FALSTAFF: Online-Programmbuch

Page 1

Auszug aus dem Programmbuch zur Neuproduktion 2020 Excerpt from the programme book for the new production 2020


Bayerische Staatsoper Spielzeit 2020 / 2021

Giuseppe Verdi (1813–1901) Falstaff

Commedia lirica in drei Akten Libretto von Arrigo Boito nach The Merry Wives of Windsor und Passagen aus King Henry IV. von William Shakespeare 2


Uraufführung am 9. Februar 1893 im Teatro alla Scala, Mailand Münchner Erstaufführung am 2. März 1894 im Nationaltheater Premiere am 2. Dezember 2020 im Nationaltheater München

Musikalische Leitung Michele Mariotti Regie Mateja Koležnik Bühne Raimund Orfeo Voigt Kostüme Ana Savić-Gecan Choreographie Magdalena Reiter Licht Tamás Bányai Chor Stellario Fagone Dramaturgie Nikolaus Stenitzer 3


Handlung

4


Erster Akt  Erstes Bild  Dr. Cajus erhebt schwere Vorwürfe: Falstaff habe wie ein Berserker an seinem Haus und Eigentum gewütet. Falstaffs Handlanger Bardolfo und Pistola hätten indessen ihn, den Doktor, betrunken gemacht und ihm die Taschen geleert. Während Falstaff bestätigt, er habe die fraglichen Schandtaten mit Vergnügen begangen, weisen die zwei anderen Beschuldigten die Vorwürfe zurück. Das genügt Falstaff, er erklärt die Angelegenheit für erledigt. Dr. Cajus schwört, künftig nur noch mit anständigen Leuten zu trinken. Sir John hat dringende Geschäfte: Die leere Börse muss gefüllt werden, denn sein identitätsstiftender Bauch droht zu schrumpfen. Darum hat er an die beiden reichen Bürgersfrauen Alice Ford und Meg Page zwei gleichlautende Liebesbriefe verfasst. Hat er erst die Herzen der Damen gewonnen – dass das gelingen wird, steht für den stattlichen Sir außer Frage –, sollen sich in der Folge auch die Kassen der dazugehörigen Ehemänner öffnen. Doch Bardolfo und Pistola weigern sich, die Briefe zu überbringen. Das verbiete die Ehre. Falstaff platzt der Kragen: Mit wütenden Worten wider jenes Konstrukt namens Ehre jagt er Bardolfo und Pistola davon. Die Briefe lässt er anderweitig überbringen. Erster Akt  Zweites Bild  Alice Ford ist aufgeregt. Wenn sie wolle, erzählt sie ihrer Freundin Meg Page, könne sie eine Adelige werden. Sie auch, entgegnet die Angesprochene. Jede der Frauen zeigt nun einen Brief: Es sind die Briefe Falstaffs, der beiden seine Liebe anbietet und um Antwort bittet. Die Frauen sind empört, über die Anmaßung wie über den völlig gleichen Wortlaut der Briefe. Gemeinsam mit Mrs. Quickly und Alices Tochter Nannetta beschließen die beiden, Sir John einen Streich zu spielen. Mrs. Quickly soll ihm eine Einladung zu einem Stelldichein mit Alice überbringen. Folgt er der Einladung, werde man ihm einen Denkzettel verpassen. Auch von anderer Seite droht Falstaff Ungemach: Dr. Cajus, Bardolfo, Pistola und der jungen Fenton bedrängen Alices Ehemann Ford mit Beschwerden über den zügellosen Sir John, Warnungen vor ihm und Angeboten, ihm das Handwerk zu legen. Pistola verrät Falstaffs Pläne. Ford schwört, er werde sich zu wehren wissen. Unter falschem Namen will er Falstaff aufsuchen und ihm eine Falle stellen. Die Verliebten Fenton und Nannetta nutzen einen unbeobachteten Moment für romantische Bekenntnisse und verliebte Spiele. Zweiter Akt  Erstes Bild  Bardolfo und Pistola kehren zum Schein in Falstaffs Dienste zurück und geben sich reumütig. Sir John nimmt sie gnädig wieder auf. Mrs. Quickly bittet um Audienz. Sie überbringt die Antworten der beiden Damen: Während Meg Page bedauert, ihrem eifersüchtigen Ehemann trotz großen Interesses an dem umfangreichen Sir nicht entkommen zu können, lädt Alice Ford zum Rendezvous zwischen zwei und drei Uhr. Dann nämlich sei ihr ebenfalls eifersüchtiger Ehemann außer Haus. Falstaff nimmt die Einladung an und entlässt die Botin. 5


