MAX JOSEPH Nr. 4 2012/13: Münchner Opernfestspiele

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MAX JOSEPH VOX POPULI

BAYERISCHE STAATSOPER

… UND JETZT ALLE! MÜNCHNER OPERNFESTSPIELE 2013


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Ein PHÄnOMEn FÜR ALLE SinnE. Beeindruckend und atemberaubend wie eine Sonnenfnsternis ist der Auftritt des BMW 6er Gran Coupé. Exklusive Eleganz, kompromisslose Sportlichkeit und wegweisendes Design vereinen sich in noch nie dagewesener Einzigartigkeit. Die Münchner Opernfestspiele ziehen seit 130 Jahren tausende Menschen aus München, Deutschland und der Welt in ihren Bann. Mit 32 Opernaufführungen, Liederabenden und zahlreichen Konzerten bieten die Festspiele ein Feuerwerk an Emotionen. Das fördert BMW gerne. Auch in diesem Jahr ist die BMW Niederlassung München Partner der Münchner Opernfestspiele. Erleben Sie mit uns ein besonderes Phänomen seltener Klang-Schönheit.

BMW iSt PARtnER dER MÜncHnER OPERnFEStSPiELE.

Partner der Münchner Opernfestspiele

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Bayerische staatsoper Münchner  Opernfestspiele 21.6.–31.7. 2013 Das Magazin der Bayerischen Staatsoper Max Joseph 4  Festspielausgabe 2012 – 2013

Dank an

Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele.











Illustrationen S. 2 bis S. 11 Debout-Lollo Collection

Denken Sie noch oder feiern Sie schon? Mit den Münchner Opernfestspielen beginnt für die Bayerische Staatsoper die festlichste Zeit des Opernjahres. Das Haus bündelt alle Kräfte, um seinem Publikum aus München, aus Deutschland, aus aller Welt innerhalb eines Monats die Höhepunkte der Spielzeit und des Repertoires in gewohnt hochkarätiger Besetzung zu präsentieren. Im Wagner- und Verdi-Jahr 2013 zeigen wir allein von diesen beiden Komponisten, die die Operngeschichte so fundamental beeinflussten, siebzehn Opern; dazu sehen Sie Strauss, die deutsche Erstaufführung von Benjamin Brittens Written on Skin, das im Herbst uraufgeführte Babylon von Jörg Widmann, Liederabende, Ballette und Konzerte. Unser Spielzeitmotto vox populi kehrt in einem reichen Begleitprogramm wieder, das von einem musikalischen Wettstreit Wagner vs. Verdi auf dem Max-Joseph-Platz bis zu einem Opernabend in einem Programmkino und einer Party auf der Bühne des Nationaltheaters reicht. Auch Oper für alle wird dank unseres langjährigen Partners BMW München bei freiem Eintritt wieder zu erleben sein. Solch ein Feuerwerk vor Augen, haben wir in dieser Festspielausgabe von MAX JOSEPH das Thema Feste ­feiern in den Mittelpunkt gerückt. Die Ausgabe wird dankenswerterweise wieder von der Gesellschaft zur Förderung ­der Münchner Opernfestspiele großzügig unterstützt. Wozu braucht eine moderne Gesellschaft noch Feste? Das Bedürfnis nach dem Dionysischen, so könnte man meinen, habe sich erledigt in einer Gesellschaft, deren Zusammenhalt auf alltäglicher Arbeit und deren Organisation beruht; und in der der Einzelne auch das Recht kennt, alleingelassen zu werden. Nun, man muss keine Kameraschwenks über Fußball-Fanmeilen und Königshochzeiten bemühen, um zu erkennen, dass das Dionysische, das Bedürfnis nach Entgrenzung, Verausgabung und Irrationalität, sich durch alle Zivilisationsschichten hindurch seine Bahn bricht. Auch eine moderne Gesellschaft sucht sich Ereignisse von Gemeinsamkeit. Sie werden im besten Fall zu einem Fest. Und so verstehen wir unseren Titel „ … UND JETZT ALLE!“ auch als Ausdruck dessen, dass ein Opernfest nur im Zusammenspiel von mehreren entstehen kann – mit Ihnen, liebes Publikum. Ich wünsche Ihnen schöne, anregende und eindrucksvolle Münchner Opernfestspiele 2013.

Nikolaus Bachler Staatsintendant

Editorial 11


Sehen Sie Stickstoff. In einer Weltpremiere von Linde. Am Anfang stand eine Idee: unsichtbare Gase sichtbar zu machen. Wir haben einen faszinierenden, einzigartigen Ansatz entwickelt. Numerische Grafiken, errechnet aus den spezifischen Stoffeigenschaften der Gase. Mehr unter www.fascinating-gases.com. Wir unterst端tzen die Bayerische Staatsoper als Spielzeitpartner.



Der Fotograf Nick Cave ist bekannt für seine „Soundsuits“, die er aus Fundstücken herstellt. Er kombiniert seine Talente in Tanz, Bildhauerei und Handarbeit, um seine wilden bunten Anzüge zu fertigen, die Geräusche produzieren, wenn man sich in ihnen bewegt. Manche sind komisch, manche gruselig, sie sind zu abgehoben für die Haute Couture und erregen gerade deswegen unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.

Editorial Von Nikolaus Bachler

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Contributors/Impressum

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Hochgefühl allüberall? Die festliche Inszenierung der Kultur. Von Michael Rutschky

Max Joseph 4

3

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Oper und Pop? Gibt es Berührungspunkte zwischen Oper und Pop? Ein Expertengespräch

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Der lyrische Poet Il trovatore-Regisseur Olivier Py, vorgestellt von Timothée Picard

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Spring Break Forever! Der Schriftsteller Leif Randt blickt auf das Teenage

58

„Tief und raffiniert“ Generalmusikdirektor Kent Nagano über die Deutsche Erstaufführung von Written on Skin

Foto Fritz Beck

Die Oper feiert Illustrationen-Serie des Künstlerduos Debout-Lollo Collection

Zeichnung Aurel Schmidt

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Ein Tanz im Wasser Paolo Carignani, Dirigent der Festspielpremiere Il trovatore, im Porträt Foto Robert Fischer

Inhalt

Cover

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Vom spröden Stoff der Freiheit Auszug aus der Rede des Büchner-Preisträgers Reinhard Jirgl im Rahmen der Redenreihe „Freiheitsfelder – vox populi“

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Von der ewigen Wiederkehr des Feierns Ein Portfolio von Iwajla Klinke und Anne-Sophie Stolz

Oper für alle

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Vom Glück des Singens Über den nach wie vor geheimnisvollen Vorgang des Singens. Von Thomas Richter

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Comic Giuseppe Verdis Falstaff, erzählt von Patrick Kyle

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„Mit Musik kann man hervorragend rebellieren – vor allem mit Schönberg“ Der Filmemacher Axel Ranisch, Regisseur von The Bear / La voix humaine

Foto Ola Rindal

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Die Troubadourin Ein Besuch bei Juliette Gréco. Von Jörg Böckem

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Ein Interview – mit wem? Das Tanzprojekt Nancy. Interview aus Warschau zu Gast bei den Festspielen

128

Ilja Richter geht nicht zum Troubadour! Kommentar des Betroffenen

130

Wir sind ganz Chor Über den organisierten und beliebten Chorgesang in Deutschland. Von Wiebke Matyschok

136

Wie haben Sie zuletzt gefeiert? Kleine Festspielumfrage unter den „Nachbarn“ der Bayerischen Staatsoper

Illustration Patrick Kyle

Absolute Giganten Komponist Moritz Eggert im Gespräch über das Projekt Wagner vs. Verdi

FESTSPIELAUSGABE Spielzeit 2012– 2013

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141

Agenda

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Plakate der Spielzeit 2012/13

155

Künstler der Münchner Opernfestspiele 2013

175

Die Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2013

209

Spielplan

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Der Festspielpreis Verliehen von der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

223

English Excerpts

232

Schöne Ferien! Urlaubstipps von Festspielkünstlern


Spielzeitpartner

Hauptsponsoren BMW Niederlassung München – Opernfestspiele Dr. h.c. Irène Lejeune – Bayerisches Staatsballett Sal. Oppenheim – Bayerisches Staatsorchester Projektsponsoren AUDI AG, Roland Berger Strategy Consultants, BMW Niederlassung München, Linde AG, Siemens AG, UniCredit Group, Rudolf Wöhrl AG Premium Circle Atlantik Networxx AG, AUDI AG, BayernLB, BayWa AG, Ludwig Beck AG, Roland Berger Strategy Consultants, LA BIOSTHETIQUE PARIS, BMW Group, BR-KLASSIK, Clifford Chance, GE Central Europe, HERMES ARZNEIMITTEL GmbH, Knorr-Bremse AG, Linde AG, Linklaters LLP, Loyalty Partner GmbH, Merck Finck & Co, Privatbankiers, Munich Re, Siemens AG, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG, Stadtsparkasse München, Süddeutsche Zeitung, UBS Deutschland AG, UniCredit Group, Oliver Wyman Patron Circle Akris, ALR Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Baker & McKenzie, Bank Julius Bär Europe AG, Beck et al. Services GmbH, BBH – Becker Büttner Held, Willy Bogner, Bürklin OHG, CLEVIS Group, Rolf und Caroli Dienst, EVISCO AG, Herbert und ­Claudia Graus, Marianne E. Haas, Dr. Peter und Iris Haller, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA, Iris und Kurt Hegerich, Nikolaus und Ingrid Knauf, ­leasing.de AG, M.M.Warbung & CO, Gisela und Ulfried Maiborn, Zubin und Nancy ­Mehta, Nachmann Rechtsanwälte, Riedel Holding GmbH & Co. KG, PD Dr. Dr. Hans und Monika Rinecker, Rudolf und Rosemarie Schels, Dr. Schnell Chemie GmbH, Dr. Susanne und Dr. Karl Heinz Weiss Inner Circle Marlene Ippen, Eugénie Rohde, Marion Schieferdecker, Susanne Wamsler, Swantje von Werz, Adelhaid Winterstein Ballet Circle Dr. Peter und Iris Haller, Michaela Heilbronner, Integra Treuhandgesellschaft mbH, Dr. h.c. Irène und Dr. Erich J. Lejeune Classic Circle Anjuta Aigner-Dünnwald, Axis Re Europe, Benoist & Company GmbH, Böhmler Einrichtungshaus GmbH, Chris und Veronika Brenninkmeyer, Peter Graf von Brühl, Bucherer Deutschland GmbH, Clariant AG,

Partner

Die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern

Stephanie und Constantin von Dziembowski, Konsul Otto Eckart, Field Fisher Waterhouse LLP, Günter Fleischmann, Hans-Peter und Marianne Frericks, Katja und Matthias Geier, Genossenschaftsverband Bayern, gr_consult gmbh, Dr. h. c. Rudolf und Angelika Gröger, Christa B. Güntermann, Hannover Leasing GmbH & Co. KG, D ­ r. Bernhard Heiss und Dr. Kira Heiss, Herrenbach Apotheke, Hofbräu München, Dorothea und Hans Huber, Dirk und Marlene Ippen, Sir Peter Jonas, Feinkost Käfer Verwaltungs- und Beteiligungs KG Michael Käfer, Wolf-Otto und Renate Kranzbühler, Jutta und Bernd Kraus, Klaus Josef und Martina Lutz, Dr. Joachim und Annedore Maiwald, Heinrich Nabholz Autoreifen GmbH, Prof. Dipl.-Ing. Georg und Ingrid ­Nemetschek, nova reisen GmbH, Oberbank AG, Dr. Leonhard und ­Gertrud ­Obermeyer, Oligomo Management GmbH, Orpheus Opernreisen, Franz und Katharina von Perfall, Peters, Schönberger & Partner, Riedel Immobilien GmbH, Roeckl Handschuhe & Accessoires, Dr. Helmut ­Röschinger, Schaeffler Holding GmbH & Co. KG, Dr. Bernhard und Jacqueline Schaub, Dr. Alois Schneck, Christian ­Schottenhamel, Dr. Stefan Schulz-Dornburg, Dr. Jürgen und Dr. Elisabeth Staude, Juana und Otto Steinmetz, D ­ r. Martin und Eva Steinmeyer, Umzüge Braun, UTC Aerospace Systems, Wacker Chemie AG, Marianne Waldenmaier, Juwelier Wempe, Wickenhäuser & Egger AG, Wirsing Hass Zoller, Xenium AG Campus Circle Dieter und Elisabeth Boeck Stiftung, Erika Kaufmann u. Rolf und Caroli Dienst, Vera und Volker Doppelfeld Stiftung, Dr. Joachim Feldges, Wilhelm von Finck Stiftung, Iris und Kurt Hegerich, Dirk und Marlene Ippen, Marco Janezic, Klaus Luft Stiftung, Silke und Klaus Murmann, Ingeborg Pohl, Eugénie Rohde, Dr. Helmut Röschinger, Dr. Kurt und Chiona Schwarz, Dr. Jürgen und Dr. Elisabeth Staude, Dr. Martin und Eva Steinmeyer, Dr. James Swift, The Opera Foundation, Susanne Wamsler, Georg und Swantje von Werz Förderer Campus Freunde, Freunde des Nationaltheaters München e.V., Freunde und Förderer der Musika­lischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e.V., Freundeskreis des Bayerischen Staatsballetts, Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opern­festspiele e.V. Werden Sie Partner! Die Bayerische Staatsoper bedankt sich bei ihren Partnern für die großzügige finanzielle Unterstützung und das damit verbundene kulturelle Engagement. Informieren Sie sich unter: Development / Prof. Maurice Lausberg, Melanie Firley T 089 - 21 85 10 16, F 089 - 21 85 16 40 development@staatsoper.de

Bayerische Staatsoper Partner


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Bürger und Wirtschaft engagieren sich für die Festspiele – Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele reicht zurück bis ins Jahr 1958. Damals ­begann der Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Münchner Nationaltheaters. Im gleichen Jahr, am 11. April 1958, gründeten mehrere Einzelpersönlichkeiten und Unternehmen die Gesellschaft. Sie vereint derzeit 425 Opernfreunde in dem ­Gedanken, dass die Münchner Opernfestspiele nicht nur ein hochkultureller „Event“ für wenige sind, sondern auch vom Bewusstsein der Allgemeinheit getragen werden sollen. Dafür setzt sich die Gesellschaft sowohl ideell wie gesellschaftlich, publizistisch und, nicht zuletzt, finanziell ein. In ihren Gremien sind Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens vertreten, die beispielgebend die mäzenatische Grundeinstellung der Gesellschaft verkörpern und aktiv nach außen tragen. Mit den gesammelten Spenden und Mitgliedsbeiträgen (steuerlich absetzbar) fördert die Gesellschaft gezielt Neuproduktionen und andere künstlerische Projekte der Bayerischen Staatsoper im Rahmen der Festspiele. Gesellschaftlicher Höhepunkt des Vereinslebens ist der Staats­empfang zur Eröffnung der Opernfestspiele. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele ist zusammen mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Gast­­geber dieses glanzvollen Ereignisses in den Räumen der Münchner Residenz. Eine weitere Möglichkeit zu Information und freundschaftlichem Miteinander bietet die

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jährliche Mitgliederversammlung; dabei informiert der ­Intendant persönlich über Programm und Pläne seines Hauses und Mitglieder der Staatsoper gestalten einen festliches musikalisches Begleitprogramm. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit zu exklusiven Führungen „hinter die Kulissen“ der Staatsoper sowie eine Einladung zum Empfang anlässlich der Verleihung des jährlichen Festspielpreises. 1965 wurde erstmals der Festspielpreis verliehen. Die Ge­sellschaft will damit Persönlichkeiten des Münchner Opern­­lebens auf und hinter der Bühne auszeichnen, die sich besonders um die Festspiele verdient gemacht haben. Der Preis war 2012 mit insgesamt 20.000 Euro dotiert und ist zu einer Tradition geworden. Eine lange Tradition hat auch die jährlich herausgegebene Festspielpublikation. Je mehr Mitglieder die Gesellschaft hat, desto wirkungsvoller kann sie dazu beitragen, die Attraktivität und künstlerische Qualität der Münchner Festspiele weiter zu festigen und fortzuentwickeln. Vorstand und Kuratorium der Gesellschaft wollen Sie, lieber Festspielbesucher, deshalb ermuntern, einen Beitritt ernsthaft und aufgeschlossen zu prüfen. Einen Beitrittsantrag finden Sie in diesem Heft auf Seite 220. Nähere Infos erhältlich über die Geschäftsstelle der Gesellschaft (T 089 – 37 82 46 47) oder unter www.opernfestspielgesellschaft-muenchen.de


Schirmherr Der Bayerische Ministerpräsident Ehrenpräsidium Der Bayerische Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst Der Bayerische Staatsminister der Finanzen Der Bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie Der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft, Dr. Ing. Dieter Soltmann Ehrenvorsitzender Erhardt D. Stiebner Vorstand Dieter Rampl, 1. Vorsitzender Nikolaus Bachler Axel Bartelt Friedgard Halter, Schriftführerin und gesch.führendes Vorstandsmitglied Dr. Ingo Riedel Toni Schmid Dr. Wolfgang Sprißler, Schatzmeister Dr. Jörg D. Stiebner Gregor Vogelsang, 2. Vorsitzender Kuratorium Prof. Dr. Clemens Börsig, Vorsitzender Dr. Karl-Hermann Baumann Karin Berger Dr. Laurenz Dominik Czempiel Hanns-Jörg Dürrmeier Dr. Kurt Faltlhauser Olga Haindl Franz Haniel Dr. Walter Hohlefelder Marlene Ippen Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dr. Jörg Mittelsten Scheid Dr.Helmut Röschinger Maria-Elisabeth Schaeffler Dr. jur. Georg Graf von SchallRiaucour Michael Schneider Jeanette Scholz Prof. Dr. Wilhelm Simson Manfred Wutzlhofer Dr. Werner Zedelius

Nachstehende Persönlichkeiten und Firmen unterstützen als fördernde Mitglieder die Arbeit der Gesellschaft in besonderem Maße: Dr. Peter Anton und Rainer Krick Christian Bahner Erben Michael Bonacker Hans-Günther Bonk und Elisabeth Bonk-Eberle Joachim Bringfried Brunckhorst und Frau I. Julia Brunckhorst Hanns-Jörg Dürrmeier Jan Geldmacher Dr. Konrad Göttsberger Dr. Altrud Ute Gottauf Olga Haindl Peter Prinz zu Hohenlohe Ulrike Hübner Marlene Ippen Helga Kreitmair Doris Kuffler Traudi Kustermann Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dagmar Lipp Dr. Jörg Mittelsten Scheid Dr. med. Margret Rembold Dr. Christine Reuschel-Czermak Dr. Helmut Röschinger Marianne Schaefer Dr. Friedrich K. Schieferdecker Andreas Schiller Rosalie Schlemmer und Jakob Schlemmer Dr. Dr. h. c. Albrecht Schmidt Dr. Roland Schulz Dr. Matthias Schüppen Prof. Dr. Wilhelm Simson Dr. Ing. Dieter Soltmann Ursula Soltmann Andrea M. Spielmann Ursula Steiner-Riepl Bernhard Tewaag Stefan Vilsmeier Gregor Vogelsang Christine Volkmann Swantje von Werz Reinhilde Wilhelm

Burda Creative Group GmbH Commerzbank AG Deutsche Bank AG Donner & Reuschel AG EADS Deutschland GmbH Frohwitter, Bernhard Fürst Fugger Privatbank KG Kunert Holding GmbH & Co.KG LfA Förderbank Bayern LHI Leasing GmbH Molkerei Meggle Wasserburg GmbH & Co.KG Messe München GmbH Riedel Holding GmbH & Co.KG Swiss Re Europe S.A. UniCredit Bank AG Wacker-Chemie AG

Allianz SE Bayerische Landesbank Bayerische Landesbausparkasse Roland Berger Strategy Consultants GmbH

Förderer 19


Impressum

Contributors

Max-Joseph-Platz 2 / 80539 München T 089 – 21 85 10 20 / F 089 – 21 85 10 23 maxjoseph@staatsoper.de www.staatsoper.de Herausgeber Staatsintendant Nikolaus Bachler (V.i.S.d.P.) Redaktionsleitung Maria März Gesamtkoordination Christoph Koch Redaktion Miron Hakenbeck, Rainer Karlitschek, Olaf A. Schmitt, Andrea Schönhofer Mitarbeit: Christoph Lang Bildredaktion Yvonne Gebauer; Mitarbeit: Sabine Voss Gestaltung Bureau Mirko Borsche Mirko Borsche, Johannes von Gross, Moritz Wiegand, Judith Schröder, Cyrill Kuhlmann Autoren Jörg Böckem, Pavol Breslik, Asher Fisch, Piotr Gruszczyński, Gabriela Herpell, Travis Jeppesen, Reinhard Jirgl, Wiebke Matyschok, Timothée Picard, Leif Randt, Bert Rebhandl, Ilja Richter, Thomas Richter, Rebecca Ringst, Michael Rutschky, Árpád Schilling, Susanne Schmerda, Michael Schmidt, Gabriele Schnaut Fotografen & Illustratoren Fritz Beck, Nick Cave (mit bestem Dank an Jack Shainman Gallery, New York), Debout-Lollo Collection, Robert Fischer, Yvonne Gebauer, Gian Gisiger, Friederike Groß, Michael Johansson, Magda Hueckel, Cynthia Kittler, Iwajla Klinke, Patrick Kyle, Thomas Mailaender, David Oliete, Ola Rindal, Lynn Skordal, Aurel Schmidt, Anne-Sophie Stolz

Leif Randt Seite 52

Reinhard Jirgl Seite 70

Debout-Lollo Collection Seite 2

Feste feiern, zusammen mit dem Titel „… UND JETZT ALLE!“, führt geradewegs zur Jugendkultur. Über diese schreibt der ebenfalls junge Autor Leif Randt, Jahrgang 1983, nachdem er den Film Spring Breakers gesehen hat. Von ihm stammen die Romane Leuchtspielhaus und Schimmernder Dunst über Coby County. Ein A ­ uszug aus Letzterem wurde 2011 beim Ingeborg-BachmannPreis ausgezeichnet. Den Sommer 2013 verbringt er als Stipendiat in Santa Monica, Los Angeles. Ab S. 52.

Schon die vox populi zu fassen, ist schwer genug. Noch einen ­Dreh mehr erfordert es, den Begriff mit dem der Freiheit zusammenzubringen. Genau dies hat der Schriftsteller Reinhard Jirgl für die Redenreihe „Freiheitsfelder – vox populi“ getan und darüber im Cuvilliés-Theater gesprochen. Der in Berlin lebende Autor wurde für sein Werk vielfach ausgezeichnet, 2010 erhielt er den GeorgBüchner-Preis. Ein Auszug aus seiner Rede ist zu lesen ab S. 70.

Zum Auftakt dieser Festspielausgabe hat das Künstlerduo Debout-Lollo Collection etwas Schwung in Opern- und Popköpfe gebracht. ­Das Duo besteht aus Aude Debout und Caroline Lollo, die zusammen in Frankreich in ­die Oberstufe gingen, dann aber getrennt studierten – Grafikdesign an der Gerrit Rietveld Academie in Amsterdam bzw. Fotografie an der École Nationale Supérieure Louis Lumière in Paris. Das Ergebnis der Zusammen­ arbeit ist zu feiern ab S. 2.

Aurel Schmidt Seite 22

Robert Fischer Seite 30

Gabriela Herpell Seite 30

Die Arbeiten von Aurel Schmidt lassen viel Zeit ­ und viel Liebe zum Detail erahnen. Ihre Zeichnungen sind konzentriert und beschäftigen das Auge.­ Die kanadische Künstlerin arbeitet mit Bleistiften, Buntstiften, aber auch allen anderen Materialien, die die Welt zu bieten hat. Kürzlich ist sie nach New York City gezogen. Zeichnungen aus ihrer Serie Burnouts & Party Monsters begleiten den Essay dieser Ausgabe, ­ zu sehen ab S. 22.

Das Wasser, das Dirigent Paolo Carignani so liebt (siehe rechts), hätte ­ dem von Robert Fischer Porträtierten hier nicht gut getan. In sich versunken ist Carignani in Atelier und Maske zu sehen. Ein poetisches Zusammenspiel des Dirigenten und des ­Stils ­des Münchner Fotografen, ­ der hauptsächlich für Magazine wie Vogue, ­ das Zeit Magazin und Architectural Digest arbeitet, aber auch für ­viele große ­Unternehmen fotografiert. ­ Zu sehen ab S. 30.

Es brauchte einen Opern­ dirigenten aus Mailand, um Gabriela Herpell nach vierzehn Wohnjahren in München in die Olympiaschwimmhalle zu bringen. Herpell arbeitet seit 1987 ­ für Zeitungen und Magazine, derzeit vor allem für das Süddeutsche Zeitung Magazin. Umso genauer sah sie sich den taktvoll Bahnen ziehenden Paolo Carignani an und beschreibt in ihrem Porträt, warum sich der Dirigent oft vorstellt, dass er im Orchestergraben schwimmt. Ab S. 30.

Übersetzungen Ed Einsiedler, Fränk Heller, ­ Michał Moroń-Zysko, Sabine Voss Marketing Maria Gaul T 089 – 21 85 10 27 / F 089 – 21 85 10 33 marketing@staatsoper.de Schlussredaktion Andrea G. J. Hoffmann Anzeigenleitung Bayerische Staatsoper: Imogen Lenhart T 089 – 21 85 10 06  imogen.lenhart@staatsoper.de Verlag: Doris Bielstein T 040 – 27 17 20 95 / doris.bielstein@bm-brandmedia.de Lithografie MXM Digital Service, München Druck Gotteswinter, München ISSN 1867-3260 Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung.­ Für die Originalbeiträge und Originalbilder alle Rechte vorbehalten. Urheber, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Foto Reinhard Jirgl: Carl Hanser Verlag  Foto Leif Randt: Simon Vu

Magazin der Bayerischen Staatsoper www.staatsoper.de/maxjoseph


München Residenzstrasse 6 089 238 88 50 00 Düsseldorf Kö-Center/ Martin-Luther-Platz 32 0211 135 40 92 Frankfurt Goethestrasse/ Grosse Bockenheimer-Str. 13 069 219 96 700 Hamburg Neuer Wall 39 040 430 94 90 Wien Am Kohlmarkt 4 01 535 30 53 Akris Boutique auf www.akris.ch


Hochgef端hl all端berall? Die festliche Inszenierung der Kultur

Essay Michael Rutschky

Bilder Aurel Schmidt


English Excerpt Page 223

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Aurel Schmidt, Dude, pencil, colored pencil, acrylic on paper, 18"× 15", 2009


Doch, das Singen erhebt, schafft ein Hochgefühl. Darauf konnte der Musiklehrer Edeling sich verlassen. Zwar mutete er den frisch gebackenen Gymnasiasten extra Schulstunden zu, indem er sie in seinen Schulchor einlud – nun ja, presste, schanghaite, wie das Rekrutieren von Unfreiwilligen in der britischen Marine hieß. Aber wenn es dann bei den Proben richtig zu klingen begann, schon gar beim Schulkonzert, wenn das Kollektiv so kräftig loslegte, dann spürte man doch eine Kraft und Souveränität, die anderswo nicht zu haben war. Und hinterher gab’s noch Beifall für die Sänger, auch wenn man die beim Klatschen so selig lächelnden Eltern, Onkels und Tanten furchtbar peinlich fand. Er hieß wirklich Edeling, der Musiklehrer der 50er-Jahre. An manchen Tagen trug er Jacketts aus flaschengrünem Samt, was ihn prägnant über seine Kollegen und ihre trüben Sakkos erhob. Über den Schulchor erhob sich sein Laienmusikverein namens Musikantengilde – altdeutsches Vokabular verbreitete immer noch einen guten Klang in den 50erJahren – und die Musikantengilde konzertierte nicht bloß in der Schulaula, sondern abendlich-festlich in der gotischen Stadtkirche. Die angemessene Kleidung verstand sich von selbst. Unsere kleine Stadt genoss das Hochgefühl, das diese Konzerte ihr schenkten. Sie fanden ja selten genug statt, und die Spärlichkeit steigerte das Festliche der Veranstaltung. In näherer Ferne boten sich dem am Hochgefühl interessierten Kulturbürger die Hausmusiktage in Kassel und die Hersfelder Festspiele, wobei Lehrer Edeling an den Hausmusiktagen den öffentlichen Charakter monierte, Hausmusik sollte doch intim, innerhalb der vier Wände ausgeübt werden. Und unter den Flüchtlingen, die seit 1945 unsere kleine Stadt bevölkerten, fanden sich weitgereiste Kulturbürger, die regelmäßig das Hochgefühl der Salzburger Festspiele ge-

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nossen hatten und sich jetzt über die Hersfelder lustig machten. Darauf verzichteten sie dankbar bei einer anderen kulturellen Erfindung Kassels, der Documenta, die zunächst nur eine Nachhilfestunde in moderner Kunst bieten sollte und aus der sich dann ein Weltfestival entwickelte im Lauf der Zeit. Aber auch die kleineren Kulturfeste trockneten nicht ein (während die großen aufblühten). Inzwischen veranstaltet unsere kleine Stadt – wo immer sie in der Republik liegt – zumindest eine Buchwoche, bei der prominente Schriftsteller/innen sich bei Lesungen aus ihren Werken ohne Scheu in der Provinz zeigen („die Literaturtage von Hessisch Lichtenau“). Das Fest hat die Anthropologen intensiv und vielfältig beschäftigt. Den Teilnehmern ebenso wie den Beobachtern drängte sich unabweisbar die Tatsache auf, dass im Fest ein Ereignis von umfassender, ja überwältigender sozialer Bedeutung abrollte: das Dionysische. Der blutrünstige Hahnenkampf auf Bali, der eine auf umsichtiges und intelligentes Vermeiden von dramatischen Höhepunkten eingeschworene Gesellschaft bis an die Grenze des Unerträglichen hysterisiert, wie Clifford Geertz 1972 in seiner kanonischen Studie über Deep Play als Kollektiv­ aktion gezeigt hat. Der Potlatsch,­ ein zeremonieller, sich fortlaufend ­­selbst übersteigernder Gabentausch, der die Teilnehmer ökonomisch ruinieren kann und sie sozial in innigste Verpflichtungen verstrickt zurücklässt; Johan Huizinga hat den Potlatsch 1938 ins Zentrum von Homo ludens, seiner berühmten antiutilitaristischen Kulturtheorie gerückt. Diese Praxis der Verausgabung und Verschwendung

meint man in unseren, in den Gegenden der Ersten Welt noch in den horrenden Zahlungen an Sport-, Pop- und Filmstars wiederzuerkennen (keinesfalls in den Banker-Boni – sie gelten als verächtlich, als Betrug, Raub am Volksvermögen). Opferrituale scheinen bei den archaischen Festen immer noch in der Nähe; in unseren, den Gegenden der Ersten Welt brachte das der spanische Stierkampf drastisch zum Ausdruck. Dass man Ostern feiert, indem sich junge Männer buchstäblich ans Kreuz nageln lassen – wie von den Philippinen berichtet –, ein solches Schauspiel würde hier alles andere als öffentliche Begeisterung erwecken. Verausgabung, Entäußerung, Rausch.­Die Anthropologen haben viele Techniken beschrieben, wie das Ich bei solchen Festen über seine Grenzen tritt. Strikt ritualisierte Tänze im Kollektiv, Selbstbeschädigung, vielfältige Rauschmittel. Dafür interessierte sich in unseren Gegenden vor allem die künstlerische Boheme, das Haschisch, der Alkohol, die dem Dichter Baudelaire die „künstlichen Paradiese“ aufschlossen; das Meskalin, das zu beobachten erlaubt, wie der Liegestuhl auf der Sonnenterrasse sich in das Jüngste Gericht verwandelt; dieser Himmelsglanz, den auf dem Sunset Boulevard die Lackierung der Cadillacs ausstrahlt – Aldous Huxley hat es 1954 in seinem notorischen Drogenbericht über die Pforten der Wahrnehmung beschrieben (das Zentrum der Boheme verlagerte sich von Paris nach Kalifornien). Aber diese Form des ekstatischen Fests, das Dionysische, wie es die Anthropologen beschreiben, scheint doch von den Kasseler Hausmusiktagen oder den Hersfelder Festspielen himmelweit entfernt. Und wie viel Haschisch, Marihuana und Meskalin (und

Dies meint man als Tendenz zu erkennen: dass die Kultur ununterbrochen expandiert. Überall Hochgefühl, das Dionysische herrscht – wenn auch in homöopathischer Dosierung. Mehr wäre vermutlich ungesund.


