (u. a. in Madrid, Málaga, Córdoba, Granada und Ronda) sowie in den USA und Großbritannien.

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Mediterranes Kolorit und ­expressives Blau des Südens


188 Berge von Kunst Ute Watzl In der alpinen Peripherie gedeihen ganz unverhoffte Orte der Kunst: Ausstellungen, Installationen, Galerien und Museen − nicht selten flankiert von gewagter Architektur. Wer sie findet, verborgen im abgelegenen Tal oder am Berg, ist meist verblüfft. Wird doch das Kunsterlebnis, vor allem das der zeitgenössischen Kunst, reflexartig dem urbanen Raum zugeordnet. Dieses Buch verbindet den Strom der zeitgenössischen Kunst mit jenem des Wanderns und Outdoorerlebens.

Der einzige senkrechte Ort der Welt Die Künstlerkolonie POSITANO Gertrude Cepl-Kaufmann, Philipp Cepl Wem Capri zu mondän wurde, der floh ins gegenüberliegende Fischerdorf Positano. Mit seinen unzähligen Treppen und Lehmdächern musste mindestens der ­Turmbau zu Babel das Vorbild geliefert haben. Alma Mahler, Bertolt Brecht, Hugo Ball und viele andere ­kamen, manche blieben und lebten für Jahre dort. ­G ertrude Cepl-Kaufmann und Philipp Cepl erzählen von den B ­ esuchern und Bewohnern, von ihren Hoff­ nungen und Sehnsüchten, ihren Gründen zu kommen, zu bleiben und wieder zu gehen.

AS Verlag 220 S. Zahlreiche Farbabb. 27 x 21 cm Paperback, kartoniert EUR 39 (D) / CHF 42,80 ISBN 978-3-03913-023-8 Dt.

Verlag Klaus Wagenbach 208 S. 19 x 12 cm Softcover EUR 15 (D) ISBN 978-3-8031-2841-6 Dt.

An Tagen wie diesen Hans-Jürgen Burkard Edition Lammerhuber 224 S. 111 Fotos 24 x 30 cm Hardcover, in Leinen gebunden, French-Fold-Schutzumschlag EUR 49,90 (D) ISBN 978-3-903101-39-5 Dt.

Königin von Kreuzberg, Rotlichtmilieu, Eppendorf oder Hinterland! Hans-Jürgen Burkard, einer der ganz ­G roßen der Reportagefotografie hat eine außer­ gewöhnliche Reise unternommen, auf der er entlang deutscher Liedtexte mit seinen assoziativen Fotografien ein poetisches Deutschlandbild von verzaubernder Kraft schuf. Ein Must-Have für Fotografie- und Deutschland-Begeisterte!


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Fotos für die Pressefreiheit 2021 Reporter ohne Grenzen Deutschland Das Fotobuch „Fotos für die Pressefreiheit 2021“ versammelt bewegende Bilder von wichtigen Brennpunkten aus dem ­z urückliegenden Jahr. Renommierte Fotografinnen und ­Fotografen dokumentieren darin die dramatischen Auswir­ kungen der Coronapandemie in Brasilien oder Südafrika, die Freiheitsbewegung in Belarus und das zunehmende Elend von G ­ eflüchteten an den Grenzen der Europäischen Union. Der neue Band erscheint am 3. Mai 2022.

TAZ Verlags- und Vertriebs GmbH 100 S. 100 Abb. 21,1 x 28,2 cm Kartoniert EUR 14 (D) ISBN 978-3937683904 Dt. © STR/ AFP/ Getty Images/ Reporter ohne Grenzen

David Hockney: Insights Hrsg. Ingried Brugger, Bettina M. Busse, Veronika Rudorfer David Hockney ist einer der einflussreichsten Künstler der Gegenwart. Mit Bildern aus fast 70 Jahren seiner Karriere feiert dieser opulent produzierte Band die ­E xperimentierfreude von Hockneys Œuvre. Beiträge ­renommierter Autorinnen und Autoren beleuchten ­H ockneys ­s tändige Suche nach neuen Ausdrucksformen, die topografischen und biografischen Bezugspunkte ­s einer ­B ilder, neue technische Aspekte seiner Malerei und ­G rafik sowie seinen Umgang mit neuen Medien.

Migration, Klimawandel, Pandemien, Rassismus, Kom­ munikation, unser Verhältnis zur eigenen Geschichte – in außergewöhnlichen Karten und Grafiken geht der „Atlas des Unsichtbaren“ den großen Themen der Gegenwart auf den Grund. Welche Chancen und Risiken liegen in den Unmengen an Daten verborgen, die wir online ­h interlassen? Ein spektakuläres Fenster zur Welt für alle, die mithilfe origineller Bilder die Welt besser verstehen wollen.

DCV 200 S. 112 Farbabb. 22,5 x 28,5 cm Hardcover EUR 35 (D) ISBN 978-3-96912-067-5 Dt./Eng.

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Atlas des Unsichtbaren. Karten und Grafiken, die unseren Blick auf die Welt verändern James Cheshire, Oliver Uberti Aus dem Englischen von Marlene Fleißig

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Carl Hanser Verlag 216 S. Infografiken, Karten und Ausklappseiten Durchgehend vierfarbig 19 x 25 cm Gebunden EUR 26 (D) ISBN 978-3-446-27093-0 Dt.


190 Die Serie „LA MEMORIA – OVERWRITE THE PAST“ von Marc Peschke hat das fotografische Medium selbst zum ­Thema. Er geht dabei von historischen Familienbildern unbe­ kannter Amateurfotografinnen und -fotografen aus, die er sammelt, bearbeitet und abschließend mit Texten versieht. Es gibt eine lange Tradition der Aneignung anonymer Fotografie durch die Kunst. Doch diese Serie ist anders. Sie richtet nicht nur ihren Blick auf die medial reproduzierte Ver­ gangenheit. Die Frage, welche die Serie stellt, ist vor allem: Was kann eine Fotografie mit unseren Vorstellungen ma­ chen? Welche Fantasien hervorrufen? Es stecken abgründige Geschichten in jeder Fotografie, doch diese sind nicht ein­ deutig. Jedes Bild ist vielfach lesbar, kann seine Funktion verändern.

Marc Peschke LA MEMORIA – OVERWRITE THE PAST Katalogdesign: Heiko Hünnerkopf, Wertheim am Main marcpeschke.de 2022 Wertheim am Main 44 S. 40 Farb-Abb. 21 x 15 cm broschiert EUR 10 Dt.

Dies geschieht hier vor allem über die Texte, die in m ­ arkanter Typografie und kräftiger Schriftstärke, stets in Versalien, zum Teil laut und plakativ, auf die Fotografien geblendet wurden. Diese Texte, Sätze oder Satzfragmente in verschiedenen Spra­ chen sind freie Assoziationen, gelegentlich popkulturelle Zitate, die neue Versionen einer Geschichte entstehen lassen. „LA MEMORIA – OVERWRITE THE PAST“ ist eine nostalgische und zugleich exotische Entdeckungsreise in die Vergangenheit, führt in andere Länder und Landschaften, doch erzählen die Umdeutungen und Kontextverschiebun­ gen ebenso von ganz aktuellen Fragen des Menschseins. Die größte ist: Wie wahr sind die Bilder? Dank eines Stipendiums des Ministeriums für Wis­ senschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg ist nun ein 4 4-seitiger Katalog erschienen, der über den Künstler ­bezogen werden kann . www. marc peschke . de

BE S T E L LU NG E I N Z E L MO T I V E

Auflage je Motiv 15 plus 2 Künstlerexemplare, signiert, num­ meriert, matter Fotodruck auf Alu-Dibond, ab 190 Euro im Format 40 x 30 cm, weitere Größen, Preise und individuelle Präsentationsausführungen auf Anfrage.