Schon wird der nächste Besucher angekündigt: Ein Herr Fontana möchte unter Verweis auf eine mitgebrachte Weinflasche vorgelassen werden. Falstaff empfängt den Signor Fontana, der niemand anderer ist als der verkleidete Ford. Der trägt seinen angeblichen Kummer vor: Alice Ford, in die er verliebt sei, wolle ihn nicht erhören. Wenn nun Falstaff, ein Mann von Welt, Alice verführe, dann werde das vielleicht auch deren Widerstand gegen seine eigenen Avancen brechen. Der vermeintliche Fontana bietet Falstaff für seine Mühen einen Beutel Goldes an. Falstaff akzeptiert großmütig; als er erzählt, dass er bereits mit Alice verabredet sei, fällt der verkleidete Ford beinahe aus der Rolle. Während Falstaff sich für sein Rendezvous fein macht, rast Ford vor Zorn und Eifersucht. Zweiter Akt  Zweites Bild  Unter dem Gelächter der Frauen berichtet Mrs. Quickly von ihrem Besuch bei Falstaff. Nur Nannetta will nicht in die Fröhlichkeit einstimmen: Ihr Vater, erzählt sie ihrer Mutter schluchzend, wolle sie mit dem alten Dr. Cajus verheiraten. Die Frauen sind empört über diesen Plan. Alice versichert Nannetta, sie müsse sich keine Sorgen machen. Zur Vorbereitung für die Rache an Falstaff wird ein großer Wäschekorb bereitgestellt. Falstaff erscheint als Kavalier und macht Alice feurige Komplimente und fragwürdige Angebote. Die entzieht sich: Er liebe doch eigentlich Meg Page. Entrüstet weist Falstaff das zurück. Das Komplott läuft zunächst nach Plan: Falstaff kann sich gerade noch in ein Versteck flüchten, als Meg Page erscheint und Alice in gespielter Aufregung die Ankunft des wütenden Ehemannes ankündigt. Da schlägt Mrs. Quickly Alarm, denn Ford ist nun tatsächlich im Anmarsch, rasend vor Wut und in Begleitung von Bardolfo, Pistola, Dr. Cajus und Fenton. Mit Getöse durchsuchen die Männer das Haus nach Falstaff. Den Frauen gelingt es indessen, den Gesuchten im vorbereiteten Wäschekorb zu verstecken. Fenton und Nannetta verschwinden in demselben Versteck, in dem zuvor Falstaff verborgen war. Der Klang ihres Kusses ruft Ford auf den Plan. Im Glauben, Falstaff und seine Frau zu entdecken, stürmt er zusammen mit Dr. Cajus, Bardolfo und Pistola die Liebesszene. Als Fenton und Nannetta zum Vorschein kommen, wirft Ford Fenton wütend hinaus: Er habe ihm schon oft gesagt, dass er diese Verbindung nicht billige. Während die Männer wieder auf die Suche gehen, kippen die Frauen mithilfe einiger Bediensteter den protestierenden Falstaff mitsamt der schmutzigen Wäsche in den Kanal. Dritter Akt  Erstes Bild  Falstaff zieht bittere Bilanz über die Schlechtigkeit der Welt. Als er sich mit etwas Glühwein gestärkt hat, hebt sich seine Stimmung schnell wieder. Mrs. Quicklys Auftauchen erregt zunächst Falstaffs Zorn, sie aber beteuert die Unschuld Alices, schiebt das Unglück auf das Personal und überbringt die Einladung zu einem neuen Rendezvous. Um Mitternacht erwarte Alice Sir John im Park. Er möge in einem Kostüm kommen, das auf eine unheimliche alte Sage verweist. Während sich Falstaff und Mrs. Quickly für 6


weitere Besprechungen zurückziehen, versammeln sich die Männer und Frauen um Alice. Sie arbeiten nun gemeinsam unter Alices Federführung an einem weiteren Streich, der Falstaff endgültig in seine Schranken weisen soll. Den eifrigen Ford weist Alice zurecht: Er habe wegen seiner Eifersucht eigentlich selber eine Strafe verdient. Die schaurige Sage, so Alice, bilde das Ambiente für ihre Rache. Darum sollen sich alle Frauen verkleiden. Nannetta soll als Königin der Feen auftreten, außerdem will Alice weitere Verbündete in unheimlichen Kostümen mitbringen. Während die Frauen sich an die Vorbereitungen machen, gibt Ford Dr. Cajus heimlich Anweisungen: Am Ende des Streiches soll er in einem Kostüm die verkleidete Nannetta zu ihm, Ford, führen, dann werde er die beiden verheiraten. Die Männer bemerken allerdings nicht, dass sie von Mrs. Quickly belauscht werden. Dritter Akt  Zweites Bild  Alice unterbricht die Zweisamkeit der beiden jungen Verliebten; sie drängt Fenton, ein Kostüm überzuziehen – dasselbe, das auch Dr. Cajus trägt. Falstaff trifft in Verkleidung ein. Er versucht, Alice mit Liebesreden zu betören, doch die gibt sich abgelenkt: Meg Page sei ihr auf den Fersen. Meg warnt aus dem Hintergrund vor den Geistern, die unterwegs seien. Der Auftritt der maskierten Gestalten raubt Falstaff die Fassung. Dr. Cajus ist auf der Suche nach Nannetta, die sich zusammen mit Fenton versteckt. Falstaff wird von der unheimlichen Gesellschaft eingekreist. Unter Beschimpfungen und Schlägen äußert er Reue für seine Taten. Ford, Alice und Mrs. Quickly lösen schließlich die Maskerade auf. Nachdem Falstaff die Fassung wiedererlangt hat, erklärt er, er sei zwar ein Esel gewesen, doch bringe seine Besonderheit erst die Würze in das Leben der Durchschnittsmenschen. Alle stimmen begeistert zu. Ford kündigt die Hochzeit der Feenkönigin als Krönung der Veranstaltung an. Alice bittet ihn, noch ein zweites Paar zu verheiraten, und Ford erklärt sich einverstanden. Als am Ende der Zeremonie alle die Schleier und Masken lüften, ist Ford entsetzt: Er hat nicht nur Dr. Cajus und den zwischendurch heimlich verschleierten Bardolfo verheiratet, sondern auch Fenton und seine Tochter. Auf Bitten von Alice und Nannetta gibt er sich geschlagen und erteilt der Verbindung seinen Segen. Zum Schluss resümiert die Gesellschaft: Alles in der Welt ist Posse, alle werden geprellt. Alle Sterblichen verspotten einander; gut lacht, wer als Letzter lacht.

