ARTMAPP #24, Sommer 2020

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AU GUST – OK TO BER 2020 8 ,9 0 € ( D ) 10 ,9 0 € ( A ) 13 ,9 0 S F R ar tmapp.net

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KUNST UND REISEN

im App Store und bei Google Play mobil.artmapp.net

KOMM INS OFFENE RHEINLAND-PFALZ

BIENNALE BREGAGLIA LUXEMBOURG ART

EICHMANN GRÜNEWALD SCHAD SCULLY WORTELKAMP

DARMSTADT ROTTWEIL SCHWERIN THUN WIEN WINTERTHUR WUPPERTAL



EDI TOR I A L #24 2020

Titelmotiv: Daniel Sigloch, „Lisa um Montescaglioso“, 2003, C-Print auf Aludibond, 88 x 68 cm

Reiner Brouwer, Foto: Andreas Scholz

Ent- Festung Unter dem Motto „KOMM INS OFFENE“, einem Vers aus einem Gedicht von ­Friedrich Hölderlin, wollen wir mit dieser Ausgabe die Wiedereröffnungen der ­Museen und Galerien feiern, die wir auf unseren Streifzügen vom Bergischen Land über die Bernina-Alpen bis nach Rheinland-Pfalz aufsuchten. Dort traf ich die ­Bildhauerin Madeleine Dietz:

Madeleine Dietz, Foto: © W. Dietz

Liebe Madeleine, Du lebst und arbeitest seit über 30 Jahren in einem kleinen Dorf bei Landau, das zweifellos Deinen engen Bezug zur Natur und Deine Auseinander­ setzung mit den Grundfragen mensch­ lichen Lebens geprägt hat. Entscheidend für mein Tun waren ­frühe eigene Erfahrungen, was Abschiede und Trauer anbelangt, das prägt meine künstlerische Arbeit bis heute. Mein Wohnort mit Menschen, die die Erde ­beackern und von ihren Produkten leben, gab mir Bodenhaftung und Ruhe. Außerhalb von Rheinland-Pfalz wurdest Du 2003 mit dem Ernst-Barlach-Preis ­geehrt und ins Begleitprogramm zur ­„documenta 10 + 12“ e ­ ingeladen. Deine Video­arbeiten, Performances und kura­ torischen Projekten in der Pfalz aus den 1990er-Jahren sind nur wenigen bekannt.

In der Pfalz erfuhr ich als Frau mit meinen Videoarbeiten um das Thema Geburt und Tod keine Akzeptanz, während z. B. das Skulpturenmuseum Glaskasten Marl meine Performance zeigte. Die Auseinander­ setzung mit Werken von anderen Künstlern hat mich dazu veranlasst, selbst Ausstellungen mit ihnen zu organisieren. In den 1990er-Jahren war das einfacher, was Sponsoren- und Förder­gelder ­anbelangt. Gibt es für junge Künstler einen ­ tandortvorteil in Rheinland-Pfalz? S Mainz und Ludwigshafen scheinen neue Szenen zu bilden. Na ja, kein Vergleich zu Düsseldorf oder Berlin. Aber durch die kontinuierliche Arbeit von Barbara Auer vom Kunstverein Ludwigshafen entwickelt sich Neues und durch die Verleihung des Emy-Roeder-­ Preises an junge Künstler bekommt dieser Ort Anerkennung über die Grenzen des Landes hinaus. Was fehlt, sind Sammler und professionell arbeitende Galerien. 2019 konnte man im ehemaligen KZ ­Osthofen bei Worms Deine lnstallation „Ent-Festung“ sehen. Ein Plädoyer für eine offene Gesellschaft, gerade nach dem Anschlag in Halle (Saale)? Verlust von Besitztum, Heimatverlust, Nomadentum, die Brüchigkeit von Existenzen! Der eigene Blickwinkel zeigt Zerstörung oder Wiederaufbau, Handlungen, die Menschen selbst entscheidend erfüllen. ENT-FESTUNG oder Verfestigung! Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer persönlichen ­Entdeckungstour mit ARTMAPP! Reiner Brouwer Herausgeber


Moderne Galerie

18.7.2020

Boris Becker: Hochbunker Saarbrücken, Burbacher Markt (Detail), 1986 © Boris Becker, VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Boris Becker — — 31.1.2021

Bismarckstraße 11–15 | 66111 Saarbrücken Tel +49 (0)681.9964-0

modernegalerie.org


— Hochbunker. Photographien von Architekturen und Artefakten

Eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit der Photographischen Sammlung/SK Stiftung Kultur




Inhalt

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(auszugsweise)

ARTM APP Sommer 2020

Christina Körner, Kuratorin „FLUX4ART“, Foto: Die FotoFabrik

Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Foto: GDKE / Ulrich Pfeuffer

Rheinland - Pfalz

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DIE L ANDESKU NSTSCHAU FLU X4ART Die Kuratorin Christina Körner im Gespräch – von Chris Gerbing

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KU LT U RELLES ERBE AU F SCHRIT T U ND TRIT T Interview mit Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz – von Chris Gerbing

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WOLF AUS DER NEW ATL AS BAR Der Maler Julius Grünewald aus Osthofen – von Christina Körner

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STONE HENGE DER PFALZ Skulpturenweg Rheinland-Pfalz – von Kim Behm

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„IM TAL“ Stiftung Wortelkamp im Westerwald – von Kim Behm

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SCHICHTEN IN DER ZEIT Über die Landauer Künstlerin Madeleine Dietz – von Andreas Mertin

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DER MU T DER JU NGEN MÄN NER Modernes Weingut mit Stil und Geschichte im Leiningerland von Heribert Hamann

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Komm ins Of fene

80

ZU M 250. GEBU RTSTAG VON FRIEDRICH HÖLDERLIN Interview mit Thomas Schmidt, Koordinator des Hölderlinjahres 2020 von Siegmund Kopitzki

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HÖLDERLIN 2020 Friedrich Hölderlin im Rhein-Main-Gebiet – von Marc Peschke

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DIE WÄLDER FLIRREN, DIE LIPPEN BEBEN Die digitale Malerei von Daniel Sigloch – von Hansjörg Fröhlich

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VOM AU FBRUCH U ND ANKOMMEN Marion Eichmann, „Follow M.E.” in der Galerie Stihl Waiblingen von Anja Gerdemann

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Schweiz

Marion Eichmann, Foto: Roman März

AU F DEM WEG ZU R BIEN NALE BREGAGLIA Kunstvoll durch die Alpen in den Süden Graubündens – von Andrin Schütz

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BIEN NALE BREGAGLIA IM BERGELL Kunst in großartiger Bergkulisse – von Alice Henkes

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Klaus Albrecht Schröder, Direktor Albertina Modern, Wien, Foto: © ALBERTINA

Nordlichter

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ER NST BARL ACH ZU M 150. GEBU RTSTAG Barlach Haus Hamburg: „Kunst, die mich angeht!“ – von Bettina Götz Barlach Museen Güstrow: Zu Barlach mit Boot und Rad – von J.-P. Schröder Museum Schwerin: Barlach und „Dänische Gäste“ – von J.-P. Schröder

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BRÜCKE-MALER : DANGAST, MORITZBU RG, FEHMAR N Sommerfrische – Badefreuden mit Kirchner, Heckel, Pechstein von Gerd Presler

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Ausstellung 26.10. bis 13.11. 2020 Tresorraum Taunus Sparkasse

Österreich SANF TER EXORZISMUS AM K ARLSPL ATZ Albertina Modern eröffnet mit drei Monaten Verspätung von Carsten Probst

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Nur Skulptur

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PRISK A VON MARTIN Ausstellung im Museum für Neue Kunst Freiburg – von Kim Behm

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Ü BER DIE SCHÖNHEIT Meisterwerke und Skulptur in Wuppertal – von Katja Behrens

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ROBERT SCHAD „Bremen vierkant“ – von Mirjam Verhey

Priska von Martin, 1969, Foto: Bernhard Dörries

PATMOS Original-Handschrift

von Friedrich Hölderlin Eintritt frei

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TER MINE

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APPETIZER

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IMPRESSU M

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MEHR INFOS www.bad-homburg.de/hoelderlin


MUSEUM Christopher Lehmpfuhl, Raps mit spiegelnder Eiche, 2017 (Detail), Sammlung Würth, Inv. 17828, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

MUSEUM

% KÜNZELSAU Reinhold-Würth-Straße 15 74653 Künzelsau-Gaisbach T +49 7940 15-2200 museum@wuerth.com

Zwischen Pathos und Pastos CHRISTOPHER LEHMPFUHL in der Sammlung Würth bis 10. Januar 2021 Täglich 11–18 Uhr

% 2 KÜNZELSAU

NEU WEITBLICK Reinhold Würth und seine Kunst Täglich 11–19 Uhr Eintritt frei

Tony Cragg, Red Figure (Rote Figur), 2014, Sammlung Würth, Inv. 16979, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Am Forumsplatz 1 74653 Künzelsau T +49 7940 15-2230 museum2@wuerth.com

www.kunst.wuerth.com

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(Un) endliche Ressourcen? Kßnstlerische Positionen seit 1980 07/03 –13/09/2020




27. 9. 20 –28. 2. 21

Eine Reise von Berlin nach New York

Selbstbildnis mit steifem Hut, 1921, Privatbesitz Deutschland © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

MAX BE CKMANN Gefördert durch

DAY AND DR EA M

Tickets inkl. VRS-Fahrausweis über

Tickets über

www.maxernstmuseum.lvr.de


Wilhelm-Hack-Museum Kabinettstücke Good Vibrations – Sommer in der Pop-Art bis 13/09/2020 Biennale für aktuelle Fotografie The Lives and Loves of Images – When Images Collide bis 13/09/2020 Sammlung Abstrakte Welten – Zwischen Expressionismus und Konstruktivismus bis 13/09/2020 — Rudolf-Scharpf-Galerie Eva Gentner – ocean 09/05 – 23/08/2020 Rudolf Scharpf – Miroir 05/09 – 18/10/2020

Moderne Kunst in Ludwigshafen!

Waldemar Zimbelmann 07/11/2020 – 31/01/2021

www.wilhelmhack.museum


Hummer-Telefon, rot | Salvador Dalí | 1938 © Fundació Gala-Salvador Dalí / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Bahnhof Rolandseck

SALVADOR DALÍ UND HANS ARP DIE GEBURT DER ERINNERUNG bis 10. Januar 2021

Partner GESTALTUNG

HOCHSCHULE MAINZ UNIVERSITY OF APPLIED SCIENCES

Förderer


30. Juni 1. November 2020

dede natura natura Drei Sonderausstellungen Bernard Descamps Peter Lang

Abb.: Bernard Descamps, Islande, 2012, Fotografie, Ausschnitt, Š Bernard Descamps

Melanie Wiora


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RHEINL

Frank Kunert bei der Ausarbeitung des Miniaturmodells „Mauerblümchen“ aus der Serie „Carpe Diem“, 2019, Fotografie, © Frank Kunert | www.frank-kunert.de Frank Kunert für FLUX4ART vom 10. Januar 2020 bis 7. Februar 2021 in der CASA TONY M. WITTLICH


ANDPFALZ Die Landeskunstschau

2 . Ok tober bis 1. November 2020 SAY N ER HÜ T T E BEN DOR F

8 . N o v e m b e r 2 0 2 0 b i s 1 7. J a n u a r 2 0 2 1 FORU M A LT E POS T PI R M A SE NS 1 0 . J a n u a r b i s 7. F e b r u a r 2 0 2 1 C A SA TON Y M. W I T T LICH www.f lu x 4ar t. de

A R TM A P P   S O M M E R 20 20 — R H E I N L A N D - P FA L Z

Nach einer erfolgreichen Premiere in 2018 feiert die neue Landeskunstschau FLUX4ART in diesem Herbst ihre 2. Auflage. Auf Grundlage des 2018 ­erprobten und gelungenen Gesamtkonzepts werden an verschiedenen Orten in Rheinland-Pfalz erneut ausgewählte Werke von insgesamt 60 Künstlern im Rahmen von drei Ausstellungen präsentiert. Die Landeskunstschau FLUX4ART 2020 wird als Leuchtturmprojekt vom Land Rheinland-Pfalz finan­ziell getragen.


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Die Landeskunstschau Rheinland - Pfalz in Bendor f, Pirmasens & Wit tlich

A R TM A P P   S O M M E R 20 20 — R H E I N L A N D - P FA L Z

FLUX4ART

Sabine Dehnel, „Atem der Vögel III“, 2008, Fotografie, Ausstellung im Forum Alte Post Pirmasens vom 8. November 2020 bis 17. Januar 2021, © Sabine Dehnel / VG Bild-Kunst, Bonn 2020


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Christina Körner, Kuratorin „FLUX4ART“, Foto: @ Die FotoFabrik

L A N D E S W E I T, D E Z E N T R A L U N D I N H O H E R Q UA L I TÄT

Das Motto der zweiten rheinland-pfälzischen Landeskunstschau „FLUX4ART“ lautet „Schauen, staunen, entdecken“. Dabei gilt dieser Dreischritt nicht nur für die Kunst, sondern auch für das Land: An besonderen historischen Orten zieht temporär zeitgenössische Kunst ein und bringt auf diese Weise Innovation, Moderne und Geschichte zusammen. So muss der Betrachter gleich zweifach in Bewegung sein: einmal, indem er zu den unterschiedlichsten Orten reist, um Kunst zu erleben, und dann, weil gerade die Zeitgenossenschaft der Arbeiten, den Dialog mit dem Raum und seinen Betrachtern sucht. Vor zwei Jahren wurde „FLUX4ART“ ins Leben gerufen und war bereits 2018 ein großer Erfolg. Die Ausstellung versteht sich als Biennale zeitgenössischer Kunst, die den ­geneigten Kunstinteressenten eben nicht an Hotspots führt, sondern ihm die Möglichkeit der Entdeckung spannender Kunst und Künstlerpositionen fernab trubeliger Großstadthektik eröffnet. Chris Gerbing sprach mit der diesjährigen Kuratorin Christina Körner über die Schau.

ARTMAPP: Frau Körner, was ist das Besondere an „FLUX4ART“? Christina Körner: Der hiesige Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK RLP), hat das Konzept und die Organisation der Veranstaltung verantwortet und dieses Leuchtturmprojekt initiiert, während das Land Rheinland-­P falz dessen Finanzierung übernimmt. Obwohl man sich den Etat des Landes für den gesamten Kunstsektor zwar durchaus größer wünschen würde, gibt das Land nach meinem Da­f ürhalten mit „FLUX4ART“ ein starkes Bekenntnis zur Förderung rheinland-pfälzischer Künstler ab. Umso erstaunlicher, dass diese Kunst-Biennale nicht in einer der vier großen Städte Koblenz, Mainz, Trier oder Ludwigshafen stattfindet, sondern an ganz unterschiedlichen, kleineren, weniger bekannten, aber sehr spannenden Orten, also landesweit, ­dezentral, und nichtsdestotrotz in hoher Qualität.

Forum ALTE POST Pirmasens, Foto: © Stadt Pirmasens, Rüdiger Buchholz


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Inszenierung, Hochofen, Gießhalle, Sayner Hütte, Bendorf, Foto: Thomas Naethe

ARTMAPP: Jetzt bin ich gespannt, an welchen Orten den Besucher Kunst erwartet. CK: 2018 fand „FLUX4ART“ in Montabaur, Germersheim und Boppard statt, in diesem Jahr bespielen wir die Sayner Hütte in Bendorf, das Forum Alte Post in Pirmasens und die Casa Tony M. in Wittlich. Corona-bedingt haben wir den Ort, der für die Eröffnung vorgesehen war, ans Ende des Zyklus verlegt, sodass wir jetzt im ehemaligen Hüttenwerk Bendorf starten, dessen Geschichte bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. In der Gießhalle werde ich insgesamt 15 Künstlerinnen und Künstler mit Installationen, Objekten, Lichtkunst und Plastiken zeigen. Im Forum Alte Post in Pirmasens, das 1893 als Königlich Bayerisches Postamt erbaut wurde, in dem bis 1927 sowohl der städtische Paketverkehr als auch der Telegrafendienst abgewickelt wurde, haben wir mehr Möglichkeiten im klassischen Sinne, Kunst zu präsentieren. Nach der thematischen Klammer „Raum“ in der Sayner Hütte rücke ich in Pirmasens die Malerei in den Fokus. In diesem Bereich bewegt sich aktuell sehr viel! In Wittlich geht es mir um Themen wie Identität, Gender und den Umgang mit Wahrheit. Hier bespielen wir die historische Posthalterei Thurn & Taxis von 1753, das Museum CASA M., in dessen prächtigen Barock­ räumen üblicherweise das Gesamtwerk Tony Munzlingers gezeigt wird, der aus dem Ort in der Südeifel stammt.

ARTMAPP: Bei der Durchsicht der Künstler, die Sie ausgewählt haben, fällt auf, dass verhältnis­ mäßig viele Frauen dabei sind. CK: Das stimmt, die Tendenz geht in Richtung 50:50, was eher ungewöhnlich ist. Aber junge Frauen, die Biss haben, bei denen – nicht nur von mir – zu hoffen ist, dass aus ihnen etwas wird, finde ich sehr spannend. Generell zeigen wir rund 60 professionelle Künstler, mit aussagekräftigen künstlerischen Positionen und lückenlosen Künstlerbiografien, die Voraussetzung waren, um in die Auswahl zu kommen. Zwei Drittel der Künstler wurden durch eine Fachjury nach öffent­licher Ausschreibung ausgewählt, das restliche Drittel nimmt auf direkte Einladung hin teil. Letztlich sind alle Alters­g ruppen vertreten, das Geburtsjahr reicht bis in die 1940er-Jahre zurück, die jüngsten wurden in den 1980er-­ Jahren geboren. Und so kommen zu den auch international bekannten wie Madeleine Dietz oder Erwin Wortelkamp junge, unbekannte wie Tuğba Şim şek oder Katrin Nicklas hinzu. Total spannende P ­ ositionen wie Silvia Willkens oder Julius Grünewald, der sehr unaufgeregt spannende Kunstwerke schafft, lassen sich entdecken.


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2 . Ok tober bis 1. November 2020

„ D a s s K u n s t d e r r e a l e n We l t , e i n e We l t d e r M ö g l i c h k e i t e n

Sayner Hüt te, Bendor f

u n d I m a g i n a t i o n z u r S e i t e s t e l l t , m a c h t d i e L a n d e s k u n s ts c h a u a n s c h a u l i c h e r f a h r b a r. A u f b e e i n d r u c k e n d e We i s e

8 . N o v e m b e r 2 0 2 0 b i s 1 7. J a n u a r 2 0 2 1

be r ühre n sich hie r gan z unmit telbar da s mode r ne,

For um A lte Post, P ir ma se n s

­i n n o v a t i v e u n d d a s g e s c h i c h t s t rä c h t i g e R h e i n l a n d - P f a l z .

Im Titel F LUX 4 A RT f inden die B edeut ung der Flüsse f ür das 1 0 . J a n u a r b i s 7. F e b r u a r 2 0 2 1

Land und jener der Kunst innewohnende A spek t des steten

C a s a To n y M . , W i t t l i c h

in-B e weg ung-Se in s ihre n Au sdr uck “

w w w . f l u x 4 a r t . d e /a u s s t e l l u n g s o r t e

S Y L V I A R I C H T E R - K U N D E L , 1. Vorsitzende BBK RLP

Mainz, 2020

A R TM A P P   S O M M E R 20 20 — R H E I N L A N D - P FA L Z

Casa Tony M., Wittlich, Foto: © Werner Pelm


Bendorf am Rhein Stadt der (Industrie-)Kultur I N D U S T R I E K U LT U R A M M I T T E L R H E I N

Unweit von Koblenz am Mittelrhein liegt Bendorf. In einer Region, die bekannt ist für Burgen und Schlösser. Doch ­B endorf ist anders. Auch hier finden sich Denkmäler der Rheinromantik, aber die Stadt war in ihrer Blütezeit im 19. Jahrhundert eine Wiege der Eisenindustrie. Mehrere ­E isenhütten und der Bergbau prägten die Stadt bis in die 1990er-Jahre. Aus jener Vergangenheit sind heute noch spannende Relikte im Bendorfer Stadtgebiet zu finden. Das Highlight ist sicher die 1769 gegründete Sayner Hütte. Die ehemalige ­Hüttenanlage ist heute als Industriedenkmal für Besucher ­g eöffnet. Die 1830 auf dem Areal errichtete Gießhalle be­ eindruckt durch ihre gusseiserne Ästhetik und kann mit Recht als sensationell bezeichnet werden. Darüber hinaus er­w arten die Besucher spannende Einblicke in die Geschichte der Hütte und die damals innovative Technik, mit der die Schwelle ins Industriezeitalter überschritten wurde. ­B erühmt war die S ­ ayner Hütte für ihren besonders feinen Eisenkunstguss, der in den nächsten Jahren wieder zu sehen sein wird. Das R ­ heinische Eisenkunstguss-Museum erhält gerade neue A ­ usstellungsbereiche in der ehemaligen Tiegelgießerei. Die Sayner Hütte ist aber auch der Ort für ganz besondere Kon­zerte, Ausstellungen, Festivals und einen der schönsten Weihnachtsmärkte der Region.

Westfassade der Gießhalle der Sayner Hütte, Foto: © Thomas Naethe

L E B E N D I G E K U LT U R S TA D T

Bendorf selbst hat sich zu einer lebendigen Kleinstadt ­ent­w ickelt, was an vielen Ecken erst auf den zweiten Blick deutlich wird. Der Ort hat eine rege Kulturszene. Ver­ schiedenste Angebote reichen vom Freilichttheater an den Röstöfen bis zu Musikevents auf dem Kirchplatz mit seiner besonderen Doppelkirche. In den kleinen Gassen der ­I nnenstadt stößt man auf einen Atelierhof ansässiger Künstler und eine Kreativwerkstatt im ehemaligen Kino, die die ­B ewerbung für die Landesgartenschau 2026 vor­ bereitet und jeden Bürger einlädt, mitzumachen. Bendorf ist eine lebendige Stadt, die sich mitten im Wandel befindet und viel Raum für Kreativität lässt. Jährlich im Herbst lädt das Craft-Festival ein, das sich der Handwerkskunst des Bierbrauens widmet. Besonders stimmungsvoll ist der Bendorfer Weihnachtsmarkt mit 120 Ständen und einem vielfältigen Kulturprogramm.

Schloss Sayn zum Burgen- und Parkfest, Foto: © Stadt Bendorf


K L E I N O D K U LT U R PA R K S AY N

Einen besonderen Schatz besitzt Bendorf mit dem Kulturpark Sayn. Hier findet sich auf kleinstem Raum eine einzigartige Symbiose verschiedenster Kultur- und Freizeitorte. Neben der Sayner Hütte lässt sich im Kulturpark Sayn für jeden ­G eschmack etwas entdecken. Eingebettet in die reizvolle Landschaft zwischen Brex- und Saynbach liegt der Park des Schlosses Sayn, in dem auch der berühmte Schmetterlingsgarten der Fürstin Sayn-Wittgenstein-Sayn zu finden ist. Unweit des Parks liegt das fürstliche Schloss, dessen neu gestaltete Ausstellung tiefe Einblicke in das Fürstenhaus bietet. Ein kurzer Spaziergang durch Alt Sayn führt zu Hein’s Mühle, einem liebevoll restaurierten Mühlenmuseum am Brexbach. Etwas weiter findet sich die 1202 gegründete Abtei Sayn mit dem wertvollen Simonsschrein und einem herrlichen

romanische Kreuzgang mit Brunnenhaus. Kurz hinter der Abtei geht es im Kletterwald Sayn hoch in die Bäume. Rund um Bendorf existiert ein hervorragend ausgebautes Wander­ wegenetz mit Abzweigen des Rhein- und Saynsteigs, über die auch die Burg Sayn zu erreichen ist, die einen tollen Blick in die Rheinebene bietet. I n f o r m i e r e n S i e s i c h ü b e r Wa n d e r m ö g l i c h k e i t e n , a l l e S e h e n s w ü rd i g k e i t e n , Ve ra n s t a l t u n g e n und Führungen: To u r i s t- I n f o r m a t i o n B e n d o r f De nk malareal Sayne r Hüt te I n d e r S a y n e r H ü t t e 4 , 5 6 1 7 0 B e n d o r f- S a y n T + 4 9 (0) 2 6 2 2 9 8 4 9 5 5 0 t o u r i s t i n f o . s a y n @ b e n d o r f. d e w w w . b e n d o r f. d e

Abtei Sayn, romanischer Kreuzgang, Foto: Agentur Moog

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www. saynerhuet te. org


Figurine im Hugo-Ball-Kabinett im Forum ALTE POST, Foto: Rüdiger Buchholz © Stadt Pirmasens

Pirmasens Touristisches Kleinod im Südwesten Vor den Toren des Pfälzerwalds gelegen, präsentiert sich ­P irmasens getreu dem Motto „Warum denn in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah“ als abwechslungs­ reiches Ziel. Ob Kulturfreund, Wanderer oder neugieriger Forscher: In der Siebenhügelstadt nahe der deutsch-franzö­ sischen Grenze gibt es viel zu entdecken.

E I N B E R Ü H M T E R S O H N D E R S TA D T

9. September bis 25. Oktober 2020 „Gemeinsam – 30 Jahre Deutsche Einheit – 30 Jahre OST K R EUZ-Agentur der ­F otografen“ eine eigens zusammengestellte Auswahl an ­Fotoserien der bekannten deutschen Fotoagentur. Nicht zuletzt finden im stilvollen Ambiente des Forum ALTE POST auch zahlreiche Kulturveranstaltungen wie ­Konzerte, Schauspiel, Lesungen und Kabarett statt.   WOW- E F F E K T E U N D A H A- E R L E B N I S S E

tressli bessli nebogen leila – so beginnt das Gedicht „Seepferdchen und Flugfische“ von Hugo Ball. Dem Leben und Werk des Begründers der avantgardistischen Kunstrichtung Dada, der 1886 in Pirmasens zur Welt kam, ist eine Dauer­ausstellung gewidmet und dies inmitten der Stadt. Die eindrucksvollen Räume des Kulturzentrums Forum ALTE POST bilden die perfekte Kulisse für das Hugo-Ball-Kabinett mit historischen Fotografien, Grafiken, Zitaten, Texten und Zeitungsartikeln des Lautgedicht-Pioniers sowie weiterer Protagonisten der Dada-Bewegung. Dabei sind die Besucher eingeladen, sich ­interaktiv mit Hugo Ball und Dada in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu beschäftigen. Multimediale Elemente wie Audioaufnahmen im Raum oder per Kopfhörer ergänzen die Ausstellung ebenso wie Film-Projektionen in Kino-Atmosphäre. Ein echtes Highlight stellt die 3D-Bespielung einer lebensgroßen Hugo-­ Ball-Figurine dar, die auf dem berühmten Foto des Literaten in einem kubistischen Kostüm beruht. Nach einer grundlegenden Restaurierung der 1893 ­erbauten ‘Königlich Bayrischen Kraftpost‘ bietet das Forum ALTE POST außerdem Platz für eine weitere Dauerausstellung mit Zeichnungen und Gemälden von Heinrich Bürkel, ebenfalls ein berühmter Sohn der Stadt. Verschiedene Wechselausstellungen präsentieren Kunst der Neuzeit und Klassischen Moderne bis hin zu ­z eitgenössischen Arbeiten. So zeigt beispielsweise vom

Nur ein paar Gehminuten entfernt vom Kulturzentrum ­ artet schon die nächste Attraktion: Als einziges Science w Center im Südwesten begeistert das Dynamikum seine Gäste immer wieder aufs Neue. Ob Kita- und Schulkinder, Jugendliche oder Erwach­ sene jeden Alters – an den rund 160 Exponaten treffen sich alle Generationen zum Mitmachen, Forschen, Erleben und ­Staunen unter dem Leitmotiv „Bewegung“. Die interaktiven

Forschen und Entdecken im Dynamikum Science Center, Foto: axl klein, © Dynamikum Science Center


Experimentierstationen bilden dabei perfekte Wegweiser in die Welt der faszinierenden Phänomene aus Naturwis­sen­ schaft und Technik sowie Biomechanik und Sport. Die Dynamikum-App enthält neben Wissensclips zu ausge­ wählten Exponaten verschiedenste Forscher-Tools und die Anbindung an Social-Media-Kanäle. Auch im Dynamikum machen regelmäßig Sonderausstellungen Station, hinzu kommen Mitmachaktionen in den Schulferien und Festtagsprogramme. Nicht zuletzt können Jung und Alt hier ihren Geburtstag feiern mit einem originellen Workshop ihrer Wahl aus dem breitgefächerten Angebot. Im angrenzenden Strecktalpark gibt es spannende ­Außenexponate zu entdecken. So kann man etwa auf dem ­Ornithopter nacherleben, wie sich ein Vogel fühlt, wenn er seine Flügel ausbreitet. Apropos Fliegen: Auf dem Parcours der Trendsportart DiscGolf stehen Spieler vor der Herausforderung, wie beim „normalen“ Golf die Disc-Scheiben mit möglichst wenigen Würfen in Körbe zu bringen. Und weil Pirmasens die Stadt der kurzen Wege ist, ­gelangt man auch in kürzester Zeit zur „Vogeltreppe“. Dort sorgt ein unter Federführung der chilenischen Künstlerin ­I sidora Paz López entstandenes Mosaik mit farbenprächtigen M ­ otiven aus Flora und Fauna für einen deutschlandweit ­e inzigartigen Hingucker. Die kleinen Kunstwerke der ­„Vogeltreppe“ stammen von mehr als 100 Künstlern aus ­a ller Welt.

„Hexenklamm“-Premiumwanderweg (zertifiziert vom Deutschen Wanderinstitut), Foto: © Harald Kröher

E N T S PA N N U N G U N D A K T I V I TÄT

Traditionell großgeschrieben ist in der Region Pfälzerwald/ Nordvogesen – dem größten zusammenhängenden Wald­ gebiet Deutschlands und dem ersten von der UNESCO anerkannten grenzüberschreitenden Biosphärenreservat Europas – das Thema Wandern und Spazieren. In und um Pirmasens gibt es dabei gleich drei vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierte Wege, die teilweise bis nach Frankreich reichen. Unter den klingenden Namen „Felsenwald “, ­„ Hexenklamm“ und „Teufelspfad“ verlaufen sie auf Distanzen zwischen 6,2 und 13,6 Kilometern jeweils mit einem mittleren Schwierigkeitsgrad. Die Routen führen durch waldreiche Gegenden und wildromantische Täler mit Weihern, Bachläufen und ­Wasserf ällen, zu bestaunen sind jahrtausendealte Fels­ formationen aus Bundsandstein sowie beeindruckende Panoramen. G ­ elegenheit für Ruhepausen gibt es bei den ­b ewirteten W ­ aldhäusern, die herzhafte Spezialitäten der ­regionalen ­Küche anbieten. Selbstverständlich lässt sich in Pirmasens aber noch viel mehr entdecken – die Tourist-Info in der ehemaligen Schuhfabrik Rheinberger erteilt hierzu gerne Auskünfte! To u r i s t- I n f o i m R h e i n b e r g e r F rö h n s t ra ß e 8 , 6 6 9 5 4 P i r m a s e n s Ein Mosaik mit Flora und Fauna – die „Vogeltreppe“ in Pirmasens,

T 06331 23943-21, F 06331 23943-29

Foto: © Stadt Pirmasens

tour ismus@pir masens. de www. pir masens. de

A R TM A P P   S O M M E R 20 20 — R H E I N L A N D - P FA L Z

I N E I N Z I G A R T I G E R N AT U R


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Rheinland - Pfalz

Die Schwächen zur Stärke gemacht

Festung Ehrenbreitstein mit Blick auf das Deutsche Eck in Koblenz und die Moselmündung in den Rhein, © GDKE/Lufthelden

Rheinland-Pfalz wird, wie wohl kein anderes Bundesland, Kunst etwas schwerer hat als in den großen Ballungs­ mit Weinanbau in Verbindung gebracht. Gleichzeitig haftet zentren. Doch Flux 4Art, der Emy-­R oeder-­P reis oder die dem Land das Etikett idyllischer Ländlichkeit und Gemüt­ „Guten Aussichten“ sind eindrückliche Belege dafür, dass lichkeit an; Bodenständigkeit sei hier gepaart mit wenigen Rheinland-Pfalz Gegenwartskunst „kann“, ­entsprechend kulturellen Highlights – man denke an Koblenz und die vielfältig künstlerische Klasse auf unterschiedlichen Ebe­F est u ng E hrenbreit stein , die L oreley im U N E S CO -­ nen zeigt und fördert. In einer persönlichen Auswahl stellt Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal, Mainz mit seiner Chris Gerbing ausgewählte Museen vor, die die Bandbreite Fastnachtskultur oder die alte Römerstadt Trier. Das ist der Entdeckungen verdeutlicht, die man links­rheinisch im ­n atürlich überspitzt ­f ormuliert, haftet dem Bundesland Westen der Republik machen kann. aber an – und führt dazu, dass es gerade zeitgenössische


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Interview mit Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Kulturelles Erbe auf Schritt und Tritt

ARTMAPP: Herr Metz, was zeichnet ­R heinland-Pfalz besonders aus? Thomas Metz: Kulturelles Erbe finden Sie in Rheinland-Pfalz in einer Bedeutung und Dichte wie sonst nirgends in Deutschland. Wir haben Kultur in Form von baulichen Zeugnissen am Rhein und seinen Nebenf lüssen, die in ihrer Kontinuität einzigartig sind. Mainz mit seinem nördlich der Alpen einmaligen römischen Theater war eine zentrale multikulturelle Stadt zur Zeit der Römer. Trier – das Rom in der Spätantike als Hauptstadt des römischen Reiches übertreffen wollte – besitzt einmalige römische Monumente, denen seit 1985 mit dem UNESCO-Weltkulturerbestatus Rechnung ­getragen wird. Die Römerzeit bedeutete für die Region einen grundlegenden Innovationsvorsprung, der bis ins Mittelalter Auswirkungen zeitigte. Die Historie reicht aber noch deutlich weiter in die Vergangenheit: Archäologische Funde gehen bis in die Steinzeit zurück, aber wir finden wichtige Spuren menschlichen Lebens aus allen Zeitenschichten.

Thomas Metz, Generaldirektor Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz, Foto: © GDKE Rheinland-Pfalz / Pfeuffer

ARTMAPP: Die Römer und Rheinland-Pfalz, Sie haben es angesprochen, diese Verbindung ist w ­ eithin bekannt. Wie sieht es aber aus mit dem Mittelalter? TM: Tatsächlich wird die Bedeutung der Region im Mittelalter noch nicht so wahrgenommen wie jene während der Römerzeit, obwohl sie seit Karl dem Großen bis zum Ende der Stauferzeit kontinuierlich eine wichtige Rolle gespielt hat – ­eigentlich bis zum Barock, denn vergessen Sie nicht, dass das Erzbistum Mainz damals das größte jenseits der Alpen war. Aber bereits unter Karl dem Großen war Mainz eine der wichtigen Städte. Wo finden Sie schon drei Kaiserdome – ich meine neben Mainz auch Worms und Speyer – innerhalb von 65 Kilometern? Und besuchen Sie mal den Trifels: Es gibt ­keinen besseren Ausblick in die Kulturlandschaft! Die Karolinger, Ottonen, Salier und Staufer hinter­ ließen in diesem Raum am Rhein ihre Spuren, die bis heute sowohl in den Museen als auch vor Ort zu erleben sind. Mit dem Kaiserjahr 2020 und der Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen der Macht“ tragen wir diesem Umstand ­Rechnung. Die Kultur hat entlang des Rheins Großartiges vollbracht, sodass man automatisch ins Schwärmen geraten kann. Die Romantiker des 19. Jahrhunderts kann ich schon verstehen: Auch Friedrich Wilhelm IV. von Preußen und ­Ludwig von Bayern machten am Rhein Urlaub und brachten Lebens-, aber auch Hochkultur mit.

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Seit 2007 leitet der Architekt Thomas Metz die General­ direktion Kulturelles Erbe in Rheinland-Pfalz mit Sitz im Ertaler Hof in Mainz und auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz. In dieser Funktion ist er oberster Dienstherr der ­L andesdenkmalpf lege und Landes­a rchäologie, der Burgen, Schlösser und Altertümer sowie der Landesmuseen in Koblenz, Mainz und Trier. Zugleich ist er Vorstandsmitglied unter anderem der Landesstiftung Arp Museum und der Sayner Hütte. Besonders begeistert er sich für den Kulturraum am Rhein, der seit Jahrtausenden ­be­siedelt ist. Der Dialog zwischen kulturellem Erbe und zeitgenössischer Kunst in all ihren Sparten gehört als wichtiger Baustein zur Arbeit der ­G eneraldirektion. Chris Gerbing sprach mit Thomas Metz.


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Die Max-Slevogt-Galerie des Landesmuseum Mainz im Schloss „Villa Ludwigshöhe“, Edenkoben, Foto: GDKE, Ulrich Pfeuffer

ARTMAPP: Lassen Sie uns noch ein wenig über die Verbindung von kulturellem Erbe und zeitgenös­sischer Kunst reden. Beispielsweise ­bringen die „Guten Aussichten“ Zeitgenossenschaft in die Festung Ehrenbreitstein.

TM: „Gute Aussichten“ finde ich großartig; durch die Landessammlung zur Geschichte der Fotografie in Rheinland-Pfalz im Landesmuseum Koblenz/Festung Ehrenbreitstein gibt es eine enge Verbindung. Diese Initiative zur Förderung junger Fotografinnen und Fotografen hat inzwischen ihren Sitz in Rheinland-Pfalz auf dem Haardter Schloss in Neustadt. Auch das von Ludwig I. von Bayern errichtete Schloss Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben ist ein solch besonderer Ort. Dort finden Sie die Max-Slevogt-Galerie, die auch Raum für zeit­ genössische Kunstausstellungen bietet. Wichtig ist mir, dass die Präsentation von zeitgenös­ sischer Kunst generell in Einklang mit dem kulturellen Erbe geschieht. So haben wir beispielsweise auf der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz gemeinsam mit Erwin Wortelkamp zu seinem 80. Geburtstag die Doppelausstellung „Wehrhaft – oder was gilt es zu verteidigen“ ausgerichtet. Durch die Inszenierung seiner Skulpturen konnte man die Festung mit anderen Augen erfahren, die ebenfalls ausgestellten Papier­ arbeiten sind zugleich durch die Oberf lächen der Räume inspiriert – das finde ich hoch spannend! Ich glaube, was wirklich einzigartig für Rheinland-­ Pfalz ist und das Bundesland ausmacht, ist die Verbindung von Lebenskultur mit historischem Erbe in einer einzig­ artigen Kulturlandschaft. www. gdke. rlp. de

Pfalzgalerie Kaiserslautern: Haus der Entdeckungen Auf einem Hügel am Rand des Stadtzentrums thront das ­Museum, das aus einer kunstgewerblichen Schausammlung hervorging, die zusammen mit einer Baugewerkeschule im ausgehenden 19. Jahrhundert gegründet worden ist. Klein, aber fein, mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischem Schaffen, so könnte man das Museumsprogramm um­ schreiben. Dabei ist es der Direktorin des Hauses, Britta E. Buhlmann, besonders wichtig, „eben nicht Projekte zu zeigen, die man anderswo auch sehen kann. Wir haben die Schwäche unserer Ausstattung zur Stärke umgemünzt, indem wir Künstlern die Chance geben, bei uns ihre Werke in einer Einzelausstellung zu zeigen – oft erstmals in Deutschland oder gar in Europa.“ Unter Kennern firmiert das Haus zwischenzeitlich als „Haus der Entdeckungen“, weshalb Besucher auch von weit herkommen. Buhlmann ist überdies der Überzeugung, dass „wichtige Künstler aus der Pfalz bei uns Raum und Zuhause haben müssen“. So ist, was sie zeigt, eine Mischung aus namhaften Künstlerpersönlichkeiten der klassischen

Britta E. Buhlmann, Direktorin, Foto: © Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern


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­ oderne wie dem Pfälzer Max Slevogt, aber auch Werke von M Max Beckmann, Otto Dix und Wassily Kandinsky und nicht ganz so bekannten US-amerikanischen Positionen, darunter auch eine Arbeit von Charles Pollock, dem älteren Bruder von Jackson Pollock. In den Wechselausstellungen prägt seit geraumer Zeit das Thema Natur das Programm. Beeindruckend ist, gleich im Eingangsbereich, die Arbeit der Schweizer Malerin Julia ­Steiner, die sich über Wände und Decke bis ins Treppenhaus fort- und den Betrachter einem wogenden Strudel aussetzt. Während ihre Soloschau zwischenzeitlich abgebaut ist, bleibt das Gemälde bis ins kommende Jahr bestehen. „De Natura“, das sind drei Ausstellungen in einer: Peter Lang, Bernard Des­ camps und Melanie Wiora nähern sich mit unterschiedlichen Materialien und Medien der Natur, wobei Island verbindendes Moment ist, das Wiora in ihrer Videoarbeit, Lang in seinen Druckgrafiken und Descamps in einem Teil seiner Foto­ grafien aufgreift. Der im zweijährigen Turnus verliehene

Pfalzpreis wird Corona-bedingt auf kommendes Jahr ver­ schoben, die zugehörige Ausstellung findet 2022 statt. Damit wurde beispielsweise 1975 Franz Bernhard geehrt, der 2013 in seiner Wahlheimat Jockgrim in der Südpfalz starb; von ihm besitzt das Museum einen reichen Bestand an Kunstwerken, die aber momentan nicht präsentiert werden. Derzeit plant Ga ler ist Wolfg a ng Thomeczek zusa mmen mit dem ­ehe­maligen Landtagsabgeordneten Manfred Geis, die Großskulptur „Aufragende“ des Bildhauers vor der P ­ falz­g alerie dauerhaft aufzustellen, die ab 2021 zunächst in Thomeczeks Kunst­K abinett Tiefenthal zusammen mit weiteren Arbeiten sowie Werken des syrischen Künstlers Marwan präsentiert werden wird. www. mpk. de w w w . k u n s t k a b i n e t t- t i e f e n t h a l . d e

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Franz Bernhard, „Aufragende“, 2012, Cortenstahl, 400 x 600 x 230 cm, Foto: Lucia Bernhard


Koblenz: Sehenswürdigkeiten am Deutschen Eck

Beate Reifenscheid, Direktorin Ludwig Museum Koblenz, vor dem Gemälde: R.B. Kitaj, „Kenneth Anger & Michael Powell“, 1973,

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Acryl auf Leinwand, 240 x 145 cm, Foto: © Ludwig Museum Koblenz

Koblenz gehört mit seinen fast 2.000 Jahren zu den ältesten deutschen Städten. Am Deutschen Eck gelegen, wo die Mosel in den Rhein mündet, hat die Stadt seit 2010 mit der weltweit leistungsfähigsten Drahtseilbahn eine weitere Attraktion. Sie verbindet die Altstadt mit der Feste Ehrenbreitstein, die heute unter anderem das Landesmuseum beherbergt. Confluentes, lateinisch für „die Zusammen­f ließenden“, lautete der Name, den die Römer dem Kastell gaben, um das herum sich die ­heutige Stadt entwickelte. Der historische Name ist seit 2013 wieder mitten in der City p ­ räsent durch das „Forum Confluentes“, in dem die Kunstsammlung des Mittelrhein-Museums, die StadtBibliothek und das interaktive Romanticum zu­ sammengefasst sind mit der Tourist-Information und Gastronomie. Wissen, Staunen und Begegnung stehen in dem prägnanten, vom deutsch-­n iederländischen Architekturbüro Benthem Crouwel am Zentralplatz realisierten Gebäude im Vordergrund. Auch wenn die Stadt, die sich als Tor zur Kultur­ landschaft Oberer Mittelrhein begreift, mit über 100.000 Bewohnern Großstadt ist, lässt sich hier die rheinische

Gemütlichkeit ebenso gut erfahren, wie Koblenz selbst Stadt der kurzen Wege ist, denn zumeist trennen die Sehenswürdigkeiten nur wenige Laufminuten voneinander. Das Museum Ludwig hat sein Domizil im ehemaligen Deutschherrenhof inmitten des Blumenhofs, den es als Skulpturenpark nutzt. Dort wird derzeit Otto Fried in einer Einzelausstellung p ­ räsentiert, an dem das Programm des Museums hervor­ragend festgemacht werden kann: Fried, 1922 in Koblenz geboren, ­a rbeitete ab 1949 zwei Jahre lang mit Fernand Léger in Paris zusammen. „Seine abstrakten, kosmischen Landschaften“, so die Direktorin des Hauses, Beate Reifenscheid, „kombinieren wir mit Werken aus unserer Sammlung, die sich mit Verfolgung, Schmerz, Leid, aber auch Erinnerung aus­einandersetzen. Wir haben dafür die in unserem Besitz befindlichen Kunstwerke von Christian Boltanski, Magdalena Abakanowicz oder Jochen Gertz bewusst anders inszeniert, was sehr gut ankommt.“ Ab Ende August präsentiert das ­Museum dann mit Fang Lijun und Ren Rong zwei aus dem Künstlerort Songzhuang bei Peking stammende chinesische Künstler. Eigentlich war die Schau bereits für April dieses ­Jahres vorgesehen und nur, weil die Werke bereits vor dem Corona-Shutdown im Depot des Museums angekommen ­waren, können die beiden Künstler im Herbst mit Holzschnitten sowie Frottagen und Skulpturen gezeigt werden. Weil das hauseigene Kunstwerk von Pierre Soulages ab Oktober im Museum Frieder Burda in Baden-Baden präsentiert werden wird, steht zudem eine kleine Umhängung innerhalb der Highlights der Sammlung Ludwig an, die immer auf zwei ­Etagen zu sehen ist. Das Museum Ludwig, benannt nach dem aus Koblenz ­s tammenden Peter Ludwig, ist „das einzige Museum in Rheinland-Pfalz, das ausschließlich zeitgenössische Kunst zeigt. Daraus leiten wir unsere dialogische Vorgehensweise zur eigenen Sammlung ab“, so Reifenscheid. Die Museumschefin, selbst auch für den Internationalen Museumsbund ICOM engagiert, betont, mit einem Museumsbesuch in der aktuellen, von Covid-19 bestimmten Zeit „geben die Besucher ein Bekenntnis zu Kunst und Kultur ab. Wir müssen gerade jetzt etwas für die Kultur tun. Museen sind elementar wichtig, wenn es darum geht, Begegnungen zu ermöglichen und ­a ndere Denkhorizonte zu vermitteln. Bei den aktuell ein­ brechenden Besucherzahlen, die mit düsteren Szenarien einhergehen, sollten wir dies immer mitdenken.“ www. ludwig mu seum . org t o r- z u m - w e l t e r b e . d e www. koblen z . de www. mit telrhein-museum. de


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Trier: „Rom des Nordens“ Zu den ältesten Klöstern Europas zählt die Benediktinerabtei St. Matthias, deren Ursprünge ins 3./4. Jahrhundert zurückreichen. In ihrer romanischen Basilika wird seit dem 12. Jahrhundert das Grab des Apostels Matthias verehrt. Direkt neben der Porta Nigra befindet sich das ehemalige Simeonstift, in dem heute das Stadtmuseum untergebracht ist. Weil ­Simeon von Syrakus sich um 1028 in dem römischen Stadttor hatte einmauern lassen, wurde dort das 1802 aufgehobene

Stift errichtet, zu dessen Sehenswürdigkeiten ein zwei­ geschossiger Kreuzgang zählt. Grundstock des Museums im Simeonstift sind Stiftungen reicher Bürger, die seit den 1960er-Jahren um moderne und zeitgenössische Kunst, flankiert durch entsprechende Ausstellungen, ergänzt wurde. Ab Oktober werden die letzten 50 Jahre der Geschichte der Universität Trier, bereits seit Juni „Der Untergang des Römischen Reiches“ beleuchtet. w w w . m u s e u m - t r i e r. d e / m u s e u m /d a s - s i m e o n s t i f t /

Unter den wichtigsten deutschen ­Kunstmuseen: Arp Museum Rolandseck

Seit Juli 2020 hat es das Arp Museum Rolandseck schriftlich: „Viel schöner kann ein Museum nicht platziert sein, archi­ tektonisch spannender auch nicht“, urteilte der MERIAN in seinem Themenheft „Deutschland neu entdecken“. Als „Kernkompetenz“ bezeichnet Museumsdirektor Oliver Kornhoff die Kunstwerke von Hans Arp und Sophie Taeuber-Arp, die im Dialog mit zeitgenössischer Kunst präsentiert werden. Das Künstlerpaar lebte nach der Devise, Kunst und Leben miteinander zu verbinden – diesem Credo folgt das Museum bis heute. Dabei darf es gerne mal „Total surreal“ zugehen, so jeden­f alls der Titel der aktuellen Ausstellung, in deren ­Zentrum die Arbeiten von Salvador Dalí stehen, die mit den Formfindungen Arps in Beziehung gesetzt werden. Hinzu ­gesellen sich rätselhafte Monumentalgemälde und Skulp­ turen des Berliner Künstlers Jonas Burgert, an denen das Thema Surrealität bis in die Gegenwart verfolgt werden kann. „Kunstkammer Rau: Traum und Vision“ kann in diesem ­Zusammenhang als Auftakt zur Rückblende an den Anfang des 20. Jahrhunderts gelesen werden, fasst den Begriff aber deutlich weiter und spannt mit 60 Kunstwerken den Bogen vom Mittelalter bis in die Gegenwart. 14 Kilometer lang ist der Skulpturenweg, der seit dem ­S tadtjubiläum 2001 ausgehend vom Arp Museum bis ­Remagen-Kripp zu 14 Skulpturen zeitgenössischer Künstler führt. „Man verpasst definitiv etwas, wenn man auf diesen Kunstgenuss entlang des Rheins verzichtet“, so Kornhoff, der neben seiner Tätigkeit in Remagen zudem das Künstlerhaus

Oliver Kornhoff, Direktor Arp Museum Rolandseck, Foto: Helmut Reinelt


32 Schloss Balmoral in Bad Ems leitet. Dort wird dezidiert junge Kunst gefördert. „Auch hier greifen wir uns stets eine der künstlerischen Fragestellungen der Gegenwart“, die dann mit internationalen Stipendiaten umgesetzt wird. Mit „KURona“ werden zudem rheinland-pfälzische Künstler gefördert, die sich in der Corona-Krise mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sehen. Balmoral und Remagen sind nicht nur personell, sondern auch durch die Ausstellung von Jahres­ arbeiten im Arp Museum künstlerisch eng miteinander ver­bunden. „Das bringt wiederum eine tolle Qualität und wunderbare Frische in die ehrwürdigen Räume des Bahnhofsgebäudes aus dem 19. Jahrhundert“, so Kornhoff. ar pmu seum . org

Künstlerhaus Schloss Balmoral, Bad Ems,

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Foto: © Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur

Museumslandschaft Mainz: Kunsthalle, Landesmuseum, Gutenberg-Museum

Stefanie Böttcher, Direktorin Kunsthalle Mainz, Foto: © Norbert Miguletz

Direkt am Rhein gelegen, hat sich die Kunsthalle Mainz als Entwicklungsmotor für das gesamte Areal im ehemaligen Mainzer Zollhafen erwiesen: Ausgehend von dem aus dem späten 19. Jahrhundert stammenden Kessel- und Maschinenhaus, das 2006 umgebaut wurde und seit 2008 das Museum beherbergt, entstand ein neues Viertel, in dem, so seine Direktorin Stefanie Böttcher, „die zeitgenössische Kunst sehr gut aufgehoben ist. „Allerdings“, schränkt sie ein, „ist die Kunsthalle ein Raumschiff, das noch nicht gelandet ist, denn die Gegenwartskunst hat keine lange Geschichte in Rheinland-Pfalz.“ Das soll sich sukzessive ändern, versteht sich das Haus doch als ihr Leuchtturm. Und weil es weit und breit nichts Vergleichbares gibt, erhält das Museum große Aufmerksamkeit. Dass keine Szene existiert, in die das Haus eingebettet wäre, sieht Böttcher als Chance: „Wir sind jung und allein, deshalb müssen wir keine Kompromisse eingehen oder Erwartungen erfüllen. Vielmehr haben wir Narrenfreiheit und agieren weniger unter gesamtgesellschaftlicher Beobachtung.“ Zeitgenössische Kunst steht für Reibung und darf auch mal wehtun, im Vordergrund steht in Mainz aber der Wunsch, zu überraschen. Und so kooperiert Böttcher ­sowohl mit der ansässigen Kunsthochschule und dem Atelierhaus Waggonfabrik als auch mit dem Staatstheater und dem Naturhistorischen Museum. Bezüglich des Programms betont Böttcher die internationale Ausrichtung, wobei auch sie renommierten, aber in Deutschland noch nicht bekannten Künstlern gegenüber den allseits bekannten Namen den Vorzug gibt und diese in ein umfangreiches interdisziplinäres Rahmenprogramm einbettet. Die aktuelle Ausstellung „Enter the Void“, in der Lawrence Abu Hamdan, Ursula Biemann, das englische Künstlerkollektiv Forensic Architecture und Paulo Tavares präsentiert werden, führt vor Augen, dass sich Gegenwartskunst für Demokratie, Gerechtigkeit, Natur- und Menschenrechte einsetzen, international und zugleich – über das Rahmenprogramm mit Protagonisten vor Ort – lokal eingebunden sein kann.


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Installationsansicht Turmebene 3: Forensic Architecture: The bombing of Rafah, 2014, Video, 3-D-Modell, 70x30x30 cm, commissioned by Amnesty international, Foto: Norbert Miguletz

Den Salierkaisern von Karl dem Großen bis zu Friedrich Barbarossa widmet das Landesmuseum Mainz seine diesjährige Landesausstellung im Kaiserjahr 2020. „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ ist die Schau betitelt, die die 500 Jahre währende Regentschaft mit zahlreichen hochkarätigen, selten präsentierten Exponaten illustriert. Die Liederhandschrift Codex Manesse, die Heiratsurkunde von Kaiserin Theophanu und die Goldene Bulle von 1356, aber auch eine Adlerfibel, die Grabkrone von Kaiserin Gisela und ein Armreliquiar Karls des Großen werden prunkvoll Z ­ eugnis ablegen vom Beziehungsgeflecht, über die Herrschaftsstrategien und die Kaiser selbst. Der Rhein galt schon damals als Rückgrat ihrer Macht; davon zeugen bis heute sowohl die Kaiserdome sowie die Pfalzen, an denen die Kaiser ihre Hoftage abhielten, die vom Reisekönigtum ohne festen Ort berichten. Neben Ingelheim gehört dazu auch Kaiserslautern mit seiner imposanten Pfalzruine, die auf Kaiser Barbarossa und damit ins 12. Jahrhundert zurück­ datiert. Sie ist entsprechend einer der Korrespondenzorte der Großen Landesausstellung in Mainz wie auch die Römerstadt Trier, die einen Abstecher an die Mosel lohnt, weil sie einige Klöster beherbergt, die zu den ältesten in Europa gehören.

