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Entsorgen? Von wegen

Text Cornelia Berger, Fotos Adrian Moser

Bisher musste ausgediente Arbeitskleidung von Energie Wasser Bern entsorgt werden. Dies vor allem deshalb, weil die Kleidungsstücke ein Firmenlogo tragen und somit zweckendfremdet und beispielsweise für Zutritte in Häuser missbraucht werden könnten. Privates Weiterverwenden oder Spenden war deshalb ausgeschlossen. Trotzdem ist es Energie Wasser Bern gelungen, den Stoffkreislauf zu schliessen und aus alten Arbeitskleidern neue Produkte zu fertigen, die ökologische, ökonomische und soziale Anforderungen bestens erfüllen. Christof Scherrer

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Die ausgemusterten Arbeitskleider sind zwar nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck zu gebrauchen, aber trotzdem zu schade für die Tonne. Wie also könnte diese Kleidung weiterhin sinnvoll genutzt werden? Für Christof Scherrer (Nachhaltigkeitsmanagement) und André Häfliger (Supply Chain Management, beide Energie Wasser Bern) war der Gedanke an «upcycling» naheliegend.

Der Begriff stammt aus dem Englischen und setzt sich zusammen aus up, «nach oben» und recycling, «Wiederverwertung». Es handelt sich dabei um einen Umwandelungsprozess, bei dem aus Abfallprodukten oder scheinbar nutzlosen Materialien neuwertige Produkte gefertigt werden. Dieses Vorgehen unterstützt das ökologische Ziel von Energie Wasser Bern, so wenig Abfall wie möglich zu produzieren und ressourcenschonende Vorgehensweisen zu

Bildhintergrund: die Initianten des Projektes, André Häfliger (links) und wählen.

Terra Vecchia

Mit der in Gümligen ansässigen Upcycling Manufaktur der Stiftung Terra Vecchia war schnell ein fähiger Partner für die Umsetzung der Idee gefunden. Die 1973 gegründete Stiftung unterstützt seit fast 50 Jahren Menschen darin, eine grösstmögliche persönliche Autonomie zu erreichen, indem sie unter anderem Arbeitsplätze für Menschen bietet, die im Rahmen der beruflichen Integration oder eines geschützten Arbeitsplatzes auf Begleitung und Unterstützung angewiesen sind.

«Aus alt mach neu» lautet das Motto des Upcycling-Ateliers. Die Flexibilität von Terra Vecchia sowie kurze Transportwege brachten das Projekt gegen Ende des letzten Jahres ins Rollen, es entstanden

erste Ideen für Artikel. Nähversuche und Materialtests zeigten bald, dass sich die ausgedienten Arbeitskleider des Energieversorgers bestens als Basis für originelle Produkte eignen. So entstehen heute aus Teilen von ausgedienten Jacken, Hosen oder Fleecepullovern Taschen, Etuis, Kissen und Alltagsgegenstände. Jedes der fertigen Produkte ist ein Unikat, es gibt kein Teil ein zweites Mal. Schliesslich waren die dafür verwendeten Materialien zuvor im Einsatz und zeigen entsprechende Gebrauchsspuren. Auch die Auflage ist beschränkt, je nach vorhandenem Altmaterial.

Das ganze Team der Upcycling Manufaktur beteiligt sich am Entwurf von neuen Produkten, wodurch viele Vorschläge und Ideen in die Produktegestaltung einfliessen. Sobald das Schnittmuster fertig ist, wird jeder Arbeitsschritt dokumentiert und fotografiert. Bewährt sich ein Prototyp, können die Mitarbeitenden anschliessend direkt selbstständig mit der Fertigung beginnen.

Taschen für Energie Wasser Bern

Nadja und Joëlle arbeiten heute an Taschen für Energie Wasser Bern. Ihr Arbeitstag in der Upcycling Manufaktur beginnt um 7.45 Uhr. Beim morgendlichen Meeting mit allen Anwesenden werden Aufgaben verteilt und Zuständigkeiten geregelt. Anschliessend stellen die beiden Frauen das erforderliche Material zusammen. Für eine fertige Tasche benötigen sie zwei Regenjacken und ein bis zwei Westen oder Hosen. Erst werden die Nähte aufgetrennt und dann aus dem Rücken der ausgedienten Jacken die Aussenteile für die Tasche zugeschnitten. Die Innentasche wird aus den Westen und Hosen gefertigt. Nach diesen Vorbereitungsarbeiten rattern dann auch schon die Nähmaschinen in der kleinen Produktionsstätte. Abhängig von Material und Produkt wird auf einer Haushalt-, einer Overlock- oder einer Industrienähmaschine gearbeitet. Der Aufwand für die Fertigung aus gebrauchten Materialien ist natürlich grösser, als wenn neue Stoffe verwendet würden. Die ausgediente Arbeitskleidung muss gewaschen, sortiert und überprüft werden, was viel Zeit in Anspruch nimmt. Eine Umhängetasche mit Innentasche kann gut vier bis fünf Tage Arbeit bedeuten. Etuis werden in rund drei und Kissenbezüge aus Faserpelzjacken in vier bis fünf Stunden gefertigt. Die Stiftung bietet den Mitarbeitenden der Manufaktur die Möglichkeit und Chance, das Mit- und Nebeneinander zu üben und sich für eine gewisse Zeit auf die Berufswelt vorzubereiten, um so zukünftig für den Arbeitsmarkt gerüstet zu sein.

Neue Projekte

In der Upcycling Manufaktur wird nicht nur alter Arbeitskleidung, sondern auch anderen Materialien wie ausgedienten Gleitschirmen oder PVC-Blachen neues Leben eingehaucht. Die Möglichkeiten für Upcycling sind nahezu unbeschränkt. Deshalb möchte Energie Wasser Bern diesen Gedanken weiterverfolgen und sieht grosses Potenzial für weitere spannende Projekte zusammen mit Terra Vecchia – schliesslich gibt es aus verschiedenen Bereichen des Energieversorgers interessante Reststoffe, beispielsweise ausgediente Gas- und Wasserrohre. Denn längst gehört Material, das für seinen ursprünglichen Zweck ausgedient haben mag, nicht mehr einfach in den Abfall.

ewb.ch

Energie Wasser Bern verlost exklusiv im BÄRN! Magazin verschiedene Unikate aus der Terra Vecchia Upcycling Manufaktur – siehe

Seite 50.

Thomas Zürcher, Product Manager Energie Wasser Bern

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