7


The Story

8


First Act  First Scene  Dr. Cajus makes serious allegations against Falstaff, who he accuses of rampaging like a madman and ravaging his house and possessions. Meanwhile, says the doctor, Falstaff’s sidekicks Bardolfo and Pistola made him drunk and emptied his pockets. While Falstaff confirms that he committed the despicable acts in question with pleasure, the other two accused deny the allegations. Satisfied with his companions’ defence, Falstaff dismisses the doctor who vows to drink only with respectable people in future. Sir John has urgent business: The empty purse must be filled, for his renowned belly is in danger of shrinking. Therefore, he has penned identically-worded love letters to two rich ladies, Alice Ford and Meg Page. Once he has won the ladies’ hearts – in the eyes of this noble gentleman a foregone conclusion – he will, in turn, gain access to the coffers of their respective husbands. However, Bardolfo and Pistola refuse to deliver the letters. Their honour will not allow it. Falstaff is furious. Calling down curses upon the very idea of honour he chases Bardolfo and Pistola away. He sees that the letters are delivered by other means. First Act  Second Scene  Alice Ford is excited. If she wanted to, she tells her friend Meg Page, she could become an aristocrat. So too could she, replies her friend. Each of the women then shows the other a letter. They are Falstaff’s letters, offering love to each of them and requesting an answer. The women are outraged, both at the presumptuousness and at the identical wording of the letters. Together with Mrs. Quickly and Alice’s daughter Nannetta the two decide to play a trick on Sir John. Mrs. Quickly shall convey an invitation to a rendezvous with Alice. Should he respond to the invitation, they shall teach him a lesson. Falstaff faces adversity on other fronts, too. Dr. Cajus, Bardolfo, Pistola and the young Fenton, pester Alice’s husband Ford with complaints and warnings about Sir John’s licentiousness, offering to put a stop to it. Pistola reveals Falstaff’s plans. Ford is confident of his ability to defend himself. He intends to seek out Falstaff under a false name and set a trap for him. Lovers Fenton and Nannetta take advantage of a moment alone for a romantic tête-à-tête and amorous frolics. Second Act  First Scene  As part of their pretence, Bardolfo and Pistola re-enter Falstaff’s service claiming to be remorseful. Sir John receives them back graciously. Mrs. Quickly requests an audience. She delivers the two ladies’ replies. While Meg Page regrets, despite considerable interest in the expansive gentleman, that she will be unable to escape the clutches of her jealous husband, Alice Ford invites him to meet her between two and three o’clock. At this time her equally jealous husband will be out of the house. Falstaff accepts the invitation and dismisses the messenger Mrs. Quickly. 9


No sooner has she left than the next visitor is announced. A gentleman by the name of Fontana requests to be given priority, drawing attention to the wine bottle in his possession. Falstaff receives Signor Fontana who is none other than Ford in disguise. He tells of his apparent heartache: Alice Ford, with whom he is in love, refuses to acknowledge him. If Falstaff, though, being a man of the world, were to seduce Alice, then this would perhaps break her resistance to his own advances. For his trouble, Ford in his guise as Fontana offers Falstaff a bag of gold. Falstaff magnanimously accepts. When he explains that he has already arranged a meeting with Alice, Ford nearly breaks character. While Falstaff gets dressed up in preparation for the rendezvous, Ford seethes with rage and jealousy. Second Act  Second Scene  The women are highly amused at Mrs. Quickly’s report of her visit to Falstaff’s. Yet Nannetta does not join in the merriment. Her father, she tells her mother sobbing, wants to marry her off to old Dr Cajus. The women are outraged at this plan. Alice reassures Nannetta that she need not worry. In preparation for the revenge plot against Falstaff a large washing basket is produced. Falstaff arrives as a cavalier, showering Alice with gushing compliments and dubious offers. She pulls back, claiming he actually loves Meg Page. Incensed, Falstaff rejects the accusation. The plot first goes according to plan. Falstaff just manages to find a hiding place when Meg Page appears and, feigning alarm, announces the arrival of the furious husband. Mrs. Quickly adds to the commotion, as it transpires that Ford is actually on his way, seething with rage and accompanied by Bardolfo, Pistola, Dr. Cajus and Fenton. The place in total uproar, the men search the house for Falstaff. Meanwhile, the women succeed in hiding the fugitive in the washing basket they prepared for this purpose. Fenton and Nannetta disappear into Falstaff’s previous hiding place. Ford is drawn to the sound of their kissing. In the expectation, soon to discover Falstaff and his wife he bursts in on the intimate scene together with Dr. Cajus, Bardolfo and Pistola. When the lovers are revealed to be Fenton and Nannetta, Ford angrily throws Fenton out saying he has told him often enough that he does not approve of their union. While the men return to their search, the women, with the help of several servants, tip the protesting Falstaff, along with the dirty washing, into the canal. Third Act  First Scene  Falstaff bitterly takes stock of all that is wrong in the world. Once he has regained his strength with some mulled wine his mood though soon improves. Mrs. Quickly’s appearance at first triggers Falstaff’s indignation, however she affirms Alice’s innocence, lays the blame on the staff and delivers an invitation to a new rendezvous. At midnight Alice will be expecting Sir John in the park. He should come in costume resembling a character from an ancient legend. While Falstaff and Mrs. Quickly retire to engage in 10


