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Bewegte Bergmomente
from Park Zeit 2021/1
by Park Igls
Stark gegen Tumor & Infekte
Wussten Sie, dass sich bereits ein moderates Training, wie es von Ärzten im Gesundheitssport empfohlen wird, positiv auf die physische und psychische Körperabwehr auswirkt? Dr. med. Mag. phil. Richard Kogelnig, stellvertretender medizinischer Leiter im Gesundheitszentrum Park Igls, erklärt im Gespräch, wie Bewegung im Freien das Tumorrisiko verringert, die Infektionsraten senkt und den Organismus ganzheitlich stärkt.
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Bewegung im Freien wirkt positiv auf unsere Gesundheit. Warum ist das so? Dr. Richard Kogelnig Es gibt viele wissenschaftliche Belege für den engen Zusammenhang von Gesundheit und körperlicher Aktivität. Speziell die regelmäßige Bewegung im Freien hat vielfältige positive Effekte auf die Psyche und auf sämtliche Körperfunktionen, vor allem aber auf den Stoffwechsel. So verbessern sich der Zucker- und der Fettstoffwechsel deutlich und der Knochenstoffwechsel wird nachweislich angeregt. Als Folge davon wird die gesamte Knochenarchitektur fester und belastbarer und profitiert ungemein. Anzahl und Größe der Mitochondrien – also der körpereigenen »Verbrennungsmotoren« – in der Muskulatur nehmen zu, so lassen sich die erwünschten Effekte auf den Stoffwechsel, den Grundumsatz und das Köpergewicht leicht erklären.
Profitiert auch unser Immunsystem davon? Dr. Kogelnig: Bewegung in richtiger Dosierung stimuliert natürlich auch das Immunsystem, indem es zu einer Verbesserung der NK-Zellfunktion führt (siehe Kasten). In unserer täglichen Arbeit im Gesundheitszentrum Park Igls zeigt sich zudem, dass mäßig Ausdauertrainierte mit niedriger Belastungsintensität im Vergleich zu Untrainierten eine signifikant geringere Anzahl von Atemwegs-Infektionen aufweisen. Interessant ist auch, dass für Ausdauersportler ein fünfzig Prozent niedrigeres Dickdarmkrebs-Risiko nachgewiesen werden konnte. Studien zufolge treten Krebserkrankungen bei Leistungsschwachen sogar etwa vier Mal häufiger auf als bei Konditionsstarken. Weitere positive Faktoren, die mit der regelmäßigen Bewegung im Freien einhergehen, sind die Reduktion überschüssiger Kilos und eine deutlich höhere Lebenserwartung.
Hat Indoor-Bewegung nicht den gleichen Effekt? Warum nicht? Dr. Kogelnig: Wissenschaftliche Studien bezüglich Outdoor- versus Indoor-Aktivitäten kommen zu der Erkenntnis, dass es nur geringe Unterschiede zwischen Laufen im Freien und Laufen auf dem Laufband gibt. Dies betrifft jedoch nur biomechanische und biophysikalische Faktoren wie die Belastung der Sehnen, der Muskulatur, der Knochen und die Bewegungsabläufe. Trotz unterschiedlicher Untergrundbeschaffenheit outdoor
WAS BEWIRKT BEWEGUNG IN DER NATUR IN UNSEREM IMMUNSYSTEM?
• Es kommt zu einem Anstieg der natürlichen Killerzellen, die bei der Abwehr von Krebszellen eine wichtige Rolle spielen, sowie
• der Antikörper (Immunglobuline), die für die Abwehr von viralen und bakteriellen Infekten bedeutsam sind.
• Weiters beobachtet man ein gesteigertes Wachstum bzw. die Vermehrung von Lymphozyten und
• eine Verminderung des oxidativen Stresses, was sich günstig auf die Erbsubstanz auswirkt.
Killerzellen
gehören zur Gattung der T-Lymphozyten, die bei der Abwehr von Krebszellen helfen und von Krankheitserregern befallene Zellen eliminieren. und indoor gibt es also keine signifikanten Unterschiede in der Biomechanik des Laufens – dennoch muss festgehalten werden, dass der Erlebniswert von Bewegung an der frischen Luft und vor allem in der Natur eine besondere Qualität hat. Die optische, akustische, olfaktorische und haptische Wahrnehmung – was wir in natürlicher Umgebung sehen, hören, riechen und fühlen – hat auf das Körpergefühl und die Psyche ausgesprochen wohltuende Effekte, die mit einem Indoor-Training nicht in gleichem Ausmaß zu erreichen sind.
Was passiert in Körper und Psyche, wenn wir z. B. wandern, bergsteigen oder berglaufen? Dr. Kogelnig: Bei körperlicher Aktivität wie Bergsteigen, Berglaufen, Joggen oder Wandern wird aus dem Nebennieren-Mark das Stresshormon Adrenalin in den Blutkreislauf abgegeben . Dieses wichtige Hormon bewirkt eine vermehrte Bereitstellung von »Treibstoffen« wie Zucker und Blutfetten bzw. Fettsäuren. Zudem bewirkt dieses Stresshormon bereits nach wenigen Sekunden körperlicher Aktivität einen Anstieg der natürlichen Killerzellen. Diese sind von enormer Bedeutung bei
der Bekämpfung von Krebszellen und bei der Abwehr von Viren. Auch andere immunkompetente Zellen wie Monozyten, Granulozyten, T- und B-Lymphozyten werden aktiviert.
