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WIE DIE BAD REICHENHALLER PHILHARMONIKER ZU IHREM NEUEN CHEFDIRIGENTEN KAMEN ZU IHREM NEUEN CHEFDIRIGENTEN KAMEN
Mozart, Beethoven und „zwei tolle Deutschlehrerinnen“ haben Daniel Spaw nach Deutschland gebracht. Aufgewachsen in Nashville, Tennessee, verliebte sich der US-Amerikaner in der 7. Klasse in die deutsche Sprache und sog sie auf: „Mein Hirn war wie ein Schwamm, wenn es ums Deutsche ging.“ Nach dem Abschluss in Klavier an der Indiana University in Bloomington führte ihn 2007 ein Stipendium nach Köln, wo er 2012 an der Hochschule für Musik und Tanz einen Abschluss in Dirigieren machte. Nach Stationen als Solo-Repetitor und Kapellmeister am Landestheater in Linz sowie als Kapellmeister und stellvertretender Musikdirektor am Theater Hof ist der 35-Jährige seit November Chefdirigent, Künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Bad Reichenhaller Philharmoniker.
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Foto: BRPHIL / Tom Mesic / Andrés Añasco
Das Orchester durfte entscheiden
Spaw setzte sich in einem Auswahlverfahren durch, auf das die Bad Reichenhaller Philharmoniker stolz sind. „Erstmals in der 152-jährigen Orchestergeschichte wählten allein die Musiker den Chefdirigenten“, wie Harald Labbow hervorhebt. Zusammen mit Dorothea Biehler bildet er den Vorstand der Bad Reichenhaller Philharmonie e.V., des Trägervereins der Philharmoniker. „Unsere Musikerinnen und Musiker können schließlich am besten beurteilen, welche Ansprüche an diese Position zu stellen sind“, begründet Labbow, warum der Vorstand sich für dieses Verfahren entschied. Allein schon durch die fast täglichen Kurkonzerte mit ihrem vielfältigen Repertoire arbeiten die Bad Reichenhaller Philharmoniker besonders intensiv mit ihrem Künstlerischen Leiter zusammen. „Da sollten Know-how und Chemie auf jeden Fall passen“, weiß Dorothea Biehler.
Zusammen mit Spaw bewarben sich in der ersten Runde etwa 150 Dirigentinnen und Dirigenten aus aller Welt um die Nachfolge von Christian Simonis. Anhand von Lebenslauf und Motivationsschreiben wurden zunächst zwei Dutzend für die Vordirigate herausgefi ltert. „Um dabei maximale Transparenz und Fairness walten zu lassen, haben wir zu diesem Zweck eine achtköpfige Kommission gebildet“, berichten die beiden Vorsitzenden. Neben ihnen gehörten der Kommission auch Geschäftsführer Felix Breyer, je ein Vertreter aus Orchestervorstand, Betriebsrat und einer freiwilligen Arbeitsgruppe aus dem Kollektiv sowie zwei unabhängige Fachleute aus der Nürnberger und Salzburger Kulturszene an. Bei den mehrere Runden umfassenden Vordirigaten lag die Entscheidung dann allein beim Orchester.
Bravo-Rufe und ein lautes „Yes“
Daniel Spaw schaff te es dabei in kurzer Zeit, dass die Musiker „ihm folgen und gefallen wollten“, verrät die Violinistin Agnes Haitz. „Er strahlt bei aller Jugend doch Reife und Persönlichkeit aus“, sagt sie
Daniel Spaw
über den charismatischen Künstler, der schon beim Probedirigat nahezu alle Orchestermitglieder mit Namen ansprechen konnte. Neben seiner Musikalität, Schlagtechnik und Programmgestaltung habe er auch sprachlich überzeugt, so Haitz. Bei den öffentlichen Konzerten im Rahmen des Auswahlverfahrens habe er gekonnt moderiert und es verstanden, die Zuhörer auf fantasievolle Art an die Musik heranzuführen.
