Vilde Frang & Michail Lifits

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Innigkeit und Virtuosität Werke für Violine und Klavier

Paul Thomason

Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich die S­ onate für Violine und Klavier von frühen Versuchen, in denen fast durchweg das Klavier im Vordergrund stand und die Geigenstimme lediglich schmückendes, oft scheinbar überflüssiges Beiwerk bildete, zu einer Gattung eigenen Rechts und ebenso gleichberechtigter Partner. Die drei Sonaten für Violine und Klavier von Johannes Brahms, Kernstücke des Repertoires, bauen auf die Stärken beider Instrumente. ­Typisch Brahms, vernichtete der Komponist zunächst die Manuskripte von mindestens drei weiteren Violinsonaten, bevor er sich an das Werk machte, das heute als G-Dur-Sonate op. 78 bekannt ist. Sie entstand in den Sommermonaten der Jahre 1878 und 1879, in denen sich Brahms im kärtnerischen Pörtschach am Wörthersee erholte und sich von der Umgebung inspirieren ließ. Brahms war ein begnadeter Pianist. Jan Swafford überliefert in seiner Biographie des Komponisten eine Episode, in der Clara Schumann – selbst eine berühmte Pianistin – annahm, sie höre zwei Menschen vierhändig spielen, dann aber Brahms ganz allein am Klavier vorfand, der seine Hände über die Klaviatur fliegen ließ: er liebte es, so viel Klang wie möglich aus dem Instrument zu holen. In seiner ersten ­Violinsonate achtete er jedoch sehr bewusst darauf, den ­zarteren Ton der Geige nicht mit der klanglichen Wucht des Klaviers zu erschlagen. Im Gegenteil übernimmt oft die 5


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