9 minute read
PROGNOSEN Andreas Burgener
from A&W 1+2/2021
Den Karren aus dem Dreck ziehen konnten sie aber nicht – oder wie sehen Sie das?
Bezüglich CO2 Sanktionen sicher nicht, der Gesamtmarkt ist weit von den Zielvorgaben entfernt. Es war immer klar, dass wir in den ersten Jahren mit dem 95GrammNEFZZiel, das nun ab 2021 zu einem 118GrammWLTPZiel wird, massive Sanktionen zahlen werden. Bezüglich Marktvolumen konnten die verlorenen Wochen im Frühjahr nicht mehr aufgeholt werden.
Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz.
«AUTOS MIT ALTERNATIVANTRIEB SIND SEXY GEWORDEN»
Wegen Corona wurden 2020 in der Schweiz so wenige Autos verkauft wie während der Ölkrise Anfang der1970er-Jahre. Andreas Burgener, Direktor der Importeursvereinigung auto-schweiz, hat aber dennoch Erfreuliches zu berichten und blickt optimistisch in die Zukunft. Interview: Mario Borri
AUTO&Wirtschaft: Beschreiben Sie das vergangene Autojahr in zwei Sätzen …
Andreas Burgener: Beeinflusst von der Coronapandemie, war es ein sehr herausforderndes Jahr mit fast einem Viertel Marktrückgang. Das vorsichtig prognostizierte Ziel von 240’000 neuen Personenwagen wurde nicht erreicht.
Was hat sich stärker auf die negative Entwicklung der Zulassungszahlen ausgewirkt – der Lockdown, die Zurückhaltung der Kunden oder die Lieferengpässe bei den Herstellern?
Es war ein wenig schmackhafter Cocktail aus all diesen Faktoren. Der Lockdown im vergangenen Frühjahr hat die Fahrzeugproduktion und damit auch das Angebot beeinträchtigt. Die durch die Pandemie hervorgerufenen wirtschaftlichen Unsicherheiten haben dann zu Kaufzurückhaltung geführt, als die Showrooms am 11. Mai wieder öffnen durften.
Wie erklären Sie sich, dass der Dezember trotz der aktiven zweiten Corona-Welle so stark war?
Die wirtschaftlichen Aussichten sind grundsätzlich nicht so schlecht. Ein ähnliches Phänomen sieht man am Aktienmarkt, der ebenfalls im Hoch ist. Zudem wollte der eine oder andere vielleicht noch die Erreichung von Markt oder CO2 Zielen optimieren.
Die Alternativantriebe haben massiv zugelegt – das, obwohl Sie Lieferengpässe prognostizierten. Wie das?
Glücklicherweise konnte die Produktions und Lieferfähigkeit von Modellen mit Alternativantrieb im zweiten Halbjahr wieder gesteigert werden. Insofern sind wir sehr froh, dass unsere Befürchtungen nicht eingetreten sind, unsere Mitglieder haben sich enorm ins Zeug gelegt. Die Auswahl an entsprechenden Modellen ist massiv gestiegen – das entspricht dem Zeitgeist, die Welt ändert sich.
Was ist der Hauptgrund, dass die Alternativen so stark geworden sind – das Umdenken der Autokäufer oder das gestiegene Angebot an entsprechenden Fahrzeugen?
Die Angebotssteigerung ist sicherlich ein Hauptgrund, die HybridMotorisierungen und Elektromodelle schiessen wie Pilze aus dem Boden. Zudem sind diese Produkte sexy: Im Vergleich zu herkömmlichen Motorisierungen werden durch die Elektrifizierung oft Effizienz und Leistung gleichermassen gesteigert.
Weshalb haben vor allem die Plug-inHybride so zugelegt?
Das Angebot ist enorm gewachsen, bei einigen Marken können sie mittlerweile eine Fülle an Modellen mit Lademöglichkeit bekommen. Zudem ist der PluginHybrid oft der Antrieb mit der höchsten Leistung oder die einzige Motorisierung mit 4x4 – in der Schweiz mit 50prozentigem Marktanteil immer noch ein gewichtiges Argument. Die Kraft der zwei Motoren ist sicher der Standardantrieb der nächsten Dekade.
