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Pinto
Professionelle Zivilcourage in Bern
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Seit 2005 sind die Mitarbeitenden der städtischen Interventionstruppe Pinto in Berns Innenstadt unterwegs. Sie schlichten bei Konflikten und bieten Hilfe für Menschen auf der Gasse an. Nach dem Beginn des Lockdowns stieg auch die Arbeit für Pinto sprunghaft an. Text Luca Hubschmied
Durch die Einschränkungen im öffentlichen Leben waren viele Wochen lang hauptsächlich Menschen auf den Gassen der Sandsteinstadt anzutreffen, die dort ihren Lebensmittelpunkt haben. In diesem Raum leisten unterschiedliche Organisationen Soziale Arbeit, am auffälligsten für das naive Auge des Beobachters dürften die Zweierteams mit roter Weste und der Aufschrift «Pinto» sein. Prävention, Intervention und Toleranz verbergen sich hinter dem Akronym. Elf Personen sind für die mobile Interventionstruppe der Stadt Bern unterwegs, ihren Arbeitsalltag verbringen sie vorwiegend auf der Strasse, mindestens 60 Prozent der Zeit, so steht es im Konzept. Sie schlichten bei Konflikten, vermitteln bei Ruhestörungen, bieten Hilfe und Beratung für Menschen auf der Gasse und sprechen Fehlverhalten im öffentlichen Raum an.
Die Verschärfung der Lage für Armutsbetroffene und Abhängige, wie sie viele gassennahe Organisationen seit Beginn der Coronakrise feststellen, beobachtet auch Pinto: «Wir haben seit dem 3. März massiv mehr zu tun», erklärt Silvio Flückiger am Telefon. Er ist seit 15 Jahren bei Pinto tätig und leitet das Projekt seit 2007. Mit Beginn des Lockdowns hat sich der Arbeitsalltag für Pinto stark verändert; erste Aufenthaltsräume und Angebote Freiwilliger mussten schliessen, dafür verlängerte das von Pinto betriebene Obdachlosencafé «Punkt 6» seine Öffnungszeiten. Weil zudem die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse den Innenhof schliessen musste und damit der Platz für Aufenthalt und Deal wegfiel, übernahm es Pinto, den dortigen Nebenhof sieben Tage die Woche zu führen. Die Stadt hat zusätzliche Einzelzimmer organisiert, um Obdachlosen in Zeiten von #stayhome eine Gelegenheit zur Selbstisolation anzubieten. Insgesamt 29 Zimmer stehen in Bümpliz und im Rossfeld zur Verfügung, für die Zuweisung der Klienten ist Pinto zuständig.
Die Einführung der mobilen Interventionstruppe im Jahr 2005 stiess nicht überall auf Zustimmung. Die unterschiedlichen Aufgaben, die Pinto unter einem Hut vereint, führten besonders in den ersten Jahren zu kritischen Vorstössen im Stadtrat. Es allen recht zu machen, sei aber ohnehin nie das Ziel gewesen, sagt Silvio Flückiger und fährt fort: «Unsere Arbeit lässt sich als professionalisierte Zivilcourage zusammenfassen.»
In einem Haltungspapier der Schweizerischen Fachgruppe Gassenarbeit wird, ohne Pinto namentlich zu nennen, der Konflikt deutlicher. Die Abgabe von ordnungspolitischen Aufgaben an nicht polizeiliche Organisationen möge vielleicht berechtigt sein, heisst es dort, doch dies solle nicht unter dem Deckmantel der Sozialen Arbeit geschehen. Darauf angesprochen, entgegnet Flückiger: Sozialarbeit leistet sehr vereinfacht zwei Aufgaben: fördern und fordern. Jeder Soziarbeiter oder Sozialpädagoge, der in einer Institution, auf einem Sozialdienst oder in einem Wohnprojekt arbeitet, tut exakt dies. Bei Pinto ist es dasselbe, nur setzen wir nicht eine Hausordnung durch oder machen auf Abmachungen aufmerksam, wir weisen auf die Regeln im öffentlichen Raum hin. Wir leisten also durchaus Soziale Arbeit.
Pinto ist eine mobile Interventionsgruppe, die sich im öffentlichen Raum der Stadt Bern für eine konfliktfreie Koexistenz aller Bevölkerungsgruppen einsetzt.
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