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Der Sprüher Eric lässt sich an einer Brandmauer in der Hamburger Hafenstraße abseilen und sprüht den Spruch „Gestern Vietnam Heute Kurdistan“. Das Bild wird nach kurzer Zeit von der Polizei schwarz übergestrichen. Foto: © Marily Stroux, 1994

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Ob Rap, DJ-ing, Breaking oder Graffiti: Hip-Hop, Anfang der „EINE STADT WIRD BUNT“ blickt hinter die Kulissen einer 1970er-Jahre in den USA entstanden, ist längst auf der ganzen notorisch verschwiegenen Szene und erzählt deren Entste­ Welt zu Hause. Doch die Musik, der Tanz und die Sprühkunst hungsgeschichte im zeithistorischen Kontext. Das Buch lädt wurden an den Orten, die sie auf ihrem Weg um den Globus zu einem neuen Blick ein: auf Rolle und Bedeutung von Sub­ erreichten, nicht einfach kopiert und konsumiert. Vielmehr kultur im Allgemeinen und das Phänomen „Graffiti“ im gilt: Die Kultur wurde und wird in lokalen Kontexten immer Speziellen. wieder neu interpretiert. Und überall dort, wo sie eine Heimat gefunden hat, lässt sich eine ganz eigene Geschichte der lo­ e i n e s t a d t w i rd b u n t . d e kalen Aneignung erzählen. Für das Phänomen Graffiti in Hamburg leistet diese Arbeit nun das Buch „EINE STADT WIRD BUNT. Hamburg EINE STADT WIRD BUNT. Graffiti History 1980−1999“. Der Bild-Text-Band dokumen­ Hamburg Graffiti History 1980–1999 tiert auf 560 Seiten detailreich, wie „Writing“ in Hamburg Hrsg.: Oliver Nebel, Frank Petering, anfing und welche sozialen und kulturellen Umstände dazu Mirko Reisser, Andreas Timm beitrugen. Einem breiteren Publikum wurde das wohl erst ­bewusst, als 1989 im Magazin „Stern“ eine Reportage über Hip-Hop in Deutschland veröffentlicht wurde. Die „Stern“-­ Fotos gehören mit zu den ersten professionellen Aufnahmen der Szene in Deutschland, von denen einige im Buch ver­ sammelt sind. Der Großteil der über 1.300 Bilder aber – die meisten davon bis dato unveröffentlicht – sind Amateuraufnahmen DOUBLE-H 560 S. aus den Privatarchiven der Szene. Man sieht hier vor allem: Über 1.300 Farb- u. S/W-Abb. Brachf lächen, Gewerbegebäude, Brücken und Mauern ent­ 32 x 25 x 5 cm Hardcover lang der Bahnlinien. Triste Orte – wären da nicht die bunten EUR 69,90 Graffitis, die ihnen Leben einhauchten und das Stadtbild im ISBN 978-3-000-69133-1 Laufe der Jahre veränderten. Auf vielen anderen Bildern insze­ Dt. mit zusätzlichen eng. Texten nieren sich die Sprüher, oft in der Gruppe, selbst. Die Porträts erzählen von der Suche nach Freiheit und Abenteuer, von Freundschaft und Zusammenhalt.

FRÜH JAHR 2022 — MEDIENTIPPS

Wie Graffiti nach Hamburg kam


KUNSTWERK I SAMMLUNG KLEIN SIEMENSSTRASSE 40 I 71735 EBERDINGEN-NUSSDORF TELEFON +49 (0) 70 42 - 37 69 566 I WWW.SAMMLUNG-KLEIN.DE GEÖFFNET MITTWOCH BIS FREITAG UND SONNTAG VON 11 - 17 UHR

Sprechende Bilder Graphic Novel & Comic

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kunsthalle-goeppingen.de

Kunsthalle Göppingen


Karl-Heinz Bogner Übergänge TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen 19.05. – 29.07.2022

TTR Technologiepark Tübingen-Reutlingen Gerhard-Kindler-Straße 13 72770 Reutlingen T +49 (0) 7121 909 79 90

Öffnungszeiten Mo–Fr 9–18 Uhr Sa, So, feiertags geschlossen www.ttr-gmbh.de


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Achberg

A schaf fenburg

Bad Bentheim

SpielART Kunst ist Spiel / Spiel ist Kunst

TOUGH CONNECTIONS

appreciate the details Felix Becker, Nelleke Beltjens, Artjom Chepovetskyy, Jaeyun Moon, Eunji Seo, Sarah Walker

9.4. – 23.10.2022 Schloss Achberg Von Frühjahr bis Herbst 2022 wird Schloss Achberg zur „Spielwiese“. Stadt und Landkreis Ravensburg sind weltbekannt für Spiele und Kinderbücher. Schloss ­A chberg und Kuratorin Ilonka Czerny nehmen das zum Anlass zu erkunden, was Spiel und Kunst miteinander zu tun haben. 15 Künstlerinnen und Künstler, ein Künstlerduo und ein Computerspiel-­E ntwicklerteam sind dabei. Die Ausstellung durchzieht ein doppelter Grundgedanke: „Kunst kann ein Spiel sein“ und „Spiel kann Kunst sein“. Einige Ar­b eiten wurden eigens für die Präsentation in den Räumen von Schloss Achberg entworfen oder dafür angepasst. Die Ausstellung ist ein Ort der Begegnung, wo Anfassen und Mitspielen erwünscht sind. Die Kunstwerke sind überwiegend interaktiv und l­ aden alle Generationen zum Entdecken und Kreativwerden ein. Künstlerisch-spielerische ­I mpulse geben rosalie, Erwin Wurm, Eva Gieselberg und viele mehr. ☞ Schloss Achberg Fr 14–18 Uhr, Sa/So/Feiertag 11–18 Uhr 88147 Achberg (Duznau) T +49 (0) 751 859510 www.schloss-achberg.de

Bis 1.5.2022 KunstLANDing „Tough Connections“ spielt mit der Wahrnehmung und unserer Position in der Welt: Mit Mike Cloud macht ein aufstrebender afroamerikanischer Künstler erstmals den Sprung über den Teich. Sein Werk fesselt durch das konsequente Infragestellen unserer Denk- und Sichtweise. Dazu schafft Ulrik Happy Dannenberg mit seinen unerreichbaren Pop-Ikonen dieser Konsumwelt visuelle Angebote, die etwas versprechen, das sie nicht halten. Auch die objektartigen Wand-/­B odenarbeiten von Rita Rohlfing im Dialog mit den ausgreifenden Farb-Raum-Installationen von Achim Zeman stellen unsere gewohnte Perspektive infrage, indem wir die visuellen Aspekte des umgebenden Raumes erkunden. „Tough Connections“ führt uns in einem farbstarken Fest der Sinneseindrücke durch das Haus des „KunstLANDings“. ☞ KunstLANDing Neuer Kunstverein Aschaffenburg e. V. Di 14–19, Mi–So/Feiertag 11–17 Uhr Landingstraße 16, 63739 Aschaffenburg T +49 (0) 6021 299278 www.kunstlanding.de

1.5. – 20.8.2022 gopea-Kunstraum Wie der Ausstellungstitel schon andeutet, steht hier die Wichtigkeit scheinbar marginaler Details für die visuelle Erfassung eines Kunstwerks im Mittelpunkt des Interesses. Damit sind die Besucher zu einer aufmerksamen, entdeckungsreichen Betrachtung der ­E xponate eingeladen. Die international besetzte Ausstellung garantiert eine große stilistische Spannweite, die von den repetitiv mit Bleistiftstrichen übersäten Bildern der Koreanerin Eunji Seo und der zurückhaltenden Farbigkeit der pastosen Gemälde des deutschen Malers Felix Becker bis zu überbordenden, starkfarbigen Acrylarbeiten von Sarah Walker aus New York reicht. Dazu kommen Zeichnungen der ­N iederländerin Nelleke Beltjens, die mit unzähligen Strichen und ­Z erschneidungen ihrer Bildfelder arbeitet, die vielschichtige, additiv-subtraktiv angelegte Acrylmalerei der Koreanerin Jaeyun Moon und ­A rbeiten des aus der Ukraine stammenden Künstlers Artjom Chepovetskyy, die durch subtile Überlage­r ungen verschiedener Bild­ ebenen geprägt sind. ☞ gopea-Kunstraum Marstall im Museum der Burg Bentheim Mo–So 10–18 Uhr Schloßstraße, 48455 Bad Bentheim T +49 (0) 5921 8010200 gopea-kunstraum.de