further conversation, the men and women congregate around Alice. They now work together under Alice’s direction to devise further trickery which will put Falstaff in his place once and for all. Alice scolds the overzealous Ford, saying he deserves to be punished himself for his jealousy. According to Alice, the dark legend will create the atmosphere for her revenge. All the women should therefore disguise themselves. Nannetta will appear as the Queen of the Fairies and Alice intends to include further accomplices in spine-chilling costumes. While the women get on with their preparations, Ford secretly gives Dr. Cajus instructions. Once the trick is over, Cajus, wearing a costume, should bring the disguised Nannetta to Ford who will then marry the two of them. However, the men do not notice Mrs. Quickly eavesdropping on their conversation. Third Act  Second Scene  Alice interrupts the two lovers’ intimate moment and urges Fenton to put on a costume, the same as that worn by Dr. Cajus. Falstaff arrives in costume. He attempts to seduce Alice with declarations of love, but she acts as though distracted, saying that Meg Page is after her. In the background, Meg warns of the ghosts which haunt the area. The appearance of the masked figures causes Falstaff to lose his composure. Dr. Cajus is on the lookout for Nannetta who is hiding along with Fenton. Falstaff is encircled by the ghostly horde. While being cursed and beaten he shows remorse for his deeds. Finally, Ford, Alice and Mrs. Quickly bring an end to the masquerade. When Falstaff has regained his composure he admits to having been an ass, but suggests that his peculiarities add zest to people’s otherwise mundane lives. Everyone enthusiastically agrees. As the high point of the event, Ford announces the marriage of the Queen of the Fairies. Alice asks him to marry a second couple and Ford agrees. When, at the end of the ceremony, all veils and masks are lifted, Ford is appalled: Not only has he married Dr. Cajus to the secretly veiled Bardolfo, but also Fenton to his daughter. Both Alice and Nannetta plead with him and he eventually concedes defeat, giving the union his blessing. Finally, the company concludes: The whole world is a farce; everyone is cheated; all mortals mock one another; he who laughs last, laughs longest.

11


L’Argument

12


Premier acte  Premier tableau  Le docteur Cajus porte de graves accusations : Falstaff se serait sauvagement déchaîné sur sa maison et sur ses biens, pendant que Bardolfo et Pistola, les hommes de main de Falstaff, l’enivraient, lui le médecin, et lui vidaient les poches. Alors que Falstaff confirme avoir commis les vilénies en question avec la plus grande satisfaction, les deux autres accusés réfutent les reproches. Cela suffit à Falstaff, qui éconduit le docteur. Ce dernier jure qu’il ne boira plus dorénavant qu’en compagnie de personnes honorables. Sir John a des affaires pressantes : sa bourse est désespérément vide et doit être remplie, car son ventre, qui le rend reconnaissable entre tous, menace de se ratatiner. C’est pourquoi il a rédigé deux lettres d’amour analogues à deux riches bourgeoises Alice Ford et Meg Page. Une fois qu’il aura gagné le cœur des dames – ce qui ne fait pas l’ombre d’un doute dans l’esprit de cet imposant Sir – il verra par la suite s’ouvrir de même les coffres de leurs maris. Mais Bardolfo et Pistola refusent de porter les lettres. L’honneur le leur interdit. Falstaff se fâche : furieux de les voir invoquer leur honneur, il chasse Bardolfo et Pistola. Il fait remettre les lettres par quelqu’un d’autre. Premier acte  Deuxième tableau  Alice Ford est tout excitée. Elle explique à son amie Meg Page que si elle le voulait, elle pourrait entrer dans la noblesse. « Moi aussi », lui répond sa confidente. Les deux femmes se montrent alors leur lettre : ce sont les lettres de Falstaff, qui offre son cœur à chacune d’elles et requiert une réponse. Elles sont scandalisées, tant de l’outrecuidance que de la teneur des billets, en tous points identiques. Avec Mrs. Quickly et Nannetta, la fille d’Alice, elles décident ensemble de jouer un tour à Sir John. Mrs. Quickly doit lui faire parvenir une invitation à une rencontre avec Alice. S’il accepte, on lui donnera une bonne leçon. D‘autres désagréments menacent Falstaff : le docteur Cajus, Bardolfo, Pistola et le jeune Fenton harcèlent Ford, l’époux d’Alice, par des plaintes au sujet de la vie dissolue de Sir John. Ils le mettent en garde contre lui et proposent de faire cesser ses agissements. Pistola dévoile les plans de Falstaff. Ford jure qu’il saura bien se défendre. Il veut rendre visite à Falstaff sous un faux nom et lui tendre un piège. Les amoureux Fenton et Nannetta profitent d’un moment où ils ne se sentent pas observés pour se livrer à des confessions romantiques et à des jeux amoureux. Deuxième acte  Premier tableau  Bardolfo et Pistola font mine de vouloir revenir au service de Falstaff et feignent le repentir. Sir John les reprend avec indulgence. Mrs. Quickly sollicite une audience. Elle apporte les réponses des deux dames : alors que Meg Page regrette de ne pouvoir échapper à la jalousie de son mari, malgré le grand intérêt qu’elle porte au Sir à la forte corpulence, Alice Ford lui fixe un rendez-vous galant entre deux et trois heures. Son mari, 13