Das angestrebte Marktziel «10/20», also 10 Prozent Steckerfahrzeuge 2020, haben Sie klar erreicht – wird sich die Importeursvereinigung ein weiteres Marktziel setzen?
Wir sind sehr glücklich, dass das trotz Covid19 so gut funktioniert hat. Das insgesamt tiefere Marktniveau hat aber massiv geholfen, und das ist ein enormer Wermutstropfen. Neben dem Ziel der Roadmap Elektromobilität von 15 Prozent, das nun dieses oder nächstes Jahr auch erst einmal erreicht werden muss, ist unser Fernziel die Defossilisierung des Schweizer Strassenverkehrs bis 2050 – im Einklang mit den Zielen des Bundesrats.
So oder so – wie werden sich Ihrer Meinung nach die Zulassungszahlen von alternativ angetriebenen Fahrzeugen 2021 entwickeln?
Die Alternativen haben im Dezember 2020 die 40ProzentMarke übertroffen. Das ist durchaus ein realistisches Niveau – auch für das Gesamtjahr 2021.
Welche Rolle spielen dabei die finanziellen Anreize? Bund und Kantone sind ja im Vergleich zum europäischen Ausland immer noch sehr zurückhaltend …
…und das ist schade – darauf weisen wir die Politik immer wieder hin. Das ist auch ein Grund, warum autoschweiz das neue CO2 Gesetz ablehnt: Dort ist einmal mehr zu viel Peitsche und zu wenig Zuckerbrot für die Autobranche enthalten. Ein paar Ladestationen in Mehrfamilienhäusern, die durch das Bürokratiemonster «Klimafonds» unterstützt werden sollen, lösen das Problem noch lange nicht. Man sieht an Norwegen oder neu auch an Deutschland, dass es grössere Anstrengungen braucht – die dann aber auch Erfolg bringen können.
Welche Prognosen stellen Sie für den Gesamtmarkt 2021? Kann man angesichts der immer noch angespannten Corona-Situation überhaupt etwas sagen?
Wir sind optimistisch und haben im Herbst eine Prognose von 270’000 Neuwagen abgegeben. Das wäre ein Plus von 14 Prozent zu 2020. Voraussetzung dafür ist, die pandemische Lage wird nicht noch schlimmer. auto-schweiz rechnet für 2021 mit 40 Prozent Marktanteil von alternativ angetriebenen Autos.
Was passiert, wenn es einen erneuten Lockdown gibt?
Die Konzepte haben sich bewährt und müssen weiterhin akzeptiert bleiben. Jeder konnte Erfahrungen im Umgang mit einer Pandemie sammeln. Diese kämen dann sicher zum Tragen, etwa im Bereich Onlinevertrieb oder kontaktlose Probefahrten und Fahrzeugübergaben.
Was wünschen Sie sich für 2021 – ausser dem Ende der Pandemie?
Dass wir mit unseren Argumenten gegen das neue CO2 Gesetz eine Mehrheit der Schweizer Stimmbevölkerung überzeugen können.
www.auto.swiss
esa.ch
Schmierig und stolz darauf.
«DER SCHWARZE PETER IST BEI DEN AUTOHERSTELLERN»
Die Coronakrise und die daraus resultierenden Massnahmen haben der Automobilbranche stark zugesetzt. Wie es weitergeht und ob die Krise auch was Gutes bringen wird, erzählt Professor Ferdinand Dudenhöffer, Direktor CAR – Center Automotive Research in Duisburg, im Interview.
Interview: Isabelle Riederer
AUTO&Wirtschaft: Herr Professor Dudenhöffer, wie geht es 2021 mit der Automobilbranche weiter?