Antikörper
sind spezifische Proteine, die von B-Lymphozyten gebildet werden. bleibende positive Effekte auf unser Gehirn und die Psyche. Studien zu dem Thema bestätigen, dass körperliche Aktivität die kognitiven Fähigkeiten – und hier vor allem die Lernfähigkeit – steigert. Das wiederum lässt sich leicht erklären: Unser Frontalhirn, der Sitz unseres Bewusstseins, hat über sogenannte assoziative Nervenbahnen eine enge Verbindung zu den motorischen und sensomotorischen Hirnarealen.
Ist auch ein positiver Einfluss auf Stresshormone nachweisbar? Dr. Kogelnig: Die Stresshormone sind an diesen Prozessen insofern beteiligt, dass sie nicht wie bei einer starken Stressreaktion im Übermaß ausgeschüttet werden, sondern wohldosiert physische und psychische Funktionen positiv beeinflussen. Auch bei den Stresshormonen gilt also der alte Grundsatz von Paracelsus: »Die Dosis macht das Gift.«
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang die Hormone? Was hat es mit den Glückshormonen auf sich, die bei Outdoor-Aktivitäten ausgeschüttet werden? Dr. Kogelnig: Im Zentralnervensystem kommt es über die Aktivierung der motorischen und sensomotorischen Hirnrinde zu einer verstärkten Freisetzung von Dopamin und Serotonin, das sind Transmittersubstanzen, die die Stimmung anheben. Verstärkt wird ihre Wirkung durch die zusätzliche Ausschüttung von Endorphinen, den sogenannten Glückshormonen, die das Wohlbefinden steigern und ein Glücksgefühl erzeugen. Dies wird vor allem durch die Wahrnehmung sinnlich-ästhetischer Faktoren wie z. B. des blauen Himmels, imposanter Berge, blühender Wiesen, des Rauschens eines Bachs, von Vogelgezwitscher etc. in einer natürlichen Umgebung verstärkt.
POSITIV FÜR GEHIRN UND PSYCHE
Stimmt es, dass das »In-der-Natur-Sein« auch unsere geistigen Fähigkeiten beeinflusst? Dr. Kogelnig: Vor allem die Symphonie, das Zusammenspiel der verschiedenen Sinnesqualitäten, spielt hierbei eine besondere Rolle. Sie hat
Oxidativer Stress
ist die überschießende Produktion hochreaktiver Sauerstoffverbindungen, die Körperzellen und vor allem deren Genom schädigen können.
Inwiefern wirkt sich Bewegung im Freien positiv auf unseren Bewegungsapparat aus? Gibt es hier spezielle Empfehlungen, was für Rücken und Gelenke besonders gut bzw. schonend ist? Dr. Kogelnig: Grundsätzlich hat jede Art von moderater körperlicher Aktivität positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Zu Beginn eines jeden Bewegungsprogramms ist auf das Aufwärmen von Muskeln und Sehnen zu achten. Darunter versteht man Dehnungs- und Lockerungsübungen. Bei Wanderungen, beim Bergsteigen, Laufen
oder Fahrradfahren ist ein langsamer Beginn mit allmählicher Steigerung der Belastung bis zu einer Intensität zu empfehlen, bei der man noch ein Gespräch führen kann. Wandern ist für unsere Gelenke und den Rücken besonders gut. Gelenke, Wirbelsäule, Sehnen, Knochen und Muskulatur werden dabei gestärkt.
Worauf sollten wir bei der Wahl der OutdoorAktivität besonders achten? Dr. Kogelnig: In Bezug auf körperliche Aktivitäten ist die Ausgangssituation entscheidend: Körperliche Einschränkungen wie Konditionsmangel, Gelenk- und Wirbelsäulen-Beschwerden müssen unbedingt bei der Auswahl von Outdoor-Aktivitäten berücksichtigt und bei einer individuellen ärztlichen Beratung abgeklärt werden.
Sind Sie selbst auch ein Outdoor-Fan? Was ist Ihre Lieblings-Outdoor-Sportart, und warum? Dr. Kogelnig: Ich persönlich liebe und bevorzuge das Bergwandern. Es ist ein hervorragendes HerzKreislauf- und zugleich ein Krafttraining, da man sein Körpergewicht über viele Höhenmeter hinauf- und hinunterträgt. Außerdem ist es durch die verschiedenen Untergründe ein sehr gutes Koordinations- und Gleichgewichtstraining. Hinzu kommen viele ästhetische Momente, die sich durch herrliche Ausblicke in der Bergwelt ergeben und mir viele schöne bleibende Erinnerungen schenken. Dr. med. Mag. phil. Richard Kogelnig
Stellvertretender medizinischer Leiter im Park Igls, Mayr-Arzt und Allgemeinmediziner mit Zusatzausbildungen in Neuraltherapie, Manualmedizin und Akupunktur, Psychologe
MEHR STRESSRESISTENZ UND RESILIENZ
Im natürlichen Umfeld werden unsere Sinne und damit unser Empfinden viel besser angesprochen. Dies hat überaus positive Effekte auf unser Regenerationsvermögen und steigert die Re silienz – die psychische Widerstandsfähigkeit – sowie die Stressresistenz aller physischen Prozesse. Für unsere Gesundheit im ganzheitlichen Sinn sind Aktivitäten in der Natur von außerordentlichem Wert – für Geist, Seele und Körper. Das wiederum wirkt sich nicht nur lebensverlängernd, sondern vor allem positiv auf unsere Lebensqualität aus.