Eva Gieselberg, „Kreisverkehr, blau“, 2016, © Eva Gieselberg

„Mr. Mike Cloud S of B“, 2016, Öl auf Leinwand, 100 x 80 x 5 Inch (254 x 203,20 x 12,70 cm), © Mike Cloud Sarah Walker, „Metamorph“, 2021, Acryl auf Holzplatte, 30,5 x 30,5 cm, © Sarah Walker


Davos

AUKTIONEN Kunst des 19. bis 21. Jahrhunderts

Die Weissenhofer „Playback“ Bis 19.6.2022

Europa auf Kur Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos

Wenn die Berge ausatmen – Schriftkunst von Christiane Kleinhempel

Bis 30.10.2022 Kirchner Museum Davos

16.6. – 17.6.2022 Galerie Kornfeld, Bern Zu den Höhepunkten der Sommerauktionen vom 16. und 17. Juni 2022 zählen Arbeiten der Klassischen Moderne, der Gegenwartskunst, der Schweizer Kunst und wichtiger Druckgrafik. Zum Aufruf kommen ein bedeutendes Gemälde von Fernand Léger, „Compo­ sition aux trois figures“ von 1932 (Öl auf Leinwand, 66 x 91 cm, Schätzung eine Million Franken) sowie eine sehr schöne Bronzeskulptur von Alberto ­G iacometti, „Buste de femme aux bras croisées ­( Francine Torrent)“ von 1964 (geschätzt auf 1,5 Mil­ lionen Franken), beide aus Schweizer Privatbesitz. Die Gegenwartskunst ist durch eine Arbeit von Yves Klein, „Cosmogonie sans titre (COS 20)“ von 1960 (reines Pigment auf Papier auf Leinwand, 65 x 44 cm, geschätzt auf 500.000 Franken), vertreten. Ein kapitales Gemälde der Schweizer Kunst aus der wichtigsten Arbeitsphase von Ferdinand Hodler, „Der Brienzersee von Breitlauenen aus“ von 1906 (Öl und Fettkreiden auf Leinwand, 65,5 x 95,5 cm) wird mit einem Aufrufpreis von drei Millionen Franken zur ­A uktion kommen. ☞ Galerie Kornfeld, Bern Mo–Fr 9–12 Uhr und 14–18 Uhr Laupenstraße 41, PF, CH-3001 Bern T +41 (0) 31 3814673 www.kornfeld.ch

Bis 19.6.2022 Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Die Weissenhofer sind zurück! 1995 gründete sich die Künstlergruppe und besteht heute aus Keith (alias Jörg Mandernach), Bob (alias Uwe Schäfer) und Carl (alias Matthias Beckmann). Der Legende nach stammen die drei Brüder aus dem Wallis. Als der elterliche Bauernhof abbrannte, wanderten sie nach Amerika aus, ­w urden Cowboys, Künstler und Musiker. Für B­ ietigheim-Bissingen haben sie ihre von der Kunst­ geschichtsschreibung ignorierte Urgroßtante Alma Weissenhofer wiederentdeckt und ihr Hauptwerk ­r ekonstruiert: einen skulpturalen Bau, den sie einst in ihrem Wohnhaus errichtete. Mit Einzelpräsenta­t ionen rund um dieses im Zentrum stehende revolutionäre Gesamtkunstwerk zeigen die drei Weissenhofer, wohin sie ihre individuellen künstlerischen Wege ­g eführt ­h aben. Mit ihren Bildern, Zeichnungen und Installationen spielen sie sich selbst, aber auch den Ausstellungsbesucherinnen und -besuchern geschickt die Bälle zu. Und laden zum „Playback“ ein. ☞ Städtische Galerie Bietigheim-Bissingen Di/Mi/Fr 14–18 Uhr, Do 14–20 Uhr Sa/So/Feiertag 11–18 Uhr Hauptstraße 60–64, 74321 Bietigheim-Bissingen T +49 (0) 7142 74-483 galerie.bietigheim-bissingen.de

Seit mehr als 150 Jahren ist Davos ein symbolischer Ort, ein Kristallisationsunkt europäischer Kultur­ geschichte und politischer Entwicklungen. Nirgendwo sonst verdichten sich Hoffnungen und Sehnsüchte, die Ängste und Bedrohungen des späten 19. und ­f rühen 20. Jahrhunderts in vergleichbarer Form. Die Allgegenwart gesundheitlicher Gefahren schafft damals wie heute ein Gefühl der Dauerkrise. In Davos traf sich, was Rang und Namen hatte: Ernst Ludwig Kirchner, Katia und Thomas Mann, Arthur Conan D­ oyle aber auch Robert Louis Stevenson, Albert ­E instein oder Sonja Henie, die erfolgreichste Eiskunstläuferin aller Zeiten.Die Ausstellung im Kirchner ­M useum zieht ­V erbindungslinien zwischen Medizin- und Kur­ geschichte, Architektur, Wintersport, Kunst und ­L iteratur, Philosophie und Politik. Meisterwerke Ernst Ludwig Kirchners eröffnen einen neuen Blick auf das kulturelle Leben Europas zur Zeit der Jahr­ hundertwende um 1900. ☞ Kirchner Museum Davos Di–So 11–18 Uhr E. L. Kirchner Platz, Promenade 82, CH-7270 Davos Platz T +41 (0) 81 4106300 www.kirchnermuseum.ch

Ausstellungsmotiv „Mythos Davos“, © Kirchner Museum Davos

Die Weissenhofer, „Wir machen Kunst und wir machen Geld“, 2007 Alberto Giacometti, „Buste de femme aux bras croisés (Francine Torrent)“, 1964, Bronze, AGD 4366 © Succession Alberto Giacometti / 2022, ProLitteris, Zürich

FRÜH JAHR 2022

Biethigheim-Bissingen

ARTMAPP

Bern

TERMINE FÜR ENTDECKER

195


196

Eberdingen-Nussdor f

Göttingen

Güstrow

Vertauschte Köpfe. Andreas Mühe. Konrad Mühe.

Aus Südafrika Santu Mofokeng − Fotografie William Kentridge − Radierungen Banele Khoza − Grafik

Bis 3.7.2022 Ernst Barlach Stiftung

Bis 1.5.2022 KUNSTWERK Bis zum 1. Mai 2022 zeigt die Sammlung Klein unter dem Titel „Vertauschte Köpfe“ Werke von Andreas und Konrad Mühe. Die beiden in Berlin lebenden ­B rüder realisierten im KUNSTWERK erstmals ein g­ emeinsames Projekt. Den Hintergrund bildet dabei die Geschichte der eigenen Familie, ausgehend von ihren prominenten Eltern, dem 2007 verstorbenen Schauspieler Ulrich Mühe und der Theaterregisseurin Annegret Hahn. In der Ausstellung begegnen sich Fotografien von Andreas Mühe und figurativ an­m utende ­V ideo­s kulpturen von Konrad Mühe, die in ihrem ­M iteinander nach dem Verbindenden im offensichtlich Unterschied­l ichen fragen. Ab 19. Juni 2022 präsentiert der irisch-US-amerikanische Maler Sean Scully im K­ UNSTWERK eine Soloshow mit Leihgaben aus dem Studio des Künstlers und ­N euerwerbungen aus der Sammlung Klein. ☞ KUNSTWERK Sammlung Klein Mi–Fr/So/Feiertag 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 www.sammlung-klein.de