qui est également jaloux, ne sera alors pas à la maison. Falstaff accepte l’invitation et renvoie la messagère. Mais déjà s’annonce le prochain visiteur : un certain M. Fontana souhaite être admis, eu égard à une bouteille de vin qu’il a apportée. Falstaff reçoit le Signor Fontana, qui n’est autre que Ford déguisé. Celui-ci expose son prétendu chagrin : Alice Ford, dont il est épris, refuse de l’entendre. Si Falstaff, qui est un homme du monde, courtisait Alice, cela pourrait peut-être alors vaincre sa résistance à ses propres avances. Le soi-disant Fontana offre à Falstaff une bourse remplie d’or en échange de ses efforts. Magnanime, Falstaff accepte ; lorsqu’il lui raconte avoir déjà convenu d’une entrevue avec Alice, Ford, travesti, manque de sortir de son rôle. Tandis que Falstaff s’apprête pour son rendez-vous, Ford se fige de colère et de jalousie. Deuxième acte  Deuxième tableau  Les femmes s’amusent du récit de Mrs. Quickly lors de sa visite à Falstaff. Seule Nannetta ne peut s’associer à cette gaîté : son père, dit-elle à sa mère en sanglotant, veut la marier au vieux docteur Cajus. Les femmes sont outrées par ce projet. Alice assure à Nannetta qu’elle ne doit pas s’inquiéter. En vue de la vengeance ourdie contre Falstaff, un grand panier à linge est apprêté. Falstaff se montre galant homme et fait à Alice des propositions et des compliments enflammés. Elle se dérobe : il aimerait en réalité Meg Page. Indigné, Falstaff récuse ces affirmations. Le complot se déroule tout d’abord comme prévu : Falstaff a tout juste le temps de fuir et de trouver une cachette, lorsque Meg Page apparaît et qu’Alice, feignant l’affolement, annonce l’arrivée du mari en colère. C’est alors que Mrs. Quickly sonne l’alarme, car Ford est réellement en marche, fou de rage et accompagné par Bardolfo, Pistola, le Dr. Cajus et Fenton. A la recherche de Falstaff, les hommes fouillent la maison avec fracas. Pendant ce temps, les femmes parviennent à cacher le pourchassé dans le panier à linge qui avait été préparé à cet effet. Fenton et Nannetta disparaissent dans la cachette même où Falstaff avait auparavant trouvé refuge. Le bruit de leur baiser provoque l’intervention de Ford. Croyant découvrir Falstaff et sa femme, il s’élance sur les amoureux avec Cajus, Bardolfo et Pistola. Lorsque Fenton et Nannetta sont découverts, Ford jette Fenton dehors avec fureur : il lui a déjà dit à maintes reprises qu’il n’approuvait pas cette union. Pendant que les hommes poursuivent leurs recherches, les femmes, avec l’aide de quelques commis, jettent Falstaff dans le canal avec le linge sale, malgré ses protestations. Troisième acte  Premier tableau  Falstaff dresse un amer bilan de la méchanceté du monde. Mais après s’être réconforté avec un peu de vin chaud, son humeur s’améliore rapidement. Sa colère se réveille à l’apparition de Mrs. Quickly, mais celle-ci l’assure de l’innocence d’Alice, rejette la faute sur les serviteurs et lui remet une invitation à un nouveau rendez-vous galant. A minuit, 14