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www. k unsthalle-main z . de

Landesmuseum Mainz, Inv. Nr. 0,1518

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Foto: © GDKE, Landesmuseum Mainz, Ursula Rudischer

www. landesmuseum-main z . de www. kaiser 2020. de

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Einen ganz anderen Schwerpunkt setzt das Gutenberg-­ Museum Mainz, dessen Hauptattraktion Wiegendrucke aus der Frühzeit des Buchdrucks sind. Darunter zählen vor allem zwei Ausgaben der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel, des ersten mit beweglichen Lettern gedruckten Buchs, das zwischen 1452 und 1454 in Mainz entstand. Zudem vergibt das Museum alle zwei Jahre den Mainzer Stadtdruckerpreis, der Grafiker, Typografen und Drucker ehrt, die sich um die Weiterentwicklung der Druckgrafik verdient gemacht haben. Amtierender Stadtdrucker ist der 1983 in Pößneck geborene Holzbildhauer Tobias Gellscheid, der in seinen Holzstichen historische Drucktechnik mit aktuellen Themen verbindet. Die Aus­ stellung „On the way to nowhere“, mit der er hätte vorgestellt werden sollen, wurde Corona-bedingt auf den Herbst verschoben.


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© AC Hotel Mainz

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Träume und Alpträume.

erstbegehung / first ascent

Zum 100. Todestag von Max Klinger (1857-1920) Ausstellung in der Städtischen Galerie im Alten Rathaus in Wittlich 11. Oktober 2020 bis 7. Februar 2021

ERÖFFNUNGSAUSSTELLUNG 27. Juni – 22. August Öffnungszeiten Dienstag, Donnerstag und Freitag von 11 – 18 Uhr, Samstag von 11 – 15 Uhr oder gerne auch nach Vereinbarung

In der Gruppenausstellung werden sowohl figurative als auch abstrakte Malereien von Pascal Brinkmann, Wolfgang Günther, Nemanja Sarbajic und Rahel Sorg gezeigt, Zeichnungen von Lukas Gartiser und Collagen von Fehmi Baumbach. Zu sehen sind außerdem Assemblagen des neuseeländischen Künstlers Thomas Newman Pound. Die Galerie freut sich bereits auf die kommende Ausstellung mit Fotografien von Danijel Sijakovic und Malereien von Rahel Sorg, die vom 29. August bis zum 10. Oktober zu sehen sein wird. EMDE GALLERY

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Umfassende Präsentation des graphischen Werkes Max Klingers, über den Giorgio de Chirico vor genau 100 Jahren schrieb: „Klinger war der moderne Künstler schlechthin …“

Städtische Galerie im Alten Rathaus Neustraße 2 54516 Wittlich T 065 71 14 66-0 info@kulturamt.wittlich.de kulturamt.wittlich.de

Öffnungszeiten: dienstags bis samstags 11 bis 17, sonn- und feiertags 14 bis 17 Uhr

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MuseuM B O P PA R D

Enter the Void 10/07–01/11/20 Lawrence Abu Hamdan Ursula Biemann Forensic Architecture Paulo Tavares Kunsthalle Mainz


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Ludwigshafen: Stadt für junge Kunst

Good Vibrations am Rhein

René Zechlin, Direktor Wilhelm-Hack-Museum, Foto: Stadt Ludwigshafen/

Ohne Frage, Ludwigshafen am Rhein ist keine Idylle. ­ llerdings hat die Stadt gerade für ein kunst- und kultur­ A begeistertes Publikum einiges zu bieten. Die freie Musik- und Theaterszene gedeiht prächtig, zahlreiche bildende Künstler haben hier ihre Ateliers. Die bezahlbaren Mieten sind wohl nicht der alleinige Grund dafür, denn Ludwigshafen, die ­etwas vergessene Arbeiter- und Industriestadt, punktet mit durchaus guten Rahmenbedingungen. Verkehrstechnisch günstig gelegen, inmitten der Metropolregion Rhein-Neckar, umgeben von attraktiven Städten und reizvoller Natur, verzeichnet sie derzeit einen verstärkten Zuzug von vor allem jungen Menschen. Auf die Landkarte der Kunst-Hotspots hat sie es zwar noch nicht geschafft, aber erste Schritte sind gemacht. Und wenn die Medien überregional von Ausstellungen berichten, wie jüngst über „Good Vibrations. Sommer in der Pop-Art“ im Wilhelm-Hack-Museum, dann kommen Besucher aus Nah und Fern nach Ludwigshafen. Auf institutioneller Ebene kann die Stadt mit dem ­b ereits 1928 gegründeten Kunstverein sowie dem 1979 ­e röff neten Wilhelm-­H ack-Museum punkten . Beide ­H äuser präsentieren ein anspruchsvolles und bisweilen ungewöhn­l iches Aus­stellungsprogramm. Dabei fallen bei beiden Institutionen zwei Aspekte besonders auf: die ­F örderung g­ erade der jungen Kunst und die Öffnung zur überaus he­t erogenen Stadt­g esellschaft. Kunst findet hier

nicht im ­E lfenbeinturm statt, sondern das Museum geht raus in die Stadt . Seit bereits acht Jahren gedeiht der „hack-museumsgARTen“, ein Urban-­G ardening-Projekt direkt am Wilhelm-Hack-Museum und ist mittlerweile ein beliebter Treffpunkt und Veranstaltungsort. Seit 2018 läuft das vom Wilhelm-Hack-Museum und der Online-Veran­ staltungsplattform WOW initiierte Street-Art-Projekt MURALU, für das auch in diesem Jahr einige neue Wand­ malereien entstehen. MURALU ist gewisser­maßen Auftakt einer für den kommenden Sommer geplanten Ausstellung zur Bedeutung der Straße in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts, in der es auch um die Geschichte des Graffitis gehen wird. René Zechlin, Direktor des Wilhelm-­Hack-Museums, versteht sein Haus auch als Plattform für Themen, die die Menschen in der Stadt beschäftigen. Das historische Potenzial der Sammlung, mit Schwerpunkten auf den abstrakten Tendenzen des frühen 20. Jahrhundert und dem Expressionismus, kann dabei durchaus auf soziale und ökologische Fragen der Gegenwart übertragen werden. Schon damals ging es nicht nur um eine neue Wahrnehmung der Welt, sondern genauso um deren Neugestaltung mit oft utopischen Entwürfen. Zechlin geht es ausdrücklich nicht darum, die Kunst nur zu erklären, sondern ihr diskursives und gesellschaftliches ­Potenzial zu nutzen.

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Joachim Werkmeister


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Eva Gentner, „ocean I“, 2020, Zement/Pigment auf Jute, 60 x 40 cm © Eva Gentner

Wenn das Wilhelm-Hack-Museum im September ­wegen baulicher Maßnahmen erneut schließt, wird die Sammlung online verfügbar sein und auch verschiedene digitale Angebote, die zum Teil während der Corona-bedingten Schließung erprobt wurden, werden weitergeführt. René Zechlin sieht im virtuellen Vermittlungsprogramm eine Bereicherung zum analogen Angebot, keinesfalls einen Ersatz, denn das Museum lebe eben vom unmittelbaren Austausch vor dem Werk. Weiterhin geöffnet bleibt die Außenstelle des Museums: die Rudolf-Scharpf-Galerie, eine Projektgalerie für überwiegend junge Kunst. Aktuell stellt dort die in Mannheim lebende Künstlerin Eva Gentner (* 1992) ihre jüngste Werkserie „ocean“ aus. Gentner verbindet in ihrer Arbeit ­bildende Kunst, Tanz und Literatur. Veränderung, Flüchtigkeit, aber auch Materialität sind Aspekte, mit denen sie sich, ausgehend von Herman Melvilles Roman Moby Dick, auch in „ocean“ auseinandersetzt.

Barbara Auer, langjährige Leiterin des Kunstvereins, sieht ihre Aufgabe vor allem in der Förderung innovativer, noch nicht etablierter Positionen. Mit ihren Ausstellungs­ projekten greift sie ebenfalls immer wieder aktuelle gesellschaftliche Fragen auf. So ist für 2021 ein interdiszi­ plinäres Projekt mit der TU Berlin zum Thema Urbanität geplant, bei dem die Stadtentwicklung Ludwigshafens im Fokus stehen wird. Kooperationen sind Auer wichtig, zum Beispiel mit der Hochschule Mainz, aber auch mit anderen Ausstellungshäusern, nicht zuletzt, um international besetzte Projekte stemmen zu können. Alle drei Jahre und 2020 bereits zum zwölften Mal bietet die Ausstellung zum EmyRoeder-Preis, der in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur in Mainz ver­ geben wird, einen Überblick über die vielfältige junge Kunstszene in Rheinland-Pfalz. Der Kunstverein präsentiert ein medial breit gefächertes Programm, das Raum für ex­ perimentelle Ansätze gibt. Damit stellt Barbara Auer das Publikum bisweilen durchaus vor Herausforderungen, liefert aber ein umfangreiches Vermittlungsangebot gleich mit. Auch viele der überaus beliebten Angebote von unARTig, der Jugendkunstschule des Kunstvereins, finden in Ausein­ andersetzung mit den aktuellen Ausstellungen statt. Die Teilnehmer kommen vor allem aus dem Stadtzentrum mit seinen vielfältigen sozialen Strukturen. Kunstverein und Wilhelm-Hack-Museum leisten echte Aufbauarbeit, wenn es um die Angebote für K ­ inder und Jugendliche geht. In beiden Häusern wird die Ausstellungsinstitution als Ort des Dia­ loges gedacht, nicht als Tempel stiller Kunstbetrachtung.


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Finalistin „Emy-Roeder-Preis 2020“: Yeonho Jang, „Empty Gaze“, 2018, HD-Video mit Ton (schwarz-weiß), 05:10 Min. © Yeonho Jang

KIM BEHM

Bis 13. September 2020 G o o d V i b ra t i o n s . S o m m e r i n d e r P o p - A r t W ilhelm-Hack-Mu se um Bis 23. August 2020 E v a G e n t n e r. o c e a n R u d o l f- S c h a r p f- G a l e r i e www. wilhelmhack. museum

1 2 . September bis 8. November 2020 E m y - R o e d e r- P r e i s 2 0 2 0 . Junge R heinland-Pfäl zer Künstler innen und Künstler 28. November 2020 bis 2 4 . Januar 202 1 M a r k u s Wa l e n z y k . V i d e o i n s t a l l a t i o n www. k un st ve re in-ludwigshafe n . de

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Kunst gehört zum Leben und diversen Studien zufolge ist eine Stadt mit lebendiger Kulturszene attraktiver als ohne. Noch ist die Vielfalt der Ludwigshafener Kulturszene viel zu ­wenigen bekannt, aber eine im vorigen Jahr begonnene Publikationsreihe mit dem vielsagenden Titel „PROUD“ wird das hoffentlich ändern. Sie stellt ortsansässige Kulturschaffende in kleinen, aber anspruchsvollen Einzelkatalogen vor, Herausgeber ist das Kulturbüro der Stadt, fünf Ausgaben sind bislang erschienen: zu Wolfgang Vogel, der typografische ­Bilder und Künstlerbücher gestaltet, zum (Jazz-) Musiker ­E rwin Ditzner, zum Künstlerduo Mwangi Hutter, Teilnehmer u. a. der Biennale di Venezia und der documenta, die 2018 eine große Einzelausstellung im Kunstverein Ludwigshafen hatten, sowie zur Theaterpädagogin Gabriele Twardawa und ihrem AdRem-Jugendtheater. „PROUD #3“ ist der A ­ ktionsund Perfor ma nce- Gr uppe „ Buero f ür a ngewa ndten Realismus“ gewidmet. Deren Mitglied Helmut van der Buchholz bietet auch die „Germany’s Ugliest City-Tour“ an, eine weitere G ­ elegenheit, das eine oder andere Vorurteil gegenüber ­Ludwigshafen zu überprüfen.


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Julius Grünewald vor Arbeiten in seinem Atelier

rechte Seite: Julius Grünewald, „Indianer VI“, 2020, Öl und Lack auf Teppich, 300 x 200 cm

Alle Fotos: © Julius Grünewald

Julius Grünewald

Wolf aus der New Atlas Bar Die Fahrt zum Maler Julius Grünewald ins Atelier wirkt wie ein Sonntagsausflug ins sanfte, hügelige Rebland des Wonne­ gaus. Ziel: Osthofen, am Übergang zwischen Rheinischer Tiefebene und Rheinhessischem Hügelland, nicht weit entfernt von Worms, der Nibelungenstadt, gelegen. Es geht durch schmale Gässchen, vorbei an zahlreichen Weingütern, die vorwiegend Weißwein anbieten. Das Wort „Provinz“ ist hier positiv besetzt.

Hier lebt Julius Grünewald, der 1965 in Worms geboren wurde, wie er sagt, „eher zurückgezogen“. Seine Malerei ist nicht das Abbild seiner zahlreichen Reisen, seiner Auseinander­ setzung mit der Welt. „Ich habe im Alter von 19 bis 40 an unterschiedlichen Orten gelebt“, erinnert er sich. „Von Bremen, Budapest nach Chemnitz, dann habe ich lange in Berlin gelebt, bis ich mit Anfang 40 nach Osthofen zurückkam“, erzählt er. Daneben unternimmt er immer wieder zahlreiche, zum Teil ausgedehnte Reisen (u. a. nach Tonga, Indien und ­zuletzt durch den amerikanischen Westen) – „am liebsten jedes Jahr in ein neues, unbekanntes Land“. „Malen ist für mich wie eine Reise“, sagt Grünewald. Reisen als Gegenreaktion


auf sein zurückgezogenes Leben, also eine Analogie. Er braucht die Erfahrungen und Eindrücke von ­außen − verwendet jedoch in seiner Kunst die Erinnerungen an seine Heimat. Die Sujets der Bilder haben immer mit seiner Umgebung, seiner Lebenswirklichkeit zu tun. „Ich male, was mir naheliegt“, und er ergänzt: „Wenn ich einen Fuß male, ist das mein Fuß, wenn ich ein Gesicht male, ist es mein Gesicht, wenn ich einen Innenraum male, ist es mein Zuhause, die Spielfiguren meiner Kindheit finden sich auf Teppichen wieder.“ Er wählt Motive, die auch der klassischen Ateliermalerei zuzuordnen sind: Interieurs, Gesichter, Körperstudien, Wölfe oder Bisons sowie Wildschweine und Hasen.

Die Interieurs aus den 2000er-Jahren erinnern an das bürgerlich gesetzte Leben zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das mitunter üppige Ambiente in Grünewalds Bildern mit antiken Möbeln, Teppichen, Bildern und Büchern hat direkte autobiografische Bezüge zu seinem Elternhaus. Diese Werke erinnern an Adolph von Menzels „Balkonzimmer“ und die Zeit um 1900. Auch die Wildschweine und Hasen hat er bei der Jagd in und um Westhofen, wo er in einem Weingut aufwuchs, gesehen. Die Assoziationen zu seiner Motivwahl sind vielfältig und immer mit seiner Person verknüpft.

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Julius Grünewald, „Wildschwein“, 2019, Öl auf ungrundierter Leinwand, 140x170 cm

Die Aktualitätsverweigerung in seinen Motiven, die groß­ zügige Malerei, die vor allem aus der Erinnerung kommt, fasziniert und irritiert zugleich. Julius Grünewald macht es dem Betrachter nicht leicht, denn das Einordnen in einen Kontext fällt schwer. Er erzählt keine Geschichten. Alle Bilder zeigen einen Ausschnitt, aber kein Panorama. Sie sind fokussiert auf das Motiv. „Ich lege mich auf ein Motiv fest und mache mir keine Gedanken, in welche Schublade der Kunstgeschichte ich passen könnte“, erklärt der Maler, der in Karlsruhe an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste bei Professoren wie Per Kirkeby, Horst Antes sowie Stephan Balkenhol studiert hat und Meisterschüler war.

Grünewald dekliniert die Themen durch, er arbeitet sich an ihnen ab. Während er auf ein Motiv fixiert ist, darf technisch alles passieren: Auf manchen Bildern ist ein pastoser Farb­ auftrag, der die Farbe fast reliefartig schichtet, zu sehen. Es bilden sich Schrunden und Verkrustungen, kleine Hügel und Krater. Und dann gibt es Bilder, auf denen die Farbe flüssig aufgetragen ist und f ließt. Gestisch, weit ausholend, der ­P inselduktus schnell und dünn lasierend auch auf Teppichen. Er malt oft auf schwarzem oder weißem Untergrund oder lässt ihn ohne Farbe und bezieht ihn mit ein, und zwar in einer teilweise extrem aufgelösten Malweise. Es fehlen die Defi­ nition der Gegenstände und scharfe Profillinien. Der Maler deutet vieles nur an und überlässt es den Augen und dem Gehirn des Betrachters, das Bild zusammenzusetzen.


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Ein weiterer bekannter Bewohner Osthofens war Georg Baselitz, der ab 1966 für einige Jahre dort lebte. Er hat 1969 erstmals mit seinem Bild „Der Wald steht auf dem Kopf “ mit den herkömmlichen Sehgewohnheiten gebrochen. Da kann man nur zustimmen: Rheinhessen bietet immer wieder neue Perspektiven … CHRISTINA KÖRNER

J u l i u s G r ü n e w a l d w i rd v e r t r e t e n von Galer ie Michael Haas, B erlin und G ale r ie Nosbaum R eding, Lu xe mburg.

Julius Grünewald, „Wolf “, 2020, Öl auf ungrundierter Leinwand, 150x160 cm

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„Alles, was passiert, muss auf der Leinwand passieren, sonst wird es langweilig“, sagt Julius Grünewald, der Einzelausstellungen in Berlin, Mannheim, New York, Luxemburg und Prag, aber auch Ausstellungsbeteiligungen in Leipzig oder Karls­ ruhe hatte, zahlreiche Preise gewann und dessen Werke in öffentlichen Sammlungen zu sehen sind. In der Regel verwendet er Ölfarbe, aber auch Pigmentpuder, den er direkt mit Leinöl auf dem Bild anrührt. Denn dieser Prozess gehört für ihn zur Malerei bereits dazu. Seine neuesten Arbeiten malt er auch auf Teppiche, auf Jute und auf ungrundierte weiße Leinwände, die die Farbe stark aufsaugen und dadurch einen neuen Umgang erfordern.


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„gute aussichten“ im Haardter Schloss, Neustadt an der Weinstraße

Junge Fotografie

Josefine Raab und Stefan Becht, Foto: Emanuel Raab

Das im Jahr 2004 von Josefine Raab und Stefan Becht initiierte Projekt „gute aussichten – junge deutsche fotografie“, das sich die Aufgabe gestellt hat, den aktuellen Status quo der ­jungen Fotografie abzubilden und in großen Ausstellungshäusern der Öffentlichkeit vorzustellen, hat seinen Reiz noch immer nicht verloren. Im Gegenteil: „gute aussichten“ ist inzwischen einer der wichtigsten Wettbewerbe weltweit, wenn es um Nachwuchsfotografie aus Deutschland geht. Immer wieder wartet man gespannt auf die neuen Preisträger. Und bis heute ist „gute aussichten“ der ­einzige bundesweite Förderwettbewerb, der junge Fotografen in den besten Ausstellungshäusern Deutschlands zeigt. Ausgezeichnet werden jährlich Abschlussarbeiten bundesdeutscher Akademien und Hochschulen, die Fotografie als Studiengang anbieten. Jede akademische Ausbildungsstätte kann der Jury fünf Arbeiten zur Begutachtung vorlegen. Gründerin Josefine Raab entwickelte ihre Idee noch im Nassauischen Kunstverein in Wiesbaden, in dem sie als Vorsitzende und Kuratorin entscheidende Impulse für die junge Fotokunst setzen konnte. Die Idee einer „jährlich wiederkehrenden, kaleidoskopischen Zusammenschau, die einen repräsentativen Querschnitt über das künstlerische Potenzial junger Nachwuchstalente der Fotografie bietet“, wurde aus diesem Engagement heraus geboren.

Von Beginn an wurde der Wettbewerb sehr gut an­genommen. Man konnte immer wieder wechselnde, h ­ ochkarätige ­Juroren verpflichten – und die Ausstellungshäuser, die „gute aussichten“ schließlich präsentierten, wurden immer bedeutender. Partner waren und sind etwa die Deichtorhallen in Hamburg, das NRW-Forum in D ­ üsseldorf, das Museum für Fotografie in Berlin, der ­Gropius Bau in Berlin oder das Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein. Auch Stationen im außereuropäischen Ausland werden seit Jahren bespielt, etwa das Goethe-Institut in Mexiko City. ­Insgesamt veranstaltete „gute aussichten“ bis dato mehr als 160 Ausstellungen im­ In- und Ausland für seine Preisträger. Jeden Jahrgang empfindet Josefine Raab nach wie vor als „Resonanzraum dessen, was an Themen und Stilmitteln in der Gesellschaft vorhanden und in der kulturellen Landschaft unterwegs ist“. Wenn man die Ausstellungen von „gute aussichten“ besucht, wird dem Betrachter deutlich, wie vielfältig das Medium Fotografie heute ist – und wie sehr die Dominanz bestimmter Stile und Schulen einer neuen Vielfalt gewichen ist. Seit dem Jahr 2011 hat das Projekt seinen Sitz in der Pfalz, in Neustadt an der Weinstraße. Hier, im Haardter Schloss, leben und arbeiten Raab, ihr Mann und Stefan Becht, der Mitbegründer von „gute aussichten“. Das im späten 19. Jahrhundert erbaute Haus umgeben von einem großen Park bietet einen weiten Blick auf die Rheinebene. Gute ­Aussichten − auch hier! Ein wunderbarer Platz, ein Kulturdenkmal, das lange als Hotel und Restaurant genutzt wurde, bevor das Trio den Ort entdeckte und zu neuem Leben erweckte: als Ausstellungsort, als Synergiezentrum und als Salon, in dem ebenso Ausstellungen, die sogenannten „Heimspiele“ von „gute aussichten“ stattfinden. Nach all den Jahren brennen Stefan Becht und Josefine Raab noch immer für das fotografische Medium. Warum? „Die Fotografie sprengt alle Grenzen!“, so die Kunstwissenschaftlerin. „Sie greift auf alle denkbaren medialen Formen über und gleichzeitig – das ist das Interessante – ist sie unglaublich experimentierfreudig und geht ganz neue Wege.“ Die Qualität der Arbeiten ist das eine. Das andere ist die ­Bedeutung von Plattformen wie „gute aussichten“. Orte, an denen junge Künstler sichtbar werden – auf hohem Niveau professionell pr ä sent ier t , m it E r nst ha f t ig keit u nd ­L eidenschaft: Josefine Raab: „Wir arbeiten für optimale Aufmerksamkeit.“


Bernhard Prinz, Ausstellungsansicht „heimspiel3“ im Tafelzimmer des Haardter Schlosses, Neutstadt an der Weinstraße, 2013, Foto: © gute aussichten / Rebecca Sampson

Die aktuelle, inzwischen 16. Ausgabe von „gute aussichten – junge deutsche fotografie“ steht unter dem Zeichen von „Krieg und Frieden in Zeiten globaler Desinformation“. Aus 82 Einreichungen aus 36 Institutionen wählte die Jury neun Preisträger aus, deren Arbeiten bis zum 30. August 2020 im Haus der Photographie in den Deichtorhallen Hamburg und

ab 1. Oktober 2020 im Landesmuseum Koblenz auf der Festung Ehrenbreitstein zu sehen sind. Zur Ausstellung ist der Katalog „gute aussichten 2019/2020“ erschienen. MARC PESCHKE

www. g uteau ssichten . org

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STONE HENGE DER PFALZ


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Claus Bur ys „Bankhäuser“ auf dem Queidersbacher Haselberg, 2018

Buntsandstein aus dem Carl Picard Natursteinwerk

Foto: © Hans Trinkaus


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Illumination, Eingangstor zum Steinbruch, Foto: © Carl Picard Natursteinwerk GmbH

Skulpturenweg Rheinland - Pfalz e. V.

Am Anfang war der Sandstein Alles begann 1986 im Schweinstal bei Kaiserslautern. Dort wird im „Carl Picard Natursteinwerk“ seit über 100 Jahren Sandstein abgebaut. Der Stein hat allerbeste Qualität und so kamen immer wieder Künstler hierher, um Blöcke auszuwählen. Der Inhaber des Steinbruchs, Jürgen Picard, interessierte sich für das, was mit seinen Steinen geschah, und schließlich entstand aus dem Interesse für die Künstler und die Kunst die Idee eines Bildhauersymposiums und ­eines Skulpturenwegs in der Region. 1986 gründete sich auf Initiative von Picard und anderen der Verein „Skulpturen in Rheinland-Pfalz e. V.“. Mittlerweile stehen in der Natur und in der Stadt etwa 80 Großplastiken entlang des Skulpturenwegs, der sich von Johanniskreuz über Kaiserslautern bis nach Kollweiler erstreckt.

Auch in diesem Jahr wächst der Skulpturenweg wieder an, denn zum „12. Internationalen Bildhauersymposium 2020“ entstehen neue Werke. Sechs Künstler aus Deutschland, ­Österreich, Italien und China sind eingeladen, ihre Entwürfe zu realisieren, die eine Fachjury aus über 100 Bewerbungen ausgewählt hat. Alle zwei Jahre findet das Symposium statt, die Künstler arbeiten etwa vier Wochen lang vor Ort, am Ende steht die Präsentation der neuen Skulpturen. Das Material für die Arbeiten wird gestellt, Stein kommt aus dem Picard’schen Steinbruch, andere Materialien, Holz und Metall, werden im Idealfall von regionalen Unternehmen beigesteuert. Kost und Logis sind frei, darüber hinaus erhalten die Künstler ein ­Honorar von 5.000 Euro. Neben dem Bleibenden, den Skulpturen, ist für Jürgen Picard der Symposiumsgedanke wichtig.


51 Die vier Wochen, in denen die Künstler vor Ort arbeiten, sind auch eine Zeit des Miteinanders und des Austauschs. Und auch 2020 ist ein vielfältiges Rahmenprogramm mit Konzerten, Workshops, Lesungen, Wanderungen und Performances geplant. All das kostet natürlich Geld. Unterstützt werden die Bildhauersymposien vom rheinland-pfälzischen Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur, von der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz, dem Bezirksverband Pfalz, Banken, Privatunternehmen sowie von den Freunden und Mitgliedern des Vereins. Die meisten Werke auf dem Skulpturenweg sind aus Schweinstaler Sandstein gefertigt. Er wird vom „Carl Picard Natursteinwerk“ zur Verfügung gestellt und ohne diese Unterstützung wäre der Skulpturenweg wohl nicht entstanden. Glücklicherweise teilt Martin Picard, der das Werk und den Steinbruch mittlerweile leitet, die Leidenschaft seines Vaters für die Kunst. Nicht nur anlässlich der Symposien kommen neue Skulpturen hinzu. 2018 wurden nach mehrjähriger Vorbereitung auf dem Haselberg bei Queidersbach die „Bankhäuser“ des Frankfurter Bildhauers Claus Bury aufgestellt. Die „Bankhäuser“ sind eine Skulpturengruppe, bestehend aus vier

gleichen Elementen. Jedes ist zusammengesetzt aus zwei Sandsteinquadern, aus denen Sitzf lächen herausgearbeitet sind, bekrönt von einem Dreiecksgiebel. Ausgerichtet nach den Himmelsrichtungen und mit freiem Blick in die Landschaft, stehen sie auf einer etwa zehn mal zehn Meter großen Freif läche inmitten bewirtschafteter Felder. Die „Bank­ häuser“ stehen dort, als seien sie schon immer da gewesen, sie erinnern an Kult- oder Versammlungsstätten vergangener Zeiten. Für Hans Trinkaus, dem das Grundstück gehört, sind die „Bankhäuser“ ein besonderer Ort, der zum Verweilen, aber ebenso zum Miteinander, zum Austausch einlädt. Vermutlich werden sie auch noch in einigen Jahrhunderten dort oben stehen, denn der Sandstein aus dem Schweinstal ist extrem beständig. Dann können die Menschen der Zukunft rätseln, wofür dieser Platz angelegt wurde. Der Skulpturenweg Rheinland-Pfalz e. V. gehört zur „Straße des Friedens – Straße der Skulpturen in Europa“. Sie geht zurück auf eine Idee von Otto Freundlich aus den 1920er-Jahren, die ein halbes Jahrhundert später von Leo Kornbrust realisiert wurde. KIM BEHM

www. sk ulpt ure n-rhe inland-pfal z . de

Claus Bury, „Bankhäuser“, Detail,

Martin und Jürgen Picard beim Aufbau

Foto: © Hans Trinkaus

der „Bankhäuser“ von Claus Bury, Foto: © Hans Trinkaus

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w w w . p i c a rd - n a t u r s t e i n w e r k . d e


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Stif tung Wor telkamp im Wester wald

„im Tal“

Hanspeter Demetz, „Haus für August Sander“, Innenansicht,

„im Tal“ – das liegt mitten im Westerwald, im Landkreis Altenkirchen zwischen Hasselbach und Werkhausen. Es ist eine über zehn Hektar große Fläche, auf der neben etwa 50 Skulpturen und skulpturalen Installationen auch mehrere Gebäude für die Kunst stehen. Doch „im Tal“ ist kein reiner Skulpturengarten, denn die Fläche wird extensiv landwirtschaftlich genutzt, nur Wald- und Wirtschaftswege oder Trampelpfade

führen zu den einzelnen Werken – eine landschaftliche Situation, die für die Entfaltung von Tier- und Pflanzenwelt beste Bedingungen bietet. Der Besuch braucht Zeit, der komplette Rundgang dauert etwa drei Stunden. Man muss sich einlassen auf diesen Ort, auf die sich im Gehen verändernde Umgebung, auf die Werke, die eben nicht im Ausstellungsraum stehen, sondern Teil eines großen Ganzen inmitten der Vegetation

linke Seite: Erwin Wortelkamp im Depot, 2020, Foto: Reiner Brouwer, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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Foto: Werner J. Hannappel


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Claus Bury, „Haus des Hasselbacher Reiters“, 1987/88, Holzkonstruktion, 800 x 600 x 500 cm, Foto: Werner J. Hannappel

sind und die zugleich, jedes für sich, einen Raum in dieser Landschaft haben. „im Tal“ werden Gestaltungselemente des englischen Landschaftsgartens eingesetzt, um den Werken eine angemessene Präsentation zu geben. Jede Arbeit hat hier den auf sie abgestimmten, für sie gestalteten Platz. Blickachsen, Gehölze, die die Skulpturen hinterfangen oder weite Öffnungen bereiten die Bühne für die Kunst. Manche Arbeiten sind weithin sichtbar, etwa „Sonne – Licht – Mensch“ von Michael Deiml, andere sind ganz versteckt wie Bogomir Eckers „Schrei“, der zunächst nur als in den Boden eingelassenes Gitter sichtbar ist. Norbert Radermachers „Der Ring“ hängt goldglänzend in der Krone einer Eiche, Gloria Friedmanns „Eremitage“ verbirgt sich hinter einer Tür im felsigen Hang. Dem schnellen Spaziergänger könnten solche Arbeiten leicht entgehen, vor allem wenn schon die nächste Skulptur den Blick auf sich gezogen hat. „im Tal“ erschließt sich denen, die sich Zeit lassen.

Initiiert wurde dieses sich wandelnde und wachsende Areal für die Kunst und für die Natur von dem Maler und Bildhauer Erwin Wortelkamp (* 1938). Auch in seinem eigenen Werk geht es Wortelkamp stets um den Bezug der Arbeit zum Raum. Er sucht die Orte für die Aufstellung seiner Skulpturen aus Holz, Eisen oder Bronze gezielt aus – ganz gleich ob im Innen- oder Außenraum. Im Vordergrund jeder Präsentation steht der Dialog von Kunst und Natur bzw. Raum. Insofern ist „im Tal“ auch die Manifestation einer künstlerischen Haltung. Nachdem Wortelkamp 1975 sein Atelier in Hasselbach ­eingerichtet hatte, begann er ab 1986, Land zu erwerben, aufzuforsten und „im Tal“ Arbeiten von Künstlerkolleginnen und -kollegen in die Landschaft zu integrieren. Gemeinsam mit Carola Schnug-Börgerding wurde die landschaftsarchitektonische Konzeption entwickelt. Seit Jahren wird die Konzeption von Kim Wortelkamp, Landschaftsarchitekt und


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Erwin Wortelkamp, „Vielleicht ein Baum“, 1976, Eisen, 520 / 97 / 100–135 / 63 / 62–286 / 65 / 70–153 / 50 / 56 cm,

Architekt, fortgesetzt und mittlerweile ist das private Projekt in die „im Tal – Stiftung Wortelkamp“ übergegangen. Von Erwin Wortelkamp selbst steht auf freier Wiese, im Terrain hoch gelegen, das Skulpturenensemble „Vielleicht ein Baum“ von 1976. In den 1990er-Jahren fügte er eine weitere Arbeit hinzu: „Teil aus einem Ganzen – zu einem Ganzen“. Schon 1987 kamen Werke von Kazuo Katase und Ansgar Nierhoff ins „Tal“, ein Jahr später Claus Burys „Haus des Hasselbacher Reiters“. Joachim Bandau, Madeleine Dietz, Ludger Gerdes, Bettina Khano, Barbara Köhler, James Reineking und viele andere folgten. Am Rand einer Lichtung, ein bisschen versteckt hinter Bäumen, liegt das „Haus für August Sander“, errichtet 1989 nach einem Entwurf des Architekten Hanspeter Demetz. Der Fotograf August Sander (1876−1964) stammte aus der Gegend, sein 1925 begonnenes Projekt „Menschen des 20. Jahrhunderts“ ist bis heute richtungsweisend für die dokumentarische Porträtfotografie. Demetz hat einen hermetisch-kubischen

Bau für die Fotografien Sanders geschaffen, in dessen kargem Inneren die Schwarz-Weiß-Fotografien durch das gezielt nur von oben einfallende Licht in Szene gesetzt werden. Demetz hat hier gewissermaßen fotografische Prinzipien auf die Architektur übertragen. Im „Haus für die Kunst“, 1998 von Georg A. Schütz entworfen, finden regelmäßig Lesungen, Konzerte und ­a ndere Veranstaltungen statt. Auch als Seminarraum kann das „Haus für die Kunst“ gebucht werden. „im Tal“ ist nicht zuletzt ein Ort für die Menschen, an dem in aller Stille ­Natur und Kunst aufgenommen werden können. KIM BEHM

i m Ta l / H a u s f ü r d i e K u n s t S c h u l s t r. 1 8 5 7635 Hasselbach www. im-tal. de

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Foto: Werner J. Hannappel, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Madeleine Dietz, „ENT - FESTUNG“, 2016, Stahlkuben, Stahlplatten, Gitterelemente, Erde,250 x 400 x 350 cm, Courtesy: Galerie Georg Nothelfer, Berlin


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M adeleine Dietz

Schichten in der Zeit Das Werk der Künstlerin Madeleine Dietz (Landau in der Pfalz) kreist seit vielen Jahren um Fragen des Verhältnisses von Fragment und Ganzheit, von Stabilität und Labilität, von Erde und Stahl, von dem, was Leben spendet und was Tod bringt. In einer Fülle von Arbeiten und Installationen ist sie den „Schichten in der Zeit“, den „Zeit-Räumen“ und den „Sedimenten“, den „Verfestigungen“ und „Ent-Festungen“ in der uns umgebenden Kultur nachgegangen

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und macht diese für Betrachtungen neu bewusst.


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Madeleine Dietz, „ENT - FESTUNG“, 2016,Stahlkuben, Stahlplatten, Gitterelemente, Erde, 250 x 400 x 350 cm, Skulpturenplatz auf der art K ARLSRUHE 2016, Courtesy: Galerie Georg Nothelfer, Berlin / Galerie Linde Hollinger, Ladenburg


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Madeleine Dietz, „ENT – FESTUNG“, 2019, Digitaldruck, Stahlplatten, Stahlkuben, diverse Gitterelemente, Erde,

Zunächst einmal ist der Kontrast von Stahl und getrockneter Erde Ausgangspunkt vieler Werke der 2003 mit dem ErnstBarlach-Preis und 2013 mit dem Kulturpreis „Kunst und Ethos“ ausgezeichneten Künstlerin. Stahl als scheinbar kaltes, glattes und konstruktives Prinzip im Gegenüber zur Erde als gebrochenem, unebenem, aber lebendigem Prinzip. Ein überraschendes Mit- und Gegeneinander, das den Fingern, die intuitiv über die Oberflächen der Materialien fahren möchten, ganz unterschiedliche haptische Erfahrungen vermitteln könnte. Madeleine Dietz, 1953 in Mannheim geboren, gehört zu den großen Bildhauerinnen Deutschlands, die ihr Œuvre über die Zeit konsequent erweitert und in verschiedenen Werkzyklen ausgestaltet hat. Aus der Phase der Jahrtausendwende bekannt ist ihr Altarobjekt zur „documenta X“ in der großen Kasseler Martinskirche sowie die Ausstellung „Schichten in der Zeit“, bei der sie die Abdinghof kirche in ­P aderborn temporär in einem Kunstraum transformierte. Seitdem ist sie in vielen nationalen und internationalen Museums­ausstellungen an die Öffentlichkeit getreten.

Blicken wir auf jene Arbeiten, die sich unter dem Stichwort „Ent-Festung“ bündeln lassen, so sind sie zum einen auf das Geschehen der Gegenwart bezogen. Wir beobachten weltweit einen Zerfall staatlicher Ordnungen, wir begegnen den Flüchtlingen, die auf beschwerlichem Wege die Ruinen ihrer Heimatstädte hinter sich gelassen und dennoch die Bilder ­ihrer zerstörten Heimat im Kopf haben. Zum anderen bezieht sich Dietz mit ihrer Installation auf die Geschichte vom ­„unbehausten Gott“, der keinesfalls in Palästen residiert, ­sondern das zentrale Geschehen gerade in der ruinösen Niedrigkeit des Lebens geschehen lässt. In der Malerei hat das Caspar David Friedrich um 1800 am deutlichsten zum Ausdruck gebracht, er zeigte Ruinen, die von der wuchernden Natur und damit vom Leben umfasst sind. Madeleine Dietz greift das auf, durcharbeitet es in ihren künstlerischen ­F ormen und bezieht dabei die Erfahrungen und Wahrnehmungen der Betrachter mit ein.

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500 x 600 x 600 cm, Ausstellungsansicht ehemaliges KZ Osthofen bei Worms


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Die malerischen Arbeiten, die Madeleine Dietz als Bildhauerzeichnungen versteht, tragen Titel wie „Megiddo“, „Hazor“, „Herat“ oder „Kunar “ und lösen damit zunächst einmal eine Fülle von Erinnerungen, Assoziationen und Konnotationen aus. Wir denken an die Frühgeschichte des Vorderen Orients und wir werden erinnert an die mensch­l iche Zivilisations­ geschichte vor 6.000 Jahren, die Zeit der Sesshaftwerdung, aber auch an das apokalyptische Geschehen, das manche Tradi­t ionen unter dem Stichwort „Armageddon“ mit der ­E bene von Megiddo verbinden. Diese Erinnerungen und ­A ssoziationen sind nicht zufällig, sondern werden von der Künstlerin bewusst aufgerufen, denn sie verbindet mit ihren Arbeiten die so beschworenen „Schatten der wahren Ver­ gangenheit“ mit dem Hier und Jetzt einer Zeit, in der diese

Caspar David Friedrich, „Klosterruine Eldena“, ca.1825, Öl auf Leinwand, 35 x 49 cm, Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin

Erinnerungen zum Streitpunkt zwischen den Kulturen werden und sym­b olischen Zerstörungen, nicht mehr nur natürlichen Witterungsprozessen ausgesetzt sind. In einem fast wört­l ichen Sinn geht es daher um Nachzeichnungen ­u nserer Kulturgeschichte. Wenige Künstler der Gegenwart sind in e­ inem so elementaren Sinn zeit-entrückt und zeit-­ bezogen zugleich wie Madeleine Dietz. Das wird auch an jenen Ar­beiten deutlich, die sich mit dem beschäftigen, was wir umgangssprachlich „das Zeitliche segnen“ nennen. Aktuell arbeitet die Künstlerin an einem Kolumbarium, jener jahr­t ausendealten und doch ganz neuen Form der Erinnerung an Verstorbene. ANDREAS MERTIN

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www. madeleinediet z . de

rechte Seite: Madeleine Dietz, „GURIAN“ (Bildhauerzeichnung), Erde/Pigment aus Weinreben, Leinwand, 160 x 100 cm, Courtesy: Galerie Georg Nothelfer, Berlin Madeleine Dietz, Detail „TRESOR“, Januar 2016, Stahl, getrocknete Erdstücke, 100 x 80 x 30 cm, Courtesy: Galerie Dagmar Rehberg, Horn

Foto: © Madeleine Dietz



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Ausstellungsraum Purrmann-Haus Speyer, Foto: Peter Haag-Kirchner © Purrmann-Haus Speyer

Museum Purrmann-Haus Speyer Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann Ein Künstlerpaar der Klassischen Moderne

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Das Purrmann-Haus Speyer präsentiert Leben und Werk des Künstlerpaares der Klassischen Moderne Hans Purrmann (1880−1966) und Mathilde Vollmoeller-Purrmann (1876−1943). Rund 100 Gemälde, Aquarelle und Grafiken ­s owie vielfältige Archivalien erzählen die faszinierende ­G eschichte zweier herausragender Künstlerpersönlich­ keiten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung im Geburtshaus des Malers führt durch das Schaffen Hans Purrmanns von seinen Anfängen in Speyer bis hin zu seinem Spätwerk in Montagnola. Er war Schüler von Franz von Stuck an der Akademie der Bildenden Künste in München und Mitglied der „Berliner Secession“. In Paris zählte Hans Purrmann zu den Gründungsmitgliedern der „Académie Matisse“. Mit seinem Lehrer Henri Matisse blieb er lebenslang freundschaftlich verbunden. Es folgten Jahre des künstlerischen Erfolgs in Deutschland, Italien und im Tessin. Hans Purrmann gilt als der große Kolorist Deutschlands im 20. Jahrhundert.

Mathilde Vollmoeller-Purrmanns Werk galt lange als verschollen. Seit ihrer Wiederentdeckung im Jahre 1999 ist der Nachlass der Malerin ein wichtiger Bestandteil der Sammlung des Purrmann-Hauses Speyer. Mathilde Voll­moeller erntete in Berlin als Schülerin von Sabine Lepsius und Leo von König ihre ersten künstlerischen Erfolge. Den Zenit ihrer Laufbahn erlebte sie in Paris in zahlreichen Ausstellungen und als ­S chülerin von Henri Matisse. Nach der Hochzeit mit Hans Purrmann und der Familiengründung schuf sie ein umfang­ reiches Œuvre strahlender Aquarelle. Im Purrmann-­H aus Speyer erzählen ihre Werke sowie vielfältige Dokumente und persönliche Gegenstände die Geschichte ­einer erfolgreichen Künstlerin und faszinierenden Frauen­f igur des beginnenden 20. Jahrhunderts. Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann lebten in einer historisch einzigartigen Zeit der Umbrüche. Im vielfältigen Netzwerk der künstlerischen Avantgarde Europas waren sie fest verwurzelt. Ihre Geschichte steht exemplarisch für viele vergleichbare Künstlerpaare der Moderne. Das Purrmann-Haus Speyer beherbergt die größte ­öffentliche Sammlung von Werken Hans Purrmanns und Mathilde Vollmoeller-Purrmanns. Als Museum, Archiv und Forschungsstätte ist es in zahlreiche Ausstellungskoope­ rationen und wissenschaftliche Projekte eingebunden. Wechselnde Kabinettausstellungen, ein umfassendes ­museumspädagogisches Programm und vielfältige Veran­ staltungen machen das Museum zu einem lebendigen Ort kulturellen Austauschs. M ARIA LEITMEYER

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Hans und Mathilde Purrmann auf der Hochzeitsreise auf Korsika, 1912, Foto: © Purrmann-Haus Speyer


Seit über dreißig Jahren in unserer Galerie:

Thomas Duttenhoefer Figurative Bildhauerei Arbeiten im öffentlichen Raum Kopf und Porträt Zeichnung, Malerei, Druckgraphik

Galerie Netuschil info@galerie-netuschil.net www.galerie-netuschil.net Schleiermacherstraße 8 64283 Darmstadt


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Thomas Dut tenhoefer in Speyer

Grenzgänger

Thomas Duttenhoefer, o. T., 2020, Kohle auf Leinwand

linke Seite: Thomas Duttenhoefer, „Pan für Wachenheim“, 2017, Bronze, Foto: © Rainer Feser

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Die Pfalz war wegen ihrer Grenzlage im äußersten Südwesten Deutschlands über Jahrhunderte hinweg Schauplatz kriegerischer Ereignisse. Im Mittelalter im Zentrum des Reiches ist sie im Laufe der Jahrhunderte immer mehr an den Rand gerückt – Grenzland eben. In den Künsten zeigt sich das bis heute: Es fehlt ein kulturelles Zentrum, keine traditionsreiche Universität existiert, Künstlerinnen und Künstler sind noch immer gezwungen, die Pfalz zu verlassen, wenn sie auf nationaler und internationaler Ebene erfolgreich sein wollen. Aber es gibt sie durchaus, Pfälzer, die wegen ihrer künstlerischen Leistungen zu den Großen zählen! Zu ihnen gehört der in Speyer geborene Bildhauer ­Thomas Duttenhoefer, der im Februar seinen 70. Ge­burtstag gefeiert hat. Nachdem er bereits durch den Maler Thomas Schubert während seiner Schulzeit privat Unterricht erhielt, studierte er Bildhauerei an der Werk­k unstschule, später an der Fachhochschule W ­ iesbaden. Studienreisen führten ihn durch Europa und Nordafrika. Durch ein Stipendium in ­L ondon erweiterte er seine Aus­bildung; es entstanden erste markante Werke – K ­ öpfe, Schädel, Helme, Torsi. Und er ­w urde in die Darmst ädter Sezession aufgenommen. ­L ehraufträgen in Mainz folgte eine Professur an der Fachhochschule Trier im Fachbereich Gestaltung und 2003 an der Hochschule Mannheim. Während dieser Jahre entstand ein umfangreiches bildhauerisches Œuvre: die Werkgruppen „Bischof “ und „Stier“, Arbeiten zu Figuren der griechischen Mythologie, vor allem aber P ­ orträts in Gips und Bronze. Autoren, unter an­derem Hilde Domin und Thomas Bernhard, Schauspieler – Bernhard ­Minetti und Mario Adorf −, der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und der Filmregisseur Edgar Reitz gehören zu den Porträtierten.


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Im August 2020 wird der Bildhauer im Speyerer Kulturhof Flachsgasse eine Retrospektive zeigen, die sich auf die oben genannten Werkgruppen konzentriert. Neben vielen anderen erhielt Duttenhoefer 1981 den Hans-Purrmann-Preis der Stadt Speyer. Der Namensgeber der Auszeichnung, Hans Purrmann (1880−1966) stammte ebenfalls aus Speyer; sein Geburtshaus hat die Stadt als Gedenkstätte und Museum eingerichtet, wo zahlreiche Gemälde sowie Bilder seiner Frau Mathilde Vollmoeller gezeigt werden. Wesentliche Lebens­stationen Purrmanns waren München, Paris, Berlin, Langenargen, Florenz und schließlich ab 1943 das Tessin, wo er in Montagnola mit seinem Nachbarn Hermann Hesse ­regen Kontakt pflegte.

Rund 20 Jahre vorher war es der Pfälzer Hugo Ball, 1886 in Pirmasens geboren, der seit 192 4 in der Nachbarschaft Hesses wohnte, wo er nach einem unsteten Leben und Gründung des „Cabaret Voltaire“ 1916 in Zürich zusammen mit seiner Frau, der Dichterin Emmy Ball-Hennings, seine letzten Jahre verbrachte und nach seinem Tod 1927 bestattet wurde. Mit dem Hugo-Ball-Archiv, einem Dada-Kabinett im Forum Alter Posthof, dem jährlich erscheinenden Ball-Almanach und dem Hugo-Ball-Preis erinnert die Stadt Pirmasens an ihren großen Sohn.

Thomas Duttenhoefer, „Orpheus“, 2019, Eisen, Foto: Galerie Netuschil, Darmstadt


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Thomas Duttenhoefer in seinem Atelier, Foto: Galerie Netuschil, Darmstadt

Speyer, Pirmasens, Straßburg: Diese drei Städte in e­ inem ­ adius von circa 60 Kilometern haben vier herausragende R Künstlerpersönlichkeiten hervorgebracht, die trotz unterschiedlicher Lebenszeiten und -räume durch ihre Biografien und ihr künstlerisches Schaffen durchaus miteinander verbunden sind! FRANZ DUDENHÖFFER

Leiter der Städtischen Galerie Speyer

Bis 25 . Ok tober 2020 Thomas Dut tenhoefer Städt ische Galer ie im Kult urhof Flachsga sse, Speyer w w w . s p e y e r. d e

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Mitbegründer des „Cabaret Voltaire“ und Freund Balls war der Elsässer Künstler Hans Arp, 1886 im damals deutschen Straßburg geboren, im selben Jahr wie Ball. Zusammen mit ihm, Tristan Tzara und Marcel Janco gründete und betrieb er in der Zürcher Spiegelgasse das schon genannte „Cabaret Voltaire“, die Geburtsstätte des literarischen Dadaismus. Seit 1922 mit der Künstlerin Sophie Taeuber verheiratet, wurde Hans Arp, in Frankreich Jean Arp, zu einem der führenden surrea­ listischen Maler, Bildhauer und Lyriker. Seine plastischen Arbeiten finden sich in Museen, Galerien und Privatsammlungen von Europa bis Nord- und Südamerika. Ein Jahr vor seinem Tod veröffentlichte er den letzten Gedichtband „Logbuch des Traumkapitäns“ mit eigens dafür geschaffenen Zeichnungen, ein Juwel unter den Lyrikbänden. Das Land Rheinland-Pfalz hat durch glückliche Umstände eine HansArp-Sammlung erhalten. 2007 wurde für diese das Arp Museum Rolandseck in Remagen eingerichtet, ein Baukunstwerk aus historischem Bahnhof und einem von Richard Meier errichteten Anbau.


68 Die Wein - und Kulturlandschaf t Rheinhessens

Zwischen Himmel und Rhein We r R h e i n l a n d - P f a l z e r f a h r e n m ö c h t e , s o l l t e a u c h e i n e n B l i c k a u f s e i n e We i n e w e r f e n − ­b e h e r b e r g t d a s L a n d m i t R h e i n h e s s e n u n d d e r P f a l z n e b e n a n d e r e n d o c h d i e b e i d e n g rö ß t e n d e u t s c h e n A n b a u g e b i e t e .

Roter Hang in Nierstein, Foto: © Rheinhessen-Touristik GmbH / Dominik Ketz

Ein beeindruckendes Beispiel für die Entwicklung, die rheinland-pfälzische Weine in den beiden letzten Jahrzehnten durchlaufen haben, sind die Gewächse vom Niersteiner ­„ Roten Hang“ in Rheinhessen, der – selbst wenn der Name anderes vermuten lässt – vollständig in Rheinland-Pfalz liegt. Der „Rote Hang“ umfasst die Einzellagen „Hipping“, „Ölberg“, „Orbel“, „Schloss Schwabsburg“, „Rehbach“ und den zur Nachbarkommune gehörenden „Nackenheimer ­Rothenberg“. Das Terroir dieser Weinberge ist durch den namensgebenden roten Tonschiefer, die Hanglage zum Rhein und ein besonderes Mikroklima ­gekennzeichnet. So bringen die hier arbeitenden Winzer außerordentlich differenzierte,

vielschichtige und kraftvolle Weine – derzeit überwiegend Riesling – hervor. Durchzogen ist der Hang von gut befes­ tigten Wirtschaftswegen, die ­Wanderern einen weiten Blick über den Rhein bieten, bei gutem Wetter sogar bis zur Skyline Frankfurts. Mitte Juni veranstalten die Winzer von „Roten Hang“ regelmäßig ihre gemeinsame Weinpräsentation, bei der die Tropfen verschiedener Erzeuger in entspannter At­ mosphäre direkt an den Lagen probiert werden können, aus denen sie stammen. Zum „Roten Hang“ gehört auch die „Niersteiner Glöck“, die in einer Schenkungsurkunde aus dem Jahr 742 erstmals erwähnt wurde und damit als Deutschlands älteste Weinlage gilt.


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Evangelische Katharinenkirche Oppenheim, Foto: Valgard / Wikimedia

C A RS T E N S C H N E I D E R-W I E D E R K E H R

ro t e r- h a n g . d e www. nierstein. de w w w . s t a d t- o p p e n h e i m . d e www. rheinhessen. de

Oppenheimer Kellerlabyrinth, Foto: © Rheinhessen-Touristik GmbH / Achim Meurer

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Wer die Region Nierstein-Oppenheim (Verbandsgemeinde Rhein-Selz) bereist, darf sich noch auf weitere Sehenswürdigkeiten freuen: In Nierstein kann zum Beispiel (zu festen Terminen und nach Vereinbarung) das „Sironabad“, eine keltisch-römische Badeanlage aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert mit zwei Schwefel- und zwei Süßwasserquellen besichtigt werden. Über Oppenheim thront neben der Burgruine Landskron auch die bedeutende gotische Katharinenkirche, mit deren Bau vermutlich 1225 begonnen wurde. Berühmt sind vor allem zwei Fenster der Südfassade, von denen eines die „Oppenheimer Rose“ aus dem 14. Jahrhundert zeigt, die weitgehend im Original erhalten ist. Auf dem Gelände der Kirche befindet sich außerdem die Michaelskapelle, eines der größten Beinhäuser Deutschlands.

Doch auch unter der Erde wird es interessant: Große Teile der Oppenheimer Altstadt sind durch ein weit verzweigtes, teilweise mehrstöckiges Tunnelsystem, das „Oppenheimer Kellerlabyrinth“, verbunden, das vermutlich ab dem 14. Jahrhundert kontinuierlich ausgebaut wurde und als Lagerfläche, aber ebenso als Flucht- und Versteckmöglichkeit während Kriegszeiten genutzt wurde. Einige Hundert Meter der spektakulären Anlage sind für die Öffentlichkeit erschlossen und können in Führungen besucht werden. Der Weinbau Rheinhessens ist stark geprägt durch selbstvermarktende Betriebe mittlerer Größe. Daher können Besucher eine große Vielfalt hervorragender Weine erleben, deren Erzeuger überregional oft kaum bekannt sind. Doch auch „große Namen“ gibt es in Rheinhessen, etwa die Weingüter Keller in Flörsheim-Dalsheim, Wittmann in Westhofen oder das Sekthaus Raumland ebenfalls in Flörsheim-Dalsheim, um nur einige zu nennen.