Bis 1.5.2022 Kunsthaus Göttingen Die Kunst Südafrikas ist stark beeinflusst durch die großen Umbrüche der vergangenen drei Jahrzehnte seit Ende des Apartheid-Regimes 1994. Mit Werken von Santu Mofokeng, William Kentridge und Banele Khoza gibt die Ausstellung „Aus Südafrika“ eindrucksvolle Einblicke in die unterschiedlichen Entwicklungen und Facetten südafrikanischer Kunst ­z weier Generationen. Aus Johannesburg stammend und von den kreativen Einflüssen der Stadt indivi­d uell geprägt, sind alle drei Künstler profunde ­G eschichtenerzähler. Kentridges wiederentdeckte Serie „Domestic Scenes“ und ­M ofokengs drei Jahrzehnte umspannenden ­F otografien aus „Stories“ ­z eigen Situationen und ­A ktivitäten von Menschen mit unterschiedlichem ­s ozialen und kultu­r ellen Hintergrund, die während der Apartheid-Ära ein „normales Leben“ unter anormalen Bedingungen führten. ­K hozas farbintensive ­P apierarbeiten erkunden ­e motionale Tiefen und bilden stellvertretend für die neue Künstlergeneration einen visuellen ­K ontrapunkt der Ausstellung. ☞ Kunsthaus Göttingen Do 15–20 Uhr, Fr–So 11–18 Uhr Düstere Straße 7, 37073 Göttingen T +49 (0) 551 50768870 www.kunsthaus-goettingen.de

Balance. Susanne Rast

Susanne Rast gehört zu einer Generation von Bild­ hauerinnen und Bildhauern, die ihr künstlerisches ­A nliegen auf einzigartige Weise konkret ins Material umsetzen. Menschliche Situationen, die von ver­ schiedenen Varianten des Andersseins erzählen, bilden das Grundthema der 1962 in Rostock geborenen ­K ünstlerin. Einfühlsam entwirft sie Porträts, deren Lebensausdruck durch die besondere Bearbeitung der Oberflächen unterstützt wird. Die Ausstellung bietet einen Querschnitt durch das vielschichtige Œuvre ­S usanne Rasts und präsentiert neben dem bildhaue­ rischen Werk auch grafische Arbeiten der Künstlerin. ☞ Ernst Barlach Museen Güstrow Atelierhaus in Güstrow Di–So 11–16 Uhr Heidberg 15, 18273 Güstrow T +49 (0) 3843 84400-0 www.barlach-museen.de

Susanne Rast, „Hans (Detail)“, 2017, Eiche gefasst © Susanne Rast, Foto: Robert Dämmig

Andreas Mühe, „Mühe-Kopf“, 2018, 24-teilige Serie, je 12,7 x 10,2 cm / Konrad Mühe, „Ava“, 2021, Kristallkronleuchter, Zeitschaltuhr, pulverbeschichtetes Metall, Videoprojektor, DVD-Player, Video 4 Min. (Farbe, ohne Ton, Loop) © Andreas Mühe, Konrad Mühe, VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Santu Mofokeng, „Stories – Soweto“ © Santu Mofokeng Foundation, VG Bild-Kunst, Bonn 2022


Heidenheim

Heilbronn

Jena

Herbert Nauderer: Das Haus des Erfinders

Fragile! Alles aus Glas. Grenzbereiche des Skulpturalen

Follow George Grosz Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafik

27.3. – 26.6.2022 KUNSTMUSEUM HEIDENHEIM Mit der Ausstellung „Das Haus des Erfinders“ entführt Herbert Nauderer das Publikum in einen bildmäch­t igen Kosmos aus Zeichnungen, Videoinstallationen, Objekten und Fotomontagen. Die inhaltlich miteinander verschränkten Arbeiten erzählen von einer Expe­d ition zu einer unbekannten Insel nahe des Polar­k reises. Dieser als „Parasite Island“ bezeichnete Ort wird durch die ominösen Machenschaften eines ­„ Erfinders“ ­b estimmt. Innerhalb des Rundgangs locken Land­k arten, Logbucheinträge, Architekturmodelle und andere ­H inweise die Besucherinnen und Besucher auf dessen Fährte. Dem Pfad folgend, tauchen sie dabei immer tiefer in die bedrohlich wirkende Atmosphäre des ­E ilands ein. Die einzelnen Arbeiten sind mit ­z ahlreichen Referenzen gespickt, die Assoziationen zu geschichtlichen Ereignissen, Horrorfilmen, zur Kunst­ geschichte oder zu ­V erschwörungstheorien wachrufen. Daneben zeigt das Kunstmuseum erstmals in Baden-­ Württemberg den mit Sibylle Canonica ­s owie Josef Bierbichler prominent besetzten Film „Parasite Island“. ☞ KUNSTMUSEUM HEIDENHEIM Di/Do–So/Feiertag 11–17 Uhr, Mi 13–19 Uhr Marienstraße 4, 89518 Heidenheim T +49 (0) 7321 327-4810 www.kunstmuseum-heidenheim.de

Bis 15.5.2022 Kunsthalle Vogelmann Die Ausstellung rückt explizit die bildhauerische ­E manzipation des Materials Glas in den Fokus. Dabei wird der „Kult des Kristallinen“ mit Brunos Tauts Glashaus (1914) ebenso anschaulich wie die ­v isio­n ären Architekturfantasien der „Gläsernen Kette“ um Hermann Finsterlin, Wenzel Hablik oder Hans ­S charoun. Zugleich wird das Ringen um die ­o rnamentbefreite skulpturale Form von Gebrauchsglas in Entwürfen von „Allroundern“ wie Peter Behrens, Richard Riemerschmid, Josef Hoffmann oder Wilhelm Wagenfeld zum Thema. Knüpfen konzeptuell-konkrete Künstler wie Larry Bell oder Barry Le Va in den 1960er-Jahren an das „Große Glas“ (1915) von M ­ arcel Duchamp an, wagen sich fast zeitgleich erstmals ­A ltmeister wie Max Ernst oder Hans Arp an das ­M aterial, und Harvey K. Littleton und Erwin Eisch ­b egründen die sogenannte Studioglasbewegung. ­V ielstimmig erscheint die „feste Flüssigkeit“ in der Gegenwartskunst mit Werken u. a. von Asta Gröting, Isa Melsheimer, Tony Cragg, Mona Hatoum oder ­B ethan Huws. ☞ Kunsthalle Vogelmann Di/Mi/Fr–So/Feiertag 11–17 Uhr, Do 11–19 Uhr Allee 28, 74072 Heilbronn T +49 (0) 7131 564420 www.museen-heilbronn.de

9.4. – 26.6.2022 Kunstsammlung Jena Der deutsch-US-amerikanische Maler, Grafiker und Karikaturist George Grosz zählt zu den bekanntesten und – im Hinblick auf seine drastischen und entlarvenden Darstellungen –politisch ambitioniertesten ­K ünstlern des 20. Jahrhunderts. Der Handlungsraum seiner Bilder ist die Großstadt, in der die sozialen ­G egensätze nach dem Ersten Weltkrieg eskalieren. 1932 erhielt Grosz einen Lehrauftrag in New York und siedelte auch aufgrund seiner sich verschlechternden finanziellen Lage am 12. Januar 1933 in die USA. Hier lernte er zahlreiche bedeutende Künstlerinnen und Künstler kennen, zu denen etwa Andy Warhol zählte. Im Werk Warhols sind die sozialkritischen Zeichnungen für das Magazin „LIFE“ eine bemerkenswerte ­B esonderheit, die bisher kaum thematisiert worden ist. Die Ausstellung in der Kunstsammlung Jena vereint rund 100 Werke aus seinen wichtigsten Schaffens­ perioden und stellt sie ausgewählten ­P ositionen ­n achfolgender und zeitgenössischer ­K ünstlerinnen und Künstler gegenüber. ☞ Kunstsammlung Jena Di–So 10–17 Uhr Markt 7, 07743 Jena T +49 (0) 3641 498261 www.kunstsammlung-jena.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

