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Chevrolet Corvette Stingray
FAHRBERICHT CHEVROLET CORVETTE STINGRAY
Konzeptwechsel
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Es war ein absoluter Kulturschock für die Szene, als vor zwei Jahren endgültig klar wurde, dass die legendäre Corvette von Chevrolet auf eine Mittelmotor-Plattform wechseln würde. Vom klassischen Frontmotor-Boliden mit langer Haube zum rennsportlichen Konzept mit zentral angeordneter Maschine: Radikaler kann ein Konzeptwechsel nicht ausfallen. Jetzt hat Chevrolet auch eine Cabrio-Variante vorgestellt, die pünktlich zum europäischen Marktstart fertig geworden ist. Wir sind sie eine Woche lang gefahren.
Eigentlich gibt es den Chevrolet Corvette Stingray, wie das Modell offiziell heißt, mit drei Dachvarianten: Schon das EinstiegsCoupé verfügt über einen herausnehmbaren Targa-Einsatz. Als Alternative gibt es ein transparentes, abgetöntes Targa-Modul. Die dritte Variante ist das Cabriolet, das über ein elektrisch versenkbares Hardtop verfügt.
OFFEN NUN AUCH AUF KNOPFDRUCK
Das Cabriolet besitzt mehrere Vorzüge: Während das Targa-Modul bei der regulären Corvette nur im Stand abgenommen und verstaut werden kann, kann das Cabriodach per Tastendruck bei bis zu 50 km/h geöffnet oder geschlossen werden. Zudem lässt sich die kleine Glasheckscheibe elektrisch ansteuern: Bei offenem Dach dient sie als Windschott, bei geschlossenen Dach lässt sie sich absenken, um die Ventilation zu verbessern und den V8 akustisch noch besser zur Geltung kommen zu lassen. Übrigens wiegt die CabrioVariante nur 35 Kilogramm mehr als das leichte Targa-Coupé – vielleicht ein Anlass für Porsche, die amerikanischen Leichtbau-Konzepte, die man einst selbst so gut beherrschte, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Kofferräume vorn und hinten sind mit zusammen 357 Litern üppig bemessen, die Hifi-Anlage und das Telematiksystem erfüllen gehobene Ansprüche. Noch nie war eine Corvette so gut verarbeitet, der Stil im Cockpit ist futuristisch, die Klimatisierung lässt sich über eine schmale Schalterleiste anpassen.
Unser Testwagen war nicht nur mit der Top-Ausstattung namens 3LT, sondern zudem mit einer ganzen Reihe von Optionen ausgerüstet, die den Preis auf über 85.000 Dollar (ca. 70.000 Euro) treiben. Doch das in Deutschland nicht erhältliche Einstiegsmodell 1LT kostet als Cabriolet nur 68.495 Dollar, das Coupé gibt es in den USA sogar ab 60.995 Dollar (ca. 50.150 Euro). In Deutschland, wo die Markteinführung für Oktober geplant ist, legen die Amerikaner happig drauf: Die Preisliste für die auf dem Niveau 3LT basierende „Launch Edition“ beginnt beim Coupé bei 99.000 Euro, für das Cabriolet werden 106.000 Euro fällig. Doch das ist im Konkurrenzvergleich immer noch sehr günstig. Denn die neue Corvette tritt wie ein Supersportwagen auf.
SELBER MOTOR, NEUE PLATTFORM
Und diesen optisch dokumentierten Anspruch erfüllt sie auch auf der Straße: Direkt hinter den Passagieren sitzt der legendäre 6,2-Liter-V8Saugmotor, der in der US-Variante mit Sportauspuff stolze 502 PS (369 kW) leistet.
Die Sportsitze aus Nappa-Leder geben perfekten Halt, besonderes Schmankerl: farbige Gurte
Blick weg von der Straße? Fehlanzeige. Die Mittelkonsole sammt Farbtouchscreen ist Fahrerorientiert
Durch die Heckscheibe erhält man einen Blick auf das neu konzipierte LT2 Triebwerk
Die vom Kampfflugzeug inspirierte schmale Schalterleiste steuert die Klimatisierung.
