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Findige Ungarn und Schlager über Düsseldorf
Die oberen Zehn
Versuche mit elektrischem Antrieb gab es vor einem halben Jahrhundert nicht nur in der westlichen Hemisphäre. Auch findige Ungarn machten sich an dieses Thema, scheiterten aber nicht nur an der noch unzureichenden Technik.
Text: Roland Scharf, Fotos: Werk
Was war es für eine vermeintlich sorgenfreie Zeit. In den 1970ern schien der Glaube an den Fortschritt schier grenzenlos zu sein. Man fand nicht nur Schlager über Düsseldorf und Glockenhosen toll. Auch Kunstleder und zwar schon deshalb, weil es eben ein künstlich produziertes Produkt war. Aber im Glauben an die Technik, dem Emanzipieren der Natur gingen zahlreiche Warnzeichen unter. Am stärksten machte sich das bei der Stromindustrie bemerkbar, schließlich lieferten Atomkraftwerke praktisch ohne Zutun Energie. Kein Wunder, dass das Thema E-Auto aufpoppte, gerade im Osten, wo man sich ja besonders fortschrittsgläubig gab.
Fehlende probleme Das zeigte sich neben Atommeilern quer über die Sowjet-Staaten auch an einem kleinen Verein mitten in Ungarn. 1973 gründete man dort das Forschungsinstitut für Elektroindustrie. Natürlich ging es auch um die Mobilität und besonders dieses Thema ging man äußerst ambitioniert an. Nämlich gleich mit einem Lieferwagen auf Basis des Barkas B 1000 aus dem Bruderstaate DDR. Ja und ebenfalls 1973 konnte man die ersten Prototypen schon auf die eigenen Räder stellen. Dass man einen so geräumigen Wagen als Grundkonzept wählte, hatte rein pragmatische Gründe. Irgendwo mussten die riesenhaften Akkus ja untergebracht werden, die das Leergewicht von 1,3 Tonnen nicht nur mehr als verdoppelten. Zudem schrumpfte die Nutzlast um 50 Prozent auf knapp 500 Kilogramm, was den Einsatzbereich des sauberen Neulings natürlich erheblich einschränkte.
zwangsbeglückung Im Endeffekt so sehr, dass nur mehr Anwendungen für den urbanen Bereich übrig blieben, da man mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h sonst kaum konkurrenzfähig gewesen wäre. So konnte man aber die bemitleidenswerte Reichweite von 50 Kilometern am ehesten noch schönreden und 1975 rollten schließlich zehn Serien-E-Barks aus den Produktionshallen direkt zur ungarischen Post. Für die Zustelldienste würde die Technik schon ausreichen, argumentierte man. Und wie das in der Planwirtschaft nun einmal so war, hätten
Stolz trug man die neue Antriebsform beim Ebark nach außen; die magere Reichweite und empfindliche technik ließen sich dadurch aber auch nicht verbessern Proteste eh nichts genutzt, also nahm man die anfällige Technik in Kauf und machte das Beste daraus, auch wenn tägliche Liegenbleiber zur Normalität gehörten. Zumindest in Ungarn brauchte man für verspätete Zustellung seinerzeit keine Ausreden.
Saftige Dolche Natürlich bildete sich in diesem generell rebellischen Bruderstaat Widerstand und hastig versuchte man, die positivsten Seiten dieses Automobils hervorzustreichen. Zum Beispiel, dass man damit aktiv der Smogbildung entgegenwirken könne. Doch die gab es vor einem halben Jahrhundert in der östlichen Hemisphäre definitiv noch nicht. Trotz Zweitakt-Trabi. Aber so realistisch muss man sein: Nicht einmal auf der anderen Seite des eisernen Vorhangs hätte man Erfolg gehabt – trotz Ölkrise. Die Zeit war noch lang nicht reif und so visionär der ungarische Ansatz war, für den ElektroBark bedeutete das im Endeffekt den finalen Dolchstoß. Genauso wie für Kunstleder, Glockenhosen und Schlager über Düsseldorf. •