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Kai Schiemenz, „Crystal Chamber“, 2013, Sammlung Kemmler, Stuttgart, Foto: Galerie EIGEN + ART, Berlin

George Grosz, „Auf der Flucht“, 1919, Tuschfeder auf Papier

© VG Bild-Kunst, Bonn 2022

© VG Bild-Kunst, Bonn 2022

ARTMAPP

Fotomontage, Bleistift, Schreibmaschine auf Papier

FRÜH JAHR 2022

Herbert Nauderer, „Der Spezialist“, aus dem Zyklus „Das Haus des Erfinders“, 2020/21,


198

Kaiserslautern

Karlsruhe

Karlsruhe

Hans Hofmann – Chimbote Farben für die neue Stadt

BioMedien. Das Zeitalter der Medien mit lebensähnlichem Verhalten Das ZKM zu Gast bei der EnBW

Sigmar Polke Dualismen

9.4. – 18.9.2022 Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Als Vertreter des abstrakten Expressionismus, der ­f ührenden Richtung in der US-amerikanischen Malerei der 1950er-Jahre, zählt Hans Hofmann (1880−1966) zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Schon in früheren Jahren stellte das mpk seine wegweisende Malerei und sein frühes ­z eichnerisches Œuvre in großen Ausstellungen vor. Jetzt zeigt das Museum des Bezirksverbands in E­ uropa bisher weitgehend unbekannte Entwürfe von Hofmann für farbige Wandmalereien, die der in die USA ­i mmigrierte Künstler in Zusammenarbeit mit den ­e benfalls in Amerika wirkenden Architekten Josep Lluís Sert und Paul Lester Wiener 1950 geschaffen hat. Ihr nach Ende des Zweiten Weltkrieges ent­w ickelter Stadt­e ntwurf für das peruanische Chimbote wurde nicht realisiert, doch vermitteln Hofmanns groß­ formatige farbintensive Arbeiten einen kon­z entrierten Eindruck dieses visionären Projektes. Zeichnungen und ein Stadtplan komplettieren die Ausstellung. ☞ Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Di 11–20 Uhr, Mi–So/Feiertag 10–17 Uhr Museumsplatz 1, 67657 Kaiserslautern T +49 (0) 631 3647201 www.mpk.de

1.4. – 31.7.2022 EnBW, Karlsruhe Wie werden wir in Zukunft mit dem Einsatz der KI, der Künstlichen Intelligenz, leben? Dieser Frage widmet sich eine Ausstellung, die vom ZKM konzipiert wurde und nun – parallel zur eigenen Schau – am Konzernsitz der EnBW in Karlsruhe gezeigt wird. Die EnBW und das ZKM sind seit Jahrzehnten Sponsoringpartner. ­B eide verbindet die Affinität zu technischen Entwicklungen und Fragen. In der Ausstellung geht es nicht um Konkurrenz, sondern um ein Miteinander von Mensch und IT-gestützten Anwendungen. Das ZKM ist also wieder einmal mit einem höchst relevanten Thema zu Gast bei der EnBW. In den Räumen der EnBW werden vier Installationen präsentiert (zwei davon sind interaktiv), die mit dem Einsatz von ­Technik, IT und KI ­V erhaltensweisen von Lebewesen simulieren und in eine neue Realität überführen. Die Ausstellung ­„ BioMedien“ schaut in die Zukunft des Menschen und vermittelt die Einsicht, dass die Nutzung von Sprach­ assistenten wie „Siri“ oder ­„ Alexa“ erst der Anfang ist. ☞ EnBW AG Mi–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe T +49 (0) 721 63-12013 www.enbw.com

5.3. – 12.6.2022 Städtische Galerie Karlsruhe Sigmar Polke (1941–2010) zählt zu den bedeu­ tendsten Vertretern der Kunst des 20. Jahrhunderts. Neugier, Witz und hintergründige Ironie, aber auch Kritik an gesellschaftlichen Bedingungen und philo­ sophische Reflexionen sind für seine Werke charakteristisch. Polkes immer wieder überraschende, sich jeder Verbindlichkeit entziehende Stilwendungen sind das Ergebnis einer Vorgehensweise, die eine Fülle von ­I deen, Themen und Materialien aufgreift, dabei unbefangen aus dem Fundus der Kunstgeschichte zitiert, den Zufall absichtsvoll nutzt und mit alche­m istischer Experimentierfreude erstaunt. Strategien des Transfers und der Kontextverschiebung, der Verfremdung und Irritation spielen hierbei eine entscheidende ­R olle. Die in Kooperation mit dem Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg vorbereitete Aus­s tellung bietet mit mehr als 100 Exponaten einen umfassenden Einblick in Polkes Schaffen zwischen 1963 und 2009. ☞ Städtische Galerie Karlsruhe Mi–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Lorenzstraße 27, 76135 Karlsruhe T +49 (0) 721 133-4444 www.staedtische-galerie.de

Universal Everything, „Future You“, 2018, © Universal Everything

Sigmar Polke, „Berliner (Bäckerblume)“, 1965, Städtische Galerie Karlsruhe, Sammlung Garnatz, © The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Hans Hofmann, „Chimbote Mural (Fragment of Part I)“, 1950, Öl auf Papier, auf Karton montiert, 213,4 x 121,9 cm, Foto: Renate, Hans and Maria Hofmann Trust © VG Bild-Kunst, Bonn 2022


Kornwestheim

Künzelsau

Ludwigsburg

Stefan Rohrer − Speed Lines

Ugo Dossi. Zeichen

Bis 24.4.2022

Bis 3.7.2022 Museum Würth

Gustavo Díaz Sosa V.I.T.R.I.O.L.

Helden des Südwestens Kultprodukte und Werbeikonen aus Baden-Württemberg Bis 26.6.2022 Museum im Kleihues-Bau Der Stuttgarter Künstler Stefan Rohrer kreiert aus ­A utokarosserien, Motorrollern und Modellautos eigenwillige Kreationen, die sich in geschwungenen Linien von ihrer ursprünglichen Form lösen. Es entstehen ­w ilde Konstruktionen, die den ganzen Raum füllen und den Blick in den Bann ziehen. Rohrers raum­g reifende Plastiken sind gewissermaßen in die Drei­d imensio­ nalität übersetzte Comicstrips. Denn wie dort gelingt es Rohrer, mit der Darstellung eines einzigen Moments eine ganze Geschichte zu erzählen. Wer aus dem ­S üdwesten Deutschlands kommt, wird besonders die Ohren spitzen, wenn über Steiff-­P lüschtiere oder den Getränke­k lassiker Caro-Kaffee gesprochen wird – schließlich handelt es sich bei diesen Kultprodukten um Marken mit dem Label „Made in Baden-Württemberg“. Neben diesen Errungenschaften bekommt nun auch der Salamander-Held „Lurchi“ e­ inen besonderen Platz im Museum. Die Ausstellung ermöglicht einen nostal­ gischen Blick auf die eigene Kindheit. ☞ Museum im Kleihues-Bau Fr–So 11–18 Uhr Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim T +49 (0) 7154 202-7401 www.museen-kornwestheim.de