70 M odernes Weingut mit Stil und Geschichte im Leinigerland

Der Mut der jungen Männer

Der Otto-Prott-Bau, Weingut Kreutzenberger, erbaut 1929/30, Foto: Jochen Kreutzenberger

Ganz zufällig ein paar Jahre vor der Jahrtausendwende wiederentdeckt, aber mittlerweile deutschlandweit bekannt, hat sich in der Nordpfalz ein architektonisches Unikat erhalten, das es tüchtig in sich hat, handelt es sich doch um den wohl einzigen Neubau eines Weingutes im Stil und Geist der klassischen Moderne. Am Anfang stand der Mut zweier junger Männer, des Jungwinzers Emil Kreutzenberger und des recht frisch gebackenen Bauingenieurs Otto Prott, beide 25 Jahre alt, sie wollten mit dem Neubau nicht nur heraus aus der räumlichen und gesellschaftlichen Enge des Dorfes, sondern ganz neue Akzente setzten. Ihr Ziel war eine Kooperation dreier genossenschaftlich organisierter Jungwinzer auf einem ganz anderen, neuen Weingut. Dieses sollte näher bei den Weinbergen, dadurch außerhalb des Dorfes stehen, genug Raum für Erweiterung bieten und, nach neuesten architektonischen und gesundheitsrelevanten Gesichtspunkten ausgerichtet,

Modernität und Auf bruch signalisieren. Da zwei der Jungwinzer vom Projekt bald wieder abspringen, musste das Programm gestrafft und auf nur eine Winzerfamilie zugeschnitten werden. Es war schon recht riskant gerade in diesem Jahr, in dem der Börsensturz von New York die gesamte Weltwirtschaft in eine jahrelange Krise stürzte. Dennoch entsteht 1929-30 hier ein weithin sichtbares zweigeschossiges Wohnhaus mit auf die Hauptstraße orientiertem Verkostungsraum im Erdgeschoss und ein kleines Kelter- und Nebengebäude, das raffiniert unterirdisch angebunden wird. Gerade noch kurz vor der harten politischen Wende 1933 in Deutschland in Betrieb genommen, gerät das Weingut und sein Besitzer schnell in gesellschaftliche Auseinandersetzungen. Der abstrakte und verfemte internationale Stil des herausragend platzierten Bauwerks werden nun als unpassend abgelehnt und mannigfach bekämpft. Nach provozierten Angriffen


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Wirtschaftsbau von Südosten, © hamann.architekten

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muss die kleine Weinschänke im Hochparterre endgültig geschlossen werden. Im Laufe der frühen 1940er-Jahre wurde das Gebäude zuerst von deutschen, dann von US-amerikanischen Soldaten requiriert und diente als Beobachtungsposten, zeitweise auch als Lazarett und schließlich als Offizierscasino. Die damals entstandenen Schäden konnten zwar allmählich wieder behoben werden, aber di­verse Umbauten in der Nachkriegszeit veränderten das Erscheinungsbild erheblich. 1992 wurde das Bauwerk vom Architekten Heribert Hamann wiederentdeckt und Jahrzehnte später wiederholte sich eine ähnliche Konstellation wie Ende der 1920er-Jahre: Der junge Architekt fand in dem mutigen Jungwinzer Jochen Kreutzenberger, dem Enkel des Erbauers und wieder 25 Jahre alt, den richtigen Bauherrn, der sich nicht nur von den Vorstellungen zur Komplettierung begeistern ließ, sondern

sich auch kräftig in die Bedarfsplanung und die Entwicklung der endgültigen Gestalt einbrachte. So wurden alle Betriebsabläufe einer Überprüfung unterzogen und durch Zusatzverbindungen und Mehrfacherschließungen neu ­optimiert, auch fanden qualitätsfördernde Maßnahmen wie kontrollierter Energie- und Ressourcenverbrauch z. B. über parametergesteuerten Weinausbau ihre Umsetzung. Mit der Erweiterung der Weinkeller und dem Neubau eines Kelterhauses 2004/05 wurde der ursprüngliche Entwurf respektvoll ergänzt, ohne die Formensprache der klassischen Moderne einfach zu kopieren. Der bestehende Hof wurde platzsparend unterbaut und so an das neue zweigeschossige Kelterhaus angebunden, dass nun eine Schwerkraft­ beschickung der Kelter möglich ist. So kann das wertvolle Traubengut optimal geschont werden. Der säurebeständige Epoxidharzbelag des Bodens bietet mit seinem kräftigen Rot einen stimmigen Kontrast zu den kreisgebürsteten Edelstahlbehältern und markiert für den interessierten Weinkunden einen in sich geschlossenen Rundgang. Der tiefer gelegene Betriebshof bindet an die untere Kelter- und Kellerebene an. Neueste Technologien der Kellerwirtschaft, nachhaltiger Anbau und Bewirtschaftung im Betrieb sowie eine bewusst persönliche und kundenorientierte Vermarktung unterstützten die Bemühungen um eine zeitgemäße Interpretation des Bauthemas Weingut. So wird direkt an den großen Kreis an Stammkunden oder an ausgewählte gastronomische Betriebe geliefert. Denn da werden besonders die knackig trockenen


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Kelterhaus des 2004 fertiggestellten Erweiterungsbaus von Heribert Hamann, Optimierung der Produktionsabläufe und Steigerung des Qualitätsniveaus, Foto: Christian Reinhardt

Rieslinge vom Kalkstein Terroir, aber auch die Rotweine aus dem Holzfass und Barrique – allesamt ohne Restzucker – geschätzt. Glücklicherweise kann beim Weiterbau bereits auf eine moderne Tradition zurückgegriffen werden, die in Materialien, Formen und Proportionen aufgenommen und durch innovative ­Potenziale angereichert wird. Einige Fehlentwicklungen konnten zurückgebaut werden, andere sind noch geplant. Eine komplementäre Formensprache für den nun wirklich fast vollendeten Bau schafft Ruhe und Harmonie, wie sie auch alten, traditionellen Weingütern zu eigen ist. Die Dach­t errasse, über eine fast schwebende Stahltreppe vom Wirtschaftshof gut erreichbar, wird von einer raffinierten ­f iligranen Pergolakonstruktion aus Stahl überspannt. Reben, die darüber wachsen durften, kühlen mit ihrem Blattwerk nicht nur die Oberfläche des Kelterhauses und des Handlagers, sondern bieten bei Verkostungen und bei Festen mit bis zu 100 Gästen eine einzigartige kühlende Freiluftvinothek. Zur ­k laren abstrakten Architektur der weißen Kuben gesellt sich hier das frische organische Grün des Weinlaubs. Unter solch einem längst dicht bewachsenen Laubendach lässt sich der Wein bei einer atemberaubenden Sicht aufs Rheintal stilvoll kredenzen und mit viel Muße genießen. HERIBERT HAMANN

Architekt, Oppenheim

Otto Prott (1904 Offenbach am Main – 1970 Grünstadt): Studium Bauingenieurwesen am Polytechnikum in ­Friedberg, wichtige Bauten vor 1933 : Weingut Kreutzen­ berger in Kindenheim 1930, Kauf haus Jost in Grünstadt 1932, ­Entbindungsheim in Grünstadt 1932; danach und besonders nach 1945 Umbau oder Ergänzungen von bestehenden ­Weingütern, Siedlungshäuser für kinderreiche Familien, Fabrikhallen, Produktionsbetriebe, Schulen, zahlreiche Privathäuser; nach 1970 Weiterführung des Büros durch Sohn Gerhard, gleichfalls Bauingenieur, bis zur endgültigen Auf lösung 1983, Planarchiv größtenteils nicht erhalten

Erweiterungsbau von Heribert Hamann: Die Dach­t errasse wird von einer raffinierten f­ iligranen Pergolakonstruktion aus Stahl überspannt, Foto: © hamann.architekten


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2007 A rchitek t ur pre i s de r B AU H Ü T T E DE R PFA L Z (G e s e l l s c h a f t B a u s c h a f f e n d e r) 2013 H ö h e p u n k t d e r We i n k u l t u r ( D e u t s c h e s We i n i n s t i t u t) 2019 B AU H AUS 100, A u f n a h m e i n G ra n d To u r d e r M o d e r n e ( B a u h a u s K o o p e ra t i o n)

Auszeichnungen des Bauwerks We i n g u t K r e u t z e n b e r g e r :

………………

2007

We i n g u t K r e u t z e n b e r g e r

Erste r P re i s W E I N + A RC H I T E K T U R

H a u p t s t ra s s e 5 , 6 7 2 7 1 K i n d e n h e i m / P f a l z

(A r c h i t e k t e n k a m m e r R P, d e u t s c h l a n d w e i t)

w w w . k r e u t z e n b e r g e r. c o m

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Heribert Hamann (1955 Freiburg im Breisgau): Studium der Architektur an den Universitäten Stuttgart und Sevilla, ­danach Architekt im Büro Stirling + Partner in Stuttgart/ London, Projektarchitekt für den Neubau des Technischen Zentrums Erco im Büro Kiessler + Partner in München ; ­L ehrtätigkeit an der TU München, Professur an der Hochschule Mainz UAS, seit 1988 eigenes Büro in München, nach 1996 in Oppenheim am Rhein, Schwerpunkte : Weingüter und Vinotheken, Arztpraxen, Erneuerung Altbauten, ­P rivathäuser; Architekturbüro : Krämerstrasse 25, 55276 Oppenheim, hamann.architekten@t-online.de


S p e k t a k u l ä r e We i n k u l t u r l a n d s c h a f t mit 2 . 000 -jähr iger Geschichte und Herk unf t e i n z i g a r t i g e r We i n e : Vo n d e n M o s e l h ö h e n b i e t e n s i c h zahlre iche Au sblicke in de n R iesling- Canyon, wie hier am Calmont. Foto: Heinz Peierl

Einzigartige Weine im Riesling-Canyon „You are crazy! – Ihr seid doch verrückt!“ Diesen Spruch bekommen Winzer an der Mosel häufiger zu hören, wenn sie Besucher aus London, Oslo oder Berlin mit in ihre Weinberge nehmen. Der Blick auf die steilen Hänge, wo sich Weinreben mit ihren Wurzeln in den steinigen Untergrund krallen, sorgt bei vielen Gästen für Erstaunen – und Schwindelgefühl. ­Vielleicht sind die Moselwinzer wirklich etwas verrückt, dass sie sich die harte Arbeit in den Steillagen-Weinbergen antun. Verrückt sind sie auf jeden Fall nach der Qualität, nach der Einzigartigkeit der Weine, die unter diesen extremen Bedingungen entstehen. Das Ergebnis ist schmeckbar, denn wer einmal die Rieslingweine von den Schieferböden dieses ­R iesling-Canyons probiert hat, dem prägt sich der besondere Charakter ein. Riesling wächst in vielen Weinregionen der Welt, aber der Stil der Weine von Mosel, Saar und Ruwer ist einzigartig: mineralisch, elegant, mit Aromen von Kräutern und Früchten bei relativ niedrigem Alkoholgehalt. Kein Wunder, dass die Weine von den steilen Hängen für viele Weinfreunde in aller Welt die „benchmark“ für Weißwein sind. Wie schon vor mehr als 100 Jahren, wird Riesling von der Mosel auch heute in den besten Restaurants von Berlin bis Las Vegas, von Hamburg bis Hongkong serviert.

Das gilt nicht nur für die international begehrten frucht- und edelsüßen Weine, die zu den teuersten Weinen der Welt ­z ählen. Höchstbewertungen von Weinkritikern und Rekordpreise erreichen auch die trockenen Spitzengewächse aus den Mosel-Steillagen. Große Gewächse und andere ­t rockene R ­ ieslinge von Mosel, Saar und Ruwer erhalten ­regelmäßig aufgrund ihrer Finesse, Mineralität und großen Lager­f ähigkeit Spitzenbewertungen von den führenden Weinmagazinen. Robert Parkers Wine Advocate vergab in den vergangenen Jahren für trockene Rieslingweine aus der legendären Lage Bernkasteler Doctor jeweils die Höchstnote von 100 Punkten. Keine deutsche Weinregion hat so viele Weine mit 100 Parker-Punkten zu bieten wie die Mosel. Die spektakuläre Weinlandschaft bietet mehr als hervorragende Weine. Die Flusstäler mit den steilen Hängen und Felsen, dem Wechsel von Wein und Wald, sind ein riesiges Freilicht-Fitness-Studio. Klettersteige laden ein, die steilsten Weinberge Europas zu entdecken. Auch Mountain-Bike-Fans


Die vielfältige Gastronomie im Moseltal bietet das ganze Jahr die Möglichkeit, die Weine als Speisenbegleiter zu genießen. Viele Winzer betreiben eigene Restaurants, von der tradi­t ionellen Gutsschänke mit regionaler Küche bis hin zu Gourmet-Restaurants mit Michelin-Sternen. Wie die Tou­ rismusstudie „Destination Brand“ belegte, ist die Mosel unter den deutschen Weinregionen das kulinarische Reiseziel Nummer 1. Die Mosel-Region ist Heimat für acht mit Michelin-­S ternen ausgezeichnete Lokale, darunter zwei ­H äuser mit drei Sternen. Mosel-Riesling verbindet sich hier mit Leckereien aus der Küche zu unvergesslichen Genusserlebnissen. Kostenlose Infor mat ionen: M o s e l w e i n e . V. , 5 4 2 9 5 Tr i e r Te l . 0 6 5 1 7 1 0 2 8 0 , i n f o @ w e i n l a n d - m o s e l . d e www. weinland-mosel. de www.visit mosel. de

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kommen hier auf ihre Kosten. Mosel und Saar sind schöne Reviere für Touren mit Kanu oder Kajak. Entlang der Flüsse verbindet ein gutes Radwegenetz die Winzerorte, und von den steilen Hängen starten Paraglider zum lautlosen Flug über Weinberge, Burgen, Römerbauten und historische Winzer­ orte, während Wanderer auf dem Premium-Fernwanderweg „Moselsteig“ von französischer Grenze bis zum Deutschen Eck ständig neue Aussichten genießen. In den Weinorten an Mosel, Saar und und Ruwer ­öffnen täglich Winzerhöfe und Weingüter ihre Keller und Vinotheken. Urlauber und Weinfreunde haben Gelegenheit, die Rebsorten und Weinstile der Region zwanglos kennen­ lernen: vom unkomplizierten Elbling und fruchtigen Rivaner über süffige Weiß- und Grauburgunder bis zum Riesling in allen Geschmacksrichtungen. Über 90 Prozent der Produk­ tion sind Weißweine. Rosé und Rotwein sowie Winzersekt und Crémant gehören bei den meisten Weingütern ebenfalls zum Sortiment.


76 Inter view mit Alex Reding

Luxembourg Art Week


77 ARTMAPP: Wer kommt zur Luxembourg Art Week? Gibt es ein VIP-Programm?

Nicole Büsing & Heiko Klaas sprachen mit dem Initiator und Macher der Kunstmesse, Alex Reding, über deren Stärken und Besonderheiten. ARTMAPP: Herr Reding, Sie sind ein erfahrener Galerist in Luxemburg und gleichzeitig CEO der Luxembourg Art Week. Wie ist die Idee zu dieser Kunstmesse in Luxemburg entstanden? Alex Reding: Als Galeriebesitzer in Luxemburg verfolge ich die spektakuläre Entwicklung der lokalen Kunstszene seit 20 Jahren aus der ersten Reihe. Die Gründung des Casinos Luxembourg – Forum d’art contemporain im Jahre 1996 und des Mudams Luxembourg − Musée d’Art Moderne GrandDuc Jean im Jahr 2006 haben entscheidend dazu beigetragen. Hier eine Kunstmesse zu gründen, schien mir der richtige Weg zu sein, um dieser Entwicklung weitere Anerkennung zu ver­leihen und auch die luxemburgische Wirtschaft da­ rauf aufmerksam zu machen. Die Luxembourg Art Week hat sich in den vergangenen sechs Jahren zu einer erfolgreichen kul­t urellen Plattform entwickelt. Sie soll dazu dienen, ­Institutionen, Museen und den überaus aufstrebenden Kunstmarkt miteinander zu verbinden, um so die Stadt und das ganze Land als florierenden Kunstschauplatz zu präsentieren. ARTMAPP: Wie positioniert sich die Luxembourg Art Week nicht zuletzt in Abgrenzung zu den nahe gelegenen Kunstmessen in Brüssel, Köln, ­Rotterdam und Paris? AR: Unsere Stärke ist, dass wir als Messe zugänglicher sind für kleinere, aufstrebende Galerien, aber genauso für Kunstvereine und Künstlergruppen aus dem In- und Ausland. Wir konzentrieren uns nicht nur auf Topkäufer, die in der eli­ tären Welt der Galerien auftreten, wir wollen auch normale Kunstliebhaber und Sammler ansprechen. Des Weiteren konzentriert sich die Messe nicht nur auf zeitgenössische Kunstwerke. Von Beginn an sind einige Aussteller, die mo­ derne Kunst anbieten, mit dabei. Unser Konzept scheint anzukommen, was die hohe Rückkehrerquote unter unseren ausländischen Teilnehmern beweist. Die Messe dauert nur vier Tage, sie findet im Zentrum der Stadt statt und sie beschränkt sich auf 70 Aussteller. Mit diesem Format sind wir sehr weit entfernt von großen internationalen Kunstmessen, wo Anonymität und Hektik dominieren.

AR: Um die Messe seit ihrer Entstehung für jeden zugänglich zu machen, ist der Eintritt frei. 2019 freuten wir uns über 15.000 Besucher. Im Rahmen unseres VIP-Programms ­kommen viele Sammler aus Belgien, aber auch aus Frankreich, Deutschland und anderen europäischen Ländern. Das VIP-Programm wurde über die letzten fünf Jahre verfeinert und ausgebaut. Wir ermöglichen unseren VIPs exklusive Führungen durch Privat- und Firmensammlungen. Wir organisieren Side-Events zusammen mit den luxemburgischen Museen und Institutionen und wir beenden die Messe jedes Jahr mit einem großen Galadinner, zu dem wir 500 Sammler und Kunstakteure einladen, um sich auszutauschen und die Messe feierlich ausklingen zu lassen. ARTMAPP: Wie international ist das Teilnehmerfeld? AR: Durch die strategisch günstige Lage zwischen Belgien, Frankreich und Deutschland hat die Luxembourg Art Week von Beginn an viele ausländische Galerien aus den Nachbarländern angezogen, etwa aus Städten wie Brüssel, Paris, Köln, Düsseldorf, Berlin, London, Mailand oder Wien. ARTMAPP: Inwiefern wirkt sich die dynamische Wirtschaft auf den Kunstmarkt und die Sammler in Luxemburg aus? AR: Luxemburg hat den Vorteil, dass die Sammlerschaft in der lokalen Tradition des Landes verankert ist. Der hiesige Kunstmarkt wird aber genauso durch die wachsende ­A nzahl von kultivierten internationalen Führungskräften und Wirtschaftsakteuren, die in Luxemburg leben oder ­a rbeiten, aufgefrischt. Beides kommt dem ganzen Kunstmarkt in Luxemburg zugute. ARTMAPP: Wie sehen Sie die Zukunft von ­Kunstmessen generell? Wird das Marktgeschehen womöglich regionaler? AR: Ich denke, dass es in Zukunft für Messeveranstalter einfacher sein wird, sich auf eine bestimmte geografische Zone zu konzentrieren, um unabhängiger vom Aussteller- und Kunstpublikum aus der ganzen Welt zu werden. Der regionale Aspekt hat außerdem den Vorteil, dass die Messen kleiner werden und somit geringere finanzielle Risiken mit sich bringen. Das versetzt auch viele Messen in die Lage, sich von rein kommerziellen Erwägungen zu lösen und sich stärker als kulturelle Plattformen zu verstehen. 20. bis 2 2 . November 2020 L u x e m b o u r g A r t We e k P re vie w: 19 . Nove mbe r 2020 www. lu xembourgar t week. lu

linke Seite: Alex Reding, © Mike Zenari

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Kunstfreunde sind in Luxemburg gut aufgehoben. Dort ­locken nicht nur die international ausgerichteten Institutionen Mudam und Casino Luxembourg mit ihren attraktiven Programmen. Im Spätherbst lohnt ein Besuch der Luxembourg Art Week, einer Plattform für Sammler, Galerien und andere Kunstakteure.


Detail: Markus Oehlen, Selbstportrait, schwimmend, 2007, © beim Künstler

30.5. – 15.11.2020 kunsthalle weishaupt Hans-und-Sophie-Scholl-Platz 1 89073 Ulm Dienstag bis Freitag: 11 – 17 Uhr Samstag, Sonn- und Feiertag: 11 – 18 Uhr Telefon: 0731-161 43 60 www.kunsthalle-weishaupt.de

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Der Gang aufs Land


„KOM M INS OFFENE“ heißt es in einem Vers aus dem Gedicht „Der Gang aufs Land“ von Friedrich Hölderlin, dessen 250. Gebur tstag dieses Jahr gedacht wird.

Unter diesem M ot to feiern wir in dieser Ausgabe die Wiedereröf fnungen der Museen und Galerien. Kulturelle Streifzüge führen Sie vom Bergischen Land

Daniel Sigloch, „Berglandschaft“, 2007/08, C-Print auf Aludibond, kaschiert hinter Plexiglas, 100 x 200 cm

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bis in die Bernina - Alpen.


82 Zum 250. Gebur tstag von Hölderlin

KOMM INS OFFENE Thomas Schmidt, Foto: Claudia Friedrich

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Ein Gespräch mit Thomas Schmidt, Leiter der Arbeitsstelle für literarische M ­ useen in Baden-Württemberg am Deutschen Literatur­a rchiv Marbach am Neckar und Koordinator des Hölderlinjahres 2020, über Corona, Hölderlin, Literaturmuseen, Fahrradfahren und anderes mehr. Das ­I nterview führte Siegmund Kopitzki. ARTMAPP: Herr Schmidt, es gibt den viel zitierten Satz „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“ von Friedrich H ­ ölderlin, dessen 250. Geburtstag im Corona-verseuchten Jahr nicht ­w irklich gefeiert werden konnte. Sie leiten nicht nur die Arbeitsstelle für literarische Museen, ­A rchive und Gedenk­stätten in Baden-Württemberg, Sie koordinieren auch das Jubiläumsjahr. Viele Veranstaltungen mussten a­ bgesagt werden? Ist da noch was zu retten? Thomas Schmidt: Das ist mir zu negativ. Die Frage vor dem ­Jubiläum und ganz Corona-unabhängig war ja: Was ist von Hölderlin zu retten? Das für uns völlig unerwartete, immense und vielstimmige Interesse an Hölderlin hat schon jetzt zu ­einem stabilen Netzwerk geführt, das – ebenso wie die ins ­Jubiläumsjahr investierte kulturelle Energie – weit über 2020 hinaus tragen wird. Das mag an der Sonderstellung dieses Dichters liegen, der mit seinem hohen künstlerischen ­A nspruch ganz im Zentrum der Kultur steht, dessen Ent­ täuschungen und Verletzungen, dessen gebrochenes Leben ihn aber ebenso an den Rand gedrängt haben und Fürsorge

ein­fordern. Fast scheint es, als ob sich die literarische Kultur, die mehr und mehr selbst der Fürsorge bedarf, als ob sich auch ­a ndere Künste gerade an dem so starken und so schwachen Hölderlin ihrer selbst vergewissern wollen. Wir hatten einen furiosen Start ins Jahr mit der Eröffnung in Tübingen. Durch Corona und den Lockdown gab es dann bittere Absagen. Aber: Die Veranstaltungen gehen – die Corona-Vorschriften berück­sichtigend – weiter. Sie können das im Internet unter www.hoelderlin2020.de verfolgen. Zudem wird das Jubi­ läum bis in den Sommer 2021 verlängert, allein schon durch die Laufzeit der großen Ausstellungen im Deutschen Literatur­a rchiv Marbach und in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. Und in den Hölderlin-Orten Lauffen, Nürtingen, Tübingen, Maulbronn und Bad Homburg wurden Ausstellungen neu eingerichtet oder sind auf dem Weg dahin, die medial innovativ sind und fest ins lebendige kulturelle Leben eingebunden. ARTMAPP: Sie waren als Kurator für die ­Neu­konzeption des Hölderlinturms in Tübingen ­verantwortlich. Auch dieses Museum traf die ­P andemie …? TS: Der Turm, der mit übergroßem Medienecho – einem ­u ngemein positiven übrigens – eingeweiht wurde, hat seit ­einigen Wochen wieder geöffnet und ist als städtische Einrichtung nach wie vor kostenlos zu besuchen. ARTMAPP: Hölderlins „Turm“ ist eins von etwa 90 der Literatur gewidmeten Museen in Baden-­ Württemberg. Auch diese Häuser mussten ­Besuchereinbrüche hinnehmen. Sind jetzt ­E inrichtungen gefährdet? TS: „Wo aber Gefahr ist …“, Sie haben es zitiert. Ich war kurz vor Pfingsten in Hermann Hesses Geburtsstadt Calw vor dem Gemeinderat – in einer physischen Sitzung. Es ist uns dort ­gelungen, den Gemeinderat von einer Investition ins Hesse-­ Museum von über 2,6 Millionen zu überzeugen. Gerade in solch schwierigen Zeiten darf man den kommunalen Willen nicht unterschätzen, in die kulturelle Zukunft zu investieren. Darüber hinaus: Neben zu erwartenden wirtschaftlichen Problemen ist die eigentliche Herausforderung für die Literatur und ihre Orte der radikale Wandel der Wissensordnungen.


83 ARTMAPP: Diese Museen und Gedenkstätten erzählen die Geschichte der Literatur vom ­M ittelalter bis in die Gegenwart. Das ist in dieser Fülle bundesweit einmalig. Platt gefragt: Wie kam es dazu? TS: Das hat im Wesentlichen zwei Ursachen, eine kulturhistorische und eine kulturpolitische: Im Württembergischen investierte man – auch in Ermangelung anderer Kapitalien – seit der Reformation ungemein in die Bildung. Das System der Klosterschulen, das ins Tübinger Stift mündete und das Johannes Kepler, Hölderlin und Hesse durchlaufen oder besser: durchlitten haben, ist ein Säule davon. Sie kennen die Verse: „Der Schelling und der Hegel, / der Schiller und der Hauff, / das ist bei uns die Regel, / das fällt hier gar nicht auf “. Im 19. Jahrhundert stellten die Schwaben darüber hinaus mit Schiller die wichtigste nationale Identifikationsfigur. Und der kulturpolitische Grund: Kein anderes Bundesland, kein ­a nderes Land in Europa investiert so in seine historische ­l iterarische Infrastruktur wie Baden-Württemberg. Eine ­Institution, wie ich sie in Marbach leite, gibt es nirgends sonst. Dieses Erfolgsmodell gibt uns die Möglichkeit, den Medienwandel strategisch zu begleiten und die literarischen Orte im Land zu Begegnungsstätten mit der Sprach- und Medien­ kultur umzugestalten. ARTMAPP: Literaturmuseen sind nicht mehr nur Orte musealer Präsentation, vielmehr warten sie mit einem breit gefächerten Programm auf. Sie konkurrieren mittlerweile nicht nur mit Groß­ ereignissen, Festivals und Events des kulturellen Lebens, sondern ebenso mit den veränderten ­Bedingungen im digitalen Zeitalter. Verlieren die „authentischen“ Exponate, also etwa das Schreib­ gerät des Dichters oder die Tasse, aus der er trank, das Besteck, mit dem er aß, der durchlöcherte Helm, den er im Krieg trug, an Bedeutung? TS: Als Reliquien sicher. Das ist ja keine neue Entwicklung. Unsere gesamte Authentizitätskultur ist in einem Wandel begriffen. Das betrifft nicht nur die Dinge, sondern genauso die Orte – von den literarischen bis zu den politischen: Welche werden in Zukunft noch symbolische Orte der Kultur sein? Der neue Hölderlinturm erhebt diesen Anspruch, indem er sich zwei der wichtigsten Fragen an ein Literaturmuseum am einstigen Ereignisort stellt: Warum bin ich wichtig? Und: Was macht Sprache zu Kunst?

Deutsches Literaturarchiv Marbach, Foto: © Deutsches Literaturarchiv / Chris Korner

ARTMAPP: Literaturmuseen sind idealtypische Orte der Vermittlung von Literatur. Gibt es Daten darüber, welche Klientel sich vorwiegend in diesen Gedächtnisorten aufhält? TS: Dazu braucht es keine Daten. Dass jenes Publikum schwindet, für das die Literatur und ihre Geschichte zur ­e igenen Identität gehören, heißt aber nicht – ich sagte es schon –, dass wir diese Orte aufgeben. Vielmehr brauchen wir K ­ onzepte, wie wir sie unter anderem im Hebelhaus Hausen (www.lernort-hebelhaus.de) und im Museum Johannes Reuchlin in Pforzheim (www.reuchlin-digital.de) ent­ wickelt haben und die diese Häuser für die nachwachsenden Generationen zu besonderen, einzigartigen Orten der Sprach- und Medienbildung machen und als Orte der Wertevermittlung erhalten. ARTMAPP: … dazu ergänzend die Frage: Was nehmen die Menschen am Ende mit? TS: Was sie mitnehmen sollen, ist die mit dem eigenen Körper und mit möglichst vielen Sinnen erlebte Erfahrung, dass die Kulturtechnik Literatur so wichtig war – und ist, dass sie solch überzeugend gestaltete Orte in der Öffentlichkeit verdient. ARTMAPP: Sie haben auch die literarischen Radwege in Baden-Württemberg entwickelt. Noch ein Novum in der Republik. Mittlerweile gibt es knapp ein Dutzend Radwege in allen Landesteilen. Ich weiß, dass Sie selbst ein begeisterter Radler sind und durfte Sie einmal auf der Tour von Bad ­Säckingen, wo Joseph Victor von Scheffel lebte, über Hausen im Wiesental nach Lörrach begleiten, wo Johann Peter Hebel wirkte. Aber die eigene Vorliebe war sicherlich nicht der Ausgangspunkt dieser Idee? TS: Nein, sondern die Tatsache, dass man damit den deutschen Südwesten buchstäblich neu als unvergleichliche literarische Landschaft erfahren kann – und zwar in einer angemessenen Geschwindigkeit. Unsere Hoffnung vor zwölf Jahren, dass der Radtourismus sich noch rascher entwickeln wird, hat sich zugunsten der literarischen Orte bestätigt.


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ARTMAPP: Per Pedal zur Poesie: Der erste ­R adweg wurde 2008 in Hölderlins Geburtsort Lauffen eröffnet. Später folgten dann zwei weitere Hölderlin gewidmete Routen rund um Nürtingen und Tübingen. Der Dichter liegt Ihnen offenbar ­besonders am Herzen? TS: Was soll ich sagen bei einem Dichter, der Sätze schrieb wie „Wir, so gut es gelang, haben das Unsre getan“ oder „Denn der hat viel gewonnen, der das Leben verstehen kann, ohne zu trauern“: Ja. ARTMAPP: „Komm! ins Offene, Freund!“ – ­könnte man mit Hölderlin sagen. Sind weitere literarische Radwege geplant?

TS: Ja, einer im Breisgau, der unter anderem Peter Huchel (Staufen), Marie-Luise Kaschnitz (Bollschweil), William ­S hakespeare (Hart heim) und A nton Tschechow (Ba­ denwei ler) z uei n a nder br i ngen w i rd , u nd ei ner i n Oberschwaben, Christoph Martin Wielands Heimat. Vor allem aber ar­b eiten wir an einem Buch „ Literarisches ­R adwandern in Baden-Württemberg“. ARTMAPP: Aus Sorge um eine zweite Corona-­ Welle wird der Bevölkerung von der Politik, aber auch von Epidemiologen geraten, den Urlaub ­daheim zu verbringen. Welches literarische ­Museum und welchen literarischen Radweg ­w ürden Sie empfehlen? TS: Den Turm in Tübingen selbstverständlich, das Hesse-­ Mu seu m i n Ga ien hofen u nd den von I h nen schon erwähnten literarische Radweg Nummer sieben, der auch in die Schweiz – nach Basel – führt. www. hoelderlin 2020. de

Per Pedal zur Poesie Baden-Württemberg bringt es auf mehr als 90 Museen und Gedenkstätten. ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N S I EG M U N D KO PIT ZK I

Es ist wahr. Um die mehr als 90 Museen und Gedenkstätten, die der Literatur vom Mittelalter bis in die Gegenwart zugeeignet sind, wird Baden-Württemberg von den anderen Bundesländern beneidet. Angesichts des Volumens spricht man vom „Literaturland Baden-Württemberg“. Der Begriff hat einen anderen abgelöst: die schwäbische Dichterstraße. Diese wurde 197 7/78 eingerichtet und führt von Bad Mergentheim über das Taubertal, die Hohenlohe, das Neckarland, die Schwäbische Alb und Oberschwaben nach Meersburg. Trotz Markenänderung: Wer will, kann sich immer noch auf diesen Weg machen. Aber wie kam es zu dieser Vielzahl von Literatur­ museen und Gedenkstätten in Baden-Württemberg? Die einfachste Antwort ist die gängigste: Weil Dichter und Philosophen von Weltruf, aber auch Autoren mit heute eher regionaler Bekanntheit und Bedeutung zwischen Heidelberg und Konstanz, zwischen Freiburg im Breisgau und Ulm mit ihren Texten und Ideen Spuren hinterlassen haben, die durch die Ausstellungen „lesbar“ werden. Dass sie sich im Südwesten niedergelassen haben – wie die Münsteranerin Annette von Droste-Hülshoff in Meersburg – oder hier geboren wurden – wie Friedrich Hölderlin in Lauffen am Neckar oder Georg W. F. Hegel in Stuttgart –, die Gründe dafür kennen nur die Götter …

Franz Karl Hiemer, „Porträt Friedrich Hölderlin“, wohl 1792, Pastell


Neckarfront mit Hölderlinturm in Tübingen, Foto: Barbara Honner

F R I E D R I C H S C H I L L E R I N M A R B AC H

Die Institution Literaturmuseum ist ein Kind des 20. Jahr­ hunderts. Sie entwickelte sich langsam, aber stetig von literarischen Personengedenkstätten in Dichterhäuser. Das erste und prominenteste Beispiel eines Literaturmuseums in Baden-Württemberg ist das Schiller-Nationalmuseum in Marbach am Neckar, Geburtsort des großen Dichters. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dem Museum das Literaturarchiv Marbach angegliedert. Es war unter anderem gegründet worden, um der deutschen Exilliteratur zwischen 1933 und 1945 einen zentralen Ort der Erhaltung und Bewahrung zu geben. Jahrzehnte später, 2006, wurde auf der Schillerhöhe das Literaturmuseum der Moderne errichtet. Die Architektur besorgte übrigens David Chipperfield. Ausstellungsschwerpunkt hier ist die deutschsprachige Literatur des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart. Obwohl Schiller nur die ersten Jahre seiner Kindheit in Marbach verbrachte, ist sein Geburtshaus zur Keimzelle seiner Verehrung geworden. Schon 1857 kaufte der dortige Förderverein das Haus und öffnete es als Gedenkstätte zu Schillers 100. Geburtstag im Jahr 1859. Die Ausstellung lässt seine Kindheit anschaulich werden und vermittelt einen Eindruck vom damaligen Leben in einer württembergischen Kleinstadt. Der zweite Teil widmet sich der Rezeption seines Werks. Ein Erinnerungsort wie dieser setzt, mit Hans M. Enzensberger gesprochen, an die Stelle der „Provokation“ die „Weihe“. Das ist der Unterschied zwischen Museum und Gedenkstätte. Anders, etwas provokanter gesagt: Dichtergedenken kann dazu verführen, den Klassiker seiner „kontrapräsentischen Kraft“ (Jan Assmann) zu berauben.

F R I E DR ICH HÖL DE R L I N I N T Ü BI NGE N

In dieser Gefahr, die Dichter und ihre Werke zu verharmlosen oder gar einzufrieren, sind die Museen in Baden-Württemberg nicht. Dafür sorgt und darüber wacht Thomas Schmidt. Er leitet in Marbach die Arbeitsstelle für literarische Museen,

Archive und Gedenkstätten. Als Kurator hat er das Hebelhaus in Hausen im Wiesental und das Jünger-Haus in Wilf lingen neu aufgestellt; er hat die Huchel-Kästner-Ausstellung in Staufen kuratiert, im Hesse-Museum Gaienhofen Hand angelegt und zuletzt in Tübingen den Hölderlinturm gestaltet. In jenem − der nach einem Brand im 19. Jahrhundert wiederaufgebaut wurde – verbrachte der „umnachtete“ Dichter die Hälfte seines Lebens. In diesem Jahr wird nun der 250. Geburtstag Hölderlins gefeiert. Schmidt koordiniert auch die Veranstaltungen, von denen viele der Corona-Pandemie zum Opfer gefallen sind. Daher wird das Hölderlin-Jahr bis 2021 verlängert. Rechtzeitig zum Geburtstag kam die Sanierung des Turms zum Abschluss. Mehr als zwei Millionen Euro wurden investiert, nicht nur ins Gemäuer, sondern ebenso in die Choreografie der Dauerausstellung, und das geht heute nicht mehr ohne Digitalisierung. Zumal außer Briefen, Manuskripten und Büchern ohnehin keine vitalen Erinnerungsstücke erhalten sind. Selbst das Tischlein, auf dem der Dichter immer wieder das Metrum geschlagen haben soll – oder wie es seine Pflegerin formulierte, „wenn er Streit gehabt [habe] mit seinen Gedanken“ –, ist nur ein Replikat. Hölderlin muss jedoch nicht nur mit den Händen am Metrum „gearbeitet“ haben, sondern auch mit den Füßen: Die Rechnungen für neue Schuhe fallen ungleich höher aus, als für textile Waren. Kurzum: Es gibt viele Angebote, sich mit Hölderlin zu beschäftigen, den neben anderen Gästen auch Johann Georg Schreiner 1823 besuchte und in einer anrührenden Gouache als gebrochenen Mann porträtierte. Aus der Turmzeit sind 48 Gedichte überliefert. Den Jahreszeitengedichten ist ein Raum gewidmet. In einem anderen kann der Besucher mithilfe eines virtuellen Parcours ein Gefühl für die komplizierten Versmaße der Gedichte bekommen. Das bedeutet Arbeit. Selbst wenn Hölderlin Schulstoff ist, er ist kein Dichter zum Anfassen oder zum Vereinnahmen. Er lässt sich auch keiner literarischen Strömung eindeutig zuordnen. Seine Verse entziehen sich dem einfachen Verstehen, obgleich Zeilen wie „Komm! ins Offene, Freund!“ oder „Was bleibet aber, stiften die Dichter“ oft zitiert werden.

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© Verkehrsverein Tübingen


Hoelderlin-Denkmal in Lauffen, Foto: © A. Kniesel

zweiten Band vorbereitete. Nürtingen hat es nicht geschafft, das Haus, das die nicht eben arme Mutter Gok 1774 gekauft hatte, bis zum Jubiläum neu herzurichten. Im nächsten Jahr wird dann eröffnet. Immerhin: Am Ufer des Neckar steht eine Hölderlin-Statue, die an den Dichter erinnert.

P E R P E DA L E D U RC H S L I T E R AT U R L A N D

D E R D I C H T E R I N L AU F F E N U N D N Ü R T I N G E N

Hölderlin als Dichter sichtbar und verstehbar machen, das ist das anspruchsvolle Ziel der Ausstellung im stadtbildprägenden Turm. Doch Tübingen – hier hatte Hölderlin Theologie studiert – ist nur eine von drei Stationen. In Lauffen wird der Mensch Hölderlin geehrt. Ein Mäzen hat das mutmaßliche Geburtshaus erworben, um darin eine Gedenkstätte einrichten zu lassen. Da das Gebäude unter Denkmalschutz steht, darf nichts an die Wände in den Räumen gehängt werden. Die in schlüssigen Themen wie „der ehrgeizige“, „der eigenwillige“ oder „der politische“ Hölderlin gegliederte Ausstellung findet daher an Stellwänden statt, die viel Lesestoff bieten, ­darunter Briefe Hölderlins, der ein zwiespältiges Verhältnis sowohl zum Geld als auch zu seiner Mutter Johanna Gok, ­verwitwete Hölderlin, hatte. Die dritte Station ist Nürtingen. Hier wuchs Hölderlin auf, hier besuchte er die Lateinschule. Nach Nürtingen, ebenso die Geburtsstadt von Peter Härtling, der nach der Gouache von Meyer einen Hölderlin-Roman schrieb, kehrte er immer wieder zurück. Hier entstanden Teile des Romans „Hyperion“, den er in Frankfurt am Main abschloss und dort auch den

Die zahlreichen literarischen Orte zeichnen eine eigene Landkarte. Doch wie bewältigt der gemeine Literaturfreund diese enorme Fülle? Hier ein „grüner“ Vorschlag: „Per Pedale zur Poesie“. Seit 2008 gibt es in Baden-Württemberg literarische Radwege, mittlerweile elf in allen Landesteilen. Entworfen als Tagestouren, jedoch ebenso integrierbar in längere Wanderungen, führen sie entlang der Museen und Gedenkstätten, berühren aber genauso Handlungsorte von literarischen ­Texten und Schauplätze der südwestdeutschen Literatur­ geschichte. Ideengeber war Thomas Schmidt. Der erste R adweg beginnt in L auffen. Auf dem 37 Kilometer langen Rundkurs durch eines der schönsten Weinbaugebiete des Landes passiert der Radler die Ortschaften Brackenheim, Cleebronn, Bönnigheim und Kirchheim und lernt dabei nicht nur den sprach- und wirkungsmächtigen Dichter Hölderlin näher kennen, sondern trifft auch auf allerlei andere Schreibprominenz wie Theodor Heuss, Sophie von La Roche und Heimito von Doderer. Der Rundkurs wird ergänzt um weitere Angebote, von denen eines in Tübingen und das andere in Nürtingen beginnt. Auch hier sind Begegnungen mit Kollegen Hölderlins möglich, mit Hermann Hesse, Bertolt Brecht, Paul Celan, Gustav Schwab, Peter ­H ärtling, Eduard Mörike usw. Einzelne Broschüren zu den Radwegen sowie die komplette Serie können im Onlineshop des Literaturarchivs Marbach bestellt werden. www. tour ismus-bw. de

Hölderlinhaus, Lauffen, Foto: © Stadt Lauffen am Neckar


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HÖL DE R L I N I N F R A N K F U RT A M M A I N U N D B A D H O M B U RG

PAT M O S : D I E R Ü C K K E H R E I N E R HA NDSCHR IF T

1803 verfasste Friedrich Hölderlin die Hymne „Patmos“ für den Homburger Landgrafen Friedrich V. Hölderlin situiert das Gedicht auf der Insel „Patmos“, auf der Johan­nes der Evangelist seine Offenbarung erhalten hat. Das Gedicht eröffnet mit: „Nah ist und schwer zu fassen der Gott. Wo aber Gefahr ist wächst das Rettende auch.“ Die Stadt Bad Homburg stellt die 1. Strophe der Original-Handschrift vom 26. Oktober bis 13. November 2020 in der Taunus Sparkasse am Kurhaus aus. www. bad-homburg. de

Landolin Ohnmacht, Büste der Susette Gontard, um 1795, Alabaster, Höhe 21 cm, Liebieghaus Skulpturensammlung, Frankfurt am Main

Zur Erinnerung an die beiden Aufenthalte vergibt die Stadt Bad Homburg jährlich den Friedrich-Hölderlin-Preis. Aber auch ein 22 Kilometer langer „Hölderlinpfad“ besteht seit 2008 zwischen Frankfurt und Bad Homburg. Der Ausgangspu n k t i n der M a i n met ropole ist ausgerech net d a s Geburtshaus von Goethe, der Hölderlin nicht ausstehen konnte und abwertend von „Hölterlin“ sprach … Zuletzt die Gretchenfrage: War er verrückt, der Hölderlin, oder nur ein passabler Schauspieler? Der Konstanzer Literaturwissenschaftler Ulrich Gaier berichtet, dass schon der 14-jährige Friedrich Anzeichen einer bipolaren oder manisch-depressiven Krankheit gezeigt habe, die er wohl von seiner Mutter geerbt hatte: „Heute hätte eine Tablette genügt.“ reg ionalpark-rhe inmain . de

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Der schwäbische Dichter wird nicht nur in Baden-Württemberg gefeiert, sondern ebenso im Bundesland Hessen. Von Januar 1796 bis September 1798 war Hölderlin in Frankfurt Hauslehrer bei der Kaufmannsfamilie Jakob Friedrich Gontard. Er unterrichtete den Sohn Henry und begann alsbald ein Tête-à-Tête mit der Hausherrin und Mutter seines Zöglings. In Susette Gontard fand Hölderlin offenbar alles vereint, was seinem Idealbild einer Frau entsprach. Sie wurde die Liebe ­seines Lebens. Aber, wie Rüdiger Safranski in seiner Hölderlin-Biografie (2019) schreibt: „Es war kein Glück dabei.“ Das Verhältnis zu seiner Arbeitgeberin blieb nicht verborgen und im September 1798 musste er das Haus Gontard und das „geistund herzensarme“ Frankfurt verlassen. „Lebe wohl! Lebe wohl! Du bist unvergänglich in mir! Und bleibst so lange ich bleibe“, rief ihm die Geliebte nach, die Landolin Ohnmacht in einer Büste verewigte, die ihm Frankfurter Liebig-Haus ausgestellt ist. Nicht zuletzt um in ihrer Nähe zu bleiben, zog Hölderlin ins unweit gelegene Homburg – heute Bad Homburg vor der Höhe. Ein guter Freund, Isaac von Sinclair, ermöglichte ihm ein Unterkommen und ein Auskommen. Es heißt, dass Hölderlin alle vier Wochen zu Fuß nach Frankfurt lief in der Hoffnung, Susette zu sehen. Im Mai 1800 verließ er jedoch Homburg und begab sich nach Stuttgart zum Freund Christian Landauer und seiner Familie. Aber es war kein endgültiger Abschied. Ab Juni 1804, nach seiner Rückkehr aus Bordeaux, wo Hölderlin als Hauslehrer gewirkt hatte, und einem schwierigen Aufenthalt in Nürtingen, kehrte er erneut nach Homburg zurück. Sinclair hatte ihm eine Stelle als Hofbibliothekar verschafft. Politische Wirren um die Neuordnung Europas, eine Verleumdungsklage gegen Sinclair und die zunehmende Labilität Hölderlins verkomplizierten die Lage. Am 11. September 1806 wurde der Dichter gegen seinen Willen nach Tübingen in die Autenriethsche Klinik gebracht.


Heteropia © Vaggelis Lainas

Hölderlin 2020 Friedrich Hölderlin im Rhein-Main-Gebiet Pünktlich zu seinem 250. Geburtstag rückt der Dichter ­F riedrich Hölderlin wieder in den Blick einer größeren ­Öffentlichkeit: ein Mann, dessen Leben und Werk bis heute faszinieren und auch verstören. Hölderlin erscheint heute als radikal moderner Künstler. In seinem Umgang mit Sprache, in seinem Leben. Das kann man jetzt im Rhein-Main-Gebiet erfahren, wo mit ­v ielen Veranstaltungen an den Dichter erinnert wird. ­G e­fördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain werden Frankfurt und Bad Homburg als Hölderlin-Orte ins Licht ­gerückt: Knapp sechs Jahre lebte Hölderlin hier. Seit 1796 war er als Hauslehrer bei dem Bankier Gontard angestellt, wo er sich in dessen Frau verliebte und nach der Entdeckung der ­L iaison fliehen musste. Zwischen 1798 und 1800 dann wanderte der Dichter regelmäßig von Homburg nach Frankfurt, um seiner Geliebten Briefe zu bringen. Der Kulturfonds sieht seine Aufgabe in der Vernetzung der verschiedenen Institutionen und in der Förderung von Konzepten mit überregionaler Strahlkraft, die ihre Wurzeln jedoch in der Region haben. So auch hier. Etwa 60 Veran­staltungen und Projekte, Musik und Theater, Kunst und Installation, Literatur und Wissenschaft, wurden und ­w erden unter dem Titel „ Hölderlin 2020. Wanderer ­z wischen den Welten – Friedrich Hölderlin zum 250. Geburtstag“ unterstützt. Die besondere Beziehung des Dichters zum RheinMain-Gebiet, vor allem zu Bad Homburg und Frankfurt, ist das Thema des interdisziplinär angelegten Programms, das von Julia Cloot kuratiert wurde. Höhepunkte sind unter anderem ein vom Künstlerhaus Mousonturm in Frankfurt und dem japanischen Theaterregisseur Akira Takayama kon­ zipierter Audiowalk für den Hölderlin-Pfad zwischen Bad Homburg und Frankfurt, eine Schriftinstallation in der Schlosskirche und eine Lichtinstallation im Schlosspark in Bad Homburg, eine Ausstellung mit buch- und schriftkünstlerischen Arbeiten im Klingspor Museum in Offenbach und

die vom Kulturamt der Stadt Frankfurt in Kooperation mit dem Freien Deutschen Hochstift konzipierte Hölderlin-­ Festwoche im September. A lle d iese Ver a nst a lt u ngen in Bad Hombu rg , ­F rankf urt , Darmst adt , Hanau, Hof heim, Offenbach, Oestrich-­W inkel und Wiesbaden haben gezeigt und werden zeigen: Hölderlin ist als Mensch und Künstler von ungewöhnlicher Aktualität. Demokratie, Menschenrechte, die Stellung des Künstlers in der Gesellschaft – Hölderlin ebnete der Kunst den Weg in die Moderne. Und auch deshalb ­erscheint uns sein Leben so zeitgemäß: Die politischen und kulturellen Umbrüche seiner Epoche sind ähnlich überwältigend wie jene heute. MARC PESCHKE

Hölderlin 2020 k u l t u r f o n d s -f r m . d e Ab 19. September 2020 A k i ra Ta k a y a m a / P o r t B ( To k i o) H ö l d e r l i n H e t e ro t o p i a H ö l d e r l i n - P f a d z w i s c h e n F ra n k f u r t u n d B a d H o m b u r g 19. September 2020, 15 Uhr E rö f f n u n g v o r d e m G o e t h e - H a u s F ra n k f u r t

AUDIOWALK Informationen und kostenlose Audio-App unter www.mousonturm.de Mousonturm-Produktion Texte: Alexander Kluge, Deniz Utlu, Elfriede Jelinek, Helene Hegemann, Keijiro Suga, Kelly Copper, Lina Majdalanie, Marcel Beyer, Maria Stefanopoulou, Navid Kermani, Nuno Ramos, u.v.a.


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Bad Homburger Schloss Landgräfin „Princess Eliza“ zum 250. Geburtstag

EL ISA BE TH WE YM A N N

2 3 . S e p t e m b e r 2 0 2 0 b i s 1 7. J a n u a r 2 0 2 1 „ P r i n c e s s E l i z a – e n g l i s c h e I m p u l s e f ü r H e s s e n - H o m b u r g“ Schloss B ad Homburg w w w . s c h l o e s s e r- h e s s e n . d e

Johann Friedrich Voigt, „Blick vom Kleinen Tannenwald hinüber zum Schloss“, 1820er-Jahre, Öl auf Leinwand, Sammlung Familie Eric Leonhardt

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Mit einer Sonderausstellung erzählen die Staatlichen Schlösser und Gärten Hessen im Schloss Bad Homburg die Geschichte eines außergewöhnlichen Auf blühens: Eine ­englische Prinzessin, deren Geburtstag zum 250. Mal wiederkehrt, sollte sich als die bedeutendste Landgräfin des Hauses Hessen-Homburg erweisen. „Princess Eliza – englische Impulse für Hessen-Homburg“ würdigt Landgräfin Elizabeth (1770–1840) erstmals in allen Wirkungsbereichen: als viel­ seitige Künstlerin, Bauherrin, Reformerin, sozial Engagierte sowie als Naturverbundene. Bevor sie Landesherrin wurde, hatte die Tochter des britischen Königspaares Georg III. (1738–1820) und Sophie Charlotte von Mecklenburg-Strelitz (174 4–1818), 48 Jahre lang ohne staatstragende Aufgaben am Hof in London und Windsor gelebt. Nach ihrer Heirat 1818 und fortgesetzt nach dem Tod des Gatten 1829 waren zusätzliche Talente gefordert. Viele Rückblicke auf Elizas Leben haben sich bisher vor allem ihren künstlerischen Begabungen gewidmet, doch gibt es mehr zu entdecken: Das Team unter Katharina Bechler stellt nun auch heraus, dass sie sich an der Seite von Friedrich VI. J­ oseph (1769–1829) als tatkräftige Fürstin erwies und in ­m ancher Beziehung den britisch-deutschen Kulturtransfer anstieß. Mit Energie sowie dank ihrer Mitgift und Apanage wurden das Residenzschloss modernisiert, vergrößert sowie die ­landgräfliche Gartenlandschaft ausgebaut, die heute zu

Hessens gartenkulturellem Erbe gehört. In der mit den Ämtern Homburg und Meisenheim zweigeteilten Landgrafschaft wurden Verkehrswege und andere Infrastrukturen verbessert, man ­errichtete Verwaltungsgebäude, förderte Schul- und ­Gesundheitswesen, erweiterte die Bedürftigen-Fürsorge und verschönerte die Landschaft. Auf Eliza geht ein Schub an ­Innovationen in dem zuvor verarmten Ländchen zurück, das drittkleinster Staat im damaligen Deutschen Bund war. Ihre zweite Lebensetappe machte sie glücklich und der Wunsch, nützlich zu sein, trieb sie an: „There is great satis­ faction in feeling one is useful, at least to me it has ever been my ambition […]“, notierte sie 1833. Die Schau unter der Schirmherrschaft des Hessischen Ministerpräsidenten, zu der ein Katalog mit neuen Forschungsergebnissen erscheint, wird in ihrer ehemaligen Witwenwohnung, der Bibliothek und der Ahnengalerie des Bad Homburger Schlosses präsentiert. ­E rstmals kehren Möbel, Kunsthandwerk und Gebrauchs­ gegenstände zurück. Ihre Spuren prägen den Kurort im Taunus bis in die Gegenwart. Idealerweise begeben sich Besucherinnen und Besucher nicht nur in das Schloss, sondern auch in die nähere Umgebung.