Renommierter Motor: Der V8 Sauger leistet 475 PS und 613 Nm
In Deutschland werden es immer noch 475 PS (345 kW) sein, die bei 6450 Umdrehungen in der Minute und damit knapp unterhalb der Drehzahlgrenze erzeugt werden. Das maximale Drehmoment von satten 613 Newtonmetern liegt bei 4500 U/min an.
Der „Small Block“-Motor schiebt schon im unteren Drehzahlbereich mächtig an, die Leistung steigert sich linear. Sie wird über ein Acht-Gang-Doppelkupplungsgetriebe auf die Hinterräder gebracht, die sowohl die Kunst der sauber verschliffenen Gangwechsel als auch das brutale Hereinpeitschen der nächsten Übersetzung beherrscht. Untermalt wird das ganze von einem bassigen Klangteppich, der Elektro- und Hybrid-gepeinigten Enthusiasten in Europa Tränen der Rührung in die Augen treiben dürfte.
Eine Handschaltung gibt es leider nicht mehr; die Beschwerden der traditionsbewussten Kundschaft darüber sind nicht verstummt, auch wenn sich die Sieben-Gang-Box des Vorgängers in der Bedienung keineswegs durch besondere Grazie auszeichnete. Die Fahrleistungen der neuen Corvette liegen auf sehr hohem Niveau: Der Sprint von 0 auf 100 km/h dauert in der Europa-Version ganze 3,5 Sekunden, die Spitze liegt bei 296 km/h. Die US-Variante liegt sogar noch marginal besser. Im US-Zyklus verbraucht die Corvette 12,4 Liter Sprit pro 100 Kilometer, bei ruhiger Gangart ist es uns jedoch sogar gelungen, auf rund neun Liter zu kommen. Damit beweist Chevrolet einmal mehr, dass nichts über großvolumige Aggregate geht: Sie verbrauchen im Realbetrieb oft weniger Sprit als hochgezüchtete DownsizingMaschinen oder gar irgendwelche Plug-InHybride, die zentnerweise Akkus mit sich herumschleppen.
Wenn gewünscht, gibt sich die Corvette zahm: Die elektronische Dämpferregelung lässt sich komfortabel einstellen, das Geräusch kann in den „Stealth“-Modus versetzt werden, und so lassen sich auch Langstrecken entspannt zurücklegen. Sobald der Fahrer möchte, ändert sich der
Charakter jedoch auf Knopfdruck blitzschnell, die Motor- und Fahrwerksparameter werden angeschärft. Dann lässt sich die Corvette über das griffige Zwei-Speichen-Lenkrad mit äußerster Präzision einlenken, der 6,2-Liter-Motor brüllt auf, und die Bodenhaftung ist so überragend, dass nur noch wenige Sportwagen mitkommen – schon gar nicht in dieser Preisklasse.
Die hecklastige Gewichtsverteilung von 60:40 sorgt für hervorragende Traktion, die MichelinPilot-Sport-4S-Reifen brillieren auf trockener und nasser Straße. Die von Brembo zugelieferte Bremsanlage, die sich im Ansprechcharakter einstellen lässt, beißt kraftvoll zu, lässt sich aber gleichzeitig hervorragend modulieren.
