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Warum ist die Aare grün?

WAS SIE SCHON IMMER ÜBER UNSEREN LIEBSTEN FLUSS WISSEN WOLLTEN

Schwimmen in der Aare ist Entschleunigung, weil nichts die Gedanken besser fortspült als kühles, träge dahinfliessendes Wasser. Und Schwimmen in der Aare ist Verbundenheit, weil im Wasser alle gleich sind – egal, wer man zuvor auf dem Marzilirasen zu sein vorgab. Wir haben für Sie ein paar Fakten zusammengetragen, die man sonst noch über den Fluss der Flüsse wissen sollte.

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Text Michèle Freiburghaus, Foto zvg

Wie die Aare zu ihrem Namen kam: Die ältesten schriftlich belegten Namen für den Berner Hauptfluss sind lateinisch und stammen aus der spätrömischen Zeit des zweiten Jahrhunderts. Auf der Engehalbinsel gab es damals eine römische Siedlung, der nahe Fluss hiess gemäss Inschriften Arura. Im Mittelalter war das deutschsprachige Are, Ahre oder Aare gebräuchlich. Auf der mittelalterlichen Ebstorfer Weltkarte von 1239 heisst der Fluss auf Lateinisch «Araris flumen» – Fluss Aare.

Die Aare ist der längste rein schweizerische Fluss und hat ein aufregendes Leben: Der Fluss wird aus dem Oberaargletscher geboren, durch Schluchten gezwängt und in Seen ausgebreitet. Später von den beiden Flüssen Limmat und Reuss frisch gestärkt, tritt die Aare ihre letzte Reisestrecke an und mündet nach 291 Kilometern und einem Einzugsgebiet von circa 620 km2 bei Koblenz in den Rhein. Die Aare erscheint grün, weil an den Steinen Grünalgen wachsen. Das gilt vor allem an Flussstellen, an welchen das Geschiebe nicht in Bewegung ist. Milchig wird sie durch die sogenannte Gletschermilch mit vielen mineralischen Partikeln aus den Gletschern.

Bei Wasser-Hochstand fliesst die Aare viel schneller. Es gibt vermehrt Strömungen, die sogenannten Wasserpilze. Das ist Wasser, das vom Grund aufsteigt und an der Oberfläche flach wie ein Tisch wegfliesst; zudem treten vermehrt die gefährlichen Wirbel auf. Gelangt man in einen Wirbel, sollte man keinesfalls dagegen an kämpfen. Am besten ist es, sich ganz herunterziehen zu lassen, unten abzustossen und schräg hinauszuschwimmen. Auch wenn es Nerven kostet.

In der Aare landet immer mehr Müll: Grössere Gegenstände, die in der Aare landen, werden von den Tauchern der Sanitätspolizei Bern herausgeholt. Vor allem Velos landen gerne in der Aare, an manchen Stellen finden sich bis zu 30 Drahtesel. Das grösste Problem, ganze 30 Prozent des Unrats, sind kleine Abfälle wie Zigarettenstummel, Glasscherben und Flaschendeckel. Jedes Jahr gibt es eine «Aare-Putzete», die auch von Fischerclubs unterstützt wird.

Die Aare weist eine hervorragende Wasserqualität auf. Wer also beim Aareschwimmen versehentlich etwas Wasser schluckt, muss sich keine Sorgen machen. In der ARA Worblental, der drittgrössten Kläranlage im Kanton Bern, werden die Abwässer von etwa 70 000 Einwohnern sowie Grosskunden aus Industrie und Gewerbe behandelt. Zuletzt fliesst das bis zu 99 % gereinigte Abwasser in die Aare.

Die Mitglieder des Aareschwimmer «Gfrörli-Clubs» tauchen auch im Winter und bei eisigen Temperaturen ohne zu zögern in den Fluss ein. Und seit 1986 legen unerschrockene Bernerinnen und

«Sie ist die Schönste, die wir je gesehen haben» Johann Wolfgang von Goethe

Berner im Rahmen des «Zibeleschwümme» am Vortag des Zibelemärit 350 Meter vom Schönausteg bis zum Marzilibad zurück.