90 Die digitale M alerei von Daniel Sigloch

Die Wälder flirren, die Lippen beben

Daniel Sigloch, „Portrait Lara Croft, Variantion 3“, 2018, C-Print auf Kunststoff, kaschiert, 117 x 188 cm


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Daniel Sigloch, „Tomb Raider – underworld Level 6, 7, 8“, 2018, C-Print auf Alu-Dibond, 106 x 80 cm

Ergebnis eine digitale Landschaft, ein Gesicht oder ein Wolkenmeer. Diese digitale Malerei wird komplett am Rechner erstellt, dann ausgedruckt und auf Alu-Dibond oder andere Trägermaterialien aufgezogen. Die Wirkung der Arbeiten ist erstaunlich! Die Bilder erfüllen alle visuellen Ansprüche an klassische Malerei, selbst dann noch, wenn schon klar ist, dass wir hier nicht auf ein Bild blicken, sondern auf Hunderte. Das Faszinierende ist, dass wir zufrieden sind, auch wenn wir wissen, dass es nicht „echt“ ist. Malerei ist nie echt! Selbst ein Bergpanorama von Edward Theodore Compton (1849−1921) ist nur Farbe und Leinwand. Doch mehr als die klassische

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Eine romantische Bergwelt. Gipfel streben in den Himmel, Schluchten tun sich auf, unterhalb der Baumgrenze kauert hagere Vegetation. Daniel Siglochs Gemälde „Tomb Raider – the rise of Tomb Raider, Level 2 + 3“(2018) wirkt aus der Ferne wie gemütlichste Alpinistenmalerei. Doch bei näherer Betrachtung fallen tief im Bildkörper lauernde disparate Elemente auf. Muster und Strukturen, die nicht an ihre jeweiligen Stellen im Bild „passen“ wollen und doch erheblich zur Gesamtwirkung beitragen. Es sind Fragmente aus einer anderen Welt, die mit Bergidylle und Alpinistenglück so gar nichts zu tun hat. Diese Welt hat täglich zig Millionen Besucher und kann von allen Kontinenten aus im Handumdrehen betreten werden: die Welt des Computerspiels „Tomb Raider“. Für seine digitale Malerei schichtet Daniel Sigloch Screenshots unterschiedlicher „Tomb Raider“-Level übereinander. Die ersten 20 Schichten ergeben eine Art Grundierung. Viele weitere folgen, so lange bis der Künstler mit dem Ergebnis zufrieden ist. Details der frühen Schichten sind bald nicht mehr erkennbar, doch sie sind für die Dichte der Arbeit wichtig. Die neuesten, also obersten Schichten bestimmen das Aussehen des Werks. Prinzipiell entspricht das der Funktionsweise unseres Gedächtnisses, wo auch ältere Eindrücke von neueren überschrieben werden. Bei Sigloch ist das


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führt uns die digitale Malerei vor Augen, dass wir betrogen werden – und betrogen werden wollen. Darin besteht die ­D aniel-Sigloch-Experience. Und natürlich im Suchen, die Oberf lächen mit dem Blick abzugrasen und Fragmente der tieferliegenden Bildschichten zu enträtseln. Etwas leichter als bei der eingangs erwähnten Bergwelt fällt die Dechiffrierung der Bildbestandteile beim Großformat „Tomb Raider – underworld, Level 6, 7, 8“(2018). Inmitten üppiger, f lirrender Vegetation tut sich ein schwarzer Schlund auf. Im Dunkel dieses Höhleneingangs sind Strukturen zu erkennen, die an terrassierte Reisfelder erinnern. Weiter rechts scheinen ­behelmte Figuren auf. Und sind da nicht, noch tiefer im Bildkörper, Tempelanlagen zu sehen, die jenen von Angkor Wat in Kambodscha ähneln? Stundenlang kann man vor diesen Bildern stehen und sich an den Punkt heranzoomen, an dem die Frage auftaucht: Erkenne ich gerade etwas oder will ich etwas erkennen? Betrachte ich noch das Bild oder beobachte ich schon meine Hirntätigkeit? In einer anderen Werkserie erstellte Daniel Sigloch Porträts der „Tomb Raider“-Heldin Lara Croft. Auch hier sind Screenshots aus dem Computergame Grundlage der digitalen Malerei. Die Shots stammen aus unterschiedlichen Epochen des Games und zeigen daher die Entwicklung der Figur, die uns nunmehr seit gut 20 Jahren begleitet. In „Portrait Lara Croft, Variation 2“ (2018) wirkt die resolute Grabräuberin wie eine von Novalis im Laudanum-Traum erblickte Geliebte: Das Haar hebt sich wolkig vor dunklem Hintergrund ab, ihre ­Lippen beben, ihr offener Blick erheischt ein fernes, köstliches Jenseits. In „Variation 3“ wirkt sie von irgendetwas überrascht, baff blickt sie aus dem Bildgrund. Geradezu irritiert, mit ­fragenden Augenbrauen, etwas bang und unsicher, also nicht gerade wie eine Heldin, wirkt Croft auf „Variation 1“. Siglochs digitale Gemälde zeigen nie einen Moment oder Augenblick, keinen Status, sondern immer eine Abfolge, einen Zeitverlauf. Wie im Computerspiel verschiedene Levels erklommen werden sollen, legt Sigloch Schicht auf Schicht. Er ist ein reziproker Archäologe des Zeitverlaufs – er ist der ­„ Layer Rider“. HANSJÖRG FRÖHLICH

Daniel Sigloch, „Eis“, 2011, C-Print auf Alu-Dibon, 91 x 125 cm


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Arthur Aeschbacher, „Pyramide rouge“, 1964, Collage d’affiche déchirée, 195 x 130 cm

Arthur Aeschbacher Galerie Klaus Braun, Stuttgart Aeschbacher zählt zu den Künstlern der sogenannten „Plakatabreißer“, den ­„ Affichistes“ − eine in den späten 1950er-Jahren entstandene Künstlerbewegung, die unterschiedliche Plakatfragmente zu neuen Arbeiten verbindet (Rotella, ­Vileglé, Hains). Dadurch entstehen abstrakte Kunstwerke, bei denen die Grenze zwischen Poster und Collage verschwimmt und ein neuer Blick auf die Medien Schrift und Papier entsteht. In seinen Werken konzentriert sich Aeschbacher vor allem auf die Wirkung von Buchstaben, die – herausgelöst aus ihrem vorherigen Kontext und hineingesetzt in einen neuen – eine völlig neue Betrachtungsweise auf die Schrift eröffnen. Dem Betrachter bleibt es verwehrt, die unterschiedlichen Buchstaben und Satzfragmente richtig zusammenzusetzen, um sich stattdessen ganz auf die Wirkung von Aeschbachers Werken zu konzentrieren. Sein aktueller „Atlas“-­ Zyklus besticht durch leuchtende Farben und die typografische Schönheit der fragmentarischen, teils gewendeten Buchstaben. Aeschbacher wurde 1923 in Genf geboren, wo er die Kunstakademie besuchte. Er lebt und arbeitet seit 1956 vorwiegend in Paris. Dort besuchte er unter anderem die private Kunstakademie „Académie Julian“ und war Schüler des französischen Künstlers Fernand Léger. Seit Ende der 1950er-Jahre nimmt Aeschbacher, der der Bewegung der „Nouveaux Réalistes“ angehörte, regelmäßig mit seinen Werken an Ausstellungen zum Themenkomplex Wort und Schrift teil. Sein Besuch zum „artalarm“ ist vorgesehen. THIBAUT DE CHA MPRIS

19 . September bis 31. Ok tober 2020 w w w . g a l e r i e - k l a u s - b ra u n . d e


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M arion Eichmann: Follow M .E.

Von Aufbruch und Ankommen Marion Eichmann, „Kreuzberg Merkezi“, 2020, Papierschnitte, Pigmenttusche, 180 x 270 cm, zweiteilig, Courtesy: Galerie Tammen, Berlin, Foto: Roman März © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020


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p rä s e n t i e r t d i e a u f P a p i e ra r b e i t e n s p e z i a l i s i e r t e G a l e r i e S t i h l Wa i b l i n g e n die bi slang umfang re ich ste W ­ erkschau der B erliner Künstler in Mar ion Eichmann.

Die Ausstellung zeichnet Marion Eichmanns künstlerische Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte anhand ihrer Reisen in die Millionenstädte dieser Welt nach. Vor einer eigens für die Waiblinger Ausstellung aus Papier gefertigten Abflugtafel eines Flughafens können die Besucherinnen und Besucher die Gliederung der Ausstellung erfassen: Die Reise beginnt in Tokyo, der asiatischen Megacity und derzeit bevölkerungsreichsten Stadt der Welt. Verdeutlicht wird die Masse an visuellen Informationen, die Marion Eichmann während ­ihres Aufenthalts in der japanischen Hauptstadt im Winter 2003/04 aufsog, durch die Arbeit „Tokyo mono“. Bestehend aus 50 japanischen Bade­hockern zieht die 25 Quadratmeter große Bodeninstallation Betrachterinnen und Betrachter in

Marion Eichmann, „Abflug“, 2020, Papier, Holz, Glas, 148 x 259 cm, Privatsammlung Potsdam, Foto: Roman März, © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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Unter dem Titel „ M a r i o n E i c h m a n n : F o l l o w M . E .“

den Bann. Weiter geht es nach New York – hier werden großformatige, mit Fineliner g­ ezeichnete und mit farbigem Karton ins Plastische gestaltete Stadtansichten präsentiert, mit denen die Künstlerin ungewöhnliche Perspektiven auf die typischen Backsteinfassaden der amerikanischen Metropole einnimmt. Skizzen und Vorzeichnungen, die während Eichmanns ­Aufenthalt in New York im Jahr 2005 entstanden, führen Besucherinnen und ­Besuchern den aufwendigen Arbeitsprozess der Künstlerin vor Augen. In eine lebendige Atmosphäre getaucht, erscheint in der Mitte der Ausstellungshalle Istanbul, das dritte Reiseziel der Schau. Hier bringt Marion Eichmann farbige Stifte zum Einsatz. Wie an einer der seltenen Hafenansichten im Werk der Künstlerin anschaulich wird, ist ihr Umgang mit farbigem Papier und Karton zunehmend malerischer. Auf der letzten Station der Reise kehren die Besucherinnen und Besucher zurück in Marion Eichmanns Wahlheimat, wo die abstrakte Schönheit Berliner Plattenbauten zu entdecken ist. In diesem Bereich der Ausstellung stellt sich auch die Frage, wie die Auslandsaufenthalte der Künstlerin den Blick auf die eigene Kultur verändert haben. Mit den hier präsentierten jüngsten Arbeiten, darunter der 50 Qua­ dratmeter große und begehbare Waschsalon, der in der Galerie Stihl Waiblingen erstmals vollständig präsentiert wird, kommt Marion Eichmanns F ­ aszination für technische ­Geräte und Automaten zum Ausdruck.


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Marion Eichmann, „Laundromat“ (Detail), 2016/2017, Pigmenttusche, Papier, Holz, Glas, 72,5 x 308 cm, Besitz der Künstlerin, Foto: Roman März © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Unterwegs zu sein bedeutet für Marion Eichmann nicht nur, die Kontinente zu wechseln, sondern sich zu Fuß auf den Weg zu machen, um sich einen Zugang zur Stadt und dem urbanen Alltag zu verschaffen. Das Gehen ist Voraussetzung dafür, ­e inen kreativen Prozess in Gang zu setzen. Die selbstbestimmten und nicht durch Reiseführer oder Ortsansässige vorgegebenen Stadterkundungen sind eine sinnliche und körperliche Form der Weltaneignung – eine sehr intensive Art der Begegnung mit der Umwelt. Nur durch diese Vorgehensweise gelangt die Künstlerin an Orte, die für sie einen besonderen Reiz ausmachen. Erst beim Gehen ist es möglich, auch einen Blick für diejenigen Dinge zu entwickeln, die auf der Straße liegen – Fundstücke wie Flaschendeckel, Bindfäden, Plastikringe oder Gummifrösche –, die sie wie eine Archäologin in den jeweiligen Städten aufsammelt und später künstlerisch in ihre Werke einarbeitet. Statisch und zeitaufwendig hingegen ist das Sitzen vor Ort, wenn Marion Eichmann ihren eigenen Standpunkt gefunden hat und mit ihrem Zeichenblock manchmal bis zu zehn Stunden konzentriert alle Details um sich herum akribisch erfasst. Diese wichtigen zeichnerischen Originaldokumente, die den Ausgangspunkt für ihre großfor mat igen Werke bilden , werden im R a hmen der Ausstellung teilweise erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Wenn es eine Botschaft gibt, die Marion Eichmann wichtig ist und die sie in ihren Arbeiten oft mit feinsinnigem Humor vermittelt, dann sicherlich die, dass in allem eine Schönheit und Ästhetik liegt. Gerade deswegen lässt das

facettenreiche Werk der Künstlerin Betrachterinnen und ­ etrachter staunen und oftmals überrascht innehalten. Die B sensible Wahrnehmung der Künstlerin, ihr scharfer Beo­ bachtungssinn und ihr großes Repertoire an bildnerischen Mitteln lädt dazu ein, Fremdes neu zu entdecken, Vertrautes mit ­a nderen Augen zu sehen oder vermeintlich Hässliches und Unattraktives als etwas Schönes wahrzunehmen. Was vorher übersehen wurde oder nur zweckdienlich schien, wird plötzlich beachtet. Wenn die Künstlerin die Realität abstrahiert oder verfremdet, geschieht dies also nicht im Sinne eines kritischen Stilmittels, sondern als Würdigung des Motivs und als Mittel dafür, Spannung zwischen der aktuellen Wirklichkeit und ihrer Kunst zu erzeugen. ANJA GERDEMANN

Leiterin der Galerie Stihl Waiblingen

Bis 18 . Ok tober 2020 „ M a r i o n E i c h m a n n : F o l l o w M . E .“ G a l e r i e S t i h l Wa i b l i n g e n www. galer ie-st ihl-waiblingen. de Bis 29. August 2020 „ A BOU T – P a p i e r s c h n i t t e , O b j e k t e , I n s t a l l a t i o n e n 2 0 0 4 – 2 0 2 0“ G a l e r i e Ta m m e n , B e r l i n www. galer ie-tammen. de


Marion Eichmann, „Tokyo mono“ (Detail), 2004, Mixed Media, Besitz der Künstlerin, Foto: Peter Oppenländer © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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Sommer Sonne Mochental www.galerie-schrade.de

Marion Eichmann auf der Schloßterrasse, 2014

Marion Eichmann „Happy Paper“ 25.7. – 20.9.2020 In der Belle Etage von Schloß Mochental zeigen wir über die Sommerzeit eine umfangreiche Werkschau neuer Arbeiten von Marion Eichmann sowie eine Auswahl ihrer in Mochental beim „Franz-Joseph-Spiegler-Preis“ entstandenen kleinformatigen Papierschnitte aus dem Jahr 2014. Der Preis, der nach dem Barockmaler Spiegler benannt ist, beinhaltet einen mehrwöchigen Arbeitsaufenthalt auf Schloß Mochental mit einer anschließenden Ausstellung und einem begleitenden Katalog. „Was hierfür und vor Ort nun entstanden ist, macht Staunen. Nicht nur, weil sich die Künstlerin erstmalig und ausschließlich thematisch auf das Innen und Außen des Anwesens konzentriert hat. Dabei das barocke Schloß als nicht enden wollende Fülle einer Inszenierung von moderner Kunst verstanden, genutzt und dargestellt hat“ (Auszug aus dem Katalogtext von Dr. Melanie Klier, 2014).

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Marion Eichmann „Eis“, 2019, Pigmenttusche, Papierschnitt, 150 x 101 cm, © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020


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Wo also gibt es noch Rückzugsorte, um sich als Individuum zu schützen und zu behaupten? Wo sind die Refugien, Reservate, Idyllen oder Oasen, in denen wir Zuf lucht finden, wenigstens für eine Weile ohne mediale Bedrängnis? Können Orte der Kunst und Kultur solche Reservate sein? Mit diesen Fragen beschäftigen sich 30 Künstler*­innen und Künstlergruppen aus allen Genres auf ihre je indi­ viduelle Weise. Das Ergebnis ist ein breit gef ächertes, nachdenk­l iches wie humorvolles, manchmal schräges, jedenfalls vielfältiges Festival in 21 Städten der KulturRegion Stuttgart. Das Spektrum reicht von Ausstellungen und In­ stallationen über Performances im öffentlichen Raum bis zu Konzerten, Stadt­erkundungen, einer Themenausstellung und einem Symposium. www. unte rbeobacht ung. ne t

F E S T I VA L Z E N T R U M

Das Festivalzentrum am Pariser Platz in Stuttgart dient als Ort der Begegnung und Informationsquelle, aber auch als Rückzugsraum mitten im öffentlichen Leben der Stadt. Es wird vom A rchitekturstudio „umschichten“ aus den ­S chalungsplatten der Kelchstützen des umstrittenen Bahnprojekts „Stuttgart 21“ entworfen. Das Angebot im Zentrum wird durch eine vielf ältige Veranstaltungsreihe zum Festival­t hema ergänzt.

Marion Eichmann, Lampe Kamera, 2020, Papier, Holz, Glas, Privatbesitz © Marion Eichmann / VG Bild-Kunst, Bonn 2020, Foto: Roman März

20. September bis 15 . November 2020 T H E M E N AU S S T E L L U N G „ U N T E R B E O B AC H T U N G “

Neun A rbeiten von nat iona len und inter nat iona len ­K ünstler*innen in der Villa Merkel, Galerie der Stadt ­E sslingen, umkreisen Fragen zur überwachten und manipulierten Gesellschaft.

1 2 . Ok tober 2020 S Y M P O S I U M » D I E Ü B E RWAC H T E G E S E L L S C H A F T«

Was sind die Konsequenzen von digitaler Vernetzung, Datenklau und Big Data? Gibt es Strategien des Schutzes in der omnipräsenten Welt der Algorithmen? Die fünf Referent*innen des Symposiums in der Evangelischen Akademie Bad Boll behandeln Tendenzen der immer effizienteren Überwachung der Gesellschaft.

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Das f ilmische Begleitprogramm mit Science-Fiction-­ Filmen, selten gezeigten A rthaus-P roduktionen und spannenden T ­ hrillern greift die Festivalthemen der Beobachtung und des Rückzugs auf und wird in Kooperation mit lokalen Kinos gestaltet.

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Mittels Konzerten, Lesungen, Diskussionen oder Festen wird auf jede beteiligte Kommune in Ergänzung zu den Kunst­ werken während der Dauer des Festivals ein spezieller Fokus der Aufmerksamkeit gelegt.

Die KulturRegion Stuttgart ist ein Zusammenschluss von 43 Städten und Gemeinden, dem Verband Region Stuttgart und drei Mitgliedsvereinen. Seit 1991 veranstaltet sie interkommunale Kulturprojekte und prägt damit das kulturelle Erscheinungsbild der Region. www. k ult ur reg ion-st ut tgar t . de

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Jürgen Knubben, „Treppe“, 2018, Stahl, Foto: © Hans-Peter Kammerer


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Rot t weil: Gebur tstage mit Hindernissen

50 – 65 – 90 Jahrzehnte richtete der Kunstverein rund 350 Ausstellungen aus. Aus jedem Jahr wurde ein Künstler ausgewählt, sodass nun 50 Künstler repräsentativ für 50 Jahre Ausstellungstätigkeit stehen, die mit großen Namen und jüngeren Positionen eindrücklich nachgezeichnet werden. Aufgrund der Pandemie bespielt Jonas Denzel erst im Herbst das Schwarze Tor in Rottweil mit einer Lichtinstallation. „Mit einer weiteren Verlegung warten wir bis zum letzten Moment. Die technische Umsetzung steht, und falls uns Corona einen Strich durch die Rechnung macht, werden wir nächstes Jahr ,50+1‘ daraus ­machen“, so Knubben. Weitere Programmpunkte im Jubiläumsjahr sind die im September eröffnende, als Wanderschau angelegte Ausstellung „Kunst im Setzkasten“. Zwölf aus dem Bleisatz stammende Setzkasten-Schubladen wurden zu sechs Einheiten zusammengefasst, in denen je 15 „Räume“ ent­standen, die von 90 Künstlern – ausgewählt und kuratiert von sechs Kuratoren aus Deutschland, Österreich und der Schweiz – bestückt, interpretiert und gestaltet wurden.

Skulpturenpark und Pyramide, Foto: Kunststiftung Erich Hauser, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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In Corona-Zeiten fallen nicht nur in der Kunst runde Geburtstage aus, werden aufs nächste Jahr verlegt oder nur im kleinen Kreis gefeiert. Verrückte Zeiten eben, in denen das, was bislang unverrückbar wichtig schien, plötzlich relativiert wird. Davon sind Künstler wie Vereine nicht ausgenommen, wenngleich hier schon immer etwas anders gefeiert wurde. So sind Ausstellungen beispielsweise ein probates Mittel, um den ­Jubilar zu ehren – umso mehr, wenn sich die runden und ­halbrunden Geburtstage wie in Rottweil 2020 förmlich die Klinke in die Hand geben. Vor 50 Jahren gründeten Erich Hauser und weitere Mitstreiter – darunter auch der Bildhauer und derzeit amtierende Geschäftsführer Jürgen Knubben – den Kunstverein Forum Kunst Rottweil. Grund genug also, genauer auf die vielfältigen Aktivitäten in der ehemaligen Reichsstadt Rottweil zu blicken. Das Motto zum 50. Geburtstag des Forums Kunst Rottweil lautet „analog – digital“. Im Zentrum stehen dabei eine Ausstellung und eine temporäre Arbeit im öffentlichen Raum, die den Blick zurück nach vorn illustrieren: Über die


1970 bis 2020: 50 Jahre FORUM KUNST ROTTWEIL 50 Werke von 50 ausgewählten Künstler*innen aus 50 Jahren Ausstellungsgeschichte des Kunstvereins 1970 Rupprecht Geiger/Ansgar Nierhoff 1971 Lynda Benglis 1972 Edgar Hofschen 1973 Romuald Hengstler 1974 Franz Bucher 1975 Gerhard Hoehme 1976 C. O. Paeffgen 1977 Bram Bogart 1978 Erich Hauser 1979 Raymond E. Waydelich 1980 Richard Jackson 1981 Markus Prachensky 1982 Martin Kippenberger 1983 Günther Uecker 1984 Erwin Wurm 1985 Anton Hiller 1986 Josef Bücheler 1987 Aloys Rump 1988 Mario Moronti 1989 Karl Otto Götz 1990 Felix Schlenker 1991 Martin Gostner 1992 Rudolf Wachter 1993 Dieter Krieg 1994 Magdalena Jetelová 1995 Raphael Rheinsberg 1996 Cindy Workman 1997 James Licini 1998 Pino Pinelli 1999 Timm Ulrichs 2000 Ivan Kafka 2001 Daniel Spoerri 2002 Peter Vogel 2003 Fritz Rapp 2004 Mimmo Rotella 2005 Ottmar Hörl 2006 Cornelius Völker 2007 Angela Flaig/Reinhard Sigle 2008 Sebastian Kuhn 2009 Claus Bury 2010 Thomas Rentmeister 2011 Walter Kütz 2012 Heribert C. Ottersbach 2013 Rolf-Gunter Dienst 2014 Romain Finke 2015 Helmut Stromsky 2016 Sophia Loth 2017 Willi Bucher 2018 Flavio Paolucci 2019 Robert Hak 2020 Arvid Boecker FORUM KUNST ROTTWEIL Friedrichsplatz 4 D-78628 Rottweil Tel. 0741/20966175 info@forumkunstrottweil.de www.forumkunstrottweil.de

Dauer der Ausstellung: 12. Juli bis 6. September 2020 Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch, Freitag 14 –17 Uhr, Donnerstag 17 – 20 Uhr, Samstag und Sonntag 10 –13 Uhr und 14 –17 Uhr  Kreissparkasse Rottweil


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Jürgen Knubben in seinem Atelier, Foto: Andreas Linsenmann

aus den Gründungstagen des Kunstvereins. Hauser, der heuer 90 Jahre alt geworden wäre, wurde mit seinen auf Hochglanz polierten Edelstahlskulpturen weltweit bekannt. Eigentlich hätte seiner mit zahlreichen Veranstaltungen im Jubiläumsjahr gedacht werden sollen, die nun durch die Pandemie verschoben oder abgesagt wurden. Weggefährten, Künstler und Kuratoren haben aber die M ­ öglichkeit, sich in Wort und Bild über eine eigens dafür eingerichtete Website an ihn zu ­erinnern, indem sie Texte und Fotos hochladen, die zum virtuellen Geburtstagsstrauß werden. CHRIS GERBING

Bis 6. September 20 1970 − 2020: 50 Jahre FORU M K U N S T RO T T W E I L For um Kunst Rot t weil, Fr iedr ichsplatz 19 . September bis 31. Ok tober 2020 „ K u n s t i m S e t z k a s t e n“ w w w . f o r u m k u n s t ro t t w e i l . d e 9 0 j a h r e - e r i c h h a u s e r. d e Bis 31. Ok tober 2020 Jürgen Knubben: Stahlpla st ik und Künstlerbr iefe „ k u n s t ra u m ro t t w e i l “ i m D o m i n i k a n e r m u s e u m www. dominikaner museum. de

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Zuvor bespielt der Bildhauer Jürgen Knubben die Räume des „kunst raum rottweil“ im Dominikanermuseum mit einer Ausstellung. „Ursprünglich war eine Retrospektive vor­ gesehen, aber jetzt zeige ich doch neuere Arbeiten aus den letzten Jahren: Neben den Säulen, die teils auch im öffent­ lichen Raum stehen, sind dies frei im Raum, vor der Wand instal­l ierte Lineaturen und Künstlerbriefe. Ich bin ja nicht nur Bildhauer, sondern seit 28 Jahren auch Leiter des Kunstvereins und habe in dieser Zeit ein Netzwerk zu vielen Kollegen aufgebaut. Das ist quasi der zweite Teil meines Künstlerdaseins.“ Knubben führt weiter aus, dass die Konkurrenz unterein­a nder zwar riesig ist, seine Begegnungen wären aber nicht davon geprägt. „Man wächst an jeder Begegnung, das illustriert vielleicht am besten Daniel Spoerris Künstlerbrief, in dem er schreibt, das Beste an mir wären meine Freunde.“ Franz Bucher, von dem „ein sehr persön­ licher“ Künstlerbrief in der Ausstellung gezeigt wird, bezeichnet Knubben als „künstlerische Vaterfigur. Er kaufte eine meiner frühen Ar­beiten und förderte mich auf verschiedene Art und Weise.“ Knubben ist aber nicht nur Leiter des Kunstvereins und Bildhauer, sondern auch Sammler. Sein Atelier befindet sich auf einem ehemaligen NATO-Stützpunkt, der heute ­N aturschutzgebiet ist. Im Park stehen zahlreiche Skulpturen, „teils getauscht mit Kollegen, teils gekauft. Sie korrespondieren mit meinen eigenen Werken und gehen Begegnungen mit ihnen ein.“ Darunter befinden sich auch Arbeiten von Erich Hauser, einem Weggefährten


Zu Gast bei der EnBW:

Fabien Léaustic: Eau de Karlsruhe – Cyprès › im Rahmen der ZKM-Ausstellung

Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik Installation in der EnBW, Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe vom 24. Juli bis Dezember 2020 mittwochs bis freitags 18:00 bis 20:00 Uhr samstags und sonntags 11:00 bis 18:00 Uhr Eintritt frei! www.enbw.com www.zkm.de

© Foto: Rosario De Sanctis VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Ausstellung Eva Bur am Orde in der Klosterkirche Oberndorf, Ansicht Triptychon und Oktagon, Foto: HP Kammerer, Rottweil

Eva Bur am Orde in der Klosterkirche Oberndorf Ikonen unserer Zeit Christus zur Anschauung. Dieser religiösen Botschaft stellt Eva Bur am Orde in ihrer Bildinstallation eine – das christ­ liche Moment mit einbeziehende – säkulare Botschaft gegenüber, indem sie Ansätze zu einer Erlösung der Menschheit im Geist des Friedens und der Liebe aufzeigt. Die erweiterte „Peace Collection“ führt, wie Clemens Ottnad in seinem einleitenden Textbeitrag zum Katalog darlegt, alles, was der Künstlerin und heutigen Betrachtern „heilig ist“, eindrücklich vor Augen. Mit der Kunstaktion „Eva Bur am Orde in der Klos­ terkirche Oberndorf “ setzt der Landkreis Rottweil die Veranstaltungsreihe „denk mal kunst“ fort, die Positionen der Gegenwartskunst in Beziehung zu Kulturdenkmalen im Kreisgebiet präsentiert. BERNHARD RÜTH

Bis 6. September 2020 „ P e a c e C o l l e c t i o n“ – E v a B u r a m O rd e i n d e r K l o s t e r k i r c h e O b e r n d o r f, e h e m a l i g e A u g u s t i n e r- K l o s t e r k i r c h e , Ober ndor f am Neckar Öf f nungszeiten: F r, S a 1 4 – 1 7 U h r, S o 1 1 – 1 3 , 1 4 – 1 7 U h r u n d n a c h Ve r e i n b a r u n g

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Im vergangenen Jahrzehnt hat die Künstlerin Eva Bur am Orde eine von der Pop Art inspirierte Bildsprache entwickelt, die reduzierte figurative Kompositionen mit ornamentalen und skripturalen Elementen verbindet. Eva Bur am Orde positioniert sich im Sinne der Friedens- und Umweltbewegung; ihre Bildwelt umschreibt sie mit dem Markenzeichen „Ethno Pop Art“. Durch Ausstellungen und Messebeteiligungen im In- und Ausland ist die Malerin einem breiten Kunstpublikum bekannt geworden. Das Schlüsselwerk der „Ethno Pop Art“ ist die ­ursprünglich siebenteilige Serie mit dem Titel „Peace Collection“, die 2012/13 auf Einladung durch die U NESCO entstanden ist. Für die Bildinstallation in der ehemaligen ­Augustiner-Klosterkirche in Oberndorf am Neckar hat Eva Bur am Orde die „Peace Collection“ 2019/20 um zusätzliche ­Aussagedimensionen erweitert und in vier groß dimensionierten „Ikonostasen“ zusammengefasst. Die ehemalige Augustiner-Klosterkirche, die in den ­Jahren 17 74 bis 17 78 errichtet wurde, ist das bedeutendste ­B audenkmal des Spätbarock zwischen Schwarzwald und Schwäbischer Alb. Ihren hohen kunsthistorischen Rang ­verdankt sie in erster Linie den meisterlichen Fresken, die der schwäbische Maler Johann Baptist Enderle (1725–1798) im Stil des Rokoko geschaffen hat. Nach einem komplexen Programm brachte Enderle in den Deckenfresken die christliche Glaubenslehre von der Erlösung der Menschheit durch Jesus


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Tobias Kammerers Skulpturengar ten Oberrotenstein bei Rot t weil

Kunst im Idyll Es ist ein Ort, an dem man Kunst nicht erwartet: Eine Hoch­ ebene über dem zauberhaften Eschachtal, einem Natur- und Vogelschutzgebiet, eine 100 Jahre alte Villa, und zwischen Kirschbäumen, Rosen und Holunderbüschen stehen die ­g roßen, farbigen Glasskulpturen von Tobias Kammerer. ­Sonne und Wolken spiegeln sich darin, Farben verschmelzen mit der umgebenden Natur und geben sie in neuem Licht ­w ider. In­t uition statt Konzeption: Hier bilden Natur und Kunst eine Einheit, ergänzen sich wechselseitig und bilden eine selbstverständliche Symbiose.

Tobias Kammerer, Jahrgang 1968, studierte in an der Akademie der bildenden Künste Wien Malerei bei Prof. Arik Brauer und Prof. Josef Mikl, Bildhauerei bei Prof. Bruno Gironcoli, war 1992 Meisterschüler für Architektur bei Prof. Gustav Peichl. Zahlreiche Kirchen in ganz Europa tragen Tobias Kammerers Handschrift, von Straßburg über Wien, Kiew und Odessa bis Hongkong, von der Schweizer Grenze bis zur Nordsee. Hier erschafft er sakrale Räume, die es so nie gab, eine Brücke aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt, einen neuen Zugang zur Theologie. Mit gläsernen Werken und Wand- und Deckenmalerei, die auf die jedem Raum eigene Beziehung zur Spiritualität verweist. Im Jahr 2000 zeichnete Papst Johannes Paul II Tobias Kammerer als einzigen Maler mit der Pontifikatsmedaille aus.


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Oberrotenstein leuchtet: Kunst, Lichtinstallation, Musik und Kulinarisches gibt es am 3. Oktober, allerdings wegen der Pandemie erst wieder 2021. Foto: Martina Schrenk

linke Seite: Künstler Tobias Kammerer in seinem Skulpturengarten Oberrotenstein.

Die Methode, mit der Tobias Kammerer die Farbe in seine großen Glasskulpturen einbringt, hat er selbst entwickelt, beinahe zufällig: Industrieglas wird zum Härten zunächst auf 630 Grad erhitzt und dann schockgefrostet. Beim Erhitzen die Farben einzubringen, das probierte er mit seinem Freund Klaus Janssen aus, und siehe da: es funktionierte. Nicht un­ bedingt zur Freude der Glaswerke, in deren Öfen er seine Scheiben brannte. Denn ab und zu explodierte ein Werkstück und Farbe gelangte auf Rollen und so auf Glasteile, die eben nicht farbig sein sollten. Eines seiner ersten großen so entstandenen Werke transportierte er in Teilen im Flieger zu den Kulturtagen in Nairobi, zu denen er als Vertreter Deutschlands geladen war, und von dort reist es heute noch immer als Ausstellungsstück durch die Welt.

Technik, Kunst, Natur und Spiritualität, das macht den Skulpturengarten auf dem Oberrotenstein aus. Die Poesie der Skulpturen ist in Worte gefasst: „Jeder Grashalm hat seinen Engel, der sich über ihn beugt und flüstert: Wachse, wachse.“ Talmud-Worte für das sonnenfarbene Werk „Das Geheimnis der Veränderung“. Und zur „Alchemie der Liebe“ spricht ­L aotse: „Alle Dinge haben im Rücken das Weibliche und vor sich das Männliche. Wenn Männliches und Weibliches sich verbinden, erlangen alle Dinge Einklang.“

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Hier bietet er auch Führungen an. Foto: Ralf Graner


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„Die wahre Schönheit manifestiert sich in den Strahlen, die aus dem Allerheiligsten der Seele dringen“: Die Installation „Was unsre Seele sieht“ wird poetisch mit Khalil Gibran. Foto: Jo Krauß

Fühlbar ist dieser Einklang auf der Hochebene, in der Ruhe zwischen Vogelgezwitscher, dem Geplätscher des Teiches bei der 100 Jahre alten Villa und dem kleinen Rundpavillon. Hier prägt Kunst das Leben und das Leben die Kunst. Ein bisschen Himmelreich, das auch auf das Biblische verweist: „Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, und ein jeglich Tor war von ­einer Perle; und die Gassen der Stadt waren lauteres Gold wie ein durchscheinend Glas.“ So gläsern stellte sich Johannes einst das Paradies vor.

Wie im Paradies kann man sich hier auch fühlen: Die ­herr­lichen Farben und Formen, durchscheinend und in wechselndem Licht ihre Farben verändernd, die Natur um sie herum wiederum bunt gespiegelt. Der Besucher erlebt ein Farbenmeer zwischen keckernden Elstern und schwirrenden Insekten, er findet hier einen Zufluchtsort abseits der Hektik des Alltags. Ein Ort der Inspiration, der zum Verweilen ­einlädt. Ein Idyll im Idyll, das schon auf dem Weg dorthin zur Ruhe kommen lässt, auf der Kastanienallee und vorbei an Kuhweiden ist es ein Leichtes, Entspannung zu finden.


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„Alchemie der Liebe“ heißt diese Skulptur, und sie ziert Worte von Laotse: „Wenn Männliches und Weibliches sich verbinden,

Schon im Jahr 2000 übernahm Tobias Kammerer die Villa Oberrotenstein von der Stadt Rottweil und begann mit dem Auf bau des Skulpturengartens. Das Areal war eben erst von Sturm Lothar verwüstet worden. Umgestürzte Bäume hatten große Zerstörung angerichtet, aber auch den Zauber dieses Ortes freigegeben, der bis dahin völlig zugewachsen war. ­E ineinhalb Jahre dauerte es, bis alle Stämme zersägt und das Gelände freigelegt war. „Es wirkte zuvor wie das Ende der Welt. Jetzt konnte man endlich sehen, wo man eigentlich war“, erinnert sich der Künstler. Eben hoch oben über der Eschach an einem zauberhaften Ort, den man schon vor 700 Jahren zu schätzen wusste: Damals befand sich hier die Burg Oberrotenstein. Info: Der Skulpturengarten Oberrotenstein liegt beim ­kleinen Rottweiler Teilort Hausen und ist gut ausgeschildert. Wer nach der Kunst Lust auf kulinarische Leckereien hat, ist in fünf Minuten Fußweg beim Restaurant Bettlinsbad mit ­seinem wunderbaren Kräutergarten. Freunde eher deftiger Kost erreichen in einer etwa zwanzigminütiger Wanderung den urigen Eckhof unten an der Eschach, in der man an manchen Stellen auch baden kann. MONI MARCEL

w w w . t o b i a s - k a m m e r e r. d e w w w . s k u l p t u r e n g a r t e n - o b e r ro t e n s t e i n . d e

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erlangen alle Dinge Einklang“. Foto: Jo Krauß


© Henry M. Linder

Klaus Prior Andreas Scholz

KUNST LABOR 9. Aug. – 8. Nov. 2020

Städtische Galerie In der Badstube, Lange Gasse 9

www.galerie-wangen.de

Max Ernst – Sammlung Würth Innovation Interdisziplinarität Internationalität Die Hochschule Pforzheim nach 1945

18.07.2020 bis 17.01.2021 Max Ernst: Le lion de Belfort 5 Reproduktion nach Collage, aus dem Collageroman: Une semaine de bonté ou Les sept éléments capitaux, 1934, Sammlung Würth, © VG Bild-Kunst Bonn 2020

30.11.20 > 20.6.21 Vernissage > 29.11.20

Westliche Karl-Friedrich-Straße 243 / 75172 Pforzheim Mi und Do 14–17 / So und Feiertag 10–17 Uhr www.pforzheim.de/stadtmuseum

agil.de

gestaltung: L2M3.com

GALERIE WERNER WOHLHÜTER

Di – Fr, So und Feiertage: 14 –17 Uhr Sa: 11 – 17 Uhr


NATUR IM MITTELPUNKT 8.8. – 22.11.2020 Kunstmuseum Thun, Hofstettenstrasse 14, 3602 Thun Di–So, 10–17 Uhr / Mi 10–19 Uhr, www.kunstmuseumthun.ch

Johannes Itten, Herbst am Bach, 1912, Privatbesitz, Foto Christoph Wagner © 2020, Pro Litteris, Zürich

JOHANNES ITTEN & THUN


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Inter view mit Direktor M ar tin Faass, Hessisches Landesmuseum Darmstadt

Eine Wunderkammer

Joseph Beuys im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, 1971, Foto: Werner Kumpf, © Hessisches Landesmuseum Darmstadt / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Ein wenig atmet dieses Haus noch immer den Geist fürst­ licher Wunderkammern. Weniger, weil das Hessische Landesmuseum, das in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag feiert, tatsächlich auf die großherzoglichen Sammlungen zurückgeht: Auf die Kollektion physikalischer Instrumente und die Naturaliensammlung etwa, die schon Landgräfin Ka­ roline zusammentrug und ihrem Sohn vermachte, ebenso wie auf die Bestände, die dieser als Großherzog Ludewig I. schließlich 1820 in Form einer Stiftung der Öffentlichkeit übergab. Und heute? Von Mineralien über Fossilien bis zur Korallensammlung, von mittelalterlichen Altären über die Malerei alter Meister bis zur Graphischen Sammlung und von der Moderne bis zur Kunst der Gegenwart − das von Alfred Messel errichtete Gebäude im Herzen Darmstadts bewahrt Millionen Jahre Natur-, Kunst- und Kulturgeschichte unter einem Dach. Zwei Wochen, so hat es der Vorgänger von ­M artin Faass, Theo Jülich, einmal formuliert, 14 Tage also würde man wohl gut und gerne brauchen, um sich alle 13 Sammlungsbereiche des Hauses zu erschließen. Und wer nur einmal dort war, wird sich staunend sagen: vermutlich eher noch ein bisschen mehr. Vor eineinhalb Jahren hat nun Martin Faass die Leitung des Universalmuseums übernommen. Christoph Schütte sprach mit ihm über seine Pläne im Jubiläumsjahr.


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ARTMAPP: Herr Faass, als Sie sich für die Leitung des Hessischen Landesmuseums beworben haben, wussten Sie, auf was Sie sich einlassen? Martin Faass: Ja, sicher. Ich wusste, dass das Hessische Landesmuseum Darmstadt mit seiner 200-jährigen Geschichte eines der ältesten öffentlichen Museen in Deutschland ist und als Universalmuseum über herausragende Sammlungen aus den Bereichen Kunst-, Kultur- und Naturgeschichte verfügt. Als Universalmuseum auch im europäischen Vergleich etwas ganz Besonderes. Die Aufgabe, ein solches Haus zu leiten, hat mich von Anfang an begeistert.

Martin Faass, Direktor HLMD, 2019, Foto: Annette Koroll

MF: Die Ausgangssituation in Berlin war völlig anders. Am Wannsee haben wir Pionierarbeit geleistet und mit einem kleinen Team dafür gesorgt, dass aus einem renovierungs­ bedürftigen Baudenkmal ein international bekanntes Museum wurde. Hier in Darmstadt hat man es gleich mit 200 Jahren Tradition zu tun. Hier geht es darum, ein traditions­ reiches Museum so weiterzuentwickeln, dass es auch in den kommenden einhundert Jahren Antworten auf aktuelle wie relevante Fragen geben kann. ARTMAPP: Wie wollen Sie das schaffen, ­a ngesichts der epochenübergreifenden, mehrere Tausend Jahre umfassenden Sammlungen des Hauses und Objekten aus höchst unterschiedlichen Bereichen? Haben Sie denn schon alle Abteilungen kennengelernt? MF: Streng genommen gibt es nur zwei Abteilungen im ­L andesmuseum: die Abteilung Kunst- und Kulturgeschichte und die Abteilung Naturgeschichte. Das ist leicht zu über­ blicken. Zu jeder dieser Abteilungen gehören allerdings zahlreiche, ganz unterschiedliche Sammlungen mit ins­ gesamt 1,35 Millionen Objekten. Die ältesten gehören zur Geologischen Sammlung und sind Millionen von Jahren alt, die jüngsten sind Arbeiten der zeitgenössischen Kunst wie Gemälde von Gerhard Richter oder Skulpturen von Marina Abramović oder Tony Cragg. Einblicke habe ich schon in viele dieser Sammlungsbereiche gewonnen. In Fachfragen kann ich mich glücklicherweise auf kompetente Sammlungsleitungen verlassen, die sich hier hervorragend auskennen.

ARTMAPP: Was zeichnet dieses Haus aus? MF: Das ist natürlich – wie schon so häufig hervorgehoben – sein universaler Sammlungscharakter. Wenn Kunst- und Kulturgeschichte zusammen mit der Naturgeschichte zu ­b etrachten sind, so gibt es keinen besseren Ort, sich der ­Verbundenheit von Natur und Kultur als Grundlage des menschlichen und gesellschaftlichen Seins bewusst zu werden. Dies immer wieder neu zu diskutieren und zu bewerten, ist unsere Aufgabe. ARTMAPP: Manche der Abteilungen wie die Graphische Sammlung oder der „Block Beuys“ sind in der ganzen Welt berühmt. Und der „Wald der Skulpturen“, die Sammlung Spierer also, setzt im Kontext der Moderne ebenfalls einen höchst ­bemerkenswerten Akzent. Trotzdem könnte man meinen, das Haus habe insbesondere bezüglich der Gegenwart ein wenig den Anschluss verpasst, seit es die Sammlung Ströher verloren hat? MF: Die Sammlung Ströher ist Geschichte, viele Werke aus ihr sind aber im Museum verblieben, nicht zuletzt der „Block Beuys“, dessen Strahlkraft bis in die Gegenwart reicht. Darüber hinaus ist mit Neuerwerbungen stets auch die Gegenwart berücksichtigt worden, soweit es die nicht immer üppigen ­f inanziellen Mittel erlaubten. Sehr dankbar sind wir daher weiterhin für großzügige Schenkungen, auf die kein Museum heute verzichten kann. So ist kürzlich die private „Sammlung MeyVArt“ in unser Haus gekommen – eine Sammlung von herausragender Qualität besonders zeitgenössischer Arbeiten auf Papier. Wir haben also keineswegs den Anschluss verloren und zeigen mit Tomás Saraceno in diesem Jahr einen der wichtigsten Künstler der Gegenwart.

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ARTMAPP: Da war es in Berlin übersichtlicher. Immerhin hatten Sie es am Wannsee nicht nur schön, als Gründungsdirektor der Liebermann-­ Villa war auch klar, um was es geht: einen Blick auf die Kunst um 1900 und den Kontext, also vor allem den Genius loci.


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Tomás Saraceno, „Algo-r(h)i(y)thms“, 2019, Esther Schipper, Berlin, Foto: © Andrea Rossetti

ARTMAPP: Darf man das aktuelle Ausstellungsprogramm im Jubiläumsjahr insofern auch ein Statement des Direktors nennen? Dass Sie mit der Lindbergh-Ausstellung ein vergleichsweise ­populäres Thema wählten und mit dem Museum Kunstpalast kooperieren, dass Sie darüber hinaus ausgerechnet Tomás Saraceno für die erste von Ihnen kuratierte Ausstellung am Landesmuseum eingeladen haben − einen Künstler also, dessen Arbeiten an die Entwürfe Frei Ottos ebenso anzuschließen trachten wie an die Kunst Buckminster Fullers −, das ist ja vermutlich kein Zufall? M F: So ist es. Mir war es wichtig, mit dem Jubiläums­ programm das universale Profil unseres Hauses erkennbar zu machen, von Joseph Beuys über 25 Jahre UNESCO-­ Welterbe Grube Messel bis hin zur Ausstellung über die Kultur­geschichte des Darmstädter Mastodons, und gleichzeitig mit Peter Lindbergh einen neuen Akzent zu setzen. Denn F ­ otografie war im Landesmuseum bisher deutlich unterrepräsentiert. ARTMAPP: Und Tomás Saraceno? MF: Tomás Saraceno wiederum steht in unserem Programmkontext ganz programmatisch für das interdisziplinäre Arbeiten, das besonders gut zu uns als Universalmuseum passt. Saraceno verknüpft Kunst und Natur und erschafft so Werke, in denen Architektur, Naturwissenschaft, Astrophysik und Ingenieurswissenschaften zusammenfließen. Seine schwebenden Raumkapseln, seine partizipativen Projekte und seine interaktiven Installationen erkunden neue, nachhaltige Konzepte für das soziale Miteinander und für den Umgang mit unserer Umwelt.

ARTMAPP: Was erwartet die Besucher in dieser Ausstellung? Wissen Sie schon, was Tomás ­Saraceno vorhat? Immerhin haben Sie ihm eine „Carte blanche“ gegeben. MF: Die Besucher wird eine speziell für Darmstadt erarbeitete Rauminstallation erwarten, bei der Netze unterschiedlicher Spinnenarten mit Mitteln der künstlerischen Inszenierungen untersucht werden. Tomás Saraceno hat bereits hier in Darmstadt zusammen mit Fachleuten der Technische Universität ein Verfahren entwickelt, mit dem es erstmalig möglich war, Spinnennetze dreidimensional zu scannen. Er kennt die Stadt und kommt gerne ins Landesmuseum.


ARTMAPP: Nun feiert das Museum in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Wenn Sie sich etwas ­w ünschen dürften für Ihr Haus, was wäre das? MF: Ich wünsche mir, dass unser Haus seine Position als herausragende Kulturinstitution in der Rhein-Main-Region durch internationale Kooperationen und innovative Projekte weiter ausbaut. Vor allem aber wünsche ich mir, dass es uns gemeinsam gelingt, unbeschadet durch die Corona-Krise zu kommen – persönlich und als Institution.

Bis 20. September 2020 K ra f t w e r k B l o c k B e u y s 25 . September 2020 bis 31. Januar 202 1 C a r t e B l a n c h e f ü r To m á s S a ra c e n o www. hlmd. de

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ELIZA ENGLISCHE IMPULSE F ÜR HESSEN-HOMBURG 23.09.2020 – 17.01.2021 SCHLOSS BAD HOMBURG schirmherrschaft: ministerpräsident volker bouffier www.schloesser-hessen.de www.eliza2020.de

Abbildung: G.P. Harding, Elizabeth Prinzessin von Großbritannien, Irland und Hannover, spätere Landgräfi n von Hessen-Homburg, in: Christian King of Denmark, Sammelband, 1818-1827, Aquarell, © SG, Foto: Uwe Dettmar, Gestaltung: MüllerHocke+Abele

PR I NCE S S

Der Kulturfonds fördert die Ausstellung Princess Eliza anlässlich ihres 250. Geburtstages.

Getragen wird der gemeinnützige Fonds vom Land Hessen, von Frankfurt am Main, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis, Darmstadt, Wiesbaden, Hanau, Bad Vilbel, Offenbach am Main und Oestrich-Winkel. Weitere herausragende Kunst- und Kulturprojekte finden Sie unter www.kulturfonds-frm.de | Facebook | Instagram | Newsletter


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Benedikt von König in seinem Studio, Foto: © Kunst Archiv Darmstadt e. V.

Kunst Archiv Darmstadt erhält den Nachlass des Bildhauers Benedikt von König

Eine Herausforderung, keine Frage! Auch wenn das Kunst ­ rchiv Darmstadt e. V. mit Schenkungen, Vermächtnissen A ­sowie Vor- und Nachlässen von Künstlern aller Disziplinen nach den mittlerweile 36 Jahren seines Bestehens über allerlei Erfahrungen verfügt. Immerhin betreut man hier keineswegs nur Nachlässe von vor allem regional bedeutsamen Künstlern wie Annelise Reichmann oder Esteban Fekete; ganze Werkgruppen gibt es auch von Wilhelm Loth und Helmut Lortz, dessen facettenreiches, von der freien Grafik bis zur Foto­ grafie und von Illustration über Typografie und Malerei bis zur Skulptur reichendes Werk der Verein anlässlich Lortz’ 100. Geburtstag derzeit mit zahlreichen weiteren Institu­ tionen in einem großen Ausstellungsparcours auf bereitet.

Ein solch gewaltiges, buchstäblich raumgreifendes Konvolut an Plastiken, Reliefs und Skulpturen aber, wie es das für die Kunst der Stadt so verdienstvolle Kunst Archiv nun mit dem Nachlass Benedikt von Königs für Darmstadt sichern konnte, führt selbst die Möglichkeiten des Vereins an ihre Grenzen. Und doch, es musste sein, „weil diese Skulpturen“, wie der Vorsitzende des Kunst Archivs Claus K. Netuschil befindet, nun einmal „nach Darmstadt gehören“. Und so musste ein ­öffentlicher Aufruf gestartet werden, um überhaupt ein geeignetes Depot zu finden.

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Sensation für Darmstadt


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Benedikt von König, „Pauvretta (Die Unschuld)“, 1887, Marmor, Foto: © Kunst Archiv Darmstadt e. V.


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Benedikt von König, „Der Frühling“, ca. 1873, Marmor, Foto: © Kunst Archiv Darmstadt e. V.

Schwer zu glauben eigentlich, dass man Königs Namen heute selbst in der ehemaligen Residenzstadt kaum noch kennt. Ist es doch nicht zuletzt seine Rolle als „großherzoglich hessischer ­P rofessor“, die König für Darmstadt bedeutsam macht. Immerhin war er der erste Lehrer des blutjungen Ludwig ­H abich, bevor der angehende Bildhauer seine akademische Ausbildung in Frankfurt am Main, Karlsruhe und München fortsetzte. Zusammen mit Peter Behrens und Rudolf B ­ osselt, Hans Christiansen und Josef Maria Olbrich von Großherzog Ernst Ludwig an die Epoche machende D ­ armstädter ­Künstlerkolonie berufen, ging auf der Ma­t hildenhöhe mit dem auf blühenden Jugendstil das 19. Jahrhundert unweigerlich zu Ende. Da war Benedikt König noch keine 60 Jahre alt. Und doch lässt es sich nicht übersehen: Es waren gänzlich andere Zeiten. CHRISTOPH SCHÜT TE

www. k un starchivdar m stadt . de

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„Es ist wirklich eine Sensation, dass sich der gesamte Nachlass erhalten hat“, so Netuschil anlässlich der Über­n ahme der rund 130 Porträtköpfe, Figuren und Reliefs aus Marmor, Gips und Bronze des 1842 im Allgäu geborenen Bildhauers. Ging doch der Nachlass nach Königs Tod 1906 nicht eben vor­ gezeichnete Wege. Dabei hatte seine Frau Anna das Werk zunächst zusammenhalten können und als König-Museum in dessen Darmstädter Atelier bewahrt. Mit dem Tod Annas 1913 indes gelangte das gesamte Inventar an das Museum Biberach, das bis heute vornehmlich dem Werk von Anton Braith und Christian Mali gewidmet ist, mit denen König befreundet war – dort wanderte das Konvolut beinahe komplett ins Magazin, wo es für die nächsten 100 Jahre blieb. Viel, so scheint es, wusste man mit dem Werk des Bildhauers, der Ateliers in Darmstadt, München und Berlin unterhielt, offenbar nicht anzufangen. Und das sieht man dem nun nach Darmstadt gelangten Bestand durchaus ein wenig an. Liegt doch hier und da tatsächlich noch „der Staub von ­Biberach“ (Netuschil) über den für die nächsten Jahre im Keller­r aum e­ ines Darmstädter Hotels unterkommenden ­Büsten, Köpfen und Figuren. Ein Vermächtnis also – und viel Arbeit, die das Kunst Archiv womöglich allein aus eigener Kraft nicht s­ temmen kann. Dass es sich lohnt freilich, dass König, von dem man nicht einmal genau zu sagen weiß, wie und wann das „von“ zum Bestandteil seines Namens wurde, dass also König ­etwas konnte, lässt sich unterdessen beim besten Willen nicht übersehen. Ein Zeitgenosse Max Klingers und Auguste Rodins, der aber doch sichtlich dem 19. Jahrhundert ver­ haftet blieb, der als Künstler vor allem Auftragswerke für Fürstenhäuser schuf, für Grab- und Denkmäler, aber auch Porträts von Kompo­n isten wie Franz Liszt und Richard Wagner, von Friedrich von Flotow oder der Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Luise Büchner. Reinstes Genre dagegen seine „Neapolitanerin“, und Königs vier allegorische als Frühling, Sommer, Herbst und Winter kenntliche Marmorköpfchen der großherzoglichen Töchter kann man kaum anders als bezaubernd nennen.