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Aurel Schmidt, Sprinkles, pencil, colored pencil, acrylic on paper, 15" × 15", 2007


26 Aurel Schmidt, Fag, pencil, colored pencil on paper, 15" × 15", 2007


Okay, in der Jugendkultur überlebt ­ das Dionysische fast unvermindert, ­ungedämpft. Zur Kindheit und Jugend eines zukünftigen Chefs, einer Chefin gehören gewisse Exaltationen. Aber wenn dann die Wirklichkeit auf der Agenda steht, müssen die Adepten dem Dionysischen entsagen. LSD) in all den Jahren auf der Documenta von den Cognoscenti zur Steigerung ihres ästhetischen und sozialen Vergnügens auch immer konsumiert wurde, zu einem öffentlichen Festritual wuchs sich das nie aus. Trotz aller Liberalisierung, der Rauschmittelkonsum bleibt prekär, ein privates Vergnügen respektive Laster. Das Hochgefühl, das in unseren Gegenden der Kulturkonsum schenkt, darf sich nur in stark verdünnten Dosierungen auswirken, homöopathisch gewissermaßen, um sozial kompatibel zu bleiben. Das „Orgien-MysterienTheater“, mittels dessen der österreichische Aktionskünstler Hermann Nitsch einst direkt an die archaischen Rituale anknüpfen wollte, um dank Blut, Fleisch und Ekel das Dionysische zu erzeugen, all diese Übungen der 70er-Jahre haben immer nur punktuell und kurzzeitig Eingang in die Feierlichkeiten der Hochkultur gefunden, ja, inzwischen schwindet auch in der Therapieszene selber, die ihrerseits die archaische Erbschaft anzapfen wollte und einst den Urschrei kultivierte, das Interesse an der Ekstase. Allüberall tritt das Hochgefühl nur noch gedämpft in Erscheinung. Welcher gläubige Christ malt sich genauer aus, dass sein zentrales Ritual, das Abendmahl, einen kannibalischen Akt imaginiert, in der katholischen Version sogar buchstäblich, dies ist mein Fleisch, dies ist mein Blut? Aber wie kam das? Die großformatigen Beschreibungen der Soziologen erklären es daraus,

Essay Michael Rutschky

dass die moderne Welt die soziale Kohäsion, den Zusammenhalt anders zustande bringt als die alte. Durch alltägliche Arbeit und ihre Organisation – da braucht es keine ekstatischen Feste, bei denen Blut fließt, damit das Ich sich gegen die anderen katastrophal öffnet. Das Dionysische verlor seine gesellschaftsbildende Kraft. Um die Bürger auf die Rechtsordnung zu verpflichten, braucht es keine öffentlichen Hinrichtungen mehr, bei denen der Henker den Delinquenten erst ausweidet und dann köpft, was das Publikum in Ekstase versetzt – so schrieb es für bestimmte Delikte unter Elisabeth I. von England, zur Zeit Shakespeares, die Regel vor. Aber das heißt ja nicht, dass der Kulturkonsum als festliches Ereignis der Häufigkeit und der Bedeutung nach schwindet. Im Gegenteil, seit den trüben 50er-Jahren, als ein flaschengrünes Sakko und die Kasseler Hausmusiktage die wünschenswerte Exorbitanz erzeugen mussten, haben sich die festlichen Kulturereignisse unermesslich vermehrt und erweitert. Dies meint man als Tendenz zu erkennen: dass die Kultur ununterbrochen expandiert. Überall Hochgefühl, das Dionysische herrscht – wenn auch in homöopathischer Dosierung. Mehr wäre vermutlich ungesund. Vor allem expandiert die Kultur nach unten. Als der Musiklehrer Edeling Mitglieder seines Chors als Austauschschüler nach Großbritannien schicken musste, wo sie bei einem Schulkonzert das Hallelujah aus Hän-

dels Messias mitsingen sollten, was er einzuüben hatte, da rümpfte der Musiklehrer Edeling die Nase, Händel sei ordinär, fast schon Schlagermusik. Dass man im Vereinigten Königreich den Unterschied zwischen U und E missachtet, dass bei dem Konzert in der Bedlington Grammar School tatsächlich zwischen der Klassik Schlager erklangen, durfte man ihm hinterher kaum genauer erzählen. Großbritannien war in dieser Hinsicht auf der Seite des Fortschritts. Bald kamen die Beatles nach vorn; und die Rolling Stones. Und die großen Popkonzerte lehrten die konservativen Eltern und Lehrpersonen das Fürchten, denn das Dionysische schien sich dort in voller Kraft auszugeben. Über den Britpop gelangte der amerikanische Rock’n’Roll in den Kanon der Kultur – jedenfalls der sich ausdifferenzierenden Jugendkultur. Was in Woodstock los war, das zu wissen fordert unterdessen die Allgemeinbildung. Mit Janis Joplin und Jimi Hendrix entstanden die ersten Heiligen dieser Jugendkultur – nicht zu vergessen der engelhafte Brian Jones von den Rolling Stones. Rauschmittel und Alkohol, von altersher die gängigsten Ekstasemittel, besorgten ihre Verwandlung. Dass es sich um feste Reihenbildung handelt und nicht bloß um Unfälle, lehrte zuletzt der Fall Amy Winehouse. Okay, in der Jugendkultur überlebt das Dionysische fast unvermindert, ungedämpft. Zur Kindheit und Jugend eines zukünftigen Chefs, einer Chefin gehören gewisse Exaltationen. Aber wenn dann die Wirklichkeit auf der Agenda steht, müssen die Adepten dem Dionysischen entsagen. Immerhin, zu den Erinnerungen werden ein Leben lang gewisse Musiken mit nostalgischer Ausstrahlung zählen, fixe Elemente des seelischen Interieurs, wie früher beim Bildungsbürger das hohe Bildungsgut, Goethegedichte, Schubertlieder, Dürerbilder. Ebenso steht es um das Kino. Man kann seine Lebensgeschichte anhand

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der Filme erzählen, die sich an zentralen Stellen unvergesslich eingeschrieben haben. Längst ging es nicht mehr um Solitäre – wie Zwölf Uhr mittags, der Edelwestern, den sogar die Lehrpersonen der 50er den Gymnasiasten empfahlen (mein persönlicher Kultfilm war damals 20 000 Meilen unter dem Meer, mit James Mason als Kapitän Nemo, was ich keiner Lehrperson hätte erzählen können) –,­­ längst orientiert sich der Kulturbürger an der Filmgeschichte. Er verfolgt die Produktion als ganze und hört aufmerksam den Kennern zu, wenn sie einlässlich die Unterschiede und die Verwandtschaften zwischen den Mafiafilmen von Francis Ford Coppola und Martin Scorsese erörtern …­ Die Filmkritik ist ein anerkanntes Feuilleton-Genre. Die großen Festivals in Cannes, Venedig, Berlin und so weiter haben längst aufgehört, als lächerliche Gesellschaftsereignisse zu gelten, die den Illustrierten Klatsch und halbnackte Mädchen verschaffen. Ja, die Programmkinos werden immer weniger – und hier findet man sich leicht in für unser Thema interessante Diskussionen verwickelt. Ja, die Programmkinos, wie in Berlin gut zu beobachten, verschwinden, gibt der Kinogeher zu, aber mittels der DVDTechnologie und der schönen großen Fernsehschirme kann sich jeder daheim sein eigenes Programmkino aufmachen. Die unaufhaltsamen Fortschritte der Individualisierung. Aber ein solcher Heimabend, empört sich der Kulturbürger, ist doch ganz was anderes als ein Besuch im Kino! Der dunkle Zuschauerraum, das anonyme Publikum, das erwartungsvolle Schweigen des Kollektivs. Das überlebensgroße Filmbild auf der Leinwand. Nur so entsteht das Hochgefühl, über das Sie die ganze Zeit reden. Ja, aber wenn Ihnen an diesem Kinohochgefühl liegt, könnte der Kinogeher replizieren, dann werden Sie doch von großen Cineplexen, die gleichursprünglich mit dem DVD-Heimabend entstanden sind, viel besser

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bedient als von den muffigen kleinen Programmkinos! Unablässig expandiert die Kultur und erhebt Güter, die eben noch als Schmutz und Schund oder wenigstens als illegitim galten, zu solchen des Kulturkonsums, den das Hochgefühl einer gewissen Festlichkeit begleitet. Aber wo bleibt das wirklich rauschhaft Dionysische (auch wenn es die Gesellschaft nicht länger für ihren Zusammenhalt benötigt)? Beim Fußball? Leider verstehe ich ganz und gar nichts davon („er ist nicht einmal dagegen“), aber ich muss bemerken, dass auch unter den Kulturbürgern sich immer mehr Leute dafür interessieren („Tonio Kröger schwärmt für Bayern München“), ja als Connaisseure etwas von Fußball verstehen. Sogar Frauen – sie lassen sich von dem exquisit machistischen Gehabe der Fans nicht länger abschrecken. Dass es hier zum Rausch kommt, erkennt auch der Außenstehende auf Anhieb. Das Getöse der Stadien, womöglich vom Bier stimuliert; bei jedem Torschuss die orgiastischen Schreiseufzer, die sommers aus den geöffneten Fenstern durch die Straßen schallen; das Public Viewing, das seit einigen Jahren die Spiele außerhalb der Stadien zu einem öffentlichen Fest macht. Die Bierfluten strömen weit spärlicher als früher, erklärt mir ein Gewährsmann; die Jungs, die unbedingt blau sein wollen, müssen das vor dem Spiel mit Schnaps hinkriegen. Bier überzeugt den Kulturbürger doch ohnehin nicht als Manifestation des Dionysischen – der Verzicht deutet auf Kultivierung der Sitten. Trotzdem, es wird noch lange dauern, bis das Fußballspiel als festliche Manifestation der Kultur Anerkennung findet. Wenn überhaupt. Weil zu viel unverdünntes, pures Hochgefühl sich darin auswirkt?

Michael Rutschky, geboren 1943, lebt als freier Autor in Berlin. 2012 erschien bei Suhrkamp Das Merkbuch. Eine Vatergeschichte.

Mehr über die Bildkünstlerin auf S. 20




Text Gabriela Herpell Fotografie Robert Fischer

Ein Tanz im Wasser

Der Dirigent Paolo Carignani, ­ zu­Gast an der Bayerischen ­Staatsoper ­f ür die Festspielpremiere von ­ Il trovatore, kann Premiere Il trovatore

sich an zwei Orten ganz und ­gar­ versenken. Im Orchester­graben. Und im Schwimm­becken. ­ Ein Besuch. English Excerpt Page 224


Den Sport sieht man ihm gleich an. Zum Beispiel beim ersten Auftritt, in der Kantine: Der Dirigent erscheint in Jeans, schwarzer Trainingsjacke, Turnschuhen. Denkbar untheatralisch, aber voller Energie, vibrierend. Paolo Carignani trinkt einen schnellen Espresso, der ihm, versichert er, so gut schmeckt wie in Italien. Dann läuft er wie mit Siebenmeilenstiefeln durch die Gänge zur Garderobe des Abenddirigenten, schnappt sich seine Partitur, begrüßt die Kollegen mit „Guten Abend – ach, sorry“, lacht. Es ist elf Uhr vormittags, die Bühnenprobe beginnt. Otello. In der Probenpause wirkt Carignani genauso gut gelaunt und frisch wie am Morgen. Kein bisschen angestrengt. Körpersprache, sagt er, ist das Wichtigste für einen Dirigenten. Dafür muss man in Form sein. Er schwimmt, leidenschaftlich. Aber dazu später, am liebsten vor Ort, am liebsten live. Denn das ist einer seiner Grundsätze: Ein guter Dirigent zeigt den Leuten, was er von ihnen will. Nicht reden, zeigen. „Wenn man zu viel redet, langweilt sich das Orchester“, sagt er. „Die Musiker brauchen keinen Oberlehrer, sondern jemanden, dem sie vertrauen. Und der ihnen vertraut.“ Er erzählt von einem Freund, einem wunderbaren Musiker, wie er sagt, der mit einem Orchester fünfzehn Minuten lang über ein Piano bei Mozart gesprochen und dann gesagt hat, jetzt von vorn. Es kam nichts dabei heraus. „Die Körpersprache ist wichtig, damit die richtigen Klangfarben und Tempi kommen“, sagt er. „Wenn ein Dirigent eine Partitur lernt, muss er nicht nur wissen, wer was spielt und wer was singt. Sondern auch: Wie kann ich den Einsatz so geben, dass ich den besten Klang bekomme? Das ist ein Gefühl.“ ­ Das Gefühl, hat man das? Und wird deshalb Dirigent? Carignani schüttelt den Kopf. Er gehört zu denen, die wissen: Alles Talent der Welt nützt nichts, wenn man nicht bereit ist, verdammt hart zu arbeiten. Vor allem in jungen Jahren, als Teenager, wenn es einem besonders schwerfällt. Weil die anderen in die Mailänder Bars gingen und abenteuerliche Dinge taten, während er an der Orgel saß. Fleißig. Mustergültig. Paolo Carignani, geboren 1961 in Mailand, stammt nicht aus einer musikalischen Familie. Sein Vater arbeitete als Techniker bei AEGTelefunken, die Mutter war Hausfrau. Als Kind entdeckte er im Kaufhaus eine kleine elektronische Orgel. Er verbrachte Stunden im Geschäft und spielte. Seine Mutter dachte, vielleicht ist der Junge ja musikalisch, und wollte ihn an der Musikschule Mailand anmelden. Aber dort wurde man nur akzeptiert, wenn man bereits ein Instrument spielte und Unterricht hatte. Cari­ gnanis Mutter überzeugte einen Nachbarn, der Klavier spielte,

ihrem Sohn Unterricht zu geben. Mit dreizehn bestand er die Prüfung und wurde am Konservatorium „Giuseppe Verdi“ aufgenommen. Er wollte Organist werden. Als er die Kirchenorgel mit ihren Pfeifen sah, war er enttäuscht. Er hatte eine HammondOrgel erwartet, wie die im Kaufhaus. Doch die Orgel fing ihn ein. „Ich spürte ihren Atem. Wie bei einem Sänger. Vielleicht tauchte da der Wunsch auf, Dirigent zu werden.“ Er fing an, in der Kirche zu spielen. Dazu sang ein Chor, dazu kam einer mit einer Flöte, einer mit einem Cello, mit einer Oboe, immer mehr Leute mit ihren Instrumenten. Er konnte nicht mehr gleichzeitig Orgel spielen und dirigieren, also fragte er einen Kollegen, ob er für ihn Orgel spielen könnte. Der Wunsch, Dirigent zu werden, wurde stärker. Carignani studierte Klavier, Orgel, Komposition und schloss das Studium der Orchesterleitung bei Alceo Galliera an. Danach ging er als Assistent nach Triest, Genua, Rom, gewann den Internationalen Dirigentenwettbewerb in San Remo, dirigierte an den Opernhäusern in New York, Tokio, Barcelona, Paris, Berlin, Neapel, bis er 1999 Generalmusikdirektor der Oper in Frankfurt wurde. Zehn Jahre blieb er in Frankfurt. Zehn Jahre, die für ihn eine Art Trainingslager waren, wie er sagt. Weil man so viel mehr über sich selbst und über das Wesen eines Orchesters lernt, wenn man es wirklich kennt und täglich damit zu tun hat. Und weil man überhaupt so viel mehr macht in einer leitenden Funktion, auch den Kram, den man als Künstler eigentlich nicht gern macht. Planung. Verwaltung. Personal. Lokalpolitik. „Für den Dirigenten“, sagt Carignani, „ist das Orchester das Instrument. Das ist auch psychologische Arbeit, das habe ich in Frankfurt gelernt. Orchestermusiker zu sein, ist nicht so einfach. Vielleicht sitzt man sein ganzes Leben neben einem Kollegen, der nicht der beste Freund ist. Leute reden nicht miteinander, seit zwanzig Jahren. Und wenn dann auch noch ich schlechte Laune hatte, war der Klang des Orchesters nicht schön. Ich habe gefragt, warum klingt es so? Die Musiker haben gesagt: Du kommst mit so einem Gesicht! Also habe ich gelernt: Wenn man vor einem Orchester steht, muss man alles andere vergessen und nur an die Musik denken.“ Kann man das trainieren? Ist das eine Frage des Willens? „Man muss das einfach lernen in dem Beruf. Der Bajazzo muss auch lustig sein, weil er Clown ist von Beruf. Selbst wenn er zutiefst verletzt ist und ihm alles andere als lustig zumute ist.“ Wie wichtig ist das Naturell eines Dirigenten? „Man hat mit Menschen zu tun. Eine positive innere Stimmung ist wichtig. Man sollte die Menschen mögen. Dann kann der Klang ganz anders sein.“

„Es gibt nichts Schöneres als den Klang eines Chores. Wenn hundert Leute atmen und singen, das ist der schönste Klang der Welt. ­ Der Moment zwischen dem Atem und dem Ton." 32


Carignani ist einundfünfzig. Wird ein Dirigent besser mit dem Alter? Reifer, milder? „Für mich ist jetzt tatsächlich das beste Alter. Ich habe immer gedacht, fünfzig, o Gott, wie alt! Aber ich habe mehr Empathie, bin gelassener. Als ich jung war, bin ich oft böse geworden. Damit hilft man niemandem.“ Jemand winkt aufgeregt, kommt auf Carignani zu, sagt, „du bist gerade ausgerufen worden. Otello, oder?“ Er springt vom Hocker und davon. In Frankfurt dirigierte Carignani Orchesterwerke von Wagner und Beethoven. Symphonien von Schumann und Brahms. Die Frankfurter, sowohl die Musiker des Orchesters als auch die Zuhörer, waren hingerissen. „Seine Fähigkeit, große Werke in einem dynamisch hochdifferenzierten und akzentuierten, gleichwohl luftig-transparenten, gänzlich unpathetischen Klangbild zu präsentieren, hat ihm viel Jubel eines zunehmend begeisterten Publikums eingebracht“, schrieb ein Frankfurter Kritiker. Eine tolle Erfahrung, sagt Carignani nach der Probe. Denn normalerweise wird man als Italiener für italienische Opern gebucht. Otello eben, Verdi. Er grinst. Als Nächstes dirigiert er in München Il trovatore. Auch Giuseppe Verdi. „Damit wir uns nicht falsch verstehen“, ergänzt er in seinem sehr guten Deutsch, das er aus Frankfurt mitgebracht hat. „Ich liebe Verdi. Ich bin in Mailand geboren, wir singen in der Grundschule Va, pensiero, ich bin auf das Giuseppe-Verdi-Konservatorium gegangen, Italien ist Verdi. Verdi ist in unserer DNA. Die Bauern haben Verdi gesungen, wenn sie auf dem Feld gearbeitet haben.“ Aber Beethoven hat ihm großen Spaß gemacht, zum Abschied in Frankfurt dirigierte er die Neunte Symphonie. Oder Wagner. Wagner, so sagt er, hat die schönen Melodien, die Leitmotive, fürs Orchester geschrieben. „Die armen Sänger müssen dazu schreien.“ Während Verdi die schönen Melodien für die Sänger geschrieben hat, für die großen Chöre, das Orchester begleitet. Il trovatore, findet Carignani, ist allerdings auch eine Herausforderung. Eine schwierige Oper. Ein großer Krimi, verworren, schwer nachvollziehbar. „Es ist immer düster, dunkel, blutig, unheimlich. Und es geschieht eigentlich nichts. Man erfährt nur über die Erzählungen der Menschen auf der Bühne, worum es geht und was überhaupt passiert. Dafür braucht man die vier besten Sänger der Welt.“ In München werden das sein: Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Alexey Markov, Elena Manistina. Inszenieren wird der Franzose Olivier Py. „Ich finde es gut“, sagt Carignani, „wenn der Dirigent auch in der Regieprobe ist und nicht erst in der Orchesterprobe.“ Vermisst man es eigentlich manchmal beim Dirigieren, selbst Musik zu machen?

„Wenn ich helfen kann, dass die Leute Freude daran haben, zusammen zu musizieren, ist das sehr erfüllend.“ Geht es um Resonanz? „Der Dirigent ist die Verbindung zwischen Orchester und Publikum. Er beschützt die Musiker und muss ganz und gar offen sein, denn die Sänger singen oft anders, als er selbst gedacht hat. Und manchmal ist das viel besser als das, was er sich vorgestellt hat. Als Operndirigent muss man den Sängern freien Raum lassen, damit sie Gefühle zeigen können. Aber man muss auch wissen, wo die Grenze ist.“ Paolo Carignani hat jeden im Blick, wenn er dirigiert. Jeden Musiker, jeden Sänger. Das ist das Besondere am Operndirigenten: Er scheint zwar hinter dem Glanz und Glamour der Sänger zu verschwinden, gibt aber doch jede Nuance vor, auch bei hundert Interpreten auf der Bühne und einem großen Orchester gleichzeitig. Wie schafft man das – sich so zu konzentrieren? Gibt es Momente, in denen der Dirigent sich quält? „Wir sind Handwerker. Wir haben eine Partitur, müssen nichts ganz neu machen. Jeder Dirigent hat seine Interpretation eines Stücks, sicher, aber er macht das, was er in der Partitur zu lesen glaubt. Ich frage mich nicht vorher und kann auch nicht vorher sagen, wie ich ein Stück interpretiere. Das sagen hinterher die Kritiker.“ Was ist das Schönste für einen Dirigenten? „Es gibt nichts Schöneres als den Klang eines Chores. Wenn hundert Leute atmen und singen, das ist der schönste Klang der Welt. Der Moment zwischen dem Atem und dem Ton. Egal, ob das Laien sind oder Profis. Es ist auch egal, was gesungen wird. Der Gefangenenchor von Verdi ist groß, natürlich, aber ein kleiner Chor wie in Fidelio kann auch tief bewegen.“ Carignani guckt auf die Uhr. Zeit, schwimmen zu gehen. Denn das war ernst gemeint: Das Schwimmen ist seine zweite große Leidenschaft. Er sucht die Theater, an denen er gastiert, nach den Hallenbädern aus. In München ist er gern, wegen der Olympiaschwimmhalle. Um drei Uhr ist es noch schön leer dort und man kann in Ruhe seine Bahnen ziehen. Bevor er sich ins Wasser gleiten lässt, klippt er ein kleines, schwarzes Ding an die Schwimmbrille. Einen Tempo-Trainer, sagen die Schwimmer. Ein Metronom, sagt der Musiker. Viele Schwimmer mögen das nicht, es irritiert sie, sagt Carignani, aber er ist ja dran gewöhnt, dass der Takt sein Leben bestimmt. Er krault davon. Gleichmäßige Züge, der Körper rotiert, die Arme tauchen sanft ins Wasser ein, ohne Platschen, ohne Wellen. Vierhundert Meter. Dann stellt er das Metronom schneller, wieder vierhundert Meter. Schon anstrengender. Das Schwimmen hat sein Leben ­­

„Italien ist Verdi. Verdi ist in unserer DNA. Die Bauern haben ­ Verdi gesungen, wenn sie auf dem Feld gearbeitet haben.“

Paolo Carignani

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verändert, sagt Paolo Carignani und ist dabei ein kleines bisschen außer Atem. „Total immersion“ heißt die Technik, die ihn süchtig gemacht hat. Sich versenken, ganz und gar. Alles fing mit einem Video an, das er sah, und bald schon kontaktierte Carignani den Schwimmcoach Terry Laughlin in New York. Es folgten intensive Gespräche über das Wasser, über das Schwimmen. „Ich habe das Porträt eines fünfundsiebzigjährigen Mannes gesehen, der im Alter erst angefangen hat und jetzt Long Distance schwimmt. Triathleten schwimmen mit dieser Technik, um die Kräfte fürs Fahrradfahren zu schonen.“ Man macht sich lang im Wasser und möchte mit so wenigen Zügen wie möglich die andere Seite erreichen. Es geht nicht um Tempo, nicht um Weltrekorde, sondern um Gleichmäßigkeit, Ausdauer, Eleganz. „Das ist wie Yoga“, sagt Carignani. „Koordination. Meditation. Ein Tanz im Wasser.“ Ideal für den Dirigenten, der körperlich fit sein muss. Er sagt, dass alles, was mit Bewegung zu tun hat, irgendwie auch mit Musik zu tun hat. Und dass er seinen Körper besser benutzen kann, seit er denkt, dass er im Orchestergraben schwimmt.

Mehr über die Autorin und den Fotografen auf S. 20

Der in Mailand geborene Dirigent Paolo Carignani studierte am Konservatorium seiner Heimatstadt Komposition und Orchesterdirektion. Nachdem er den Internationalen Wettbewerb Gino Marinuzzi in San Remo gewonnen und an der International Conductor Masterclass in Hilversum teilgenommen hatte, wurde er von zahlreichen Festspielen und Theatern Italiens und des Auslands eingeladen. Er dirigierte unter anderem an den Opernhäusern in New York, ­Tokio, Barcelona, Paris, Berlin, Köln, Rom, ­Bologna, ­Neapel und Genua sowie beim Rossini Festival in ­Pesaro, dem Festival dei Due Mondi in Spoleto, dem Festival Sferisterio in Macerata und im Concert­ gebouw Amsterdam. Von 1999 bis 2008 war er General­musikdirektor an der Oper Frankfurt. An der Bayerischen Staatsoper dirigierte er in dieser Spielzeit La bohème, Aida und Die Fledermaus. Bei den Münchner Opernfestspielen ist er bei drei VerdiOpern am Pult des Bayerischen Staatsorchesters­ zu erleben: Falstaff, Otello und bei der Festspiel­ premiere Il trovatore.

Il trovatore Oper in vier Akten (acht Bildern) Von Giuseppe Verdi Festspielpremiere am Donnerstag, 27. Juni 2013, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Vorstellung auf www.staatsoper.de/tv am Freitag, 5. Juli 2013

Weitere Termine im Spielplan ab S. 209

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Staatsintendant Nikolaus Bachler „Der Unterschied zwischen dem Wagner’schen Gesamtkunstwerk und Pop ist, dass Brünnhilde jeden Abend wie der Artist in d ­ er Zirkuskuppel unter Lebensgefahr steht.“

Oper und Pop? Was ist Pop und wo gibt es ­B erührungspunkte mit der Oper? Darüber sprechen und streiten ­lebhaft im MAX JOSEPH-Gespräch: Grafikdesigner Mirko Borsche, ­Pop-Theoretiker Thomas Hecken, Musikjournalist Max Nyffeler, Theologe Jochen Wagner und Staatsintendant Nikolaus Bachler. 38

JOCHEN WAGNER Was kann Pop sein? Sie, Herr Hecken, haben mehrere Bücher über Pop geschrieben. Pop lässt sich wohl nicht definieren, aber vielleicht beschreiben? THOMAS HECKEN Jeder weiß, was das ist, und kennt die Linie von Elvis Presley über die Beatles, Sex Pistols bis hin zu Madonna. Musikwissenschaftler allerdings bestreiten hartnäckig, dass es zwischen all diesen Phänomenen, die wir unter Pop subsumieren, irgendwelche benennbaren Gemeinsamkeiten gebe. Was es komplexer macht: Pop ist über den musikalischen Bereich hinaus diffundiert. Da gibt es Pop-Art, mittlerweile Popliteratur und noch viele andere Komposita. Man muss sich behelfen mit Begriffen wie Oberflächlichkeit, Künstlichkeit, Stilverbund und dem Phänomen, dass Pop immer verschweißt ist: Wenn Musik, dann auch mindestens Imagebildung, Mode, gewisse Lebensstil-Elemente. Gerne wird in der Diskussion viel ineinander gesteckt: Masse, Massenkultur, Volkskulturbegriffe, die in der Romantik ja sehr en vogue waren, und dann Pop. Dazwischen würde ich immer trennen. WAGNER Das heißt, jeder kennt es und gleichzeitig weiß es kaum jemand. Mir scheint es bei Pop um gefühltes Wissen zu gehen, Feeling, Atmosphäre, Stimmungen. MIRKO BORSCHE Ich bin kein Theoretiker oder Wissenschaftler, sondern in dieser Hinsicht reiner Konsument, der in den 80ern durch die Jugendkultur der „Popper“ geprägt wurde. Für mich hat Pop etwas Oberflächliches und Volkstümliches. Pop ist für mich eine geöffnete Kunstform. Pop-Art ist wahrscheinlich die zugänglichste Kunstform und stellt die meisten Siebdrucke und Plakate, die jemals in der Kunst verkauft wurden und fast in jeder WG hängen, oder? WAGNER Das wäre eine gute Überleitung zu Verdi. Bei Theodor W. Adorno heißt es: „Gut ist, was man wiedererkennt.“ Es muss eingängig sein, ein Ohren- oder Augenschmaus und hierarchisch flach daherkommen.


Kann man Verdi unterstellen, Herr Bachler, dass ihm mangels Tiefe das Volk leichter zugelaufen ist als dem schweren Wagner? NIKOLAUS BACHLER Nein, nicht mangels Tiefe. Nochmals zur Frage der Definition: Ist Pop eine Abkürzung für populär oder ist Pop eine Kunstgattung? Wenn es das Zweite ist, verstehe ich, was Sie, Herr Hecken, mit der Verschachtelung sagen. Wenn es das Erste ist, wofür ich es eher halte, dann geht es weit zurück. Dann ist das Wichtigste die gesellschaftspolitische Dimension. Alles Populäre war alles Widerständige bis hin zum Revolutionären. So war es in der Feudalgesellschaft. Mit der großen Wende zur Demokratie wurde das Populäre das Wünschenswerte, weil man jede Wählerstimme braucht. ­Verdi war nahe an dem, was im Volk entstanden ist: Themen und Melodien. Wenn Sie Macbeth hören, klingt das wie eine Banda in einem Dorf, und wenn Sie eine Arie hören, stimmt natürlich der Adorno-Satz. „La donna è mobile“ kann jeder nachsingen. Ich glaube nur, dass uns das nicht dem näher bringt, wo sich Verdi und Pop berühren. MAX NYFFELER Natürlich kann man Pop stilistisch definieren oder auf den historischen Zeitraum seit den 50er- und 60er-Jahren bis heute begrenzen. Ich finde aber, man sollte ihn soziologisch verstehen, als kulturelles Phänomen der modernen Massen- und Mediengesellschaft. Mit Pop entstand zum ersten Mal eine Kultur von unten, die ihre unglaubliche Breitenwirkung nur dank der Massenmedien erzielte. Übrigens wird Pop noch immer gelegentlich verbunden mit der Hoffnung auf revolutionäre Veränderungen durch Musik. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass alles, was durch die Massenmedien geht, zum Kommerz wird. Die „Musik­ revolution“ kann man vergessen. WAGNER Mir ist das sympathisch und gleichzeitig würde ich Ihnen extrem widersprechen. Mich selber hat das, was wir beschrieben haben als Phänomen, als „Feeling von Wood-

Oper und Pop?

Pfarrer Dr. Jochen Wagner „Pop ist eine Art ‚schwache Metaphysik‘, die Glück und Unglück ­ ohne ­Trans­zendenz verhandelt.“

stock“, da war ich 13, fast als Musique engagée geprägt. Das war nie nur Trost, das war immer eine Form von Einspruch. Ich war nie politisch aktiv, aber eine Grundhaltung, nicht konform zu sein, habe ich mir bewahrt. Was den Kommerz betrifft, ist das ein hochgradig theologisch besetzter Begriff von commercium admirabile, was wörtlich wundersame Verwandlung oder Vermählung heißt. In der Christologie ist damit die Menschwerdung Gottes gemeint. Was verwandelt der Pop? Pop wird zur Ware, wird stumpf, wird vielleicht billiger Trost. Aber ist nicht im Pop etwas Überschießendes enthalten, das nicht im blöden Kom-

merz aufgeht, sondern Stachel gegen die Ware bleibt? NYFFELER Den Begriff der Ware würde ich trotzdem nicht dämonisieren. In unserer Marktwirtschaft ist alles Ware, wenn man so will. Es kommt darauf an, wie intelligent man mit dem Warencharakter umgeht. Auch die größten Werke sind nicht frei davon. Beethoven hat seine Partituren auch an den bestzahlenden Kunden verkauft. HECKEN Aber nicht alles ist kommerziell. Hier in der Staatsoper sind wir an einem Ort, der explizit nicht kommerziell ist. Öffentlich-rechtliche und staatliche Institutionen sind per

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Grafikdesigner Mirko Borsche „Wenn es Pop nicht schon gäbe, hätte er es heute wahnsinnig schwer. Heute ­funktioniert Musik entweder auf einer Marketingebene. Gleichzeitig wenden sich viele Leute vom Konsum ab. Die meisten jungen Leute legen Wert auf die Verbreitung, aber es geht nicht mehr um Geld.“

definitionem nicht kommerziell. Für Pop gilt das Umgekehrte. Er ist von Anfang an mit dem Kapitalismus verschwistert und konnte sich nicht darauf berufen, staatlich oder kirchlich gefördert zu werden. Er ist aus dem Konflikt mit diesen Autoritäten in den 50er-Jahren als Jugendkultur entstanden. Darin unterscheidet sich Pop von älteren Volks- und Massebegriffen. Vor den 50er- und 60er-Jahren gibt es die Abkürzung „Pop“ nicht, bis auf ein paar Werbeeffekte, die gerne etwas knallen lassen wollen im Amerikanischen. Das ist genau der Einschnitt. BACHLER Für mich liegt die Unterscheidung nicht zwischen k ­ ommer­-

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z­iell und nicht -kommerziell. Erstens: Mozart erfüllt alle Konditionen dessen, was wir Ihrer Definition nach Pop nennen. Das war kommerziell, das war anbiedernd und auch wandelbar in dem, was es an Modeerscheinungen gab. Zweitens: Heute nimmt der Fußball eine große Rolle in Anspruch. Das ist nicht unterstützt und nicht kommerziell. Wir wissen, dass wir für Fußball an Steuergeldern wesentlich mehr ausgeben müssen als für Theater und die gesamte Kunst, und zwar nur für die Umwege, wie etwa die Sicherheit. Genauso ist es bei Popkonzerten. Mir scheint diese Frage interessanter: Was ist oberflächlich und was ist tief? Ich

denke, bei Verdi gab es vielfach einen widerständigen Anspruch. Nabucco gegen die österreichischen Besatzer, das war das Gleiche wie Woodstock. Der Unterschied ist, dass das in ein Werk verwandelt wurde, das in seiner Humanität und in seinem Anspruch weit über das hinausgeht, was wiedererkennbar ist. HECKEN Historisch gesehen kommt man mit der Unterscheidung in kommerziell und nicht-kommerziell sehr wohl weiter, insbesondere am Ende des 19. Jahrhunderts, wo der Staat und die Kulturpolitiker stärker eingreifen. Natürlich, in der Übergangszeit zwischen Hof und Markt gibt es interessante Phänomene. Was Verdi anbelangt: Ich bin mir nicht sicher, was die Vergleiche von Verdi und Woodstock betrifft. Bei Verdi ist hochinteressant, wie er als der große Mann, der es geschafft hat, sein eigenes Urheberrecht weitgehend durchzusetzen, der erstmals als Komponist Macht über seine Tantiemen erlangte, lavierte zwischen kommerziellen Institutionen, Zensoren und politischen Ansprüchen. Ich glaube, man kann Verdi nicht unterstellen, dass er ein dezidiert politisches Projekt gehabt hätte. Dazu ist es zu sehr eine Gemengelage … BACHLER … wie Woodstock. Das ist die gleiche Gemengelage. Ich finde dort mehr Ähnlichkeiten als Unterschiede. Verdis Hauptanliegen war nicht Revolution. Es ist doch interessant, und das gilt auch für Woodstock, zu sehen, was innerhalb einer bestimmten Zeit der Moment ist, an dem die Dinge zusammenfallen und nutzbar werden. Genau so war es bei Verdi mit dem Besuch des österreichischen Kaiserpaars in der Oper, wo alle sie ausbuhen wollten und dann ist das Gegenteil passiert, weil die Musik so emotional und berührend war. BORSCHE Und Pop hat immer so getan, als habe er einen politischen Hintergrund. Auch die Grundbewegung in den 50er-Jahren konnte nur nach dem Zweiten Weltkrieg entstehen. Nach dem großen Leiden auf der Welt machen wir, die wir durch das


wilde Treiben gekommen sind, endlich etwas, das uns alle eint, über das wir nicht so viel nachdenken müssen. Wenn es Pop nicht schon gäbe, hätte er es heute wahnsinnig schwer. Heute ist die Musik entweder komplett oberflächlich und funktioniert auf einer Marketingebene, wie sie am Anfang nicht funktionieren konnte. Es gibt heute Parameter, nach denen man arbeiten kann, damit man es in die Charts schafft. Gleichzeitig wenden sich viele Leute vom Konsum ab, zumal sie keine Plattform haben, um ihre Musik zu verkaufen. Die meisten jungen Leute legen Wert auf die Verbreitung, aber es geht nicht mehr um Geld. Da gibt es einen Paradigmenwechsel. Wir sind wieder da, wo das Ganze meiner Ansicht nach herkommt. Am Anfang hat man es nicht darauf angelegt, das große Geld zu machen, und ist überall angeeckt – gerade zu Zeiten von Stones, Beatles und Presley. Da hat man die Leute noch schockiert. Ob Ihre Eltern, Herr Wagner, es gut fanden, dass Sie zu Hause Jimi Hendrix hörten? WAGNER Die Radios sind zum Teil geplatzt, weil die Kalotten der Röhrenradios für die elektrischen Gitarren zu schwach waren. BORSCHE Pop ist heute ein Begriff für alles geworden. Es kann alles sein. NYFFELER Der große Impuls für die Popkultur kam von der jungen Nachkriegsgeneration. Mit der Rebellion verbanden sich dann Geschäftsstrategien, und es winkten Milliarden. Das muss ja nicht per se schlecht sein. Aber es ist eine Frage der Inhalte. Und da kommen auch Begriffe wie Tiefe oder Komplexität ins Spiel. BACHLER Es ist doch viel interessanter darüber nachzudenken, warum wir in einer Kultur leben, in der Tiefe positiv und Oberfläche negativ besetzt ist. Vor allem bei dem, womit wir arbeiten. Warum sagt man bei Oper: Das ist tief? NYFFELER In Deutschland existiert ein Misstrauen gegenüber allem, was mit Unterhaltung zu tun hat. Kunst darf nicht unterhalten, sie soll beleh-