Alice attendra Sir John dans le parc. Il devra venir vêtu d’un costume qui fait référence à une vieille légende sinistre. Tandis que Falstaff et Mrs. Quickly se retirent pour de plus amples pourparlers, les hommes et les femmes se rassemblent autour d’Alice. Sous sa conduite, ils travaillent maintenant tous ensemble à une autre farce qui devrait définitivement remettre Falstaff à sa place. Alice réprimande Ford pour son enthousiasme : lui aussi aurait mérité une punition en raison de sa jalousie. La lugubre légende est la mise en scène imaginée par Alice pour sa vengeance. Pour cela, toutes les femmes doivent se déguiser. Nannetta doit apparaître en reine des fées, et Alice veut aussi ramener d’autres alliés revêtus de costumes effrayants. Pendant que les femmes s’affairent aux préparatifs, Ford donne secrètement des instructions au Dr. Cajus : une fois la plaisanterie terminée, celui-ci, costumé, doit conduire Nannetta déguisée jusqu’à lui, Ford, qui les mariera alors tous deux. Mais les hommes ne remarquent pas qu’ils sont épiés par Mrs. Quickly. Troisième acte  Deuxième tableau  Alice interrompt le tête-à-tête des deux jeunes amoureux ; elle presse Fenton de revêtir, sur ses habits, un costume – le même que celui du Dr. Cajus. Falstaff arrive affublé de son déguisement. Il tente d’enjôler Alice par des mots d’amour, mais elle fait mine d’être distraite : Meg Page serait à ses trousses. De l’arrière-plan, Meg met en garde contre les esprits qui seraient en chemin. L’entrée des créatures travestis fait perdre à Falstaff sa superbe. Le docteur Cajus est à la recherche de Nannetta, qui se cache avec Fenton. Falstaff est encerclé par la troupe qui cherche à semer l’épouvante. Sous les insultes et les coups, il manifeste des remords pour ses agissements. Finalement, Ford, Alice et Mrs. Quickly mettent un terme à la mascarade. Falstaff ayant retrouvé son calme, il déclare qu’il s’est peut-être comporté comme un âne, mais que justement, sa singularité met du piment dans la vie des gens ordinaires. Tous approuvent avec enthousiasme. Ford annonce le mariage de la reine des fées comme couronnement des réjouissances. Alice lui demande de marier un second couple, et Ford donne son accord. A la fin de la cérémonie, lorsque tombent voiles et masques, Ford est effaré : il a non seulement marié le Docteur Cajus et Bardolfo, qui s’est entre-temps voilé à la dérobée, mais également Fenton et sa fille. A la demande d’Alice et de Nannetta, il s’avoue vaincu et accorde sa bénédiction à l’union. Au final, la compagnie résume : tout au monde n’est que farce, tout le monde se fait berner. Tous les mortels se gaussent les uns des autres ; rira bien qui rira le dernier.

15




In Ihrer Falstaff-Inszenierung versetzen Sie die Handlung in ein Casino. Haben Sie eine Vorliebe für das Glücksspiel?  Nein, ich selbst spiele nicht. Aber es gab gute Gründe für diese Entscheidung. Ich wollte für eine Opera buffa ein Bühnenbild mit vielen Türen. So kann man die Entfernungen klein halten, man kann viel mit Auftritten, Abgängen und Türenschlagen spielen. Ein weiterer Grund war, dass ich die Geschichte so erzählen wollte, wie Verdi sie geschrieben hat, nämlich mit all den verschiedenen Schauplätzen in den drei Akten. Aber gleichzeitig wollte ich einen einzigen Raum, der all das abdeckt und außerdem die Möglichkeit eröffnet, zwischen den einzelnen Bildern der Oper fließende Übergänge zu schaffen, ohne den Vorhang einzusetzen. Es musste also ein öffentliches Gebäude sein. Das brachte uns auf die Idee, alles in einem Hotel anzusiedeln. Was uns schließlich zu der Hotel-Casino-Lösung führte, waren tiefergehende Überlegungen zur Handlung und den Figuren: Falstaff ist ein Bonvivant, er lebt in den Tag hinein und er hat einen aufwändigen Lebensstil, was auch bedeutet, dass er jederzeit abstürzen kann. Wie es Berufsspielern so geht, manchmal leben sie gut, manchmal haben sie nicht einmal das Nötigste. Nun bin ich eine Streberin und ein Theatermensch und muss deswegen für jede einzelne Figur eine Geschichte finden. Es war zum Beispiel nicht leicht, Bardolfo und Pistola als Personen zu definieren. Ich wollte die beiden nicht als kleine Taschendiebe zeichnen. Als professionelle Falschspieler schienen sie mir viel besser zu Falstaff zu passen, dem abgehalfterten Adeligen. Die beiden wirken wie Figuren aus einem Goldoni-Stück – Bedienstete, Handlanger, aber trotzdem verfolgen sie ihre eigenen Absichten. Das macht sie gefährlich für diejenigen, die ihnen vertrauen.  Ja, sie sind gefährlich, und deswegen sind sie in einem Casino gut aufgehoben. Als ich überlegte, wie man Falstaff im 21. Jahrhundert inszeniert, erschien mir dieser Ort als der richtige Mikrokosmos dafür. In einem Casino kann alles vorkommen: ausgebuffte Hochstapler, alte Damen, die sich als Cousinen der Großfürstin Anastasia ausgeben, verarmter Adel. In diesem Milieu halten sich alle Arten von Menschen auf – Prostituierte, Schwerreiche, Neureiche, Drogensüchtige. Das eigentliche Thema von Falstaff – nein, tatsächlich ist es mein eigenes Thema, das ich im Falstaff herausgearbeitet habe – ist die große Schwierigkeit, sich einzugestehen, dass man alt, unattraktiv, kein Lustobjekt mehr ist. In dem Casino-Milieu, das wir uns ausgedacht haben, einer Art Las-Vegas-Resort mit den typischen Shows, da geht es um Sex für Geld, um nackte Frauen, mit denen sich ein alternder Mann wie Falstaff vergnügen will. Das war ein weiterer Vorteil dieses Settings. Was ist Falstaffs Platz in diesem Milieu?  Für mich ist er jemand, der einmal eine Reputation hatte. In unserer Geschichte verliert er dauernd Geld, aber manchmal gewinnt er auch welches. Als Adliger hat er ein gewisses Standing 18