800 Quadratmeter Griechenland an der Bergstraße Zehn Jahre Museum Stangenberg Merck

„Haus auf der Höhe“: Museum Stangenberg Merck, Foto: Mirko Baum

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In einem Paralleluniversum wäre das von weitläufigem ­ arkgelände umgebene „Haus auf der Höhe“ am Rande P ­Jugenheims, halb schon im Odenwald, ein Sanatorium zur ­E rholung für gestresste Seelen, eine Art „Zauberberg“. So ­j edoch ist aus der 1860 erbauten, 1904 vom Jugendstil-­ Stararchitekten Heinrich Metzendorf erweiterten Villa ein Privatmuseum geworden. Dessen Besuch sich gestressten Seelen gleichwohl empfiehlt. Verströmen die Gemälde von Heidy Stangenberg-Merck (1922−2014), denen das Museum im Wesentlichen gewidmet ist, doch eine Aura von Sammlung und Stille, die sich überträgt auf den Betrachter. Speziell, wenn er ein Faible für Griechenland hegt. Dorthin führte die an der Bergstraße aufgewachsene Malerin nach dem Studium an der Münchner Akademie und dem Besuch von Kokoschkas

Ausstellungsansicht mit jugendstilvoller Innenausstattung, Museum Stangenberg Merck, Foto: Daniela Walther

Sommerakademie in Salzburg eine erste Reise – gefolgt von vielen jährlichen Aufenthalten gemeinsam mit ihrem Mann, dem Musiker Karl Stangenberg, und mit der Kykladen-Insel Amorgos als Fixpunkt. Kahle Vorgebirge, die sich wie knotige Finger weit ins Meer strecken; einsame kubische Gehöfte im Binnenland, in d ­ eren Umkreis Schafe und Ziegen sich ihr Futter zu­s ammensuchen; Stillleben einfacher, fast archaischer Alltagsobjekte und Gruppenporträts regloser Frauen in Schleier-Schwarz, die selber schon wieder Stillleben sind; ­Tavernen- und Hafenszenen mit Tamariskenbäumen und ­Fischern, die ihren Feierabend bei einem Glas Ouzo genießen. Die mediterranen Themen der in einem formverknappten, betont malerischen Realismus vorgetragenen Ölbilder – ebenso wie der R ­ adierungen, die im Museum einen eigenen Raum haben – entwerfen eine Gegenwelt zum hektischen, von ­I ndustrie, Verkehr, Konsum umgetriebenen Mitteleuropa. Allerdings auch zum Tourismusbetrieb, der Griechenland längst fest im Griff hat. Besonders einprägsam an Stangenberg-Mercks Malerei ist das dominante Blau der in ihrer Herbheit grandios-stolzen Landschaften. Ein tiefes Blau, das über Teppiche und Sesselpolster aufgegriffen wird von der Innenausstattung des Privatmuseums, in dessen holzgeschnitzten Türrahmen und Treppengeländern viel Originaljugendstil nachklingt. Seitdem im Januar dieses Jahres auch die vierte Etage einbezogen wurde, hat sich die Ausstellungsfläche um 200 auf insgesamt 800 Quadratmeter vergrößert. Eine Weite, die sich nochmals potenziert, wenn man ans Fenster tritt und vom unverstellten Fernblick − nordwärts bis zum Taunus, südwestwärts bis zum Pfälzer Wald − Gebrauch macht. ROLAND HELD

Mu se um Stange nbe rg Me rck, Seehe im- Juge nhe im www. mst m . info


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Heidy Stangenberg-Merck (1922−2014), „Fischer“, 1959, Öl, Foto: Rainer Vinzent, © Museum Stangenberg Merck


2020

29–01

OCTOBER-NOVEMBER

26th International Contemporary Art Fair | Halle 550 | Zurich-Oerlikon Thu 4pm–8pm|Fri 12pm–8pm|Sat Sun 11am–7pm|www.kunstzuerich.ch


BIENNALEBREGAGLIA2020 NOSSA DONA | LAN MÜRAIA

Selina Baumann | Nino Baumgartner | Alex Dorici Sonja Feldmeier | Asi Föcker | Zilla Leutenegger Noha Mokhtar & Lucas Uhlmann | Patrick Rohner Roman Signer | Not Vital | Anita Zumbühl

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lia.c g a g e r b ennale

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2 0 2 . 9 . 7 2 – . 5.7

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Auf dem Weg zur Biennale Bregaglia: Kunstvoll durch die Alpen in den Süden Graubündens ZUSA M M EN G ES TEL LT VO N A N D R I N SCH Ü T Z

Forum Würth in Chur, Foto: © Andi Schmid / www.fotolevel.de

E I N E E X P L O S I O N VO N F O R M , FA R B E U N D DY N A M I K I M F O R U M W Ü R T H I N C H U R

All jenen, welche sich in diesem Sommer dazu entscheiden, den langen, aber ebenso lohnenswerten Weg ins bündne­ rische Bergell auf sich zu nehmen, um dort inmitten einer überwältigenden Alpenlandschaft die Kunst der Biennale Bregaglia zu genießen, wird es unterwegs bestimmt nicht langweilig werden. Denn zahlreiche namhafte Kulturinsti­ tutionen warten an der Strecke mit einem breiten und hochwertigen Programm auf.

Ist man schon einmal in der Alpenstadt angelangt, ist auch der Besuch des Forums Würth ein willkommenes „Must“. Die Sommerausstellung „Licht.Raum.Farbe“ in der beliebten ­I nstitution widmet sich in diesem Jahr dem inzwischen 80 -jährigen Potsdamer Maler Hanspeter Münch, der durchaus als ein „Enkel der Impressionisten“ bezeichnet werden kann. Die in musischem Gest us gehaltenen, ­dennoch aber stets stringent komponierten Gemälde präsentieren sich als eine wahre Explosion von Form, Farbe und malerischer Dynamik. www.for um-wuer th. ch

S I N N L I C H K E I T U N D T O T E N TA N Z I N D E R A L P E N S TA D T

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G E KO N N T E R D I S K U R S M I T K I RC H N E R

Wer also unterwegs ist, dem sei in jedem Fall ein Halt in Chur, der ältesten Stadt der Schweiz, anempfohlen. Zum einen lädt die inmitten von Hügeln und Bergen gelegene romantische Altstadt, über der die mächtige romanische Kathedrale thront, zu einem ausgedehnten Spaziergang ein, zum anderen ist auch das weit über die Kantonsgrenzen hinaus renommierte Kunstmuseum stets einen Besuch wert. Nebst der beeindruckenden Sammlung, die unter anderem wichtige Gemälde von Angelika Kauffmann, Giovanni Segantini, Ernst Ludwig Kirchner sowie Augusto und Alberto Giacometti beherbergt, sind ebenso die aktuellen Wechselausstellungen stets hervorragend kuratiert. So ist noch bis zum 13. September eine Einzelausstellung der Bündner Künstlerin Evelina Cajacob zu sehen, die in ihrer Verbindung von Zeichnung, Video- und Rauminstallation zu überzeugen vermag. Ab dem 28. August wiederum erwartet den Besucher mit „Dance Me to the End of Love. Ein Totentanz“ ein spannungsvolles Wechselspiel von Sinnlichkeit, Vergänglichkeit und Tod. Die Ausstellung, welche kulturhistorische Objekte und bildende Kunst von der Antike bis zur Gegenwart sowie Videoinstallationen umfasst, steht im Kontext der Wiedereröffnung des Churer Dommuseums, wo unter anderem der berühmte „Churer Totentanz“ zu sehen ist.

Verlässt man die berühmte Alpenstadt und wählt den Weg ins Engadin über das Prättigau nach Davos, steht dort ein erneuter Zwischenhalt an: das Kirchner Museum. Grundsätzlich als monografisches Museum konzipiert, das sich dem Werk des großen deutschen Expressionisten widmet, der lange Jahre in Davos gelebt, gelitten und gemalt hat, gelingt es dem Kuratorium immer wieder, hervorragende Ausstellungen zu konzipieren, welche sich aus dem zeitgenössischen Kunstschaffen heraus diskursiv mit dem Werk und dem Leben Kirchners auseinandersetzen. So wartet Direktorin Carla Burani in diesem Sommer mit einer großartig arrangierten Ausstellung im Außenraum auf, welche beeindruckende Bronzeplastiken des Schweizer Neoexpressionisten Martin Disler zeigt. Von großer Relevanz ist auch die aktuelle Ausstellung im Inneren des Hauses, welche sich den bis anhin kaum zugänglichen Skizzenbüchern Kirchners widmet. In diesem Sinne sollte die seltene Möglichkeit unbedingt ­genutzt werden, einen vertieften Einblick in die Schaffensprozesse des 1938 in Davos verstorbenen Aschaffenburgers zu gewinnen. Die Ausstellung ist noch bis zum 8. November zu sehen. Zum Winter hin wird die Präsentation des Werkes von Martin Disler auf den Innenraum des Museums erweitert.

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129 EI N E PER L E I M U N T ER E NGA DI N

Den urban anmutenden Kurort hinter sich lassend führt der Flüelapass mitten durch den nördlichen Alpenkamm ins ­U nterengadin, wo den Reisenden eine besondere Perle ­erwartet: Hoch über dem Talboden, im historischen Enga­ diner Dorf Sent gelegen, findet sich die „Pensiun Aldier“. Nebst bemerkenswerter und stilvoller Architektur aus der Hand von Duri Vital und einer hervorragenden mediterran orientierten Küche bietet das Haus in seinem Museum im Gewölbe eine weltweit einzigartige Sammlung von Druckgrafiken des Bündner Künstlers Alberto Giacometti. Ergänzt wird die ­P räsentation durch Werke von Diego Giacometti sowie durch die faszinierenden, intimen Fotoarbeiten über das Werk und die Person Giacomettis von dem 2016 in ­Zürich verstorbenen ­Fotografen Ernst Scheidegger. Und vielleicht bietet sich bei ­einem verlängerten Aufenthalt im „Aldier“ ja auch noch die Gelegenheit, den in unmittelbarer Nachbarschaft des Hotels gelegenen Park des weltbekannten Künstlers Not Vital zu besichtigen. w w w . a l d i e r. c h

I N T E R N AT I O N A L E K U N S T U N D F R AU E N P OW E R I N S U S C H

In nächster Nähe von Sent befindet sich auch das „Muzeum Susch“, welches von der polnischen Unternehmerin, Kunstsammlerin und Mäzenin Gra ż yna Kulczyk 2019 eröffnet wurde und sich ganz der zeitgenössischen Kunst widmet. Ist bereits der denkmalgeschützte Museumsbau an sich sehenswert, ist auch das künstlerische Programm eine willkommene und relevante Ergänzung für die Bündner Museumslandschaft. Verfügt das Muzeum über eine namhafte Sammlung im Bereich zeitgenössischer und feministischer Kunst, steht

Pensiun Aldier, Foto: Benno Prenn

von August bis September die Ausstellung „Body Double“ mit Werken der 1935 geborenen und 1972 bereits verstorbenen belgischen Künstlerin Evelyne Axell auf dem Programm. Vom Unterengadin geht es sodann weiter ins Ober­ engadin. Kurz hinter dem mondänen St. Moritz kann ein Augenblick des Innehaltens ein unbeschreibliches Erlebnis bereiten: Denn es gibt kaum etwas Schöneres, als von Sils ­Maria aus auf den Spuren Friedrich Nietzsches dem Silsersee entlang zu spazieren und das berühmte Blau der Engadiner Hochebene zu genießen. Hat man sich dieses letzte Reise-­ Highlight gegönnt, gelangt man in kurzer Fahrt über den steil abfallenden Malojapass alsbald in die südlichen Sphären des Val Bregaglia. www. mu zeumsusch. ch

Vitrine mit Skizzenbüchern von Ernst Ludwig Kirchner, Foto: © Kirchner Museum, Davos


130 Biennale Bregaglia im Bergell, Kanton Graubünden

Kunst in großartiger Bergkulisse D a s B e r g e l l i s t s e i t j e h e r e i n e R e g i o n , i n d e r s i c h u n t e r ­s c h i e d l i c h e K u l t u r e n v o r g ro ß a r t i g e r B e r g k u l i s s e v e r b i n d e n . Die Bie nnale B regaglia macht sich dieses P r in zip zunut ze und lädt Kunstschaf fende aus der ganzen Schweiz zur F re iluf t schau .

Die Erfahrung von Kunst geht über das hinaus, was das Kunstwerk zeigt. Ein Effekt, der besonders dort zum Tragen kommt, wo Kunst den aufgeräumten Galerie- oder Museumsraum verlassen darf und sich in Landschaften und historisch geprägte Räume mischt, diese neu sichtbar werden lässt. Vielerorts verwandeln sich Parks und Landschaften, Scheunen und Treppenhäuser sommers in spannungsreiche Ausstellungsorte auf Zeit. Der Ort wird zum anregenden, ­i nteressanten Rahmen für ein kulturelles Erlebnis, steuert seine eigene Geschichte, seine eigene Ästhetik bei. Die Kunst nimmt Besonderheiten, Geschichten, Verborgenes des Ortes auf und verleiht Sichtbarkeit und verweist damit über sich ­hinaus. Das gilt auch und besonders für die Biennale Bregaglia, die in diesem Sommer zum ersten Mal stattfindet. Ein Team rund um den Galeristen und Kurator ­Lucianio ­Fasciati hat zwölf Künstlerinnen und Künstler aus den vier Schweizer Sprachregionen eingeladen, sich mit der Kirche von Nossa Dona und der Talsperre von Lan Müraia in der Nähe des Ortes Bondo zu beschäftigen. Darunter jüngere Kunstschaffende, aber auch international bekannte Schweizer Kunststars wie Not Vital und Roman Signer. Das Bergell ist seit jeher ein wichtiges Transitgebiet; ein Grenzraum, an dem sich schon immer verschiedene Kulturen und Sprachen kreuzen. Die Spuren dieser Bewegungen und Begegnungen sind bis heute sichtbar.

Alex Dorici, „Arco geometrico“, 2020, Foto: © Progetti d’arte in Val Bregaglia


131 HIS TOR ISCH E PE R SÖN L ICHK E I T MI T MODE R N E N F R EU N DI N N E N

Die künstlerischen Interventionen, die die Biennale Bregaglia vereint, nehmen in unterschiedlicher Weise auf den Ort ­Bezug. Die Luzerner Künstlerin Asi Föcker (* 1974) treibt ein Spiel mit Licht und Luft, indem sie mithilfe beweglicher ­Spiegel das Sonnenlicht einfängt und auf die Felswand hinter der Kirche Nossa Dona projiziert. Anita Zumbühl (* 1975) aus Nidwalden legt in der Nähe der Talsperre von Lan Müraia mit bunten Kieseln gespickte Objekte aus, die aus der Ferne wie naturgegebene Felsbrocken wirken und sich erst im Näherkommen als künstlerische Werke erweisen. Zilla Leutenegger (* 1968) führt ihre Auseinander­ setzung mit der Baronessa Annetta de Castelmur fort. Die Baronessa, die im 19. Jahrhundert im Palazzo Castelmur bei Stampa lebte, beschäftigt die Zürcher Künstlerin bereits seit einigen Jahren. Für die Biennale Bregaglia hat Leutenegger sie in sparsamen Strichen gezeichnet und ihr ein paar fiktive Weggefährtinnen zur Seite gestellt. Die Frauenfiguren w ­ irken modern, die Technik des Sgraffito, die Leutenegger verwendet, bei der die Linien in nassen Putz geritzt werden, ist jedoch sehr traditionell. Vergangenes und Gegenwärtiges, Tradition und kreativer Esprit verbinden sich so auf leichte Art. ALICE HENKES

Roman Signer, „Installation am Turm“, 2020, Foto: © Yanis Bürkli, Clus AG

B i s 2 7. S e p t e m b e r 2 0 2 0 Bie nnale B regaglia E i n K u n s t p ro j e k t r u n d u m d i e K i r c h e N o s s a D o n a u n d d i e Ta l s p e r r e L a n M ü ra i a www. bie nnale -bregaglia . ch

Die künstlerischen Interventionen nehmen diese Geschichte auf und erzählen sie weiter. Selina Baumann (* 1988) de­po­ niert eine Reihe von Keramiken verschiedener Größe in einem von Felsen geprägten Waldstück. Der Titel ihrer Arbeit „Rupestre“ (felsig) spielt darauf an, dass die Keramiken gleichsam dem Fels entspringen. Die in Basel lebende Künstlerin erschafft eine enge Verbindung von Kultur und Natur. Und diese wird im Lauf der Ausstellung noch wachsen, denn die Keramiken werden mit Erde aus der Umgebung gefüllt, durch Löcher im Ton können Pflanzentriebe sprießen. Zudem werden sich die wechselnden Witterungsverhältnisse in die Oberflächen der Keramiken einschreiben. Um das Wechselspiel zwischen Natur- und Kulturraum geht es auch in der Arbeit des Berner Künstlers Nino Baumgartner (* 1979). In seinen „Metabolistic Ruins“ bestehend aus Beton, Mörtel, Steinen und Ästen inszeniert er gewissermaßen die Veränderung von Landschaft durch ­B ebauung respektive die Durchdringung von Baukörpern durch die Kraft der Natur. Der Titel verweist auf Ideen des in Japan ausgeprägten metabolistischen Bauens, das Architektur und Städtebau analog zu organischem Leben als zyklisch und vergänglich betrachtet.

Selina Baumann, „Rupestre“, 2020, Foto: © Yanis Bürkli, Clus AG

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K U N S T V E RWÄC H S T M I T L A N D S C H A F T


*Aargauer Kunsthaus 6. 9. 2020 – 3. 1. 2021 Aargauerplatz CH–5001 Aarau Di – So 10 –17 Uhr Do 10 – 20 Uhr www.aargauerkunsthaus.ch

Julian Charrière Towards No Earthly Pole Julian Charrière, Towards No Earthly Pole, 2019 © 2020, Pro Litteris, Zürich

Ernst Ludwig Kirchner, «Sängerin», Skizzenbuch 6, Fol. 1, 1909

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Die Skizzenbücher Kirchners. Vom Bleistiftstrich zum Hologramm

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Werkstatt, Foto: © La Streccia

Bei all jenen die sich für Kunst und Kultur interessieren und in diesen Sommermonaten ins bündnerische Bergell reisen, steht sicherlich die Biennale Bregaglia auf dem Plan. Das von imposanten Bergzügen umgebene Tal hat aber abseits der vielen Spuren, die die Künstlerfamilie Giacometti hinter­ lassen hat, noch einiges mehr zu bieten: So lohnt sich im Kontrast zu zeitgenössischem Kunstschaffen ein Besuch in Soglio im M ­ useum „La Streccia“, wo sich Geschichte und Tradition des malerischen Dorfes hautnah erleben lassen. Insgesamt drei Gebäude − ein Museumshaus, eine alte Schmiede und ein Stall − dienen als Ausstellungsräume, in denen auch eine kleine ­Galerie beheimatet ist, welche sich mit Ausstellungen und Kursen ganz der Fotografie widmet. Sind bereits die Sommermonate im südlichen Bergtal ein Traum, ist das Bergell im Herbst ein ganz besonderes ­E rlebnis. Kastanienwälder, tiefgelbe Lärchen, weiße Gipfel und ein stahlblauer Himmel vereinen sich zu einer einma­ ligen Farbsymphonie. Besonders aber lieben die Bergeller ihre Kastanien. Der delikaten und vielseitigen Baumfrucht ist vom 26. September bis 24. Oktober ein eigenes Festival gewidmet. Kulinarische Highlights, Lesungen und Wanderungen rund um die ­„ Kastanie“ erwarten den Besucher in jenen Tagen. ANDRIN SCHÜTZ

M u s e u m „ L a S t r e c c i a“ www. la st recc ia . ch Ka stanienfest ival www.fest ivaldellacastag na. ch

Gassa d‘la Streccia, Foto: © La Streccia

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Soglio im Bergell: Kastanienfestival und ein Abstecher in die Geschichte


La Bregaglia – semplicemente autentica Das Bergell, ein kleines Bündner Südtal mit einzigar tiger Grösse

Bergeller Berge, Kastanien und Kunst


Kastanien, Herbst 2019, Foto: © Bregaglia Engadin Turismo

im Bergell zu entdecken. Den Kunstbegeisterten geht es vielmals ebenso. Angereist wegen den berühmten Namen, Giacometti, Segantini, Varlin oder diesen Sommer dem Kunstprojekt rund um Nossa Dona oberhalb des Dorfes Promontogno, der Biennale Bregaglia 2020, kommen viele gar nicht mehr aus dem Staunen, ob der grossen Naturschätze des Val Bregaglias heraus. Natur und Kunst kein Widerspruch, sondern eine perfekte Fusion in diesem abgeschiedenen ­authentischen italienischsprachigen Tal. Nahe der Grenze zu Italien und dem Oberengadin ist die Bevölkerung stark ­g eprägt von beiden anliegenden Gebieten. Einerseits des mondänem Engadin St. Moritz, andererseits von Chiavenna mit der gelebten Italianità, der ausgelassenen italienischen ­Lebensfreude und der grossen Liebe zum guten Essen in guter Gesellschaft. Denn auch im Bergell wird grossen Wert auf ­feine regionale und mit Liebe zubereitete Produkte gelegt. Im Zentrum bei den lokalen Speisen steht an oberster Stelle die Esskastanie. Über 2 Tonnen werden pro Saison geerntet. ­F rüher das Lebensmittel zum Überleben, steht die Esskas­ tanie heute an oberster Stelle nebst Bergen und Kunst. Ein ganzes vierwöchiges Festival ist dieser kleinen braunen Frucht gewidmet und auch in der Landschaft sind überall ­zeugen dieser edlen Frucht zu finden. Die früher zur Trocknung verwendeten kleinen Holzhäuser werden heute teils zu Ferienwohnungen umgebaut und wirken wie kleine Kunstwerke einer anderen Epoche. Die Einheimischen sind stolze Bergler mit grossem Herzen, so dass sich ein jeder Besucher auf Anhieb willkommen geheissen fühlt. www. bregaglia . ch www.fest ivaldellacastag na. ch

Soglio, Sommer 2020, Foto: © Bregaglia Engadin Turismo

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Bei Kletterern sind die schroffen Granitwände wie die Weltbekannte Fiamma an der Spazzacaldera und auch die Badile Nordwand begehrte Errungenschaften welche absolut auf eine jede Bucketlist ehrgeiziger Bergsteiger gehört. Zahlreich sind auch die Gäste welche zum Wandern und Klettern anreisen und danach erstaunt sind ein so grosses kulturelles Erbe


136 Francesca Gabbiani

Die schöne Lust am Schrecken F ra n c e s c a G a b b i a n i e r s c h a f f t b e d ro h l i c h s c h ö n e B i l d w e l t e n , d i e a n H o l l y w o o d e r i n n e r n . B e g o n n e n h a t d i e k ü n s t l e r i s c h e K a r r i e r e d e r Wa h l k a l i f o r n i e r n i n d e r S c h w e i z .

Man hört förmlich das Knistern und Knacken der Zweige und Äste, an denen das Feuer leckt, wenn man Francesca Gabbianis Feuerbilder betrachte. Man meint vielleicht sogar das Brausen des entfesselten Brandes zu hören. Die bedrohliche Kraft des Feuers ist spürbar. Und gleichzeitig möchte man sich vor diesen Bildern zurücklehnen wie in einem Kinosessel und einfach nur genießen: die Farben, die Vitalität, die überwältigende Schönheit. Dass Lust und Schrecken nahe beieinanderliegen können, ist keine neue Erkenntnis. Das Besondere an Gabbianis Feuerbildern ist, wie sie die Betrachter hineinziehen, ja beinahe hineinsaugen in ihre lodernde Pracht. Ein Effekt, der sich der besonderen Tiefenwirkung der Bilder verdankt. Einer Tiefenwirkung, die durch einen raffinierten Mix aus Malerei und

Collage entsteht. Francesca Gabbiani komponiert ihre Bilder aus verschiedenen Schichten gemalter Flächen und Strukturen und schafft so ungewöhnlich starke Raumeffekte. Raum und Räume sind ein großes Thema in Gabbianis Kunst. In früheren Arbeiten gestaltete sie Ansichten von Häusern, die mit der Natur verwachsen, und von Innenräumen voller Licht und Schatten. Das Interesse am Spiel mit dem Licht verbindet sie mit dem Film, der sie stark inspiriert. Zu ­ihren Sujets gehören Kinosäle und Interieurs, die an Horrorfilme der 1960er- und 1970er-Jahre erinnern oder auch an die mit Teppich ausgelegten Hotelflure in Stanley Kubricks berühmten Film „The Shining“ aus dem Jahr 1980. Das Schöne und das Beunruhigende sind in Gabbianis Kunst sehr eng miteinander verwoben.


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Francesca Gabbiani, „Mutation XXV“, 2019, Tinte, Gouache, Acryl und Collage auf Papier, 48 x 50 cm, Courtesy: Monica de Cardenas Galleria, Zuoz / Milano

AU S V E R B R A N N T E N S T R U K T U R E N

Francesca Gabbiani wurde 1965 in Montreal als Tochter eines italienischen Vaters und einer französischen Mutter geboren und lebt heute in Los Angeles. Einen wichtigen Teil ihrer künstlerischen Ausbildung hat sie in Genf erhalten. In der Schweiz hat sie auch ihre ersten Erfolge erlebt. Und das nicht nur in Form von Beteiligungen an Gruppenausstellungen und Einzelpräsentationen. Gleich dreimal hintereinander wurde sie bei den Swiss Art Awards ausgezeichnet – den wichtigsten Kunstpreisen, die die Eidgenossenschaft zu vergeben hat. Heute werden ihre Werke weltweit ausgestellt und sind in ­b edeutenden Sammlungen vertreten. Eine Schweizer Galerie­adresse hat sie natürlich immer noch.

In ihrer jüngsten Bildserie thematisiert Francesca Gabbiani Flächenbrände, die sie in ihrer Wahlheimat Kalifornien selbst mitangesehen hat. Und auch diese Bilder haben eine deutliche filmische Komponente. Mit ihrer speziellen Collagetechnik erschafft Gabbiani Szenerien, die lebensnah wirken und dabei doch künstlerisch entrückt, dramatisch und faszinierend. Über einem orange glühenden Himmel legen sich verkohlte Reste von Architektur wie ein schwarzes Spitzenmuster. Und vor einer Welt, die ganz aus tiefstem Rot gemacht ist, stehen dunkel schwankende Palmen. Bedrohlich schön. ALICE HENKES

G a l e r i e v e r t r e t u n g S c h w e i z : M o n i c a d e C a rd e n a s w w w . m o n i c a d e c a rd e n a s . c o m

linke Seite: Francesca Gabbiani, „Spectacle III“, 2019, Gouache und Acryl auf Papier, 48 x 71,5 cm, Courtesy: Monica de Cardenas Galleria, Zuoz / Milano

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EIN SPITZEN MUST ER E R S T E E R FOLGE I N DE R SCH W E IZ


Liu Ruowang, „Erbsünde“, 2011–2013, Bronze, Foto: Wohlfromm, © NordArt

Die Kunst hält am 8. M ai 2021 wieder Einzug in Bad Ragaz.

Internationale Triennale der Skulptur Bad RagARTz 2021 Vo r f r e u d e i s t d i e s c h ö n s t e F r e u d e ! N a j a : F a s t . D e n n n o c h l a u f e n d i e Vo r b e r e i t u n g e n z u r 8 . I n t e r n a t i o n a l e n Tr i e n n a l e d e r S k u l p t u r B a d R a g A R Tz a u f H o c h t o u r e n !

75 Künstler aus aller Herren Länder werden im kommenden Jahr erneut die eleganten weitläufigen Parkanlagen der traditionsreichen Kurgemeinde Bad Ragaz in der Schweiz mit rund 450 Werken bespielen. Bis es aber soweit ist, gibt es noch einiges zu tun. Durchschnittlich 2.500 Künstlerbewerbungen gehen während der Vorbereitungen zur größten Freiluftausstellung Europas durch die f linken Hände der kundigen Juroren. Optimale Platzierungen im Außenraum werden

eruiert, wieder verworfen und neu definiert, unzählige Gespräche mit Künstlern stehen an. Von der Organisation der Logistik ganz zu schweigen. Denn die Bad RagARTz ist nicht nur ein international renommierter Kunstanlass, sondern auch ein Mammutprojekt, das dem kleinen Team rund um die idealistischen Initiatoren, namentlich Rolf Hohmeister und seine Familie, so einiges an Enthusiasmus, Arbeit und lange Nächte abverlangt.


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Mahmoud Obaidi, „Ford 71“, 2016, Bronze und Cortenstahl

U N D W I RT SCH A F T L ICH E R L ICH T BL ICK N AC H E I N E M K R I S E N J A H R

Trifft man die Hohmeisters während dieser anspruchs­vollen Zeit, ist die Stimmung allerdings wie immer hervorragend. Es wird angeregt diskutiert, viel gelacht und vieles in der ­h äuslichen Küche entwickelt, welche das Zentrum des ­Kunst-Taifuns bildet. Im Team, aber auch in enger und freundschaftlicher Zusammenarbeit mit den Künstlern. „Von den insgesamt 592 Künstlern, die in den letzten 20 Jahren an der Triennale teilgenommen haben, ist ein jeder zusammen mit uns an diesem Küchentisch gesessen“, berichtet Rolf Hohmeister. Trotz aller Vorfreude ist man sich des Ernsts der Lage bewusst: 2020 war und ist für alle ein schwieriges Jahr. Gerade deshalb ist der Enthusiasmus ungebrochen. „Die ­Triennale hat sich in den letzten 20 Jahren zu einem interna­t ional renommierten und stabilen Kunstmekka entwickelt“, so Rolf Hohmeister. „Dies bietet uns nun die Gelegenheit, den ­Kunstschaffenden, aber auch dem Ort und der Region ­etwas zurückzugeben und einen Lichtblick zu bieten“, b ­ erichtet Hohmeister weiter. Und er weiß, wovon er spricht: Rund 8,2 Millionen Schweizer Franken zusätzliche Wertschöpfung

bringt die Bad RagARTz mit ihren rund 500.000 Besuchern in den Ort und die Region. „Aber“, erläutert H ­ ohmeister, „das ist nur ein erfreulicher Nebeneffekt. Uns ging und geht es stets darum, die zwischenmenschliche B ­ egegnung in und mit der Kunst zu fördern. Für diese Generation und auch für die kommenden. Das ist unser Herzblut.“ Mit ebendiesem Herzblut und der Liebe zur Kunst ­w urden in den letzten Monaten die 75 Künstler ausgewählt, die an der kommenden Bad RagARTz, die am 8. Mai 2021 ihre Tore öffnet, teilnehmen werden. Es sind unter anderem: ­Ottmar Hörl, der zugleich die Leitfigur für die Triennale 2021 gestaltet hat, Werner Bitzigeio (DE), Sibylle Pasche (CH), Jörg Plickat (DE), Xhixha Helidon (AL/IT), Akiyama Hiromi (JP), Jürgen Knubben (DE), Thomas Röthel (DE), Valdés Manolo (ES), Yonggang Liu (CN), Ruowang Liu (CN), Porcaro Don (US), Walter Moroder (IT), James Licini (CH) und viele mehr. Man darf sich also wieder auf ein ebenso internationales wie spannungsvolles künstlerisches Setting freuen, das sich auf ausgedehnten und kunstvollen Spaziergängen durch die imposante Landschaft an den Toren der Alpen erkunden lässt. ANDRIN SCHÜTZ

Esther und Rolf Hohmeister, Foto: privat

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K U LT U R E L L E R L E U C H T T U R M


140 Johannes It ten im Kunstmuseum Thun

Bauhaus am Thunersee J o h a n n e s I t t e n w a r e i n w i c h t i g e r We g b e r e i t e r d e r g e o m e t r i s c h e n A b s t ra k t i o n . D e n n o c h w a r d i e N a t u r f ü r i h n e i n e w i c h t i g e Q u e l l e d e r I n s p i ra t i o n .

Das Kunstmuseum Bern hat sich im vergangenen Jahr in ­einer großen Ausstellung ausführlich mit dem Theoretiker und Esoteriker Johannes Itten auseinandergesetzt. Jetzt ­w idmet das Kunstmuseum Thun dem wegweisenden Bauhaus-­K ünstler eine Ausstellung, die gewissermaßen ­einen Schritt zurücktritt und die künstlerischen Anfänge ­Ittens beleuchtet. Denn diese sind eng verbunden mit dem schmucken Städtchen Thun und der malerischen Landschaft am Thunersee.

L A N G E S U C H - U N D WA N D E R J A H R E

Johannes Itten, „Selbstporträt“, 1911, Privatbesitz @ VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Johannes Itten war als Sohn eines Bergbauern und Lehrers in Wachseldorn im Verwaltungskreis Thun geboren worden. Nach dem frühen Tod des Vaters lebte er bei einem Onkel in Thun. Der junge Itten durchlebte eine lange Such- und ­Wanderphase. Ab 1904 absolvierte er das Lehrerseminar im Kanton Bern, wo er erstmals mit reformpädagogischen Ideen in Berührung kam. Es folgten Studien an der Kunsthoch­ schule in Genf, die er, vom akademischen Betrieb abgestoßen, unterbrach, um wieder ans Lehrerseminar zu gehen. In Genf lernte er bei Eugène Gilliard, bei dem er mit geometrischen Formelementen zu arbeiten begann. Dann ging er an die Stuttgarter Akademie und wurde Schüler von Adolf Hölzel, lernte dort junge Künstler wie Oskar Schlemmer und Willi Baumeister kennen. Es folgten erste Ausstellungen, die Gründung einer eigenen Kunstschule in Wien und schließlich die Berufung ans Bauhaus im Jahr 1919.

G E O M E T R I E T R I F F T O RG A N I K

In die Kunstgeschichte eingegangen ist Johannes Itten (1888−1967) als theorielastiger Moderner, der die Mög­ lichkeiten geometrisch-abstrakter Malweisen untersuchte. Als exzentrischer Lebensreformer, der sich in Mönchs­ kutten ­k leidete, und als befremdlicher Esoteriker, der der Mazdaznan-Lehre anhing, in der christliche Elemente mit tantrischen und theosophischen Ideen, vegetarischen ­Lebensregeln, aber auch rassistischen Vorurteilen zusammentrafen. Und vor ­a llem als Lehrer am Weimarer Bauhaus. Johannes Itten war Begründer und Leiter des legendären Vorkurses, den alle ­B auhaus-Schüler absolvieren mussten.

In all diesen ruhelosen Jahren blieb die Rückbesinnung auf die Landschaft seiner Kindheit eine Konstante in Ittens Leben. In den Jahren 1918 bis 1920 besuchte er mehrfach die Region am Thunersee, um in der Natur neue Impulse zur weiteren Ausgestaltung seines Kunstbegriffs und seines Weges in die Abstraktion zu finden. Während dieser Aufenthalte entstanden Tagebücher, in denen Itten sein Verhältnis zur Kunst und zur Welt reflektierte, aber ebenso Zeichnungen und Bilder.


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Johannes Itten, „Landschaft mit Zaun bei Süderen-Linden“, 1907, Privatbesitz

Die Landschaft am Thunersee war und blieb aber auch weit über die Jugendjahre Ittens hinaus prägend für den Künstler. Das zeigt die Ausstellung, die bildnerische Aus­e inan­ dersetzungen des Künstlers mit dem Thunersee und seinem Bergpanorama aus verschiedenen Dekaden und Lebens­ phasen vereint . Traditionelle, mit dem Begriff Idylle verbundene Gemälde aus den Jugendjahren Johannes Ittens finden sich dabei ebenso wie Arbeiten aus dem Spätwerk der

1960er-Jahre, in denen strenge Geometrie auf organische ­F ormen von Blättern und Blüten trifft. 1962 war übrigens auch das Jahr, in dem Johannes Itten seine erste große Ausstellung auf Schweizer Boden ausrichten konnte – im Kunstmuseum Thun. ALICE HENKES

8. August bis 2 2 . November 2020 Johannes It ten & Thun. Nat ur im Mit telpunk t www. k unst museumthun. ch

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@ VG Bild-Kunst, Bonn 2020


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Werner Bommer, „Fassade/Einblicke“, 2019, Acryl hinter Glas, 140 x 120 cm


143 Werner Bommer

Die Welt liefert das Bild „Aspekte meiner Malerei, die ich in der gegenständlichen, realen Umwelt antreffe, finden sich vorwiegend in der Architektur und dem Pflanzlichen. Ob die bildnerische Umsetzung eher im Gegenständlichen bleibt oder als ungegenständliche Formulierung erscheint, ist nicht von Bedeutung. Die reale Welt liefert das Bild. Material, aus der Verarbeitung können die unterschiedlichsten Formen zwischen Gegenständlichkeit

Foto: © Werner Bommer

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und Abstraktion resultieren.“ – Zürich, Juni 2020


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Werner Bommer, „Agglo“, 2019, Öl und Collage auf Papier, 70 x 60 cm

An der Hochschule für Gestaltung Basel, wo er 1974 das Zeichnungslehrerdiplom absolvierte, beschäftigte sich ­Werner Bommer mit kompositorischem Bildauf bau. Das ­ungestüme Kunstgeschehen in den Sechziger- und Siebzigerjahren boten ihm vielfältigste Inspirationen, zumal um 1970 der Wandel mit Vertretern einer Neuen Abstraktion und ­einem wieder erwachten Interesse an der Zeichnung schon in vollem Gang war. Markiert wurde dieser Umbruch mit Harald Szeemanns legendärer Ausstellung „When attitudes become form“ in der Kunsthalle Bern 1969. In diesem Umfeld wurde Werner Bommer vom amerikanischen Expressionismus mit seinen Drippings geprägt. Er malt bald figurative, bald ab­ strahierte Stillleben, Landschaften, Naturstücke und Architekturen.

Werner Bommer, „Agglo“, 2020, Öl auf Papier, 50 x 40 cm

Mit den „Raumgefügen“ macht sich eine zunehmende Abstraktion breit, die ihm erlaubt, sich der reinen Malerei ­h inzugeben. In der f lächigen Zweidimensionalität erzeugt Bommer mit linearen Gefügen eine Raumillusion. Darin klingen die berühmten „Ocean-Park-Bilder“ von Richard Diebenkorn (1922-1993) an. Gegenständliches wie Luftbilder und vielleicht den Ausblick aus dem Atelierfenster transformierte da Diebenkorn in reine Raumgefüge aus Rhythmen, Linien und Farbfeldern sind. Der US-amerikanische Maler hat Bommer im Bestreben beeinflusst, eine Fläche mit rein bildnerischen Mitteln zu gestalten. Entsprechend bildet ein Industriegebäude oder ein gemaltes Wohnhaus auf Glas für Bommer lediglich einen Vorwand, um geometrische Flächen nebeneinander- oder neu zusammenzusetzen und Räum­ lichkeit zu erzeugen. Trotz der Abstrahierung atmet das


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Werner Bommer, „Agglo“, 2019, Acryl auf Papier, 90 x 70 cm

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„Wohnhausfassade“, 2019, mit den starken Türkis-, Blau- und Rottönen eine südländische Atmosphäre. In einer Reihe von „Overviews“ von 2008/09 bestimmen farbig bemalte ­Flächen, Hell-Dunkel-Kontraste und Licht-Schatten-Phänomene das Bildgeschehen. Der fragmentarische Blick und die Vogelperspektive lassen die Arbeiten abstrakt wirken und erzeugen zugleich eine physische Präsenz, welche auch die Malereien auf oder hinter Glas auszeichnen. Hier entsteht mit dem Pinselstrich, respektive der persönlichen Handschrift ein neues Gestaltungsmittel. Während der Duktus auf der kompakten Leinwand oft durch Übermalung bedeckt wird, bleibt die Spontaneität bei der Hinterglasmalerei sichtbar, weil die erste aufgetragene Farbspur beim fertigen Bild die vorderste ist, also unmittelbar durch das Glas sichtbar bleibt.


146 Die neuen Werke sind durch fotografische Fragmente ­cha­r akterisiert. Seit geraumer Zeit ist Werner Bommer von den spannungsvollen Verbindungen zwischen Fotografie und Malerei fasziniert. Angetrieben von den Fragen, „was überhaupt ein Bild ist“ und „ab welchem Zeitpunkt es funk­ tioniert“, wollte er wissen, auf welche Weise die Foto­g rafie Malerisches zu verstärken vermag. Mit Vorliebe fotografiert Bommer Luftbilder, Wasser, Spiegelungen, Schatten, ­Bäume, Stadtpläne und Gitterstrukturen. Diese F ­ otosujets, die als Auslöser f ung ieren, ver wendet Bommer f ür die

Bildgestaltung. Teilweise koloriert und übermalt er die ­Fotografien und transformiert sie so in Malerei. Ein mit dunkelroten Tönen, in heftigem Duktus ausgeführtes Bild geht aus einer Fotografie hervor, die Bommer im Photoshop verändert, auf Glas aus­gedruckt und wieder übermalt hat. ­D iese Komposition fotografiert Bommer wiederum, um die Fotografie wieder zu übermalen und das Bild wiederum zu ­fotografieren. Das Hin- und Herswitchen zwischen den beiden Medien führt zu einer Synthese und erzeugt eine eigene, luftig-fliessende, dynamische Handschrift.

Werner Bommer, „Innen“, 2020, Öl auf Papier, 50 x 40 cm


147 Einmal ist ein Werk gegenständlich, ein anderes Mal drängen sich lediglich Realitätsfragmente in den Vordergrund, dann wieder löst es sich völlig auf. Zuweilen ist der Künstler selbst über seine Bildlösungen überrascht, besonders auch, wenn er mit Collagen arbeitet. Die Fragestellungen Bommers – das Ausreizen des Potenzials der Fotografie und ihrem Spannungsverhältnis zur Malerei, ebenso die Fragen zu der Darstellung von Räumlichkeit im zweidimensionalem Bild, der Beziehung zwischen Figur und Grund sowie das Spiel mit unterschiedlichen Bildebenen – sind auch in der jüngeren Gegenwartskunst wieder häufig anzutreffen, beispielsweise bei Kyra Tabea Balderer.

Das bildnerische Ergebnis lässt den vermeintlichen Realitätsbezug der Fotografie hinter sich und verweist darauf, dass jede Abbildung der Realität Abstraktion und Interpretation derselben ist. So zielen die Arbeiten von Werner Bommer auf die Akzeptanz des Bildes als autonomes Gegenüber, wobei sein Interesse der Oberf läche gilt. Dazu gehört, dass die Farbe, nicht in erster Linie Form generiert, sondern ihre eigene Farb­ räumlichkeit entwickelt. Dies sucht der Künstler durch die natürliche Strahlkraft der Farbpigmente zu erreichen. So ­erwächst den farbintensiven, bald räumlichen, bald flächigen Arbeiten eine ungeheure haptische Wirkung. DOMINIQUE VON BURG

Werner Bommer, „Jacke“, 2020, Acryl auf Leinwand, 140 x 120 cm

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w w w . w e r n e r b o m m e r. c h


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Kunst volle Alternative für den Sommer und Herbst

Winterthur Freizeit ist heutzutage ein knappes Gut. Daher soll gut überlegt sein wie und wo man sie verbringt. Ein perfekter Ort der Ruhe und Entspannung bietet sich in Museen sowie an weiteren Orten der gelebten Kunst und Kultur. Dabei kommt auch der soziale Aspekt nicht zu kurz. Das gemeinsame ­E rlebnis verbindet, sorgt für Gesprächsstoff und kann zur persönlichen Entwicklung und Formung der eigenen Iden­ tität beitragen. Das vielfältige Kulturangebot in Winterthur wird nicht nur von den Einheimischen sehr geschätzt, sondern zieht jährlich zahlreiche Kunstfans in die Großstadt. Denn in Winterthurs Museen finden sich weltberühmte Gemälde­ sammlungen einf lussreicher und wohlhabender Familien wieder. Dass sich in Winterthur weitere Meisterwerke der europäischen Moderne befinden, macht die Stadt sogar zu einer wahren Kulturperle der Schweiz.

Wieso also nicht zur Abwechslung mal den Feierabend bei einem Besuch im kühlen Museum verbringen und nebenbei etwas von den alten Meistern lernen? Museen verwahren die Vergangenheit für die Gegenwart und die Zukunft, bringen einen zum Nachdenken und sorgen für Inspiration im eigenen Leben. Oder besuchen Sie einen der zahlreichen ­weiteren Orte der Inspiration in Winterthur. Wunderbare Konzerte und hochkarätige Ausstellungen sorgen im Sommer/Herbst für eine thematische Vielfalt, die für jedermann etwas bietet. w w w . h o u s e o f w i n t e r t h u r. c h w w w . w i n t e r t h u r- t o u r i s m u s . c h

Katharina Sulzer-Platz, Foto: © House of Winterthur


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Garten der Villa, Foto: © Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», Winterthur

Die Kunst zu leben Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz» Winterthur führen in das Leben und Werk eines Sammlers ein, der sein Tun stets als mäzenatisch verstanden hat. Über die Arbeiten seiner Sammlung hat er einmal gesagt: „Mögen solche Werke rechtlich auch einem Einzelnen zu eigen sein, in einem höheren Sinne gehören sie doch der Allgemeinheit, und ihr Besitzer darf sich nur als deren Sachwalter verstehen.“ MARC PESCHKE

Sammlung Oskar R einhar t «Am Römerhol z» H a l d e n s t ra s s e 9 5 CH-8 400 Winter thur ZH w w w . ro e m e r h o l z . c h D i – S o 1 0 b i s 1 7 U h r, M i b i s 2 0 U h r

Pierre-Auguste Renoir, „La Grenouillère“, 1869

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Es gibt Orte, die sind etwas ganz Besonderes. Vor allem im Sommer. Ein solcher Ort ist die Sammlung Oskar Reinhart «Am Römerholz», die in erhöhter Lage über Winterthur ­B esucherinnen und Besucher in Entzücken versetzt. Die Sammlung ist ein Juwel: Eine der wichtigsten Privatsammlungen des 20. Jahrhunderts, untergebracht in einer Villa, deren Park alleine schon einen Besuch wert ist. Es ist die Kollektion des 1965 verstorbenen Winter­ thurer Kunstsammlers und Mäzens Oskar Reinhart in seinem ehemaligen Wohnhaus. Hier sind vor allem Meisterwerke des 19. Jahrhunderts versammelt. Gerade Werke des Impres­ sionismus von Renoir, Cézanne und ­Monet hat Reinhart zusammengetragen. Hinzu kommen Meister wie Cranach, Rubens, Géricault, D ­ elacroix, Corot, Manet, Goya, Bruegel und das 20. Jahrhundert mit dem frühen Picasso. Die Villa, der historische Park mit dem alten Baum­ bestand und den Skulpturen, die Sammlung mit über 200 hochkarätigen Arbeiten, das Museumscafé mit Blick auf den Garten – das ist ein seit 1970 der Öffentlichkeit zugängliches Gesamtkunstwerk, wie man es sich schöner nicht denken kann. Gerade im Sommer zeigt sich das Anwesen von seiner wundervollsten Seite. Man kann in kühlen Innenräumen Kunst genießen, dann durch den Garten f lanieren, sich im Museumscafé auf Bestellung einen feinen Picknickkorb zusammenstellen lassen und sich im Garten unter Obstbäumen ausbreiten. S ­ agen wir es so, hier darf man nicht nur Kunst ­bewundern, sondern die Kunst zu leben studieren. Sonderausstellungen, Malworkshops, Führungen auch für blinde und sehbehinderte Museumsbesucher, Rundgänge zu den Skulpturen im Garten der Villa und die regulären Sonntagsführungen runden den Kunstgenuss ab – und


SA ISON E RÖF F N U NG D E S M U S I K KO L L E G I U M S W I N T E R T H U R Mu sikkolleg ium Winter thur T h o m a s Z e h e t m a i r, L e i t u n g P i e r r e - L a u r e n t A i m a rd , K l a v i e r M i , 2 . S e p t e m b e r 2 0 2 0 , 1 9 : 3 0 U h r, Ludwig van Beethoven: Kon z e r t f ür Klavie r und Orcheste r N r. 1 u n d N r. 2 , S i n f o n i e N r. 6 Pierre-Laurent Aimard, Artist in Resonance,

Stadthaus Winter thur

Foto: © Musikkollegium Winterthur

Do, 3 . September 2020, 19: 30 Uhr Ludwig van Beethoven:

Helden im Rückspiegel Musikkollegium Winterthur

Kon z e r t f ür Klavie r und Orcheste r N r. 4 , S i n f o n i e N r. 3 Stadthaus Winter thur Sa, 5 . September 2020, 19:30 Uhr Ludwig van Beethoven:

Das Musikkollegium Winterthur wurde 1629 gegründet und ist seit 1875 ein professionelles Sinfonieorchester. Mit seinen rund 50 Musikerinnen und Musikern gehört es ­heute zu den führenden Sinfonieorchestern der Schweiz. Es spielt pro S ­ aison gut 40 Konzertprogramme im S ­ tadthaus Winterthur, wobei zahlreiche Kammermusik­veranstal­t un­ gen hinzukommen. Die Saison 2020/21 widmet das Musikkollegium ­W interthur dem Thema „Helden im Rückspiegel“. Damit wendet das Orchester den Blick bewusst nach vorne in die ­Zukunft, ohne jedoch die Helden aus vergangenen Zeiten aus dem Blick zu verlieren. Unter diesen Helden ist allen voran Ludwig van Beethoven gemeint. Nicht zuletzt anlässlich ­seines 250. Geburtstags ziehen sich seine Werke wie ein roter Faden durch die kommende Konzertsaison. Bei insgesamt elf Konzerten gibt das Musikkollegium Winterthur acht seiner Sinfonien, fünf Klavierkonzerte, das Tripelkonzert und ­weitere – zum Teil selten gespielte – Werke zum Besten. Schließlich gilt „Helden im Rückspiegel“ auch für die zahl­ reichen Solisten und Gastdirigenten, die in Winterthur zu erleben sein werden, die Helden der klassischen Musik. Und unter ihnen ist kein Geringerer als der französische Meister­ pianist Pierre-Laurent Aimard, der in der Saison 2020/21 zugleich als „Artist in Resonance“ eine Residenz beim ­M usikkollegium Winterthur innehat. Beide, das Musik­ kollegium Winterthur und Pierre-Laurent Aimard, starten alles andere als bescheiden in die neue Konzertsaison: Zur Saison­eröffnung sind gleich alle fünf Klavierkonzerte Beet­ hovens und drei seiner Sinfonien an drei Abenden zu hören, alles unter der musikalischen Leitung von Chefdirigent ­Thomas Zehetmair. Dieses einmalige Konzerterlebnis sollten Sie auf keinen Fall verpassen!

Kon z e r t f ür Klavie r und Orcheste r N r. 3 u n d N r. 5 , S i n f o n i e N r. 5 Stadthaus Winter thur www. mu sikkolleg ium . ch

­T homas Zehetmair, Chefdirigent, Foto: © Musikkollegium Winterthur


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Musikkollegium Winterthur,

Helden im Rückspiegel Beethoven in Winterthur

Das Saisonthema des Musikkollegiums lautet „Helden im Rückspiegel“ – was auf die Nähe Beethovens hindeutet, ­dessen Bedeutung bis ins Jetzt reicht. „Beethoven ist uns ­u nmittelbar nah, sitzt uns sozusagen im Nacken. Seine ­Musik beherrscht seit zwei Jahrhunderten das klassische Musik­leben; er ist uns vertrauter als jeder andere Komponist“, so die Veranstalter. Wie sehr die Musik Beethovens lebt, wie allge­ genwärtig ihre Wirkung ist, wird auch der zweite Teil der Saisoneröffnung zeigen. Gespielt wird am 3. September die Sinfonie Nr. 3 Es-Dur, op. 55 „Eroica“ und das Konzert für ­K lavier und Orchester Nr. 4 G-Dur, op. 58. Im dritten Teil wird am 5. September das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 c-Moll, op. 37, die Sinfonie Nr. 5 c-Moll, op. 67 und das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5 Es-Dur, op. 73 zur Aufführung gebracht. Man darf sich also auf ein dreiteiliges Beethoven-Highlight freuen – mit einem fantastischen ­P ianisten, der als einer der führenden Beethoven-Interpreten unserer Tage gilt. MARC PESCHKE

Infor mat ionen und Kar ten: Mu sikkolleg ium Winter thur R y c h e n b e r g s t ra s s e 9 4 , C H - 8 4 0 0 W i n t e r t h u r Te l . + 4 1 5 2 6 2 0 2 0 2 0 www. mu sikkolleg ium . ch

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Beethovens 250. Geburtstag – das ist eines der ganz großen Glanzlichter in diesem Kultursommer. Und was vor wenigen Wochen noch unmöglich schien, kann nun doch Wirklichkeit werden. Das Beethoven-Jubiläum findet statt. Trotz Corona. Viele Veranstaltungen werden allerdings bis in den September 2021 verschoben, die Feierlichkeiten um 250 Tage verlängert. „Es gibt die große Chance, dass ganz viel in das nächste Jahr gerettet werden kann“, so Johannes Plate von der Bonner Jubiläums Beethoven GmbH. Höhepunkt der Feierlichkeiten in diesem Jahr ist das große Konzert am 17. Dezember, dem 250. Tauftag Ludwig van Beethovens, mit Daniel Barenboim und dem West-Eastern Divan Orchester im Opernhaus Bonn. Gefeiert wird aber nicht nur in Beethovens Heimatstadt Bonn und in Wien, wo Beethoven lange wirkte und 1827 starb, sondern an vielen anderen Orten. Auch in Winterthur gedenkt man dem Komponisten und Pianisten: Das Musikkollegium Winterthur unter der Leitung von Thomas Zehetmair wird im Rahmen der Feierlichkeiten drei Konzerte im Stadthaus Winterthur geben. In der Saisoneröffnung Teil 1 am 2. September ist wie auch an den beiden anderen Abenden am Klavier Pierre-Laurent Aimard zu hören. Gespielt wird das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur, op. 19, die Sinfonie Nr. 6 F-Dur, op. 68 „Pastorale“ und das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 C-Dur, op. 15.

Foto: © Paolo Dutto


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Der Einzug der Moderne Franzosen in Winterthur Mitten im Ersten Weltkrieg eröffnete der Kunstverein in Winterthur am 2. Januar 1916 sein neues Museumsgebäude. Dieses kulturelle Engagement in wirtschaftlich entbehrungsreichen Zeiten ist einer weitsichtigen städtischen Politik sowie dem Mäzenatentum der Winterthurer Bürgerschaft zu verdanken. Einer dieser wohlhabenden Herren war Richard ­Bühler. Er und seine Mitstreiter schufen mit dem Museumsbau erstmals die Möglichkeit, Kunst in repräsentativen Räumen angemessen zu präsentieren. Und was der Verein dem Publikum hier zeigte, veränderte das traditionelle ­Verständnis von Kunst und trug wesentlich dazu bei, die ­Moderne in der Schweizer Kultur zu etablieren. Dafür übergab Bühler dem Museum auch eine Reihe erstrangiger Kunstwerke aus seiner Privatsammlung. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise sah er sich aller­d ings gezwungen, zuerst seinen Wohnsitz und später auch umfangreiche Teile seiner Sammlung zu veräußern. Die Kataloge der Auktionshäuser lassen den Rang der Bühler’­ schen Sammlung erahnen und bilden die Grundlage für den Versuch, sein Engagement für moderne Kunst in Winter­ thur zu rekonstruieren und in der Ausstellung „Modernité“ ­zumindest in Ausschnitten zu präsentieren. Unter anderem

Félix Vallotton (1865–1925), „Nu couché au tapis rouge“, 1909, Petit Palais, Genf

mit Werken von Pierre Bonnard, Félix Vallotton, Auguste ­ odin oder Pierre-Auguste Renoir, von dem allein Bühler R 16 Ge­mälde besaß. In der Ausstellung im Kunst Museum Winterthur ­blühen die Sammlung und das Wirken Bühlers fast 100 Jahre später nochmals auf. Sie wirft ein neues Licht auf das Vermächtnis dieser außergewöhnlichen Kulturpersönlichkeit. 3 . Ok tober 2020 bis 2 1. Febr uar 202 1 M o d e r n i t é – R e n o i r, B o n n a rd , Va l l o t t o n D e r S a m m l e r R i c h a rd B ü h l e r Kunst Museum Winter thur | R einhar t am Stadtgar ten www. k mw. ch

Wunderkammer Technorama Das Swiss Science Center in Winterthur Für Wissenschaft und Wahrnehmungsphänomene ist das Technorama in Winterthur weitherum bekannt − aber für Kunst? Tatsächlich gibt es im Technorama eine ganze Reihe von Exponaten, die von Künstlern geschaffen oder inspiriert wurden. Dass Kunst und Wissenschaft – über Schönheit und Kreativität hinaus – vieles und mancherlei gemeinsam haben, ist ein Allgemeinplatz. Die lateinische Formulierung „objecti veritas“, die Wahrheit der Wiedergabe des Objekts, weist auf diesen gemeinsamen Ursprung hin. Sie gründet auf der analytischen Beobachtung und Darstellung der Welt und verbindet den Scharf blick des Botanikers und Zoologen, den sezierenden Verstand des Anatomen mit der handwerklichen Präzision des Zeichners, Malers oder Bildhauers. Die „objecti veritas“ findet sich im Illusionismus der Frührenaissance mit den Mitteln der Perspektive und der Licht-Schatten-Modellierung ebenso wieder wie in der Kartografie, in mineralogischen Bildkatalogen und in der holländischen Stilllebenmalerei.