Fotografie Fritz Beck

ren. Aber bei Händel fiel beides noch zusammen. WAGNER Und authentisch ist es, wenn’s wehtut. Ich behaupte: Der Pop schafft es, Oberflächlichkeit mit Substanz kurzzuschließen. Man muss das nicht Konsum nennen, aber es ist ein Wunsch nach Resonanz und diesen Impuls versteht jeder. Wir können nicht erklären, wie dieses Gefühl durch alle Poren des Konsums hindurchkommt. Ich behaupte aber, es gibt etwas Nicht-Entstelltes in den Signaturen und Codes des Pop, das das Herz erreicht. NYFFELER Das war auch schon immer eine Eigenschaft der Oper. BACHLER Das ist die beste Begründung für Oper. Wagner könnte man nicht besser beschreiben. Das ist oberflächlich und berechenbar wie die heutige Popkultur. Ich würde gerne noch einen Begriff in die Debatte werfen, der mir sehr wichtig erscheint für beide Felder, wie immer man sie benennt: nämlich „Lesbarkeit“ oder „Verständlichkeit“. Wir haben in der Oper das Problem, dass die Dinge bis zur Zweiten Wiener Schule für jedermann lesbar waren. Ab dann geht ohne Vorbildung nichts mehr. Ich kriege einen Abend mit Alban Berg nicht an mich heran, wenn ich mich überhaupt nicht auskenne. Das heißt: Was ist lesbar und verständlich ohne Vorbildung? NYFFELER Ein gutes Kunstwerk kann man sowohl an der Oberfläche als auch in der Tiefe verstehen. Das hat etwas mit Transzendenz zu tun, und das fehlt der Popkultur. Aber ­Mozart hat das. Darum fühlt sich von Mozart auch angesprochen, wer keine Ahnung von Musik hat oder aus einer anderen Kultur kommt. BACHLER Das hat Amy Winehouse für mich auch. HECKEN Die Idee, Pop sei nur oberflächlich, nicht interpretierbar, hat sich in den letzten Jahrzehnten als Rezeptionsverweigerung herausgestellt. Es gibt seit Jahren eine ganze Wissenschafts- und Feuilleton-Industrie, die nichts anderes macht. Der

Beweis ist erbracht und man muss nicht immer auf Bob Dylan rekurrieren, um zu sagen: Gut, der hat auch ein bisschen was mit Surrealismus und Dylan Thomas zu tun. Verdi wiederum war für den Komponisten Ernst Křenek lange Zeit nur der geschickte Hersteller von Leierkastenmelodien. All die schlimmen Vorurteile, die auf die Beatles in den Anfangsstadien projiziert wurden, wurden also von Verdi genauso durchlitten. Das ist ja der Rezeptions-Wahnsinn. Ich kann Ihre Einschätzung aber nicht teilen, dass Deutschland das Land der Tiefe sei und dass eine Aversion gegen Unterhaltung bestünde. Seit den letzten zwei Jahrzehnten zerstreut sich das doch immer mehr. BACHLER Ich finde das genau richtig beschrieben. Alle Werke durchlaufen genau diese Rezeption. Wir haben die Bandbreite von Oberfläche bis Tiefe, das geht bei Monteverdi schon los. Das Festhalten an dieser deutschen Tiefe ist doch eher ein Klischee. Die Deutschen haben auch genießen gelernt in den letzten Jahrzehnten. Ich glaube, die Unterscheidung zwischen der sogenannten Hochkultur, zu der dieses Opernhaus zählt, und dem, was man Popkultur nennt, liegt im Metier. Sie ist metier-immanent. Das ist, wie wenn ich auf eine Waldorfschule gehe oder auf ein mathematisches Gymnasium. Alles ganzheitlich betrachtet gehört zusammen, aber im einen Falle beschäftige ich mich eben mit einer Oper aus dem 19. Jahrhundert und im anderen Fall gehe ich zu einem Popkonzert. Aber in der Sache ist man viel näher zusammen. Ich kann nur von mir reden: Ich arbeite in der Oper und höre Amy Winehouse. HECKEN Bei der Oper stellt sich noch eine weitere Frage. Man muss auch erst einmal Regisseure finden, die aus einem Pop-Impetus heraus Oper inszenieren. Es gibt auch auf der Komponistenebene interessante Leute, die auf Hollywood rekurrieren, aber doch etwas interessantes Eigenes daraus machen, wie Stephen Sondheim. Mir sind in der Oper keine Versuche

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Musikjournalist Max Nyffeler „In unserer Marktwirtschaft ist alles Ware. Es kommt darauf an, wie intelligent man mit dem Warencharakter umgeht.“

bekannt, eine Popästhetik zumindest in der Inszenierung zu versuchen. Aber vielleicht wissen Sie da auch ein Gegenbeispiel. NYFFELER Hier in München gab es bei den Händel-Inszenierungen der Ära Sir Peter Jonas durchaus PopElemente. BACHLER Auf dieser Ebene ist der Austausch besonders stark. Ich glaube, dass in die Oper mehr vom Pop einfließt als im Schauspiel. Die englischen Regisseure sind ein Beispiel dafür, aber auch viele andere. Ich finde aber auch umgekehrt, dass es heute fast keine Popshow gibt, die nicht mit Opernelementen arbeitet. Da ist

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man sich schon sehr nahe gekommen. Die Unterscheidung bleibt das Metier, man braucht einfach andere Mittel. Man braucht Ruhe für einen Chor, selbst wenn er 80 Mann groß ist, u ­ nd ein ­Orchester. Keine Verstärkung, denn ­­­sie zerstört das Werk. Das sind aber Metier-Unterschiede. Ich bin immer wieder überrascht, wenn ich große Popshows im Fernsehen sehe und mir denke, dass alles von der Oper übernommen ist. Schon Freddie Mercury und andere haben das verwendet. Umgekehrt ist es auch so. Die Bilderwelt von Robert Wilson hat viel mit PopIkonografie zu tun. HECKEN Pop-Livekonzerte haben

sehr viel mit Operneffekten und der großen Showtradition des letzten Jahrhunderts zu tun, keine Frage. Aber natürlich finden 95% der Popkultur im Studio statt. Das sind raffiniert im Studio ausgehandelte Artefakte, und das trennt natürlich von der Oper, die ein dezidiertes Live-Phänomen ist, wo man auf der Bühne Menschen sieht, die mit ihrer eigenen Stimme und ihren großen Klangkörpern singen. Dieser Unterschied ist nicht aufhebbar. BORSCHE Das ist aber auch der Grund, warum viele Leute, die eine Britney-Spears-Platte haben, auch noch zu ihrem Konzert gehen. Eigentlich müssten sie das nicht tun, wenn der große Mythos im Studio stattfinden würde. BACHLER Doch. Die Antwort hat der Dirigent Celibidache gegeben. Er hat sein Leben lang Plattenaufnahmen verboten, weil er mit seiner Frau ins Bett geht und nicht mit ihrem Bild, wie er sagte. WAGNER Das ist die These Walter Benjamins von der Aura des Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Ich glaube, dass es der Oper als Nachfahrin der Religion anheimgegeben ist, so etwas wie Live-Kommunikation oder materiale Kommunikation darzustellen. Dann wäre die unmittelbare Konkurrenz aber nicht Pop, sondern Sport. BACHLER Ich habe viel Oper und Schauspiel gemacht. Ein Phänomen gibt es in allem: Es kann zeitgleich ein Popkonzert, ein Riesenevent sein, trotzdem ist das Theater voll. Wenn ein wichtiges Fußballspiel ist, ist das Theater leer. Deswegen habe ich immer gesagt, das ist unsere wirkliche Konkurrenz. Genau mit dem Argument, dass das auch ein Live-Moment ist, das nicht zu übertragen ist. Jeder, der Fußball im Fernsehen sieht und live, weiß den Unterschied. Ähnlich wie die DVDs einer Aufführung von uns. BORSCHE Wobei Pop aber auch immer versucht hat, visuell zu sein. Das beginnt bei Plattencovern, Postern und T-Shirts in 60er- und 70er-Jahren. In den 80er-Jahren gab es dann mit


dem Aufkommen von MTV den größten Opernmoment beziehungsweise das größte Bindeglied. Wir erinnern uns an Michael Jacksons Thriller und die großen Momente in dieser Musik­ historie. Heute ist ja kein Geld mehr dafür da, aber das waren richtige Opernmomente. Thriller ist vielleicht noch stark im Musical oder der Operette verhaftet. Take on me von a-ha ist klar erzählte Geschichte mit Musik. In kurzer Zeit, nicht in dreieinhalb Stunden, klar. HECKEN Es gibt auch Rockopern. Die Ausstattungsmechanismen wirken beiderseitig. Es gibt offensichtlich keine Opernkomponisten, die versuchen, sich an Komponisten aus der Poptradition zu orientieren, seien es die Beach Boys oder Frank Zappa. Ich weiß es nicht, können Sie Aufträge erteilen, die in diese Richtung gehen? BORSCHE Aber muss man das überhaupt? Ein Beispiel, um nur kurz abzuschwenken und ein Paralleluniversum aufzumachen: Die Wochenzeitung DIE Zeit wurde im Jahr 2005 von Rupert Murdoch totgeschrieben. Es hieß, in fünf Jahren würde es so etwas Altes nicht mehr geben. Der Einzige, der sich zurückgelehnt hat, war der Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, der es jetzt noch trockener, mit noch mehr Qualität gemacht hat. Er ist der Einzige, der auf dem Markt Erfolg hat. Warum sollte das Medium Oper, das so viel länger Erfolg hat als Pop, überhaupt anfangen, mit Pop zu spielen? Es wird ja mit Pop gespielt, wenn man mit zeitgenössischen Autoren wie ­Albert Ostermaier arbeitet, die mit Worten moderner umgehen. Aber muss man das komplett aufrechnen? BACHLER Nein, man muss nur eines berücksichtigen: Das Theater und auch die Oper waren immer ein eklektizistisches Medium. Das heißt, wir leben im Prinzip von diesem Aufnehmen von Dingen und vom Verwandeln derselben. WAGNER Ich wollte noch auf eine Differenz hinaus. Es gibt in der Theologie die Unterscheidung zwischen Verbum und Signum, zwischen Spra-

Oper und Pop?

Pop-Theoretiker Prof. Dr. Thomas Hecken „Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen Pop, egal ob neu oder alt, der Oper und der modernen Kunstphilosophie. Sie haben das Sinnliche stark gemacht im positiven Sinne.“

che und Musik, Reflexion und Sensation. Gibt es eine Message? Natürlich denke ich da an die Frankfurter Schule, dass es etwas Nicht-Identisches geben möge, das den Kommerz sprengt. Der Pop hat eine emanzipatorische Sinnlichkeit. Was transzendiert Konsum? Wo springt man über den Orchestergraben und schaut nicht mehr zu, sondern wird selbsttätig Poet des Augenblicks? Für mich war Jimi Hendrix ein Stimulus, selber Gitarre zu spielen. BACHLER … aber nicht Politiker zu werden. Ist nicht die viel bessere Unterscheidung als Oberfläche und Tiefe, ob es eine Botschaft gibt oder nicht?

WAGNER Ich wollte die ganze Zeit schon mein Lieblingszitat von Nietzsche aus der Genealogie der Moral bringen: „Diese Griechen, sie waren oberflächlich – aus Tiefe!“ Das muss man nicht gegeneinander ausspielen. BACHLER Noch ein schöner Satz: Die Tiefe liegt in der Oberfläche. Das ist genau der Punkt. WAGNER Woher kommt das NichtIdentische? HECKEN Aus dem Pop kommt es sicherlich nicht. Sie zitieren hier in jedem zweiten Satz Adorno, der einer der größten Pop-Hasser war. Er würde die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Es gibt Gemeinsamkei-

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ten zwischen Pop, egal ob neu oder alt, der Oper und der modernen Kunstphilosophie. Sie haben das Sinnliche stark gemacht im positiven Sinne: Da lässt sich etwas nicht didaktisch auf den Begriff bringen. Sinnlich ist aber auch, negativ gelesen: Das erschöpft sich im Moment, das sind Funktionsmusiken, die einen zu diesem reizen und zu jenem bewegen, aber das war’s dann auch. So wenden sich auch asketische Musikliebhaber gegen die Oper. Das sei eine Überwältigungsmusik, angefacht von einem Spektakulum auf der Bühne. Für Adorno war das das Allerschlimmste, warenfetischistisch und regressiv hoch drei. Dann noch dieser Kultus um die Stars und großen Stimmen – da bündelt sich alles Schlechte zusammen. Da gibt es dann im Negativurteil manche Gemeinsamkeit zwischen Pop und Oper, aber das reicht ja nicht, um die beiden zusammenzuführen. Aber es ist natürlich interessant, dass Sie sich von der Opernseite überhaupt damit beschäftigen. Sie könnten ja auch sagen: Wir sind so eine der letzten Stätten, die sich dagegen wehrt. Wir sind zwar auch sinnlich, aber auf eine viel komplexere und elaboriertere Art und Weise. Das scheint Ihnen ja interessanterweise gar nicht nahezuliegen, diesen Trumpf ausspielen zu wollen. BACHLER Weil das kein Trumpf ist. Da kommt es nicht her. Wie Sie geschildert haben, es gibt Parallelitäten, aber die Metiers sind unterschiedlich. Daher kann man sie nicht so einfach zusammenführen. Die Überwältigung ist ein ganz zentraler Punkt. Wagner hat dem bürgerlichen Publikum den Orgasmus und die ­Sexualität in der Oper verschafft, und Verdi hat dem Volk die Wiedererkennbarkeit in einer Kunstsprache ermöglicht. Wagner braucht Bewunderer und Verdi Freunde. Oder: ­Wagner will überwältigen, Verdi will entzünden. NYFFELER Für mich ist Michael Jackson die Fortsetzung des Wagnerschen Gesamtkunstwerks auf massenmedialer Basis. Livekonzerte überwältigen durch die Technik. Die Sponta-

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neität auf der Bühne ist bis zur kleinsten Bewegung einstudiert und technisch abgestützt. BACHLER Der entscheidende Unterschied zwischen dem Wagner’schen Gesamtkunstwerk und Pop ist, dass Brünnhilde jeden Abend wie der Artist in der Zirkuskuppel unter Lebensgefahr steht. Da ist kein doppelter Boden, sie kann jederzeit abstürzen. NYFFELER Das ist dann wirklich live. BACHLER Das ist aber auch eine andere Form von Thrill. Das ist einer der wesentlichen emotionalen Punkte. Darum liebt das Publikum so, wenn etwas schiefgeht. Sie machen dem Pub­likum keine größere Freude, als wenn jemand abstürzt. BORSCHE Nur ist ein Popkonzert am Ende, so komisch sich das anhört, viel professioneller. Da ist nichts dem Zufall überlassen. Da gibt es dieses Livemoment nicht mehr. Da wird die Stimme verstärkt … NYFFELER … oder kommt nur als Playback. WAGNER Das ist mir alles zu gemütlich. Wir leben ja, auch wenn wir hier in der Staatsoper sind, nicht in einer abgeschotteten Welt. Es gibt den Kapitalismus. Ich habe gelernt und so habe ich auch immer Fußball gespielt: Ich will die Welt verändern. So habe ich auch studiert. Ich bin nicht einverstanden, dass die Warenform universal wird und ich bin auch nicht einverstanden, dass wir nur noch von Event zu Event hecheln. Gibt es ein bisschen mehr als Unterhaltung? Gibt es ein Minimalprogramm des Humanen? Einen kleinen transitorischen Impuls, dass die Schweinereien minimiert werden? BACHLER Es gibt den berühmten Satz: „Das Theater kann die Welt nicht verändern, aber es kann die Menschen für zwei Stunden besser machen.“

Nikolaus Bachler ist Intendant der Bayerischen Staatsoper. Mirko Borsche ist Grafikdesigner und Gründer des Bureau Mirko Borsche. Er gestaltet u.a. DIE ZEIT und den Auftritt der Bayerischen Staatsoper. Prof. Dr. Thomas Hecken ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Siegen, Germanistik. Er ist Herausgeber der POP-Zeitschrift. Max Nyffeler ist Musikjournalist, u.a. für die neue musikzeitung. Pfarrer Dr. Jochen Wagner ist Theologe, Philosoph und Studienleiter der Evangelischen Akademie Tutzing.



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Stickerei Yvonne Gebauer

Der lyrische Poet


Regisseur, Schauspieler, Autor, Entertainer, ­neuer Leiter des Festival d’Avignon – dies sind ­­ nur einige­Facetten von Olivier Py. Der fran­zösische Künstler wird an der ­Bayerischen Staatsoper Giuseppe Verdis Il trovatore neu inszenieren. Timothée Picard stellt ihn vor.

Premiere Il trovatore

English Excerpt Page 225


Gibt es ein Wort, mit dem sich die quirlige Vielfalt beschreiben lässt, die seit mittlerweile knapp fünfundzwanzig Jahren die künstlerische Herangehensweise von O ­ livier Py auszeichnet? Mit dem man aber auch der au­gen­f älligen Kohärenz gerecht wird, die seinen Arbeiten innewohnt? Es ist ja die Herangehensweise eines Schauspielers, Entertainers und Regisseurs, eines Dramatikers, Autors und Gestalters, eines – allgemeiner gesprochen – engagierten Künstlers und einflussreichen Intellektuellen in der französischen Kulturlandschaft. Eine Bezeichnung, die sich sogleich aufdrängt, die er selbst übrigens auch für sich reklamiert, ist die des „Poeten“. Eines Schöpfers im eigentlichen Wortsinn, der durch die Kraft einer beseelten Sprache Rechenschaft ablegt von einer bestimmten Beziehung zur Welt; der mittels spektakulärer Illusion ein künstliches und doch wahrhaftiges Universum gestaltet, das uns wie die schillernde Synthese aller denkbaren Welten vorkommt. Im Widerspruch zu jener Aufsplitterung des Sinns in einer zunehmend gottverlassenen Zivilisation bemüht er sich beharrlich, all die Scherben verlorener Einheit und Vollständigkeit, als deren Schmiede und Schwert ihm das Theater gilt, erneut zu verschweißen. Den Exzess als heilsames Wagnis muss er dabei riskieren.

Selbstinszenierung und Engagiertheit Py ist in erster Linie das, was man eine „Persönlichkeit“ nennen darf. Sogar mehrere Persönlichkeiten auf einmal. Abwechselnd verführerisch und irritierend, brillant und geschwätzig, egozentrisch und verschämt, als ließe er ganz allein alle Theatergenres aufleben: Tragödie und Varieté, Oper und Kleinkunstbühne finden sich hier in einer Person vereint. Wir haben es aber auch und vor allem mit einem Menschen des Worts zu tun. Seine bewundernswerte Sprache, mag sie auf dem Papier auch bisweilen übertrieben modelliert und ausgeschmückt erscheinen, beginnt auf einmal zu leuchten und weist eine gänzlich musikalische Klarheit auf, wenn Rhythmus und Klang hinzukommen. Passgenau unterstreichen sie die Vieldeutigkeit, sobald Pys Text von einem seiner getreuen Schauspieler, erst recht wenn er von ihm selbst vorgetragen wird. Und Py ist nun einmal ein unvergleichlicher Vortragskünstler. Wer je diese faunische und energiestrotzende Gestalt mit ihrer leicht näselnden und doch liebevollen Stimme gehört hat, wie sie in treffenden Worten die präzisen Konzepte ihrer Sichtweise auf ein Werk oder auf die Welt erklärte, verfällt einfach ihrem Zauber. Letztlich lebt Pys poetische Natur von der zutiefst lyrischen Prägung. Daher ist es nur verständlich, dass die Oper für ihn das Ideal des Theaters schlechthin darstellt. Mit jedem Projekt wird es deutlicher: Sein Ich singt noch viel lieber als es spricht. Da liegt es für Narziss doch nahe, sich endlich auch in verschiedene, mehr oder minder baro-

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Eine Bezeichnung, die O ­ livier Py auch selbst für sich ­re­­klamiert, ist die des „Poeten“. Eines Schöpfers im eigent­ lichen Wortsinn, der durch ­­ die Kraft einer be­seelten Sprache Rechenschaft ablegt von einer bestimmten ­Be­ziehung zur Welt. cke Bühnen-Avatare aufzuspalten. Unter diesen sticht am spektakulärsten ganz sicher „Miss Knife“ hervor. Sie ist sein tragisches, weibliches Spiegelbild und der Clown, in dessen glitzernde Abendgarderobe der Künstler selbst regelmäßig schlüpft und sich eine grelle Maske schminkt, um uns als Entertainer auf der Bühne sein berühmtes Klagelied der Unterdrückten entgegenzuschleudern. Dann treibt er sein Spiel mit jeglicher Norm, mit dem Geschlecht – und mit sich selbst. Denn obgleich er sich in dieser Rolle zweifellos ernst nimmt, gehört doch die Selbstironie stets dazu. Also parodiert er seinen Hang zum Extrem oder macht sich über die Eitelkeit seines Ehrgeizes lustig. Wenn sich Olivier Py also dermaßen in Szene setzt (im Verhältnis zu dem, was sein genialer Ausstatter PierreAndré Weitz als unauffälligen Beitrag dazu leistet), so ­geschieht dies nicht aus reiner Lust am Exhibitionismus der Vorstellung. Denn auch da folgt er einer hohen und im besten Wortsinn „romantischen“ Vorstellung vom Auftrag des Poeten: eines engagierten Künstlers nämlich, der Verantwortung trägt gegenüber seinesgleichen, gegenüber dem Publikum und allgemeiner gegenüber dem, was wir „die polis“ nennen. Zu seinen wichtigen Anliegen gehört es, der französischen Linken in Erinnerung zu rufen, auf welchen Idealen sie einst gründete – Ideale, mit denen auch das Theater zu tun hat –, um ihr dann ihre Widersprüche und Entgleisungen aufzuzeigen. Mediterrane Zivilisation und deutschsprachige Kultur Olivier Py ruft gern diese alte Dichotomie aus der Vorstellungswelt der Europäer in Erinnerung, um zu ­beiden Hemisphären seiner spirituellen Geografie einen ­Zugang zu ermöglichen, zu der sonnenbeschienenen wie der nächtlichen. Mediterrane Zivilisation: Das hat mit seiner Herkunft zu tun – zunächst einmal, weil er aus einer Familie von Algerienfranzosen stammt und im Süden Frankreichs aufgewachsen ist. Hinzu kommt seine besondere Beziehung zur griechisch-römischen Kultur und ­da


­­ allem zur griechischen Tragödie, die er auch mit Verve vor auf die Bühne gebracht hat (unter anderem Aischylos’ ­Orestie, Paris 2008), und deren besondere Art, Tabus zu hinterfragen und den Menschen mit dem Heiligen zu konfrontieren, was er immer sehr bewundert hat. Und natürlich schätzt er diesen Sinn für bildhauerische Schönheit, für die Schönheit der Körper, wie sie die klassische Ästhetik feiert – und weiß sich in gleichem Maße ihrer dionysischen Seite verpflichtet, deren überbordende Erotik, deren unbezwingbares Heidentum sich an seinen christlichen Prinzipien reibt. Und die deutschsprachige Kultur: Auch ihr Einfluss auf Py ist unübersehbar. So augenscheinlich wurzeln seine intellektuellen Affinitäten und Empfindsamkeiten in der deutschen Romantik, an deren Poetik und Metaphysik sie offenbar gewachsen sind, vom Grimm'schen Märchen bis zu den musikdramatischen Werken Wagners. Daher ist für den französischsprachigen Zuschauer der Name Olivier­ Py zuerst und vor allem mit seinen unvergesslichen Inszenierungen der Werke von Weber (Der Freischütz, Nancy 1999), Wagner (Tristan und Isolde und Tannhäuser, Genf 2005) oder Berg (Lulu, Genf 2010) verbunden, deren innere Spannung zwischen idealistischem Streben und materialistischer Verneinung er spürbar gemacht hat. Da ist es interessant zu sehen, wie ihn der deutschsprachige Zuschauer nun mit Verdis Il trovatore innerhalb eines „lateinischen“ Repertoires für sich entdeckt: Olivier Py, der in Paris das Théâtre de l’Odéon geleitet hat, das sich treffend als „Theater Europas“ bezeichnet, ist tatsächlich ein Wanderer zwischen den Kulturen.

Ein Katholik und Homosexueller In einem laizistischen Land, das sich bemüht, Öffentlichkeit und Privatsphäre tunlichst zu trennen und sich darin auch bisweilen recht konservativ gibt, verschweigt man dergleichen Fakten eher. Py selbst hingegen reklamiert beide Attribute für sich. Für gewöhnlich setzt man sie in Opposition zueinander. Er hingegen behauptet, sie zu versöhnen. Beide Lebenswelten verfügen über eine bestimmte Betrachtungsweise auf das irdische Dasein und das Dasein als Künstler. Ohne je ganz in die Häresie abzugleiten, eignet sich Py seinen Zugang zum Katholizismus auf individuelle Art an. Angesichts dessen, dass der Katholizismus mit Pys Lebenserfahrung als freiheitsliebender Mensch, dessen Freiheit durch Dogmen beschnitten wird, auf das Heftigste kollidiert, eröffnet sich ihm nur ein Ausweg. Nur indem er sich selbst mitsamt seiner individuellen Erfahrung mit einbringt, kann er seinerseits den Glauben vollständig in sein Leben integrieren. Auf diese Weise verwandelt sich der Katholizismus bei ihm, wie einst bei Paul Claudel, auf ganz selbstverständliche Weise in eine theatrale Poetik. Es scheint, als erfordere jener Universalitätsanspruch nichts weniger als einen Poeten

Olivier Py

der totalen Kunst – und die Theologie des fleischgewordenen Worts eine verstofflichte lyrische Sprache: das Theater, den Gesang. Das Thema des Kampfes zwischen Fleisch und Geist – und die Annahme einer übergeordneten Versöhnung beider in Gott – hat der westlichen Kunst tatsächlich einen der mächtigsten dramatischen Knoten geliefert. Es ist kaum verwunderlich, dass dieser sich auch im Mittelpunkt der meisten Werke findet, denen Olivier Py sich gewidmet oder die er selbst entworfen hat. Nun könnte die Homosexualität, da sie einerseits Glück beschert, gleichzeitig aber zu der Auseinandersetzung mit dem Geheimnis eines Verlangens zwingt, welches vielleicht von Gott, zumindest aber von der Kirche verdammt wird (und dieses umso heftiger, je mehr es sich in Formen entfaltet, die mit Schmerz und Demütigung zu tun haben), ja durchaus besagtem Dilemma eine noch stärkere Intensität verleihen. Doch Olivier Py ist jede schuldbeladene Homosexualität fremd. Als ein Erbe Jean Genets steht er ganz ohne Abstriche zu allen Codes und zu der ganzen phantasmatischen Mythologie der Homosexualität, und mag er damit auch bisweilen nah an der Gotteslästerung vorbeischrammen. Bei ihm existiert ein Bündnis zwischen Erhabenem und Groteskem – ein paradoxales Mittel offenbar, den Dialog mit Gott nie verstummen zu lassen.

Skandalös und klassisch Olivier Pys Karriere wurde von einigen Skandalen begleitet, die in der Hauptsache mit der Art zu tun hatten, wie er auf der Bühne den begehrenden und begehrten Körper darstellt. Ein Teil des Publikums, der darin nur das oberflächliche Avantgarde-Instrumentarium eines auf bloße Provokation zielenden Regietheaters zu erkennen meinte, reagierte genau so, wie man es von ihm zu erwarten schien: Er übernahm die Rolle des empörten „Spießers“. Die Nacktheit, wie sie Py zeigt, aber durch eine solch „realistische“ Brille zu betrachten, ist widersinnig. Indem sie eher artifiziell hergestellt als in obszöner Weise ausgestellt erscheint, dient die Nacktheit bei ihm vor allem einem symbolischen Zweck: uns nämlich mit allegorischen Mitteln ein philosophisches Angebot bezüglich unserer triebhaften Zuwendung zum Leben oder zum Tod zu unterbreiten. Auch stellen seine Inszenierungen mehrere mögliche Diskurse zum Thema „die Liebe und der Westen“ einander gegenüber. Nur verlaufen diese Diskurse dann manchmal so, dass sie plötzlich eine entgegengesetz-

Olivier Pys Karriere ­wurde von Skandalen begleitet, die vor allem damit zu tun hatten, wie er auf der Bühne den begehrenden und begehrten Körper darstellt.


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Diese Mischung von Intelligenz, Feinfühligkeit und Wirkung, die seine Stücke auszeichnet, wird im Übrigen schon lange von den Verantwortlichen für die französische Kulturpolitik anerkannt; sie haben Olivier Py, trotz manchmal leidenschaftlicher Auseinandersetzungen (die ihm eine recht brutale Absetzung als Leiter des Théâtre de l’Odéon durch den Kulturminister einbrachten – eine Würdigung seiner Verdienste, die als ungerechtfertigt wahrgenommen wurde und für einige Aufregung gesorgt hat) kontinuierlich bis an die Spitze vieler wichtiger Institutionen gehievt – nun zuletzt an die Spitze des Festival d’Avignon. Nicht weniger dynamisch und glänzend entwickelt sich seine internationale Karriere. Man möchte darauf wetten, dass er in dieser zunehmenden Beanspruchung von allen Seiten einen stetig wachsenden Ansporn für seine überbordende Fantasie und seine allzeit sprühende Kreativität findet: Die Welt des Olivier Py ist überaus weitläufig, und so werden wir mit ihm auch noch reichlich Neuland erkunden können. Aus dem Französischen von Fränk Heller

Timothée Picard ist Dozent für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Rennes. Seit 2011 ist er Juniormitglied im Institut universitaire de France. Er veröffentlichte Bücher zu Richard Wagner sowie Christoph Willibald Gluck und gab zuletzt das Dictionnaire encyclopédique Wagner (2010) heraus.

Foto Carole Bellaiche

te Richtung einschlagen und ihre Verfechter sich dem erotischen Exzess hingeben – oder eben: denselben denunzieren, indem sie sich ihm verschreiben. So dass die beanstandeten Stellen – weit davon entfernt, beliebig oder nur gefällig zu sein – sich durchaus in einen moralischen oder gesellschaftskritischen Kontext einfügen. Das wird vor allem dann ersichtlich, wenn es Py um das Anprangern menschlicher Gesellschaften geht, die spirituell ausgeblutet und sich selbst entfremdet sind durch einen rein mechanischen Imperativ: den des Genusses um jeden Preis. In einem ähnlichen Zusammenhang wird Olivier Py manchmal vorgeworfen, seine virtuosen Neuinterpretationen vorhandener Werke mit Bedeutung zu überladen, während er mit diesem Mittel doch gerade auf die ungeheure Lawine an Zeichen aufmerksam macht, die unsere übermediatisierte Welt charakterisiert. Tatsächlich gehört Py par excellence zu jenen Verächtern der Dekadenz, die deren welke Schönheit paradoxerweise nicht ungerührt lässt; doch ist er auch einer jener Vertreter der Moderne, die nicht nur Aspekte des Traditionellen durchaus in Ehren halten, sondern die vor allem dann, wenn es nötig wird, auch zu klarsichtigen Kritikern von Größe und Elend eben jener Moderne werden. Umgekehrt schließlich wirft ihm ein letztes Bataillon von Starrköpfen vor, die eigenen Obsessionen seien letztlich der gemeinsame Nenner seines gesamten künstlerischen Angebots, den erotischen Phantasmen und stilistischen Manierismen ordne er alles andere unter. Eine solche Behauptung kann nur aufstellen, wer sich weigert, zwei wesentliche Merkmale seiner Herangehensweise überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Zum einen wird die Tatsache übersehen, dass Py, im Gegensatz zu so vielen anderen, nicht nur sehr texttreu arbeitet (und so bisweilen noch der nebensächlichsten Regieanweisung den skandalösen Glanz zurückzugeben vermag, den sie verloren hatte), sondern auch die Intention des Werks bewahrt. Nimmt er eine Aktualisierung vor oder verortet das Werk neu, so tut er das niemals unbedacht. Vielmehr arbeitet er auf eine Verflechtung jener zeitlichen Ebenen hin, die das Werk tatsächlich ausmachen: die Zeit der Handlung, die Zeit der Arbeit am Stück und die Zeit der Rezeption. Spannend ist auch zu beobachten, wie die lange Zusammenarbeit mit dem Szenografen Weitz, die er vor mehr als zwanzig Jahren eingeleitet hat, durch Wiederholung der Motive von Projekt zu Projekt (Gegenstände, Figuren, Merkmale und Bewegungen der Kulisse) nun immer mehr eine werkumspannende Erzählung hervorbringt, in der die jeweilige Eigenart der Stücke bewahrt bleibt, dieselben aber gleichzeitig auch zueinander in Beziehung gesetzt sind. Was Olivier Py im Zuge seiner unterschiedlichen Arbeiten letztlich entwirft, ist eine Gesamtschau auf den europäischen Geist und sein Werden – und als Ganzes beinah eine in sich geschlossene Geschichtsphilosophie.