Prof. Ferdinand Dudenhöffer: Wie es weitergehen wird, ist schwer zu sagen, da man nicht genau weiss, wie sich die CoronaSituation entwickeln wird. Diese Verunsicherung hat einen grossen Einfluss auf die Branche. Wir glauben aber, dass das Wachstum im ersten halben Jahr in Europa überschaubar sein wird. Im Gegensatz dazu wird die Post in China abgehen. China wird
Der chinesische Automarkt wird für die Automobilhersteller immer wichtiger, ist Dudenhöffer überzeugt. weiter wachsen, da sie auch gut aus der Krise rausgekommen sind. China wird für die Automobilbranche in diesem und in den kommenden Jahren noch wichtiger sein.
Wann wird sich die Automobilbranche von der Corona-Krise erholen? Wird sie sich überhaupt jemals erholen?
China wird bereits dieses Jahr wieder das Niveau von 2019 erreichen und weiter expandieren. In Europa wird es länger dauern. Wir glauben, dass es sicher fünf Jahre dauern wird, bis Europa wieder auf dem Verkaufsniveau ist wie vor Corona. Das liegt unter anderem an den schwachen Wachstumsraten, der hohen öffentlichen Verschuldung, möglichen Steuererhöhungen und dem Brexit. Die Frage ist, wie sich das alles auf den privaten Konsum auswirken wird, denn man hat bereits festgestellt, dass die Leute dazu tendieren, ihre Autos länger zu fahren. Hinzu kommt die Umstellung auf die Elektromobilität und die härteren Strafzahlungen. Es wird also weiterhin angespannt bleiben.
Wie sieht es bei den Automobilzulieferern aus?
Diejenigen, die sich rein im Bereich des Verbrennungsmotors bewegen, werden es schwierig haben. Das neue Business ist die Elektromobilität, das sieht man auch daran, wie die Batteriefabriken nur so aus dem Boden gestampft werden. Gerade dieses Geschäft werden die klassischen Zulieferer im Verbrennungsmotorbereich nicht machen können. Einige basteln noch etwas an Brennstoffzellen herum, was aber ein sehr kleiner Markt ist. Unter dem Strich werden grosse Zulieferer in den nächsten zehn Jahren klein werden.
Thema Zuschüsse beim Kauf eines Elektroautos in Deutschland – wie schätzen Sie das ein? Funktioniert das auf längere Sicht, denn die Preise für Neuwagen und Occasionen brechen immer mehr ein …
Der Gebrauchtwagenmarkt ist ja ein absolutes Chaos und die Restwerte ebenfalls. Jeder hat Angst mit Restwerten zu hantieren, weil man einfach nicht genau weiss, wie es weitergehen wird. In Deutschland hat man den Markt mit Subventionen zugeschüttet und bis zum Gehtnichtmehr verzerrt. Man muss nun schauen, was passiert, wenn die Subventionen auslaufen. Deutschland behauptet, bis 2025 wollen sie diese Innovationsprämie beibehalten. Ich glaube nicht, dass das so lange geht – vielleicht noch bis zur nächsten Wahlperiode. Der Kern ist, Benzin und Diesel sind einfach zu günstig und die Regierung scheut sich, die Preise zu erhöhen. Die Autofahrer fahren an der Tankstelle vorbei, sehen die Preise und denken sich: Warum soll ich mir ein Elektroauto kaufen, wenn der Sprit so günstig ist? Wenn das so bleibt, ist es ein grosses Risiko, und die Subventionen lösten lediglich ein Strohfeuer aus. Das Problem ist, wenn dem so wäre, müssten die Autohersteller noch mehr Subventionen in den Markt geben, ansonsten laufen sie Gefahr, sehr hohe Strafzahlungen zu bekommen. Der schwarze Peter ist jetzt bei den Autoherstellern.
Plug-in-Hybride sollen die Brücke zur reinen Elektromobilität schlagen.
