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Dark Matter: Berlin in Licht und Sound
Text: Sebastian Oswald
Seit nunmehr zwei Jahren beherbergt eine ehemalige Fabrikhalle neben dem Techno-Club Sisyphos im Berliner Bezirk Lichtenberg das DARK MATTER. Als Idee eines Museums an der Schnittstelle von Kunst und Technologie zeigt die Dauerausstellung auf 1.000 Quadratmetern sieben großformatige Installationen mit einer wohl einzigarten Licht- und Soundinszenierung. Die Installationen, die über eine reine multimediale Lichtshow hinausgehen, treffen offenbar den Nerv der Zeit und haben bis heute über 400.000 Besucher angezogen. Angesichts der Lage des Ausstellungsortes fernab der hippen Szeneviertel der Berliner Innenstadt ist dies keineswegs selbstverständlich. Worin liegt also das Geheimnis des Ortes und seiner immersiven Installationen? Wir haben genau hingesehen –sowie vor allem: hingehört.
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Bereits beim ersten Betreten der Ausstellungsfläche tauchen wir ein in eine Parallelwelt. Einzig und allein die Lichtinstallationen beleuchten die sieben Ausstellungsräume und sorgen für eine schnell einsetzende Trance, ein Gefühl der absoluten Fokussierung auf die von Raum zu Raum größer und interaktiver werdenden Installationen. Wie beiläufig steigert die Dramaturgie des Ausstellungsrundgangs den Grad der Immersion. Während man sich anfangs noch wie ein passiver Betrachter wähnt, stellt sich spätestens ab dem dritten oder vierten Raum ein absolut umfängliches Gefühl der Immersion ein. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet der überwältigende Soundtrack und ein Audiosystem, das insbesondere bei den letzten Installationen einen selten in dieser Qualität hörbaren Raumklang abliefert.
Die erste Installation „Liquid Sky“ mit ihren 800 einzelnen, wellen- und kreisförmig bewegten Lichtpunkten inmitten eines verspiegelten Raumes vermittelt den Eindruck von Unendlichkeit. Der Klang ist meditativ, elektronisch und mitreißend. Schließt man die Augen, eröffnet sich ein fast paradoxes Erleben von Natur, als stünde man am Meer und spüre Wind und See gleichermaßen. „Inverse“, die darauffolgende Installation, besteht aus 169 schwarzen Kugeln, die sich in einem choreografierten Tanz bewegen und so die Illusion eines lebenden Organismus erzeugen. Die Kugeln heben und senken sich vor einem strahlend weißen Hintergrund, ihre Bewegungen sind mit einem tiefen Bass-Soundtrack synchronisiert, der gelegentlich von sanften melodischen Elementen begleitet wird. Das Ergebnis ist eine fesselnde Performance, die lebendig und organisch wirkt.
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Einen ebenso schönen wie hypnotisierenden Tanz des Lichts bietet „Circular“, ein Art Ballett aus drei Lichtringen, die im Raum schweben und sich zum pulsierenden, elektronischen Soundtrack bewegen. Zurück zur Natur geht es in der ersten deutlich größeren Installation, dem „Bonfire“. Simuliert wird hier eine zutiefst soziale und gleichzeitig archaische Institution – das Lagerfeuer – mit moderner Technologie. 20.000 Lichtpunkte schaffen ein digitales Feuer, einen Treffpunkt für Besucher, die sich im Kreis hinsetzen und das flackernde Licht inklusive täuschend echtem Funkenflug und (digitalem) Kerzenlicht betrachten können.
Ganz auf Interaktion der Besucher setzt dagegen die fünfte Installation „Polygon Playground“: Eine 360-Grad-Projektion, die dynamische Lichttexturen über die Umgebung zu legen scheint. Besucher sind eingeladen, ihre Schuhe auszuziehen und auf die Installation zu klettern, um mit dem Lichtspektakel eins zu werden und dieses durch ihre Bewegungen zu verändern.
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Nahezu überwältigt wurden wir von der schlicht und einfach „Grid“ genannten Installation, die im sechsten und größten Raum wartet. Während in Dreiecken angeordnete Leuchtröhren sich im Takt über den liegenden und sitzenden Besuchern bewegen, erzeugt eine Soundmatrix von Holoplot einen unglaublich wirkmächtigen, dreidimensionalen Raumklang. Alle Töne sind präzise verortbar und dynamisch an den Raum angepasst. Der von Robert Henke komponierte Sound ist mal perkussiv eindringlich, mal wabernd atmosphärisch und lässt einen in die Immersion der audiovisuellen Skulptur abtauchen, so dass der Durchlauf der kinetischen Performance wie im Flug vergeht. Man hat nun endgültig das Gefühl von einer Art Matrix und den raumschiffähnlichen Strukturen von „Grid“ umgeben zu sein.
Abgeschlossen wird der Ausstellungsrundgang von einem weiteren interaktiven Sound-Experiment. Die Installation „Tonleiter“ verwandelt eine Leiter in ein Musikinstrument zum Ausprobieren, wobei jede Stufe mit einem Klangbeispiel und Lichtern an der Decke verbunden ist. Besucher können ihre eigene Musik kreieren und dem Erlebnis damit eine persönliche Note verleihen.
Hinter dem Projekt und den Werken steht Christopher Bauder, Gründer des Designstudios WHITEvoid und des Lichttechnikherstellers KINETIC LIGHTS. Er ist der kreative Kopf hinter DARK MATTER. Bekannt für seine großformatigen Lichtkunstinstallationen wurden Bauders Arbeiten weltweit ausgestellt, darunter auch sein Projekt SKALAR, das weltweit zahlreiche Besucher anzog. In DARK MATTER wird Bauders Vision der Verschmelzung von digitaler und physischer Welt zum Leben erweckt und den Besuchern durch modernste Technologie und immersive Installationen ein einzigartiges Erlebnis geboten. Die erzeugten Klanglandschaften sind ebenso integraler Bestandteil des Erlebnisses wie Licht und Bewegung und verleihen den Installationen eine weitere Ebene der Immersion. Man spürt die hohe Kunstfertigkeit und den aufwendigen Prozess, der in allen äußerst hochwertig produzierten Installationen steckt. Wir haben selten eine stimmigere Verbindung von Kunst und Technologie gesehen und gehört.
Seit 20 Jahren arbeiten Yadegar Asisi und Eric Babak zusammen. Der Panoramakünstler und der Komponist. Angefangen hat es mit dem Mount-Everest-Panorama 2003 im Panometer Leipzig. Es war die Wiederentdeckung des Panoramas im 21. Jahrhundert. Als Malerei mit digitalen Techniken und unterschiedlichsten Motiven und Themen wurde auch die Inszenierung völlig neu gedacht – mit wechselnden Lichtstimmungen und den von Eric Babak komponierten Soundcollagen als einem der wesentlichen Gestaltungselemente. Die Musik, die Eric Babak dazu komponiert ist ähnlich wie die Filmmusik ein unverzichtbarer emotionaler Verstärker. Auf einer 360°-Klangmatrix führt sie die Besucherinnen und Besucher als sinfonische Bildbegleitung durch die Szenen und verstärkt auch die räumliche Wirkung des Bildes. Wie diese Musik entsteht, darüber sprachen wir mit Eric Babak an seinem Wohnort im Londoner Bezirk Soho.