Olivier Py, geboren in Grasse, studierte Katholische Theologie und Philosophie. Während seines Studiums entwickelte sich sein Interesse an Kunst, welches er am Conservatoire National Supérieur d’Art Dramatique in Paris verfestigte. Er arbeitete als Schauspieler und Dramatiker sowie als Regisseur. 2005 entstand sein Roman Paradies der Traurigkeit. Zunächst Direktor des Centre Dramatique National d’Orléans, wurde er 2007 Direktor des Théâtre de l’Odéon in Paris. Ab 2014 wird er Künstlerischer Leiter des Festival d’Avignon. Er inszenierte unter anderem am Grand Théâtre de Genève (Les Contes d’Hoffmann, La damnation de Faust, Tristan und Isolde, Tannhäuser), an der Opéra National de Paris (The Rake’s Progress, Mathis der Maler), am Gran Teatre del Liceu B ­ arcelona (Lulu), am Théâtre La Monnaie Brüssel (Les Huguenots), am Theater an der Wien (Hamlet) sowie bei den Festivals von Edinburgh und Avignon.

Il trovatore Oper in vier Akten (acht Bildern) Von Giuseppe Verdi Festspielpremiere am Donnerstag, 27. Juni 2013, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Vorstellung auf www.staatsoper.de/tv am Freitag, 5. Juli 2013 Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


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Spring Break Forever! Kein Alter ist so schnell so fern wie das Teenage. Ein Blick aus kurzer Distanz. „Ich träume regelmäßig, dass ich die 13. Klasse freiwillig wiederhole, für einen besseren Notenschnitt, dann aber vergesse in Bio zu gehen, also durchfalle. Ich ärgere mich, dass ich überhaupt in diesem Genre träume. Man sollte seine Jugend doch nicht als Stress erinnern, sondern als goldene Phase der Wahr-­ haftigkeit.“ aus einer E-Mail vom 17. April 2013

Alle meine Freunde lieben Highschool-Komödien. Vermutlich aber erst, seit sie selbst nicht mehr zur Schule gehen müssen, und vielleicht auch nur, weil sie nie in Amerika gelebt haben. Ich spreche mit ihnen momentan verstärkt über ihre letzten fünfzehn Jahre, vor allem über ihre frühe und mittlere Jugend und in diesem Zusammenhang auch über Harmony Korines neuen Film Spring Breakers. Weil Spring Breakers, diese Geschichte von vier teils diabolischen Teenagerinnen am Strand von Florida, über allem schwebt im Frühjahr 2013. Hendrik* kommt aus Norddeutschland. Wir haben seit dem Studium nie mehr in derselben Stadt gewohnt, aber wir halten Kontakt und besuchen uns regelmäßig. Hendrik ist damals mit vierzehn aus dem Fußballverein ausgetreten, um sich verstärkt auf das Akkordeonspielen zu konzentrieren. Das klingt jetzt so, als wäre er ein wunderlicher Junge gewesen, über den sich andere Jungs lustig gemacht hätten. Aber das war er gar nicht. Er hatte an seinem Lüneburger Gymnasium einen gutaussehenden besten Freund, sie waren beide Spitzenschüler, aber niemals Streber, und haben sich gemeinsam über die anderen lustig gemacht. Das ging so weit, dass sie eines Tages im Mülleimer ein Klassenfoto gefunden haben, auf dem ihre beiden Gesichter ausgekratzt waren. Sie haben nie erfahren, wer das getan hat. Aber es geht ihnen bis heute gut. Hendrik hat klare Thesen zu seiner Schul- und Studienzeit. Er weiß um die Wendepunkte und die kleinen Dramen, es gibt wenig Redebedarf. Wichtiger seien ohnehin die unterhaltenden Geschichten, meint er, die man immer wieder mal anbringe, ohne genau zu wissen warum. Einmal, am Abend vor der großen Interrail-Tour mit fünfzehn, sei Hendrik spontan in eine Bar namens Mexx gefahren und dort erstmalig an einen besonders starken Cocktail geraten, an einen sogenannten Baseball, für den das Mexx berühmt gewesen sei. Auf dem Heimweg mit dem Fahrrad sei er mehrfach gestürzt. Und als er am nächsten Morgen mit blutigen Schürfwunden in seinem Bett aufgewacht sei, habe er feststellen müssen, dass er alles vollgekotzt hatte. Bemerkenswert an dieser Erzählung ist, dass Hendrik den Abend im Gesprächsverlauf umdatiert. Er sei gar nicht erst fünfzehn gewesen, sondern schon achtzehn. Ich kann diese Verwechslung gut verstehen, denn ich weiß um die geheime Aufladung der Zahl fünfzehn. Ich behaupte manchmal, dass ich mit fünfzehn meine ersten wachen Momente hatte. Dass mir damals bewusst wurde, dass ich nun gar nicht zwangsläufig eine wegweisende Romanze erleben würde. Und dass auch diese Saufpartys mit den vielen peinlichen Begebenheiten gar nicht stattfinden mussten. Es gab die Option, dass in diesem Leben einfach alles vorbeizieht, dass man kaum vorhanden gewesen und irgendwann dann plötzlich alt ist.

Text Leif Randt

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Anton*, ein ehemalige Student der Visuellen Kommunikation, äußert ein gewisses Unbehagen über unsere Nachfolger, diese neuen Jugendlichen, die fünf bis fünfzehn Jahre jünger sind als wir. Ihm sei zum Beispiel aufgefallen, dass die aktuellen Studenten an den Kunsthochschulen einen deutlich offensiveren Umgang mit Kokain und Ecstasy pflegen als seine Kommilitonen früher. Ich kann diesen Eindruck diffus bestätigen, auch wenn mir nur zwei bis drei Leute einfallen, auf die das so zutreffen könnte. Ich frage mich aber, ob die Kreativstudenten heute vielleicht nur etwas lauter sind und gar nicht wirklich offensiver. Sie sind womöglich lauter, weil ihnen im Bachelorsystem weniger Zeit für ihre mittlere Jugend bleibt. Anton erzählt, dass es unter den Grafikstudenten an der Fachhochschule von Mainz momentan eine größer werdende Gruppe gibt, die sich jedes Wochenende gegenseitig tätowiert. Anton habe sie während eines Workshops beobachten können, diese teils neunzehnjährigen Studenten, die schon bis zum Hals tätowiert seien, mit beliebigen Bildern aus dem Internet. Auf ihren Oberarmen befänden sich ironische Pitbulls und auf den Unterarmen geometrische Schaubilder. Das Konzept sei, sich angetrunken auf WG-Partys leicht schwachsinnige Sachen zu tätowieren. Anton fragt sich, ob das etwas mit den düsterer werdenden Jobaussichten für Grafiker zu tun haben könnte, mit der wachsenden Konkurrenz, ob es sich um eine Flucht nach vorn handele, hinein ins optische Prekariat. Ich glaube, dass er da etwas überinterpretiert. Anton ist wohl der allerleidenschaftlichste Fan amerikanischer Jugendszenen, den ich kenne. Seine Lieblingsfilme in den letzten Jahren waren Superbad und das Remake von 21 Jump Street, zwei herzhafte Komödien also. Zu seinem neunundzwanzigsten Geburtstag habe ich ihm Project X geschenkt. Dort geht es um eine Hausparty, die völlig aus dem Ruder läuft, es gibt Hubschrauber und Explosionen und siebzehnjährige Stoffel auf Ecstasy. Uns beiden hat der Film beim Beamerscreening in Antons Zweizimmerwohnung ziemlich gut gefallen. An meinem derzeitigen Lieblingsfilm Spring Breakers stört Anton dagegen etwas, das er als ein „ambitioniertes Raunen” bezeichnet. Der Film tue visuell so wichtig, dafür sei aber der Plot viel zu dünn. Irgendwann hätten ihn sogar die Zeitlupenaufnahmen von obszönen Dosenbierduschen ein wenig gelangweilt. Und weil Anton das so sieht, unterhalte ich mich lieber mit Mirko* über Spring Breakers. Mirko hat unter anderem Kamera studiert und schwärmt für den Film wegen seiner saftigen Farben, aber auch wegen seines pathetischen Ernstes, der sich mit den parodistischen Szenen überhaupt nicht beißt. Mirko und ich unterstellen Spring Breakers eine ehrliche Erzählabsicht. Denn diese Kategorie wird uns jetzt, da wir älter und sentimentaler werden, wieder wichtig. „Das ist ein Film für Jugendliche” , sage ich immer, „er ist laut und plakativ und ziemlich didaktisch. Auch der allerletzte soll verstehen, dass es Pervertierungen des American Dreams gibt.” Vor allem anderen bringt Spring Breakers aber einen irren, überschäumenden Spaß, der sich direkt mit dem Teenage assoziieren lässt, einen Spaß im grellen Sonnenlicht, der immer auch abgründig und von einem tiefen Misstrauen unterwandert ist. Ich habe den Film bisher zweimal angeschaut. Beim ersten Mal saß ich mit zwei hessischen Freunden im kleinsten Saal eines Großraumkinos in Frankfurt am Main. Wir waren die einzigen Personen, die schon über einundzwanzig waren, tatsächliche Jugendliche umringten uns, es war die erste Woche der Osterferien. Viele von ihnen kamen erst, als der Film schon lief, in siebenköpfigen Gruppen, streng auf ihren Sitzplatzreservierungen beharrend, voll bepackt mit Nachos und Popcorn und Eiskonfekt. Während des Films redeten sie laut oder drückten auf ihren übergroßen, hell leuchtenden Telefonen herum. Dabei bin ich sicher, dass der Film dem Publikum sehr nah kam. So nah, dass es den meisten peinlich gewesen wäre das zuzugeben. Es wurde kameradschaftlich gelacht, als sich eines der vier Mädchen während einer Party übergeben musste. Und es wurde aufgeschrien, als auf dem Hintern einer schwarzen Frau großflächig Cellulite zu sehen war. Die Jungs johlten, und weil sie aus einem spontanen Ekel heraus johlten, überschlugen sich dabei ihre eigentlich schon tiefen Stim-

Fotografie Thomas Mailaender

Viele von ihnen kamen erst, als der Film schon lief, in siebenköpfigen Gruppen, streng auf ihren Sitzplatzreservierungen beharrend, voll bepackt mit Nachos und Popcorn und Eiskonfekt.

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Mittlerweile empfehle ich Spring Breakers mit den immer gleichen Sätzen. Ich sage: „Ich bin sehr dafür. Sogar die Längen finde ich dem Zielpublikum gegenüber angemessen.“

men, sodass es fast ein Kreischen war. Am Ende kommentierten sie den Film so laut, dass jeder im Saal es hören konnte: „Na, der hat ja mal Sinn gemacht, der Film!” Oder, und das habe ich allen Ernstes hören müssen: „Noch krassere Blamage als Project X!” Das zweite Mal schaute ich den Film zusammen mit Mirko und anderen in einem Neuköllner Kino, das ausschließlich Originalversionen zeigt. Wir rauchten vorher eine kleine Portion Marihuana und legten uns dann tief in den Film hinein. Das Komödienhafte ist mir dann, umgeben von diesen gut gelaunten Smashern, viel stärker aufgefallen. James Franco muss wirklich einen immensen Spaß gehabt haben an seiner Rolle als der weiße Gangster Alien. Es wurde viel gelacht in Neukölln. Der Film zeigte sein zweites Gesicht, und ich bin gespannt, ob er mir noch ein drittes Gesicht zeigen wird. Hendrik hat Spring Breakers allen Diskussionen zum Trotz noch nicht gesehen. Mittlerweile empfehle ich ihn mit den immer gleichen Sätzen. Ich sage: „Ich bin sehr dafür. Sogar die Längen finde ich dem Zielpublikum gegenüber angemessen. Ich würde ihn auch ein drittes Mal anschauen. Das Beste ist, dass der Film völlig unnostalgisch funktioniert. Das ist eben jetzt das Teenage. Was vorher war, ist fast egal.” Den Begriff des Unnostalgischen habe ich von Mirko übernommen. Ich verweise in diesem Zusammenhang auch gerne auf den fiesen Skrillex, der den Soundtrack mitproduziert hat, auf dessen immense Klickzahlen auf Youtube: „Daran lässt sich ablesen, dass es da eine Jugend gibt, die klar hinter uns passiert. Die schon längst da ist. Ich finde das interessant und angenehm.” Hendrik findet das auch angenehm. Letztlich gehe ja von diesen in den Neunzigern geborenen Kindern eine gewisse Hoffnung aus. Aline*, mit der ich einen Teil meiner mittleren Zwanziger verbracht habe, beobachtet schon immer recht genau, inwiefern sich die jüngeren Jugendlichen heute anders verhalten als wir zur gleichen Zeit. Als sie selbst dreiundzwanzig war, fühlte sie sich von den damals Neunzehnjährigen noch ziemlich bedroht. Diese neue Welle von Studenten wisse viel klarer, was sie wolle, sie seien fokussierter und aufgeräumter. Mittlerweile ist Alines Blick aber weicher geworden. Sie ist selbstbewusster und zufriedener, sie verbringt viel Zeit mit Jüngeren und schöpft daraus sogar Kraft. Aline sagt, dass in ihrem Leben ohnehin alles immer besser geworden ist, je weiter sie sich von ihrer Zeit zwischen sechzehn und zweiundzwanzig entfernt habe. Trotzdem kommt es noch vor, dass wir während gemeinsamer Mittagessen unseren Unmut darüber äußern, nie die brillante Jugend erlebt zu haben, die wir an guten Abenden bisweilen verkörpern. * Namen geändert

Mehr über den Autor auf S. 20

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English Excerpt Page 226

Illustration Cynthia Kittler

Interview Susanne Schmerda Generalmusikdirektor Kent Nagano und ­Komponist George Benjamin. Beide ­ verbindet eine langjährige Freundschaft.


„Tief und raffiniert“ Generalmusikdirektor Kent Nagano hat in seiner Zeit an der Bayerischen Staatsoper einen Schwerpunkt a ­ uf zeitgenössische Oper gelegt. Bei den Festspielen bringt er Written on Skin von George Benjamin zur Aufführung. Ein Abendtermin mit Kent Nagano Anfang Mai in seinem Münchner Büro am Marstallplatz, die Interviewerin ist etwas zu früh und wird freundlich eingeladen, im Vorzimmer zu warten. Da erscheint Naganos Tochter, ein munterer Teenager, im Schlepptau die Großmama. Lebhafter Austausch mit der persönlichen Assistentin auf Französisch, wie denn ein Konzert der Lieblings-Boygroup in der Münchner Olympiahalle mit dem Schulbesuch in Paris zu koordinieren sei. Dann spuckt der Aufzug auch schon Kent Nagano aus, direkt aus der Probe zu Bruckners Fünfter. Ein kurzes Hallo, die Verwandtschaft nimmt im Vorzimmer Platz – das Interview soll nur eine halbe Stunde dauern. Also los mit der ersten Frage …

Festspielpremiere Written on Skin 59


MAX JOSEPH Während Ihrer Zeit als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper seit 2006 war ein wichtiger Schwerpunkt die zeitgenössische Oper. KENT NAGANO Ja, ich habe die Uraufführungen von Wolfgang Rihms Das Gehege, Unsuk Chins Alice in Wonderland und erst kürzlich Jörg Widmanns Babylon dirigiert. Außerdem gab es 2010 ein Auftragswerk Die Tragödie des Teufels von Peter Eötvös, das der Komponist selbst dirigiert hat. MJ Was bedeutet es, zeitgenössische Komponisten an einem Opernhaus zu spielen, das international berühmt ist für seine lange Operntradition mit Wagner, Mozart und Strauss? KN Die Musiktradition der Bayerischen Staatsoper ist stets von einem Geist „nach vorne“ geprägt gewesen, Oper war hier immer schon eine Heimat für alles Neue. Wichtige historische Momente sind mit diesem Haus verbunden, allen voran die Uraufführungen von Wagners Tristan und Isolde oder Mozarts Opera seria Idomeneo, die damals sehr radikal waren und heftig diskutiert wurden. Auch mit den Strauss-Opern war das eine Zeit voller Spannungen. In diesem Sinn ist es eine große Verantwortung, das Haus für die Zukunft und für kommende Generationen zu rüsten, und so habe ich in meiner Münchner Zeit versucht, die besten und wichtigsten Komponisten der Gegenwart aufzuführen: zuerst also Wolfgang Rihm, dann Unsuk Chin, Peter Eötvös, Jörg Widmann und nun George Benjamin. Eine sehr lebendige Opernreihe mit fünf ganz unterschiedlichen zeitgenössischen Stimmen, auf die wir stolz sein können. MJ Weshalb haben Sie sich für Ihre letzte Premiere in München eine Oper von George Benjamin ausgesucht, Written on Skin? Was verbindet Sie mit diesem britischen Komponisten? KN Wir haben eine ganz besondere Beziehung, denn ich habe George schon 1983 in Paris kennengelernt, als wir beide Schüler von Olivier Messiaen waren. Seitdem sind wir enge Freunde. Er ist ein Naturtalent und unglaublich begabt, in den vergangenen drei Jahrzehnten habe ich bei George eine enorme künstlerische Entwicklung beobachtet. Schon damals war absehbar, dass er ein wichtiger Komponist werden würde. Es gibt viele Komponisten, die einen vielversprechenden Start haben, und dann hört man nichts mehr von ihnen. Aber mit George ist das anders, über all die Jahre ist seine Musik fundierter, interessanter und brillanter geworden. Wie die größten Komponisten hat er ein Niveau von höchstem Raffinement erreicht, seine Musik klingt frisch und neu, aber seine Kompositionstechnik ist dabei immer traditionell. Es ist ähnlich wie mit dem Finale aus Mozarts Jupitersymphonie, die Form ist vertraut, aber der Inhalt ist neuartig. MJ Written on Skin erlebte im Juli 2012 die Uraufführung in Aix-en-Provence, weitere vielgelobte Aufführungen folgten in London, Amsterdam, Toulouse

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und Florenz. Nun dirigieren Sie das Werk in Wien und in München. Mehrere Opernhäuser haben diese Oper also innerhalb eines Jahres auf ihrem Spielplan – wie erklären Sie diesen internationalen Erfolg? KN Heutzutage ist es üblich, sich einen Kompositionsauftrag zu teilen, weil die Kosten einfach sehr hoch sind. Eine neue Oper in Auftrag zu geben, ist auch ein großes Risiko. Nicht selten erlischt bei den beteiligten Partnern das Interesse, wenn die Produktion nach mehreren Aufführungen endlich an die letzten Opernhäuser geht. Nicht so bei Written on Skin, hier ist es genau umgekehrt, je häufiger das Stück gespielt wird, desto mehr wächst das Interesse, und ich freue mich, diese Oper nun an der Bayerischen Staatsoper zu präsentieren. Denn wie ich schon sagte: Diese Musik ist natürlich und ehrlich, sie ist tief und raffiniert, schöpft aus der Tradition und ist dennoch frisch und neu. MJ Was ja erstaunlich ist, schließlich geht die Handlung – eine Parabel über die Grenzen von Macht und Gewalt in einer Ehe – zurück auf eine anonyme provenzalische Sage aus dem 13. Jahrhundert. Im Zentrum stehen ein machthungriger Grundbesitzer, seine ihm kindlich ergebene Ehefrau Agnès und der von ihm eingestellte Buchmaler, mit dem seine Frau ein Verhältnis beginnt. Wie modern sind der Text von Martin Crimp und George Benjamins Musik angesichts dieses alten Themas um Gewalt in einer Liebesbeziehung?

George Benjamin

In seinen Kompositionen offenbart George Benjamin, 1960 in London geboren und ein Lieblingsschüler des Franzosen Olivier Messiaen, ein überragendes Gespür für Timbre und Klangfarben. Schon die ersten Werke zeigen frühvollendet seine luzide Musiksprache, etwa das dreisätzige At First Light für Kammerorchester, angeregt durch ein Gemälde des britischen Malers William Turner. Uraufgeführt 1982 in London durch Simon Rattle und die London Sinfonietta, brachte es Benjamin den internationalen Durchbruch und entfaltet in rund zwanzig Minuten subtile Licht- und Farbnuancen durch changierende Instrumentalfarben und Instrumenten-Kombinationen. Benjamins Affinität zur Malerei zeigt sich immer wieder in äußerst sorgfältig gearbeiteten Werken, die vom Klavierstück bis zur Oper reichen. Seine feine Klangvorstellung setzt er ähnlich einem Maler mit der Palette seiner Orchesterfarben in diffizilen Nuancen um, wobei die musikalische Idee stets deckungsgleich mit der klanglichen Ausformulierung ist. Eine Begabung, die sogleich dem strengen Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez auffiel: „Er hatte ein gutes Ohr; die Akkorde, die er aufschrieb, waren wirklich gehörte Akkorde genau so wie seine Instrumentation.“ Benjamin, der auch als Pianist und Dirigent internationales Renommee genießt, schreibt dabei eine außerordentlich harmonische Musik, ohne zwangsläufig eine tonale Musik zu sein. Seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem britischen Autor Martin Crimp, der 2006 das „lyric tale“ Into the Little Hill entstammt, setzt Benjamin mit seiner ersten großen abendfüllenden Oper Written on Skin für fünf Sänger und Orchester im Jahre 2012 fort. George Benjamin lebt in London, wo er seit 2001 eine Kompositions-Professur am King’s College bekleidet.


KN Written on Skin besitzt ein faszinierendes Libretto, vor allem aber ist das Thema sehr aktuell: der Kampf der Geschlechter, das Thema von Abhängigkeit, Unterwerfung und Auflehnung zwischen zwei Menschen, die Spielarten der Gewalt. Gerade habe ich in der New York Times von einem Boxer gelesen, der seine Frau verprügelt hat und nun im Gefängnis sitzt. Das Thema ist also immer da. Und dann natürlich ganz generell die Frage: Was passiert mit großem Reichtum? In dieser Oper ist all dies präsent und man kann außerdem die Persönlichkeitsentfaltung einer unterdrückten Frau erleben. Der Erfolg von Written on Skin war jedenfalls kein Zufall, und wenn man die Entwicklung von Benjamin betrachtet, so hat er sich schon immer mit dem Thema Gewalt beschäftigt. In der Komposition gibt es keine direkte Nachahmung mittelalterlicher Musik, aber es gibt eine Anspielung auf etwas Archaisches. Es ist wie in anderen Werken, in denen der Klang und die Idee einer Polyphonie der Instrumente genutzt werden, um einer bestimmten Zeit eine Referenz zu erweisen. So ist es auch mit George Benjamin: Wenn er eine andere Welt suggeriert, eine andere Atmosphäre und Zeit, ist es durch den Klang, durch Andeutungen und Atmosphäre, aber nicht durch Imitation. Er ist seiner Stimme immer treu. MJ Es gibt also durchaus archaische Momente in der Partitur, etwa durch die Verwendung bestimmter Intervalle? KN Als ich mit ihm die ganze Partitur durchgegangen bin, erklärte mir George, dass es motivische Ideen gibt, aber nicht im Sinne einer Leitmotivik. Er arbeitet mit Spannungsmomenten, so dass das Publikum unbewusst strukturelle Referenzpunkte erhält. Es gibt also bestimme Intervalle und Motive, die immer wiederkehren, dies aber in einer sehr dezenten Weise. MJ Das Orchester wird über weite Strecken sehr zurückhaltend verwendet, der gesamte Orchesterapparat kommt nur punktuell zum Einsatz – was bedeutet diese Restriktion der orchestralen Mittel für Sie als Dirigent? KN Das Orchester selbst ist nicht sehr groß besetzt, wenn man es zum Beispiel mit Strauss’ Elektra, Messiaens Saint François d’Assise oder Widmanns Babylon vergleicht. Benjamin verwendet zwar ein sehr breites Spektrum an Farben im Schlagwerk, aber das Orchester spielt nur sehr selten tutti. Das Orchester wird ähnlich genutzt wie zum Beispiel in Mahlers sechster oder siebter Symphonie, wo es zwar einen großen Apparat gibt, aber nur sehr selten ein Tutti gefordert wird. Es geht vielmehr um die Palette an Farben und die Möglichkeit, verschiedene Texturen und damit einen größeren Kontrast von Ausdruck und Atmosphäre zu erzielen. Wenn es in Written on Skin also zu einem Tutti kommt, dann weiß man sofort, dass ein hochdramatischer Moment folgen wird. MJ Benjamins Reduktion der Mittel geht sogar so weit, dass sich manchmal eine Stimmung und ein

Kent Nagano

Gefühl in einem einzigen Orchester-Akkord kristallisieren. KN Es mag merkwürdig klingen, aber bei vielen Komponisten ist die Orchestertextur manchmal so dick und komplex, dass es um den Effekt geht und weniger um eine differenzierte Harmonik. Bei George ist faszinierend, dass er jeden einzelnen Ton hört, jeder einzelne Ton ist genau gesetzt, er kann nur so und nicht anders sein. Und so finden sich immer wieder magische Momente, wenn ein einzelner Ton, den man auch tatsächlich hören kann, auf ganz bestimmte Weise innerhalb eines komplexen Akkords erklingt. Das sind hochemotionale und spirituelle Augenblicke. So etwas gibt es nur in den besten Opern. MJ Written on Skin spielt im Mittelalter der französischen Trouvères, im Zentrum steht der Troubadour Guillem de Cabestanh. Welche Bedeutung hat der Gesang in Benjamins Musik? KN George Benjamin hat für mich immer schon einen musikalischen Instinkt für Lyrisches gehabt. Das ist ein Geschenk, denn nicht jeder hat dieses Gespür. Er weiß einfach, was cantabile bedeutet und wie man eine lyrische Idee in die menschliche Stimme legt, aber auch in eine Orchesterstimme. Wie man von diesem legato und cantabile profitiert. Schon 1987, als ich an der Oper in Lyon anfing, habe ich bei drei Komponisten Opern in Auftrag gegeben: Toru Takemitsu, Peter Eötvös und George Benjamin. Alle drei verbindet, dass sie diese wunderbare Gabe zum Lyrischen besitzen. Das kann man nicht im Konservatorium lernen, es ist einfach ein Gefühl dafür, wie die Stimme, die menschliche wie die instrumentale, ganz organisch funktionieren kann. Und so nutzt George beispielsweise alle Möglichkeiten der menschlichen Stimme: Es gibt schöne Melodien, zarte Lyrismen, aber auch hochdramatische Momente, daneben Parlando-Stellen, Geschrei mit lauten, lang ausgehaltenen Tönen oder tonloses, geräuschhaftes Flüstern. MJ Eine zentrale Rolle spielt in der Oper die BuchIllustration, die Kunst des Illuminierens. Hierfür betritt eigens ein Künstler die Bühne, der im Auftrag des Ehemannes ein Buch gestalten soll, das von seinen Heldentaten erzählt. In welchem Maß spiegelt die Musik diese Idee des Malens? KN Die Beziehung zwischen Musik und Farbe war ja immer schon ein wichtiger Teil des Ausdrucks. Wenn wir sagen: Das war „heißrot“ heute Abend oder „silbrig-transparent“ oder auch: „I have the blues“. All das sind Farben, wir als Menschen denken in Farben. Und wenn im Verlauf der Oper manche Farben aus diesem Buch erwähnt werden, dann verwendet George einen goldenen Klang. Vielleicht liegt das an Georges natürlicher Sensitivität? Oder an seinem Lehrer Olivier Messiaen, der diese Synästhesie besaß, also Musik in bestimmten Farben hörte und oft in seinen Partituren notierte, dass eine spezielle Stelle beispielsweise violett klingen müsse. Für uns als

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Publikum ist das ein Gewinn, Georges Musik klingt so, wie wir als Menschen denken und empfinden. MJ Heißt das, Written on Skin eröffnet auch den Menschen im 21. Jahrhundert eine Perspektive? Wir haben zwar ein altes Sujet und ein düsteres, kompromissloses Szenario, dennoch wird ein jeder von dieser Musik angesprochen? KN Jeder Mensch hat seinen eigenen Bezug zu einem Werk. Aber im Fall von Written on Skin habe ich bisher niemanden getroffen, der von dem Stück nicht tief berührt gewesen wäre. Das ist sehr ungewöhnlich. Normalerweise gibt es nach einer Uraufführung kontroverse Diskussionen, aber hier waren sich alle einig über die hohe kompositorische Qualität, die gelungene Form und vor allem die sensible Behandlung der Vokalstimmen. MJ Das betrifft in erster Linie den Sopran und den Countertenor von Agnès und dem Buchkünstler, genannt „The Boy“? KN Man braucht gute Sänger, die Partien sind sehr anspruchsvoll. Aber wenn man ausgezeichnete Interpreten hat, wie Barbara Hannigan oder Iestyn Davies, dann klingt es, als sei die Musik genau für diese Stimme geschrieben worden. Benjamins Komposition richtet sich niemals gegen das, was die menschliche Stimme zu leisten vermag. MJ Die aktuelle Spielzeit folgt dem Motto vox populi, eine Referenz an den großen Opern-Jubilar Giuseppe Verdi, der in seinen Opern häufig mit der „banda“ eine musikalische Stimme des Volkes auf die elitäre Opernbühne gebracht hat. KN Wo steht zeitgenössische Oper heute zwischen Hochund Pop-Kultur? Es ist wichtig, die Geschichte nicht zu vergessen. Zu Beethovens Zeit war seine Musik sehr populär, sie war Musik für das Volk und für eine offene Gesellschaft. Den Kontrast dazu bildete die geschlossene Gesellschaft von König, Aristokratie und Kirche. Mozart mit seinen Opern und selbst veranstalteten Konzertreihen, dann Beethoven und viele andere haben mit diesen Subskriptionsreihen das Volk erreicht und das Volk hat ihnen eine unglaubliche Bewunderung zurückgegeben. Beethoven genoss zu Lebzeiten ein großes Renommee, er war hoch angesehen beim Volk. Dies war historisch gesehen die Voraussetzung dafür, dass wir heute Opern und Symphonien haben und aufführen, denn beide waren für eine offene Gesellschaft konzipiert. MJ Dennoch befindet sich zeitgenössische Oper leider immer noch in einem Ghetto, ist eben nicht „Oper für alle“. KN Ich bin da optimistischer, weil auch viele junge Leute in unser Haus kommen. Es ist vielschichtig, vieles passiert gleichzeitig – das ist Oper. Komponisten werden immer Opern schreiben, aber das Schwierige ist, dass die meisten neuen Werke nicht so gut sind. Das war schon immer so. Die Werke, die wir heute kennen und die Jahrhunderte überdauert haben, sind nur ein Bruchteil des damals ent-

standenen Repertoires. So ist Kunst – Kunst ist nicht gewöhnlich, sondern etwas Seltenes. Schwierig wird es dann, wenn das Publikum Stücke hört, die nicht dem höchsten Niveau entsprechen. Deshalb müssen wir auf der anderen Seite Mut zum Risiko zeigen, sonst sind wir lebende Tote. Manchmal braucht es Geduld (Nagano lacht herzhaft), wir müssen warten, aber wenn dann der Moment da ist, vertraue ich dem Publikum, dass es das Außergewöhnliche auch erkennt. MJ Der Titel dieser Festspielausgabe von MAX JOSEPH lautet „…und jetzt alle!“. Wie bedingen sich Festkultur und Gemeinschaftserlebnis Oper gegenseitig? KN Es ist wichtig, sich immer wieder dieser „Oper für alle“ bewusst zu sein. Diese alte Idee wird leider gerne einmal vergessen. „Oper für alle“ ist für mich also eine Verantwortung dem Publikum gegenüber, ihm höchste Qualität zu präsentieren. Und eine Verpflichtung, ihm zu vertrauen – unser Publikum reagiert einfach positiv auf beste Qualität. MJ Letzte Frage: Schafft es Written on Skin, ein Klassiker des 21. Jahrhunderts zu werden? KN Das weiß man nie. Wenn man als Künstler ehrlich ist, hat man nur ein Gefühl dafür, ob etwas besonders ist. Und das habe ich bei Written on Skin. Und Written on Skin wurde bis jetzt hervorragend vom Publikum aufgenommen. Die Zeit wird hier Klarheit bringen. Unser Gespräch ist zu Ende. Ich verabschiede mich und übermittle gute Wünsche für die neue Aufgabe in Hamburg – längst ist das Aufnahmegerät ausgeschaltet –, da leuchten Kent Naganos Augen noch einmal auf: Er hat viele Träume und freut sich auf die Hansestadt, dort „riecht es genau wie in San Francisco“, seiner Heimatstadt. Er liebt Hafenstädte, die Nähe zum Meer, den Geruch nach Wasser in der Luft. Beschwingt verlassen wir das Büro. Draußen auf der Maximilianstraße stelle ich erstaunt fest, dass fast eine ganze Stunde vergangen ist. Kent Nagano ist mit seinen Lieben dann noch Eis essen gegangen.

Susanne Schmerda ist Musikredakteurin beim Bayerischen Rundfunk und verfasst als freie Autorin Programmhefttexte.

Written on Skin Oper in drei Teilen Von George Benjamin Deutsche Erstaufführung Festspielpremiere am Dienstag, 23. Juli 2013, Prinzregententheater

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Absolute Giganten Ein Gespräch mit dem Komponisten Moritz Eggert.