Aber mal ehrlich, 40 bis 60 km elektrische Reichweite, die gängige Plug-in-Hybride heute bieten, sind kaum der Rede wert …
… die Glaubwürdigkeit von PluginHybriden hat in der Öffentlichkeit stark abgenommen und die Technologie hat Vertrauen verloren. Die Autohersteller müssen schauen, dass sie so schnell wie möglich von den PluginHybriden wegkommen. Volkswagen hat Mut bewiesen und den ersten Schritt gemacht, MercedesBenz ist dran, andere Hersteller wie BMW haben zu lange gewartet, eine reine Elektroplattform auf den Markt zu bringen.
Die CO2-Vorgaben der EU werden immer strenger. Für dieses Jahr werden viele Hersteller Strafgelder in Millionenhöhe zahlen oder haben sich bei einem anderen Hersteller in den CO2-Pool eingekauft. Die nächste CO2-Vorgabe wartet schon, können die Hersteller das überhaupt schaffen?
Mit PluginHybriden ganz sicher nicht. Allein für die neuen Grenzwerte ab 2030 ist eine elektrische Flotte unabdingbar.
Viele Automobilhersteller setzen künftig auf neue Vertriebsmodelle, darunter auch VW oder MercedesBenz. Wie beurteilen Sie diese neuen «Agenten»-Modelle?
Diese neuen Modellen sollen vor allem Kosten aus dem Handel nehmen. Der Handel ist schlichtweg zu teuer. Das liegt nicht nur an den Händlern, sondern vor allem auch an den Vorgaben der Autobauer. Wenn Sie heute ein Auto für 50'000 Franken kaufen, müssen Sie 5000 Franken allein für den Handel bezahlen. Mit der heutigen Transparenz und Digitalisierung ist das einfach nicht mehr adäquat. Deshalb setzen die Automobilhersteller auch auf neue Vertriebsmodelle und neue Produkte wie AutoAbonnements.
Hand aufs Herz, sind Auto-Abos wirklich die Zukunft? Noch scheinen diese Angebote nicht zu fruchten …
Natürlich will ein Porschekunde kein Auto von der Stange. Deshalb machen AutoAbos auch nur in gewissen Segmenten und Preisklassen einen Sinn, die für affine Kunden auch attraktiv sind. Bei monatlichen Kosten zwischen 300 und 600 Franken funktioniert ein AutoAbo sehr gut, alles, was über 1000 Franken liegt, wird sehr schwer sein.
Viele Länder wollen Verbrenner bis 2025 (Norwegen), 2030 (GB) oder 2040 (Frankreich) verbieten. Wohingegen Länder wie die USA keine Pläne haben. Bringt das überhaupt was, wenn jeder seinen eigenen Weg geht?
Grundsätzlich glaube ich, dass ein Verbot für Verbrenner gut und vor allem auch hilfreich für die Industrie ist. Von diesem ständigen Hin und Her hat niemand was. Besser wäre es, wenn man eine klare Ausstiegsstrategie für Verbrennungsmotoren hat, dann kann sich auch jeder Autohersteller und zulieferer daran orientieren. Das würde auch dafür sorgen, dass die Investitionssicherheit zunimmt und das Risiko sinkt. Ein klares Ausstiegsszenario ist die beste Möglichkeit, um sauber umzusteigen mit weniger Kosten für die Industrie. Die Frage ist: Wann soll man es machen und kann man sich abstimmen? Aktuell sieht es so aus, als würden viele Länder 2030 Verbrennungsmotoren verbieten. Professor Ferdinand Dudenhöffer.
Die Coronakrise hat auch den Automessen schwer zugesetzt. War das Virus der letzte Sargnagel für klassische Automessen?
Die Zeit für klassische Automessen ist vorbei. Die einzige wichtige Automesse auf der Welt ist die China Auto Show. Warum? Weil China das Zentrum des Automobilgeschäfts ist und weil sie kein Problem damit haben, die Hallen voll zu kriegen.
www.carfuture.com
POWER
Maximale Leistung und optimaler Schutz auch unter extremen Bedingungen. Motul bietet für jedes Bedürfnis das richtige Produkt. Qualität und Fahrspass inklusive.
Motul – für alle, die mehr wollen.