Sonderausstellung „Spiegeleien“ 2019, Foto: © Swiss Science Center Technorama


153 Im Technorama werden diese Kunstwerke nicht speziell gekennzeichnet, sondern fügen sich wie selbstverständlich in die Experimentierlandschaft ein. Erst auf den zweiten Blick zeigt sich der Bezug zu Themen, die in den Wissenschaften wie auch in der Kunst eine Rolle spielen: Licht und Schatten, Perspektive, Chaos und Struktur und weitere mehr. So gekennzeichnet sind diese Exponate gewissermaßen die „Zwillinge“ anderer Werke, die genuin der Kunstwelt zugerechnet werden.

Kunst eröffnet einen alternativen Zugang zu Naturphänomenen und offenbart dabei auch die Schönheit von Wissenschaft. Das zeigt sich besonders eindrücklich in der aktuellen Sonderausstellung „Spiegeleien“. Kunst und ­W issenschaft haben sehr viel mehr gemeinsam, als die vorherrschende Meinung dies glauben macht! S w i s s S c i e n c e C e n t e r Te c h n o ra m a Te c h n o ra m a s t ra s s e 1 , C H - 8 4 0 4 W i n t e r t h u r T + 4 1 (0) 5 2 2 4 4 0 8 4 4 Täglich geöf f ne t 10 – 1 7 Uhr w w w . t e c h n o ra m a . c h

Robert Frank, „Paris“, 1952 © Andrea Frank Foundation; courtesy Pace/MacGill Gallery, New York

Das Fotozentrum ist die führende Kompetenzstelle für ­F otograf ie und fotobasierte Kunst der Schweiz . Das ­F oto­museum Winterthur präsentiert in erster Linie inter­ nationales z­ eitgenössisches Fotoschaffen und starke Positionen der Fotografiegeschichte. Die Fotostiftung Schweiz betreut die umfangreichste und bedeutendste Sammlung zur Schweizer Fotografie und zeigt die heraus­ ragenden Werke in ihrem kulturgeschichtlichen und ästhetischen Zusammenhang. Ab dem 12. September rücken beide Häuser eines der spannungsvollsten Themen der Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts in den Mittelpunkt: Die Street Photography. ­Unter dem Titel „Street. Life. Photography“ präsentiert das Fotomuseum Winterthur zeitgenössische Arbeiten wie auch Klassiker der Street Photography aus sieben Jahr­ zehnten. In fünf kaleidoskopartig angelegten Kapiteln zu

zentralen ­T hemenfeldern arbeitet die Ausstellung entscheidende ästhetische Entwicklungen innerhalb der Street Photography heraus. Der im letzten Jahr verstorbene Robert Frank zählt zu den bedeutendsten Fotografen unserer Zeit. Sein 1958/59 ­e rschienenes Buch „The Americans“ ist vielleicht das einf luss­r eichste der Fotogeschichte. Die Fotostiftung Schweiz verfügt über eine Kollektion von kaum bekannten Arbeiten, an denen sich die Verfestigung von Franks sub­ jekt ivem St il nachvollziehen lässt . Im Zent r um der Ausstellung „Robert Frank – Memories“ steht die erzäh­ lerische Kraft von Franks Bildsprache, die sich gegen alle Konventionen entwickelte. B eide Ausstellungen bis 10. Januar 202 1 www. fotost if t ung. ch www.fotomu seum . ch

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Raus auf die Straße Glanzlichter der Street Photography im Fotozentrum in Winterthur


8. Schweizerische Triennale der Skulptur in Bad Ragaz. Vom 8. Mai bis 31. Oktober 2021.

© Ottmar Hörl, «Weltanschauer IB», 2006

Distanz schärft


den Blick.

75 Künstlerinnen und Künstler aus 15 Ländern stellen ihre Kunstwerke aus.

Bad Ragartz www.badragartz.ch


Atelier Otto Niemeyer-Holstein, Lüttenort | Caspar-David-Friedrich-Zentrum, Greifswald | CIRCUS EINS – Aktuelle Kunst, Putbus | Dezernat5, Schwerin | Edvard-Munch-Haus, Warnemünde | Fotografische Sammlung Schloss Kummerow | Galerie A.G. für zeitgenössische Kunst, Schwerin | Galerie Atelier ROTKLEE, Putbus | Galerie Born, Born/Darß | Galerie Burg Klempenow, KULTUR-TRANSIT-96 e.V. | Galerie Kristine Hamann, Wismar | Galerie Hartwich, Ostseebad Sellin | Galerie im Kloster, Ribnitz-Damgarten | Galerie Klosterformat, Rostock | Galerie LÄKEMÄKER, Wustrow | Galerie Schwarz, Greifswald | Galerie des St. Spiritus, Greifswald | Galerie STP, Greifswald | GOLDWERK GALERIE | kulturforum Pampin, Skulpturenpark und Galerien | Kulturhaus Mestlin | Kunstverein für Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin | Kunsthalle Kühlungsborn | Kunsthalle Rostock | Kunsthof Hirschburg BLACK BOX | Kunstkaten Ahrenshoop | Kunstmuseum Ahrenshoop | Kunstmühle Schwaan | Kunstort Alte Wassermühle, Putbus | Kunstraum Heiddorf, Neu Kaliß | Kunstsammlung Neubrandenburg | Kunstverein Wiligrad e.V., Lübstorf | Kunstverein zu Rostock | Kunst-Wasser-Werk, Schwerin | Künstlerhaus Lukas | Mecklenburgisches Künstlerhaus Schloss Plüschow | Museum Atelierhaus Rösler-Kröhnke, Kühlungsborn | Neues Kunsthaus Ahrenshoop | Pommersches Landesmuseum, Greifswald | Schleswig-Holstein-Haus, Schwerin | schloss bröllin e.V, international theatre research location | Schönberger Musiksommer, St. Laurentius-Kirche, Schönberg | Staatliches Museum Schwerin | Städtische Galerie Wollhalle, Güstrow | wolkenbank kunst+räume, Rostock

© Verband der Kunstmuseen, Galerien und Kunstvereine in Mecklenburg-Vorpommern e.V.

www.kunstorte-mv.de



NORD LICHTER


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„Sommerfrische“ Der Himmel hoch, die Felder weit, das Meer unendlich. Und das Licht – magisch und malerisch. Die Landschaften des ­Nordens sind faszinierend und immer eine Reise wert! Aber nicht jeder vermag es, die besondere Stimmung festzuhalten. Wo die Kamera des Bewunderers scheitert, setzt die Kunst Zauber und Sinn ins Bild. Dieser Sommer bietet einmal mehr Gelegenheit, ­b eides zu erleben – Natur- und Kultur-Highlights in ­Niedersachsen und Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Eine Tour auf den Spuren Ernst Barlachs – anlässlich seines 150. Geburtstags – könnte von Güstrow über Schwerin und Ratzeburg nach Hamburg ­f ühren. Attraktive Ziele in Mecklenburg wären außerdem Ahrenshoop, wo der bronzene „Rufer“ von Gerhard Marcks

aufs Wasser schaut, oder Wismar mit Malerei von Udo Scheel in der gotischen St.-Georgen-Kirche. Mit Kunst und Parks ­locken die Schlösser Kaarz und Kummerow, Plüschow und Bothmer. In Schleswig-Holstein ist Dänemark das Thema des Sommers: Vor 100 Jahren wurde per Volksabstimmung der deutsch-dänische Grenzverlauf festgelegt. Dazu gibt es die ­Sonderausstellung „100 Jahre Grenzgeschichte(n)“ auf dem Flensburger Museumsberg. Wer sich für dänische Kunst interessiert, sollte unbedingt einen Abstecher nach Schwerin machen, wo im Staatlichen Museum die kleine, aber feine Schau „Dänische Gäste. Malerei aus drei Jahrhunderten“ zu sehen ist. Zu entdecken sind auch hier unter anderem ­w underbar nördliche Landschaften. Am Jadebusen führt ein Expressionisten-Wanderweg mit 19 Stationen an Stellen, wo Gemälde von Heckel, Schmidt-Rottluff, Pechstein, Emma Ritter und Radziwill entstanden sind. Im Franz-Radziwill-­ Haus in Dangast gibt es zum 125. Geburtstag des magischen Realisten die Jubiläumsausstellung „Lichtspiele“ – mit Gemäl­den, die zweifellos zu fantastischen Nordlichtern ­gehören. Gute Reise! JAN-PETER SCHRÖDER

Künstlergruppe SCHAUM, Rostock, „Value I“, 2020, Pigmentdruck hinter Acryl montiert, gerahmt, 119 x 171 cm, Auflage 3 + 2 E. A.,

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Courtesy: Susanne Burmester Galerie, Rügen


Ahnengalerie von Schloss Schwerin, Foto: © Timm Allrich

Wenn hier die Beilage „Mecklenburg-Vorpommern – Schlösserkarte“ entnommen ist, können Sie diese einfach kostenfrei nachbestellen unter www.auf-nach-mv.de/prospekte.


Das Schönste am Herbst In sagenhafte Kulturgeschichte eintauchen. Fürstlich residieren. Märchenhaft heiraten. Unvergessliche Events erleben. In herzoglichen Gefilden lustwandeln und herrschaftliche Idylle genießen. Ein Schloss, ein Park, ein See – diese romantische Kombination ist in MECKLENBURG-VORPOMMERN so weit verbreitet wie in keiner anderen europäischen Region. Im goldenen Herbst locken die 2.000 Schlösser, Guts- und Herrenhäuser im Land mit einem ganz besonderen Charme und bringen Besucher ins Schwärmen. Prunkstück unter den herzoglichen Anwesen ist das SCHLOSS SCHWERIN. Anmutig thront es auf einer Insel inmitten des Schweriner Sees, von zauberhaften Gärten umgeben und ins faszinierende Schlossmuseum lockend. Ein kultureller Höhepunkt ist auch der SCHLÖSSERHERBST vom 9. bis 25. Oktober. Ausgewählte Häuser im ganzen Land öffnen ihre Türen und heißen Besucher mit vielfältigen Veranstaltungen und besonderen Angeboten in ihren ehrwürdigen Gemäuern herzlich willkommen. www.auf-nach-mv.de/schloesser


Bezaubernd schön: Die Residenzstadt Schwerin im Herbst Wer einmal über die Schlossbrücke auf das märchenhafte Schweriner Schloss zugeschritten ist, wird diesen Ort nicht mehr vergessen. Monumental und majestätisch erhebt es sich von seiner Insel im Schweriner See, gekrönt von unzähligen goldglänzenden Turmspitzen. Als einstige Residenz der mecklenburgischen Herzöge empfängt es ­s eine Gäste auch heute noch mit jeder Menge herrschaft­ lichem Flair. In prunkvollen Museumsräumen wie der Ahnengalerie oder dem Thronsaal gehen Besucher auf ­Z eitreise, können sie das ­h öfische Leben der einstigen ­L andesherren hautnah nachempfinden. www. schloss-schwer in . de

Im Herbst liegt über all dem ein ganz eigener Zauber. Mystisch fast erscheint das Schloss im Nebel, ein Spaziergang durch den Schlossgarten pustet den Kopf frei. Eine Städtereise nach Schwerin verspricht zu dieser Jahreszeit vor allem eins: Genuss fernab des sommerlichen Trubels. In der Altstadt, nur wenige Minuten vom Schloss ­entfernt, sind die Gassen jetzt weniger überfüllt, so bleibt viel Zeit für ausgiebige Blicke hinter die Schaufenster der kleinen,


feinen Lädchen. Diese bieten in manch schönen Fachwerkhäusern neben Mode auch Kunst und Antiquitäten. Wer genug vom Pf lastertreten hat, genießt seinen Kuchen mit ­etwas Glück eingekuschelt in eine Decke, die Oktobersonne im Gesicht. Natürlich stilvoll mit einem opulenten Sahneklecks, so wie es sich für Schwerin gehört. www. schwer in. de/ herbst

117,5 Meter ragt der mächtige Schweriner Dom in den Himmel. Foto: © Stadtmarketing GmbH Schwerin / Pollex, Rötting

R EISET IPP F Ü R DE N H E R BS T Den passenden Rahmen für einen herbstlichen Städtetrip nach Schwerin bietet das Arrangement „Herbstgef lüster“. Das Paket mit zwei Übernachtungen und vielen Extras ist ab 166 € pro Person im Doppelzimmer erhältlich. Auf diese Erlebnisse und Dinge können sich Reisende freuen: • 2 Übernachtungen inkl. Frühstück • Stadtrundgang • Eintritt Schloss Schwerin • Eintritt Staatliches Museum Schwerin • Kaffee und Kuchen im ältesten Kaffeehaus Schwerins • Abendessen im historischen Weinhaus • Schwerin-Krimi • Schwerin-Tasse mit Sanddorntee • Schwerin-Regenschirm Infor mat ionen und Buchung: P u s c h k i n s t ra ß e 4 4 / R a t h a u s , 1 9 0 5 5 S c h w e r i n Te l . + 4 9 3 8 5 5 9 2 5 2 7 1 k urz re i se n@schwe r in . info www. schwe r in . de/ k urz re i se n

Malerisch auf einer Insel im See gelegen, zählt das Schweriner Schloss zu den bedeutendsten Schöpfungen des romantischen Historismus in Europa. Foto: © Allrich / Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern

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Stadt market ing Gesellschaf t Schwer in mbH


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Ernst Barlach Haus, Raumansicht, Foto: Andreas Weiss, Hamburg

Ernst Barlach Haus in Hamburg „Kunst, die mich angeht!“ Der schönste Weg zu Ernst Barlach, dem in Wedel bei ­H amburg geborenen Bildhauer, Grafiker und Schriftsteller, beginnt an den Landungsbrücken der Hansestadt. Mit der Fähre schippert man elbabwärts über Finkenwerder bis nach Teufelsbrück. Vom Schiffsanleger aus ist es dann nur noch ein kurzer Fußweg durch den historischen Jenischpark bis zu einem schlichten kubischen Flachbau in Weiß: das Ernst Barlach Haus. „Das ist Kunst, die mich angeht“, fasste der Stifter des Museums Hermann F. Reemtsma (1892–1961) seine Fas­ zination für die Werke Barlachs zusammen. Seit seinem ersten Besuch im August 1934 in Güstrow verbanden den Hamburger Tabakfabrikanten und den Bildhauer eine tiefe Freundschaft. Für Reemtsma war es, wie er selbst formulierte, „innere Verpflichtung“ und nicht „Mäzenatentum“, sich fortan leidenschaftlich für den von den Nationalsozialisten verfemten Künstler zu engagieren. Der von Werner Kallmorgen entworfene moderne Museumsbau wurde ein Jahr nach dem Tod des Stifters 1962 eröffnet. Die hochkarätige

Sammlung des Hauses umfasst zahlreiche Hauptwerke Barlachs, darunter den größten Bestand seiner Holzskulpturen. Ganz bewusst hatte Reemtsma „Ernst Barlach Haus“ als Namen gewählt – nicht Barlach-Museum. Er steht für ein ausgesprochen lebendiges Haus, das – neben wechselnden Sammlungspräsentationen, Vorträgen, Lesungen und Konzerten – in Sonderausstellungen Barlachs Werke moderner und zeitgenössischer Kunst gegenüberstellt. So ist es nur konsequent, dass zu Barlachs 150. Geburtstag – ganz im Sinne des Künstlers, der „zum Jubelgreis [...] nicht die geringste Lust verspürte“ – eine spannende, abwechslungsreiche Ausstellungstrilogie stattfindet. Den Auftakt bildete Anfang des Jahres ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Kunstgeschichtlichen Seminar der Universität Hamburg. „Werden, das ist die Losung. Szenen zum 150. Geburtstag von Ernst Barlach“, so der Titel der Schau, stellte neue Fragen zu zentralen Themen des Künstlers, etwa Spiritualität oder das Prekäre der menschlichen Existenz, und bezog auch den Dramatiker Barlach mit ein.

Ernst Barlach Haus im Jenischpark während der Ausstellung „Tony Cragg. Against the grain“, 2012, Foto: Andreas Weiss, Hamburg


Im Sommer ist das Albertinum Dresden zu Gast. Die aktuelle Ausstellung „Kosmos Ost“ präsentiert 60 Werke von 52 Künstlern aus der museumseigenen Sammlung von DDRKunst. Zu entdecken ist eine große Vielfalt von Themen, Stilen, Positionen. „Es gab Staatskunst, Propagandistisches, aber auch sehr kritische, ungewöhnliche, eigenwillige malerische und skulpturale Wege in der DDR-Kunst“, erläutert Karsten Müller, Leiter des Ernst Barlach Hauses. „Das, was man an Vorurteilen von bleierner DDR-Kunst mit sich herumträgt, wird [in der Ausstellung] wunderbar aufgelöst.“ Zum Abschluss des Jubiläumsjahres gewährt das Ernst Barlach Haus ab Oktober erstmals einen Einblick in die pri­ vate Kunstsammlung von Helmut und Loki Schmidt. Damit setzt es eine Tradition fort: Als ältestes Privatmuseum in

Norddeutschland möchte es auch persönliches Engagement für Kunst zeigen. So werden regelmäßig private Sammlungen der Öffentlichkeit vorgestellt.

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BET TINA GÖTZ

Bis 13. September 2020 „ Kosmos Ost. Kunst in der DDR 19 49 − 89 . Da s Albe r t inum Dresde n zu Ga st“ 4 . Ok tober 2020 bis 31. Januar 202 1 „ Kan zlers Kunst. Die Sammlung Helmut und Lok i Schmidt“ Er nst B arlach Hau s, Hamburg www. barlach-haus. de

Flensburg Stadt aus neuer Perspektive

Museumsberg Flensburg, Heinrich-Sauermann-Haus, Foto: © TAFF/ Benjamin Nolte

Erzählorte“. Eine interaktive Übersichtskarte zeigt über 2 0 histor ische Plät ze u nd er zä h lt deren besondere ­G eschichte. Zudem gibt es die ­Möglichkeit, eigene Erinnerungen und Bilder in die App zu integrieren und damit die Anzahl der Grenzgeschichten zu erweitern. BET TINA GÖTZ

Bis 1 4 . März 202 1 „ P e r s p e k t i v w e c h s e l 2 0 2 0 – 1 0 0 J a h r e G r e n z g e s c h i c h t e n“ Mu seum sberg Flensburg www. mu se um sbe rg. de Flensburger Schif f fahr tsmu seum w w w . s c h i f f f a h r t s m u s e u m -f l e n s b u r g . d e D a n s k C e n t ra l b i b l i o t e k f o r S y d s l e s v i g www. dcbib. dk www.f l 2020. de w w w . g w f- a u s s t e l l u n g e n . d e

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Vor 100 Jahren, am 14. März 1920, stimmte die Bevölkerung Schleswigs über den deutsch-dänischen Grenzverlauf ab. Aus dem Referendum ergaben sich viele Konsequenzen für das Alltagsleben, auch für die in der Nähe der neuen Grenze lebenden Minderheiten: die dänische im Deutschen Reich und die deutsche in Dänemark. Heute gilt diese Grenzregion als erfolgreiches Modell für ein friedliches Zusammenleben und eine gelungene Minderheitenpolitik. Die Stadt Flensburg feiert das Jubiläumsjahr mit einer groß angelegten Ausstellung, die bereits einen Tag vor Er­ öffnung pandemiebedingt abrupt schließen musste und nun bis März 2021 wieder erlebbar ist: „Perspektivwechsel 2020 – 100 Jahre Grenzgeschichten“. „Der Titel ist Programm: Trennend und Völker verbindend, historisch und aktuell, weltpolitisch und ganz privat hat diese Grenze seit 100 Jahren das Leben hier geprägt und verändert“, erklärt Michael Fuhr, Direktor der Städtischen Museen Flensburg. Die Schau ist partizipativ ausgerichtet und erzählt aus verschiedenen persönlichen Perspektiven, wie ­B etroffene und Zeitzeugen die neue Grenze erlebten und nutzten. Auch die Besucher sollen nicht nur schauen, sondern werden an vielen interaktiven Mitmachstationen aufgefordert, ihre eigene Geschichte oder Ideen beizusteuern. Michael Fuhr hofft „auf viel kreativen Input“. Im Weiteren widmet sich die Ausstellung über Flensburg und Europa hinaus ­a ktuellen Themen wie Identität, Transit und Flüchtlinge. „Perspektivwechsel 2020“ wird an drei verschiedenen Standorten gezeigt: in der Hauptausstellung auf dem ­F lensburger Museumsberg, im Flensburger Schifffahrtsmuseum und in der Dänischen Zentralbibliothek. Das innovative Ausstellungskonzept entwickelte unter Leitung des Museumsbergs das Hamburger Büro gwf-ausstellungen. Die kostenlose App „FLEO2020“ lädt Nutzer ein, ­F lensburg auf den Spuren von 100 Jahren Stadt- und Grenzgeschichte neu zu erkunden. Mithilfe der App lässt sich beispielsweise ein individueller Stadtrundgang zu­s am­ menstellen. Der Name „F LEO“ steht für „Flensburger


M E CK L E N B U R G -VO R P O M M E R N, Z U S A M M E N G ES T E L LT VO N JA N - P E T E R S C H R Ö D E R

Güstrow in Mecklenburg Zu Barlach mit Boot und Rad Der schwebende Engel im Güstrower Dom – wer sich auf stille Zwiesprache mit diesem transzendenten Meisterwerk einlässt, wird dessen tiefe, beseelte Menschlichkeit emp­f inden und ohne Weiteres verstehen, dass ebendies die Substanz der Kunst Ernst Barlachs ist. Schon deshalb ist Güstrow ein guter Ausgangspunkt für eine Reise auf den Spuren des großen norddeutschen Bildhauers und Dramatikers. Barlach, dessen 150. Geburtstag in diesem Jahr mit einer ganzen Reihe sehenswerter Ausstellungen begangen wird, hatte seit 1910 in der reizvollen mecklenburgischen Residenzstadt gelebt – und während der Nazizeit als verfemter Künstler auch gelitten.

„Wir haben hier den authentischen Arbeitsort von Barlach, sein Atelierhaus am Heidberg, und die Gertrudenkapelle in der Stadt, das erste Barlach-Museum überhaupt“, sagt Magdalena Schulz-Ohm, die neue Geschäftsführerin der Ernst Barlach Stiftung Güstrow. „Diese besondere Aura und dazu wesentliche Werke aus seinem Œuvre sind in jedem Fall eine Reise wert.“ Unter dem Titel „Barlach im Alltag − Alltag bei Barlach“ wirft die aktuelle Sommerschau im Ausstellungsforum am Heidberg darüber hinaus Fragen auf, die weniger auf ­P ilgertum und Kontemplation als auf praktische Bezüge, ­Umgangsformen und Reflexion zielen.


Magdalena Schulz-Ohm lächelnd. „Für mich ist es besser, wenn sich die Leute einen Barlach kaufen, als wenn sie das nicht tun. Wir verkaufen ja im Museum selber Porzel­l ane, die posthum aufgelegt wurden. Am Ende muss das jeder inlinke Seite: Dauerausstellung im Atelierhaus am Heidberg, dividuell beantworten. Und Originaldrucke von Barlach Foto: Christin Sobeck dürfte man sich ja gar nicht an die Wand hängen, weil sie © Archiv Ernst Barlach Stiftung, Güstrow verblassen würden. Wer so etwas besitzt, hat ja auch eine Verantwortung.“ Die gebürt ige Wismarerin, die in Freiburg im Breisgau, Colchester und Hamburg nicht nur Kunstgeschichte, sondern ebenso Betriebswirtschaft und Informatik studiert hat, geht ihre Aufgabe in der „Barlachstadt“ mit „Im Jubiläumsjahr wollen wir gucken, wo haben die Men- Elan und neuen Ideen an. „Wir haben hier eine sehr interesschen übers Museum hinaus Bezugspunkte mit Barlach, was sierte Klientel, aber auch viele, die sich für Barlach gar nicht ist das Besondere in Güstrow und in Mecklenburg?“, erklärt interessieren. Da wollen wir anknüpfen. Da muss man nicht Schulz-Ohm. „Deshalb haben wir einen Aufruf gestartet, immer nur Barlach zeigen – unter immer neuen Aspekten und und die Resonanz war enorm. Da bringt jemand ein Buch mit zum Teil wirklich sehr speziell“, erklärt sie. Neben der DauerOriginalsignatur von Ernst Barlach, das der Mutter gehört hat, ausstellung zu Leben und Werk will sie mit ihrem Team da kommen Reproduktionen und Druckgrafik aus Privatbe- deshalb auch andere Formate entwickeln, Angebote, die über sitz, da gibt es Leute, die Sachen nach Barlach-Figuren selbst Barlach hinausgehen, aber einen Bezug zu seiner Kunst haben. modelliert haben, sich also auseinandergesetzt haben mit den Etwa Linolschnittkurse mit regionalen Künstlern oder at­ Arbeiten des Künstlers.“ Solche Dinge werden in der Schau traktive Programme für Kinder. Ihr Ziel: „Ich möchte in den mit Werken aus dem Bestand kontrastiert. Andererseits geht Barlach-Museen tolle Erlebnisse schaffen, die positiv in Er­ es auch darum, welche Bedeutung der Alltag in Barlachs innerung bleiben.“ Kunst hatte, wie sein alltägliches Erleben darin aufging. „Bar- Für diesen Sommer, in dem es in Mecklenburg weniger lach hat ja viel gezeichnet“, sagt Schulz-Ohm, „und flüchtige Gruppenreisen, aber viele Individualtouristen geben wird, Skizzen f ließen ein in Kunstwerke, für die er heute welt­ haben die Güstrower Barlach-Museen zwei besondere Pakete berühmt ist.“ geschnürt – gemeinsam mit einem Boots- und Fahrradver­ Zu den Alltagsdingen gehören ferner professionelle leiher sowie einem Hotelier am nahen Inselsee. Die Idee: Kopien sowie profane Marketing- und Merchandising-­ Besucher können nicht nur Kunst anschauen, sondern auch Produkte, die allerdings interessante Fragen aufwerfen. Etwa aktiv erleben, wo Barlach gelebt und was er auf seinen Streifein Plakat zum 111. Gründungsjubiläum der Bad Doberaner zügen und Wanderungen gesehen hat. Das Barlach-­H aus Getränkefirma Glashäger, das in Güstrow für Aufsehen ge- bietet Tickets für die Museen gekoppelt mit Leihboot oder sorgt hat. Darauf ist eine Mineralwasserflasche zu sehen, die -fahrrad an. Eine Radkarte gibt’s dazu und zur Stärkung auf augenscheinlich so aufgehängt ist wie der berühmte „Schwe- Wunsch einen Tisch im Restaurant oder – gegen Aufpreis – bende“, kombiniert mit dem Spruch „DAS HÄTTE AUCH ein Lunchpaket fürs Picknick. Mit dem Boot kann man auf BARLACH GEFEIERT“. „Als Riesenposter hing das an einer dem See herumschippern, dessen Ufer nur ein paar Schritte Hauswand“, erzählt Magdalena Schulz-Ohm. „Und das hat vom Atelierhaus entfernt ist, und mit dem Rad vom Heidberg polarisiert. Da riefen Leute bei uns an und fragten, ob man das zu individuellen Erkundungstouren in die Stadt fahren – auf darf. Gute Frage! Interessant ist aber auch: Wie wenig braucht einem Weg am Kanal, den Barlach oft gegangen ist, vorbei am es eigentlich, um zu erkennen, dass das Barlach ist? Wie tief schönsten Renaissanceschloss Norddeutschlands, zur verankert ist die Wahrnehmung seiner Kunst in der Gesell- ­g otischen Gertrudenkapelle mit ihrer Sammlung von schaft? Unsere Ausstellung liefert keine Antworten. Wir Barlach-­Skulpturen und zum Dom mit dem „Schwebenden“. wollen solche Fragen stellen und zur Diskussion anregen. Wie finde ich das, wenn eine Wasserflasche als Barlachs Engel abB i s 2 7. S e p t e m b e r 2 0 2 0 hängt, oder sein ‚Sänger‘ tausendfach in Wohnzimmern steht, „ Barlach im Alltag − Alltag bei Barlach“ weil er in so großer Zahl reproduziert und verkauft wurde.“ E r n s t B a r l a c h M u s e e n G ü s t ro w Letzteres findet die Kunsthistorikerin tatsächlich problematisch. „Bei Druckgrafik ist es okay“, sagt sie, „und bei Auf B arlach s Spure n mit de m B oot ode r R ad Bronzen gilt ja allgemein, dass maximal zehn Exemplare geBuchung unter info@barlach-mu seen. de gossen werden. Aber zwischen zehn und 1.000 ist eine große Te l . + 4 9 3 8 4 3 8 4 4 0 0 - 1 0 Spanne. Ich verstehe den Wunsch vieler Menschen, so eine w w w . e r n s t- b a r l a c h . d e Plastik zu haben – im eigenen Wohnzimmer. Aber für mich nimmt es auch ein bisschen die Wertigkeit des Ori­g inals, Der literarisch interessierte Kunstfreund findet übrigens nur wenn ein Kunstwerk in beliebig großer Stückzahl produziert ein paar Schritte vom Westportal des Doms entfernt eine wird.“ Als Original betrachtet die Museums­chefin Abgüsse, lebensgroße Bronze von Wieland Förster – ein berührendes die der Künstler zu Lebzeiten selbst freigegeben hat. Denkmal für den bekannten Schriftsteller Uwe Johnson Und dann gibt es Barlachs „Hockende Alte“ ja auch für („Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl“), 7,99 Euro in der Tourist-Information. „Da kann man fragen: der hier im John-Brinckman-Gymnasium am Domplatz Wo hört das Souvenir auf und wo fängt die Kunst an?“, sagt bis 1952 die Oberschule besucht hat.

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Gerhard Marcks in Ahrenshoop „Der Rufer“: Berühmte Bronze blickt über den Bodden Im Ostseebad Ahrenshoop steht seit einem Jahr im Garten des „Gerhard Marcks Künstlerhauses“ im Ortsteil Niehagen ein Abguss der weltberühmten Bronzeplastik „Der Rufer“ von Gerhard Marcks und blickt über den Bodden. Bekannt ist diese Arbeit des Bildhauers vor allem durch ihren Standort vor dem Brandenburger Tor in Berlin, wo ein Exemplar der Plastik seit 1989 steht. Der Ahrenshooper Abguss ist eine Dauerleihgabe der Berliner Familienstiftung Schultz-von Schacky an das Künstlerhaus, das von dem Ehepaar Mareike und Torsten Frühauf zwischen 2017 und 2019 liebevoll restauriert und dann als Künstlerdomizil für Stipendiaten der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein zur Verfügung gestellt wurde. Gerhard Marcks hatte die Büdnerei 1 4 unweit der Künstlerkolonie Ahrenshoop 1930 als Sommerquartier erworben. Von 1933, nachdem ihm von den Nazis an der Burg gekündigt worden war, bis 1946 war das Haus auf dem Fischland, an das er ein bescheidenes Atelier bauen ließ, Refugium und Wohnsitz der Familie Marcks.

In diesem Sommer wird dort mit Unterstützung des Bremer Gerhard-Marcks-Hauses die Ausstellung „Die Kinder aus der B14“ gezeigt. In der Familie wird das Haus bis heute „B14“ genannt. Zu sehen sind zarte Zeichnungen, in denen Gerhard Marcks die fünf Kinder der Familie liebevoll porträtierte und Szenen des Alltags in Niehagen. Ihnen zur Seite gestellt ist ein Bronzeporträt, das der Bildhauer 1934 vom ältesten Sohn gefertigt hat, der als 25-Jähriger im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Die Ausstellung ist bis zum 31. August zu sehen. Am gleichen Tag eröffnet das Kunstmuseum Ahrenshoop e­ xakt sieben Jahre nach seiner Gründung eine neue Sammlungsausstellung in der Marcks ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. „Wir zeigen in neuer Zusammenstellung und größerer Dichte alle wichtigen Neuzugänge der vergangenen Jahre“, ­erklärt die künstlerische Leiterin des Hauses, Katrin Arrieta, „darunter vor allem Arbeiten von Alfred Partikel, Gerhard Marcks, Dora Koch-Stetter und Hans Brass. In einer illustren Talkrunde zum Museumsgeburtstag soll es um die Bedeutung von Stiftungen und bürgerlichem Engagement für die A ­ hrenshooper Sammlung gehen. www. marck s-k ue n stle rhau s . de www. k un st mu se um- ahre n shoop. de

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www. ost seebad- ahre n shoop. de

„Der Rufer“, Abguss der Plastik von Gerhard Marcks, Leihgabe Stiftung der Familie Schultz-von Schacky, Berlin, an Torsten Frühauf, Garten des „B14 Gerhard Marcks Künstlerhauses“ im Ortsteil Niehagen, Foto: © Torsten Frühauf


Park von Schloss Kaarz, 2020, im Vordergrund: Daniela Wesenberg, „DRAWING“, 2020, Absperrband, Metallstangen, Maße variabel, Foto: Ruzica Zajec

Schloss Kaarz zwischen Sternberg und Brüel „das GRÜNE ZITAT“: Kunstparcours im Landschaftspark Parkuhren stehen auf der grünen Wiese, in alten Bäumen hängen weiße Fahnen, eine mit Blattgold überzogene Parkbank glänzt mit der Sonne um die Wette: Wer derlei konzeptuelle Sachen sehen möchte, sollte einen Abstecher nach Schloss Kaarz machen. Der weitläufige historische Landschaftspark des zum Hotel umgestalteten Herrenhauses ist schon zum sechsten Mal Schauplatz einer Sommerausstellung unter freiem Himmel. Seit 2015 laden die im Dorf ansässigen Künstler Ruzica Zajec und Broder Burow unter dem Titel „das GRÜNE ZITAT“ allsommerlich Kolleginnen und Kollegen dazu ein, den Park mit ihren Arbeiten zu bespielen. In diesem Jahr heißt das Thema „Daneben“ – was gleichermaßen räumlich und ­gedanklich aufgefasst werden kann, wie die Rügener Kunstvermittlerin Susanne Burmester bei der Eröffnung sagte. Das „Daneben“ sei ein Grundthema der Kunst, erklärt sie kategorisch, Mut zum Scheitern und das Sich-daneben-Benehmen gehörten dazu: Bloß nicht ins Schwarze treffen! Der durchs satte Grün führende Kunstparcours wirkt so anregend wie unangestrengt und bietet beim Flanieren und Spazieren reichlich Gelegenheit zum Schauen und Sinnieren. Die Hamburger Künstlerin Daniela Wesenberg hat über dem Rasen mit PE-Absperrband eine raumgreifende Zeichnung aufgespannt. Ein paar Schritte weiter überrascht Thomas Sander aus Schwerin mit einer Reihe historischer Parkuhren [sic!], und Andreas Sachsenmaier aus Berlin weist mit Schildern in der Art touristischer Autobahntafeln auf „Aufgang“ und „Untergang“ hin, was offenbar nicht nur sonnige Aussichten assoziieren soll. Weiter geht es zu einer abgesperrten Baustelle, die Monika Goetz aus Berlin als überdimensionalen Maulwurfshügel neben einem Loch zwischen Mecklenburger Bäumen installiert hat. „Tunnel to Planet B“ heißt diese Arbeit, was sowas von daneben ist, und gerade deshalb zum Nachdenken einlädt. Auf Letzteres sind offenbar auch Tim Kellner und Alexandra Lotz mit ihrer Arbeit „Fahnenflucht“

aus. Nicht zum ersten Mal arbeiten die beiden Rostocker, die seit Jahren gemeinsam als „Gruppe SCHAUM“ agieren, mit Wortsetzungen im öffentlichen Raum. Hier haben sie auf weiße Fahnen im Stil professionellen Marketings Begriffe und Sätze in Schwarz drucken lassen, die Fragen nach Menschenrechten und Würde aufwerfen und im Wortsinn hoch gehängt sind: „Freiheit ist ein Mega-Datenvolumen“. „Jedem das Seine“. „Für mehr Rechte“. Gemeinsam haben Zajec und Burow einen meditativ ge­harkten Zen-Garten in einer kleinen Kapelle installiert. Die Tür steht offen, die Harke an der Innenseite gleich daneben. Betreten verboten? Von wegen! Wer das Gartengerät als Aufforderung versteht, hier eigene Kreise zu ziehen, liegt nicht verkehrt. Wer die bereits gestaltete Fläche lieber nicht betreten möchte, aber auch. „Kaarz war schon immer ein Ort für Kunst“, sagt Schlossdirektorin Katharina Dummann sichtlich angetan von den neuen Arbeiten, die allesamt direkt auf die unmittelbare Umgebung bezogen sind. „Wir sind froh, Broder und Ruzica hier im Dorf zu haben. Die Gäste lieben die Kunst im Park“, fügt sie hinzu und lädt zu einem Glas Wein im Abendlicht auf die Terrasse des mondänen Herrenhauses ein. Schloss Kaarz mit diversen Zimmern, Restaurant und Café eignet sich als Etappenziel oder für einen mehrtägigen Aufenthalt, bei dem man im benachbarten Roten See baden oder wandernd, mit Rad oder Kanu die schöne Natur Mecklenburgs entdecken kann – etwa die Warnow, die in dieser Gegend entspringt und durch Wälder und Felder nordwärts gen Ostsee fließt, oder Rostock und Warnemünde. Von Kaarz aus ist es auch nicht mehr weit nach Schwerin mit dem von Chambord inspirierten Herzogsschloss und dem Staatlichen Museum, dessen beachtliche Holländersammlung ebenfalls noch auf monarchische Zeiten zurückgeht. www. schlosskaarz . de


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Staatliches Museum Schwerin Barlach und „Dänische Gäste“

Peter Raadsig, „Sturm an der Westküste Jütlands“, 1853, Foto: Kilian Beutel, © Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern

Das Staatliche Museum Schwerin – Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern – hat wegen Corona den Zugang zur ständigen Aus­stellung deutlich eingeschränkt, dafür aber seine interessante Schau zum 90. Geburtstag von Günther Uecker bis ins nächste Jahr verlängert. Ein Besuch lohnt sich in diesem Sommer aber nicht zuletzt wegen einer Neupräsentation des Schwe­riner Barlach-­ Kabinetts und der ebenso erhellenden wie opulenten Ausstellung „Dänische Gäste“, die bis zum 1. November dänische Malerei aus drei Jahrhunderten präsentiert. Der prächtige Bilderschatz ist Teil eines Konvoluts von fast 400 Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken, die der Berliner Kunstsammler und Mäzen Christoph Müller dem Land Mecklenburg-Vorpommern schon vor vier Jahren geschenkt hat. Die nun in zwei Sälen arrangierte Auswahl von 55 Arbeiten verdeutlicht eindrucksvoll, dass die dänische Kunst nicht nur wesentliche Strömungen der europäischen Kunstgeschichte auf höchstem Niveau auf­genommen und gespiegelt hat, sondern diesen auch bemerkenswerte Facetten hinzufügte. Das überrascht nicht wirklich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Caspar ­David Friedrich seinerzeit zum Kunststudium nach Kopenhagen gegangen ist. Allerdings

sind die Namen der dänischen Meister hierzulande längst nicht so bekannt wie der des deutschen Romantikers, und so gibt es auf diesem übersichtlichen Rundgang einiges zu entdecken. Da sind zunächst Landschaften, die denen Mecklenburgs und Vorpommerns ähneln. „Ostseestrand und Wald von Møns Klint“ etwa, 1849 gemalt von Peter Christian Skov­g aard, erinnert an die Rügener Kreideküste, was in der Tat nahe liegt. Von Hiddensee aus ist das Kliff von Møn bei gutem Wetter mit bloßem Auge zu sehen. Auch andere sorgfältig komponierte Küstenszenerien belegen mit hohen Himmeln, klarem Licht und weiten Horizonten die unmittelbare l­ andschaftliche und künstlerische Nachbarschaft Norddeutschlands und Dänemarks. Spaß machen bei näherer Betrachtung der großformatigen Bilder witzige Details, die überdies so winzig sind, dass sie zunächst gar nicht ins Auge fallen: Eine kleine Möwe zum Beispiel, die Anton Erik Christian Thorenfeld 1893 in seine „Sommerliche Landschaft im Roskildefjord“ getupft hat, oder eine frivole Badeszene, mikroskopisch klein versteckt am Rand einer von Bäumen dominierten Landschaft des großartigen Malers Janus la Cour von 1864.


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Realistische Bilder vom Leben an der Küste vermitteln Eindrücke vom Alltag der Menschen mit ihren Freuden und Sorgen. Fein ausgeführte Marinebilder nach holländischem Vorbild zeigen nicht nur Windjammer und Dampfsegler vor dramatischen Kulissen, sondern ebenso Fernweh und Ent­ deckerlust einer stolzen Seefahrernation. Mediterrane Motive dokumentieren die Italiensehnsucht dänischer Künstler. ­L ebendige, ungekünstelte Bürgerbildnisse bezeugen exemplarisch, dass auch die dänische Porträtmalerei auf der Höhe ihrer Zeit war. Fesselnd wirkt überdies eine Reihe qualität­ voller bürgerlicher Interieurs, die durch souveräne, teils streng symmetrische Kompositionen, meisterliche Lichtführung und Bild-in-Bild-Ideen überzeugen. Peter Vilhelm Ilstedt (1861–1933) gehört zu jenen Malern, die dieses Genre meisterhaft beherrschten. Die Bilder nicht in chronologischer Folge, sondern ­t hematisch sortiert zu hängen, war übrigens eine gute Idee. Genau wie die virtuelle Führung durch die Ausstellung auf der Internetseite des Museums, die von Direktorin Pirko ­Zinnow persönlich moderiert wird. Kann man sich jederzeit angucken. Und die Originale sind ja jetzt auch wieder zugänglich. Apropos zugänglich … das gilt ebenso für das Schweriner ­B arlach-Kabinett, das zum 150. Geburtstag des Bildhauers neu konzipiert worden ist. Nur ein paar Schritte von den Dänen entfernt, gerät der Besucher hier unversehens in eine ganz andere Welt, in der charakteristische Arbeiten des introvertierten Expressionisten in einen zeitübergreifenden Kontext mit mittelalterlicher Skulptur und sehr heutiger Malerei

gestellt werden. Gezeigt wird eine beeindruckende Reihe geradezu archetypischer Bronzeplastiken Barlachs, die der Industrielle Ludwig Bölkow dem Museum schon vor 20 Jahren überlassen hat. Dazu gehören etwa „Das Wiedersehen“ und „Der Flüchtling“, aber auch „Der Lesende Klosterschüler“, die „Russische Bettlerin“ oder „Der singende Mann“. Dazwischen leuchtet von der Seite und in interessantem Kontrast ein farbstarkes Acrylbild des Mecklenburger Malers Matthias Kanter mit dem Titel „Maria“ (2012), was gleichermaßen als „Intervention“ wie als Brückenschlag ins Heute betrachtet werden kann. Und an die Stirnwand des lang gestreckten Raums hat Kurator Gerhard Graulich eine nahezu abstrakte Winterlandschaft von Caspar David Friedrich zwischen eine Jacobus-Skulptur aus dem 16. Jahrhundert und eine mit dieser formal wie spirituell verwandte Figur Barlachs gehängt – ein Arrangement, das auf sinnfällige Weise Bezüge deutlich macht, über die Kunstwissenschaftler ganze Bücher schreiben könnten. Hier sind sie zu sehen! Unter dem Titel „Der Sturm“ zeigt das Staatliche Museum Schwerin ab Mitte August neue Malerei des deutsch-britischen Künstlers Alf Löhr, der in Whitstable (Kent, England) lebt und arbeitet. Wer bei dieser Ankündigung an Shakespeare denkt, ist möglicherweise schon auf dem richtigen Weg, jedenfalls verspricht die Schau mit 35 großformatigen Gemälden und zehn Farbtüchern aufwühlende Einblicke in Löhrs intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Aspekten des Themas. www. museum-schwer in. de

Pünktlich zum 30. Gründungsjubiläum des Mecklenburgischen Künstlerhauses Schloss Plüschow im Mai war die Sanierung des barocken Gebäudes unweit von Grevesmühlen endlich abgeschlossen, die lange geplanten Feierlichkeiten zum runden Geburtstag fielen allerdings dem Corona-Lockdown zum Opfer. „Wir haben unsere Jubiläumsausstellung ‚PresentPerfectContinuous‘ mit Arbeiten von Stipendiaten aller Genres aus der Sammlung auf September verschoben“, erklärt Miro Zahra, Leiterin des Künstlerhauses, „aber eine hochkarätige Sommerschau gibt es trotzdem“. Unter dem Titel „On Fire / Kultur – Natur – Landschaft“ präsentiert sie seit einigen Wochen Arbeiten, die sich künstlerisch mit brennenden ökologischen Fragen der Gegenwart auseinandersetzen. „‚On Fire‘ heißt: Es brennt, kann aber auch bedeuten: ‚Wir brennen für etwas‘“, sagt Zahra. „Wenn es um das Verhältnis Mensch und Natur geht, wollen sich immer mehr Künstlerinnen und Künstler einmischen, Verantwortung übernehmen.“ Dafür stehen in der Ausstellung, die von den Außenanlagen bis unters Dach das ganze Schloss bespielt,

Werke namhafter Protagonisten. Zu den Highlights gehören Plakate zum Thema Ökologie, die Klaus Staeck dem Künstlerhaus schon vor einigen Jahren geschenkt hat, ein Film zur Pf lanzung der „7.000 Eichen“ von Joseph Beuys und eine wandfüllende Zeichnung des rumänischen Künstlers Dan Perjovschi, der schon Stipendiat auf Schloss Plüschow war, bevor er zur Biennale nach Venedig eingeladen wurde. Insgesamt sind 13 Positionen zu besichtigen. Der Außenbereich wurde in Kooperation mit dem Lauenburgischen Kunstverein Ratzeburg gestaltet. 30 Jahre nachdem Miro Zahra und ihr Mann Udo ­R athke, die Künstlerin aus Böhmen und der Maler aus Mecklenburg, damit begonnen haben, das ehemals herzogliche Schloss Plüschow gemeinsam mit einem Förderverein zu sanieren und nach westlichem Vorbild in ein freies Künstlerhaus zu verwandeln, ist dieser Traum wahr geworden, den sie immer noch leben. Aus dem einstigen, zu DDR-Zeiten heruntergekommenen Herrenhaus haben sie und ihre ­M itstreiter mit der Zeit einen attraktiven Kunstort mit

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Schloss Plüschow 30 Jahre Mecklenburgisches Künstlerhaus


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links: Dan Perjovschi, „Mate (Australia fire)“, 2020, rechts: Ai Weiwei, „Safety Jackets Zipped the Other Way“,

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Ausstellungsansicht Mecklenburgisches Künstlerhaus Schloss Plüschow

großzügigen Ausstellungsräumen und fünf hellen Wohn­ ateliers gemacht, finanziert mit Mitteln des Programms „Aufschwung Ost“ und getragen durch Projektfördermittel des Landes Mecklenburg-Vorpommern, des Landkreises Nordwestmecklenburg sowie der Gemeinde Plüschow. Durch die vielen Stipendiaten aus aller Welt, die hier im Lauf der Jahre arbeiten und in Austausch treten konnten, ist das Künstlerhaus trotz seiner abgeschiedenen Lage international gut vernetzt. „Wir brauchen keine Werbung mehr zu machen“, sagt Miro Zahra. „Auf die fünf Aufenthaltsstipendien in diesem Herbst gab es 176 Bewerbungen. Und die Auswahl wird immer schwieriger, weil die künstlerische Qualität sehr hoch ist.“ Voraussichtlich im September ziehen nun neben zwei deutschen drei Stipendiatinnen und Stipendiaten aus Litauen, Südkorea und China in die Plüschower Studios ein. Durch die Partnerschaft mit anderen Künstlerhäusern in den USA, in Österreich und Süddeutschland können im Gegenzug auch Künstlerinnen und Künstler aus Mecklenburg-Vorpommern für eine Zeit woanders in der Welt arbeiten.

In diesem von Corona-Einschränkungen geprägten Jahr hat sich Miro Zahra gedanklich besonders mit dem Zusammenhang von Kunst und Freiheit beschäftigt. In einem aktuellen Essay zum Thema schreibt sie: „Für die Entstehung und Vermittlung von Kunst und ihrer freiheitlichen Inhalte sind offene Räume nötig, die frei von Bestimmung sind, wo künstlerische Projekte und Ideen ungehindert entfaltet und [...] offen diskutiert werden können.“ Das ist die Grundidee von Schloss Plüschow. „Uns geht es hier darum, einen Raum zu schaffen, in dem man frei und ohne Vorgaben künstlerisch arbeiten kann, und darum, diesen Raum zu schützen“, sagt Zahra. „Manchmal muss man ihn auch verteidigen, eigentlich immerzu.“ Bis 16. August 2020 „On Fire / Kult ur – Nat ur – L and schaf t“ 13 . September bis 11. Ok tober 2020 „ P r e s e n t P e r f e c t C o n t i n u o u s“ − We r k e a u s d e r S a m m l u n g d e s K ü n s t l e r h a u s e s www. plueschow. de


Walter Libuda – Drei-Tage-Viertel Weg zum Hohen Ufer 36 18347 Ostseebad Ahrenshoop Tel. 038220 66790 kunstmuseum-ahrenshoop.de

Malerei, Zeichnung, Objekt Abbildung: Walter Libuda, Nicht vorn, nicht hinten I 2010-2019, Öl auf Leinwand, 130 x 100 cm

28. Mai bis 22. November 2020 Unsere aktuellen Öffnungszeiten finden Sie auf kunstmuseum-ahrenshoop.de sowie bei Facebook und Instagram.


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Short cuts: Mecklenburg-Vorpommern VON JAN-PETER SCHRÖDER

FOTOGR A F ISCHE SA M MLU NG S C H L O S S K U M M E R OW

Schloss Kummerow bei Malchin – mit seiner großartigen foto­g rafischen Sammlung schon lange kein Geheimtipp mehr − präsentiert derzeit mitten in der Provinz eine Sonderausstellung mit dem Titel „Provincia“. Die von Daniel Blochwitz kuratierte Schau vereint mit Fotografien von Ingar Krauss, Ute Mahler & Werner Mahler, Hans-Christian Schink und Ulrich Wüst vier Positionen, die sich auf unterschied­ liche Weise dem Leben abseits der Metropolen widmen. „Die Bilder zeigen von Perspektivlosigkeit und Landflucht junger Leute bis zum Sehnsuchtsort und Freiraum auf dem Land sehr verschiedene Aspekte des Themas, geben aber keine Ant­ worten“, erklärt Direktorin Aileen Kunert. Nach dem viel zu frühen Tod ihres Vaters Torsten Kunert, der das spätbarocke Schloss seit 2016 für die Präsentation seiner umfangreichen Sammlung restauriert hatte, kümmert sich die junge Frau jetzt allein um die Geschicke des Hauses. Die zwei Etagen des Hauptgebäudes beherbergen die permanenten Ausstellung ausgewählter Sammlungsbestände – darunter bedeutende Werke von Thomas Demand, Steve McCurry, Andreas Mühe, Wolfgang Tillmans und Sebastião Salgado. In einem der Pavillons sind bis zum 27. September Fotografien von Michael Wesely („1:100 Past & Present“) zu sehen. „Hotel Raketa“ steht über dem Eingang eines noch nicht restaurierten Nebengebäudes, in dem als Dauergäste ­b eeindruckende Skulpturen des Bildhauers Uwe Schloen ­logieren. Hinunter zum Seeufer kann man durch eine duf­ tende Sommerblumenwiese spazieren. w w w . s c h l o s s - k u m m e ro w . d e

Anka Kröhnke, „Quadrat mit Leuchstäben“, 1991, freie Webtechnik, 100 x 100 cm

K Ü HLU NGSBOR N: M U S E U M AT E L I E R H AU S R Ö S L E R- K R Ö H N K E

In einem weißen Gebäude am Rande eines Wäldchens bei Kühlungsborn hütet und präsentiert die Textilkünstlerin Anka Kröhnke seit 16 Jahren das grandiose künstlerische Erbe ihrer Großeltern und Eltern – Waldemar Rösler und Oda Hardt-Rösler, Walter Kröhnke und Louise Rösler. Wer die halbjährlich wechselnden Ausstellungen mit erstklas­siger Malerei und Grafik aus dem vielseitigen Nachlass der Künstlerfamilie Rösler-Kröhnke verfolgt, erlebt eine spannende kunstgeschichtliche Zeitreise von 1900 bis heute. Das Haus mit den drei roten Giebeln beherbergt nicht nur das ­Museum, hier arbeitet auch Anka Kröhnke selbst und spinnt den Faden in dritter Generation auf hohem Niveau fort. Zu besichtigen ab September in einer Einzelschau anlässlich ­i hres 80. Geburtstages, wenn die Künstlerin unter dem Titel „Farbe und Form“ ihre Tapisserien und Objekte zeigt. Noch bis Ende ­August ist die wegen der Corona-Einschränkungen verlängerte Ausstellung „Kontraste – Schwarz – Weiß“ zu sehen, in der Zeichnungen und Drucke von Louise Rösler auf ­konkrete A ­ rbeiten des Neubrandenburger Künstlers Bernd Kommnick treffen. w w w . m u s e u m - a t e l i e r h a u s - ro e s l e r- k ro e h n k e . d e

Ute Mahler & Werner Mahler, „Kleinstadt (2015–2018)“, Foto: © ostkreuz / Ute Mahler & Werner Mahler


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WISMAR : U D O S C H E E L I M K U N S T R AU M S T. G E O RG E N

Große Kirche, große Bilder, große Kunst: Unter dem 35 Meter hohen Backsteingewölbe ihrer spätgotischen Georgenkirche zeigt die UNESCO-Welterbestadt Wismar vom 26. Sep­ tember bis 18. Oktober in einem besonderen Format Malerei von Udo Scheel. Der ehemalige Rektor und Professor der Kunstakademie Münster, der 1940 in Wismar geboren wurde, bestimmt seit sieben Jahren als Beiratsvorsitzender das Ausstellungsprofil des Kunstraums St. Georgen. Anlässlich seines 80. Geburtstags präsentiert er nun eigene Arbeiten im Kontext der mächtigen Basilika. Was er sich dafür ausgedacht hat, beeindruckt schon als Idee: Zwischen den Vierungspfeilern des Mittel- und Querschiffs der Kirche will er 34 durch Streben zu frei stehenden Körpern verbundene Diptychen von 200 x 400 Zentimetern Größe aufstellen. „Die An­ ordnung der Bilder folgt der zentralen architektonischen Binnenstruktur. Es entsteht ein Raum im Raum, dessen ­I nnen- und Außenwände durch Gemälde gebildet werden“, kündigt der Künstler an. Titel der Schau: „Große Fahrt, 2020“.