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Fotos Courtesy La Fura dels Baus

Die Komponisten Wagner und Verdi nebeneinander stellen, geht das? Sie gar gegeneinander ausspielen? Genau das haben Moritz Eggert ­und La Fura dels Baus vor. Im Festspielspektakel Wagner vs. Verdi werden sie die beiden, ­die sich zeitlebens ­ nie persönlich begegnet sind, musikalisch ­gegeneinander antreten lassen – mit Blaskapellen auf dem Max-­ Joseph-Platz. ­ Im Gespräch mit MAX JOSEPHAutor Michael Schmidt spielt der Komponist Moritz Eggert einige Takte zu diesem Unterfangen an. Diese beiden Riesen verkörpern in der spektakulären Münchner Freiluftinszenierung von L ­ a Fura dels Baus die beiden Operngiganten Wagner und Verdi.


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MAX JOSEPH Moritz Eggert, während Wagner mit Göttern, Halbgöttern oder mythischen Wesen wie Siegfried und Brünnhilde operierte, ging es Verdi um die Darstellung konkreter menschlicher Figuren wie Otello und Desdemona. Sie lassen die Musiktitanen Wagner und Verdi wieder auferstehen, und zwar mit zwei Blaskapellen, die musikalisch gegeneinander antreten. Wie gehen Sie das an, und kann es da überhaupt einen Sieger geben? MORITZ EGGERT Unsere Performance hat mehrere Teile, und die beiden Blaskapellen sind ein sehr wichtiger, aber nicht der einzige Bestandteil. Genau wie auf dem Theater wird es ein Vorspiel geben. Mit ihm bespielen wir den ganzen Max-Joseph-Platz. Es werden Solisten vom Staatsorchester mitwirken. Dazu kommen Blaskapellen, welche Verdi und Wagner auf Umzügen bis zu ihrer Auferstehung begleiten. Alles trifft sich am Max-Joseph-Platz. Und es wird einen großen Kampf zwischen Wagner und Verdi geben, der durch Riesen von La Fura dels Baus auch wirklich sichtbar wird. Zitate aus den größten Hits von Verdi und Wagner werden aufeinanderprallen, und für das Ende planen wir den Versuch einer Synthese, in einer Art Riesen-Finale mit allen Mitwirkenden – etwa 200 Musikern. MJ Wird es einen Sieger geben? ME Also ich weiß, wo meine Sympathien liegen. Aber es kann dann jeder selber entscheiden, wer gewinnen soll. MJ Nun verkörpern Verdi und Wagner zwei ganz unterschiedliche Seiten von Kunst, also etwa Realismus und Romantik, Humanismus und Mythos, Tradition und Revolution, apollinisches Maß und dionysischen Rausch. Verdi oder Wagner? Könnte man sich nicht auch für beide Opernantipoden zugleich begeistern? ME Ich denke schon, weil sie ja ganz unterschiedliche ökologische Nischen füllen, um es mit den Begriffen der Biologie zu beschreiben. Mich persönlich hat Verdi immer mehr interessiert als Wagner, weil ich einfach bei ihm mehr Interesse an den Menschen spüre. Was aber viele Menschen an Wagner fasziniert, ist die Tiefe der philosophischen Ideen. Es geht ihm immer um ein Weltbild, es geht um Symbole, es geht um Archetypen. Verdi hingegen interessiert sich mehr für menschliche Emotionen und ist im Grunde genommen viel näher an so jemandem wie Mozart. MJ Auch Konzepte wie „Kunstreligion“ oder „Gesamtkunstwerk“ wären Verdi wahrscheinlich fremd gewesen. ME Genau. Vor allem denke ich, dass Verdi das individuelle Empfinden des Zuhörers unangetastet lassen will. Verdi will, dass er eine freie Entscheidung trifft. Er will dem Individuum nicht sagen, wie es zu denken hat, wohingegen Wagner einen sehr aufklärerischen und auch sehr bekehrenden Drang hat. Ich habe bei Wagner immer das Gefühl, dass er einen packen, schütteln und überzeugen will. Das habe ich bei Verdi nicht. Bei Verdi ist die Musik ein Geschenk. Man kann es mögen oder nicht, aber es ist einem selbst überlassen. Das schätze ich sehr. MJ Ist es nicht so, dass bei Verdi der Gesang und die Melodie Träger des Ausdrucks sind, während bei Wagner das Orchester durch die Leitmotivtechnik eine Art Kommentarfunktion bekommt? ME Aus der Sicht der sogenannten Moderne ist natürlich Wagner der Interessantere, weil die Aufgabe, eine Singstimme schön zu komponieren, für ihn nicht mehr so wichtig war. Es ging ihm ja um dieses Gesamtkunstwerk und um das Einbinden einer Gesangsstimme in einen größeren erzählerischen Kontext, wobei das Orchester genau diese Erzählrolle übernimmt. Dagegen ist das Orchester bei Verdi im Wesentlichen … MJ … Begleitung? ME Es ist Begleitung. Es ist natürlich auch bei Verdi grandios instrumentiert, das darf man nicht unterschätzen. Verdi war also auch darin sehr gut, aber es hat ihn nicht so interessiert. Ihm war es wichtig, dass eine Arie eine tolle Melodie hat und die nächste Arie nicht die gleiche Melodie. Das sind Aspekte, die in der zeitgenössischen Musik und im 20. Jahrhundert ein bisschen verloren gegangen sind. Wenn man Texte von Komponisten der Jahrhunderte davor liest, dann spielen darin Momente wie Inspirati-

Wagner vs. Verdi 65


Moritz Eggert schreibt neben Orchester- und Kammermusik vor allem für das Musiktheater, darunter elf abendfüllende Werke wie Die Schnecke, Freax und zuletzt All diese Tage. Viele seiner Arbeiten überschreiten die Grenzen zwischen den Gattungen und Genres. So schrieb er für die FIFA WM 2006 die Musik für die Eröffnungszeremonie und das „Fußballoratorium“ Die Tiefe des Raumes, für die Salzburger Festspiele eine Collage aller 22 Mozart-Opern und für den Wiener Opernball 2008 ein „Fußballett“. In diese Reihe gehören ebenso ein Mahler-Projekt mit dem Pop-Duo 2raumwohnung und dem hr-Sinfonieorchester sowie Faust – eine Phantasmagorie mit Harald Schmidt, Steven Sloane und den Bochumer Symphonikern. Im Mai 2013 hatte an der Vlaamse Opera Antwerpen der mit Jan Fabre entwickelte Abend Tragedy of a Friendship zu Wagner und Nietzsche Premiere, der international vielerorts zu sehen sein wird. Seit einigen Jahren sorgt Moritz Eggert als selbsterklärter Bad Boy mit Artikeln für die neue musikzeitung und den Bad Blog of Musick für Diskussionen um Musikästhetik und Kulturpolitik. Seit Oktober 2010 hat er eine Kompositionsprofessur an der Hochschule für Musik und Theater München inne.

Michael Schmidt ist Koordinator des Klassikportals des Bayerischen Rundfunks, Musikpublizist und Gastprofessor für multimediale Musikvermittlung an der European Graduate School.

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„Ich habe bei Wagner immer das Gefühl, dass er einen packen, schütteln und überzeugen will. Bei Verdi ist die Musik ein Geschenk. Man kann es mögen oder nicht, aber es ist einem selbst überlassen.“ – Moritz Eggert

on und Einfall eine große Rolle. Im 20. Jahrhundert hingegen geht es eher um Pionierarbeit und Entdeckung, nicht so sehr um Inspiration – aber genau diese symbolisiert für mich Verdi; und den Entdeckergeist symbolisiert für mich Wagner. Beides finde ich gleichermaßen interessant. Man kann beides gleichermaßen schätzen und mögen. MJ Die Melodie ist in der Moderne ja weitgehend verloren gegangen … ME Absolut! Mein lieber Lehrer Wilhelm Killmayer hat immer wieder zu Recht kritisiert, dass das Melodische unglaublich schwach geworden ist in der zeitgenössischen Musik. Es wird kaum darüber nachgedacht, es wird auch kaum noch gelehrt, was eine gute Melodie eigentlich ausmacht, weil irgendwann der unselige Gedanke aufkam, dass zwei beliebige Töne eine Melodie sind, und das stimmt eben nicht. Das hat auch nichts damit zu tun, ob es tonal oder atonal ist. Einen melodischen Gestus hinzukriegen, ist etwas ganz Schwieriges. Ich denke, es gibt nur wenige zeitgenössische Komponisten, die sich damit wirklich auseinandergesetzt haben. Zum einen fällt mir da natürlich Killmayer ein, aber auch jemand wie Henze gehört zu jenen, denen Melos oder Melodie wichtig war. MJ Bei allen Unterschieden zwischen Verdi und Wagner gibt es auch Ähnlichkeiten, wie zwischen den Vorspielen von La traviata und Lohengrin. In Ihrem Wagner-Verdi-Projekt wird es eine Art Synthesemusik geben, die auch das Verbindende der beiden Komponisten zum Ausdruck bringen soll. Wie kann man sich das vorstellen? ME Darüber denke ich bisher nur nach. Womit wir uns sehr viel beschäftigt haben, ist die Collage, die Musik des Wettkampfes. Wir arbeiten mit dem Moment der Verfremdung, indem wir die Musik, die von Verdi und Wagner großartig orchestriert ist, durch die Linse eines Blasorchesters sehen. Das Lohengrin-Vorspiel hat in diesem Zusammenhang natürlich eine ganz andere Wirkung, und natürlich geht es auch darum, sehr viel Witz herauszuarbeiten. Wir wählen auch krasse Kontraste. Wenn Wagner am Tiefsinnigsten ist – wir fangen mit dem Tristan-Vorspiel zum dritten Akt an, das Schwermütigste und Ergreifendste, was Wagner geschrieben hat –, wird das von Verdi mit „La donna è mobile“ beantwortet, was als sein oberflächlichster Hit gilt und trotzdem ein schönes Stück ist. Und dann finden wir natürlich auch Momente, bei denen sich beide richtig nahe sind. MJ Können Sie ein Beispiel nennen? ME Wir haben herausgefunden, dass das berühmte Vorspiel zum ersten TristanAkt und das Vorspiel von La traviata zusammen wie eine Komposition klingen und dass sogar die Tristan-Akkorde die Akkorde bei Verdi so aufreizen, dass es wie eine Einheit klingt. Man kann die beiden Stellen sogar in unterschiedlichen Tempi nebeneinander herlaufen lassen und es klingt immer sinnvoll zusammen. MJ Gibt es nicht auch durch gewisse martialische Gesten Ähnlichkeiten zwischen Wagner und Verdi? ME Ja, durchaus. Gerade der frühe Wagner war ja sehr angezogen von italienischer Oper. Er hat etwas Vergleichbares versucht im Rienzi und das ist ihm irgendwie gelungen. Aber man merkt, dass Verdi ihm vieles an Schmiss und Pfiffigkeit voraushat. Auch an Timing und Tempo – Verdi hält sich selten lange mit Sachen auf. Er überreizt nie. Bei Wagner denkt man manchmal schon: „Jetzt könnte die Schere kommen“, weil eigentlich klar ist, was gemeint ist, aber dann geht es noch mal 40 Minuten lang weiter. Zum Beispiel der Anfang der Walküre: Es wird sehr viel geredet, aber es passiert eigentlich nicht sehr viel. Das wäre für Verdi unmöglich gewesen. Aber natürlich trifft man bei Wagner auf unglaubliche Stellen, weil er das Orchester über eine Grenze hinaustreibt, die Verdi als rein musikantischer Komponist nie überschritten hätte. MJ Es gibt Wagnerianer, aber keine Verdianer. Dabei war Verdi in Italien zu Lebzeiten eine Art Popstar und sein Name wurde zum politischen Sym-

Interview Michael Schmidt

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bol des Risorgimento, der italienischen Einigungsbewegung. Wagner, Bayreuth und Hitler stehen dagegen für eher unheilvolle politische Verstrickungen. Wagner oder Verdi – wer ist populärer und warum? ME Man tut Wagner ein bisschen unrecht, wenn man ihm das, was aus seiner Ästhetik im Dritten Reich geworden ist, anlastet, weil man wirklich nicht weiß, wie er selber agiert hätte. Wagner war so ein schwieriger Mensch, nach allem was man aus Berichten weiß, dass er sich wahrscheinlich mit dem Nazi-Regime angelegt hätte, sich nicht instrumentalisieren lassen hätte. Im Grunde hatte er ja auch sehr anarchische Züge. MJ Und was die Popularität anbelangt? ME Was die Popularität anbelangt, wirkt Verdi, wie viele gute Komponisten, eher subkutan. Es gibt ganz viele Leute, die Melodien von Verdi kennen wie den Gefangenenchor, aber nicht wissen, aus welchem Zusammenhang sie kommen. Aber diese Melodien sind in der Welt und werden auch immer in der Welt sein. Dass es keine Verdianer gibt, zeigt, dass es das auch gar nicht braucht. Man muss gar keinen Kult entwickeln, damit diese Musik Bestand hat, sondern sie hat von allein Bestand. Es gibt ja auch keine Mozartianer! MJ Es gibt auch Goetheaner, aber keine Schillerianer. ME Klar, es gibt Künstler, die mit einer Weltanschauung verbunden werden. Bei Komponisten wie Beethoven oder Schubert würde ich auch nicht so eine klare Weltanschauung erkennen können. Es gibt zwar Schubertiaden, aber keine Schubertianer. Es gibt Leute, die Musik sehr lieben, aber die sind nie fanatisch. Ein Schubert-Liebhaber würde nie sagen, dass Schuberts Musik besser ist als andere Musik. Das würde ein Wagnerianer allerdings tun. Das ist aber nicht Wagners Schuld, sondern eher die Schuld der Wagnerianer. MJ Die autonome und zweckfreie Kunstmusik europäischer Prägung wurde ja oftmals von populären oder als regressiv eingestuften Musikformen wie Pop, Rock oder Jazz abgegrenzt. Man denke nur an Adornos Zuspitzungen, nach ­denen populäre Musik niemals eine bedeutende und wahre Musik sein kann. Diese Abgrenzungen verwischen seit einigen Jahrzehnten. Wie stehen Sie zur Unterscheidung zwischen populär und elitär? ME Ganz kurz auf den Punkt gebracht, würde ich sagen, dass jeder, der sich auch nur ein bisschen ernsthaft als Künstler bezeichnet, unmöglich einen Blick allein auf das Elitäre werfen kann, weil das immer ein ausschließlicher Blick ist. Das sogenannte Elitäre oder nennen wir es lieber das Nicht-Triviale, das Tief-Durchdachte, das Philosophische, das Hehre, Wahre, Schöne oder Gute kommt zu klugen Ergebnissen und ist sicherlich sehr wichtig. Solche Kunst kann lange Bestand haben, weil man tief über Dinge nachgedacht hat. Das sogenannte Populäre oder das Triviale ist dagegen unglaublich schnell am Puls der Zeit. Das Triviale ist immer schneller. Wenn ich ins Kino gehe und mir Mainstream-Filme von heute anschaue, lerne ich sofort mehr und schneller etwas über die Befindlichkeiten einer Zeit, als wenn ich einen Arthaus-Film anschaue, wobei ich beides liebe. Man muss auf beides einen Blick werfen. Ich kann von Musik nur etwas verstehen, wenn ich auch verstehe, was in populärer Musik passiert. Wenn ich mich dafür nicht interessiere, dann bin ich kein offener Künstler und wenn ich kein offener Künstler bin, dann kann ich auch kein guter Künstler sein. MJ Also sind für Sie als Komponisten die Korrespondenzen zwischen diesen Ebenen wichtig? ME Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwa jemand wie Mozart über so etwas ernsthaft nachgedacht hat. Das war einfach Teil einer Lebenswirklichkeit. Natürlich hat er sich für verschiedene Musikarten interessiert. Er hat ja auch stilistisch ganz verschiedene Werke geschrieben: Volksopern, Opern für den Königshof, für den Adel. Warum wir Mozarts Musik heute noch kennen, liegt daran, dass ihn beides wirklich interessiert hat. Ihn haben beide Stile interessiert und deswegen konnte er sie auch amalgamieren und einen Persönlichkeitsstil daraus entwickeln. Dieser Grundsatz gilt für mich eigentlich heute genauso.

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Wagner vs. Verdi Oder: Die einmalige und noch nie dagewesene Begebenheit eines musikalischen Wettkampfes, in dem ein für alle Mal entschieden wird, wer von beiden Compositeuren der bessere sei, unter Zuhülfenahme von nicht nur einer, sondern vier großen Kapellen und Orchestern, gar trefflicher Bläsermusik, allerlei Schlagwerk, großartigem und riesenhaftem Puppen- und Artistenspektakel, entworfen und erfunden von La Fura dels Baus aus Katalonien, sowie ungewöhnlicher und neuartiger Musik, entworfen und erfunden von Moritz Eggert aus Munichen, gegeben auf dem MaxJoseph-Platz am 28. Juni 2013. Die Entscheidung gemeinsam herbeizuführen, sei eingeladen, sich auf dem Platze einzufinden ab halb neun Uhr abends, ein jeglicher aus dem Volke, Mann, Frau und Kind. Komposition und Arrangement: M ­ oritz ­Eggert Regie: Carlus Padrissa / La Fura dels Baus Mitwirkende: Polizeiorchester Bayern (Leitung: Johann Mösenbichler), Musikkapelle Peter Mayr Pfeffersberg, Südtirol (Leitung: Josef Feichter), Musiker des Bayerischen Staatsorchesters und bayerische Blaskapellen Freitag, 28. Juni 2013, Max-Joseph-Platz Warm-up: ab 20:30 Uhr Beginn des Wettstreits: ca. 22:00 Uhr Ende: ca. 23:00 Uhr Eintritt frei Um die Sicherheit aller Konzertbesucher ­zu ­gewährleisten, wird es auf dem Max-JosephPlatz eine begrenzte Anzahl an Stehplätzen ­geben. Das Mitbringen eigener Sitzgelegenheiten (Klappstühle o. ä.) ist nicht gestattet. Vielen Dank für Ihr Verständnis.

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Vom spröden Stoff der Freiheit Von Reinhard Jirgl Im Rahmen der Redenreihe „Freiheitsfelder – vox populi“ der Spielzeit 2012/13 lud die Bayerische Staatsoper gemeinsam mit der Nemetschek-Stiftung den Büchner-Preisträger Reinhard Jirgl ein, zum Thema „­ Vom spröden Stoff der Freiheit“ zu sprechen. Die Ausgangsfrage war, ob sich eine vox populi ­überhaupt freiheitlich formulieren und entfalten kann. Reinhard Jirgl ist der Einladung mit einem Vortrag am 20. März 2013 im Cuvilliés-Theater gefolgt. MAX JOSEPH veröffentlicht an dieser Stelle das vierte und letzte Kapitel seines Vortrags. Den vollständigen Text der so umfassenden wie eindrucksvollen Suche nach der vox populi finden Sie auf der Webseite der Nemetschek-Stiftung unter www.nemetschek-stiftung.de/ projekte/freiheitsfelder/. […] Die Ver-Öffentlichkeit oder Die Erweiterung der Illegalität Bei den vier betrachteten kulturellen und politischen Umbruchsituationen – Bauernkrieg, bürgerliche Revolution, politische Wende, gegenwärtige Massendemokratie – ist eine souveräne Instanz namens vox populi niemals erschienen, im Gegenteil: Je lauter und okkupatorischer auch in der Gegenwart das vergesellschaftete Sprechen tönt, desto weiter entrückt für die vox populi die Souveränität. Was an deren Stelle trat, waren und sind lediglich unterschiedliche Autoritäten – die Bibel, die weltliche Literatur, die volkstümlich zurechtgemachte und auf „Zielgruppen“ ausgerichtete Parolik –, die allesamt die vox populi dominieren, steuern und auch kontrolliert zum Schweigen bringen können. Man muss daher den gegenwärtigen Zustand mitsamt den aktuell verfügbaren Medien in summa betrachten. Dazu ein Beispiel: Während des Irak-Krieges 2003 empörten sich etliche der in den Kriegsgebieten anwesenden Journalisten über den „embedded journalism“, weil ihnen angeblich die US-Militärführung Art und Umfang ihrer journalistischen Tätigkeiten diktierte. Dieselben und die meisten übrigen, zuvor sich unabhängig wähnenden Journalisten hatten nicht bemerkt oder nicht bemerken wollen, dass sie längst „embedded“ waren – wenn auch nicht auf diese sichtbare Weise wie im Irak, dafür und viel gefährlicher, weil indirekt und verborgen, in den herrschenden politischen und gesellschaftlichen Konsens eingebunden. Darüber wäre einiges zu sagen, hier nur so viel: Wer den Konsens-Regeln auch immer zur Geltung verschafft, das dürfte im einzelnen namentlich nur schwer festzustellen sein; ähnlich einer Virusepidemie, bei der der Auslöser, der Fall 1, höchst selten sich ermitteln lässt. Tatsache ist, die Konsensregeln sind gesellschaftsweit höchst wirksam; Konsens ist wie ein Gas, es bemächtigt sich jedes ihm dargebotenen Raums. Der Konsens insistiert auf dem „Wir“, das die Werte

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und das Reflektieren darüber als Voraussetzung ihrer Akzeptanz in einen tradierten Rahmen bindet. Es bedarf nicht, wie in den Diktaturen, eines Politkommissars, der die systemgefälligen Verhaltensweisen und Berichterstattungen von außen überwacht und die Abweichler maßregelt; der Konsens hat diese Überwachung in jeden Einzelnen delegiert, sein Hauptinstrument ist derzeit die „politische Korrektheit“. Konsens reguliert allgemein gesellschaftliches Wohlverhalten auf der Oberfläche, was innerhalb der Gesellschaft Zulassung oder Ausschluss bedeutet. Konsens ist die allgemeinste und zugleich eine der wirkmächtigsten Regulierungskräfte innerhalb der bestehenden Gesellschaften. Ihn dirigiert die Staatsräson, und er verfügt damit über smarte Mittel der freiwilligen Selbststeuerung innerhalb dieser „Mehrheitsgesellschaft“. Ein solcher Terminus, und viele ähnlich gearteten, wie „Mitte der Gesellschaft“, „Wertegemeinschaft“, „Solidargemeinschaft“ u.v.ä.m. sind ihrerseits begriffliche Abkömmlinge desselben herrschenden Konsens. Um beim Exempel mit den Journalisten zu bleiben: Aufgrund des Konsens weiß jeder Reporter, was er seinem Redakteur an Bildern und Kommentaren anbieten kann und was nicht. Und der Redakteur weiß das gegenüber dem Verleger. Und der Verleger gegenüber entweder der Partei, der das Blatt gehört oder den Unternehmern, die das Blatt und den Verlag unterstützen, und schließlich aber nicht zuletzt den Abonnenten gegenüber, die das Blatt kaufen und dort inserieren. Daraus ergibt sich dann jener nur geringfügig variierte einheitliche Ton, immer die gleichen Bilder mit immer den gleichen Kommentaren, in allen Reportagen. „Das können wir unseren Lesern nicht anbieten“, „Das ist zu verkopft“, „Das verstehen unsere Leser nicht“, aber auch „Das ist es, was unsere Leser wollen“ – alles Standardäußerungen von Redakteuren infolge dieser Konsens-Mentalität. Einen unabhängigen Journalismus gibt es nicht und hat es nie gegeben! Und nun auf dieser konsensgestimmten Oberfläche plötzlich etwas Neues – das Modell Wikileaks: Hacker als Flaneure durch die geheimen Archive der Mächtigen erweisen derzeit zumindest den Ansatz für diese andere, diese prospektive Form für Öffentlichkeit. Der Kraft der Rhetorik, Hauptinstrument der kritischen Vernunft, ist hier vorangestellt die Kraft des minimalen Handelns mit maximalem Effekt: Einige Codes, die mittels einer Computertastatur geschrieben werden, eröffnen direkte Einsichten in bislang verborgen gebliebene Datenbanken der Mächte. Die invasiven Enthüllungen zuvor geheimer Maßnahmen von Staates-, Wirtschafts- und Geheimdienstseiten durch Privatpersonen geschehen überall: An allen beliebigen Orten können die server arbeiten, und praktisch jedem stehen nun diese Dateien zur Einsicht offen. Ortlosigkeit bei gleichzeitig hocheffizienter Wirksamkeit – das ist ein neuer Zustand der Wissensvermittlung. Wikileaks, das ist die Reformation der Informationsvergabe – die Umschichtung des Eigentums an Informationen, sodass sich hieraus einige Grundfragen neu formulieren: Was ist Gesellschaft? Wie und mit welchen Mitteln wird Gesellschaft regiert? Was ist Kritik? Und wer verfügt über wie viel an Wissen zur Kritik? Im Augenblick lässt sich sagen, dass durch dieses Forum namens Wikileaks die Öffentlichkeit sich einen Anteil an der Illegalität der Regierungsmächte erobert hat. Denn was vonseiten der politischen Mächte durch deren Mechanismen, in der Gesellschaft wirksam gemacht, im Verborgenen die Grenzen zwischen

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legal und illegal seit langem verwischen ließ, das findet sich nun im wahren Wortsinn veräußert, auf das helle Display gebracht, und praktisch jeder, der über diese technischen Einrichtungen verfügt, kann ihrer einsichtig werden. Die Sprache dieser enthüllten Veräußerungen entspricht in Ganzheit der Ur-Sprache für Herrschaft: Ohne den sonst gewollt karnevalesken Stil von Politikern erscheint plötzlich der Originalton, der die Margen an Bedenklichkeit zwischen Absicht und Ausführung verschwinden lässt. Es zeigen sich die Maßnahmen der Regierungs-, Geheimdienst- und der Wirtschaftsmächte als verordnete Akte purer Gewalt. Demgegenüber ist die vox populi sprachlos. Aber nicht, weil diese Dokumente so erschreckende, so kalte Wirklichkeiten bezeichnen, sondern weil diese Sprache der Verfügungsgewalt einen klaren Bruch vollzieht zwischen Obrigkeit und dem Rest; hier gibt es für die vox populi nichts mehr zum „Borgen“, nichts zum Sichanverwandeln. Man muss beispielsweise die Bilder der Bordkamera eines US-Militärhelicopters über Bagdad sehen und dazu die unmissverständlichen Befehle zum Abschießen von Zivilpersonen hören, um zu begreifen, dass angesichts dessen jeder Kompromiss, jede Verhandelbarkeit, auch jede Interpretation erloschen ist – im wahrsten Sinn sprechen hier die zu Bildern gewordenen Fakten für sich selbst, die Echtheit dieser Dokumente vorausgesetzt. Und wieder sieht die vox populi sich ihrer souveränen Autorschaft entzogen; nicht mehr fremde Texte von fremden Autoren sprechen hier für sie und geben ihr die Parolik vor – jetzt sind es die authentischen Bilder, die Befehle der Machtbefugten selbst, die sich aber nicht an die Bevölkerung, sondern über sie hinweg an jeweils ausführende Organe ihrer Kreise wenden, um daraufhin Effekte in den Feldern der Gesellschaft zu bewirken. – Ende der Gesellschaftlichkeit? Keineswegs. Wenn man unter Gesellschaftlichkeit die Netzwerke funktionaler Beziehungen zwischen einzelnen Kräften mit partikularen Interessen innerhalb eines juridisch, sozial, politisch, ökonomisch geregelten, gültigen Rahmens verstehen will, dann bietet sich durch die Erweiterung der Illegalität eine veränderte Gesellschaftlichkeit heraus oder hat dies längst getan, nur ausgesprochen findet sich dieser Umstand eher selten. Doch erhält Gesellschaftlichkeit eben dadurch auch eine Chance zu ihrer Erneuerung: Von alters her weiß man, dass Menschen nur dann und nur solange als bezähmbar sich erweisen, wie das Schwert über ihnen kreist – das gilt für Obrigkeiten ebenso wie für alle übrigen. Die Geschichte erweist die Notwendigkeit, zu allen Zeiten diejenigen mit zu vielen Machtbefugnissen, also diejenigen, die keine Angst mehr haben müssen vor den Konsequenzen ihrer Taten, ihrerseits durch das Schwert zu bedrohen. Und Schwert sei als Synonym gesetzt für die Positivität der Angst vor den Konsequenzen aus dem eigenen Tun; das Schwert mag Dreschflegel, Kalaschnikow oder USB-Stick heißen – Gesellschaft kann nur dann und nur solange ihre Form bewahren, wie sie sich der räuberischen, zügellosen Interessen Einzelner zu erwehren weiß. Und gesellschaftlich Neues kommt immer aus Übertretungen bestehender Gesetze hervor. Das erfordert als Erstes die Kontrolle der Kontrolleure, die die Mächtigen kontrollieren, was ihrerseits der Kontrolle bedarf. Die notwendige Weiterführung erscheint wie absurdes Theater, schließlich überwacht jeder sich selbst mit oberster Maßgabe zur Selbst-Anzeige. Also muss eine Grenze der Kontrollmächte

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eingesetzt werden, was heißt, einen bestimmten Anteil an Illegalität auf allen Seiten muss auch diese Gesellschaft sich leisten, um am Leben bleiben zu können. Daraus ergeben sich weitere Konsequenzen, die hier zu diskutieren zu weit führen würde. Nur soviel: Weil wir im Krieg der Märkte leben, setzt man auch in ökonomischer Hinsicht eine Kontrollgrenze als notwendig; Kontrolle verursacht Kosten, negatives Kapital. Infolge der Zulassung gewisser Raten für Illegalität aber dürften sich die Angebote auf dem Schwarzmarkt für illegale Handlungen verringern. Dieses Forum Wikileaks erbringt eine immense Anhäufung von WissensMacht, bietet somit einen enormen Attraktor für Demagogen und Geschäftemacher mit den brisantesten Waren: Wissen und Information. Zur Erinnerung: Kaum waren die ersten Veröffentlichungen dieser Art von Wikileaks publik geworden, traten einige Chefredakteure der internationalen Presse – von der New York Times, dem Londoner Guardian bis hinab zum Spiegel – auf den Plan, um dieses Forum für ihre Zwecke einzubinden und zu kanalisieren. Das Argument hierfür stammt aus der Vokabelliste des Konsens: eine unkommentierte, ungekürzte Veröffentlichung solcher Fakten überfordere das Publikum! Man hatte von Presseseite sofort die „Frischzellenkur“ erkannt, die man sich in informeller Hinsicht mit einer solchen Quelle verschaffen konnte und hatte das Recht und die Autorität der dann durch Auswahl zurechtgemachten Informationen für sich beanspruchen wollen. Nun hatte der Gründer dieses Internetforums und Hauptverhandlungspartner mit den Pressevertretern, Julian Assange, an bestimmte „konsens-heilige“ Abmachungen, wie sie bei den genannten Blättern mit den jeweiligen Regierungen, vorrangig aber mit dem US-Außenministerium, dem Pentagon und dem CIA, offenbar seit langem bestehen, mit voller Absicht nicht eingehalten und die Kanäle der eingefahrenen Routine zwischen Administration und „unabhängigem“ Journalismus vorsätzlich nicht bedient. Einflussnahmen von Regierungs- und Geheimdienstseiten auf die internationale Presse wurden daraufhin durch deren unverhohlene Drohgebärden offen bekannt. Und weil der Leviathan einmal wegen jener Veröffentlichkeit empfindlich sich getroffen zeigte, zum andern sein Scheitern in der gesuchten Dressur des abtrünnigen WikileaksGründers einsehen musste, erfolgte daraufhin das Standardprogramm gezielter Entwertung. Zunächst die absichtliche Akzentverschiebung in der Bedeutung dieser Veröffentlichungen, die „Boulevardisierung“: erst die Banalisierung von Fakten, darauf deren kommerzielle Aufbereitung, indem der Hauptakzent dieser Wikileaks- Veröffentlichungen angeblich auf der indiskreten Preisgabe von Aussagen internationaler Diplomaten über Regierungsvertreter liegen solle – die Pöbeleien aus den Hinterzimmern diplomatischer Empfänge. Derlei Akzenteverschiebungen im Nachrichtenwesen sind eine von vielen, seit langem bekannten Methoden zur absichtlichen Lüge mit der Wahrheit. – Als Weiteres, und empfindlicher, suchte man die Finanzierung dieses Internetforums auszuschalten. Und schließlich, ebenfalls der Methode „Boulevardisierung“ zugehörig, stellte man dem Wikileaks-Gründer wohl die „Honigfalle“: Zwei Frauen sollen von ihm sexu­ell missbraucht worden sein. Ich denke, Ihnen sind die betreffenden Berichte hierüber bekannt. Allerdings frage ich mich, was der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs mit der ermittlerischen Tätigkeit von Assange im Internet zu tun haben