Der eingangs erwähnte Kulturschock, soviel steht fest, hat die bislang beste Corvette hervorgebracht. Ein Problem gibt es trotzdem: Noch immer fremdeln nicht nur Traditionalisten mit dem als juvenil empfundenen, sehr aggressiven Design. Aber das ist Geschmacksache. Tatsache ist hingegen: Die Corvette ist zum echten Supersportwagen geworden. Und unter ihnen ist sie mit Abstand das beste Angebot.
hak
DATENCHECK CHEVROLET CORVETTE STINGRAY
Länge x Breite x Höhe (m): .......4,63 x 1,93 x 1,23 Radstand (m): ...................................................2,72 Motor: V8-Benziner, 6162 ccm, Direkteinspritzung Leistung:..............345 kW / 475 PS bei 6450 U/min Max. Drehmoment: ........613 Nm bei 4500 U/min Höchstgeschwindigkeit: ........................ 296 km/h Beschleunigung 0-100 km/h: ....................3,5 Sek. US-Durchschnittsverbrauch: .................. 12,4 Liter Leergewicht: .......................min. 1576 kg (trocken) Kofferraumvolumen: .................. 357 Liter (v. + h.) Bereifung: ......245/35 ZR 19 (v.) 305/30 ZR 20 (h.) Luftwiderstandsbeiwert: ................................0,32 Basispreis: .............. 106.000 Euro (Launch Edition)
Das Ende einer Ära
Corvettes wurden bisher nach drei simplen Grundregeln gebaut: Erschwinglich, zuverlässig und der Motor muss vor dem Fahrer sein. Bei der C8 ändert sich eine dieser drei Regeln und deshalb blicken wir auf die Vorgänger zurück.
CORVETTE C1
Die Erfolgsgeschichte der Corvette beginnt im Jahre 1953. Die C1, welche ausschließlich als Cabrio zu ersteigern war, durchlief in ihren neun Jahren Produktionszeitraum viele Veränderungen, die bis heute noch bestehen. Die vier runden Rücklichter, Kohlefaserkarosserie und der Small-Block V8 fanden bis in die C7 ihren Einzug.
CORVETTE C2
Szenenwechsel: Ecken und Kanten anstatt schwungvoller Linien, ein optionaler Big-Block mit 7 Litern Hubraum und Klappscheinwerfer. Die Corvette Sting Ray ist geboren. Der berühmte Name stammt übrigens von dem Prototyp Corvette Stingray Racer aus dem Jahre 1959.
CORVETTE C3
Die Karosserie wurde länger und flacher trotz gleichbleibendem Radstand. So entstand die C3, die durch ihrer Coca-Cola Glasflaschenform auch liebevoll Coke-Bottle-Shape-Corvette genannt wurde. Im Jahre 1971 kam der größte, je in einer Corvette verbaute Motor auf den Markt. Er schöpfte 435 Ps aus einem 7,4 Liter V8.
CORVETTE C4
Die Jagd nach Hubraum endete mit der C4. Diese wurde ausschließlich mit einem 5,7 Liter V8 gebaut. Durch eine noch flachere Form, eine Frontscheibe die 64 Grad Neigung aufweist und dem neuen 6-Gang-Getriebe von ZF konnte trotz Leistungszuwachs der Verbrauch gedrückt werden.
CORVETTE C5
Komplett neu konstruiert wurde die Corvette C5, bei der man zum ersten Mal keine Teile anderer GM Modelle verbaute. Die fünfte Generation wuchs zwar in allen Belangen, konnte aber 36 Kg Gewicht einsparen. Die Klappscheinwerfer und der 5,7 Liter V8 blieben erhalten.
CORVETTE C6
Die Ähnlichkeit zur C5 ist unübersehbar, obwohl die charakteristischen Klappscheinwerfer weichen mussten. Alles in allem wurde die C6 gegenüber ihrem Vorgänger grundlegend aufgewertet. Ein besseres Fahrwerk und Motoren bis zu 647 Ps sind die Resultate.
CORVETTE C7
Wenn man so will ist die C7 die letzte, echte „Vette“. Mit einer Leistung von 466 Ps ist sie die stärkste Basis-Corvette aller Generationen. Die Corvette wurde durch Leichtbauweise wiederum leichter als ihr Vorgänger und nun kann man die „wiederbelebte“ Stingray auch als 8-StufenAutomatik erwerben.