17 Brücken, ohne Eisenbahn- und Autobrücken, gibt es über die Aare. Die älteste ist die Untertorbrücke, deren erste Version aus Holz ab 1256 über die Aare führte, bevor sie wegen eines Hochwassers davongeschwemmt wurde. Bis im 19. Jahrhundert die ersten Hochbrücken gebaut wurden, war die Untertorbrücke der einzige begeh- und befahrbare Zugang über die Aare in die Stadt Bern.

Der allseits beliebte «Aareguru» mit App und Webseite ist ein Hobbyprojekt. Es wird keine Werbung geschaltet, es gibt aber einen Shop, dort können Aaareguru-Produkte bestellt werden, um die Fronarbeit zu unterstützen.

Das «Marzili» ist eines der grössten und meistbesuchten Bäder

der Schweiz (Spitzenfrequenzen bis zu 13 000 Besucher). Das Bad ist schweizweit eine Berühmtheit und nicht nur, weil sich hier die ersten Frauen oben ohne sonnten. Die Einrichtung des Bades lässt sich bis auf das Jahr 1782 zurückdatieren, es war damals natürlich noch nach Frauen und Männern getrennt. 1822 wurde die «Akademische Badeanstalt» mit einem von der Aare gespeisten Badebecken eröffnet. Die Badeanlage, wie sie sich heute präsentiert, geht auf die Jahre 1968-70 zurück, als ein umfliessender Aareseitenlauf, der «Löifu», zugeschüttet wurde, und das Areal seinen Inselcharakter verlor. Speziell am Marzili ist auch das FKK-Separée «Paradiesli», wo Frauen die Möglichkeit haben, nackt zu sünnele. Das ehemalige Männerbad an der Nordspitze des Bades – der sogenannte «Bueber» – ist heute für alle zugänglich.

Im Aare-Schwimmbecken des Lorrainebades tummeln sich zahlreiche Fische, die über den Schieber von der Aare in die Badi schlüpfen. Es sind unter anderen Egli, Hechte und Karpfen anzutreffen. A propos «Füdliblüttle»: Im Lorrainebad findet sich eine gemischte Nacktzone.

Beim Baden im Fluss sind wir auch nicht alleine: Neben kleinen Fischen wie Bachforellen, Aeschen oder Flussbarschen wurde von Fischern auch schon ein 1 Meter langer Aal oder ein 1,95 Meter grosser Riesenwels an Land gezogen. Auch Flusskrebse sind anzutreffen, aber keine Sorge, es sind nachtaktive Tiere. Die Wahrscheinlichkeit, einen Krebs beim Schwimmen in der Aare anzutreffen, ist also eher gering. Wer trotzdem einmal einem Flusskrebs begegnet, hält lieber Abstand, denn fühlen sich die Krebse gestört, können sie durchaus mal zwacken.

Kennen Sie den Reckbergtunnel? – Es handelt sich dabei um den 200 Meter langen, engen, feuchten und kalten Tunnel, den Aareschwimmende nach 20 Minuten sich Treibenlassens benutzen, um von Bremgarten wieder an ihren Ausgangspunkt beim Zehendermätteli zurückzukehren.

Sicherheit über alles: 2013 lancierte die Stadt Bern gemeinsam mit der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG und Bern Welcome die Kampagne «Aare you safe?», um Schwimmerinnen und Schwimmer auf die Gefahren in der Aare aufmerksam zu machen. Im Marzili gibt es, aufgrund des erhöhten Verkehrsaufkommens auf der Aare, eine neue Beschilderung für Aareböötler*innen. Mehr Infos dazu auf der Webseite der Stadt Bern. Die Verhaltensregeln bezüglich Corona-Schutzmassnahmen gelten übrigens auch auf und in der Aare.

«Sie ist die Schönste, die wir je gesehen haben.» Johann Wolfgang von Goethe verfasste diese Worte über die Aare in einem Brief an seine Freundin Charlotte von Stein, als er sich im Jahre 1779 in Bern aufhielt.

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