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soll? Wenn Assange sich des Sexualdelikts schuldig gemacht haben sollte, dann müsste er dafür verurteilt werden wie jeder andere, der solche Tat beging. Privates und Berufliches in denselben Moraleintopf zu werfen, ist – neben der Alibifunktion – nichts anderes als das Bestreben von Heuchlern, die die Marken für moralische Unbedenklichkeit so hoch setzen, dass praktisch niemand sie erreichen kann. Was dem Effekt dient, daraufhin sich selbst jedes beliebige moralische Vergehen leisten zu können und mit dem Finger dabei hämisch auf die ­Anderen zu weisen, die es ja erwiesenermaßen auch nicht können. – Ich habe Ihnen dieses Vorkommnis so ausführlich nachgezeichnet, und verzeihen Sie, wenn ich dafür nur allseits Bekanntes verwendet habe, um ein Beispiel zu geben für die äußerst restriktive, auch heuchlerische Seite des Konsens, und zum andern, weil wir anhand dieses Vorfalls sozusagen in Echtzeit die aktuellen Grenzen für Gesellschaftlichkeit vorgeführt bekommen, sobald auf der einen Seite ungeheure, zuvor opak gehaltene Datenbanken auch über illegale Machtaktionen plötzlich öffentlich werden. Und auf der anderen Seite trifft dieses freigesetzte Machtwissen auf eine darauf tatsächlich kaum vorbereitete Bevölkerung. Wer wird sich künftig dieses mächtigen Reservoirs an Wissen bedienen und in welcher Weise? Welche Formen der Hierarchisierung werden durch die potentielle Macht angehäuften Wissens auch innerhalb dieses Unternehmensgeflechts sich ausbilden? Die Gefahr der Annexion dieser für Obrigkeiten durchaus gefährlichen Art von Veröffentlichkeit besteht eminent. Das hieße die Wiederholung von Aneignung, Recodierung und Rekolonisation des Wissens zum Entschärfen der verfemten Wissensoffenheit, um daraufhin dieses Reservoir an Wissen gewinnbringend den bestehenden Macht-Diskursen aufzupfropfen und in die herrschenden Machtwirkungen einzubeziehen. Mit einem Satz gesagt: Welche Einflüsse die Unterminierungs-, Kanalisierungs- und Korrumptionsbestrebungen auch vonseiten der herkömmlichen Wissensmächte gegenüber dieser neuen Form für Öffentlichkeit haben werden, das freilich bleibt abzuwarten. Desgleichen, ob diese Informationen aufseiten der Bevölkerung überhaupt Wirkungen zeitigen oder ob ihnen das gleiche Schicksal beschieden sein wird, wie seinerzeit dem „Hessischen Landboten“, für den sich letztlich auch nur Polizei und Gerichte interessierten. Eine Antwort, sehr geehrte Damen und Herren, bin ich Ihnen noch schuldig geblieben. Diese Antwort bezieht sich auf das Gravitationszentrum schlechthin für alles Leben. Eingangs in meinem Vortrag habe ich die Eine Freiheit in Opposition gesetzt zu den Freizügigkeiten. Letztere unterliegen der Dialektik, d.h. das Umschlagen in ihr Gegenteil ist ihnen inhärent, der Einen Freiheit nicht. Was nun ist diese Eine Freiheit? Worin besteht ein solch zeitinvariantes Element? – Eingedenk der Mahnung von Oscar Wilde, dass derjenige, der ein Thema zu erschöpfen sucht, in Wahrheit nur die Geduld seiner Zuhörer erschöpft, möchte ich die Antwort möglichst kurzhalten. Dazu werde ich Sie zunächst an einen Regierungsstil erinnern, dessen Anfang einige Autoren im 19. Jahrhundert setzen und den man bis heute in den Begriff der biopolitischen Macht gefasst hat. Biomacht – die Vereinnahme des Lebens der Menschen durch staatliche Bürokratie oder, wie es Michel Foucault auf die Formel brachte: „das Recht [des Souveräns], leben machen und sterben lassen zu können.“ Also die genaue Umkehr dessen,

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was zuvor das Recht des Souveräns, die „patria potestas“ (die väterliche Gewalt), ausmachte, nämlich sterben machen (durch Kriege, Todesstrafe) und leben lassen zu können. Der Souverän offenbarte einst seine Macht über das Leben durch den Tod, den von seinen Untertanen zu verlangen oder über sie zu verhängen er imstande war. Im 19. Jahrhundert aber hatten die bürgerlichen Staaten begonnen, das Leben zu verwalten, um es zu bewirtschaften und gewissermaßen als Unternehmen aufzufassen, auf der einen Seite mit Geburtenkontrolle, Krankenversicherung, Altersversorgung, Einrichtung von Sparkassen etc. Anderseits geschah die Verwandlung von Individuen zu Kollektiven, zu Massen, gefasst in Begriffe der Bevölkerung, deren Leben es in toto zu disziplinieren, zu ordnen und zu kontrollieren gilt. Was hieran zunächst als die große Konflikte-Befriedung mittels Bürokratie und Polizei erscheint, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit ebendiesen Zeiten des verwalteten Lebens auch die blutigsten Kriege und Völkermorde geschehen mit den meisten Toten; dass auf unbarmherzigste Weise in den Kliniken die „lebens“-verlängernden Maßnahmen an unzurechnungsfähigen Todkranken verordnet werden – gerade im Namen einer positiven Lebensmacht, die sich des Lebens aller unter allen Umständen angenommen hat. Töten und Sterben ist vital geworden. Im bisher letzten Höhepunkt der Biomacht stand die Drohung nuklearer Zerstörung sämtlichen Lebens im Namen des Lebens. Mit der Bemächtigung des Lebens durch den Staat geschieht zugleich die Ausgrenzung des Todes; das Thema des Todes ist disqualifiziert, weil der Tod genau die Grenze bezeichnet, jenseits derer die Bio-Politik ihre allumfassenden Machtwirkungen einbüßen muss. Von den kürzlich für die Öffentlichkeit aufbereiteten Medienkampagnen zum Thema Sterben und Tod lasse man sich nicht täuschen; die Tendenz dieser diskursiven „Todes-Schwemme“ geht immer auf das Leben: Es feiert die sportiv anmutenden Überwindungen von als tödlich geltenden Krankheiten, verzichtet nicht auf die mir besonders ärgerlichen Mystifizierungen aus den volkstümlich aufbereiteten Versatzstücken von Eschatologien, bemüht eine ganze Trost-Industrie – sodass am Ende dieser Medienkampagnen das Thema des Todes zerredet, ins Mahlwerk der staatlichen, kirchlichen und privaten Fürsorge und Kommerzialität zerstreut erscheint. Der Tod soll damit entwertet und umso deutlicher den Diskursen über das verwaltete Leben einverleibt werden. Denn der Tote ist nicht mehr verwaltbar, er ist dem Staat entkommen. Aus diesem Grund, mit einiger Abschwächung zwar, wird bis heute der Selbstmord in gewisser Weise als Verbrechen angesehen, man vergesse hierbei nicht den Einfluss der Kirchen!, zumindest als eine ominöse Tat, die immer nahe dem Pathologischen steht. Denn eine solche Tat eines Vereinzelten, der das Recht über seinen Tod in die eigenen Hände nimmt, dieses Recht also strikt privatisiert, hat sich eben dadurch der alles verwaltenden Staatsmacht ebenso wie den Geboten der Religionen entzogen. Vor diesem Hintergrund formuliert sich die Eine Freiheit als die souveräne Entscheidung des Individuums über seinen Tod. Und das sichtbar gewordene Aus-der-Hand-Geben des Todes-Monopols eines Staates – das wäre ein Kennzeichen für die Existenz der Einen Freiheit als bestimmende Größe dann für eine ganze Gesellschaft. – Die Asymmetrie in der Gestattung privater Geburtenvorsorge gegenüber der Verwerfung privater Todesvorsorge aber verfügt auch diese

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gegenwärtige Gesellschaft zu einer nur freizügigen Gesellschaft. Die Eine Freiheit evoziert sowohl die souveräne Ausübung des Todes eines Individuums als auch die „öffentliche Gestattung“ dieses individuellen Todes, wenn auch die Gründe hierfür nur für den Einen gültig und verständlich sein mögen. Damit wir uns nicht missverstehen: Natürlich kann auch heute jeder, dem danach zumute ist, sich jederzeit umbringen. Das ist nicht das Problem. Das Problem sind die Umstände, in die derjenige, der aus freien Stücken aus dem Leben gehen will, gezwungen wird. Ich vermute, Sie verfügen über genügend eigene Fantasie, sodass ich Ihnen die Schreckensgalerie der Suizide, zumal der missglückten, dieses Gestümpere am eigenen Tod mit all den entwürdigenden Begleitumständen aufzuzählen ersparen kann. Erbärmlich, demütigend, makaber bis lächerlich und schmerzenerfüllt immer – mit einem Wort: unmenschlich und einer Bestrafung gleich müssen derlei amateurhafte Zugriffe auf das eigene Lebensende sein. Was fehlt, ist die Natürlichkeit des Aus-der-Welt-gehen-Könnens, die derselben Natürlichkeit des In-die-Welt-kommen-Müssens entspräche. So wie es Geburtskliniken für alle gibt, wären Todeskliniken für alle einzurichten, unabhängig vom Geldbeutel und insbesondere unabhängig von kodifizierten Leidenslisten, deren gesetzlich verfügten Kriterien zufolge gegenwärtig das Recht auf den Tod gewährt oder verweigert wird. Doch nicht jeder, der seinem Leben ein Ende setzen will, muss ein unheilbar Kranker sein! Vielmehr denke man doch an die beliebte Bach-Kantate: „Ich habe genug“. Das Fazit meiner Ausführungen: Freiheit in ihrem vollen Umfang hieße, das Monopol des Todes aus der Hand der biopolitischen Staatsmacht genommen und zur Verfügung dem Individuum anheimgegeben, des auch in der ureigenen Angelegenheit seines Todes als mündig verstandenen Bürgers. Denn nimmt man den hier und heute gültigen Inhalt des Begriffs der Mündigkeit ernst, nämlich die Fähigkeit des Menschen zur sittlichen und geistigen, zur politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Selbstbestimmung, dann wird die Konsequenz aus der inneren Logik dieser Begriffsbestimmung heraus einen Status erstellen, der unteilbar ist. Also entweder ist „der“ Bürger mündig, wie ihm stets vor allen Wahlen konzediert, oder er ist es nicht, dann aber auch in allen Belangen nicht. Freilich dürfte die Mehrheit von dieser vorgestellten Option des institutionell ermöglichten Freitods niemals Gebrauch machen wollen, doch bedeutet allein die Möglichkeit hierfür ebenjenen Unterschied zwischen einer verschlossenen und einer offengehaltenen Tür. Und wenn die vox populi ihren Freiheitsanspruch im vollen Umfang benennen will, dann könnte sie, ihrem tradierten Stil gemäß, einen bekannten Ausspruch sich zu eigen machen, ihn erweitern, ihm und zugleich sich selbst zu einer Souveränität verhelfen. Diese Parole könnte nunmehr lauten: „Wir wollen mehr Freiheit wagen!“ Mehr über den Autor auf S. 20

Seit mehr als 200 Jahren werden in der Provinz Tarragona im Nordosten Spaniens während Feierlichkeiten sogenannte „The Human Towers“ oder, auf Katalanisch, „Castells“ aus Hunderten von Menschen erbaut. Der Fotograf David Oliete hat diese menschlichen Türme in einer Serie von Fotos zu erfassen versucht.

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Bayerische staatsoper

Bühnen-Dinner ein künstlerischer und kulinarischer Abend auf der Bühne des nationaltheaters mit den Künstlern der Bayerischen Staatsoper. Der Spendenerlös des Bühnen-Dinners kommt dem Campus-Programm zugute. Di, 17.09.2013, 18:30 Uhr Bühne des Nationaltheaters

Detaillierte informationen und Tickets erhalten Sie direkt über das Development-Büro:

Max-Joseph-Platz 2 80539 München

www.staatsoper.de buehnen-dinner@staatsoper.de

T + 49.(0)89. 21 85 10 40 F + 49.(0)89.211 04 80 15


Von der ewigen Wiederkehr­ des Feierns

ZeitgenĂśssische Fotografien von Iwajla Klinke und Anne-Sophie Stolz.

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Zu den Arbeiten von ­Iwajla Klinke.

Eine der schädlicheren Auswirkun­ gen des globalen Kapitalismus ist die grassierende Uniformität von Stilen und Erscheinungsbildern unter der Bezeichnung „Populärkultur“. Ver­ gleichbar mit der weltweiten Verbrei­ tung von Englisch als Verkehrsspra­ che, funktioniert auch diese Popu­ lärkultur wie eine solch universelle Sprache – eine, deren Zeichen in ­unserer heutigen Welt zwangsläufig jeder verstehen muss. Die destruk­ tiven Auswirkungen dieses Phäno­ mens auf regionale Kulturen und de­ ren Ausdrucksformen sind wohlbe­ kannt. Deswegen muss jede ernst­ hafte Globalisierungskritik Strate­ gien zur Erhaltung dieser Kulturen entwickeln. Genau zum richtigen Zeitpunkt tritt nun die Künstlerin Iwajla Klin­ ke in Erschei­nung, bestens gerüstet, uns einen Blick auf eben jene Mikro­ welten zu gewähren, die widerstän­ dig bleiben gegenüber dem Wesen unbedingter Zeitgenossenschaft. Gleichwohl sind Klinkes Fotografien weltumfassend. Die Künstlerin be­ schränkt sich nicht auf eine bestimm­ te Kultur oder Region, sondern hat sich auf die Reise gemacht, um ihren Blick auf solch schnell verschwin­ dende Volksgruppen für uns festzu­ halten. Diese Gesellschaften verbin­ den uns mit alten mythischen und rituellen Traditionen, mit R ­ iten, die noch in unseren Alltag h ­ ineinwirken, ob wir das nun wahrnehmen oder nicht.

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Klinke bedient sich der klassischen Porträtfotografie und zeigt ihre Mo­ delle entweder in traditionellen Trachten oder anderen handgefer­ tigten Kreationen, die Erinnerungen an alte feierliche Handlungen wecken. Dunkler Hintergrund und natürliches Licht lenken unseren Blick auf feins­ te Details und Ornamente der Trach­ ten. Klinke zeigt den ungewöhnlich ehrfürchtigen und entschlossenen Ausdruck auf den Gesichtern. Diese Gesichter zeugen von einer Weltlich­ keit, die viel weiter geht als unser traditionelles kosmopolitisches Kon­ zept dieses Begriffs, von einer Welt­ lichkeit, die erdgebunden ist, einge­ schrieben in die Ränkespiele einer allgegenwärtigen Vergangenheit. Einmal reiste Klinke während der Heiligen Woche nach Sizilien, um dort beim festlichen Umzug ge­ schmückte Teilnehmer für ihre Por­ träts auszuwählen. Mit barockem Prunk, mit Würde und Ehrgefühl nehmen auch dort die Kinder ihre apostolischen Rollen an. Dabei er­ scheint der Gegensatz zwischen ih­ ren ausnehmend farbenfrohen, de­ tailreichen Roben und heiligen Ge­ wändern und dem pechschwarzen Hintergrund, vor dem sie fotografiert werden, wie der schiere Abgrund zwi­ schen der Welt und dem ewigen Dun­ kel, aus dem alles hervorkam und worin alles eines Tages wieder ver­ schwinden mag. Was aber unterscheidet diese fo­ tografischen Arbeiten von einer bloß kulturanthropologischen Übung? Trotz eines anscheinend esoterischen Themas ist Klinkes Blick niemals klinisch oder willkürlich. Stattdes­ sen zeigt sie ihre Modelle mit der gleichen Ehrfurcht und Wertschät­ zung, mit der auch diese ihre alljähr­ lichen Rituale ausüben. Man könnte sagen, dass die Fotografie Iwajla Klinkes eigenes Ritual ist, eines, des­ sen Nachwirkungen sie großzügig teilt. Sogar ihre Vorgehensweise ist quasi-ritualistisch. Auf Reisen ent­ wickelt sie ihre Fotografien nämlich mit der gleichen Methode wie im ei­

Text Travis Jeppesen

Rituale, gebannt

genen Studio im schäbig-schicken Berlin-Kreuzberg. Sie vermeidet künstliches Licht und macht ihre Shootings stattdessen immer bei Ta­ geslicht direkt neben einem Fenster. Da es in Deutschland relativ wenige Sonnenstunden im Jahr gibt, ist das Licht für gewöhnlich sehr weich, matt und blass, wodurch der innere Glanz ihrer Modelle den Rahmen ganz aus­ füllen kann. Die Fotografien, die ein­ fach und spontan wirken, entstehen jedoch während stundenlanger Ses­ sions, wobei die Künstlerin hunder­ te von Fotos macht, von denen sie dann oft nur ein einziges auswählt. Ihre Modelle treten so in eine Art meditativen Zustand und überlassen sich ganz dem Arbeitsrhythmus der Künstlerin. Dies ist vielleicht der Grund für die Ruhe, die Gelassen­ heit, die fast alle Figuren auf Klin­ kes Fotografien ausstrahlen. Klinkes Kinder verkörpern Zu­ kunft und Vergangenheit. Man kann keine lebenswerte Zukunft beschwö­ ren ohne tiefergehende Beschäftigung mit der Vergangenheit, ohne Oberflä­ chen aufzubrechen. Iwajla Klinkes Arbeitsweise bewegt sich in der Tat über den begrenzten Anspruch der zeitgenössischen Fotografie hinaus. Am besten wird man ihr wohl gerecht, wenn man ihre Fotografien neben die Bilder der Alten Meister stellt, die sie inspirieren. Man denkt dabei so­ fort an die Helldunkelmalerei von Jean Barbault und Caravaggio. Indem sie die merkwürdigen Ursprünge un­ seres zeitgenössischen Gefüges zum Vorschein bringt und den Blick dar­ auf bannt, lässt Iwajla Klinke das Er­ habene wiederauferstehen und ent­ wirft eine neue politische Sicht auf unsere Wirklichkeit. Aus dem Englischen von Sabine Voss

Travis Jeppesen ist Kunst­kritiker und lebt in Berlin und London.

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Iwajla Klinke

Anne-Sophie Stolz

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ohne Titel Serie Kirchweih Rumänien 2011 Das ursprünglich deutsche Dorf ­Sântana im rumänischen Kreischgebiet ist eines der wenigen Dörfer, ­in denen die alten deutschen Riten noch immer begangen werden, obwohl die deutsche Bevölkerung es fast vollständig verlassen hat. Das Kirchweihfest im Sommer war jahrhundertelang das wichtigste Fest im Dorf und wird jetzt von der rumänischen Bevölkerung begangen.

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ohne Titel Serie Brautkronen Schwalm 2011 Das Mädchen trägt eine traditionelle Schwälmer Brauttracht anlässlich der jeden Sommer ­gefeierten Ziegenhainer Salatkirmes, einer fast 300 Jahre ­alten Kirmes im Schwälmer Land in Hessen.

Iwajla Klinke lebt in Berlin.

Gäg 2011 Der Gäg, eine Figur der schwäbisch-alemannischen Fasnacht, ist in Neustadt beheimatet. Sein schrilles Häs (gängige Bezeichnung der närrischen Kostümierung), die rot-weiße Zipfelmütze, Strümpfe und Schellen tragen zu seiner heiteren Erscheinung bei. Tannenzapfen und Silberdistel auf dem ledernen Brustlatz stehen symbolisch für die Schwarzwälder Herkunft.

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Hexe 2010 Die alemannische Fasnacht hat ihren Ursprung in den heidnischen Bräuchen des Winteraustreibens. Nahezu jeder Ort hat eine ausgeprägte Fasnachtskultur und verschiedenste Figuren und Gebräuche im Laufe der Jahrhunderte hervorgebracht. Doch am populärsten und gefürchtetsten sind die Hexen. Diese stammt aus Achern und deutet mit ihrem Gewand eine Marktfrau an, von denen damals einige als Hexen verfolgt wurden.

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Esel 2011 Der Esel gehört zur Fasnachtsgesellschaft „Allda Esel“ in Kappelwindeck. Mit seiner lachenden Eselslarve (allgemeine Bezeichnung für die handgeschnitzten Holzmasken) und viel Musik zieht er an den närrischen Tagen stimmungsvoll durch die Stadt.

ohneTitel Serie Winterrituale Italien 2012 In den Bergen nordöstlich von Trient im kleinen Fleimstal ­findet einmal im Jahr der winzige Carnevale dei Matoci statt, einer der ältesten in den Alpen.

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ohne Titel Serie Winterrituale Österreich 2011 Gleich alten Fruchtbarkeitsgöttern schreiten die Flinserl vollkommen verhüllt am Dienstag vor Fasnacht durch Bad Aussee im steirischen Salzkammergut.

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Zu Ehren des deutschen Malers Hans Thoma findet seit 1949 alljährlich ein großes Heimatfest statt. In buntem Treiben – mit Gesang, Tracht und Tanz – wird durch die Straßen Bernaus gezogen.

ohne Titel Serie Winterrituale Schweiz 2012 Der Junge gehört zu den Röllelibutzen in Altstätten im St. Galler Rheintal. Einmal im Jahr, am Donnerstag vor Fasnacht, ­gehen sie durch den Ort. Es ist ein sehr alter Brauch und viele der „Kronen“ ­sind über Generationen überliefert. Der Kopfschmuck hat vieles gemeinsam mit den alten Brautkronen der Mädchen. Die erwachsenen Männer verhüllen später ihre ­Gesichter mit alten Drahtmasken, die jüngeren noch nicht.

Umzug Bernau 2011

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Mummelseekönig 2011 Diese prunkvolle Gestalt lebt hoch oben auf der Hornisgrinde im Mummelsee, einem der bekanntesten Karseen des Schwarzwaldes. Dieser See wird aufgrund des tiefdunklen Wassers auch als das dunkle Auge des Schwarzwaldes bezeichnet. Die mystische Atmosphäre hat schon früh zur Sagenbildung beigetragen, und wohl bis heute lebt der sagenumwobene Mummelseekönig mit seinen Töchtern, den Nixen (auch Mümmlein genannt), in den Tiefen des Mummelsees.

Anne-Sophie Stolz lebt und arbeitet im Schwarzwald, wo auch ihre Fotografien ­entstehen.

Portfolio 91 Rubrikentitel 91


„Eine Oper, bei der das Volk im Mittelpunkt steht, und das Requiem des Komponisten, der die Stimmen des Volkes auf die Opernbühne geholt hat – dank der BMW Niederlassung München findet unser Spielzeitthema vox populi bei Oper für alle ein Wochenende lang geradezu seinen idealen Ausdruck.” Nikolaus Bachler, Staatsintendant

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„Die besondere Atmosphäre unter freiem Himmel hat eine ganz eigene Dynamik, die sich nicht in Worte fassen lässt. Wenn ich das diesjährige Programm betrachte, sehe ich schon jetzt ein Leuchten in den zahlreichen Gesichtern vor mir. Ich freue mich auf dieses einzigartige Kulturerlebnis.“ Peter Mey, Leiter der BMW Niederlassung München


Giuseppe Verdis Messa da Requiem und Boris Godunow von Modest Mussorgsky Seit Beginn dieser Spielzeit horcht die Bayerische Staatsoper unter dem Begriff vox populi den Stimmen des Volkes nach. Ein Wochenende mit kostenfreien Aufführungen unter freiem Himmel liegt da natürlich besonders nahe. Bereits zum 16. Mal wird dank der BMW Niederlassung ­München eine Opernaufführung audiovisuell auf den ­ Max-­Joseph-Platz übertragen und ein Konzert mit dem Jugendorchester ­ATTACCA und dem Bayerischen ­Staats­orchester auf dem ­Max-Joseph-Platz stattfinden.

OPER FÜR ALLE Boris Godunow Oper in vier Teilen (sieben Bilder) Von Modest Mussorgsky

Illustration Friederike Groß

Unter FREIEM Himmel – Oper für alle

„Libera me“, fleht der Sopran am Ende von Giuseppe Verdis Messa da Requiem, der Ruf nach Befreiung und Errettung vom ewigen Tod wird zum ergreifenden persönlichen Wunsch. Bestimmt werden mehrere tausend Menschen beim Oper für alle­ Konzert auf dem Max-Joseph-Platz den Atem anhalten, wenn Verdis geistliches Meisterwerk unter dem nächtlichen Himmel verklingen wird. Bis zu diesem berührenden Ende offenbart Verdis Requiem sämtliche theatralen Kunstgriffe wie den zarten Beginn des Chores oder die furchterregenden Trommelschläge und fallenden Kaskaden im erschütternden „Dies irae”. Aus der Kirche heraus drängt dieses opulent komponierte Werk seit seiner Entstehung, obgleich es 1874 in der Mailänder Kirche San Marco uraufgeführt wurde. Bei der Münchner Freiluftaufführung steht der langjährige Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper und Ehrendirigent des Bayerischen Staatsorchesters, Zubin Mehta, am Pult. Um Freiheit geht es auch in dem Werk vor Verdis Requiem. Ludwig van Beethoven komponierte seine Musik zu Johann Wolfgang Goethes Schauspiel Egmont im Jahr 1809, als Wien von Napoleons Truppen besetzt war. Der Freiheitskampf der Niederlande gegen die spanische Herrschaft in Egmont erhielt durch die aktuelle politische Situation eine besondere Brisanz. Heute ist von Beethovens Schauspielmusik, die 1810 im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde, vor allem die Ouvertüre geblieben, die das Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters ATTACCA am Beginn des Festspiel-Konzerts spielen wird. Am Tag vor diesem Konzert überlagern sich die allgemeinmenschliche Sehnsucht nach persönlicher Freiheit und die politische Freiheit. Modest Mussorgskys Oper Boris Godunow thematisiert sämtliche Aspekte von Freiheit: die des Volkes, das sich vom autoritären Herrscher unterdrückt fühlt; dessen eigenen Kampf um Freiheit zwischen intrigierenden Kirchenvertretern und politischen Ideen; den Versuch des jungen Grigorij, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen. Der eigentliche Protagonist dieser Oper ist der Chor, das Volk, dem Mussorgsky als einer der ersten Komponisten solch eine gewichtige Stimme auf der Opernbühne verliehen hat. Auch deshalb fügt sich die Neuinszenierung unter der Leitung von Generalmusikdirektor Kent Nagano und dem Regisseur Calixto Bieito ins das spielzeitübergreifende Thema vox populi. Diese vielfältigen Stimmen werden sich bei Oper für alle über den Max-­ Joseph-Platz verbreiten. In Bieitos bestechender Interpreta­ tion werden die Fragen nach Freiheit, Macht und Manipulation zu dringlichen Themen unserer eigenen Zeit. OAS/AS

Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater Die Vorstellung wird zusätzlich im Rahmen von STAATSOPER.TV live im Internet übertragen. Freitag, 26. Juli 2013, Max-Joseph-Platz Festspiel-Konzert Oper für alle Samstag, 27. Juli 2013, Max-Joseph-Platz Ludwig van Beethoven – Ouvertüre zu Egmont ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Giuseppe Verdi – Messa da Requiem Bayerisches Staatsorchester und Chor der Bayerischen Staatsoper Eintritt frei

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Vom Glück des Singens Das Singen und das Musikhören gehören zu den natürlichsten und ältesten Vorgängen unseres Daseins – und zu den geheimnisvollsten. Schon ab dem fünften Monat unserer Existenz, noch im Mutterleib, können wir hören. Besonders prägt uns die Stimme der Mutter, die mit uns spricht und uns Lieder vorsingt, was für die allermeisten Kinder der erste musikalische Reiz ihres Lebens ist. Dabei gleichen sich quer durch alle Kulturen die Kinder- und Wiegenlieder auf verblüffende Weise: Sie sind melodiös, vermeiden große Intervallsprünge, erstrecken sich dabei selten über den Tonumfang einer Oktave in mittlerer Lage hinaus und sind eher langsam bis mittelschnell. Seit Urzeiten haben die Mütter beobachtet, dass ihre Kinder auf diese Musik mit dem größten Wohlbefinden reagieren – zumindest für das noch unreife Gehirn scheint diese Art der Musik die genetisch programmierte Grundeinstellung zu sein. Und obwohl die Liedtexte oft sehr schön sind, kann die Mutter ebenso la-la-la oder mit offenen Vokalen singen, so wie es die kleinen Kinder dann bald auch selbst tun und wie es Komponisten als Vokalise zu einer eigenen Kunstform erhoben haben. Menschheitsgeschichtlich gesehen dürfte das ohnehin die ursprüngliche Form des „Singens“ sein. Denn trotz mancher (Schein-)Parallelität zwischen Sprache und Musik gehen die meisten Forscher heute nicht nur davon aus, dass beide sich unabhängig voneinander entwickelt haben, sondern dass es die Musik (in welch primitiver Form auch immer) vor der Sprache gegeben hat. Aus neurologischer Sicht ist Musik eben nicht eine „Sprache ohne Worte“. Das Verständnis für die Sprache und die Musik sind im Gehirn an verschiedenen Orten repräsentiert. So gibt es im Großhirn unter anderem das Brocasche Sprachzentrum als anatomisch definiertes Areal für die Sprachmotorik und das Wernicke-Zentrum als Sitz des Sprachverstehens. Demgegenüber existiert kein „Musikzentrum“. Nicht einmal früher hypothetisierte „Unterzentren“ etwa für Rhythmus, Harmonie oder Melodik wurden gefunden. Zwar gibt es Hinweise, dass Tonhöhen, Klänge und Melodien eher in der rechten und der Rhythmus eher in der linken Hirnhälfte verarbeitet werden, aber zu allgemein gültigen Ergebnissen hat das nicht geführt – mit einer einzigen Ausnahme: Der Sitz des absoluten Gehörs (falls man es hat) ist das Planum temporale im Schläfenlappen der linken Hirnhälfte. Was alles andere betrifft, kann man so weit gehen und behaupten, die Musik im Gehirn sei überall und nirgends, zumal es zeitlebens auch eine faszinierende Fähigkeit zur Re- und Neuorganisation behält. Beispielsweise erklärt man die oft faszinierende musikalische Sensibilität von Menschen, die an bestimmten Formen der Blindheit leiden, damit, dass das Gehirn die nicht mehr benötigte Sehrinde im Cortex zum Hören umprogrammiert. Musik wirkt nicht nur über die lange bekannten, im Innenohr beginnenden Hörbahnen, die ins Großhirn führen. Seit einigen Jahren weiß man, dass es zusätzlich eine direkte Vermittlung des Musik-Erlebens über das entwicklungsgeschichtlich sehr alte Kleinhirn gibt, das in viel mehr kognitive und affektive Prozesse eingeschaltet ist, als man noch vor kurzem glaubte. Lange galt die Steuerung von unbewussten Bewegungen, Muskel- und Stellreflexen als die Hauptaufgabe des Kleinhirns, die „Motion“. Das daraus abgeleitete Wort „E-motion“, also eigentlich die „Heraus-Bewegung“, ist der grandiose Fall einer sprachlichen Ableitung, die später (zufällig) eine neurophysiologische Bestätigung fand. Wenn wir plötzlich aus dem Tiefschlaf aufschrecken,

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Fotografie Nick Cave Text Thomas Richter

weil ein lautes Geräusch uns weckt, wird dies über das Kleinhirn vermittelt – für Steinzeitmenschen konnte die Emotion in Form der Bewertung des Geräusches als mögliche Gefahr und die gleichzeitige Motion als Fluchtreflex lebensrettend sein. Allgemeiner gesagt: Das Kleinhirn ist Teil unseres verstandesmäßig nicht zugänglichen musikalischen Bewertungssystems (auch heute noch verbunden mit der Bewegung: Bei manchen Liedern muss man einfach mitschunkeln, mitklatschen oder mit den ­Füßen den Takt stampfen). Und weil seine Schaltungen sich an unserer Ratio vorbeimogeln, sind (auch) diese es, die uns in den magischsten Momenten Mystik, ­orgasmusähnliche Ichvergessenheit, metaphysische Erotik, Entpersonalisierung und Religionsersatz vermitteln, erst recht in der Gemeinschaft. (Auch) das erklärt, warum die Opernhäuser voll und die Musikfestspiele ausgebucht sind, denn wenn es nur um die Musik selbst ginge, könnte man sich auch zum Bruchteil des Preises einer Eintrittskarte (so hoch sie auch subventioniert sein mag) eine CD kaufen und zu Hause entspannt bei einem Glas Wein hören. Stattdessen nehmen wir lange Anfahrten, u­nbequeme Sitze und hustende Nachbarn in Kauf und sind dennoch oft begeistert von einem Abend in der Oper, und bei aller Begeisterung über herausragende Solisten sind es manchmal die Massenszenen, die die großartigsten Eindrücke hinterlassen. Wenn im Parsifal der Chor Zum letzten Liebesmahle singt oder in Nabucco der Gefangenenchor, läuft es vielen heiß und kalt den Rücken herunter. Auch die Tatsache, dass selbst die wohl intimste und weltverlorenste aller Opern, Tristan und Isolde von Richard Wagner, nicht ohne Chor auskommt, verdeutlicht, wie sehr ihr Schöpfer sich dessen hypnotischer Suggestion bewusst war. Apropos „heiß und kalt“: Dieses Gänsehautgefühl ist eines der am besten untersuchten Phänomene überhaupt in ­Bezug auf die emotionale Wirkung von Musik. Dabei werden Teile des Mittelhirns, des frontalen Cortex, das linke ventrale Striatum und der Nucleus accumbens verstärkt durchblutet. Besser merken kann man sich sicher, dass es dieselben Strukturen sind, die bei Lust auf Essen und Sex und nach der Einnahme von Drogen aktiv sind. Wie kurz erläutert, haben Musik und Sprache anatomisch-physiologisch fast nichts und auch menschheitsgeschichtlich deutlich weniger miteinander zu tun, als einem der gesunde Menschenverstand suggerieren würde. Die Beschreibung und Bewertung dessen, was sich beim Singen im Gehirn abspielt, ist so komplex, dass der Neurowissenschaftler Teil eines multidisziplinären Teams wird. Zudem ist es für das Gehirn ein großer Unterschied, ob man allein singt oder in Gemeinschaft und ob es sich um einen stark am Text ausgerichteten Gesang handelt (das Kunstlied kann hier als Beispiel dienen) oder einen Gesang, bei dem das Wort eher unwichtig ist. Ein gesundes Kleinkind entdeckt bald die Möglichkeiten seiner Stimme. Es schreit laut oder leise, an- oder abschwellend, hoch oder tief, rhythmisch oder unrhythmisch und entdeckt jene Ausdrucksformen, die es später im Leben lernt, als Metrik, Dynamik, Tempo und Rhythmus zu bezeichnen. Und zusammen mit anderen findet es heraus, dass man auch „gemeinsam schreien“, später dann gemeinsam singen kann, und das zu einer Zeit, da an das Erlernen eines Instrumentes noch nicht zu denken ist: Die eigene Stimme ist das natürliche Instrument, noch dazu jenes, das durch die Gesänge der Mutter ein Leben lang positiv besetzt ist. Dieses Instrument trägt jeder immer mit sich, man braucht keine Ausbildung, um es zu benutzen (als professioneller Sänger auf der Bühne natürlich sehr wohl), und schon in der frühen Kindheit erfahren die meisten von uns, wie befriedigend, ja berauschend es ist, die Stimmen gemeinsam zu benutzen. Erstens, sagt der Musiker, weil wir zusammen polyphone Klänge erzeugen können, zweitens, ergänzt der Neurophysiologe, weil Hypophyse und Hypothalamus Endorphine („Glückshormone“) freisetzen, und drittens, fügen der Soziologe und der Psychologe hinzu, weil das gemeinsame Musizieren den Zusammenhalt der Gruppe und das kooperative Verhalten stärkt. Jedes Individuum erfährt hier in gewisser Hinsicht noch einmal ein Stück Menschheitsgeschichte, denn schon der frühe Homo sapiens und der Neandertaler haben gemeinsam „gesungen“, um diese hormonell induzierten Glücksgefühle hervorzurufen und das

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Zusammengehörigkeitsgefühl der Sippe zu festigen. Als die Menschen zahlreicher wurden und begannen, sich um die besten Jagdgründe zu streiten, werden die Gruppen, die ihre Gemeinschaft durch Singen und Trommeln stärkten, einen Selektionsvorteil gehabt haben: Die erfolgreiche Jagd war, abgesehen vom kaum sättigenden Erlegen von Kleintieren, nur in der Gruppe möglich. Das individuelle Glück des Singens ist also, sobald es in der Gruppe praktiziert wird, durchaus zwiespältig: Das Stärken der Gemeinsamkeit und das damit verbundene Abgrenzen von den anderen sind zwei Seiten derselben Medaille. Dennoch: Ob Schulchor oder Kirchenchor, das Singen rund ums Lagerfeuer oder beim Wandern, Karnevals- und Oktoberfestgesänge, das sei es auch noch so schiefe Mitsingen beim Konzert der Lieblingsband, die Fangesänge im Fußballstadion – all dies weckt oder stärkt das Gemeinschafts- und Selbstwertgefühl und die kulturelle Identität. Formbezeichnungen wie Klage-, Liebes-, Arbeits-, Spott- oder Kirchenlied verweisen zusätzlich auf den Symbolgehalt des Singens und ihren (oft auch verwirklichten) Anspruch, Emotionen auszudrücken oder zu regulieren. Dabei ist das Singen in höchstem Maße demokratisch: Jeder hat das Instrument, und anders als der angeblich auch so gemeinschaftsfördernde Sport können junge und alte Menschen, Männer und Frauen, Menschen mit Behinderung und ohne es gemeinsam tun. Was ist aber nun mit der Sprache? Da die Sprache in der Regel nicht unbewusst wahrgenommen wird, wirkt ein Lied, bei dem der Text im Vordergrund steht und verständlich ist, vermutlich eher durch das Großhirn und ist damit der Reflexion zugänglich. Wer sich zum Beispiel Franz Schuberts Winterreise anhört, für den ist der Text mindestens so wichtig wie die Musik, doch ausgehend von diesem Erlebnis sind zahlreiche Abstufungen denkbar, bei denen der Text immer unwichtiger oder unverständlicher wird bis hin zu jenen mächtigen Opernchören, bei denen niemand mehr etwas versteht und sich der Text in einem nicht-sprachlichen musikalischen Rausch auflöst, der dann doch wieder von unserem archaischen Kleinhirn vermittelt wird. Dass hierbei auch wieder Vermischungen mit dem Gruppenerlebnis auftreten (beispielsweise beim Singen während der Christmette, wobei der Ort der Zusammenkunft zusätzlich eine ganz eigene Magie entfaltet – Bayreuth lässt grüßen), zeigt, auf wie vielen Ebenen der Gesang unser Gehirn beeinflusst. Es handelt sich um den komplexen Fall eines multifaktoriellen Reizes, der im Gehirn ebenso multifaktoriell wirkt. Eine einfache Reiz-Wirkungs-Korrelation, bei der eine einzelne Ursache eine einzelne, messbare – und reproduzierbare – Reaktion auslöst, gibt es dabei nicht einmal, wenn man nur ­einen Menschen betrachtet: Wer im Stau steht und einen wichtigen Termin verpassen wird, bewertet das im Radio gespielte Lieblingslied sicher anders als beim entspannten Sonntagsausflug. Jedenfalls wäre es ein hochinteressantes Forschungsprojekt, demselben Publikum eine unbekannte Oper, am besten in einer fremden Sprache, zunächst ohne und danach mit Übertiteln (in der eigenen Sprache) vorzuführen. Natürlich wirkt die Oper auch durch die Inszenierung, aber ob das Gehirn auf ein Werk, dessen Text man versteht oder kennt, anders reagiert als auf dasselbe Werk, bei dem das nicht der Fall ist, ist eine sehr spannende und bislang unbeantwortete Frage. Nach allem, was wir bisher wissen, wird die Antwort darauf vermutlich „Ja“ lauten.

