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A n s el m K ief e r i n de r K u n st h a l le M a n n he i m
Die große Fracht Anselm Kiefers Werk existiert aus seinen offensichtlichen Widersprüchen. Sie machen die Faszination auf den ersten Blick aus: Tonnenschwer und zerbrechlich, monumental und kleinteilig, exaltiert und morbide – optische Überwältigung und innere Reflexion bedingen einander. Kaum schöner, so scheint es, ließe sich ästhetischer Idealismus noch heute ins Bild setzen. Niemand muss, um sich durch diese Arbeiten sinnlich auf sich selbst zurückgeworfen zu fühlen, alles kennen, was der Künstler zitiert. Fühlen ist Wissen. Schmerz ist Wahrheit.
Ein weiterer Antagonismus drängt sich erst beim Gang mit K urator Sebastian Baden durch die Ausstellung auf: der ständige Gegensatz von Intimität und Ferne in Kiefers Werk. Wie hat Anselm Kiefer sich seinen künstlerischen Habitus selbst erschaffen? Aller Kritik an seiner „schlechten Malerei“ oder seinem Mysterienkitsch zum Trotz hat er diesen Habitus, offenkundig erfolgreich, zu seinem Konzept absichtsvoll rätselhafter Visualität verdichtet.