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Tracktest FIA XC CrossCart TN5

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Mirko Bortolotti

Mirko Bortolotti

MOTORSPORT TRACKTEST FIA XC CROSSCART TN5

Einstiegsdroge

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Kaum hat die FIA vor gut zwei Jahren ein technisches Reglement definiert und damit die Basis für internationale Meisterschaften geschaffen, erleben Rennkarts fürs Gelände eine Renaissance. Was liegt also näher, als mal wieder richtig Staub aufzuwirbeln.

von Rallyefahrzeuge genutzten Offroadgelände von Armin Schwarz.

Wie schnell man doch zum Tier wird. Vor dem Start habe ich noch überlegt, ob mit uns nach vorne stürmt, verfliegen meine Gedanken über vernunftgeprägte Geländeritte. ich die Sache erst einmal vernünftig angehen soll. Ehrlich, das habe ich, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Kaum ist das Gaspedal durchgedrückt, kreischt im Kreuz das hochdrehende Motorradtriebwerk zur Attacke, und Mensch und Maschine sind nicht mehr zu halten. Vergessen, dass man vor knapp zwei Sekunden die Fuhre mit feinem Zusammenspiel zwischen Kupplung und Gaspedal in Bewegung setzte. Doch nun geht es nur noch Spartanische Technik - reduziert auf das Wesentliche - darum, mit strenger Hand Rallye-Profi Thierry Neuville und Reiner Kuhn die durchdrehenden Räder am kräftig auskeilenden Hintern in der Spur zu halten und mit einem kurzen Zug am Schalthebel des sequenziellen Sechsgang-Getriebes nach wenigen Metern die dritte Stufe einzulegen. Ebenso fix wie der leichtgewichtige Einbaum Rallye-Profi Thierry Neuville kennt das. „Was habe ich Dir gesagt: einmal probiert, sofort infiziert“, lacht der Vizeweltmeister, als der Autor dieser Zeilen nach wenigen Runden durch die Area 39, einem auch für Testfahrten In der Tat, das Suchtpotential ist groß. Verständlich, hat der 120 PS starke Motor aus der Suzuki GS-R 600 mit der 345 Kilo leichten RohrrahmenKonstruktion doch leichtes Spiel. Das Konzept ist ebenso simpel wie zweckdienlich. Keiner weiß das besser als Neuville, der seine Karriere im Autocross begann. „Für uns war dies die günstigste Variante, Motorsport zu betreiben“, erinnert sich der 32-jährige HyundaiWerksfahrer an jene Zeit, als er die Cross-Strecken in Deutschlands Südwesten unsicher machte. Als der Belgier hörte, dass die FIA an einem technisches Reglement für CrossCars arbeitet, suchte er den Kontakt zum Weltverband und machte sich seinem jüngeren Bruder Yannik ans Werk, um ein eigenes Fahrzeug zu konstruieren. Es folgte die Gründung der Firma „Life Live“ und die Präsentation des FIA XC CrossCart TN5. TN steht für Thierry Neuville, die 5 für seine Startnummer aus den WM-Sai-

sons 2017 und 2018. In kürzester Zeit hat sich die belgische Manufaktur einen Namen gemacht und zählt neben Planet Kart Cross und Camonin aus Frankreich, Speed Car aus Spanien und Peters aus den Niederlanden zu jenen fünf Herstellern, deren Fahrzeuge FIAZulassung haben. 40 CrossCarts hat Life Live bisher an den Mann gebracht. Hätte die Corona-Krise nicht die für diese Saison erstmals geplante europäische XC CrossCar-Serie verhindert, es wären deutlich mehr gewesen, ist sich Neuville sicher und wirbt die Werbetrommel: „Mehr Fahrspaß ist für weniger Geld kaum machbar. Die Einsatzkosten sind dank robuster Konstruktion und vielen Großserienteilen extrem niedrig.“

Der Basis-Kit mit FIA-zertifiziertem Gitterrohrahmen samt Kevlar-GFK-Verkleidung, Radträgern und vier Felgen, aber ohne Motor, Dämpfer und Bremsen zum Selbstaufbau gibt es ab 9.000 Euro. Die von uns gefahrene Highend-Wettbewerbsversion mit BremboBremsanlage, dreifach-verstellbaren Reiger-Dämpfern, schlägt dagegen mit rund 25.000 Euro zu Buche – netto versteht sich. Nicht nur deshalb dürften einige Rallye-affine Eltern für ihren Nachwuchs einen anderen Einstieg in die Driftszene bevorzugen. Denn bei aller Begeisterung haben CrossCarts wie alle Einstiegsdrogen auch offensichtliche Nebenwirkungen. Einerseits fehlt es an einer Straßenzulassung, andererseits an einem zweiten Sitz. „Echt schade“, bemängelt nach seinem Proberitt trotz glänzenden Augen auch Fabio Schwarz, Filius des ehemaligen Werkspiloten. „Denn das Ding macht richtig Laune. Auch wenn man auf kurzen Wellen und in Spurrillen wegen

Drei Pedale, vier Querlenker und zwei Stoßdämpfer garantieren hohen Lernfaktor

des kurzen Radstands den geringen Federwegen und den kleinen Rädern höllisch aufpassen muss“, berichtet der 15-jährige Jungspund von seinen Fahreindrücken und erklärt: „Da ich schon weiß, wo ich hin will, ist das für mich der falsche Weg. Ich muss in ein Rallyeauto, um mit einem Copiloten am Aufschrieb zu feilen.“

Gut für den am-Redakteur, der wieder das Steuer übernimmt und sich mit weiteren Tipps vom 13-maligen WM-Laufsieger aus dem Staub macht. Längst treibt mir nicht nur die brachiale Beschleunigung ein breites Grinsen ins Gesicht, sondern auch das Handling in mittelschnellen Ecken. Vorausgesetzt ich habe keine allzu tiefe Spurrillen in die Schotterpiste gefräst. Denn bei allem Fahrspaß, nicht enge Rallyewege, sondern weitläufige und ebene Rallycross-Pisten sind das bevorzugte Terrain von CrossCars.

Reiner Kuhn Fotos: Jens Führer DATENCHECK

Hersteller: LifeLive (B) Modell: FIA XC CrossCart TN5 Motor: von Suzuki GSX-R 600 Reihen-Vierzylinder, 600ccm Leistung 120 PS bei 13.500 U/min Kraftübertragung: Heckantrieb Sequentielles 6-Gang-Getriebe kein Rückwärtsgang

Fahrwerk:

Doppelte Dreiecksquerlenker vorne Querlenker mit Stabilisator hinten Dreifach-verstellbare Dämpfer (Reiger) Bremsen: Scheibenbremsen mit Zweikolben-Bremssattel (Brembo) Felgen: 5x10“ vorne, 8x10“ hinten Reifen: 165x70-10 v., 225x40-10 hi.

Chassis/Karosserie:

FIA-zertifizierter Gitterrohrrahmen mit Kevlar-GFK-Verkleidung

Maße:

L 2.600 mm, B 1.600 mm, H 1.400mm Radstand: 2090 mm Leergewicht: 345 kg

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