Thomas Richter ist promovierter Mediziner und Buchautor. Jüngst veröffentlichte er bei Reclam das Buch Warum man im Auto nicht Wagner hören sollte. Mehr über den Fotografen Nick Cave und seine „Soundsuits“ auf S. 14

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Text Bert Rebhandl

„Mit Musik kann man hervorragend rebellieren – ­ vor allem mit Schönberg“

Zehn Stichworte ­ für Axel ­Ranisch, der für ­die ­Mün­ch­-­ ner Opernfestspiele Oper und Kino an einem Abend verbinden wird. The Bear / La voix humaine

English Excerpt Page 228


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Seine erste Operninszenierung: Es wird ein Abend mit zwei Einaktern, die nicht gerade berühmt sind: La voix humaine von Francis Poulenc und Der Bär von William Walton. Zwei kurze Opern des 20. Jahrhunderts. In beiden Fällen gibt es dramatische Vorlagen, einmal von Cocteau, einmal von Tschechow. Die beiden Opern haben viel miteinander zu tun, es geht um unerfüllte Liebe und um zwei Frauen, die sich möglicherweise in die falschen Männer verliebt haben. In der einen gibt es ein Happyend, in der anderen nicht. Diese beiden kurzen Opern werde ich miteinander verknoten. Wir werden mit Film arbeiten. Aber so richtig mit Film. Nicht einfach Projektionen oder bewegtes Bild in der Kulisse, sondern Kino. Die Vorstellung findet dann auch im Kino statt. Es wird teilweise live gespielt. Es gibt Sänger und Schauspieler. Ich bin ein großer Opernliebhaber, aber ich glaube nicht, dass Herr Bachler davon wusste, als er ein Interview mit mir im Radio hörte, in dem ich über meinen ersten Kinofilm Dicke Mädchen sprach. Den hat er sich daraufhin noch am selben Abend angesehen. Er war begeistert und erzählte seinem Team davon. Und so wurde ich kontaktiert: „Begeistert von Ihren Werken, fragen wir uns, ob Sie sich nicht auch Sehr gutes Musiktheater vorstellen könnten“, in Anspielung auf meine Produktionsfirma Sehr gute Filme. Herr Bachler hat das später ein wenig lockerer formuliert: „Denken Sie sich was aus.“ Mein Film Dicke Mädchen hat 517,32 Euro gekostet, vielleicht hat er ein bisschen gehofft, dass ich für so eine Summe auch Oper mache. Aber ich kann beruhigen: Wir werden richtig bezahlt. 2 Die Auswahl der Stücke: Rainer Karlitschek, Dramaturg an der Bayerischen Staatsoper, hatte sich schon ein paar Gedanken gemacht. So warfen wir uns in der Vorbereitungsphase einige Stücke hin und her. Lange Zeit war unklar, ob wir etwas komplett Neues machen oder auf ein existierendes Werk zurückgreifen. Irgendwann standen dann die beiden Opern im Raum und mir wurde klar: Sie gehören zusammen! Die Poulenc-Oper ist ja im Grunde eine dreiviertelstündige Heulorgie einer jungen Frau, die am Telefon hängt und sich in mehreren Eskalationsstufen von ihrem Geliebten verabschieden muss. In Der Bär passiert in einer Dreiviertelstunde zwischen drei Personen so ungeheuer viel wie sonst nur in einer Staffel Lindenstraße. Es geht um Frau Popova, eine Witwe. Ihr verstorbener Mann war eigentlich ein Arschloch. Sie hat nach seinem Tod aber trotzdem beschlossen, sich in ewiger Treue einzusperren, um sich auf diese Weise an ihrem Mann zu rächen. Eine ganz perfide, masochistische Abwehrrache. Und dann kommt so ein ungehobelter, unrasierter Typ zur Tür hereingeplatzt und behauptet, dass ihr verstorbener Gatte unglaubliche Schulden bei ihm hatte. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen der Popova und diesem Smirnow, und der langjährige Diener, der die Frau immer schon geliebt hat (zumindest meine Lesart), muss ohnmächtig dabei zusehen.

Der junge Berliner Filmregisseur Axel Ranisch überraschte mit seinem Film Dicke Mädchen auf zahlreichen Festivals im Kinojahr 2012. Er gründete seine eigene Produktionsfirma und verfasste sein Manifest: Sehr gute Filme. Und: Er ist ein Opernliebhaber. In einem der schönsten Programmkinos Münchens in Opernnähe – ­ dem Theatiner Film – wird er seine filmischen Mittel der Improvisation und raschen Produktion mit der Kunstform Oper zusammenbringen. Aber ganz genau erzählt der Künstler darüber im Text selbst …

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3 Seine Biografie: Ich sage immer, weil es einfach stimmt: Axel Ranisch wurde 1983 als dickes Kind von zwei Leistungssportlern in Berlin-Lichtenberg geboren. Meine Mutter war Leichtathletin, mein Vater Wasserspringer. Das sieht man den beiden heute aber nicht mehr an. Ich lebe jetzt wieder in der Wohnung, in der ich aufgewachsen bin. Ein Plattenbau, WBS 70 „Wohnungsbauserie 70“, ein totaler Exportschlager der DDR, steht so auch in der Mongolei. Mit 20 bin ich mal in den hippen Bezirk Friedrichshain gezogen, nach einer Weile dachte ich mir aber, ich muss wieder zurück, und zwar dringend. 1990 hatte mein Vater einen Trainingslehrgang in der Tschechoslowakei und brachte von dort einen Ghettoblaster mit, dazu 20 Doppel-CDs Highlights der Klassik. Meine ältere Schwester Anett zwang mich damals immer zum Mittagsschlaf. Eines Tages hatte ich dann mit ihr ausverhandelt, dass ich in der Zeit wenigstens Musik hören durfte. Dafür habe ich mir den Ghettoblaster unter den Nagel gerissen. Ich hörte die CDs rauf und runter und hatte bald alle durch. So entbrannte meine Leidenschaft für die Klassik. Als ich dann ins Taschengeldalter kam, verbrachte ich immer den ganzen Samstag in der Klassikabteilung des Berliner Kulturkaufhauses Dussmann. Ich hatte nicht so wahnsinnig viele Freunde als Kind. Bei Dussmann gab es Discmans zum Ausleihen. Ich hörte mich den ganzen Tag durchs Angebot und musste mich dann für eine CD entscheiden, die ich mir leisten konnte. Die wurde dann die ganze Woche gehört. Mit 13, 14 habe ich auch festgestellt, dass man hervorragend mit Musik rebellieren kann. Ich hab’s nur nicht mit Rammstein gemacht, sondern mit Schönberg. Damit habe ich meine Eltern in eine schwierige Situation gebracht, denn einerseits war ich kulturbeflissen, das fanden sie ja gut, andererseits war es einfach grauenhaft und hat sie genervt. 4

Die Entdeckung seiner Homosexualität: Ach, so was dauert. Manchmal meine ich im Rückblick, ich wusste es schon mit elf, so richtig darüber nachgedacht habe ich zum ersten Mal mit 16, eingestanden habe ich es mir vielleicht mit 18, und mit meinen Eltern habe ich zum ersten Mal geredet, da war ich 23. Da tat es not, ich war unglücklich verliebt, und da mussten wir reden. Sexualität bestimmt doch jeden. Auch mich und meine Arbeit. Ob ich mich so sehr zur Oper hingezogen fühle, weil ich schwul bin, weiß ich aber nicht. Ich liebe große Gefühle und denke nicht daran, meine Emotionen zu unterdrücken. Vielleicht hat mich ja auch Schostakowitsch schwul gemacht (lacht laut auf). Mittlerweile ist ja bewiesen, dass Homosexualität genetisch bedingt ist. Man kann also niemandem die Schuld geben.

5 Seine künstlerische Entwicklung: Mit 16 wollte mein Papa seinem Sohn ein Moped schenken. Ich wollte aber leider viel lieber ein Klavier. Ich glaube, spätestens an diesem Punkt haben meine Eltern gemerkt, dass ihr Sohn irgendwie anders ist. Ich bekam dann eben ein E-Piano, mit Kopfhörer. Damit habe ich mir dann selber beigebracht, wie man Noten liest. Zwei, drei Jahre lang habe ich ganz viel komponiert. Ich wollte unbedingt Komponist werden. Ich habe sogar ein Klaviertrio geschrieben, das ich selbst nicht spielen konnte. Ein guter Freund hat’s mir vorgespielt. Ich habe dann irgendwann begriffen: Ich krieg’ die Kurve nicht, ich bin zu spät dran für die Musik. Und außerdem haben es die ganzen Beethovens und Bachs schon so viel besser gemacht. Beim Film ging mir das nicht so. Ich war nie ein Filmfreak. Ich habe immer mit einer gewissen Respektlosigkeit gegenüber der Filmgeschichte meine Sachen runtergedreht. 2002, da war ich gerade noch 18 Jahre alt, wollte ich an einem Workshop in Brandenburg teilnehmen, und zwar als Schauspieler. Ich wollte Theater spielen. Der Theaterkurs war aber voll. Nur der dusslige Filmkurs war noch frei. Also entschied ich mich unfreiwillig für Film. Der Workshop wurde geleitet von Ricardo Zamora, einem Maler, der zum Film umgesattelt hatte. Er brachte uns bei, wie man einen Schnittplatz und eine Kamera benutzt und wie man aus dem Nichts einen Film macht. In den drei Wochen des Workshops habe ich meine ersten drei Kurzfilme gedreht. Und ich hatte begriffen, was ich wirklich wollte: Film! Das ist doch alles! Das ist Spielen, scheißegal, wie du aussiehst, das ist Musik und Rhythmus, das ist Schreiben, ohne dass du die Geduld aufbringen musst, für den großen Roman. Film ist der Zehnkampf, du musst alles ein bisschen können, du brauchst nur die große Vision. Und die hatte ich schon immer!

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6 Sein Filmstudium und die ersten Karriereschritte: Rosa von Praunheim, bei dem ich an der HFF Potsdam Film studierte, war neben Ricardo der wichtigste Mensch in meiner filmischen Entwicklung. Vor allem hat er diese festgefahrenen Strukturen aufgebrochen, die an der Filmhochschule herrschten. Er hat Leistung verlangt, er wollte, dass wir fleißig sind, dass wir jede Woche einen neuen Film machen. Rosa hatte auch immer herrlich beknackte Ideen. Einmal hat er uns zwei Wochen in den Knast gesteckt. Wir sollten dort in der Einzelhaft Tagebuchfilme drehen. Ein anderes Mal haben wir drei Wochen nur nachts Unterricht gemacht, von 22 Uhr nachts bis 6 Uhr morgens. Rosa lehrte uns Freiheit im Kopf. Ich wollte dann 2009 meinen Abschluss an der Filmhochschule machen, einen richtig großen Film mit einer Million Euro. Dafür hatte ich auch schon eine schöne Idee. Eine tragikomische Vater-Sohn-Geschichte. Der Sohn, so ein dickes, musisch-schwules Hüpftalent, und der Vater, Wasserspringer und Trainer, der für seinen Sport lebt. Dann stirbt die Mutter und Vater und Sohn müssen sich zusammenraufen und lernen, was sie aneinander haben. Ich fand auch Produzenten für den Film und eine Redakteurin vom Fernsehen. Und dann ging das los: Das erste Drehbuch bekam viel Lob, dann hieß es aber, da und dort, da könnte man noch mal ein bisschen drangehen. Mach doch mal die nächste Fassung. Bis ich begriffen habe, dass ich von meiner eigenen Geschichte schon auch eine ganze Menge Ahnung habe und nicht immer jeder Ratschlag nur Gold wert ist, vergingen elf Drehbuch-Fassungen und dreieinhalb Jahre Arbeit. Am Ende war ich sehr unglücklich über das, was aus meinem Drehbuch geworden war. Da sagte ich: Stopp, ich muss jetzt einfach mal drehen, sonst werde ich bekloppt.

Foto Enrico Kreibich

7 Sein Film Dicke Mädchen: Das war dann eben der Film, der aus dieser Krise entstand. Ich hatte überhaupt keine Lust, dafür ein Drehbuch zu schreiben. Ich hatte aber diese beiden prachtvollen Männer Heiko Pinkowski und Peter Trabner, mit denen ich unbedingt eine Liebesgeschichte drehen wollte. Das sieht man ja sonst nie. Männer, wie du und ich. Mit Bauch und Charakter, die trotzdem fein und sensibel lieben können. Und so kam eins zum anderen. Dazu gab es noch meine hinreißende Oma, sie gab ihr Spielfilmdebüt mit 89 und spielt grandios. Dicke Mädchen entstand in zehn Drehtagen, komplett ohne Team, mit Mini-DV, mit Mikro oben drauf. Als wir fertig waren, reichten wir den Film für die Hofer Filmtage ein. Und irgendwann spätabends rief dann der Festivalleiter Heinz Badewitz bei mir an und schwärmte begeistert: „Das trifft ja den Zeitgeist. Nicht nur inhaltlich, sondern auch von der Machart.“ Und so begann dieser Überraschungserfolg. Mittlerweile lief der Film in 20 Ländern, auf über 60 Festivals und wurde mit 15 Preisen ausgezeichnet. Jetzt kommt er in Frankreich noch dreimal dicker ins Kino als bei uns. Schließlich kamen die Produzenten und die Redakteurin zu mir und sagten: Axel, lass es uns doch noch einmal versuchen. Mach’s doch ohne (Drehbuch). Und das haben wir dann gemacht. Der neue Film heißt jetzt Ich fühl mich Disco und ist wieder ganz doll das, was ich am Anfang mal wollte. Axel Ranisch mit Heiko Pinkowski, einem der Darsteller aus Dicke Mädchen

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8 Opern: Meine allerliebste Lieblingsoper, von der ich jede Note auswendig kann, ist Cavalleria Rusticana. Die habe ich mit meinem Opa erstmals gehört, als ich 13 war. Ich hab’ sie noch nie inszeniert gesehen, es gibt sie ja relativ selten und wenn, dann habe ich sie immer verpasst. Der junge Mascagni hatte mit der Cavalleria damals einen Opernwettbewerb gewonnen. Eigentlich hätte seine Karriere damit beginnen sollen. Leider kam danach kein großer Wurf mehr von ihm. Aber hey, wer so ein Ding hinlegt, hat eigentlich auch genug geleistet. Gleich am Anfang nach der Ouvertüre gibt es einen fetten Chor mit Glocken, da ist so eine flirrende Hitze, Italien im Sommer, alles schwitzt, Insekten fliegen, es herrscht eine erotische, gewalttätige Spannung, und alles hört man in der Musik. Das ist einfach irre. Verismus eben, man ist plötzlich so dicht dran. Also Cavalleria Rusticana. Was noch? Das ist jetzt vielleicht ein bisschen blöd, das zu sagen, aber ich liebe Hänsel und Gretel. Das ist ja angeblich die beliebteste Oper der Deutschen. Würde ich sie inszenieren dürfen, dann wäre meine Bedingung, dass die Hexe ein Mann sein muss. Ich bin da versaut von Peter Schreier, der hat das einmal mit der Staatskapelle Dresden gesungen. Ich würde auch gern einen Film daraus machen, da müsste natürlich Heiko (Pinkowski, Hauptdarsteller in Dicke Mädchen) die Knusperhexe sein. Eine dicke, männliche Hexe, gern mit Bart, gern eine Oktave tiefer. 9 Über Stimmen: Als ich sieben war, habe ich zum ersten Mal im Fernsehen Jochen Kowalski singen sehen. Das habe ich natürlich zuerst nicht begriffen, ein Mann mit so einer hohen Stimme, da habe ich gedacht, das muss ein Engel sein. Countertenöre haben mich immer wahnsinnig fasziniert, ich mag es aber auch ganz tief. Russische Opern liebe ich, Mussorgsky kann gar nicht genug Bässe hineinpacken. Ich liebe die Chowanschtschina. Auf der anderen Seite gefällt mir aber auch ein so richtig schöner Mezzosopran. Die Carmen mit Julia Migenes, in dieser kitschigen Verfilmung mit Placido Domingo: Das ist für mich die Carmen überhaupt. Und dann muss ich noch Joan Sutherland nennen. Als Lucia di Lammermoor ist sie mir die Liebste, so federleichte, hüpfende, verspielte Koloraturen habe ich nie wieder gehört. Es hat bei mir allerdings ein bisschen gedauert mit der Oper, die klassische Musik hat mich sehr früh gekriegt, die Oper erst mit 14. Die kreischenden Frauen, das ist vielleicht wie mit gutem Wein, man muss sich erst daran gewöhnen. 10 Über Richard Wagner: Das ist einer von diesen ganz besonderen Weinen, da braucht man noch ein wenig länger für. Bei uns in Berlin hat ja Marek Janowski alle Wagner-Opern konzertant aufgeführt, das war als Erlebnis gerade perfekt für mich. Da habe ich das Libretto in der Hand, die Bilder und Gedanken entstehen in meinem eigenen Kopf, die Musiker sitzen direkt vor meiner Nase und hauen mich um. Geil! Der Tannhäuser ist ja von der ersten bis zur letzten Minute genial. Der Ring braucht allerdings noch ein bisschen, ich steh’ da gefühlt im Moment genauso davor wie ein Rucksacktourist in Sandalen ohne Sauerstoffflasche vor dem Mount Everest.

Bert Rebhandl arbeitet als Journalist, Buchautor und Übersetzer. Er ist Filmkritiker für die FAZ und Mitbegründer von www.cargo-film.de.

The Bear / La voix humaine William Walton / Francis Poulenc Konzept / Regie: Axel Ranisch Mitwirkende: Stefanie C. Braun, Tareq Nazmi, Heiko Pinkowski, Sophie Raynaud, Peter Trabner, Richard Whilds, Wiard Witholt Premiere am Sonntag, 23. Juni 2013, Programmkino Theatiner Film Weitere Termine im Spielplan ab S. 209

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Der Film Ich fühl mich Disco läuft auf dem Münchner Filmfest. www.filmfest-muenchen.de



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Der Ort wirkt wie aus der Zeit gefallen: Mauern und Gebäudefassaden aus hellem, verwittertem Naturstein, die schon hunderte Male dem Wechsel der Jahreszeiten getrotzt haben, schirmen die rund fünfhundert Bewohner zur Straße ab – vor neugierigen Blicken und, ein wenig scheint es so, auch vor dem Lauf der Welt. An der Durchfahrtsstraße ein Denkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkriegs und die Kirche, dahinter ein alter Friedhof, von hohen Steinmauern eingefasst, die Gräber von hohen Bäumen beschattet. Am Ortsrand ein liebevoll restauriertes altes Schloss, umgeben von sattgrünen Wiesen und Wäldern. Hierher, ins malerische Örtchen Verderonne, knapp achtzig Kilometer von Paris entfernt, führt Google Maps jeden, der die Suchbegriffe „Paris“ und „Juliette Gréco“ eingibt. Vor den elektronischen Datensammlern, so scheint es, kann man sich nicht einmal hinter Jahrhunderte alten Steinmauern verbergen. Zumal als Ikone und französisches Nationalheiligtum. Juliette Gréco, Tochter einer Widerstandskämpferin, Aktivistin, Schauspielerin und Musikerin, als „Grand Dame de la Chanson“, „Königin der Existenzialisten“, „Muse von Saint-Germain-des-Prés“ oder „Schwarze Sonne von Paris“ verehrt, wohnt nahe der Kirche auf einem ehemaligen Bauernhof. Das Wohnhaus war vor rund zweihundert Jahren eine Scheune, der hintere Teil der Geräteschuppen, der vordere, das heutige Wohnzimmer, ein Pferdestall: Hohe Decken, Holzbalken, eine Feuerstelle. Juliette Gréco sitzt auf einem großen, gemütlichen Sofa. Sie ist zierlich und blass, das Alter hat tiefe Spuren in ihr Gesicht gegraben, aber sie ist wach und aufmerksam, charmant und witzig und

Fotografie Ola Rindal

Sie hat das ­französische Chanson in die Welt getragen. Sie hat während des Pinochet-­ Regimes in ­ Chile gegen Unterdrückung angesungen. ­Inspiriert von Giuseppe Verdis Troubadour-­ Figur besuchte MAX JOSEPHAutor Jörg ­Böckem die große Juliette Gréco.

English Excerpt Page 229

Die Troubadourin so lebendig, als könnten ihr die Jahre kaum etwas anhaben. Wie aus der Zeit gefallen wirkt auch sie: Ihre schulterlangen Haare sind nachtschwarz gefärbt, ihre Stimme klingt tief und volltönend, ihr langes schwarzes Kleid ist elegant und schlicht. Ihre feingliedrigen Hände, „meine zwei Tänzerinnen“, wie sie sagt, sind immer in Bewegung, untermalen ihre Worte. So hat sie sich in das Gedächtnis von Generationen von Bewunderern eingegraben. Kaum jemand ist so sehr mit der Ideen- und Kulturgeschichte der Nachkriegszeit verbunden wie Juliette Gréco, Weggefährtin, Freundin, Partnerin, Ehefrau, Kolloborateurin von Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Simone de Beauvoir, Boris Vian, Françoise Sagan, Pablo Picasso, Jean Cocteau, Serge Gainsbourg, Miles Davis, Marlon Brando und Michel Piccoli, um nur einige zu nennen. Seit beinahe siebzig Jahren steht sie auf den Bühnen dieser Welt, bis heute. Sie hat das französische Chanson in die Fremde getragen, nach China, Brasilien und in die USA, sie ist nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende der Besatzung als eine der ersten französischen Künstler in Deutschland aufgetreten, sie hat im von der Militärjunta regierten Chile von Freiheit und gegen Unterdrückung gesungen und als erste westliche Künstlerin nach dem Tsunami und der Katastrophe von Fukushima in Japan. Den Anschluss an die Moderne hat sie nie verloren, auch nicht musikalisch – sie hat mit dem Chanson-Erneuerer Benjamin Biolay zusammengearbeitet und dem Rapper Abd Al Malik. Die perfekte Partnerin also für ein Gespräch über das Singen und das Reisen, die Kraft der Musik, das Erzählen in Liedern und ein Leben voller aufregender Begegnungen.



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MAX JOSEPH Madame Gréco, Sie sind sechsundachtzig Jahre alt, reisen immer noch um die Welt und stehen regelmäßig auf der Bühne, gerade erst haben Sie eine mehrmonatige Tournee durch Frankreich beendet. Warum muten Sie sich diese Anstrengung noch zu? JULIETTE GRÉCO Weil ich es liebe. Menschen, die ihr Leben Jahr für Jahr und Tag für Tag am gleichen Ort verbringen, kann ich nicht begreifen. Die Welt ist so groß, so aufregend! Fremde Menschen und ihren Blick auf die Welt kennen zu lernen, ist bereichernd. Wenn ich meinen Koffer sehe, bin ich wie ein Hund, dem man die Leine zeigt: Ich werde aufgeregt und zappelig, will hinaus in die Welt! Ein Leben ohne Reisen und ohne Auftritte kann ich mir nicht vorstellen, zumindest noch nicht. Ich bin wie eine Schildkröte, ich trage mein Haus – meine Lieder – immer mit mir. MJ Was bedeutet es für Sie, auf der Bühne zu stehen und zu singen? JG Zum Beispiel, dass man für die Dauer eines Konzerts vergisst, dass sich die Welt gerade im Krieg befindet. MJ Welchen Krieg meinen Sie? JG Schauen Sie in die Zeitung! Krisen und Kriege überall. Suchen Sie sich einen aus. Seit meiner Jugend träume ich davon, dass die Welt menschlicher wird, dass Probleme sich ohne Kriege und Gewalt lösen lassen, dass die Menschen für ihre Kinder da sind und aufhören, sich gegenseitig zu massakrieren und zu foltern. Deshalb singe ich. Auch wenn ich weiß, dass das ein Traum ist. Ich möchte, dass die Menschen, die meine Chansons hören, meine Botschaft begreifen und dabei Glück empfinden. Jeder Auftritt ist Austausch, eine Form der Begegnung. MJ Wie entsteht diese Kommunikation mit dem Publikum? JG Durch den Wunsch, den Zuhörern etwas zu geben, und auf der anderen Seite durch die Bereitschaft, zuzuhören. Es ist eine Art Liebesbeziehung. Zu Beginn meiner Karriere war das leider nicht immer so. Ich war meiner Zeit wohl etwas voraus und musste mich gedulden, bis das Publikum und die Welt aufschließen. Oder sich an mich gewöhnt haben. MJ Bedeutet das, Ihr Publikum hat Ihnen anfangs die Liebe vorenthalten? JG O ja, am Anfang war es sehr, sehr schwer. Meine Zuhörer haben mich als einschüchternd, vielleicht gefährlich empfunden. Sie wussten nicht, was sie mit mir anfangen sollten, konnten das, was ich sang und verkörperte, schwer verstehen. Aber das hat sich glücklicherweise geändert. Sicher, ich polarisiere immer noch. Aber im Laufe der Jahre sind die Komplimente immer lauter geworden. MJ Sie sind zusammen mit Ihrer Mutter und Ihrer älteren Schwester im Haus Ihrer Großeltern auf­ gewachsen. Welche Rolle spielte Musik in Ihrer Kindheit?

Die Troubadourin

„Ich bin wie ­eine Schildkröte, ich trage mein Haus – meine Lieder – immer mit mir.“

JG Sie hat mir Trost und Zuflucht geboten, meine Kindheit war nicht sehr glücklich. Ich bin mit klassischer Musik und mit Opern aufgewachsen. Meine Großeltern liebten die Oper, vor allem den Tenor Enrico Caruso. Die Oper war für sie auch ein Ort der Versöhnung. Wenn sie sich gestritten hatten, gingen sie in die Oper. Sie verließen zerstritten das Haus und kehrten nach einer Opernvorstellung und einem Glas Champagner zurück und alles war wieder gut. Ich mag die Oper bis heute, auch wenn die Geschichten, die dort erzählt werden, die Texte der Arien, die Libretti, leider manchmal etwas absurd oder dümmlich sind. Aber ich liebe die Stimmen und bewundere das Talent der Sänger und Sängerinnen. MJ Hat Ihre Mutter Ihnen in Ihrer Kindheit Schlaflieder vorgesungen? JG Unglücklicherweise ja. Meine Mutter hatte eine sehr dunkle Stimme und sie hat meist sehr düstere Lieder gesungen, zum Beispiel von einem Monster, das Kinder frisst. Danach konnte ich häufig vor Angst nicht einschlafen. MJ Haben Sie Ihrer Tochter vorgesungen? JG Nein. Ich wollte ihr keine Alpträume bescheren. Stattdessen habe ich ihr Geschichten erzählt, mit verstellter Stimme für die unterschiedlichen Figuren. Darin war ich ganz gut. Ich habe festgestellt, dass Kinder sich schnell vor mir ängstigen. Meine Stimme ist sehr tief, außerdem bildet mein weißes Gesicht einen starken Kontrast zu meinen schwarzen Haaren. Kinder halten mich für merkwürdig, sie mögen lieber Mütter mit breitem Gesicht und rosigen Wangen. Ihr Vater hatte die Familie früh verlassen, die Beziehung zu Ihrer Mutter, sagt Juliette Gréco, sei zwiespältig gewesen. Die hochdekorierte Widerstandskämpferin sei nie eine wirkliche Mutter für sie gewesen, eher eine Soldatin, eine Respektsperson. „Meine Mutter hat mich nie geliebt“, gab sie einmal zu Protokoll. „Aber ich habe sie geliebt. Das genügte mir.“ 1943, da war sie gerade sechzehn Jahre alt, wurde Juliette Gréco zusammen mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester von der Gestapo verhaftet, Mutter und Schwester wurden ins KZ Ravensbrück gebracht, Juliette in ein Gefängnis in Fresnes. MJ Nach dem Ende der deutschen Besatzung liefen Sie durch die Straßen von Paris Saint-Germain und sangen Over The Rainbow. Warum?

