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MUT ZUR THEATRALIK

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Zwei Tanzstücke stehen sich in München an einem Abend gegenüber: Silent Screen und Schmetterling. Zwischen Meer und Wald, Melancholie und Ausgelassenheit verbindet sie die Kraft der Extreme.

Der Ausdruck von Gefühlen war besonders wichtig bei der Auswahl der Tänzer:innen für die Neuproduktion von Sol León und Paul Lightfoot.

Das Choreographen-Duo Sol León und Paul Lightfoot arbeitet zum ersten Mal mit dem Ensemble des Bayerischen Staatsballetts. Die beiden Tanzschaffenden, die seit über 20 Jahren ein künstlerisches Kollektiv bilden, studieren zwei Werke ein, die ihnen ganz besonders am Herzen liegen. Im Gespräch erzählen sie von ihrer Faszination für Stummfi lme, von symbolischen Welten und existenziellen Momenten.

Die zwei Choreographien, die Sie mit dem Ensemble einstudieren, gehören zu jenen Werken, die in Ihrem künstlerischen Schaffen einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Der Abend beginnt mit Silent Screen, das 2005 zur Uraufführung kam. Worum geht es in diesem Stück?

Sol León (SL): Silent Screen ist für mich ein Ballett, das Gewicht hat. Es beschreibt eine Schleife oder einen Tunnel in der Zeit, eine Erinnerung, die sowohl persönlich als auch universell sein kann. Silent Screen entstand in einer Zeit, als Paul und ich mit der Idee des Tanzes an sich spielten. Wir sind fasziniert von der Kunst des Stummfi lms: von der zu Grunde liegenden Technik, wie die Darsteller ein ganzes Drama von Anfang bis Ende ohne Worte zum Ausdruck bringen können. In Silent Screen haben wir versucht, eine ähnliche Kraft in der Darstellung von Emotionen zu erreichen; und natürlich, die Schönheit der Körpersprache herauszuarbeiten.

Paul Lightfoot (PL): Mit Silent Screen wollten wir eine Welt erschaffen, in der man nicht sicher ist, was Realität ist und was nicht. Wir haben ein Triptychon aus Leinwänden aufgestellt, so dass man als Zuschauer denken kann, dass die Tänzer auf der Bühne zugleich Teil des Films sind.

SL: Es kommen im Verlauf von Silent Screen grundlegende und universelle Symbole vor wie das Meer, der Wald, der Tunnel, der Weg, das Zimmer, das Haus. Wenn ich mir dieses Ballett über die Jahre hinweg ansehe, wird mir bewusst, dass sich der Tanz, genau wie wir, ständig verändert. Die Kunst begleitet uns auf unserem Weg und erinnert uns daran, dass unser Leben eine natürliche und unausweichliche Entwicklung durchläuft; dass wir permanent Veränderungen erleben.

Sie nutzen in Ihren Produktionen immer auch das Erzählerische, aber nicht in der Form eines klassischen Handlungsballetts. Wie hat man sich diesen Zugang in den beiden Choreographien Silent Screen und Schmetterling vorzustellen?

PL: Unsere Stücke sind nie rein narrativ, auch wenn zum Beispiel Silent Screen ein bestimmtes Gefühl vermittelt, das Gefühl eines Abenteuers, das man zusammen erlebt. Im Zentrum von Silent Screen steht ein Paar, ein Mann und eine Frau, und wie sich diese Beziehung im Laufe der Zeit verändert. Aber mehr als diese Geschichte gibt es nicht. Wir mögen es, ein Werk offen zu lassen. So kann jeder Zuschauer seine eigene Interpretation fi nden.

SL: Und in Schmetterling steht für mich der Moment der Verwandlung im Zentrum: zwei Flügel, zwei Realitäten und eine Linie, die eine Grenze zwischen zwei Lebenswirklichkeiten zieht.

Wie manifestieren sich diese Lebenswirklichkeiten konkret in der Ballettproduktion?

PL: In Schmetterling refl ektieren wir unsere Arbeit als Tänzer und Künstler. Und wir denken über das private Leben nach, das ja immer zur gleichen Zeit abseits der Bühne stattfi ndet. Wir haben die Choreographie 2010 kreiert, kurz nach dem Tod von Pina Bausch. Wir bewunderten sie sehr, ihre Arbeit, aber auch sie selbst als Mensch. Und so wurde sie mit ihrer wunderbaren Theatralität und Wärme und mit ihrer Fähigkeit, tiefe Botschaften zu transportieren, ein Teil dieser Choreographie.