21.4. – 2.6.2022 Kunstverein Ludwigsburg

Das Werk des Multimediakünstlers Ugo Dossi kreist um die Wechselwirkung von Kunst und moderner ­W issenschaft, um die Kreativität und Intelligenz des Unbewussten sowie um Sinnliches und Übersinnliches. Schon früh war der Münchner von der Kultur des Alten Ägypten und der Wirkmacht ihrer Hieroglyphen ­f asziniert. Seine eigene elementar reduzierte ­S ymbolund-Zeichensprache schöpft aus dem Reichtum dieser Vorstellungswelt. Die Ausstellung im Museum Würth lädt zu einer „immateriellen Reise nach Ägypten“, in eine Welt voller Zeichen und Wunder ein. Sie entstand in enger Kooperation mit dem Künstler. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei. ☞ Museum Würth Mo–So 11–18 Uhr Reinhold-Würth-Straße 15, 74653 Künzelsau T +49 (0) 7940 15-2200 www.kunst.wuerth.com

Gustavo Díaz Sosa zeigt Leinwände, neue Papier­ arbeiten und Radierungen, die von politischer Macht, gesellschaftlicher Ohnmacht und menschlicher Unterwerfung handeln. In den offen gestalteten, zugleich beklemmend wirkenden ortlosen Räumen präsentiert er miniaturgroße menschliche Figuren. Massiv ragen seine detailliert gezeichneten Gebäude aus der Umgebung empor. Die Gestalten verschwinden fast gänzlich in den Landschaften. Die Bildwelten erwecken den Eindruck von totalitären Systemen und lassen über aktuelle globale Macht- und Politikverhältnisse ­n achdenken. Ebenso eröffnen Díaz Sosas Werke ­V erknüpfungen zur Literatur von Franz Kafka oder ­G eorge Orwell, beinhalten Bezüge zur romantischen Malerei oder zu biblischen Themen wie der alt­ testamentarischen Erzählung vom Turmbau zu Babel. Babylon ist in der Kultur seit jeher mit den Urängsten der Menschen wie Freiheitsverlust oder Angst vor dem Unbekannten verbunden. Dies hat an ­A ktualität nichts verloren, die Motive sind ­e xistenzielle Spiegelbilder. ☞ Kunstverein Ludwigsburg Do–So 14–18 Uhr Eberhardstraße 1, 71634 Ludwigsburg T +49 (0) 7141 929196 www.kunstverein-ludwigsburg.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

199

Ugo Dossi, „NEFER / IR“, 2019, Sammlung Carmen Würth, Inv.-Nr. 18287

Foto: Hubert & Fischer

FRÜH JAHR 2022

Stefan Rohrer, „5. Schleudertrauma“, 2012, Modellautos, Stahl, Lack, 96 x 275 x 38 cm,

© Gustavo Díaz Sosa

ARTMAPP

© Ugo Dossi, VG Bild-Kunst, Bonn 2022


200

München

Nürnberg

Nürnberg

Handwerk & Design

Das Bernsteinzimmer − endlich gefunden!

werner knaupp. vulkan = tod

6.7. – 10.7.2022

Bis 29.5.2022 Kunstvilla im KunstKulturQuartier

8.5. – 26.6.2022 Kunstkontor Nürnberg

In der Reihe ihrer Ausstellungen mit Nürnberger K­ ünstlergruppen und -vereinen zeigt die Kunstvilla noch bis Ende Mai Künstlerinnen und Künstler der ­P roduzentengalerie Bernsteinzimmer. Die dort vertre­ tene Künstlerschar ist vielseitig und bunt, unangepasst und ausgefallen. Gemeinsam ist den Bernsteinzimmer-­ Künstlerinnen und -Künstlern ihre Einstellung zur Kunst als Lebensgrundlage. Mit unbändiger und uner­ schrockener Kreativität wird unter ihren Händen alles zu Kunst: Poesie trifft auf Balkanrock, Zise­liertes auf Bad Painting, Kitsch auf Hochkunst – und musikalischen wie leiblichen Genüssen ist man ebenfalls nicht abgeneigt. Die ausgestellten Werke zeigen vielfach einen Bezug zur Populärkultur und umfassen Gemälde, Zeichnungen und Plastiken. ☞ Kunstvilla im KunstKulturQuartier Di/Do–So/Feiertag 11–18 Uhr, Mi 11–20 Uhr Blumenstraße 17, 90402 Nürnberg T +49 (0) 911 231-15893 www.kunstvilla.org

Im Mai 2021 feierte Werner Knaupp seinen 85. Geburtstag. Ein kleiner Virus verhinderte eine würdi­ gende Feier in Form einer Ausstellung. Sehr gut − im Nachhinein betrachtet. Denn Knaupp schuf in der verordneten Zeit des Rückzugs eine neue Werkreihe von Vulkanen. „Vulkan = Tod“, so der beinahe lapidare Titel, der nun im Kunstkontor Nürnberg gezeigten ­A usstellung. Der Vulkan löscht alles Leben aus, so der Künstler. Doch die Werke wecken auch andere Asso­ ziationen: … energiegeladen, kraftvoll, eruptiv, ­ü berbordend … Wie ein Symbol für den überaus ­p roduktiven Künstler in seinem 86. Lebensjahr. ☞ Kunstkontor Nürnberg Fr–Sa 14–19 Uhr u. n. V. Füll 12, 90403 Nürnberg T +49 (0) 179 8114825 www.kunstkontor-nuernberg.de www.wernerknaupp.de

Handwerkskunst und Design auf höchstem Niveau! Die seit 2008 im Rahmen der IHM stattfindende „Handwerk & Design“ zeigt eine Kombination aus ­h andwerklichem Können und erstklassigem Design. Rund 250 Künstler, Kunsthandwerker, Schmuck­ gestalter und Modedesigner präsentieren ihre faszi­ nierenden Produkte. Mit ihrer Kreativität und ihrem Können machen sie die „Handwerk & Design“ zu ­e twas Einzigartigem. Ein Highlight unter den inter­n ationalen Sonderschauen ist die „SCHMUCK“ – ein Forum des zeitgenössischen Schmucks mit Weltruf. 2021 haben sich 670 Schmuckgestalter aus 43 Ländern zur Wahl gestellt, um ihre Werke auf der renommierten Sonderschau zu präsentieren. Für 2022 hat Kuratorin Helen Britton 63 Teilnehmer aus 26 Ländern ausgewählt. Die besten Arbeiten werden mit dem Herbert-­ Hoffmann-Preis ausgezeichnet. Im Bereich „­ FRAME“ sind namhafte Galerien wie die Galerie ­M arzee (NLD), Galerie Rosemarie Jäger (DEU), G­ alerie Noel ­G uyomarc’h (CAN), Platina (SWE), Siat Gallery (FRA), Tinsel Gallery (ZAF) zu Gast. Einmalig, vielseitig und immer wieder überraschend! ☞ Handwerk & Design Internationale Handwerksmesse Mi–So 9.30–18 Uhr Messe München, Am Messeturm, 81829 München T +49 (0) 89 189149555 www.ihm-handwerk-design.com

„Handwerk & Design“ 2022

Ausstellungsansicht „Das Bernsteinzimmer − endlich gefunden!“

Werner Knaupp, „Vulkan 28/2021“, Acryl auf Fotografie,

© Kunstvilla, Foto: Annette Kradisch

120 x 90 cm, © Foto: Werner Knaupp, VG Bild-Kunst, Bonn 2022


Rorschach

Rosenheim

Lust auf mehr Neues aus der Sammlung Würth zur Kunst nach 1960

La Belle Époque Der Zauber des Jugendstils

Bis 12.2.2023 Forum Würth Rorschach Die Ausstellung im Forum Würth Rorschach zeigt a­ lles: das Spektakuläre, das Stille, das Arrivierte, das noch Aufstrebende. Sie präsentiert ausgewählte ­N eu­e rwerbungen von Gegenwartskunst seit den ­1960er-­J ahren sowie aktuelle zeitgenössische Arbeiten. Zu sehen sind Werke von Georg Baselitz über Alex Katz bis zu Maria Lassnig, Marc Quinn und M ­ ichael ­S ailstorfer. Großen Raum nehmen dabei die ­U S-­A merikaner ein, darunter Altmeister wie John ­B aldessari, Sam Francis, Peter Halley sowie David Lynch. Doch auch Positionen aus Deutschland, etwa Gerhard Richter, Neo Rauch, Jörg Immendorff und ­M arkus Lüpertz, sind vertreten. Gehen Sie mit auf E­ ntdeckungsreise und erkunden Sie die ­w eitver­z weigte Welt der Sammlung Würth. ☞ Forum Würth Rorschach Oktober–März: Di–So 11–17 Uhr April–September: Mo–So 10–18 Uhr Churerstraße 10, CH-9400 Rorschach T +41 (0) 71 2251070 www.wuerth-haus-rorschach.ch/kunst