in der Welt der Neureichen, wie Ford, Alice und auch Meg Page sie repräsentieren. Ford ist ein reicher Bourgeois, das wird ja schon in der ersten Szene in Falstaff erzählt, noch bevor er auftritt. Sein Vermögen macht Alice für Falstaff attraktiv. In unserer Geschichte ist Ford der Besitzer des Casinos. Er und Alice sind sehr reich und wahrscheinlich auch in krumme Geschäfte verwickelt. Für sie als Neureiche wiederum sind Reputation und gute Verbindungen interessant. Für ein Casino-Hotel macht es sich gut, wenn ein Graf von Sowieso sich dort einquartiert. Und einem solchen Grafen gibt man gern Kredit im Austausch für Glanz und Prestige. Genau die Art von Symbiose gibt Falstaff einen Platz in dieser Welt. ie Frage, die in Bezug auf die Falstaff-Figur unweigerlich aufkommt, ist die D nach seiner Selbstsicherheit. Er ist überzeugt, dass er bei beiden Frauen Erfolg haben wird, selbst wenn er sich nicht einmal die Mühe macht, zwei unterschiedliche Briefe zu formulieren. Ist er tatsächlich so selbstgefällig oder ist das nur Fassade?  Ich bin absolut davon überzeugt, dass beide Frauen ihn treffen würden, wenn sie nichts von den wortgleichen Briefen wüssten. Die Szene zwischen Alice und Meg beginnt sinngemäß so: „Ich muss dir was erzählen, darauf kann ich mir was einbilden, ich erzähle dir jetzt eine unglaubliche Geschichte.“ Und die andere sagt: „Ich auch, mir ist auch was Außergewöhnliches passiert.“ Wenn wir das ins Heute übersetzen, dann haben wir einen Cousin von Prinz Harry, 55-jährig, schon ein bisschen verlebt, aber befreundet oder sogar verwandt mit der königlichen Familie. Bei Shakespeare ist Falstaff mit einem zukünftigen König befreundet – oder war es zumindest. Der Adel ist das Pfund, mit dem Falstaff wuchern kann. Ohne seinen Adel würde sich die Geschichte so nicht ereignen. Es ist auch fraglich, ob die Frauen seinen Brief überhaupt lesen würden, wenn er nicht adlig wäre. Diesen Aspekt finden wir in Shakespeares The Merry Wives of Windsor, aber andere Falstaff-Opern, Otto Nicolais Die Lustigen Weiber von Windsor zum Beispiel, lassen das weg: Die Tatsache, dass die Frauen sich tatsächlich durch die Briefe geschmeichelt fühlen.  Wenn man in Falstaff nicht klar zeigt, dass beide Frauen am Anfang des zweiten Bildes im ersten Akt stolz darauf sind, dass sie diesen Brief bekommen haben, dann verringert man das Potenzial der weiblichen Charaktere und macht sie zu bloßen Opfern. Aber das sind sie nicht. Es gibt in dem ganzen Werk keine Figur, die nur schwarz oder nur weiß ist. Es geht ums wahre Leben – wir sind Menschen, wir machen Fehler, so wie auch in dieser Oper Fehler gemacht werden. Wir sind hochnäsig, hochmütig, und plötzlich sind wir ganz ängstlich. So sind auch die Figuren in Falstaff. Es ist eine Komödie aus Fleisch und Blut. Deswegen ist es so wichtig, dass Alice und Meg Falstaff auf jeden Fall treffen würden, wenn sie nichts von dem Brief an die jeweils andere wüssten. Und sei es nur, um einen Tee mit ihm zu trinken. 19