Es gibt immer wieder auch sehr heitere Momente, die Sie in tänzerische Bewegungen übersetzt haben … PL: Ja, in Schmetterling gibt es diese Cabaret­Welt. Sie besteht aus einer Gruppe von Leuten, die wir „die Familie“ nennen. Sie tanzt zu Songs der wunderbaren Musikgruppe The Magnetic Fields. Das ist eine Indie­Rock­Band, deren Musik auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so geeignet erscheint für eine Choreographie. Aber auf den zweiten Blick sind die Texte und die Musik so brillant, dass sie in Tanz umgesetzt werden müssen. Alle Songs handeln von der Liebe, aber auf eine verdrehte Weise. Mal lachen die Menschen über die Liebe, mal sind sie wegen der Liebe verwirrt, oft ist die Darstellung gar mit einer sehr zynischen Botschaft verbunden. So tanzt diese „Familie“ für uns und für das Publikum. Daraus entsteht diese absurde Welt in Schmetterling : Sie ist leidenschaftlich, voller Zuneigung und Leben.

Sie haben die Songs der The Magnetic Fields erwähnt, die in Schmetterling zu hören sind. Welche Musik haben Sie für Silent Screen gewählt?

SL: Für dieses Werk haben wir uns für Musik von Philipp Glass entschieden. Ausgangspunkt dieser Produktion war ja die Frage, wie Stummfi lme verschiedene Zeichen und Symbole einsetzen, um eine Geschichte zu erzählen. Deshalb kommen in Silent Screen auch grundlegende und universelle Symbole vor: das Meer, der Wald, der Tunnel, der Weg, das Zimmer, das Haus. Hierfür erschien uns Philip Glass’ Komposition ideal. Seine Glassworks haben uns beim Choreographieren, sprichwörtlich beim Erfi nden von Bewegungen sehr inspiriert.

PL: Ja, für jeden Abschnitt der Glassworks haben wir eine neue Szene mit neuen Charakteren geschaffen. Silent Screen ist folglich in Kapiteln aufgebaut. Und die tänzerische Reise entsteht, weil diese einzelnen Kapitel miteinander verbunden sind. Für Sol und mich ist es wichtig, wie Musik, Bühne, Kostüme und Licht zusammenspielen. Unsere Arbeit ist intensiv, freudvoll und melancholisch zugleich. Wir mögen das Poetische, aber auch das Exzentrische, das wir alle in uns haben. Es gibt viele kontrastierende Momente in Silent Screen, und gerade diese Vielheit zeichnet das Stück aus.

Der melancholische Aspekt ist in Schmetterling noch präsenter als in Silent Screen. Woher rührt dieser Eindruck?

PL: Es gibt durch das Stück hindurch mehrere Figuren, die den Tod repräsentieren. Sie stehen in der Nähe der

Ballettfestwoche

Im Bann der Bewegung

Neben der Premiere von Schmetterling (Sol León und Paul Lightfoot) stehen die Klassiker Ein Sommernachtstraum (John Neumeier), Romeo und Julia (John Cranko) und das Märchenballett Cinderella (Christopher Wheeldon) auf dem Programm der diesjährigen Ballettfestwoche. Diese findet vom 31. März bis zum 8. April 2023 im Nationaltheater statt. Zum vorläufig letzten Mal zeigt die Compagnie den dreiteiligen Ballettabend Passagen mit Werken von David Dawson, Marco Goecke und Alexei Ratmansky. Anhand der drei unterschiedlichen choreographischen Handschriften lässt sich die Fülle des Bewegungsspektrums ablesen, das das Ballett der Gegenwart auszeichnet.

Die neueste Kreation von Star-Choreograph Alexei Ratmansky TschaikowskiOuvertüren übersetzt die von innerer Dramatik erfüllten Orchesterwerke anderen Charaktere und warten die Zeit ab, bis das Unabwendbare eintritt. Es gibt deshalb große Traurigkeit in dem Stück, aber auch ekstatische Freude. Diese Elemente sind es, die ich an Schmetterling so mag. Für uns ist das ein sehr persönliches Stück. Wir sind zwei unterschiedliche Persönlichkeiten mit unterschiedlichen Lebenswegen, Gedanken und Emotionen. Und das sieht man in Schmetterling.