Bis 1.5.2022 Städtische Galerie Rosenheim Jugendstil wird mit einer Epoche glanzvoller Eleganz und Sinnlichkeit in Verbindung gebracht: Die Suche nach neuen Darstellungsformen, das Streben nach der Synthese der Künste und der kühne Wunsch, diese mit allen Lebenssphären zu vereinen, kennzeichnen den Jugendstil, der seinen Höhepunkt im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert erreichte. Gerade in dieser Zeit erlebte auch Rosenheim einen enormen Aufschwung: Kulturinstitutionen wurden reformiert, ambitionierte Bauprojekte umgesetzt und eine öffent­ liche Kunstsammlung von Max Bram eingerichtet. In Rosenheim, im Chiemgau und Inntal formte sich eine vielfältige und austauschwillige Künstlerszene, die für Impulse aus den großen Kunstzentren Wien und München äußerst offen war. Die Ausstellung präsentiert die Entwicklung des Jugendstils sowohl im internationalen als auch regionalen Kontext. Lokale Künstler wie Hans Müller-Schnuttenbach oder Rudolf Sieck werden neben europaweit bekannten Künstlern wie Franz von Stuck, Bruno Paul oder Émile Gallé präsentiert und dabei die vielfältigen künstlerischen Inter­ aktionen in Malerei, Grafik, angewandter Kunst sowie Architektur herausgestellt. ☞ Städtische Galerie Rosenheim Di–So 13–17 Uhr Max-Bram-Platz 2, 83022 Rosenheim T +49 (0) 8031 3651447 galerie.rosenheim.de

“dieses Museum muss man gesehen haben, es ist ein Gesamtkunstwerk” (Besucherstimme)

TERMINE FÜR ENTDECKER

201

Museum Stangenberg Merck Helene-Christaller-Weg 13 64342 Seeheim-Jugenheim Tel. 06257 - 90 53 61 www.museum-jugenheim.de facebook: Museum Stangenberg Merck geöffnet: Mi - Fr: 15 - 19 Uhr Sa / So / FT: 11 - 18 Uhr

Nr. 51, 1898, Privatbesitz München, © Marianne Franke

ARTMAPP

„JUGEND. Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben“,

FRÜH JAHR 2022

Ausstellungsansicht „Lust auf mehr“


202

Sindelfingen

Stuttgart

ORTSWECHSEL Fotografie aus der Modernen Galerie – Saarbrücken

body|spaces Fotografie, eine Raumerfahrung

Bis 19.6.2022 SCHAUWERK Sindelfingen Rund 250 Werke der umfangreichen und bedeutenden Fotografiesammlung aus dem Saarland, die bereits in den 1950er-Jahren begründet wurde, sind derzeit im SCHAUWERK Sindelfingen zu sehen. Ihre Anfänge ­g ehen zurück auf den Fotopionier und Initiator der „subjektiven Fotografie“ Otto Steinert. Die ausgewählten Arbeiten knapp 30 verschiedener Künstlerinnen und Künstler umfassen den Zeitraum 1925 bis 2015 und eröffnen Einblicke in programmatische Entwick­ lungen der Fotografiegeschichte. Werke von Albert Renger-Patzsch und László Moholy-Nagy aus den 1920er-Jahren sind ebenso vertreten wie Arbeiten aus dem Umkreis der Saarbrücker Schule. Zwei unterschiedliche Ansätze der Porträtfotografie repräsentieren die Aufnahmen der Künstlerikonen ­H enri Cartier-Bresson und Arnold Newman. Einen Blick auf zeitgenössische Strömungen der Fotografie ­e röffnet das Projekt „Mapping the Museum“ mit ­A rbeiten u. a. von Boris Becker, Sinje Dillenkofer und Hans-Christian Schink. ☞ SCHAUWERK Sindelfingen Di/Do 15–19 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Eschenbrünnlestraße 15, 71065 Sindelfingen T +49 (0) 7031 9324900 www.schauwerk-sindelfingen.de

Bis 19.6.2022 Staatsgalerie Stuttgart In Kooperation mit der Wüstenrot Stiftung schafft die Staatsgalerie einen neuen Raum für Fotografie in Stuttgart: „The Gällery“. Im Erdgeschoss der Alten Staatsgalerie widmet sich dieser Ort der Präsentation des umfangreichen Fotobestands der Sammlung, der zu weiten Teilen noch nie der Öffentlichkeit gezeigt werden konnte. Zugleich wirkt er über Kooperationen mit wichtigen Akteuren und Galerien der Stadt als ­l ebendiges Schaufenster gegenwärtiger Fotokunst. Zum Auftakt setzt sich „The Gällery – Raum für ­F otografie“ ab dem 25. Februar mit dem Thema „Raum­e rfahrungen“ auseinander. In der Ausstellung ­„ body|spaces“ zeigen zahlreiche Positionen inter­ nationaler Fotografinnen und Fotografen, welche Rolle das Medium Fotografie in den letzten 30 Jahren in der Erkundung des Raums als Körper sowie in der Schaffung neuer räumlicher Erfahrungen gespielt hat. Mit Arbeiten von u. a. Tata Ronkholz, John Coplans, Candida Höfer, Wolfgang Tillmans, Teresa Hubbard / Alexander Birchler und Ute Mahler. ☞ Staatsgalerie Stuttgart Di/Mi/Fr–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Konrad-Adenauer-Straße 30–32, 70173 Stuttgart T +49 (0) 711 470400 www.staatsgalerie.de

Wa l d e n b u c h Peter Weber 22.5. – 18.9.2022 MUSEUM RITTER Das Museum Ritter würdigt den Künstler Peter Weber, der für seine komplexen Faltungen bekannt ist, mit einer Einzelausstellung. Zunächst als konstruktiver Maler sowie als Lehrender und Musiker tätig, ist Peter Weber seit rund 30 Jahren auf das Falten als Ausdrucks- und Gestaltungsmittel seiner Kunst konzentriert. Rund 1.800 geometrische Faltstrukturen hat er entwickelt: zunächst in Papier und Leinwand, dann in Materialien wie Aquarellkarton, Kunststoff und Stahl. Vor allem seine Faltungen in Filz haben den Künstler bekannt gemacht. Die Ausstellung beleuchtet die Vielfalt der Faltungen von Peter Weber und präsentiert neben gefalteten Einzelwerken auch mehrteilige Faltzyklen sowie Stahlplastiken und -reliefs, die „offene Faltzustände“ zeigen. Darüber hinaus wird das weniger bekannte Frühwerk des Künstlers in der Tradition von Op-Art und Kinetik gezeigt. ☞ MUSEUM RITTER Sammlung Marli Hoppe-Ritter Di–So 11–18 Uhr Alfred-Ritter-Straße 27, 71111 Waldenbuch T +49 (0) 7157 53511-40 www.museum-ritter.de

Peter Weber vor seinem Werk „Vernetzung F6RT“, 2008, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022, Foto: Tom Oettle

