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Bildsinfonien

Die Panoramamusiken des belgischen Komponisten Eric Babak

ThreeSixO In Filmproduktionen gibt es eine Phase der Postproduktion, in der Regisseur und Komponist zusammenkommen, um über die Platzierung der musikalischen Segmente zu entscheiden. Wie läuft dieser Prozess bei Ihrer Zusammenarbeit mit Asisi ab?

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Eric Babak Ja, tatsächlich ähnlich. Ich kenne das jeweilige Panoramabild vom ersten Gedanken an. Schon bevor ich den ersten Entwurf bekomme, sprechen wir über seine Idee und seine Vision. Nehmen wir mal das PERGAMON -Panorama. Da geht es um die antike Stadt Pergamon, die Yadegar Asisi in Zusammenarbeit mit den Archäologen der Staatlichen Museen zu Berlin zu neuem Leben erweckt hat. Sein Bild der Stadt zeigt unter anderem, wie der Pergamonaltar während eines antiken Theaterfestivals als Opferstätte genutzt wurde. Da wird Theater gespielt, der Kaiser Hadrian betritt die Arena und wird von Massen gefeiert, in anderen Szenen wird musiziert und getanzt. Wenn dann die ersten Entwürfe vorliegen, besprechen wir das ganze Bild und wählen die Szenen aus, die musikalisch unterstützt werden sollen, die ich dann mit Sounds und Musik erkennbar mache. Yadegar Asisi ist hier der Regisseur und hat immer klare Vorstellungen. Es ist mir wichtig, zu wissen, was er will. Erst dann setze ich im Studio meine ersten Ideen um. Die Arbeit am Soundtrack ist ein ständiger Austausch von Musik und Gedanken.

ThreeSixO Woher nehmen Sie Ihre musikalische Inspiration? In Pergamon zum Beispiel weiß niemand, wie die Musik damals geklungen hat.

Eric Babak Das stimmt, in anderen Fällen kann ich mich in die Musik den entsprechenden Zeiten reinhören. Aber wir haben ja Fantasie. Yadegar Asisi arbeitet in seinen Bildern immer sehr genau und führt wissenschaftliche Erkenntnisse mit seiner künstlerischen Interpretation zusammen. Ich bin in der Komposition meist noch freier. Jede Panoramamusik hat, wie es auch in Filmen wichtig ist, ein großes musikalisches Hauptthema. Wir setzen es meistens für den Übergang aus der Nacht- in die Tagvariante ein. Aber es kommt auch ständig in kleineren Varianten vor. Bei DRESDEN BAROCK klingt es dann wie in der Barockzeit. Beim Soundtrack zum TITANIC-Panorama haben wir mit einem großen Orchester gearbeitet, um die Größe zu erreichen. Für das PERGAMON -Panorama haben wir in der Schweiz jemanden gefunden, der sich auf sehr alte Flöten spezialisiert hat. Ihm habe ich dann meine Partituren gesendet, die er dann eingespielt hat. Manchmal bringt Yadegar Asisi auch Sounds von seinen Reisen mit. Bei dem AMAZONIEN -Panorama konnte ich zum Beispiel den Gesang eines indigenen Amazonas-Bewohners an einem Feuerkreis im Urwald in die Collage einsetzen. Oder die originalen Urwaldgeräusche. Wenn wir uns dann wohl fühlen mit dem Ergebnis wird alles im Studio produziert und die Orchester, Chöre oder Solisten aufgenommen und alles mit den Geräuschen in eine Klangwolke verwandelt.

ThreeSixO Sie kreieren aufwendige Klangcollagen oder ‚Klangwolken‘. Im Panorama PERGAMON gibt es Fanfaren für Kaiser Hadrian, jubelnde Menschen, klappernde Räder, kreischende Tiere am Opferaltar, Schritte, Regen, Wind, zirpende Zikaden ...

Eric Babak Alles, was in dem Bild gezeigt wird, kann auch zu hören sein, wenn es für Yadegar Asisis Inszenierung von Bedeutung ist. Im Film sind das die Geräusche, die die Szenen authentisch machen. Die Panoramamusik führt die Besucher durch das Bild. Licht und Musik sind genau aufeinander abgestimmt. Bei Bildern mit einem Tag und Nacht Wechsel wird das natürlich auch unterstützt. Manchmal ist es für eine Weile einfach still, oder es zwitschern nur die Vögel, oder es regnet, auch das kann Ruhe erzeugen. Insgesamt läuft der Sound im Tag-Nacht-Rhythmus etwa 15-20 Minuten pro Durchgang, aber viele Besucher bleiben viel länger für mehrere Durchgänge und entdecken auf ihren Rundgängen immer wieder neue Details im Panorama und in der Musik.

ThreeSixO Im Bereich der klassischen Musik gibt es die symphonische Dichtung, Musik, die ohne Worte erzählt. Ihre Panoramamusik scheint mir ähnlich zu sein, vor allem wenn man bedenkt, welch tiefe emotionale Wirkung sie auf das Publikum hat. Wenn man die Besuchenden beobachtet, kann man sehen, wie sie allein durch den Anblick und den Klang mitgerissen werden. Wie gehen Sie beim Komponieren von Emotionen vor?

Eric Babak Um ehrlich zu sein, weiß ich das nicht genau. Ich will gar nicht verstehen, wie es entsteht. Ich wehre mich immer dagegen zu analysieren, wie es entsteht, es muss aus einer Leichtigkeit, einer Unbeschwertheit heraus entstehen. Meine Zusammenarbeit mit Yadegar Asisi ist sehr spontan und der ständige Austausch inspiriert sofort zu neuen Ideen. Wir entwickeln gemeinsam das Konzept vom Soundtrack, und ich hatte noch nie das Gefühl, dass ich mich im Ergebnis verbiegen musste. Er hat sehr klare Vorstellungen wie sein Bild klingen soll, und ein sehr feines Gespür bezüglich der Intensität der Emotionen. Das können Gedanken sein wie beispielsweise Traurigkeit mit einem Hoffnungsschimmer oder Freude mit einem Hauch von Sorge. Dies umzusetzen ist ein spannender Vorgang für mich. Glücklicherweise stimmen unsere Vorstellungen darüber überein, wie es klingen soll, welche Emotionen es hervorrufen soll. Nach unseren Gesprächen kristallisiert sich für mich immer eine Idee klare heraus. Erst wenn es im Kopf fertig ist, gehe ich ins Studio für die Umsetzung, weil ich die Musik dann mit Orchester und Chören aufnehme. Für mich ist wichtig, dass das Bild für Yadegar so klingt wie er es im Kopf hatte, dann ist meine Mission erfüllt. Ich freue mich auf jedes neue Werk als wäre es das erste. Wenn man dann die Besucher mit staunenden Augen sieht, und hier und da eine Träne, ist das ein toller Moment.

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