Pjotr I. Tschaikowskis in mitreißende visuelle Formen. Die Choreographie verlangt Virtuosität, nicht nur in den Solo-, sondern auch den großen Gruppen szenen. Und auch die Nachwuchstänzer:innen zeigen bei der traditionellen Heinz-BoslMatinée wieder ihr Können.

Das Gespräch führte Serge Honegger.

SCHMETTERLING

Sol León, Paul Lightfoot Nationaltheater

Fr., 31.03.2023 19:30 Uhr PREMIERE (PREISE I)

So., 02.04.2023 19:00 Uhr (PREISE H)

Fr., 21.04.2023 19:30 Uhr (PREISE G) EXKLUSIVER VVK AB 14.03.2023

Fr., 28.04.2023 19:30 Uhr (PREISE G) EXKLUSIVER VVK AB 21.03.2023

Sa., 29.04.2023 19:30 Uhr (PREISE G) EXKLUSIVER VVK AB 22.03.2023

Fr., 02.06.2023 19:30 Uhr (PREISE G) EXKLUSIVER VVK AB 25.04.2023

Sa., 03.06.2023 19:30 Uhr (PREISE G) EXKLUSIVER VVK AB 26.04.2023

Mi., 28.06.2023 19:30 Uhr (PREISE H)* EXKLUSIVER VVK AB 17.03.2023

Mo., 03.07.2023 19:30 Uhr (PREISE H)* EXKLUSIVER

Engelsloge

Ank Ndigung

Eine Reinkarnation des Ballett­ Klassikers La Bayadère

La Bayadère ist eines der bedeutendsten Werke des Choreographen Marius Petipa. In der Fassung von Patrice Bart kam die Produktion 1998 als deutsche Erstaufführung im Münchner Nationaltheater heraus. Die bekannteste Szene ist der Schattenakt, in dem die Tänzerinnen im getragenen Duktus die Stille und die ewige Zeit des Jenseits zur Darstellung bringen – ohne Zweifel einer der schönsten und eindrücklichsten weißen Akte der Ballettgeschichte. Das Werk gilt nicht nur historisch als ein wichtiger Meilenstein. La Bayadère regt heute auch dazu an, sich mit der Geschichte des Balletts und der Darstellungweise interkultureller Phänomene zu beschäf tigen.

Das Ding

Wenn das Glück an der bleiernen

Kugel hängt

Max liebt Agathe. Um sie zu heiraten und das Erbe ihres Vaters anzutreten, muss er einen Probeschuss erfolgreich absolvieren. Ein verlorenes Preisschießen am Vorabend der Prüfung, eine Wolfsschlucht bei Mitternacht, sieben unter teuflischen Umständen gegossene Freikugeln und die Frage: Worauf zielt das Gewehr im entscheidenden Moment?

LIEBLINGSSTELLE von Rafael Vedra

„An der Kreation der TschaikowskiOuvertüren mitzu wirken, war für mich eine einmalige Erfahrung. Der Choreograph Alexei Ratmansky wusste immer genau was er wollte. Er hat aber gleichzeitig auch geschaut, dass wir uns wohlfühlen mit den Bewegungen, dass wir gut in ihnen aussehen. Ich habe in Elegie getanzt, das ist quasi die Einleitung, und in Romeo und Julia , dem letzten Teil. In Romeo und Julia war ich einer der Männer bei den drei Paaren, das sind kleine solistische Partien – eine wunderbare Herausforderung für mich als Gruppentänzer. Es gibt viele schöne Stellen in Romeo und Julia , z.B. das Adagio, aber meine erklärte Lieblingsstelle ist ein kurzer 10Sekunden Auftritt in der Mitte des Stücks. Hier betrete ich mit einem weiteren männlichen Tänzer zuerst zögerlich, wie nach etwas suchend die Bühne. Dann wird die Musik schneller, wir machen viele kleine Sprünge, mit schnellen Beinwechseln, am Ende Grand jétés, das sind Spagatsprünge. Zum Schluss enden wir in einer Attitude. Diese 10 Sekunden sind sehr intensiv und voller Energie – und meine persönliche Lieblingsstelle in dem ganzen Abend.“