Teresa Hubbard / Alexander Birchler, „Gregor’s Room III“, 1999, Staatsgalerie Stuttgart, Graphische Sammlung, © Courtesy the Artists, Tanya Bonakdar Gallery, New York / Los Angeles Albert Renger-Patzsch, „Krabbenfischerin/Fischerin mit Netz“, 1926, Saarbrücken, Saarlandmuseum / Stiftung Saarländischer Kulturbesitz, Fotografische Sammlung, © Albert Renger-Patzsch Archiv, Ann und Jürgen Wilde/ VG Bild-Kunst, Bonn 2022

and Lora Reynolds Gallery, Austin


203

Winningen

Winterthur

Skulpturen.SCHAU! 2022

Kunsttage Winningen

Bilderbücher: illustriert & inszeniert

15.5. – 18.9.2022

6.5. – 8.5.2022 12 Künstler − 12 Orte

Bis 23.10.2022 Gewerbemuseum Winterthur

Vom 6. bis 8. Mai finden in Winningen die „7. Kunst­ tage“ statt und die Besucherinnen und Besucher können sich wieder auf großartige Kunst im besonderen Ambiente einer Weinbaugemeinde freuen. Zwölf Künstlerinnen und Künstler kommen nach Winningen, um ihre Werke unterschiedlichster Genres zu präsentieren. Da gibt es eine Land-Art-Installation an und in der ­M osel, Malerei in Kirche und Weingütern, Skulpturen drinnen und draußen und „Pures Gold“. Dabei arbeiten die Kunstschaffenden in ganz eigenen Techniken, es kommen Platanenblätter, Asphalt, Plastikmüll und Haushaltsschwämme zum Einsatz, es steht Cortenstahl neben auf Hochglanz poliertem Edelstahl oder es verströmen Skulpturen noch den Duft des Zedernholzes. Zur Eröffnung kommt Ministerpräsidentin Dreyer, ­w ieder gibt es eine „Lange Nacht“ und geführte Rund­ gänge. Am 3. Mai findet eine Performance des Malers Janus Hochgesand statt und eine Podiumsdiskussion zum Thema „Lebens-Mittel Kultur?“, u. a. mit Kultusministerin Katharina Binz. ☞ Kunsttage Winningen Fr 18.30–23 Uhr, Sa 11–21 Uhr, So 11–20 Uhr T +49 (0) 2606 2106 www.kunsttage-winningen.de

Bilderbücher inszenieren einfache Geschichten voller Witz und Poesie, bieten Spannung beim Umblättern und lassen mit ihren Illustrationen in andere Welten eintauchen. Dabei erweisen sie sich als eigentliche Sinnstiftungsmaschinen, die uns unmittelbar ­a nsprechen und das beglückende Gefühl der Neu­ entdeckung wie auch vertraute Geborgenheit bei der Wieder­e ntdeckung erzeugen. Bilderbücher lassen sich immer wieder neu erschließen. Je länger man sie ­a nschaut, umso vielschichtiger und komplexer wird das Einfache – während sie zugleich als Ganzes übersichtlich bleiben. Aber wie machen sie das nur? Die Schau geht den visuellen Erzählformen zeitgenössischer ­B ilderbücher nach, stellt raffiniert inszenierte ­G eschichten vor und untersucht den kreativen Prozess des Bilderbuchmachens. Farbintensive Verspieltheit oder minimalistische Grautöne, digitale Makellosigkeit, grobe Skizzen, aber auch ungewöhnliche Formate, Pop-up-Effekte und gestanzte Buchseiten: Die Gestaltungsmöglichkeiten scheinen endlos. ☞ Gewerbemuseum Winterthur Di/Mi/Fr–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Kirchplatz 14, CH-8400 Winterthur T +41 (0) 52 2675136 www.gewerbemuseum.ch

Zum 15-jährigen Jubiläum der „Skulpturen.SCHAU!“ hat die Stadt nochmals Bildhauerin Małgorzata ­C hodakowska (* 1965 in Łód ź ) gewinnen können. ­B ereits 2017 stellte sie einige ihrer Plastiken im ­ö ffentlichen Raum der Stadt auf. Chodakowska stu­ dierte Bildhauerei an den Kunstakademien in Warschau und Wien. Seit 1991 lebt und arbeitet sie in Dresden. Die Bildhauerin setzt sich mit voller Kraft mit dem Menschenbild sowie der großen Form auseinander. Dabei geht ihr sicheres Form- und Proportionsempfinden mit einer umfassenden Fähigkeit zur Sinnlichkeit einher, die den Mut und die Kraft zur Erotik besitzt. Die Betrachtenden erleben einen sinnlichen Hoch­ genuss. Die Plastiken bestechen durch die Geschlossenheit der Formen sowie durch eine ästhetische Energie, die sich in der Klarheit der kompositorischen Ordnungen konzentriert. Chodakowska hatte bereits viele Ausstellungen, u. a. in Deutschland, Japan, Österreich, Polen und Dänemark. Die Vernissage findet am ­S onntag, 15. Mai 2022, um 17 Uhr, im Foyer der ­TauberPhilharmonie statt. Die Künstlerin ist anwesend und führt durch die Ausstellung. Interessierte sind dazu herzlich eingeladen! ☞ Skulpturen.SCHAU! 2022 T +49 (0) 7934 1020 www.weikersheim.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

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„Apolonia“, Bronze, © Foto: Lothar Sprenger

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Editions La Joie de lire, Genf 2014, © VG Bild-Kunst, Bonn, 2022


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ARTMAPP erscheint im März, Juli und November mit knapp 200 Seiten und in einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Das Magazin wird im Zeitschriftenhandel vertrieben und ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz an allen Bahnhöfen und Flughäfen erhältlich.

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29. Ausgabe – 11. Jahrgang – März 2022

Amrei Heyne, Tanja Kemmer M.A.,

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Verlag ARTMAPP GmbH

Clemens Ottnad, Marc Peschke, Carsten Probst,

UMS Pressevertrieb Limited

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Andrin Schütz, Dr. Christoph Timm

Steinbusch 1B, 51545 Waldbröl

HRB 760200 Amtsgericht Stuttgart

T +49 (0) 2291 91 24 20, info@umspress.de

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Geschäftsführung: Silvia Brouwer, Reiner Brouwer

Katrin Günther, Berlin, katrin_guenther@gmx.net

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KUNST – Buch, Text, Netz

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Einzelheftversand 13 € (D) bzw. 19 € (EU / CH)

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Am 18. Juli erscheint die nächste Ausgabe

Silvia Brouwer, s.brouwer@artmapp.net

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ISSN 2195-1594

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Reiner Brouwer, r.brouwer@artmapp.net

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Impressum


iation Marcel cuiller (The Locking Spoon), 1957, © Assoc Marcel Duchamp, Verrou de sûreté à la nato, Venedig Codog Attilio tion Collec esy Court Foto Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2022,

Marcel Duchamp, Verrou de sûreté à la cuiller (The Locking Spoon), 1957, © Association Marcel Duchamp / VG Bild-Kunst, Bonn 2022, photo courtesy Collection Attilio Codognato, Venice

MARCEL DUCHAMP

MUSEUMMMK 02.04.–03.10.22 Der Kulturfonds Frankfurt RheinMain fördert die Ausstellung Marcel Duchamp im MUSEUM MMK FÜR MODERNE KUNST. Getragen wird der gemeinnützige Fonds vom Land Hessen, von Frankfurt am Main, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis, Darmstadt, Wiesbaden, Hanau, Bad Vilbel, Offenbach am Main und Oestrich-Winkel. Weitere herausragende Kunst- und Kulturprojekte finden Sie unter www.kulturfonds-frm.de / Facebook / Instagram / Newsletter


Hans Hofmann Chimbote – Farben für die neue Stadt 9.4. – 18.9.2022

Hans Hofmann, Chimbote Mural Fragment of Part II, 1950 © Renate, Hans & Maria Hofmann Trust / ARS, New York / VG Bild-Kunst, Bonn 2022



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