Logo „30. Landesweite Kunstschau“, Gestaltung: © Ulrike Ziggel / Künstlerbund MV

L A N D E S W E I T E K U N S T S C H AU

Udo Scheel, 2019, Foto: © Peter Fabian

AU F S C H L O S S B O T H M E R

In dem Städtchen Klütz, dem fiktiven „Jerichow“ Uwe Johnsons im äußersten Nordwesten Mecklenburgs, gibt es nicht nur ein Literaturhaus zu Ehren des Schriftstellers, sondern auch ein prachtvolles Anwesen im englischen Stil. Der niedersächsische Graf Hans Caspar von Bothmer (1656–1732), der auf dem Gipfel seiner abenteuerlichen Karriere als Berater und Minister des aus Hannover kommenden Königs Georg I. in Westminster, 10 Downing Street, residierte, hatte das Schloss ab 1726 von London aus als Familiensitz errichten lassen. Heute gehört die barocke Anlage nach aufwendiger Renovierung zu den Staatlichen Schlössern, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern. Das Schlossmuseum bietet spannende Einblicke in das Leben des Reichsgrafen und ein weithin unbekanntes Stück europäischer Geschichte. Vom 22. August bis 11. Oktober präsentiert der Künstlerbund M V auf Schloss Bothmer überdies seine „30. Landesweite Kunstschau“. Die Ausstellung steht unter der Devise „RESPICE FINEM“ (Bedenke das Ende), die der Graf in seinem Wappen als Lebensmotto führte, und schlägt mit dem Zusatz „play, stop, rewind“ eine Brücke in die Gegenwart. 50 Künstler aus Mecklenburg-Vorpommern und England loten mit aktuellen Arbeiten verschiedenste Aspekte der Thematik aus, die sowohl philosophische Fragestellungen zu (Über-)Leben und Tod, Endlichkeit und ewigem Leben als auch alltägliche Herausforderungen im Umgang mit der ­Natur berühren. Präsentiert wird ein breites Spektrum an Bildsprachen, Inhalten und künstlerischen Ausdrucks­ formen. Von Malerei, Grafik und Skulptur reicht es über Fotografie und Video bis hin zu performativen und ortsbezogenen Installationen in der Natur des Schlossparkes. w w w . m v - s c h l o e s s e r. d e /d e / l o c a t i o n /s c h l o s s - b o t h m e r www. k uenstlerbund-mv. org

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Michael Lauterjungs paradoxe M alerei

„Alles im grünen Bereich“

Michael Lauterjung in seinem Atelier in Cammin bei Rostock


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Seine Sujets findet er in der sichtbaren Welt. Still­leben malt er, die Dinge des Alltags. Seit der Antike werden Schalen, Teller und Früchte gemalt und gezeichnet, doch diese lange Historie stört Lauterjung nicht. Er folgt mit großer Hingabe der kunsthistorischen Spur, dieser Tradition, um auf einem von vielen begangenen Feld zu ganz eigenen Ergebnissen zu kommen. Seine Arbeiten sind nicht streng, nicht apo­d iktisch, im Gegenteil. Ihre Gelassenheit kommt ohne Imponier­g ehabe aus. Dennoch arbeitet er seit Jahren konsequent jenseits künstlerischer Trends nach dem gleichen Prinzip: Den Hintergrund gestaltet Michael Lauterjung stets schlicht, oft monochrom, sehr abstrahierend, gelegentlich durch ein Ornament verziert. Die Sujets, zumeist in der Bildmitte, zeigt er uns jedoch detailliert und mit sehr g­ enauem Blick für die Vorlage.

Michael Lauterjung, „Reife Birnen“, 2020, Acryl, Lack, Leinwand, Öl auf Holz, 147 x 142 cm, Courtesy: Galerie Michael W. Schmalfuss, Berlin / Marburg

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Das Leben, es wird wieder lärmender und lauter. Mehr Autos auf den Straßen, mehr Menschen auf den Plätzen. Die Zeit der erzwungenen Stille ist wieder vorbei. Der soziale Stillstand, die Ruhe, konnte einem Maler wie Michael Lauterjung nicht viel anhaben. In einem Interview mit der Schweizer Galerie THE VIEW hat er bekannt: „Ich habe die neue Situation auf mich wirken lassen, habe den Rasen gemäht, mich in der Sonne gesuhlt, bin viel mit dem Hund spazieren gegangen und habe mein Atelier aufgeräumt.“ Doch schließlich hat auch Michael Lauterjung wieder angefangen zu malen. Mit einer Entschleunigung, die seinem Werk ohnehin, seit Jahren schon, eingeschrieben ist. Malerei braucht Zeit. Wir haben Zeit. Ich habe Zeit. So sieht es Lauterjung. Lauterjung ist ein gelassener Maler – einer, der gut mit sich alleine, mit sich selbst, auskommt.


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Michael Lauterjung, „Der Blick über den Tellerrand“, 2020, Acryl, Lack, Leinwand, Öl auf Holz, 147 x 142 cm, Privatsammlung


Michael Lauterjungs Kunst ist konzentriert. Seine auf Holz entstehende Malerei hat einen Vordergrund und ein schwebendes, diffuses Dahinter. Es gibt aber noch eine dritte Ebene, ein Dazwischen, zwischen der sichtbaren Welt und der Welt der Abstraktion. Dieses Dazwischen, so könnte man sich denken, das ist der Künstler selbst, der zwischen den Welten wechselt. Der uns immer wieder in Erstaunen versetzt. Und tatsächlich: Mit diesen stillen Dingen kann man erstaunen. Sogar eine ironische Note hat Lauterjungs Kunst. Denn in der Verquickung abstrakter, variantenreich gestal­t eter Farbf lächen aus der Tradition des Informel mit der Delikatesse verführerischer, in Teilen gar illusionistischer Malerei liegt ein Tabubruch, den zu begehen dem Maler Freude bereitet. „Es gibt im Grunde keine abstrakte oder realistische Malerei, alles findet auf einer zweidimensionalen Fläche statt – und dort entsteht die neue Realität“, sagt Lauterjung. Diese neue Realität ist zeitlos und einzigartig, steht in einer langen Tradition, doch löst sie sich stets von allen Vor­ lagen. Michael Lauterjung ist es gelungen, eine ganz eigene Formsprache zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, zwischen Konkretheit und Kontextlosigkeit zu finden. Allein das ist schon viel. Doch noch besser wird diese Kunst in ihrer Wirkung: Jedem sei empfohlen, es einmal selbst zu versuchen und sich eine längere Zeit einem Werk von Michael Lauterjung auszusetzen.

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Seine Malerei zeigt Alltagsgegenstände, doch ist sie para­ doxerweise eine Bewegung gegen das, was den Alltag oft auszeichnet: Hektik und Überfluss. In der Zeit der Krise hingegen, so Lauterjung, schien das Leben zu ruhen: „Hierin liegt auch die große Chance. Der Druck von außen fällt weg, wir sind auf uns selbst zurückgeworfen. Jeder von uns muss mit Einschränkungen zurechtkommen. Der Mensch kann durch die Situation lernen, dass es mit der Lebenseinstellung ‚schneller‘, ‚größer‘ und ‚besser‘ nicht weitergehen kann.“ Michael Lauterjung, der in Cammin bei Rostock lebt und arbeitet, ist so wie seine Bilder: Ein ernster und ironischer, ein abstrakter Maler und einer, dem der Mal-Gegenstand wichtig ist. Das können auch T ­ iere sein, Stoffe, Schuhe, Obst, Gemüse, Blumen und R ­ egenmäntel! Und auch diese will ­L auterjung als „etwas Endgültiges“ ins Bild bringen. Wobei der Begriff des „Endgültigen“ schon w ­ ieder zu pathetisch klingt für einen Künstler, der sich auf verschiedene Weise ­einer einfachen Kategorisierung zu ­entziehen versteht – ohne die Dinge allzu sehr zu verkomplizieren. Lauterjungs Kunst ist widersprüchlicher, als sie auf den ­ersten Blick zu sein scheint. Das Leben selbst ist widersprüchlich – wie deutlich wurde uns das in den vergangenen Monaten vor Augen geführt. Der Widerspruch, dazu muss man nicht Hegels „Phänomenologie des Geistes“ gelesen

­haben, ist der Ursprung vieler Entwicklungen. Er führt zur Veränderung. Verändern wir uns! Und fangen wir so an: ­Betrachten wir die Kunst von Michael Lauterjung. MARC PESCHKE

8. August bis 19. September 2020 M i c h a e l L a u t e r j u n g , „ D e r R e i z d e r B e r ü h r u n g“ G a l e r i e M i c h a e l W. S c h m a l f u s s , M a r b u r g www. galer ie-schmalf u ss. de 25 . Ok tober bis 2 2 . November 2020 Michael Lauter jung, „nat ürlich“ Kunsthau s Alte Mühle, Schmallenberg www. k unsthaus-alte-muehle. de 28. November 2020 bis 16. Januar 202 1 Anne Car nein und Michael Lauterjung „ B I O | S P H Ä R E N | R E S E R VA T “ Gale r ie 2 1 . 06, R ave nsburg www. galer ie 2 106. de www. michael-laute r jung. de

Michael Lauterjung, „Vereinzelte Jostabeeren“ (Detail), 2020, Acryl, Lack, Leinwand, Öl auf Holz, 142 x 103 cm, Courtesy: Galerie Michael W. Schmalfuss, Berlin / Marburg


Michael Lauterjung, „Große orange Schale“, 2018, Acryl, Lack, Leinwand, Öl auf Holz, 145 x 140 cm, Courtesy: Galerie Werner Bommer, Zürich

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EMIL NOLDE – DER ZAUBER DES KLEINEN FORMATS 64. JAHRESAUSSTELLUNG 2020 NOLDE STIFTUNG SEEBÜLL 25927 NEUKIRCHEN TEL. +49 (0)46 64-98 39 30

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08.06.20 11:45


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Die Brücke - M aler in Dangast, M oritzburg und auf Fehmarn

Sommerfrische – Badefreuden

Erich Heckel, „Windmühle bei Dangast“, 1909, Öl auf Leinwand, 71 x 80,5 cm, Wilhelm Lehmbruck Museum – Zentrum Internationaler Skulptur, Duisburg

Wo früher Künstler das Abseits, das ferne, unbetretene Paradies suchten, um zu malen, drängeln sich heute Wanderer und Fahrradfahrer. Es zieht sie zu jenen Originalschauplätzen, an denen berühmte Gemälde entstanden: Eine hoch aufragende Windmühle, ein mit Eichen bestandener Geestrücken, ein steil abbrechendes Meeresufer, ein verschwiegener Badeplatz im Schilf. Heute stehen dort Hinweistafeln. In Dangast leiten sie zu 19 „Künstlerblicken“. An den Moritzburger ­Teichen bei Dresden verweisen sie auf jene stillen Winkel, an denen Erich Heckel, Ernst Ludwig Kirchner und 1910 kurz auch Max Pechstein Gemälde schufen, die heute zum kost­ baren Besitz großer Museen weltweit gehören. Auf Fehmarn folgen sie den Spuren Ernst Ludwig Kirchners, der hier in den Sommermonaten 1912 bis 1914 sein „Südseeparadies“ fand. Der mit wachen Sinnen aufgesuchte „Kunstpfad“ wird zum

Ereignis: „Hier ist der ‚Deichdurchbruch‘ von Karl Schmidt-­ Rottluff entstanden; dort malte Heckel die ‚Dangaster Mühle‘; und auf diesem Hügel saß Kirchner mit seinem ­S kizzenbuch, als er das unbefangene Treiben seiner mädchenhaften Modelle einfing.“ Dangast: In den Sommermonaten zwischen 1907 und 1912 fand Karl Schmidt Rottluff, „umgeben von der rauhen Luft der Nordsee“ hier zu seinen farbstarken Bildern. „Die Gegend ist großartig. Man muss das alles unbedingt malen.“ Oft begleitete Erich Heckel, von Dresden kommend, den Freund und Brücke-Mitstreiter. Per Fahrrad erreichten sie, alle „Mal­ sachen“ auf dem Gepäckträger verstaut, die Motive – und es sind dieselben Wege, dieselben Haltepunkte, die heute den Kunstpfad bilden.

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© Nachlass Erich Heckel, Hemmenhofen


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Max Pechstein (1881–1955), „Freilicht“ (Badende in Moritzburg, bei Dresden), 1910, Öl auf Leinwand, 70 x 80 cm, Wilhelm Lehmbruck Museum, Duisburg

Der Bauer Heinrich Gröning, damals ein kleiner Bub, erzählte später: „Schmidt-Rottluff malte unser Haus. Meine Mutter fand das Bild schön: „Kann ich es tauschen für Eier?“ Sie ging zum Hühnerstall. Inzwischen kam ihr Mann hinzu, sah die Leinwand und entschied: „Wer mein Haus so malt, kriegt keine Eier.“ Was würde er wohl sagen, wenn er erführe, dass ein vergleichbares Werk kürzlich für mehr als drei Millionen Euro versteigert wurde? Den Dangaster Kunstpfad mit seinen 19 Stationen gibt es seit 2005. Im Sommer bietet Karl Heinz Martinß Führungen an: „Bei den Teilnehmern ist durchweg unbekannt, dass Dangast eine herausragende Stellung in der Kunstgeschichte einnimmt. Bilder, die hier entstanden, hängen heute in bedeutenden Museen.“ Höhepunkt jeder Führung: Das Franz Radziwill Haus in der Sielstraße 3. Besondere Stationen: die im Watt stehende grüne Meeresgöttin „Jade“ von Anatol Herzfeld, schließlich die rote Strandmauer und das mächtige, aus Backsteinen erbaute Sieltor.

Moritzburg: In den Sommermonaten der Jahre 1909 bis 1911 malten und zeichneten Ernst Ludwig Kirchner und Erich Heckel – 1910 stieß Max Pechstein zu ihnen – an den Moritzburger Teichen nördlich von Dresden. Gut zu erreichen – und doch abgeschieden. Von Radebeul fuhren die Künstler mit der Lößnitzgrundbahn los, gingen am Roten Haus, der Badeanstalt, vorbei und verschwanden zusammen mit ihren Modellen im Uferschilf des Dippelsdorfer Teichs. Heute kennzeichnet ein großes Schild den wunderschönen Wanderweg und alle Stationen, an denen Werke entstanden. Max Pechstein berichtete später von einem besonderen Ereignis im August 1910: Der ortsansässige Gendarm hatte die Maler und ihre Begleitung entdeckt, witterte „sittenwidriges Verhalten“ und beschlagnahmte ein Werk Pechsteins. Das „kriminalistische Objekt“ und sein Schöpfer erhielten schon bald eine Vorladung beim nahen Gericht. Die Verhandlung ging gut aus. Ein eher amüsierter Richter gab dem Beklagten die Freiheit zurück – und das Gemälde mit den Akten am Seeufer.


185 Freund schrieb er: „Das Eichenholz von dem gestrandeten Schiff wird immer verlockender für Plastiken.“ Es entstand ein „Frauenkopf, Kopf Erna“, heute Glanzstück der Sammlung Rif kind in Los Angeles. Zu einer anderen Arbeit hingegen notierte Kirchner: „Die Figur ist unfertig geblieben. Sie liegt heute in Fehmarn am Strand.“ Das Auge manch Wanderweg-Radfahrers streift vielleicht doch verstohlen über den weißen Sand. GERD PRESLER

Bis 10. Januar 202 1 F ra n z R a d z i w i l l – L i c h t s p i e l e Zum 1 25 . Gebur tstag des Malers F ra n z R a d z i w i l l H a u s , D a n g a s t w w w . ra d z i w i l l . d e

Ernst Ludwig Kirchner (1880–1938), „Ins Meer Schreitende“, 1912, Öl auf Leinwand, 146,4 x 200 cm, Staatsgalerie Stuttgart

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Fehmarn: Zwischen 1912 und 1914 verbrachte Ernst Ludwig Kirchner hier drei herrliche Sommer. Heute findet man an den Wanderwegen rund um die Ostseeinsel Schautafeln. Wer ­ihnen folgt, erlebt den Künstler als idealen Fremdenführer: Da sind die gewaltigen Steine am Südoststrand, geschliffen von den Kräften der Eiszeit. Da ist das vom steten Wind nieder­ gedrückte Wäldchen nahe der Abbruchkante zum Strand, wo sich Erna in der Sonne wohlfühlte. Und bis heute steht dort, 1903 in Betrieb genommen, der Leuchtturm von Staberhuk. Kirchner hat ihn gemalt. Und mit dem Leuchtturmwärter Friedrich Lüthmann, seiner Frau und ihren acht Kindern sang er immer wieder sein Bekenntnis in die untergehende Sonne: „Oh, Staberhuk, wie bist du herrlich, ein Glück im Winkel friedlich schön!“ Eine Begebenheit blieb unvergessen: Der Schoner „Marie“ schlug am 9. August 1912 leck und wurde von seinem Kapitän auf Sand gesetzt. Kirchner schwamm ­immer wieder hinaus, um Eichenbohlen zu holen. An einen



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18. Juli bis 25. Oktober 2020


Rober t Schad im Kärntner Museum Liaunig und der Wiener ar tmark galerie

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Tanzende Linien aus Stahl


Ausstellungsansicht Robert Schad >CAROUSSEL<, Museum Liaunig: Robert Schad, „LALIN“, 2020; „KETMER“, 2017 (Leihgabe des Zweckverbands O ­ berschwäbische Elektrizitätswerke [OEW], Ravensburg/Alb-Donau-Kreis, Ulm); „RUMM RUN“, 2020; „SIGALL“, 2020, Foto: Olaf Bergmann, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Robert Schads Interesse gilt es, Arbeiten für bestimmte Orte zu entwickeln. Seine Intention zielt dabei auf die Interaktion von Skulptur, Umraum und Betrachter. Auf Einladung des Kunstsammlers Herbert Liaunig gestaltet der 1953 in ­R avensburg geborene Bildhauer eine Ausstellung für das Skulpturendepot des in Südkärnten gelegenen Museum ­L iaunig. In Wien bespielt Robert Schad mit seinen Plastiken und Zeichnungen unter dem Titel „Linien“ die Räumlichkeiten der artmark galerie im barocken Palais Rottal. Die Architektur des Skulpturendepots im bereits unter Denkmalschutz stehenden Museum Liaunig – ein in Sicht­ beton ausgeführter Raumzylinder mit zwanzig Metern Durchmesser, aufgeset ztem Kegelstumpf und einem ­abschließenden runden Oberlicht, durch das Sonnenlicht in den archaisch wirkenden Raum fällt – inspiriert den Künstler zum Titel >CAROUSSEL<. Ausgehend von den Komponenten Raum, Bewegung und Licht entwickelt Robert Schad eine „Choreografie“ für sieben Stahlplastiken, die scheinbar dem kreisförmigen Lichteinfall, der im Tagesverlauf durch das ­Depot wandert, folgen.

Die „stählernen Tänzer“, drei davon sind für die Ausstellung neu entstanden, reihen sich um die zentral gelegene, ringförmige Arbeit RUMM RUN. Zentrifugisch tanzt das Licht mit der und durch die Gruppe, verändert stündlich seine Form, bricht sich in den Verstrebungen, wird verschluckt oder ref lektiert und erzeugt ein Spiel der Schatten, das an sich im Kreis drehende Figuren erinnert. Die Akustik steigert das sinnliche Raumerlebnis zusätzlich. Trotz ihrer physischen Unverrückbarkeit und Starre scheint es, als wären die massiven Stahlplastiken in Bewegung und könnten jeden Moment den Ort und ihre Form ändern. Robert Schad über das von ihm bevorzugte Material: „Stahl stellt sich mir entgegen, bietet mir Widerstand und ­fordert meine ganze körperliche und geistige Kraft heraus. Das ist der Grund, warum ich mit ihm arbeite. Ich nehme es mit ihm auf und will ihn zum Sprechen bringen.“ Der ­U rsprung seiner Plastiken, deren zentrales Gestaltungs­ element die Linie ist, liegt im automatischen Zeichnen. Die zweidimensionalen L ­ inien der Zeichnung werden umgeformt zu einem dreidimensionalen Objekt im Raum, indem der Bildhauer unterschiedlich lange Vierkantstahlstücke ­z usammenschweißt, deren Verbindungen nach dem Verschleifen wie Gelenke erscheinen.

Robert Schad, „SIGALL“, 2020, Ausstellungsansicht >CAROUSSEL<, Museum Liaunig, Foto: Olaf Bergmann, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Der Dialog zwischen den Materialien Beton und Stahl ist für den Künstler interessant. Die Lebendigkeit der rötlich-­ br au nen Ober f läche des ox id ier ten V ierk a nt st a h ls verstärkt die Wirkung der Arbeiten: Rote Linien aus Stahl, die sich scheinbar tänzerisch leicht im Raum bewegen, fast über dem Boden schweben und diesen nur an wenigen Punkten berühren.

Ergänzend zu seiner Ausstellung im Skulpturen­depot, die bis 31. Oktober zu sehen ist, zeigt Robert Schad eine Auswahl ­a ktueller Zeichnungen im Schaudepot des Museum Liaunig. E L I S A B E T H WA S S E R T H E U R E R

Robert Schad während des Aufbaus der Ausstellung >CAROUSSEL<, Museum Liaunig, Foto: Olaf Bergmann, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

und deren perspektivischen Überraschungsmomenten gelingt, seine Anliegen und eröffnenden Impulse auf „Linien“ zu bringen. Die Ausstellung wird am 14. August eröffnet und ist bis 3. Oktober zu sehen. JOHANNES HALLER

Bis 31. Ok tober 2020 Rober t Schad >C A ROUSSEL< Museum Liaunig ∙ 9155 Neuhaus 4 1 Mi bis So 10 bis 18 Uhr www. mu se umliaunig. at E rö f f n u n g : 1 4 . A u g u s t 2 0 2 0 , 1 8 U h r Bis 3 . Ok tober 2020 Rober t Schad

„ L i n i e n“

ar t mark gale r ie ∙ Palai s R ot tal S i n g e r s t ra ß e 1 7 ∙ 1 0 1 0 W i e n D o , F r, S a 1 1 b i s 1 8 U h r + n a c h Ve r e i n b a r u n g www. ar t mark. at

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In der Wiener artmark galerie, deren Programm sich vorwiegend für die geometrische, konkrete und reduzierte Kunst engagiert, wird Robert Schad nach zehn Jahren der Zusammenarbeit nun auch unter neuer Galerieführung eine Einzelausstellung gewidmet. Unter dem Titel „Linien“ inszeniert der Künstler seine unverwechselbaren Stahlplastiken und führt den Beweis, dass diese auch in begrenzten Innenräumen ihre Reize und Wirkungen entfalten. Die auch in kleineren Dimensionen gewichtigen Werke treten unmittelbar mit der umgebenden Architektur der drei Galerieräume in Dialog und behaupten mit den in den Raum gezeichneten Plastiken die Leichtigkeit der Linienführung und zugleich kraftvolle Präsenz. Die ­einzelnen Werke, ihr dynamischer Charakter, die Wechselwirkungen in jeder Umgebung zeigen auch in dieser Ausstellung nicht nur die bildnerische Macht des Künstlers, sondern auch seine Meisterschaft im Verorten und in Bezug setzen. Die Ausstellung der teilweise Werkstatt-frischen Plastiken wird durch Lack- und Handzeichnungen ergänzt, die beweisen, dass es dem Künstler abseits der dritten Dimension


Festival La Gacilly-Baden Photo 2020 „Im Osten viel Neues“

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Das größte Outdoor-Fotofestival Europas macht zum dritten Mal Station in Baden bei Wien. Vom 1 4 . Juli, dem fran­zösischen Nationalfeiertag, bis 26. Oktober 2020, dem ­österreichischen Nationalfeiertag, begeistert das Festival als Kommunikator von Themen mit stark humanistischer Orientierung die Besucher. 33 Ausstellungen widmen sich 2020 verschiedensten Aspekten der Beziehung zwischen den Menschen und ihrer Umwelt. Eingebettet in den öffentlichen Raum sind 2.000 Fotografien im Großformat von den weltbesten Fotografinnen und Fotografen zu sehen. Wie Perlen an einer Kette reihen sich die Ausstellungen unter dem Motto „Im Osten viel Neues“ auf einer Länge von sieben Kilometern durch die Parks und Gärten und die Innenstadt von Baden. Die ästhetische Magie der Bilderzählungen lässt Gartenkunst und Fotokunst zu einem harmonischen Gesamtkunstwerk verschmelzen, das 2019 270.000 fotobegeisterte Besucher anzog. Das diesjährige Motto „Im Osten viel Neues“ hat zwei Erzählkreise: „Renaissance“ und „Niemals aufgeben“. Re­ naissance oder Wiedergeburt steht für das Bekenntnis und das Bewusstsein der ausstellenden Fotografinnen und Fotogra­fen, mit ihren Arbeiten für unseren Planeten Erde ­einzutreten. Mit zeitgenössischer Fotografie wird ihre einzigartige Schönheit ebenso beschrieben wie die Gefahren, die dem Blauen Pla­neten und der Menschheit drohen. Wieder­ geburt bedeutet folgerichtig die Erfüllung der Hoffnung auf

Veränderung zum Guten. In diesem Sinne steht das Erinnern an den Auf bruch des Ostens als ganz wunderbares Beispiel dafür, wie vor 30 Jahren der Wind der Freiheit G ­ lasnost (Offen­heit) und ­Perestroika (Umgestaltung) ­f reisetzte und damit die M ­ o­dernisierung des gesellschaft­lichen, politischen und wirtschaftlichen Systems der Sowjetunion ermöglichte. Dies führte schließlich zum Ende des Kalten Krieges und in Folge zu einem bemerkenswerten Kreativschub zeitgenös­ sischer Fotografie in Russland und den Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR, den das F ­ estival unter dem Titel „Im ­Osten viel Neues“ würdigen und feiern will. Die beiden komplexen Erzählungen werden von 31 Fotografinnen und Fotografen, einem Fotografenkollektiv der Landesinnung NÖ und 13 Schulen in Niederösterreich visualisiert, verbunden mit einem Plädoyer für Frieden, ­Toleranz und Miteinander. S I LV I A L A M M E R H U B E R

Bis 26. Ok tober 2020 Fest ival L a Gac illy-B aden Photo 2020 „ I m O s t e n v i e l N e u e s“ Baden bei Wien www.fest ival-lagac illy-baden. photo

© Sergei Prokudin-Gorski / Festival La Gacilly-Baden Photo 2020


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Lois Lammerhuber, Foto: © Francis Giacobetti

Niemals aufgeben! Baden bei Wien wird zur Open-Air-Galerie Zwar wurde der Starttermin verschoben, doch nun findet das Festival La Gacilly-Baden Photo, das größte Outdoor-­ Fotofestival Europas, endlich statt. Kooperationspartner ist La Gacilly, ein 2000-Einwohner-Ort in der Bretagne, wo es schon seit 2003 ein Outdoor-Fotofestival gibt. Bis zum 26. Oktober sind nun auch in Baden bei Wien Foto­ ausstellungen im öffentlichen Raum zu erleben – bei freiem Eintritt. Baden wird zum dritten Mal zur Bilder-Stadt, zur Open-Air-Galerie – mit etwa 2000 Arbeiten von 33 Foto­ grafinnen und Foto­grafen, die auf fast sieben Kilometer Länge zu sehen sind. Marc Peschke sprach mit Lois Lammerhuber, Fotograf, Verleger, Initiator und Festival-Direktor … ARTMAPP: Lieber Herr Lammerhuber, hätten Sie gedacht, dass das Festival stattfinden kann? Lois Lammerhuber: Die Antwort ist ein überzeugtes JA. Das mag vermessen klingen, aber wenn ich als Letztverantwort­ licher für sozusagen Alles nicht daran glaube, wer dann? Ich habe auch dafür gerackert wie nie zuvor in meinem Leben. Der Lockdown war für meine Mitarbeiter und mich höchst ­i ntensives Arbeiten ohne zu wissen, ob das zu einem guten Ende führt. Schlaflose Nächte hatte ich keine. Dazu war ich zu müde. ARTMAPP: Zwei besondere Themenschwerpunkte sind diesmal der Auf bruch des Ostens – „im Osten Viel Neues“ und „Renaissance“. Was wird man in Baden sehen können? LL: NIEMALS AUFGEBEN! So lautet das Motto, das die ­ rbeiten der Fotografen der beiden Bilder-Zyklen vereint. A Renaissance steht für das Bekenntnis und das Bewusstsein

der ausstellenden Fotografen, mit ihren Arbeiten für unseren Planeten Erde ebenso einzutreten wie Festival-Gründer ­J acques Rocher mit seinem gigantischen 100-Millionen-­ Bäume-Aufforstungsprojekt „Plant for the Planet“. ARTMAPP: Im vergangenen Jahr hatten Sie 270.000 Besucher. Rechnen Sie in diesem so ­besonderen Jahr mit einem Besuchereinbruch? LL: Das erste Wochenende hat uns mit einem wahren ­ esucheransturm überrascht. Obwohl das Wetter regnerisch B war, durften wir 8.072 Besucher begrüßen und zählen. Ich bin ­s icher, das ist ein erstes gutes Zeichen, dass das Festival ­a ngekommen ist und die Menschen es lieben und brauchen, Kultur zu genießen. ARTMAPP: Sie verstehen das Festival ausdrücklich auch als „Plädoyer für Frieden, Toleranz und ­M iteinander, getragen von humanistischer ­Gesinnung“. Wie kann man diesen hohen ­A nspruch bei einem Festival einlösen? LL: Durch absolute Integrität und Qualität der ausgestellten Fotografen und deren Arbeiten, durch erklärende Texte, die nie mit erhobenem Zeigefinger formuliert sind. Ich denke, dass alle Besucher das spüren, die bereit sind, mit offenen ­Augen und offenem Herzen durch das Festival zu gehen. ARTMAPP: Zu sehen sein werden unter anderem Arbeiten von Gerd Ludwig, Ute und Werner Mahler sowie Sibylle Bergemann. Welche Position ist Ihnen besonders wichtig? LL: Ich liebe alle gleich – nicht nur der Qualität der Arbeiten ­ egen sondern auch der freundschaftlichen und wertschätw zenden Beziehungen zu ihnen.


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Museum im Kulturspeicher Würzburg Schupmann Collection – Fotografie in Westdeutschland 8 . Aug ust bis 25 . Ok tober 2020

Etwa 700 Schwarz-Weiß-Fotografien hat der Mediziner ­M ichael Schupmann zu einer exquisiten Sammlung zusammengetragen: angefangen bei den Mitgliedern der Gruppe „fotoform“, die nach dem Zweiten Weltkrieg durch ungewohnte Sichtweisen und Dunkelkammerexperimente auf sich aufmerksam machten, über die Reportagefotografie einer Barbara Klemm oder eines Will McBride bis hin zu den Ar­ beiten des Digitalpioniers Andreas Müller-Pohle. Dabei hat Schupmann diese Sammlung nicht mit musealem Anspruch aufgebaut. Seine Sicht als Amateurfotograf und Foto­ grafieliebhaber seit seiner Tübinger Studienzeit in den 1970er-Jahren war und blieb eine persönlich geprägte; dies zeigt sich daran, dass er zu fast allen Fotografen seiner Sammlung den persönlichen Kontakt suchte; ihn interessierten immer auch die Geschichten hinter den Bildern. So ist es Schupmann gelungen, seit Beginn seiner ­S ammeltätigkeit Ende der 1980er-Jahre Fotografien vieler wichtiger deutscher Autorenfotografinnen und -fotografen und aller nennenswerten künstlerischen Strömungen in Westdeutschland nach 1945 (und im Wesentlichen bis 2000) zusammenzutragen: „Subjektive“ und inszenierte Fotografie, Arbeiten des Visualismus der 1980er- und 1990er-Jahre, ­berührende Reportagefotografien und nüchterne Dokumentaraufnahmen sind ebenso vertreten wie bedeutende Werke der Mode- und Sachfotografie. Konkrete und generative Fotografien bilden ein Bindeglied zum Bestand der Sammlung Ruppert im Museum im Kulturspeicher Würzburg. Dabei beruht die konzentrierte Kraft der Sammlung Schupmann auch auf der Tatsache, dass sie auf analoge Schwarz-Weiß-Foto­ grafie fokussiert ist und neuere Entwicklungen – etwa die farbigen Großformate der Düsseldorfer Becher-Schule und weitgehend die digitale Fotografie – ausklammert.

Verena von Gagern, „Barbara“, 1979, © Verena von Gagern

Die Sammlung ist also durchaus schon historisch zu nennen. Mit einer Auswahl von rund 200 faszinierenden Einzel­ bildern erlaubt die Ausstellung einen Streifzug durch die Geschichte der Schwarz-Weiß-Fotografie in Westdeutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Bei aller Verschiedenheit haben die Aufnahmen eines gemeinsam: ihre hohe künstlerische Qualität. Gerade dadurch öffnen sie einen neuen Blick auf die Welt voll überraschender Perspektiven und tiefer Einblicke. HENRIKE HOLSING

Peter Keetman, „Spiegelnde Tropfen“, 1950, © Nachlass Peter Keetman, Stiftung F.C. Gundlach, Hamburg

w w w . k u l t u r s p e i c h e r. d e


197 Alber tina M odern eröf fnet mit drei M onaten Verspätung

Sanfter Exorzismus am Karlsplatz

Albertina Modern, Außenansicht, Foto: Rupert Steiner

Details der Renovierung erstand hier im März 2020 auf fast wundersame Weise ein glanzvoll renoviertes Kleinod, das die Nachbarschaft mit Secession, Oper und Konzerthaus nicht scheuen braucht. Die „Albertina Modern“, die nun als De­ pendance der traditionsreichen Albertina ins Künstlerhaus eingezogen ist, soll einmal, so Direktor Klaus Albrecht Schröder, zum „dritt- oder viertbestbesuchten Museum Wiens“ werden. Während er durch die aufwendig sanierte Treppenhalle und die Säle mit insgesamt rund 2.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche führt, spricht Schröder viel über „Exorzismus“, die Austreibung des nationalsozialistischen Ungeistes, die er mit der Eröffnungsausstellung „The Beginning − Kunst in Österreich von 1945 bis 1980“ vornehmen wolle. Mit knapp 400 Werken widmet sich diese Ausstellung dem künstlerischen Neubeginn nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges,

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Die Albertina Modern ist ein Hochglanzprojekt auf dem musealen Niveau klassischer Sammlungen, und das irritiert erst einmal. Denn hier erhält Kunst wie der Wiener Aktionismus, der oft allem Repräsentativen entgegengesetzt war, plötzlich ganz unironisch einen solch repräsentativen Rahmen. Durch diese Widersprüchlichkeit könnte sich andererseits ein besonders interessanter Ort ergeben. Das berühmte Wiener Secessions-Gebäude an der Westseite des Karlsplatzes wurde 1938, nach der deutschen Annektierung Österreichs, unter einer „Gesamtverwaltung“ aller Wiener Kunstvereinigungen gleichgeschaltet. Diese hatte ihren Sitz auf der anderen Seite des Platzes, im Künstlerhaus. Dieses Gebäude, direkt neben dem Musikverein gelegen, spielte aber eine unrühmliche Rolle während der NS-Zeit, auch als letzte Station der Ausstellung „Entartete Kunst“. Immerhin aber handelt es sich beim Künstlerhaus nicht um NS-Architektur und damit, anders als bei Hitlers „Haus der Deutschen Kunst“ in München, nicht um eine städtebauliche Altlast. War es in den 1860er-Jahren durch den Architekten August Weber im Stil einer italienischen Renaissancevilla errichtet worden und mehrfach erweitert. Erst nach Jahrzehnten der Vernachlässigung und jahrelangem Hickhack um die


Valie Export, „Aktionshose: Genitalpanik“, 1969/2001, S/W-Fotografie, Baryt auf Aluminium, ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection © Bildrecht, Wien, 2020

rechte Seite: Günter Brus, „Selbstbemalung II“, 1965, S/W-Fotografien von Ludwig Hoffenreich aus einer 20-teiligen Serie, ALBERTINA, Wien – The ESSL Collection © Günter Brus

der über Jahrzehnte „kaum mehr als ein modernisierter Traditionalismus“ mit prominenten Projektionsfiguren wie dem Bildhauer Fritz Wotruba (1907−1975) gewesen sei, so Schröder. Schon deshalb bedürfe es dringend eines „neuen Kanons“. Die Eröffnung der Albertina Modern ist nun „die erste Ausstellung überhaupt“, die schlechthin nichts von Wotruba und Konsorten zeige – stattdessen viele Künstler, die noch bei Wotruba an der Kunstakademie studiert und sich dann über alle stilistischen, kunsttheoretischen und politischen Grenzen hinweg im Kampf gegen das Erbe des Faschismus vereint hätten: Otto Muehl, Arnulf Rainer, Günter Brus, Valie Export, Birgit Jürgenssen, Hermann Nitsch, Maria Lassnig oder Alfred Hrdlicka sind mittlerweile Namen von internationalem Rang. Schröder nennt sie „die wahre österreichische Avantgarde“ aus Wiener Aktionismus, konkreter sowie feministischer Kunst und Art Brut, die in Österreich länger als anderswo als „entartet“ gegolten habe. Besonders wertvoll und interessant erscheint der Überblick dort, wo er die weniger prominenten Größen der Wiener Szene in den Blick rückt, etwa Martha

Jungwirth, die mit ihren wundersamen großformatigen, halb­abstrakten Bleistiftzeichnungen in der Ausstellung zu sehen ist. Desgleichen die großformatigen Zeichnungen der „Gesichtsbildungen“ von Florentina Pakosta, der über Österreich hinaus kaum bekannte Pop-Art-Maler Robert Klemmer, dessen Selbstporträt als „Laufender“ das Plakat zur Aus­ stellung ziert, oder die gewaltdurchtränkten Malereien des zeitweiligen Wiener Aktionisten Adolf Frohner. Zu den ­E ntdeckungen gehören aber auch unbedingt Padhi Fried­ bergers neodadaistische Materialassemblagen, die teilweise aus den 1950er-Jahren stammen und damit deutlich vor vergleichbaren Positionen in den USA (Rauschenberg) oder Westdeutschland liegen. Ebenso sehenswert die fragile ­Maschinenästhetik von Bruno Gironcoli oder die Bilderserien der Druckgrafikerin Auguste Kronheim, die die Geschichte der Frauendiskriminierung in die Ästhetik von Stunden- und Märchenbüchern übertragen hat. Die stilistische und ästhetische Vielfalt, die sich seit den 1960er-Jahren in Österreich versammelt, ist bemer­ kenswert – gerade im Vergleich mit der Entwicklung in Deutschland, wo nicht zuletzt infolge der Teilung über Jahrzehnte eine ideologische Entf lechtung des Kunstfeldes stattfand. Doch die barocke Wortwahl vom „Exorzismus“ wirkt trotzdem antiquiert, Wiener Aktionismus und feministische Kunst gehören auch in Österreich und trotz zeitweiliger Regierungsbeteiligung der FPÖ inzwischen längst zum kulturellen Establishment.


199 Essl zu verhindern. Die Kanonisierung der „wahren Avantgarde“ hätte auf sich warten lassen. So wurde schließlich gleich die ganz große Lösung daraus. Haselsteiner übernahm die Kosten von mindestens 50 Millionen Euro für die Sanierung des alten Künstlerhauses und kommt unbefristet für den Unterhalt des Gebäudes auf. Bedenken wischt Klaus Albert Schröder e­ nergisch beiseite. Dass Leihgaben an öffentliche Museen zum Zweck der Wertsteigerung genutzt und bei günstiger Marktentwicklung schnell wieder abgezogen ­werden, sei ein „deutsches Problem“ und in Österreich noch nie vorge­kommen, behauptet er. Bis ins Jahr 2047 sind Hasel­ steiners Leihgaben nun festgeschrieben – danach entscheiden seine Erben. Bis auf Weiteres darf die Albertina in ihren nunmehr zwei Häusern also einen überaus illustren und qualitativ hochstehenden Querschnitt der europäischen Kunst­ geschichte vorführen, von Dürers „Feldhasen“ bis Erwin Wurm. Unterhaltsam ist es in jedem Fall! CARSTEN PROBST

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Für die historisch vor allem auf Papierarbeiten spezialisierte Sammlung der Albertina bedeutet die Eröffnung der Albertina Modern einen historischen Einschnitt, der im Vorfeld auch nicht immer begrüßt und ihr von manchen nur bedingt zugetraut wurde. Klaus Albrecht Schröders Strategie war es seit seinem Amtsantritt, die Albertina zu einem Sammler­ museum zu machen, sie also durch aktives Anwerben von bedeutenden Privatsammlungen beständig auszubauen. So machen nun auch die Restbestände der Sammlung Essl ­einen zentralen Teil der Sammlung der Albertina Modern aus. Insbesondere für die Dauerleihgaben des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner, der sich mit der Albertina Modern den Traum eines von öffentlicher Hand geführten Sammlermuseums mit internationalem Rang erfüllt, gilt, dass man sie nicht zwingend in der Albertina verorten ­w ürde. Am Ende ­erschien das Public Private Partnership von Albertina und Haselsteiner offenkundig als der einzige gangbare Weg, um die vollständige Zerschlagung der Sammlung


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Hannah Schneider, Gustav-Weidanz-Preisträgerin der BURG 2019, „Dancing in a Curtain“, Faltenwürfe aus dunkler Keramik, Ausstellungsansicht Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), bis 30. August 2020, Foto: Max Méndez, Michel Klehm, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Ursprünglich bezeichnete der Begriff Skulptur nur geschnitzte oder gemeißelte Bildwerke. Waren sie durch Auftragen oder Modellieren entstanden, sprach man von Plastik. Heute werden beide Begriffe als Spielarten der Bildhauerei zumeist synonym verwendet, und insgesamt hat sich der Begriff deutlich erweitert: Es gibt Videoskulpturen, Rauminstallationen und zahlreiche Formate, die die Gattungsgrenzen sprengen, mit Medium und Material gleichermaßen spielen. Dazu zählt auch die junge Bildhauerin Hannah Schneider (*1984), die mit dem 20. Gustav-Weidanz-Preis für Plastik der Burg ­Giebichenstein Kunsthochschule Halle geehrt wird. Ihre ­I n­stallation im historischen Festzimmer des Kunstmuseums Moritzburg spielt mit textiler Haptik, die in keramische

Schwere verkehrt wird, mit den Überbleibseln des Tanzes, zu der der Betrachter eine eigene Choreographie entwickeln mag. Schneider steht damit für eine Unbekümmertheit, die ­Tra­ditionen abgestreift hat. Skulptur kann, wie wir anhand von Thomas Dut­ten­ hoefer, Madeleine Dietz, Claus Bury, Erwin Wortelkamp, Robert Schad, Sean Scully oder Priska von Martin (1912–1982) zeigen, die unterschiedlichsten Ausprägungen annehmen. CHRIS GERBING

www. k un st mu se um-mor it zburg. de

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Nur Skulptur von Hannah Schneider Textile Haptik, keramische Schwere


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Museum fĂźr Neue Kunst, Freiburg

Priska von Martin


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linke Seite: Priska von Martin mit „Rotem Mädchen“ im Schnee auf Sockel vor gelbem Holzschuppen, 1968, Foto: Bernhard Dörries © SOS-Kinderdorf e.V. als Rechtsnachfolger im Nachlass Priska von Martin

der Abstraktion, ihre Hauptthemen waren aber Frauenkörper, Pferde, Rentiere und Reiterfiguren, in denen Mensch und Tier zur Einheit verschmelzen. Priska von Martin zeigte Mensch und Tier in ihrer ganzen Verletzlichkeit. Ihre Figuren sind oft Fragment, die Oberf lächen schrundig, die Spuren des Werdens und der Bearbeitung deutlich sichtbar. Zwar arbeitete sie überwiegend im kleinen Format, doch strahlen ihre Plastiken eine gewisse Monumentalität aus. Sie zeigen die ganze Schönheit, aber auch die ganze Wucht, bisweilen gar Brutalität der Existenz. Priska von Martin hat ihre Arbeiten nicht datiert, immer wieder hat sie sie weiterbearbeitet. Es ging ihr nie darum, viele Auflagen gießen zu lassen, sondern eher um das Einzelstück in seinem prozesshaften Entstehen. Dass sie damit überhaupt nicht kunstmarktaffin war, ist vielleicht auch ein Grund dafür, dass sie heute so unbekannt ist.

Priska von Martin, „Keulengesicht“, Foto: Axel Killian © SOS-Kinderdorf e.V. als Rechtsnachfolger im Nachlass Priska von Martin

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Wieder einmal gilt es, eine Künstlerin neu zu entdecken: Priska von Martin (1912−1982). 1955 nannte Klaus Jürgen-Fischer sie in einem Artikel für die Zeitschrift „Das Kunstwerk“ noch in einem Atemzug mit Barbara Hepworth, Germaine Richier und Renée Sintenis. Priska von Martin ist diejenige, die von den vieren in Vergessenheit geraten ist, und das obwohl sie nicht nur in namhaften Galerien ausstellte, sondern auch regel­mäßig an internationalen Ausstellungen beteiligt war. Das Museum für Neue Kunst in Freiburg im Breisgau widmet ihr nun in Kooperation mit dem Gerhard-Marcks-Haus in Bremen eine längst überfällige Einzelpräsentation und zeigt eine Künstlerin, die eine durchaus zeittypische, aber ganz ­eigenständige Formensprache gefunden hat. Ab 1931 studierte Priska von Martin an der Akademie der Bildenden Künste München Bildhauerei, was in dieser Zeit durchaus ungewöhnlich für eine Frau war, galt doch die Bildhauerei noch immer als Männerdomäne. Dort erlernte sie den Bronzeguss, den sie fortan überwiegend anwendete. ­Nebenher nahm sie Unterricht bei dem renommierten Bildhauer Toni Stadler, den sie 1942 heiratete. Priska von Martins Formensprache ist irgendwo zwischen Rückgriffen auf antike Formen und modern-abstrahierender Formreduktion anzusiedeln. In den frühen 1960er-Jahren gab es eine kurze Phase


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Umso erstaunlicher erscheint eine performative Aktion wie die „Roten Mädchen“, die sie Ende der 1960er-Jahre gemeinsam mit dem Filmemacher und Fotografen Bernhard Dörries durchführte. Die „Roten Mädchen“ waren 17 fast lebensgroße gezeichnete Frauenakte auf rotem Grund, gestützt von Holzkonstruktionen. Von Martin stellte sie an verschiedenen Orten – vom Königsplatz bis zur Kieswüste – in München auf, Dörries fotografierte die Aktion. Seine Fotografien sind ihr einziges Zeugnis, denn die Pappmädchen hat Priska von Martin anschließend verbrannt.

Etwa zur selben Zeit entstanden auch einige Arbeiten im Aluminiumguss, die mit ihren eher glatten Oberflächen gänzlich anders erscheinen als die Bronzen. Darunter „No No San“, eine überlebensgroße gesichtslose, surreal anmutende ­F rauenfigur. Auch sie stellte von Martin in die Kieswüste. Bernhard Dörries Schwarz-Weiß-Foto der Aktion vermittelt eine befremdliche Endzeitstimmung. Das Museum für Neue Kunst kann diese Ausstellung aus der eigenen Sammlung bestücken, denn es bewahrt von Priska von Martin über 60 Plastiken und 230 Arbeiten auf Papier, darüber hinaus über 1.000 Fotos. Die Ausstellung ist im 360°-Rundgang auch online zu sehen. KIM BEHM

Bis 13. September 2020 Mu se um f ür Ne ue Kun st, F re iburg im B re i sgau www. f re iburg. de 20. Juni bis 29. August 202 1 G e r h a rd - M a r c k s - H a u s , B r e m e n www. marck s . de

Ausstellungsansicht „Priska von Martin“, Museum für Neue Kunst – Städtische Museen Freiburg, Foto: Bernhard Strauss, © SOS-Kinderdorf e. V. als Rechtsnachfolger im Nachlass Priska von Martin


Priska von Martin, „No No San“, 1969/70, in der Kieswüste München-Ost, Foto: Bernhard Dörries © SOS-Kinderdorf e.V. als Rechtsnachfolge im Nachlass Priska von Martin

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S i l k e Wa g n e r s e t z t d e r G e s c h i c h t e des B ergbau s ein Denk mal: D a s m o n u m e n t a l e Wa n d m o s a i k a u f d e m F a u l t u r m d e r e­ h e m a l i g e n K l ä ra n l a g e i n H e r n e e­ r z ä h l t v o m e r s t e n g ro ß e n M a s s e n s t r e i k der B erg männer 18 89 bis zur polit ischen E ­ ntscheidung der Einstellung der Steinkohlesubvent ionen . Silke Wagner, „Glückauf. Bergarbeiterproteste im Ruhrgebiet“, 2010, Foto: Henning Rogge

Emscherkunstweg: Kunst für alle jederzeit Kunst in Zeiten der Pandemie? Am besten draußen im öffentlichen Raum! Der Skulpturenweg an der Emscher erlaubt eine Auseinandersetzung mit Kunst an der frischen Luft bei genügend Abstand. Das Kooperationsprojekt von Urbane Künste Ruhr, Emschergenossenschaft und Regionalverband Ruhr ist kostenfrei und rund um die Uhr für alle Menschen da. Zurzeit sind 18 permanente Arbeiten auf dem Emscherkunstweg zu sehen. Hervorgegangen ist der Bestand aus dem temporären Ausstellungsformat Emscherkunst, das seit 2010 den Umbau des Abwassersystems Emscher begleitet hat. Das Generationenprojekt Emscher-Umbau setzt die Emschergenossenschaft seit 1992 um: Über einen Zeitraum von drei Jahrzehnten ­erhält jeder ehemals offene Schmutzwasserlauf ein unterirdisches Pendant. Von der Emscherquelle in Holzwickede bis zur Mündung in den Rhein bei Dinslaken erzählt der Fluss so von der bewegten Industriegeschichte des Ruhrgebiets und einem der größten Renaturierungsprojekte Europas. Anstelle des Naturschönen reflektiert die Kunst an der Emscher die raue Geschichte der Unterwerfung der Natur ­unter die Bedürfnisse der Industrie und den darauffolgenden Strukturwandel. Da tanzt ein Strommast in Oberhausen aus der Reihe und eine bunte Spiralbrücke windet sich über den

Rhein-Herne-Kanal. In Herne wird die Geschichte des ­B ergbaus aus der Sicht der Arbeiterbewegung erzählt, in Bottrop ist eine ganze Kläranlage in einen Kunstraum ­verwandelt und in Dortmund wird ein Haselnusshain am ­Autobahnzubringer zum Verweil-Ort. Skulpturale Arbeiten von Tadashi Kawamata, Rita McBride oder atelier le balto sind unter den permanenten Werken. Sukzessive werden unter der künstlerischen Leitung von Britta Peters und Marijke ­Lukowicz als Kuratorin weitere Positionen ergänzt, die die Bandbreite des bisher gezeigten Skulpturenbegriffs erweitern. Im Gespräch für mögliche Neuproduktionen für den ­Emscherkunstweg sind unter anderem die in London lebende Bildhauerin Nicole Wermers und der performativ-multi­ medial arbeitende Künstler Julius von Bismarck aus Berlin. Am besten lässt sich die Kunst an der Emscher mit dem Fahrrad erleben. Auf dem gut 101 Kilometer langen Radwanderweg Emscher-Weg verläuft auch der Emscherkunstweg. Manchmal muss man allerdings ein wenig vom Weg abkommen, um die Kunst zu entdecken. Geführte Radtouren finden sonntags von April bis Oktober statt. Alle Termine und Infos unter www.emscherkunstweg.de Der Emscherkunstweg ist eine Kooperation von U ­ rbane Künste Ruhr, Emschergenossenschaft und Regionalverband Ruhr und steht unter der Schirmherrschaft von Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW. Gefördert durch das Ministerium für Kunst und Wissenschaft des Landes NRW.