ieses Element, das die Figuren facettenreicher erscheinen lässt, übernimmt D Librettist Arrigo Boito von Shakespeare. Genau wie den Umstand, dass die Handlung von den Frauenfiguren vorangetrieben wird.  Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Oper und Shakespeares Stück. In The Merry Wives of Windsor sind die Frauen die Hauptpersonen. Im Theater haben die Hauptpersonen auch die großen Monologe. In Falstaff gibt es drei große Arien, aber keine davon singt eine Frau. Nannetta hat zwar ihre Arie als Feenkönigin, aber das ist eine funktionale Arie. Es geht darin nicht um ihre eigene Geschichte, sondern sie ist Teil eines Täuschungsmanövers gegen Falstaff. Die drei großen Arien werden alle von männlichen Figuren gesungen, eine davon sogar von einer Nebenfigur, von Fenton. Als ich darüber nachdachte, wurde mir klar, dass Verdis Absicht nichts mit dem Kern von The Merry Wives of Windsor zu tun hat. Shakespeare geht es um die Frauen, aber Boito und Verdi um die Männer und ihre Haltung zur Liebe. Es gibt einen jungen Mann und seine Einstellung zur Liebe und einen Mann mittleren Alters, der nicht von Liebe, sondern von Eifersucht singt. Und dann gibt es einen alten Mann, der eher nostalgische Vorstellungen von der Liebe hat. Es geht also um Sehnsucht, Eifersucht und Nostalgie. Die Sehnsucht gehört zum jungen Mann, die Eifersucht zum zweiten und die Nostalgie zum dritten. Für mich als menopausierende Frau mittleren Alters zeigt das sehr schön, wie dumm, wie banal unser Leben doch ist. erdis und Boitos Falstaff unterscheidet sich auch deswegen so stark von The V Merry Wives of Windsor, weil Boito Elemente aus verschiedenen Quellen zusammengeführt hat, nicht nur von Shakespeare. Aus dessen King Henry IV. entnimmt er Falstaffs charakteristische Aussagen, etwa den Monolog über die Ehre.  Es ist interessant, dass Boito entschieden hat, eine Nebenfigur aus Stücken Shakespeares in eine Hauptfigur zu verwandeln. Gelungen ist das Werk letztlich durch die unglaubliche Musik, die Verdi geschrieben hat. Er hat vor allem eines geschafft, das sehr schwer zu erreichen ist, nämlich dass die Solisten dialogisch singen: Sie singen Text. Er hat die Musik so geschrieben, wie sie gesungen werden muss, wie sie gespielt werden muss, und an manchen Stellen hat er sogar die Regieanweisungen komponiert. Zum Beispiel wenn Falstaff wieder in die richtige Spur kommt, wenn er am Beginn des dritten Akts Glühwein trinkt. Man kann alles hören: Wie er in diesen zwei Takten trinken muss, wie er langsam betrunken und seine Stimmung dann besser wird. Es ist schwierig, einem so genauen Komponisten etwas entgegenzusetzen. Denn er hat komponiert, was er gesehen hat, nicht nur, was er gehört hat. s ist also eine Herausforderung, Ihre eigenen Vorstellungen als Regisseurin E mit so einer genauen Partitur in Einklang zu bringen.  Es ist eine Herausforderung, dieselben Akzente zu setzen, dieselben Situationen zu schaffen und sie gleichzeitig in etwas anderes zu übersetzen. 20


ibt es bestimmte Szenen, die Ihnen schon in der Konzeptphase besonders G viel Spaß gemacht haben, oder Teile der Oper, über die Sie gerne nachgedacht haben?  Unsere Entscheidung für das Setting hat viel zur Freude an der Arbeit beigetragen, vor allem, als klar war, dass wir eine Alternative zum Wald im dritten Akt gefunden haben. Als wir entschieden haben, Nannettas Arie als Burlesque-Show anzulegen, hat sich das Gefühl für den Humor und das Milieu zu entwickeln begonnen, die wir mit dieser Casino-Welt zeigen wollten. Der italienische Filmregisseur Paolo Sorrentino war eine Inspirationsquelle. Ging es dabei um die Figur des alternden Mannes, die in vielen Filmen Sorren­ tinos vorkommt, oder eher um die bizarre Atmosphäre verfallenden Glanzes? Die Atmosphäre ist sehr wichtig. Ich wollte unbedingt betonen, dass es keine englische, sondern eine italienische Oper ist, mit einem Londoner Sujet, aber eine italienische Oper. Man muss sich also dem italienischen Temperament zuwenden, es ganz erfassen. Außerdem liebe ich italienische Filme, ich bin ein großer Fan des neorealistischen Kinos. Es wirkt aber auch so, als hätten Sie das Groteske bei Sorrentino in Falstaff einfließen lassen.  Als ich jung war, war das italienische Kino ein wichtiger Teil meines autodidaktischen Programms und meiner Selbstverortung – was ich sein, wie ich arbeiten wollte, was für Vorlieben und Abneigungen ich hatte. Speziell bei Sorrentino kam es für mich aber auf zwei Dinge an: Er ist sehr italienisch und er deckt auf sehr kluge Weise die Sinnlosigkeit des Lebens und die Schrecken des Alterns auf. Er schafft das grandios, in jedem seiner Filme. Sogar in der Serie The Young Pope. Er war eine äußerst wichtige Inspiration, vor allem, weil er so subtil und gleichzeitig so grausam und wirklich präzise ist. Ist eine Figur wie Jep Gambardella in La Grande Belezza eine Falstaff-Figur? Jeder Mensch über 45 ist eine Falstaff-Figur. Gerade heute, wo es diesen Jugendwahn gibt, den Zwang, glücklich und erfüllt und schön sein zu müssen und was weiß ich noch alles. Für mich hat jeder Mensch über 50 ein FalstaffProblem. Sorrentinos Film Loro und Casino von Martin Scorsese waren die Hauptinspirationsquellen für diese Inszenierung. Beide Filme zeigen auf brillante Weise ein Milieu der käuflichen Jugend, der Verdrängung des Alterns mit allem was dazugehört, diese Halbwelt aus Abschaum und Adel. Diesen schönen Tsunami der Figuren, der Begehrlichkeiten und Sehnsüchte. Das wollte ich zeigen.

Das Gespräch führte Nikolaus Stenitzer. Aus dem Englischen von Sabine Voss 21


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.