Auch bei Martin Sedlmeier punktete Spaw mit seinem Auftreten: „Der jugendliche Schwung verbunden mit der Ruhe eines ,alten Hasen‘, dazu die Persönlichkeit, die eine Bühne nicht nur betritt sondern einnimmt, überzeugten bereits beim ersten Eindruck“, so der Schlagzeuger, der wie Haitz im Orchestervorstand ist. „Spaw hat auch nicht versucht, uns zu verbiegen und uns als Bühne für die eigene Darstellung zu missbrauchen.“ Besonders gut erinnert sich Sedlmeier an die „ehrliche Freude“ des Dirigenten, wie er sagt, beim gemeinsamen Musizieren eines Medleys von Louis Armstrong. Das Publikum goutierte das Stück mit Bravo-Rufen. „Der letzte Ton verklang, er schlug sich auf den Schenkel und rief laut, ‚Yes!‘, mit echter Freude und Begeisterung im Gesicht. Da war mir klar, dass er der richtige Partner für uns Musiker sein würde.“
Faszination Orchesterklang
Die Freude an der Musik entdeckte Daniel Spaw vor 30 Jahren, als er zum ersten Mal „in die Tasten haute“, wie er erzählt. Er spielte „Happy Birthday“ auf einem alten Klavier des Herstellers „Wurlitzer“, das sein Großonkel gekauft hatte. Von da an ließen ihn seine Eltern, Chirurg und Krankenschwester, Klavierunterricht nehmen. „Sie haben mich nicht dazu getrieben, ich wollte selbst spielen.“ Weil er so früh anfing, wurde das Instrument Teil seines Lebens. Pianist werden wollte er aber nie, sondern schon immer Dirigent. Am meisten faszinierte ihn der Klang des Orchesters, seine Kraft, die er in der Filmmusik zu „Star Wars“ entdeckte und später bei Beethoven oder auch beim Amerikaner Samuel Barber, den er ebenso besonders schätzt.
Die Bad Reichenhaller Philharmoniker sind gespannt, wie er sein Repertoire einbringen und auch in die Kurmusik einfließen lassen wird. „Zum ersten Mal in der Geschichte des Orchesters haben wir einen Dirigenten, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist und der sogar von einem anderen Kontinent kommt“, sagt Agnes Haitz. Martin Sedlmeier erhofft sich von Spaw eine Erweiterung des Repertoires in die Moderne und auch in den amerikanischen Kosmos, ohne die Grundlagen wie zum Beispiel die Goldene und Silberne Ära der Operette zu vernachlässigen.
„Ohne die Musiker wäre ich nichts“
Der Vereinsvorstand wünscht sich vom Künstlerischen Leiter, dass er die Bad Reichenhaller Philharmoniker „zukunftsweisend weiterentwickelt“ und dabei auch junges Publikum anspricht. Harald Labbow und Dorothea Biehler sind sich bewusst, dass Spaw vor großen Herausforderungen steht. Er konzipiert die Programme sämtlicher Konzerte einschließlich der Kurmusik und der Gastspiele in der Region. In den Kurkonzerten ist er darüber hinaus auch als Moderator gefordert und natürlich als Dirigent und Vorgesetzter von 40 Musikern. Spaw sieht seine Mission darin, „andere dazu zu bringen, das Beste zu geben, ein Ganzes zu schaffen, das größer ist als seine Teile“. Er will ihnen helfen, ihr Potenzial zu verwirklichen, ist aber auch auf ihre Mithilfe angewiesen. „Ich spiele keinen Ton, ohne die Musiker wäre ich nichts.“ Bojan Krstulovic
ICH WUSSTE: WENN SIE WOLLEN, WILL ICH AUCH.
10 FRAGEN AN DANIEL SPAW
1. Was hat Sie überzeugt, nach Bad Reichenhall zu kommen?
Schon bei den ersten Begegnungen mit den Musikerinnen und Musikern, wo es kaum Möglichkeiten gab, miteinander zu reden (weil die Konzerte ohne Probe stattfanden), spürte ich den Willen, miteinander Musik zu machen. Beim dritten gemeinsamen Konzert im Januar 2020 verlief dann nicht nur die Arbeit, sondern auch das Konzert so spannungsvoll und schön, dass ich wusste: Wenn sie wollen, will ich auch.
2. Welche Akzente werden Sie musikalisch setzen?
Natürlich gibt es Werke, die ich unbedingt zu meiner Einstiegssaison aufs Programm setzen wollte, aber da durfte auch das Coronavirus mitreden. Das Feedback der Musikerinnen und Musiker sowie die Reaktion des Publikums auf die ersten Programme werden die Gestaltung der weiteren Programme auch beeinflussen. Ich bin selbst auf der Suche nach Unbekanntem, denn die Kombination davon zusammen mit dem was man kennt, oder zu kennen meint, ist oft am spannendsten. Mir wird es immer darum gehen, Musik mit Stil und Inspiration überzeugend zu gestalten, egal von welchen Komponisten oder aus welcher Epoche.
3. Welche Ideen haben Sie für die Kurmusik?
Dadurch, dass 2021 Bad Reichenhall 175 Jahre BADekur in Reichenhall feiert, wollte ich diesbezüglich eine neue Konzertreihe in der Kurmusik entwickeln. Ich freue mich sehr, dass Frau Mag. Gabriella Squarra,