D e r t a n z e n d e S t ro m m a s t „ Z a u b e r l e h r l i n g“ vom Künstlerkollek t iv Inges Idee ist mit einer Höhe von 35 Meter weithin sichtbar und er inner t an den ­u n b e l e h r b a r e n G e i s t a u s d e m b e r ü h m t e n G e d i c h t . Inges Idee, „Zauberlehrling“, 2013/19, Foto: Henning Rogge

In 496 Aluminiumbögen s c h w i n g t s i c h d i e S p i ra l b r ü c k e „ S l i n k y S p r i n g s t o F a m e“ v o n To b i a s R e h b e r g e r l ä s s i g über den R hein-Her ne-Kanal in Oberhausen. Die wechselnden bunten Felder des Br ückenbodens animie re n nicht nur Kinde r zum Dr überhüpfen! Tobias Rehberger, Foto: Henning Rogge

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„Slinky Springs to Fame“, 2010,


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M eister werke und Skulptur in Wupper tal

Über die Schönheit oben: Sean Scully, „Grid“, 2019, Aluminum und Filz, rechts: Sean Scully, „Untitled (Stack)“, 2020, Murano Glas, Ausstellungssansicht im Skulpturenpark Waldfrieden, Foto: Reiner Brouwer


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Adrian Ludwig Richter, „Mädchen auf der Wiese“, um 1826, Leinwand, 35 x 47,5 cm, Von der Heydt-Museum, Wuppertal

Das 1922 entstandene Gemälde „An die Schönheit“ von Otto Dix schenkt der aktuellen Ausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum ihren schönen Titel und steht zugleich für deren Leitgedanken. Der neue Direktor des Hauses, Roland Mönig, hatte schon alles geplant, als ihm Corona im April (vorläufig) einen Strich durch die Rechnung machte. Inzwischen ist die von Antje Birthälmer konzipierte Ausstellung aber geöffnet und bezaubert mit ihren Schätzen aus der Sammlung des 1902 gegründeten Museums. Die Besucher können nun an den chronologisch gehängten Meisterwerken entlang die Kunst der vergangenen 200 Jahre entdecken: Claude Monets Impressionen, Paul ­Signacs getüpfelte Segelboote im Hafen von Saint-Tropez oder Paula Modersohn-Beckers „Sitzenden Mädchenakt mit ­Blumenvasen“, Ernst Ludwig Kirchners zackig lang gestreckte Frauen in einer Berliner Straße oder Franz Marcs schlafenden Fuchs. Sie alle repräsentieren nicht nur wichtige Epochen und Stilrichtungen auf dem Weg der künstlerischen Moderne, die Gemälde verkörpern auch jedes für sich ein spezifisches, unverwechselbares Konzept von Schönheit. Schönheit der Malerei, des Motivs, der Komposition und der Farben, Ein­ zigartigkeit von Stimmung und Atmosphäre oder des Kunstwollens. Pierre Bonnards „Esszimmer mit weißer Tischdecke“ mit dem in die Fläche gekippten Tisch und Paul Gauguins „Stillleben mit exotischen Vögeln“, ebenfalls auf weißer Tischdecke den Betrachtern dargeboten, führen einen malerischen Dialog über Fläche und Raum. Ähnlich wie Gustave Courbets „Felsenküste bei Étretat“ mit Monets „Blick auf das Meer“, die eine Idee davon vermitteln, was die Künst ler auf ihrem Weg in die Abst rakt ion damals ­beschäftigte. Cézanne, Toulouse-Lautrec, van Gogh, Expressionismus und Kubismus, Blauer Reiter, Kirchner und Picasso, Munch und Beckmann, Neue Sachlichkeit, Dix, Surrealismus, Max Ernst, Dalí ... Bis in die Nachkriegszeit hinein reicht diese


211 sich an der Schönheit entlang arbeitende Ausstellung. Paul Klee, Willi Baumeister, Ernst Wilhelm Nay und ihre Kollegen gehören zu den Wegbereitern der Abstraktion in Europa, aber auch die reduktionistischen Tendenzen der US-amerikanischen Farbfeldmaler und die Fortsetzung der abstrakten Kunst bis in den 1990er-Jahren finden ihren Platz. 110 Künstler mit 150 Gemälden und 15 Skulpturen erinnern daran, was für ein Geschenk es ist, sich von und mit Kunst sinnlich und emotional berühren zu lassen. Und weil man gerade schon in Wuppertal ist, sollte man auch den Weg zum Skulpturenpark Waldfrieden finden, in dem der Bildhauer Tony Cragg seit einigen Jahren Arbeiten von Kollegen eine großartige Bühne bietet. In diesem Jahr sind es Skulpturen des irischen Malers Sean Scully. Horizontale und vertikale Streifen, Farbblöcke, Farbbänder, Farbraster bestimmen die Bilder, die Scully in oftmals großen Formaten von Hand malt. Stets sind es neben den Farben die Gitterstrukturen, Schichten, Raster und die Statik, die den Maler der geometrisch gebauten Bilder interessieren. Ist es da nicht konsequent, mit seiner Kunst auch in die dritte

Dimension zu gehen? Neben aktuellen Bildern sind nun also insbesondere seine monumentalen, teils eigens für Wuppertal konzipierten Skulpturen zu sehen – geschichtet aus alten Eisenbahnschwellen, Corten- und Edelstahlbrammen, oder, besonders lecker, aus bunten Platten aus Muranoglas. Im Laufe der Ausstellung wird der Künstler vor Ort auch eine Skulptur aus lokalem Sandstein realisieren. K ATJA BEH REN S

Bis 3 . Ok tober 202 1 An die Schönheit − Stars der Sammlung Vo n d e r H e y d t- M u s e u m , W u p p e r t a l w w w . v o n - d e r- h e y d t- m u s e u m . d e Bis 3. Januar 202 1 SE A N SC U L LY − I N SI DEOU T SI DE S k u l p t u r e n p a r k Wa l d f r i e d e n , W u p p e r t a l www. sk ulpt ure npark-waldf r iede n . de

George Segal, „Ruth in her kitchen“, 1964, Ausstellungsansicht Von der Heydt-Museum, Wuppertal,

A RTM A PP  SO M M ER 2020 — W U PPERTA L

Foto: Reiner Brouwer, © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Rober t Schad im Gerhard - M arcks - Haus und in Knoops Park

„Bremen vierkant“


Bildhauerei in der neuen Normalität: Der Ausstellungsumbau lief wie geplant, doch dann gab es keine Eröffnung zu „Robert Schad – Bremen vierkant“. Das aufwendige Rahmenprogramm im Zusammenhang mit dem Festival „TANZ Bremen“ musste ebenfalls abgesagt werden. Acht Wochen standen die Skulpturen ohne Besucher. Und wir haben gemeinsam darüber nachgedacht, was ein Museum in Zeiten von Corona (und danach) kann, darf oder muss. Wir haben uns gegen digitale Führungen entschieden. Bildhauerei funktioniert im Raum, auch mit Mundschutz, aber nur bei einer tatsächlichen physischen Begegnung werden Qualitäten wie Maß, Gewicht und Gleichgewicht sichtbar. Robert Schad (* 1953) ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Stahlbildhauer. Er nennt seine Skulpturen, geschaffen aus massivem Vierkantstahl, „Zeichnungen im Raum“. Ihre Linien entstehen nicht durch Biegen und Ver­ biegen, sondern aus der Addition unterschiedlich langer gerader Stücke, die wie Glieder eines organischen Körpers verschweißt werden. Die zeichnerische Bewegung entfaltet sich in weiten Schwüngen und Bögen plastisch im Raum, das physische Gewicht des Stahls scheint aufgehoben, ist in der Begegnung aber doch spürbar. Diese paradoxe Wechsel­ wirkung macht den Reiz seiner Bildhauerei aus: Sie ist gleichzeitig leicht und schwer. Schads Stahlskulpturen scheinen auf den Zehenspitzen zu stehen und im Raum zu tanzen. „Bremen vierkant“ zeigt eine Auswahl seiner zumeist großformatigen Arbeiten aus den letzten 20 Jahren. Seit den 1980er-Jahren beschäftigt sich der Bildhauer mit der Beziehung zwischen Skulptur und Tanz. Ihn interessiert die Gleichberechtigung der Künste. Sie sollen autonom nebeneinanderstehen, auch wenn sie sich gegenseitig beeinflussen und durchdringen. Schad hat mit unterschiedlichen zeitgenössischen Choreografen und Tänzern wie Gerhard

Bohner, Urs Dietrich, Anna Huber und Susanne Linke gearbeitet, die sich tänzerisch seinen Werken näherten. Dieses „Sich-Nähern“ ist ein wichtiger Aspekt der Stahlskulpturen. Die Frage „Was ist vorne, was ist hinten?“ ist nicht nur für die Tänzer essenziell, sondern gilt für alle Betrachter. Welche räumliche Beziehung geht der eigene Körper mit den Skulp­ turen und den darin sichtbar werdenden Richtungen ein? Jeder ist eingeladen, es selbst zu erfahren – im Museum und im ­öffentlichen Stadtraum Bremens. Als die Ausstellung geplant wurde, ahnten wir nichts von Corona, aber ihr zweiter Teil sollte schon zu diesem ­Zeitpunkt im öffentlichen Raum stattfinden und von einem Projekt für kulturelle Bildung begleitet werden. Seit 1997 steht Schads Großplastik „ROMAR I“ am Bremer Präsident-­ Kennedy-Platz. Von Ende Juli bis 11. Oktober gibt es dazu in Gröpelingen, im Westen der Stadt, an sechs zentralen und prominenten Orten weitere monumentale Skulpturen zu ­entdecken. Für Schad und uns ist es wichtig, dass Kunst nicht nur im Museum, im Stadtzentrum stattfindet. Corona wäre damit auch ein Anlass, darüber nachzudenken, welche Rolle Kultur dezentral spielen kann. Im öffentlichen Raum begegnen sich Menschen mit unterschiedlichen Anschauungen, Erfahrungen und Interessen. Und in der Zukunft hoffentlich im Museum. MIR JAM VERHEY

Bis 11. Ok tober 2020 Rober t Schad „ B re me n vie rkant“ G e r h a rd - M a r c k s - H a u s , B r e m e n www. marck s . de

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Robert Schad, Ausstellungsansichten „Bremen vierkant“, Gerhard-Marcks-Haus, Bremen © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Robert Schad sitzend auf einer Skulptur, Foto: Dominique Vérité, © Robert Schad / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

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Robert Schad Skulpturen in Knoops Park Knoops Park: Weite Blicke hoch über der Lesum, sanfte Hänge, uralter Baumbestand. Parallel zu den Ausstellungen im Gerhard-Marcks-Haus sowie in Gröpelingen eröffnen eine Reihe großformatiger Skulpturen des renommierten Stahlbildhauers Robert Schad inmitten des ma ler ischen Landschaftsparks neue, verblüffende Horizonte und stehen dem urbanen Ambiente kontrapunktisch gegenüber. Massiver Vierkantstahl auf grünen Wiesen, klare Konturen vor knorrigen Bäumen – Gegensätze, die in den Bann ziehen! Ähnlich wie die Natur scheinen Robert Schads in den Raum geschriebene Arbeiten von einer inneren Kraft angetrieben, und obgleich sie aus massivem Vierkantstahl

gearbeitet und starr sind, leicht und in Bewegung zu sein. Das Material ist dabei für ihn Ziel, nicht Mittel. Aus der Addition unterschiedlich langer, gerader Teile, die wie Glieder eines organischen Körpers verschweißt werden, entstehen bis zu 34 Meter hohe Skulpturen. Wie ein Tänzer den Raum einnimmt, „betanzen“ sie, dem Wechsel der Jahreszeiten folgend, nun den Knoops Park, der temporär zu ihrer Bühne wird. Nur im Moment des Betrachtens scheinen sie innezuhalten; poetische Wesen, die sich nur f lüchtig in meist klangvollen Namen verkörpern, dem Betrachter in ihrer elementaren Materialität jedoch die unterschiedlichsten Emotionen vermitteln.

rechte Seite: Robert Schad, „Ruta“, 2003, Vierkantstahl massiv 60mm, und „Bennemen“, 2003, Vierkantstahl massiv 60mm, Foto: Olaf Bergmann, © Robert Schad / VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Ein paar Schritte weiter schlägt die Dokumentationsausstellung BREMEN VIERKANT auf Kränholm den Bogen zum Werk des Künstlers. Früh wurde Robert Schads Werk als eigenständig wahrgenommen, weil seine Idee, den Stahl mit eigenen Gefühlen und Gedanken aufzuladen, in dieser Konsequenz einzigartig ist. Körperwissen und Raumerfahrung, Wachstum und Bewegung sowie die Gesetzmäßigkeiten und Wechselwirkungen von Kunst und Natur interessieren ihn. Seine Skulpturen sieht er als Wanderer in Raum und Zeit,

die je nach Verortung immer wieder neue Beziehungen zu Raum und Mensch eingehen und über ein skulpturales Gedächtnis verfügen. INGA HARENBORG

B i s 7. M ä r z 2 0 2 1 ROBERT SCH A D Sk ulpt ure n in Knoops Park S t i f t u n g H a u s K rä n h o l m Auf de m Hohe n Ufe r 35 , 2 8 75 9 B re me n w w w . k ra e n h o l m . d e


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Achberg im Allgäu

Bern

Bingen

Berliner Zimmer Bis 25.10.2020 Schloss Achberg

Auktionen 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart 17. – 18.9.2020 Galerie Kornfeld Auktionen

ECHT UND FALSCH – 5. Skulpturen-Triennale Bingen 2020 Bis 4.10.2020 Bingen am Rhein

Aufgrund der Corona-Situation finden die Auktionen der Galerie Kornfeld in Bern neu am 17. und 18. September 2020 statt. Zu den Höhepunkten zählen ­A rbeiten der Klassischen Moderne, der Gegenwartskunst und der Schweizer Kunst. Das bedeutende ­G emälde von Marc Chagall, „La Fête au village“, wird mit einer Schätzung von CHF 2 Millionen aufgerufen. Eine Bronze-Skulptur von 1953 von Alberto ­G iacometti, „Nu debout sur socle cubique“, ist CHF 1.750.000 geschätzt, das Ölgemälde von Le Corbusier „Figure 1 ou Ozon et Georges IV“, 1947 in New York entstanden, mit CHF 1.250.000. ­M ehrere wichtige Aquarelle von Paul Klee, zwei ­G emälde von Ernst Ludwig Kirchner, eine seltene ­K ohlezeichnung von Henri Matisse aus dem Jahre 1944 oder eine Steinskulptur von Hans Arp sind bei der Moderne zu erwähnen. In der Gegenwartskunst sind namentlich Werke von Georg Baselitz, Eduardo ­C hillida, Richard Longo, Serge Poliakoff, ­G erhard Richter, Jean Tinguely oder Günther Uecker zu nennen. ☞ Galerie Kornfeld Auktionen Mo-Fr 9-12/14-18 Uhr, Sa 9-12 Uhr Laupenstraße 41, CH-3001 Bern T +41 (0) 31 3814673 kornfeld.ch

Bereits zum fünften Mal findet in diesem Jahr die Skulpturen-Triennale der Gerda und Kuno Pieroth Stiftung in Bingen am Rhein statt. Zwölf Jahre nach der ersten Skulpturenausstellung, die seinerzeit anlässlich der Landesgartenschau 2008 durch das Stifterpaar initiiert wurde, werden unter dem Titel ECHT UND FALSCH erneut 20 künstlerische Positionen entlang des Rheinufers und an ausgewählten Orten in der Binger Innenstadt präsentiert. Die Beiträge der Künstler und Künstlerinnen, von ­d enen eine ganze Reihe mit direktem Bezug zum Ausstellungsort geschaffen wurden, widmen sich mit sehr unterschiedlichen Ansätzen Fragen nach Original und Fälschung, möglicher Desinformation und Irre­ führung des Betrachters oder einfach dem Spiel von Erwartung zu Wirklichkeit. Ausstellungskonzept: Lutz Driever, André Odier. ­V eranstalter: Gerda & Kuno Pieroth Stiftung ☞ Skulpturen-Triennale Bingen am Rhein Am Rheinufer und ausgewählten Orten in der Innenstadt 55411 Bingen am Rhein skulpturen-bingen.de

Die Ausstellung „Berliner Zimmer – Homecoming Artists“ versammelt erstmals Positionen von elf ­international erfolgreichen Künstlerinnen und ­K ünstlern, die alle ein geografisches Merkmal eint: sie stammen aus Oberschwaben und leben in Berlin: Nándor A­ ngstenberger, Angelika Frommherz, ­F riedemann Grieshaber, Sabine Groß, Veronike ­H insberg, Thomas Locher, Gerold Miller, Peter ­P umpler, Albrecht Schäfer, Andrea Zaumseil und ­F rancis Zeischegg. Nun kommen sie mit ihren Werken auf Heimatbesuch zurück. Die meisten Werkgruppen und Installationen wurden eigens für Schloss Achberg eingerichtet und treten in einen überraschenden Dialog mit der barocken Architektur. Zur Ausstellung erscheint ein reich illustrierter, sorgfältig edierter Katalog zum Werk der Künstlerinnen und Künstler (ISBN: 978-3-944685-11-3, EUR 15). Zudem ist auf der Webseite von Schloss Achberg ein digitaler Ausstellungsrundgang mit dem Kurator Prof. Dr. Martin Oswald verfügbar. ☞ Schloss Achberg Fr 14–18 Uhr, Sa/So/Feiertag 10–18 Uhr Duznau, 88147 Achberg T +49 (0) 751 859510 schloss-achberg.de

Sabine Groß, „Vage Besprechungen“, 2018 © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Maruša Sagadin, „B-Girls, Go!“, 2018, Stahl, Holz, Lack, 350 x 280 x 440 cm, Foto: David von Becker, Berlin, produziert im Auftrag von KÖR, Kunst im öf fentlichen Raum, Wien, Le Corbusier, „Figure 1 ou Ozon et Georges IV”, 1947, Öl auf Leinwand, 114 x 91,5 cm, Naïma Jornod / Jean-Pierre Jornod, Bd. II, Nr. 339, © FLC / VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Courtesy die Künstlerin und Christine König Galerie, Wien


Eb erdingen- Nussdor f

Güstrow

Hannover

Gegenwart | Erinnerung Stiftungspreis Fotokunst 2020 29.3. – 20.12.2020 KUNSTWERK – Sammlung Klein

Kokoschka und Barlach auf Reisen 4.10.2020 – 3.1.2021 Ernst Barlach Museen Güstrow

KunstFestSpiele Herrenhausen 23.09. – 11.10.2020 Hannover

Kaum ein Künstler versäumte es, zu Beginn des 20. Jahrhunderts Studien in Italien und Paris zu ­b etreiben. Man ließ sich von der Antike und der ­f ortschrittlichen französischen Kunst inspirieren. Für Ernst Barlach hingegen eröffnete ihm seine Reise nach Russland 1906 eine völlig neue Perspektive. Dort fand er zu seinem unverwechselbaren ­k ünstlerischen Ausdruck. Auch Oskar Kokoschka zog es in die Ferne. Marokko, New York und Jerusalem sind nur einige Stationen seiner ausgedehnten Reisen. Anhand von Skizzen­ büchern, Zeichnungen, Lithographien und plastischen Arbeiten begeistert die Ausstellung mit der Faszi­ nation für das Fremde und der Reduktion auf das Wesentliche: Eine Kunst, auf die sich Kokoschka und Barlach gleichermaßen verstanden. ☞ Ernst Barlach Museen Güstrow Di–So 11–16 Uhr Heidberg 15, 18273 Güstrow T +49 (0) 3843 84400-0 barlach-museen.de #barlachguestrow

Die KunstFestSpiele Herrenhausen in Hannover sind ein Festival für zeitgenössische Künste, das von ­K onzerten und Musiktheater über Theater, Perfor­ mances und Tanz bis hin zu Installationen und bil­ dender Kunst eine Vielzahl von Veranstaltungen zeigt. Vom 23.9. bis 11.10.2020 sind – in diesem Jahr ­a usnahmsweise im Herbst – zahlreiche Formate zu sehen, die häufig speziell für die Spielorte rund um die international bekannten Herrenhäuser Gärten ent­w ickelt wurden. Für die 11. Ausgabe des beliebten Festivals hat Intendant Ingo Metzmacher ein einzigartiges Programm zusammengestellt, das neue künstlerische Akzente setzt, Genregrenzen überwindet und Künstler und Künstlerinnen und Publikum verbindet. Highlights des Festivals 2020 sind die mit dem ­G oldenen Löwen der Biennale di Venezia ausge­ zeichnete Opernperformance „Sun & Sea“ oder die spektakuläre Laser- und Klanginstallation „Fountain Scan“, die zu ihrem 300-jährigen Jubiläum die Große Fontäne im Großen Garten bespielt. Programm unter „kunstfestspiele.de“ ☞ KunstFestSpiele Herrenhausen Alte Herrenhäuser Straße 6b, 30419 Hannover T +49 (0) 511 16833811 kunstfestspiele.de

Ernst Barlach, „Pariser Wäscherin“, 1896, Kohle, laviert, © Ernst Barlach Stiftung Güstrow

„Sun & Sea (Marina)“, opera-performance by Rugile Barzdziukaite, Vaiva Grainyte, Lina Lapelyte at Biennale Arte 2019, Venedig © Andrej Vasilenko

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„Gegenwart | Erinnerung“: Zwei Begriffe, die einander gegenüberstehen, einerseits verweisend auf das ­z eitliche Jetzt, andererseits auf das menschliche ­V ermögen, Fakten, Wahrnehmungen und Gefühle aus dem Speicher des Gedächtnisses abzurufen. ­G leichwohl beinhaltet der Akt des Erinnerns den ­A spekt der Zeitlichkeit, indem er das Vergangene mit dem Gegenwärtigen verbindet. Die beiden Begriffe bilden den inhaltlichen Rahmen für den Stiftungspreis Fotokunst der Alison und Peter Klein Stiftung, der in diesem Jahr zum fünften Mal vergeben wird. Die Hängung #22 im KUNSTWERK präsentiert hierzu Werke von zehn Künstlerinnen und Künstlern, die von einer Jury für den Preis nominiert worden sind. Sie nehmen auf den Titel des ­S tiftungs­p reises Bezug, indem sie Orte als Räume subjektiven oder kollektiven Erinnerns ausweisen, deren ­identitätsstiftende Funktion in unterschied­ licher ­z eitlicher Dimension reflektieren sowie ­ü berkommene ­V orstellungen zur Fotografie als ­E rinnerungsmedium hinterfragen. ☞ KUNSTWERK – Sammlung Klein Mi–Fr/So 11–17 Uhr Siemensstraße 40, 71735 Eberdingen-Nussdorf T +49 (0) 7042 3769566 sammlung-klein.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

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Kaiserslautern

Karlsruhe

Karlsruhe

Lichtblicke – Adolf Luther und Künstlerfreunde Werke aus der Sammlung der Adolf-Luther-Stiftung, Krefeld 25.9.2020 – 17.1.2021 Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern

Fabien Léaustic „Eau de Karlsruhe – Cyprès“ Installation bei der EnBW im Rahmen der ZKM-Ausstellung „Critical Zones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“ Bis Dezember 2020 EnBW-Konzernsitz Karlsruhe

(Un)endliche Ressourcen? Künstlerische Positionen seit 1980 Bis 13.9.2020 Städtische Galerie Karlsruhe

Die Ausstellung mit Werken Adolf Luthers (1912–1990) gibt einen repräsentativen Einblick in das variantenreiche Schaffen des bedeutenden Licht- und Objektkünstlers. In einer spannungsreichen Präsentation sind Luthers Werke mit solchen von ­b efreundeten Künstlern wie Christo, Lucio Fontana, Yves Klein, Piero Manzoni, Wassily Takis, Günther Uecker und anderen als wegweisende Positionen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu erleben. Luthers künstlerische Interessen und Anstöße zu ­e igenen Entwicklungen werden so in einem erwei­ terten Blickfeld anschaulich. Bekannt wurde er vor allem mit Hohlspiegelobjekten, die seit 1966 sein Werk bereicherten. Sie bestehen aus runden, ­q uadratischen oder streifenförmigen Hohlspiegeln in serieller Reihung. Diese lassen unzählige, auf dem Kopf stehende Bilder und immaterielle Lichterscheinungen im Raum entstehen. Der Betrachter nimmt als aktiver Rezipient bei wechselnden Standorten komplexe Licht- und Bewegungsereignisse wahr, die sich immer wieder neu konstituieren. ☞ mpk, Museum Pfalzgalerie Kaiserslautern Di 11–20 Uhr, Mi–So/Feiertag 10–17 Uhr Museumsplatz 1, 67657 Kaiserslautern T +49 (0) 631 3647-201 mpk.de Alle Angaben unter Vorbehalt der aktuellen Situation

Lange sind die Reaktionen der Erde auf unser menschliches Handeln unbeachtet geblieben, doch spätestens mit der Protestbewegung „Fridays for Future“ ist die Klimakrise in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Parallel zur aktuellen ZKM-Ausstellung „Critical ­Z ones. Horizonte einer neuen Erdpolitik“ zeigt nun die EnBW in Karlsruhe die Installation „Eau de Karlsruhe – Cyprès“ des französischen Künstlers und ­W issenschaftlers Fabien Léaustic (*1985). Das imposante Modul besteht aus Leuchten und echten Zypressen und hängt über zwei Stockwerke hinweg im Foyer des EnBW-Konzernsitzes. Natur in Form der lebenden Zypressen und Technik in Form von elektrischem Licht gehen eine Verbindung ein. Der Künstler demonstriert mit dem so geschaffenen „Ökosystem“ das symbio­ tische Verhältnis zwischen Natur und Kultur. Die EnBW ist seit über 15 Jahren als Hauptsponsor mit dem ZKM verbunden. Nun hat man beschlossen, in Zukunft miteinander neue Wege zu gehen und auch bei Ausstellungen zu kooperieren. ☞ EnBW AG Mi–Fr 18–20 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Durlacher Allee 93, 76131 Karlsruhe enbw.com/unternehmen/konzern/regionales-­ engagement/kunst-kultur/ausstellungsreihen/­ special-statements.html

Die Auswirkungen der heutigen Konsumgesellschaft auf die Umwelt sind allgegenwärtig. Sei es, dass wir sie mit unseren eigenen Sinnen erfahren und darüber im Alltag diskutieren, sei es, dass wir entsprechende Berichterstattungen Tag für Tag in den Medien verfolgen können. Vom Klimawandel ist dort die Rede, von der Verknappung der Ressourcen oder der Vermüllung der Meere. Vor gesundheitlichen Folgen wird ebenso gewarnt wie vor wirtschaftlichen und sozialen. Der Ruf nach der Notwendigkeit eines Umdenkens ist längst nicht mehr zu überhören. Der Begriff des ­A nthropozäns und damit die Idee eines neuen, maßgeblich von der Menschheit beeinflussten Erdzeit­ alters haben Hochkonjunktur. Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang die Kunst, die immer wieder den Anspruch erhebt, an gesellschaftlich relevanten Debatten wie diesen Anteil zu haben? ☞ Städtische Galerie Karlsruhe Mi–Fr 10–18 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Lorenzstraße 27, 76135 Karlsruhe T +49 (0) 721 133-4401/-4444 staedtische-galerie.de

Agnes Märkel, „Letzte Ressourcen“, 2015, Detail aus einer 5-teiligen Serie, Städtische Galerie Karlsruhe © VG Bild-Kunst Bonn 2020

Adolf Luther, „Sinuskurve“, 1984, 12 Hohlspiegelstelen, Plexiglas, 210 x 480 x 100 cm, Adolf-Luther-Stiftung, Krefeld, Foto: Nic Tenwiggenhorn © VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Detail der Installation von Fabien Léaustic, Foto: Rosario De Sanctis © VG Bild-Kunst, Bonn 2020


Kirchheimbolanden

Kornwestheim

Künzelsau

Echo Can Luo – Pending Limbs Videos und Installationen Bis 22.1.2021 ART-Hotel Braun

Josef Paul Kleihues – Geometrie und Poesie 30 Jahre Kunst im Kleihues-Bau bis 7.3.2021 herman de vries – parts of a whole bis 13.9.2020 Roland Wesner – Die Regenbogenfalle 26.9.2020 – 17.1.2021 Museum im Kleihues-Bau

Weitblick. Reinhold Würth und seine Kunst MUSEUM WÜRTH 2, Künzelsau

Für die Sommerausstellung öffnet das ART-Hotel Braun seine Gastzimmer und schafft den Kunst­w erken von Echo Can Luo ein perfektes Ambiente. Ihr Handwerkszeug sind die Algorithmen, spielerisch schafft sie Übergänge in eine „erweiterte Realität“ der Avatare, die den Betrachter zur Interaktion ­e in­laden. Den Einfluss der neuen Medien auf ­G esellschaft und Kommunikation betrachtet die ­K ünstlerin kritisch und kommt in ihrer Arbeit zu ­v erstörenden Erkenntnissen. Nach einem Studium in Multimedia Design an der Chinesischen Hochschule der Künste (CA A) in ­H angzhou, wechselte Echo Can Luo, geb. 1988 in China, an die Kunsthochschule Kassel. Ihren Master in Fine Arts absolvierte sie im Fach New Media (2018). Sie war Meisterschülerin von Professor Joel Baumann bis 2019, ihre Arbeiten wurden bereits mehrfach ­a usgezeichnet. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Bonn und Peking. ☞ ART-Hotel Braun Mo–Sa 8–22 Uhr Uhlandstraße 1, 67292 Kirchheimbolanden T +49 (0) 6352 4006-0 echocanluo.com hotelbraun.de

Im postmodernen Ausstellungshaus des Kleihues-Baus in Kornwestheim treten faszinierende Ausstellungen in einen spannenden Dialog. Die Jubiläumsschau zum Architekten Josef Paul Kleihues widmet sich neben dem Entwurf für die verschiedensten Museen und Galerien auch den unterschiedlichsten von Josef Paul Kleihues gestalteten Designobjekte. Höchst beein­ druckend ist auch der rege Austausch mit zeit­ genössischen Künstlern wie Markus Lüpertz und ­G eorg Baselitz, der in der Ausstellung genauer ­b eleuchtet wird. In der Ausstellung „parts of a whole“ von herman de vries wird die künstlerische Erforschung der Flora durch mythologisch anmutende ­O bjets trouvés, botanisch wertvolle Pflanzen sowie die einzigartige Farbgebung von Erdproben aus der ganzen Welt vermittelt. Die Arbeiten des Ludwigsburger Malers Roland ­W esner vereinen die teils märchenhaft symbolischen Züge des Regenbogens mit der beklemmend ­w irkenden Energie schwarzer Flächen. ☞ Museum im Kleihues-Bau Fr–So 11–18 Uhr Stuttgarter Straße 93, 70806 Kornwestheim T +49 (0) 7154 202-7401 museen-kornwestheim.de

„Weitblick. Reinhold Würth und seine Kunst“ heißt die erste Präsentation von 150 Höhepunkten aus Moderne und Gegenwart der Sammlung Würth im neuen Museum Würth 2 in Künzelsau. Mit über 18.300 Werken ist die Sammlung reich an Besonderheiten, die sich in der Ausstellung in drei Themenfeldern zusammenfügen: Aspekte der Abstraktion, Natur und Landschaft und schließlich Metamorphosen der Figur. ­D arunter sind Klassiker von Max Beckmann, Pablo Picasso, Ernst Ludwig Kirchner wie auch Werke von Georg Baselitz, David Hockney, Anish Kapoor, Anselm Kiefer. Sie alle sind im Wortsinn Herzstücke der Sammlung Würth. Lichtempfindliche Arbeiten von Horst Antes bis Andy Warhol – das „Blattgold“ der Sammlung – sind im geschützten Kabinett im ­U ntergeschoss zu sehen. Das elegante Sammlungsdomizil wurde als Erweiterungsbau des multifunktionalen Carmen Würth Forum von den Museumsspezialisten David Chipperfield ­A rchitects entworfen und besticht mit großzügigen Raumhöhen und reizvoller Tageslichtinszenierung. ☞ MUSEUM WÜRTH 2 im CARMEN WÜRTH FORUM Täglich 11–19 Uhr Am Forumsplatz 1, 74653 Künzelsau T +49 (0) 7940 152230 kunst.wuerth.com

TERMINE FÜR ENTDECKER

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Echo Can Luo, „Sea_ea1“, Fine-Art Pigmentdruck, 2020 © Echo Can Luo

im Hintergrund, 2004, Edelstahl, 265 x 265 x 72,4 cm, Sammlung Würth Inv. 8615, Foto: Simon Menges (Anish Kapoor: © VG Bild-Kunst, Bonn 2020) Josef Paul Kleihues, Eingang des Museums of Contemporary Art Chicago, Foto: Hélène Binet

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Belvedere im Museum Würth 2 mit Anish Kapoors „Untitled“


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Linnich

Neubrandenburg

Oberhausen

Gesichter im Wandel der Zeit bis 15.11.2020 Deutsches Glasmalerei-Museum

EILERGERHARD – YOU&ME 10.09. – 29.11.2020 Kunstsammlung Neubrandenburg

Viele Künstler haben sich im Laufe der Jahrhunderte der Darstellung von Gesichtern zugewandt. ­P räsentiert wird eine Ausstellung mit Werken von national und international renommierten Künstlern. Das Deutsche Glasmalerei-Museum Linnich zeigt ­W erke der Glasmalerei sowie Arbeiten auf Papier und Karton von bedeutenden Künstlern wie Jean Cocteau, Helmuth Kaldenhoff, Maria Katzgrau, Markus Lüpertz, Jean Marais und James Rizzi. Zeichnungen und ­G lasplastiken aus der Sammlung des renommierten Künstlers Eberhard Foest erweitern das Ausstellungsspektrum. Zu seiner Sammlung gehören Werke von Künstlern wie Elvira Bach, Michael Croissant, Erwin Eisch, Karl-Heinz Haselwanger, Hartmut Lincke und Jörg Zimmermann. Dank gilt den Leihgebern wie der Glasmalerei ­O idtmann, den Glasstudios Peters und den Derix Glasstudios Taunusstein sowie den Hein Derix GmbH & Ko. KG - Werkstätten für Glasmalerei, Mosaik und Restaurierung, der Galerie an der Zitadelle Jülich und der Galerie Breckner Düsseldorf sowie Franz Scheffer. ☞ Deutsches Glasmalerei-Museum Di–So 11–17 Uhr Rurstraße 9–11, 52441 Linnich T +49 (0) 2462 99170 glasmalerei-museum.de

Die Berliner Künstlerin Anke Eilergerhard besetzt mit ihren fantastisch absurden Silikon-Skulpturen weltweit eine einzigartige Position und balanciert virtuos zwischen den Grenzen konkreter Bildhauerei, Abstraktion und figurativer Skulptur. Ihre Werke, die in zahlreichen Museen und auf internationalen Kunstmessen präsentiert werden, springen ob ihrer waghalsigen Kompositionen und ihrer taktil- und oft farbintensiv ausgestalteten Oberflächen sofort ins Auge. Ihre sinnlich wirkenden Plastiken begeistern durch eine barocke Opulenz, unterliegen jedoch einer ­k onzeptionellen Strenge aus konkreten Formen. Sie vereinen Kontroverses wie Tradition und Moderne, Industrie und Manufaktur, Balance und den Verlust derselben. Das Zusammenspiel dieser Dualismen macht das Œuvre von Anke Eilergerhard so besonders und gleichzeitig so schwierig zu fassen. ­U ngewöhnlich ist auch der bevorzugte Werkstoff: Ihre Skulpturen versieht sie mit kleinen Tupfern aus Silikon, die winzigen Sahnehauben gleichen. ☞ Kunstsammlung Neubrandenburg Mi–So 10–17 Uhr Große Wollweberstraße 24, 17033 Neubrandenburg T +49 (0) 395 555-1290 kunstsammlung-neubrandenburg.de

Rudolf Holtappel – Die Zukunft hat schon begonnen. Ruhrgebietschronist Theater­ dokumentarist Warenhausfotograf Bis 6.9.2020 Räuber Hotzenplotz, Krabat und Die kleine Hexe: Otfried Preußler – Figurenschöpfer und Geschichtenerzähler 13.9.2020 – 10.1.2021 LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Otfried Preußler (1923–2013) gehört zu den be­ deutendsten und einflussreichsten Kinder- und Jugendbuchautoren des deutschsprachigen Raums. Mit Geschichten wie „Der Räuber Hotzenplotz“ oder „Die kleine Hexe“ hat er seit den 1950er-Jahren ­F iguren erschaffen, die bis heute Generationen von Heranwachsenden prägen. Er schreibt über 35 Bücher, die in mehr als 50 Sprachen übersetzt werden und mit über 50 Millionen Exemplaren weltweit seine Leser und Leserinnen begeistern. Preußler arbeitet in seiner langen Schaffenszeit mit zahlreichen Zeichnern und Zeichnerinnen zusammen. Diese illustrieren nicht nur seine Geschichten, sondern erwecken die Figuren durch ihren persönlichen Stil zum Leben, die sich in das kollektive Bildgedächtnis brennen. Viele Geschichten werden auch in andere Medien übertragen: Hörbücher, Theater, Filme und Spiele zeugen von der immensen Beliebtheit der jeweiligen Werke. ☞ LUDWIGGALERIE Schloss Oberhausen Di–So/Feiertag 11–18 Uhr Konrad-Adenauer-Allee 46, 46049 Oberhausen T +40 (0) 208 4124928 ludwiggalerie.de

Anton Wendling, „Heiliger Thomas“, 1958, Vorhangscheibe, 67 x 71 cm, Leihgeber und Werkstatt: Glasmalerei Dr. Heinrich Oidtmann Linnich,

Anke Eilergerhard, „Letizia (Detail)“, 2014,

Foto: Stefan Johnen

hochpigmentiertes Silikon, Edelstahl, Höhe 156 cm, Durchmesser 80 cm, Foto: Werner Gerhard

Illustration von F. J. Tripp, Mathias Weber aus Ot fried Preußler, „Der Räuber Hotzenplotz“ © by Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart


Of fenburg

Rockenhausen

MINIMA X MAXIMA Hiroyuki Masuyama Fotografie Bis 13.9.2020 Städtische Galerie Offenburg

Anja Michaela con_certo Skulpturen Bis 13.12.2020 Kahnweilerhaus Rockenhausen

Ist das nicht...Friedrich? Caspar David Friedrich? Der weiße Kreidefelsen auf Rügen hebt sich ab vor dem Blau des Himmels und des Wassers, auf der ruhigen Ostsee treiben zwei Segelboote und im Vordergrund schauen drei Rückenfiguren in die Ferne – ­g efährlich nah am Abgrund. Doch das ist nicht Landschaftsmalerei aus dem 19. Jahrhundert. Es ist zeitgenössische Fotografie von Hiroyuki Masuyama. Der japanische Maler, Bildhauer und Fotograf lebt und arbeitet seit Mitte der 1990er-Jahre in Düsseldorf. Auf seinen Reisen folgt er den Spuren des ­d eutschen Stars der Romantik, aber auch denen des englischen Malers William Turner. Er nimmt die in Gemälden, Skizzen und Aquarellen verewigten Orte hundertfach mit seiner Kamera auf, um dann akribisch, am Computer, Stück für Stück und aufs ­k leinste Detail konzentriert einen heutigen Eindruck der gleichen Landschaft zu komponieren. Ein faszinierendes Schau-Spiel für alle Generationen! ☞ Städtische Galerie Offenburg Fr–So 13–17 Uhr Amand-Goegg-Straße 2, 77654 Offenburg T +49 (0) 781 822040 galerie-offenburg.de

Aus zerlegten Blasinstrumenten und demontierten Konzertflügeln erschafft Anja Michaela raum­ greifende Plastiken von großer ästhetischer Eleganz. Sie sind reale Botschafter einer unzerstörbaren ­M usikalität und erinnerter Klangwelten, die gleich­ zeitig den Betrachter ermutigen, den Blick auf das Neue zu richten. Nach mehreren Semestern Philosophie und Kunst­ geschichte in Heidelberg, absolviert die Künstlerin eine Goldschmiedelehre und ein Studium in Schmuckdesign. Danach studiert sie Bildhauerei an der Aka­ demie der Bildenden Künste Karlsruhe bei Stephan ­B alkenhol (2010–2016), dessen Meisterschülerin sie wird. Stipendienaufenthalte führen Anja Michaela mehrfach nach Frankreich. Sie stellt regelmäßig in Deutschland und Frankreich aus und lebt und arbeitet in beiden Ländern. Die Ausstellung ist bis zum 13.12.2020 zu sehen; weitere Werke sind in der Sparkasse Donnersberg in Rockenhausen vom 5.11. bis 27.11.2020 ausgestellt. ☞ Kahnweilerhaus Marktplatz 7, 67806 Rockenhausen T +49 (0) 6361 1089 (Kontakt: Luise Busch) anjamichaela.com thornconcept.eu

TERMINE FÜR ENTDECKER

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LED Lightbox, 90,5 x 71 x 4cm, Foto: H. Masuyama

Anja Michaela „Medusa“, 2019, Klaviertasten und -saiten, Holz, Kupfer, Foto: Anja Michaela

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Hiroyuki Masuyama, „Kreidefelsen auf Rügen“, 1816/2016,


222 “dieses Museum muss man gesehen haben, es ist ein Gesamtkunstwerk” (Besucherstimme)

Museum Stangenberg Merck Helene-Christaller-Weg 13 64342 Seeheim-Jugenheim Tel. 06257 - 90 53 61 www.museum-jugenheim.de facebook: Museum Stangenberg Merck

Soest

Ulm

DIALOGE Hellweg Konkret II Bis 27.9.2020 RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner, Soest

Ausstellung Transuman – Von der Prothetik zum Cyborg Bis 13.12.2020 Museum Ulm

Die Auftaktausstellung der Reihe Hellweg Konkret II bringt vier Künstler zusammen, die sich der Farbe verschrieben haben. DIALOGE entfalten sich zwischen den Werken des in Soest lebenden Jo Kuhn (*1935) und drei internationalen Künstlern der jüngeren ­G eneration – Callum Innes (GB), András Gál (HU) und Philippe Chitarrini (FR). Gemeinsam ist ihren Druckgrafiken und Malereien die formale Reduktion der meist quadratischen Fläche, der eine beeindruckende Vielfalt in der Erscheinung der Farbe gegenübersteht. Jo Kuhns Werke thematisieren insbesondere den ­D ialog von Farbtönen untereinander. Callum Innes schafft durch Farbauftrag und partielle -abnahme in unzähligen Schichten Farbfelder von tiefer, kontemplativer Wirkung. Die monochromen Malereien von András Gál zeichnen sich durch ihre charakteris­ tischen Oberflächenstrukturen aus. Philippe Chitarrini widmet sich dem Einfluss unterschiedlicher ­R eflektionsgrade des Bindemittels auf den Farbton des Pigments. ☞ RAUM SCHROTH im Museum Wilhelm Morgner Di/Mi/Fr 13–17 Uhr, Do 13–19 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr Thomästraße 1, 59494 Soest skk-soest.de

Den Flugversuch Albrecht Ludwig Berblingers (1770– 1829) kennt heute nahezu jeder. Besser bekannt als „Schneider von Ulm“ ging er mit seinem Flugversuch im Jahr 1811 in die Geschichte ein. Weitgehend ­u nbekannt ist jedoch eine andere Errungenschaft des berühmten Erfinders: er entwickelte bewegliche ­P rothesen für die versehrten Soldaten der napoleo­ nischen Kriege und erfand somit den Grundentwurf für moderne Beinprothesen. Diese medizinhistorische Erfolgsgeschichte ist Anlass sich im Rahmen seines 250 Geburtstagsjubiläums in einer kunst-, kultur- und technologiegeschichtlichen Ausstellung der Komplementierung, Imitation und Verbesserung der menschlichen Natur, dem Wunschkörper und dem künstlichen Menschen zu widmen. Historische Prothesen und bildliche Darstellungen ihrer Anwendungen werden zeitgenössischen Inter­ pretationen und Visionen zur Überwindung physiolo­ gischer Einschränkungen durch wissenschaftliche, technologische und gestalterische Disziplinen gegenübergestellt. ☞ Museum Ulm Di–Fr 11–17 Uhr, Sa/So 11–18 Uhr Marktplatz 9, 89073 Ulm T +49 (0) 731 1614330 museumulm.de

geöffnet: Mi - Fr: 15 - 19 Uhr Sa / So / FT: 11 - 18 Uhr

Ausstellungsaufnahme mit Werken

Sophie de Oliveira Barata und Dani Clode,

von Philippe Chitarrini (mehrteilige Arbeiten) und András Gál

„Synchronised for Kelly Knox“, 2017,

© Philippe Chitarrini und András Gál

The Alternative Limb Project, Foto: Omkaar Kotedia


Weikersh eim

Winterthur

Zw i c ka u

Skulpturen.SCHAU! Bis 20.9.2020 Finissage: 20.9.2020, 17 Uhr Weikersheim

Federn – wärmen, verführen, fliegen Bis 1.11.2020 (verlängert!) Gewerbemuseum Winterthur

Industriearchitektur in Sachsen. erleben erhalten erinnern 22.8. – 15.11.2020 KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum

Auch in Corona-Zeiten gibt es eine Skulpturen.SCHAU! in Weikersheim. Die Stadt zeigt insgesamt 12 Plastiken der Würzburger Künstlerin Angelika ­S umma (*1952). Summa nutzt in vielfältiger Weise Metall, Draht, ­E delstahl, Kupfer als auch Eisen. Daraus entstehen transparent-abstrakte Skulpturen. In Kugelformen verdichtet sie Lineamente zu Raumkörpern, die auch als Wandobjekte konzipiert sind. Sie arbeitet mit industriell vorgefertigten Materialien aus Metall und kommt damit zu fast organisch wirkenden Formen. Sie setzt textile Techniken, z. B. des Verknüpfens ein und bringt die Strukturen der Metallgeflechte in ­e inen spannungsvollen Gegensatz zur technoiden Oberflächenglätte des Materials. Die Schwere des Materials hebt sie durch die Leichtigkeit der offenen Struktur ihrer Gebilde auf. Angelika Summa, gehört zu den ständigen Künstlern und Künstlerinnen im „Malerfürstentum Neu-­ Wredanien“ und ist Mitherausgeberin der Zeitschrift „Nummer“. 1995 erhielt sie den Kulturförderpreis der Stadt Würzburg und 2014 den Kunstpreis der Stadt Würzburg. ☞ Stadt Weikersheim Die „Skulpturen.SCHAU!“ wird im öffentlichen Raum gezeigt 97990 Weikersheim www.weikersheim.de

Wer sich in eine wärmende Daunenjacke kuschelt oder in einem Federbett versinkt und unter der leichten Decke wohlig einschläft, weiß: Federn sind ein Glanzstück der Natur, so alltäglich wie staunenswert. Tausende Federn bedecken die Körper der Vögel, Konturfedern, Daunen, Borstenfedern und viele andere, hochspezialisiert, je nach ihrer Funktion im Vogelkleid. Federn wärmen und kühlen, halten trocken, schmücken und tarnen. Gleichzeitig ist gerade die Schwungfeder ein aerodynamisches Meisterwerk, das den Vögeln etwas ermöglicht, wovon wir Menschen seit Jahrtausenden träumen: das Fliegen. Die Schau verneigt sich vor dem höchst komplexen Gebilde aus Keratin und bietet einen Parcours durch seine verführerische Schönheit und Formenvielfalt. Sie beleuchtet die geniale Multifunktionalität der Federn, ihren kulturgeschichtlichen Gebrauch sowie die aktuelle Bedeutung im Design, in der Kunst und der Popkultur. Zudem wirft sie einen kritischen Blick auf das Verhältnis zwischen Mensch und Tier. ☞ Gewerbemuseum Winterthur Di/Mi/Fr–So 10–17 Uhr, Do 10–20 Uhr Kirchplatz 14, CH-8400 Winterthur T +41 (0) 52 2675136 www.gewerbemuseum.ch

Industrieland Sachsen – kaum eine sächsische Region, die nicht mit Industriegeschichte verbunden ist, kaum ein Stadtbild ohne historische Industriebauten. Was bleibt von den Gebäuden, wenn die ursprüng­ lichen Betriebe nicht mehr vor Ort sind? Verfall? ­A briss? Umnutzung? Die großformatigen Fotografien von Bertram Kober stellen erfolgreiche Nachnutzungskonzepte vor, ­z eigen ungenutzte Möglichkeiten auf und erinnern an verlorene Schätze der Industriearchitektur und Kulturlandschaft Sachsens. Mit der Ausstellung ist es gelungen, das Industriezeitalter als ein für die sächsische Geschichte prägendes Kapitel künstlerisch zu dokumentieren und – um ­e rläuternde Texte, dreidimensionale Objekte, historische Fotografien und Filme ergänzt – facettenreich zur Darstellung zu bringen. Eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes Sachsen e. V. in Kooperation mit der Sächsischen Landesstelle für Museumswesen und den KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum. ☞ KUNSTSAMMLUNGEN ZWICKAU Max-Pechstein-Museum Di/Fr 13–17 Uhr, Mi/Do 13–18 Uhr, Sa/So/Feiertag 11–17 Uhr Lessingstraße 1, 08058 Zwickau T +49 (0) 375 834510 www.kunstsammlungen-zwickau.de

TERMINE FÜR ENTDECKER

223

Bertram Kober, August Horch Museum Zwickau, © Bertram Kober

Angelika Summa, „Egoist II“, 2020, Foto: Astrid Hackenbeck

Foto: Ali Mahdavi, © Betony Vernon

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© VG Bild-Kunst, Bonn 2020


224

Appetizer R e i se t ipps z u K un s t und K ult ur von Bet t ina Götz tour ist @ar t mapp. net

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Davos

Faszination

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© Erwin Hymer Museum

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d i e we l t we i t g rö ß t e S a m m l u n g

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l ä d t e i n e n e u e A p p e i n, K i rc h -

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ners Lebens- und Arbeitsstät-

n i e re n d . E i n b l i c ke i n d i e

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S t a f e l a l p o d e r d a s K i rc h n e r-­

A h re n s h o o p e r L i t e ra t u r t a g e

m o b i l e, - C a m p i n g b us s e u n d

z e r wa l d “. U n t e r we g s d u rc h

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H y m e r M us e u m z us a m m e n m i t

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L e b e n u n d We r k d e s Kü n s t l e r s

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ra t u r a us u n d ü b e r M e c k l e n -

d e s m o b i l e n Re i s e n s a us d e r

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A p p i s t a l s G ra t i s d ow n l o a d i m

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hautnah

b u rg -Vo r p o m m e r n, ü b e r d a s

Ve rg a n g e n h e i t b i s i n d i e

o d e r ku l i n a r i s c h e n S c h a f f e n s

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Fischland und das Ostseebad

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S t o re ve r f ü g b a r (S u c hwo r t

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„K i rc h n e r M us e u m D a vos“).

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l a n d e s b i e t e t a u c h b e s o n d e re

e i n e Re i s e u m d i e We l t u n d

D i e A n t wo r t s t e h t i m b e g l e i t e n -

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E rg ä n z t w i rd d i e M e s s e vo n

K n u t s c h ku g e l n, M ä us c h e n u n d

A u t o re n l e s u n g e n i n ve r­

t o l l e n K i s t e n“ z e i g t z a h l re i c h e

s c h i e d e n e n H ä us e r n

K l e i n(s t) f a h r z e u g e vo n d e n

des Ostseebads.

Anfängen des Automobils bis

b re g e n z e r wa l d .a t

h e u t e u n d e r z ä h l t vo n d e m os t s e e b a d - a h re n s h o o p.d e

b e s o n d e re n G e f ü h l d e r n e u e n Fre i h e i t, d a s s i e i h re n s t o l z e n Besitzern bescher ten.

Zeitgenössische Architektur im Bregenzerwald,

e r w i n - hy m e r- m us e u m .d e

Foto: © Johannes Fink – Bregenzerwald Tourismus


225 Koblenz Meister werke z wischen Rhein und Pirna

­M osel

Maler weg S a g e n h a f t e s , Ro m a n t i s c h e s , Ku n s t vo l l e s ... e r wa r t e t B e s u Historische Altstadt von Güstrow, © taslair

Güstrow

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Barlach,

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K l ös t e r u n d S t i f t e w i e M e l k

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a us t r i a . i n f o d o n a u re g i o n .a t d o n a u ra d we g .a t Malerweg Elbsandsteingebirge, Basteibrücke, Foto: Tourismusverband Sächsische Schweiz e.V., Frank Richter


226 Tiny-House-Gondel am Piz Nair in Graubünden, Foto: © Nico Schärer Photography

Schweiz St. Goar

Schlafen

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­u nterm

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vo n d e n 55 e i n z i g a r t i g e n

Städten und menschlichen

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d i e W i l l i a m Tu r n e r n a c h S k i z-

re n . S p e k t a ku l ä r i s t vo r a l l e m

z e n s e i n e r e r s t e n R h e i n re i s e

die Lage – ob in einer zum

s c h u f. I m Ra h m e n d e s P ro j e k t s

T i ny H o m e u m g e b a u t e n

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Tübingen

­G iacomet tis

Tübinger ­M elange

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­G o n d e l a u f d e m P i z N a i r, i n

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e i n e m Cu b e m i t G l a s f ro n t z u m

D a s B e rg e l l i s t d i e H e i m a t d e r

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B ro n z e p l a t t e n z w i s c h e n

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s c h i c h t s t rä c h t i g e G e b i rg s t a l

­D e n ke r i n i h re n B a n n g ezo g e n

l e r s . D a b e i z e i g e n ve r t i e f t e

a l l e r „ Z i m m e r “ i s t d i e f re i e

e i n g a n z b e s o n d e re s Ku n s t ­

h a t. S c h l e n d e r n S i e d u rc h d i e

Fu ßs p u re n d i e ko r re k t e B l i c k-

Sicht auf den Sternenhimmel

e r l e b n i s : I m Ra h m e n d e r

ve r w i n ke l t e n G a s s e n d e r m a l e -

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d i re k t a us d e m B e t t.

e i n g e l a s s e n e r Q R- C o d e ve r-

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Kim Behm, Katja Behrens, Nicole Büsing und Heiko

Bethmann Design GmbH & Co. KG

ARTMAPP MAGAZIN

Klaas, Franz Dudenhöffer, Hansjörg Fröhlich,

bethmann-design.de

24. Ausgabe – 9. Jahrgang – August 2020

Prof. Dr. Chris Gerbing, Dr. Anja Gerdemann, Bettina

Verlag ARTMAPP GmbH

Götz M. A., Prof. Dipl-Ing. Heribert Hamann, Roland

DRUCK

Pfizerstraße 11, 70184 Stuttgart

Held, Alice Henkes, Dr. Henrike Holsing, Christina

NEEF + STUMME premium printing

HRB 760200 Amtsgericht Stuttgart

Körner, Siegmund Kopitzki, Andreas Mertin, Marc

Schillerstraße 2, 29378 Wittingen

USt.-IdNr. DE284814593

Peschke, Prof. Dr. Dr. Gerd Presler, Carsten Probst,

Geschäftsführung: Silvia Brouwer, Reiner Brouwer

Bernhard Rüth, Carsten Schneider-Wiederkehr,

VERTRIEB

Jan-Peter Schröder, Christoph Schütte, Andrin Schütz,

IPS Pressevertrieb GmbH

­D ominique von Burg, Elisabeth Weymann

Carl-Zeiss-Str. 5, 53340 Meckenheim

TEXTREVISION

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Katrin Günther, Berlin, katrin_guenther@gmx.net

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Reiner Brouwer, r.brouwer@artmapp.net

VERTRIEBSLEITUNG Silvia Brouwer, s.brouwer@artmapp.net T +49 (0) 711 161 224 15

Einzelheftversand 11 EUR / 16 EUR (EU und Schweiz) MITARBEITER DIESER AUSGABE

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Mark Brouwer, Nina Czayka, Ute Lauterjung REDAKTION Bettina Götz M. A., b.goetz@artmapp.net

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Der ARTMAPP-Gesamtauflage liegen der Beikleber „FLUX4ART“ Landeskunstschau Rheinland-Pfalz des BBK Rheinland-Pfalz, Mainz, auf Seite 16 und ein Beikleber des Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e. V., Rostock auf Seite 160 bei. Sollten diese Beilagen nicht vorhanden sein oder Sie weitere Exemplare wünschen, senden Sie uns bitte eine E-Mail: mail@artmapp.net.

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Der Kulturfonds feiert mit der gesamten Region das HĂślderlin-Jahr 2020.

Getragen wird der gemeinnĂźtzige Fonds vom Land Hessen, von Frankfurt am Main, dem Hochtaunuskreis und dem Main-Taunus-Kreis, Darmstadt, Wiesbaden, Hanau, Bad Vilbel, Offenbach am Main und Oestrich-Winkel. Weitere herausragende Kunst- und Kulturprojekte ďŹ nden Sie unter www.kulturfonds-frm.de | Facebook | Instagram | Newsletter


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RAINER FETTING 11. Sept. – 31. Okt. 2020

GALERIE JAHN PFEFFERLE

Reichenbachstr. 47-49 Rgb • 80469 München info@galeriejahnpfefferle.com • www.galeriejahnpfefferle.com

GALERIE WOLFGANG JAHN

Reichenbachstr. 47-49 Rgb • 80469 München info@galeriejahn.com MUSEUM FÜNF KONTINENTE MÜNCHEN • TIKIMANIA.• www.galeriejahn.com BERND ZIMMER • www.museum-fuenf-kontinente.de


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