TSCHAIKOWSKI-OUVERTÜREN

Alexei Ratmansky Nationaltheater

Sa., 08.04.2023, 19:30 Uhr (PREISE I)

Fr., 05.05.2023, 19:30 Uhr (PREISE I)

EXKLUSIVER VVK AB 29.03.2023

So., 07.05.2023, 15:00 und 19:30 Uhr(PREISE H)

EXKLUSIVER VVK AB 31.03.2023

Mo., 10.07.2023, 19:30 Uhr (PREISE I)*

EXKLUSIVER VVK AB 17.03.2023

Preise H: ab 58,80 € bis 101,36 €, Preise I: ab 65,52 € bis 114,80 €

*im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2023

Informationen und Karten im SZ­ServiceZentrum –Solange der Vorrat reicht

Rusalka

In die rätselhafte Welt der Wasserwesen taucht diese Oper ein. Mondglänzende Arien, eine irrlichternde Nixe – da dürfen magische Zahlen nicht fehlen. 3 50 1

Nicht nur bei den mystischen Naturwesen der 3 Elfen setzt Antonín Dvořák die von Richard Wagner inspirierte Leitmotivtechnik ein. Auch der Wassermann (Günther Groissböck), die Hexe (Lindsay Ammann) und der Prinz (Dmytro Popov) werden jeweils durch ein Leitmotiv charakterisiert.

Liter Wasser voll ist das Aquarium auf der Bühne des Nationaltheaters, in das im Mai Asmik Grigorian als Rusalka eintauchen wird.

In Dvořáks Märchen­Vertonung führt ein weißes Reh den Prinzen an den See, wo Rusalka sehnsuchtsvoll auf ihn wartet. Die tragische Liebesgeschichte nimmt ihren Lauf. Für Martin Kušejs eindringliche Inszenierung fertigten die Theaterplastiker in den Werkstätten in Poing insgesamt 50 Rehkadaver und 1 präpariertes Reh an.

Rusalka ist die 9. Oper Dvořáks und damit das vorletzte Werk, das er vor seinem Tod vollendet hat. Durch die Mischung aus Nummernoper, vielen Instrumentalpassagen sowie der Verwendung von volkstümlichen Motiven seiner slawischen Heimat entsteht eine außergewöhnliche und poetische Schönheit der Musik. Am Pult des Bayerischen Staatsorchesters steht Henrik Nánási.

Kurz Und Knapp

Richard Wagners Tristan und Isolde In 14 Worten

TRISTANAKKORD

SCHIFFFAHRT

KRIEGSBEUTE

TODESSEHNSUCHT

LIEBESTRANK

EHEBRUCH

DREIECKSBEZIEHUNG

NACHTGEWEIHTE

DOPPELSUIZID

UNGETRENNT

TÖDLICHE WUNDE

KINDHEITSTRAUMA

LIEBESTOD

RUSALKA Antonín Dvořák Nationaltheater

So., 14.05.2023, 18:00 Uhr (PREISE K)

150 9

EXKLUSIVER VVK AB 11.04.2023

Mi., 17.05.2023, 19:00 Uhr (PREISE K)

EXKLUSIVER VVK AB 11.04.2023

Fr., 19.05.2023, 19:00 Uhr (PREISE K)

EXKLUSIVER VVK AB 12.04.2023

Preise K: ab 85,68 € bis 150,64 €

Informationen und Karten im SZ­ServiceZentrum –Solange der Vorrat reicht

TRISTAN UND ISOLDE

Richard Wagner Nationaltheater

Do., 06.04.2023 17:00 Uhr (PREISE L)

Mo., 10.04.2023 16:00 Uhr ( PREISE L)

Sa., 15.04.2023 17:00 Uhr (PREISE L)

EXKLUSIVER VVK AB 08.03.2023

Fr., 21.07.2023 17:00 Uhr (PREISE M)*

EXKLUSIVER VVK AB 17.03.2023

Mo., 24.07.2023 17:00 Uhr (PREISE L)*

EXKLUSIVER VVK AB 17.03.2023

Sa., 29.07.2023 16:00 Uhr (PREISE M)*

EXKLUSIVER VVK AB 17.03.2023

Preise L: ab 104,72 € bis 185,36 €, Preise M: ab 133,84 € bis 218,96 € *im Rahmen der Münchner Opernfestspiele 2023

Informationen und Karten im SZ­ServiceZentrum –Solange der Vorrat reicht

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