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„Gibt es etwas in Ihrem intensiven Leben, das Sie bereuen?“ – MAX JOSEPH „Nein, nichts. Nicht einmal meine zwei Scheidungen.“ – Juliette Gréco

JG Die vier Jahre der Besatzung waren eine Zeit des Schreckens und des Schweigens. Dieses Lied, das unter den Nazis verboten war, laut und in der Öffentlichkeit zu singen, war ein Ausdruck der Befreiung. Musik hatte zu dieser Zeit eine enorme Bedeutung für mich, ich habe vor allem klassische Musik gehört, die Werke von Mozart und Bach haben mir geholfen, weiterzuleben. Durch die traumatischen Erfahrungen der Besatzung, der Verhaftung und während der Inhaftierung hatte ich mein Lachen und die Sprache verloren. Nur durch die Musik konnte ich mich ein wenig ausdrücken. Mein Freund, der Schriftsteller Boris Vian, hat mir dann geholfen, die Sprache wiederzufinden. MJ Wie ist ihm das gelungen? JG Er war sehr geduldig. Er hat Stunden mit mir im Café gesessen und mit mir geredet, mir Fragen gestellt. Zunächst über alltägliche Dinge, dann ganz behutsam darüber, was ich erlebt habe, was ich fühle. Die Gespräche wurden immer intensiver, mein Antworten ausführlicher. Ich hatte den besten Psychiater, den man sich wünschen kann. Und den bestaussehenden! Er war ein zauberhafter, schöner und einfühlsamer Mann. Ich verdanke ihm viel. Bis mein Lachen zurückkehrte, dauerte es allerdings noch länger. Bis heute fällt mir das manchmal schwer. Nicht alle Wunden heilen. MJ Was waren Ihre schlimmsten Erfahrungen? JG Es gibt so viele. Sie verfolgen mich noch immer in meinen Träumen. Aber ich rede darüber nicht gerne. Ich beschäftige mich lieber mit schönen Erlebnissen. Manchmal genügt es, morgens wach zu werden und die Sonne scheint durchs Fenster. Oder auf der Bühne zu stehen und zu singen. Glück ist eine einfache Sache. MJ Haben Sie als junge Frau davon geträumt, Sängerin zu werden? JG Nein. Ich wollte Schauspielerin werden, Theater spielen und tanzen. Auf einer Bühne zu stehen und zu singen, konnte ich mir nicht vorstellen. Ich habe die Musik sehr ernst genommen. Als junge Frau hatte ich das Glück, den Pianisten und Komponisten René Leibowitz kennen zu ler-

Juliette Gréco

nen. Ich war damals siebzehn Jahre alt. Er lud mich zu einem seiner Konzerte ein. Zwölftonmusik, schwierige und sehr anspruchsvolle Musik, die ich nicht verstand. Nach dem Konzert führte mich Leibowitz zum Essen aus. Während des Essens hat er mich gefragt „Was hast du ­gesehen?“, nicht „Was hast du gehört?“. Ich habe ihm die Bilder beschrieben, die die Musik in meinem Kopf ausgelöst hat. So habe ich dann diese Musik verstanden. Eine sehr wichtige Erfahrung für mich, ein Moment der Wahrheit. Paris, vor allem Saint-Germain-des-Prés, hat Juliette Gréco einmal in einem Interview gesagt, sei zu dieser Zeit der freieste Ort der Welt gewesen: „Ein mythischer, magischer Ort, alle Grenzen schienen aufgehoben.“ In den Cafés Deux Magots und Flore trafen sich die Existenzialisten um Jean-Paul Sartre, Künstler wie Picasso und Cocteau, Philosophen wie Maurice Merleau-Ponty, Musiker, Schauspieler und Dichter. Juliette Gréco war in ihrer Mitte, jung, wissensdurstig, neugierig. Sie, die keine Hochschule besucht hatte, bezeichnete die Cafés von Saint-Germain als ihre Universität. MJ Es heißt, zum Singen habe Sie dann schließlich Jean-Paul Sartre gebracht. JG Richtig. Eigentlich hatte ich keine Lust dazu. Aber eines Morgens zeigte er mir einige Lieder, die er eigens für mich geschrieben hatte. Eine wunderbare Geste. Wie konnte ich da ablehnen? Es hat dann ja auch ganz gut funktioniert. MJ Was hat Sie für das Singen eingenommen? JG Dass ich mein Talent und meine Erfahrung als Schauspielerin nutzen und in die Chansons einbringen konnte. Und vor allem die faszinierenden, aufregenden Menschen, mit denen ich das große Glück hatte, arbeiten zu dürfen. Wunderbare Schriftsteller wie Sartre, Camus oder François Mauriac und Komponisten wie Jaques Brel oder Serge Gainsbourg, die mir ihre Musik und Texte zur Interpretation zur Verfügung gestellt haben. MJ Ihr großes Lebensthema, neben der Liebe, ist die Freiheit, auch in Ihren Liedern. Ist Ihr Freiheitsdrang aus der Erfahrung der Unterdrückung während der deutschen Besatzung geboren? JG Nicht nur, diese Erfahrung hat ihn aber wohl verstärkt. Ich war schon als kleines Mädchen sehr freiheitsliebend und unbändig, ausgestattet mit einem ausgeprägten Gerechtigkeitsempfinden. Schon mit vier Jahren habe ich mich sehr empört, wenn meine Großmutter, die eine sehr herrische und oft hasserfüllte Frau war, unsere Dienstmädchen schlecht behandelt oder hinaus geworfen hat. Und aus der Klosterschule wurde ich verwiesen, nachdem ich mich lautstark bei der Direktorin über die Übergriffe und ungerechte Behandlung durch die Nonne empört habe. MJ Hätten Sie in Ihrer Karriere mehr Erfolg haben können, wenn Sie angepasster, weniger sperrig gewesen wären?

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JG Hätte ich reicher werden können, mehr Platten verkaufen? Sicher. Aber das ist nie mein Ziel gewesen. Es ist erstaunlich genug, dass ich mit dem, was ich tue, ein gutes Auskommen habe. Ich bin nie Kompromisse eingegangen und immer meinen Überzeugungen gefolgt. Man hat mir immer wieder Geld auf den Tisch gelegt, um zu singen. Aber wenn es Lieder waren, die mir nicht gefielen, habe ich sie nicht gesungen. Egal wie viel Geld man mir geboten hat. Eigentlich unfassbar, dass ich damit durchgekommen bin! Aber ich kann nur singen, was ich auch empfinde, wovon ich überzeugt bin. Ich denke, ein Künstler muss bereit sein, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Auch wenn es nicht immer bequem und manchmal sogar riskant ist. MJ Was war das größte Risiko, das Sie in Ihrer Karriere eingegangen sind? JG Wahrscheinlich mein Auftritt in Chile unter dem Pinochet-Regime. Das war ziemlich waghalsig, ich habe lange gezögert, bis ich zugesagt habe. Als mir klar wurde, dass wir die Menschen dort im Stich lassen, wenn keine Künstler von außerhalb in dem Land auftreten, habe ich mich entschieden, nicht feige zu sein und dort zu singen. MJ Eine merkwürdige Vorstellung, dass jemand wie Sie, der Freiheit und Unabhängigkeit propagiert, in diesem totalitär regierten Land singt. JG Es war tatsächlich sehr merkwürdig. Ich frage mich bis heute, ob das Regime wirklich genau wusste, worauf es sich einließ. Im Konzertsaal saßen Generäle und Angehörige der MiIitärjunta mit ihren Frauen. Zu Beginn gab es großen Applaus, nach meinem Auftritt herrschte Totenstille. Ich hatte mein Repertoire natürlich bewusst nach diesem Gesichtspunkt ausgewählt, ich fahre ja nicht in ein diktatorisch regiertes Land und singe nur von der Liebe. Das hatten sie wohl nicht erwartet. Ich wurde dann von der Bühne heruntergeleitet und mit einer Polizeieskorte direkt zum Flughafen gefahren, eine brenzlige Situation, die mir Angst gemacht hat. Aber manchmal muss man eben Mut beweisen. Ich hatte meine Schlacht gewonnen. Eine tolle Erfahrung. MJ Brauchen Revolutionen Lieder? Können Lieder eine Gesellschaft verändern? JG Ja. Zumindest in Frankreich haben Revolutionen immer mit Liedern begonnen. Die eigentliche Frage ist ja, können Worte und Musik eine Gesellschaft verändern? Ich denke ja, zumindest können sie eine Veränderung unterstützen, vor allem Worte sind immens wichtig. Die Musik ist dabei ein Vehikel, das helfen kann, die Worte und die damit verbundenen Emotionen zu transportieren. MJ Gibt es noch ungestillte Sehnsüchte, Orte, die Sie besuchen möchten? JG Ich war noch nie in Australien, ich hätte dieses Land gerne kennen gelernt, die Weite dort. Daraus wird wohl nichts mehr werden. Aber ich mache grundsätzlich keine langfristigen Pläne, das habe ich nie getan. Mein ganzes

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Leben habe ich in dem Bewusstsein gelebt, dass ich morgen vielleicht nicht mehr da sein werde. Jeden Tag bin ich aufs Neue erstaunt und erfreut, dass ich noch lebe und singen kann. Gerade bereite ich mein neues Album vor, möglicherweise mein letztes, wer weiß. MJ Haben Sie Angst vor dem Tod? JG Nein, ich weiß seit meiner Kindheit, dass mein Leben endlich ist. Aber ich wünsche mir, schnell zu sterben und nicht schon vor dem Tod langsam und qualvoll aus dem Leben zu scheiden. Nicht mehr am Leben teilhaben zu können, ohne tot zu sein, ist eine schreckliche Vorstellung. Es gibt noch immer so viel zu erleben! MJ Gibt es etwas in Ihrem langen und intensiven Leben, das Sie bereuen? JG Nein, nichts. Nicht einmal meine zwei Scheidungen. Ich bin sogar ziemlich stolz darauf, dass es mir gelungen ist, mich von allen meinen Partnern immer in Freundschafft und ohne Streit zu trennen. MJ Wie ist Ihnen dieses Kunststück gelungen? JG Man muss diplomatisch sein, die Trennung von langer Hand gut vorbereiten. Sobald ich mich in einer Beziehung zu langweilen beginne, denke ich darüber nach, wie ich sie beenden kann. Nicht abrupt, man muss langsam darauf hinarbeiten, den anderen vorbereiten. Die Liebesmaschine langsam erkalten lassen, dann ist es am Ende nicht mehr so schmerzhaft. Ich gebe Ihnen ein Beispiel – wenn in Vietnam jemand etwas stehlen will, verrückt er diesen Gegenstand über eine längere Zeit jeden Tag ein klein wenig. Immer weiter weg vom Besitzer, bis er ihn irgendwann dann mitnimmt. Das Objekt verschwindet langsam aus dem Blickfeld. So habe ich es bei meinen Beziehungen auch gehalten.

Juliette Gréco, geboren 1927 im französischen Montpellier, steht seit ihrem zehnten Lebensjahr auf der Bühne. „La Grande Dame de la Chanson“ ist nur einer von vielen Titeln für die Sängerin, die mit ihren Liedern weltweit auftrat und auch als Schauspielerin arbeitete. Ihre Erinnerungen erschienen 2012 auf Deutsch unter dem Titel So bin ich eben. Und auch ein aktuelles Album gibt es von ihr, es entstand 2012 und heißt Ça se traverse et c’est beau. Jörg Böckem lebt als Journalist und Buchautor in Hamburg. Die Fotografien von Ola Rindal entstanden in Juliette Grécos Haus in Verderonne bei Paris.



Ein Interview – mit wem?

Das Tanzprojekt Nancy. Interview aus dem Nowy Teatr Warschau gastiert an der Bayerischen Staatsoper.

In Nancy. Interview unter­ sucht der französische Choreograph Claude Bardouil die Beziehung zwischen Star und Fan an einem Extrembeispiel – der kurzen und durch Gewalt geprägten Liebes­ geschichte von Nancy Spungen und Sid Vicious von den Sex Pistols. Romeo und Julia in einer Punkrock-Version oder die Sehnsucht nach inten­ sivster körperlicher Erfahrung.

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Text Piotr Gruszczyński

Jene Zeiten kehren zurück. Wir sehnen uns nach den Ido­ len der 1960er- und 70er-Jahre. Wir glauben – und vielleicht ist es sogar mehr als eine Illusion –, dass die Welt damals Möglichkeiten zur absoluten Freiheit bot, einer Freiheit, die unterschiedliche, manchmal tragische Ergebnisse her­ vorgebracht hat. Aber sogar die menschlichen Katastro­ phen jener Jahre sind faszinierend und in ihrer subversi­ ven Schönheit so anziehend, dass man den Blick nicht von ihnen losreißen kann. Unser Alltag erscheint im Vergleich mit ihnen extrem banal, bürgerlich, ohne Charme. Eine einzige Langeweile, bar jeglicher Sinnlichkeit. Claude Bardouil ist Tänzer und Choreograph. Seit einigen Jahren arbeitet er mit dem Regisseur Krzysztof Warlikowski und dessen Nowy Teatr in Warschau zusam­ men. Das von ihm entwickelte Stück Nancy. Interview ist inspiriert durch die Geschichte von Sid Vicious von den Sex Pistols und dessen Groupie Nancy Spungen. Die Auf­ führung entstand aus der gemeinsamen Improvisation mit der Schauspielerin Magdalena Popławska. In der Verbin­ dung der beiden Künstler gründet die eigentliche Idee des Stückes: Es ist weder Tanz noch Theater; etwas dazwi­ schen, eine eigene Art – weniger im Sinne einer Gattung, sondern wegen seiner Qualität, die auf der Kühnheit im Ausdruck und der Freiheit durch Improvisation beruht. Die Geschichte von Sid Vicious und Nancy Spun­ gen ist kurz und sehr turbulent. Nancy gehörte zu den Groupies von Sid. Noch als Teenager wurde sie vom Slo­ gan „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“ verschlungen. In ihrem Fall ist es schwer zu sagen, in welche Reihenfolge man diese drei Worte stellen sollte. Wahrscheinlich muss man ihnen noch ein viertes hinzufügen, das wesentlichste: den Tod. Nancy war zwei Jahre lang Sids Freundin. Ihr Leben als Groupie verlangte von ihr, sich zu prostituieren. Sie musste für Drogen anschaffen gehen, weil Drogen den Weg in die Welt der Stars öffneten. Im Alter von zwanzig Jahren wurde sie ermordet, höchstwahrscheinlich von Sid. Der setzte sich ein paar Monate später eine Überdosis Heroin. Macht vielleicht ihre zerstörerische Art und Wei­ se zu leben die Geschichte der beiden so anziehend? Schnell leben und dabei verbrennen: ein einem Meteoriten ähneln­ des Existenzmodell? Inakzeptabel für die stabile Welt der Ordnung, in der die Dauer und vor allem die Dauer des Lebens den allerhöchsten und nicht zu hinterfragenden Wert darstellt. Und dennoch: Wenn wir diese kurze und extrem sinnliche Aufführung anschauen, verlieren wir den Glauben an unsere heiligen Überzeugungen. Vielleicht ist nicht die Dauer der Erlebnisse, sondern ihre Intensität etwas, dem man sich hingeben soll? Im Übrigen bleibt zu klären, ob diese Hingabe eine Frage der Wahl oder der Entscheidung ist oder vielmehr Ergebnis einer Anziehungs­ kraft, die keinen Freiraum für Abwägungen lässt. Man lebt und das Leben ist kein Diskurs, auch wenn die Mehr­ heit von uns behauptet, es sei völlig anders – in der Regel mit einem miserablen Resultat: einem langen, aber farb­

losen Leben. Zudem war die Ordnung der Werte in jenen Jahren, in jener von Andy Warhols Factory infizierten Welt eine andere. Bardouil sagt über sein Stück, es sei Romeo und Julia in einer Punkrock-Version. Damit setzt er die tragi­ sche Unmöglichkeit einer selbstbestimmten rettenden Ent­ scheidung voraus. Im Fall von Romeo und Julia kann man von einer fatalen Konstellation der Umstände sprechen und vom Fluch des Konflikts zweier Familien, die das Handeln der Protagonisten unweigerlich bestimmen. Der Fall von Nancy ist ähnlich. Die Welt der Tragödie kennt nur das Gefühl einer tragischen Schuld und diese ist weit entfernt von einfachen menschlichen Werturteilen. Der Tanz scheint das beste Medium und die beste Sprache zu sein, um beim Zuschauer diese Erfahrungen hervorzurufen. Er vermeidet die theatralische Falle der Suggestion und der Sentimentalität. Weder banalisiert er das Thema, noch verwandelt er es in eine rührselige Love­ story. Vor allem aber bildet er eine emphatische Verbin­ dung zum Publikum, das der Aufführung nicht nur zusieht, sondern sie hautnah empfindet und dadurch zum Entzif­ fern des nonverbalen und verschleierten Zeichensystems gezwungen wird. Mithilfe einer Wahrnehmung, die ganz auf das Physische und Irrationale gelenkt wird. „Bei Stars,

Gastspiel Nancy. Interview 125


Claude Bardouil ist Tänzer, Schauspieler und Choreograph. Er arbeitete als Performer mehrere Jahre mit der Choreographin Rita Cioffi sowie mit der Compagnie Samuel Mathieu. Bardouil ist Mitbegründer der Compagnie Parlezmoi d’amour, mit der er als Choreograph unter anderem die Aufführungen Les Innocents und Les Vaniteux kreierte. Als Choreograph an der Seite des Regisseurs Krzystof Warlikowski wirkte er unter anderem bei dessen Schauspielinszenierungen Koniec (Das Ende) (2010), Afrikanische Erzählungen (2012) und Warschauer Kabarett (2013) sowie bei den Inszenierungen der Opern Lulu und Macbeth am Théâtre La Monnaie in Brüssel und L’incoronazione di ­Poppea am Teatro Real Madrid mit.

Nancy. Interview Choreographie, Regie, Tanz: Claude Bardouil Schauspiel, Tanz: Magdalena Popławska Musiker: Paweł Andryszczyk, Adam Walicki Bühne: Nicolas Grospierre, Olga MokrzyckaGrospierre Kostüme: Aleksandra Laska Gastspiel des Nowy Teatr Warschau Premiere am Donnerstag, 11. Juli 2013, ­Bayerische Akademie der Schönen Künste, Max-Joseph-Platz 3 Weitere Termine im Spielplan ab S. 209

die von Drogen umnebelt sind, sagt der Körper mehr aus als Worte“, so Magda Popławska. Um das zu verstehen reicht es, sich das letzte Konzert von Amy Winehouse in Belgrad anzuschauen. Der Körper täuscht Emotionen nicht vor, so wie die Sprache es tut. In Claude Bardouils Auf­ führung beobachten wir zwei Körper: den des Tänzers und den der Schauspielerin. Beider Ausdrucksweise ist sehr verschieden, was nicht heißen soll, tänzerisch im Fall des einen und dramatisch im Fall des anderen. Durch ihre künstlerische Herkunft, das Training und die Praxis ent­ steht ein reizender Unterschied, der sich direkt auf das Thema der Aufführung überträgt: Der Körper der Schau­ spielerin lebt einen rasenden Rhythmus, zeigt mehr Un­ ruhe, Nervosität, Unsicherheit sowie die Sehnsucht, ja, das Verlangen nach einem anderen Körper. Er bedarf der Unterstützung und Ergänzung durch den mythologisier­ ten Körper des Mannes – und zwar den Körper dieses Mannes. Der Tänzer ist stark, auf sich selbst konzentriert, größtenteils selbstgenügsam. Er bestimmt die Weltachse; seine Perfektion ist einschüchternd, er erzwingt ein un­ gleiches Verhältnis und bedingt die Intensität der Inter­ aktion. Diese Rollen, Gestalten und Themen werden al­ lein durch die Körper auf die Bühne gebracht. In ihnen nimmt die Erzählung ihren Anfang. Alles Weitere darf im Freestyle-Modus entstehen, Erwartungen und Beschrän­ kungen durchbrechend. Legendäre Todesfälle, die aus einem legendären Le­ ben resultieren, gibt es viele. Das Stück Nancy. Interview, in dem niemand irgendwelche Fragen beantwortet, ist von diesen Geschichten durchdrungen und wird zum Pars pro Toto. Es ist nicht einfach, eine Ikone zu werden, schon gar nicht zu Lebzeiten. Diese Aufführung lässt eine kuri­ ose Möglichkeit zu, sie erlaubt dort hineinzuschauen, wo normalerweise die Sinne die Sehkraft trüben. Aber Ach­ tung: Wir werden von dort mit einem geblendeten Blick zurückkehren. Aus dem Polnischen von Michał Moroń-Zysko

Piotr Gruszczyński ist Theaterkritiker und Dramaturg. In der Oper arbeitet er mit dem Regisseur Mariusz Treliński. Seit 2008 ist er Dramaturg am Nowy Teatr Warschau und arbeitet dort eng mit dem Regisseur Krzysztof Warlikowski. 2002 erschien sein Buch Vatermörder als überhaupt erste Analyse des polnischen Theaters nach dem Ende des Kommunismus. 2007 publizierte er eine Sammlung von Gesprächen mit Krzysztof Warlikowski, die auch in Frankreich und Rumänien erschien.

Die Szenen aus Nancy. Interview wurden fotografiert von Magda Hueckel.

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Ilja Richter geht nicht zum Troubadour! Aus rein gesundheitlichen Gründen. Ich bin nicht ganz dicht. In Opernparkettsesseln laufen bei mir eventuell die falschen Filme ab; speziell beim Troubadour könnte das passieren. Kindheitsbedingt. Der erste Troubadour meines Lebens sang keinen Ton. Geschweige von Verdi. Nicht, dass er heiser war. Mein erster Troubadour war nicht von Verdi, sondern von Manger. Jürgen von Manger. Obwohl adlig und gebildet, spielte er in den 1960er- / 70er-Jahren im Kabarett und TV den kleinen Mann. Tegtmeier nannte er die im langsam gemütlichen Ruhrpott-Sound monologisierende Figur. Und ebenso auf Langspielplatte. So kam ich also im Alter von elf Jahren in den Hörgenuss vom Troubadour, wie ihn Tegtmeier gehört, gesehen und als einfacher Kumpel vor allem empfunden hatte. Mit seinem „woll“ als akustischem Übergang für den nächsten Gedanken erzählte er, dass „imma alle schwär am Sengen gewäsen“ seien, obwohl es dafür oft, beim besten Willen, bald gar keinen Grund mehr gegeben hätte, „woll“, und man bei „all die Streitikaiten doch Mänsch blaiben“ müsse, „aba nix wie Mord und Totschlach“, und dass er ja sowieso die Karten für die Oper nur geschenkt bekommen hätte; wenn man dann noch mit einbezieht, dass diese Kriegsgeneration eben so schnell nichts verfallen ließ, sind wir dann auch schnell beim klassischen Abonnenten. Wie sagte Graf Bobby auf die Frage von Freund Mucki, weshalb er mit dem Opernglas in der Loge in Richtung Tapete säße: „Weißt, Mucki, seit dreißig Jahr hab i nu schon des Abonnement, i schau scho gar net mehr hin.“ So lauschte ich also mit elf von Mangers Troubadour und erst mit achtzehn Verdi ... Und es war Sommer. Schreiben Sie es meiner blutjungen Unschuld zu, dass ich lachte; mitten in der Aufführung des Troubadour lachte ich. Ohne Schuld und Bühne auf andere zu schieben, könnte auch die Lächerlichkeit der Aufführung eine gewisse Mitschuld daran gehabt haben. Denn: Ich glaube an das Grundgefühl des Laien, und ich war als Betrachter der Laie, die da oben aber waren die Profis. Und ich glaube im Theater – und das sage ich heute als sechzigjähriger Schauspieler – mehr denn je an die Unschuld des Publikums. Es hat nicht immer Recht, sonst hätte ja zum Beispiel das Premierenpublikum in Paris bei der Uraufführung von Carmen Bizets Kunst zu Recht ausgebuht. Der Reigen ist lang, was das zickige Betreten von Neuland betrifft. Aber da ist dieser Instinkt des Publikums beim Aufspüren von Schwulst und blutleerem Formalismus. Da saß ich also mit meinen achtzehn Lenzen im sommerlichen Opernhaus – ich sag’ nicht wo, nur so viel: München war es nicht –, hatte keine Ahnung von Verdi und spürte: Die da oben ooch nich! Ja, ich fühle berlinisch und bemüh’ mich auf Hochdeutsch. Wenn eine Aufführung nicht wahrhaftig

Kommentar des Betroffenen


ist und nur verständlich für den routinierten Bildungsrest der Welt, schweifen die Gedanken ab. Und ich schweifte so fern von Verdi ab, weil das schreiende, runde Teil da oben nur ein elementar fehlbesetzter Troubadour zu sein schien. Er sang noch nicht mal daneben, er war einfach von allein daneben. Besonders zu zweien! Nicht ausrottbare Krankheit bei Liebesduetten. Und so legte sich von Arie zu Arie Tegtmeiers „Mänsch blaiben” übermächtig auf mein Gemüt. Je ungemütlicher die Handlung über Brüderhass und Hexenwahn voranschritt, kommentierte mir Tegtmeier Mord und Totschlag auf das Gemütlichste. Resultat? Ich lachte an den falschen Stellen. Nun nennen Sie mir mal beim Troubadour die richtigen. Eben! Es gibt keine. Wenn’s gut gemacht wird. Ein Zischen und Tuscheln und empörtes „Ruhe” war die Folge. Das Publikum war gegen mich. Ich glaube zwar an den guten Instinkt des Zuschauers fürs Schlechte, aber ich hatte mich einfach schlecht benommen. Wer mich kennt, weiß, ich war ein guter Junge. Manche glauben das immer noch. Obwohl ich in fünf Jahren Rente bekomme. Aber das Publikum will einfach nicht erwachsen werden. Es will nicht altern und nimmt es übel, wenn es ihre Idole tun. Und überhaupt! Was mache ich, wenn ich in die neue Inszenierung vom Troubadour in der Bayerischen Staatsoper gehe und wieder lache? Wie damals! Die Gefahr ist nicht so groß wie anno 1970, denn Jonas Kaufmann singt die Titelfigur. Dieser Weltklassesänger, den ich bereits, begeistert von seiner Ausstrahlung, auf Konzerten bewundern durfte, bekam ja auch nicht für nix und troubadix den diesjährigen Echo als bester Sänger im Bereich Klassik! Und überhaupt: Die Bayerische Staatsoper bürgt für Qualität. Dennoch kann sie nicht für unkontrollierbare Déjà-vus in meinem Kopf geradestehen. Was mache ich, wenn ich die erste Scheiterhaufen-Szene im ersten Akt, glaube ich, heil überstehe und am zweiten Scheiterhaufen scheitere? Ich bin, wer mich kennt, kann’s bestätigen, gerade bei ungerecht behandelten Minderheiten ein mitfühlender Mensch. Fast kämpferisch, möchte ich sagen. Aber damals, als ich, infiltriert von Jürgen von Manger, die alte Hexe Verdi singen hörte, lachte ich herzlich. Natürlich hatte die Frau beruflich nicht sehr viel Auswahl in ihrem Waldviertel. Aber was mache ich, wenn sie in München besser singt als die frühere, aber nicht altern will? Die damals war viel zu jung. Vielleicht ist es 2013 ja sogar dieselbe. So etwas gibt es in der Welt der Oper. Dann hätte diese Dame der Rolle altersmäßig zugearbeitet. Aber manche wollen nicht altern, können nicht sechzig sein. Ich kann! Warum soll ich mir singende Hexen anhören? Alt bin ich selber. Und ich steh’ dazu. Selbst wenn ich Jonas Kaufmann und die Hexe und die ganze Inszenierung wunderbar finde, bleibt immer noch das Problem mit dem Chor. Ich sing’ immer mit. Das stört! Das ist das Deutsche in mir. Ich hör nur: „ … UND JETZT ALLE!“, und schon mach’ ich mit. Ich bin deutsch, da helfen keine Pillen. Weshalb bei deutschen Chören nicht selten – besonders zu Silvester – die Ode an die Freude wie der Gefangenenchor aus Nabucco klingt, weiß ich nicht. Bei Gotthilf Fischer und seinen Chören ist es gerade umgekehrt. Das Schwäbische des Chorleiters kommt so gemütlich über die Rampe wie das Kumpelplatt von Tegtmeier. Ich hab’ mal einen Gefangenenchor, von Gotthilf Fischer dirigiert, hören dürfen, der wie „Na, Buco, wie geht‘s Dir?“ klang. Ich werde aus reinem Selbstschutz also die mit Spannung erwartete Münchner Inszenierung des Troubadour aufgrund zu vieler persönlicher Erinnerungen meiden. Hinzu kommt noch das Fehlverhalten einzelner iPhone- und iPadBesitzer. Trotz Verbots, die Inszenierung zu filmen und zu fotografieren, tun sie es. Im Zweifelsfall filmen sie mich, wie ich beim Troubadour gelacht hab‘. Wenn ich dann von diesem Magazin Schreibverbot erhalte, ist es zu spät zu sagen: Der Richter kennt den Troubadour nur von Manger und nicht von Verdi … Dem Meister wär’ es allerdings wurst, um nicht zu sagen, Mortadella gewesen, ob ich nun beim Troubadour lache oder weine. Der hat sowieso ab einem gewissen Alter lieber gekocht als komponiert. Viel Vergnügen also bei der Premiere! Denken Sie gleich im ersten Akt beim ersten Scheiterhäufchen Elend einfach an mich; so, wie ich einst beim Troubadour von Verdi an von Manger. Aber nicht lachen! Dann klappt’s auch mit dem Nachbarn.

Ilja Richter ist Schauspieler und Buchautor. Jüngst veröffentlichte er das Buch Du kannst nicht immer 60 sein.

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Lynn Skordal, The Singer, Not the Song (The Chair Series, 2012)

Wir sind ganz Chor

Von der alten und neuen Lust der Deutschen am Singen 130


„Ein Aufgebot von singenden Männern mit Bärten, Brillen und Bäuchen, als eine Schar von Rechnungsräten und Fabrikanten, die sich plötzlich zusammenfinden, um den Abendstern zu begrüßen, den Schöpfer zu loben oder zu beteuern, dass nur wer die Sehnsucht kennt, wissen könne, was jeder einzelne der Herren leidet, dem das Eingeweide vor Verlangen nach einem Gulasch brennt.“ – Der Österreicher Karl Kraus hatte nicht viel mehr übrig als ätzenden Spott für diese gemeinschaftlich singenden Herren und zeichnete mit gewohnt spitzer Feder eine bösartige Karikatur. Inbegriff kleinbürgerlicher Spießigkeit, typisch deutscher Vereinsmeierei: der Männergesangsverein. Keimzelle einer jungen bürgerlichen Chorbewegung im 19. Jahrhundert. Heute ist sie überaltert und im Aussterben begriffen. Oder? „Wir haben noch traditionelle Männerchöre, die zum Teil einfach keinen Nachwuchs mehr finden. Aber wir haben eine Flut von Neugründungen von sehr vitalen jungen Chören, die diesen Rückgang ausgleichen“, sagt Moritz Puschke, künstlerischer Geschäftsführer beim Deutschen Chorverband in Berlin. Immerhin noch 6.500 Männerchöre sind unter den rund 27.000 Chören registriert. Und Puschke beobachtet seit einigen Jahren eine neue Lust am Singen, sein Verband wächst im Jahr um 3.500 Sängerinnen und S ­ änger, insbesondere im Bereich der „Kinder-, Jugend-, Jazz- und Kammerchöre, die sich aber stark zentrieren auf die großen Städte – zumeist Universitätsstädte, aber auch kleine Städte, wo es sehr gute Chorleiter gibt. Die flächendeckende Grundversorgung auf dem Land, das ist für uns eine der wichtigen Aufgaben. Wie kriegen wir gute Chorleiter in die ländlichen Regionen?“ „Die Leute brauchen das Singen. Das, was wir in uns haben, das ist die Stimme. Das Singen ist uns in die Wiege gelegt“, sagt Deutschlands vielleicht bekanntester Chorleiter Gotthilf Fischer, 85 Jahre alt – „Herr der

Text Wiebke Matyschok

„Wir sind ganz Chor“ – so lautet der Wahlspruch des Deutschen Chorverbandes. Rund 27.000 ­organisierte ­Chöre verzeichnet­ er, Tendenz steigend. Zählt man die kirchlichen Chöre noch hinzu, singen Schätzungen zufolge in Deutschland ­ 2,4 Millionen ­Menschen in 50.000 organisierten Chören. ­ Und jetzt alle? Singen wir wieder? Ein Ausflug in das Reich der Laienchöre offenbart eine erstaunliche Vielfalt, von Berliner Kult­orten bis Gotthilf Fischer.

singenden Heerscharen“ oder auch „Therapeut der wunden Seelen“, wie er sich selbst auf seiner Homepage nennt. „Wenn Sie die Leute beobachten, wie angespannt sie manchmal in die Probe kommen: Sobald sie eine Viertelstunde gesungen haben, haben sie einen ganz anderen Gesichtsausdruck.“ Der Chorleiter ist umtriebig wie eh und je. Gerade war der Massendirigent 30 Tage auf Tournee mit Florian Silbereisen, um das Publikum zum Singen von Volksliedern zu animieren. Jeden Tag in einer anderen Stadt. Deutschland, Österreich, Schweiz. Jeden Abend seien 2.000 Menschen da gewesen, und sie haben mit ihm Volkslieder gesungen. Und jetzt alle? 1942 hatte Fischer seinen ersten Chor gegründet an der Lehrerbildungsanstalt in Esslingen. Seitdem dirigiert der ausgebildete Sportlehrer und musikalische Autodidakt. Montags in Ludwigsburg. Dienstags Stuttgart. Mittwochs Schwaikheim. Donnerstags Bönnigheim. Freitags Fellbach-Schmiden. Sonntags IlsfeldAuenstein. Die sechs Fischer-Chöre. Eine Gemeinschaft von Kinderchören, Jugendchören, Männerchören und gemischten Chören, mit denen er auch schon auf Tournee gegangen ist, bisweilen um viele 100 Mitsängerinnen und Mitsänger ergänzt. Der Schwerpunkt des Repertoires liegt seit Beginn bei den Volksliedern, außerdem Sakralmusik und volkstümliche Opernchöre: „Wagner ist bei uns Nummer eins. Der Wach-auf-Chor aus Die Meistersinger von Nürnberg ist beim Konzert immer das Opening. Es gibt viele Menschen, die konnten sich früher die Opern nicht leisten. Und wenn sie dann zu uns kamen und irgendein volkstümlich klingendes Lied erklang, haben sie es sofort mit angestimmt.“ Und jetzt alle? Der vitale Schwabe ging neue Wege. Trat 1969 erstmals mit seinen Chören im Fernsehen in einer Show mit Wim Thoelke auf und war bald sehr bekannt, seine Schallplatten wurden Verkaufserfolge, mit Gold und Platin bedacht, in einer Zeit, als das Singen in den Schulen zuneh-

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Bild Lynn Skordal

mend vernachlässigt wurde und unter Jugendlichen eher als „uncool“ galt. Daran erinnert sich auch Moritz Puschke: „Ich habe zuerst in einer Band gespielt, damit war der Coolness-Faktor gegeben. Als Junge war ich zwischen der 5. und 10. Klasse der Einzige, der im Chor war. Das hat sich in der Oberstufe ein wenig verändert.“ Viel habe sich verändert in den letzten Jahren im Bereich der Laienchöre. Diese zumeist sehr ambitionierten leistungsstarken Ensembles sängen sowohl Alte Musik als auch zeitgenössische Werke. Und außerdem steige die Zahl der Jazz- und Popchöre sowie der Vokalensembles: „Wir beobachten, dass diese klassische Trennung, die wir in Deutschland traditionell zwischen E- und UMusik machen, nicht mehr greift, sondern dass die Chöre inzwischen vielmehr unterscheiden zwischen guter und schlechter Musik.“ Theodor W. Adorno hatte mit seiner Kritik des Musikanten (1958) noch ein vielzitiertes böses Wort in die Welt gesetzt: „Nirgends steht geschrieben, dass Singen not sei.“ Volkslieder zu singen verbot sich für den Philosophen nach den Gräueln des Nationalsozialismus. Adorno sah gar Ähnlichkeiten zwischen der Singbewegung und dem Faschismus, „die Anbiederung ans Volk und dessen angeblich heile oder naturhafte Kräfte, der Vorrang des Kollektivs gegenüber dem einzelnen, die Diffamierung des Intellekts“. Er erinnerte sich mit Grausen daran, dass seine Mutter und seine Tante auf Bitten des Vaters O Täler weit, o Höhen sangen. Ein Chorsatz, den Felix Mendelssohn-Bartholdy komponiert hatte, Teil eines Zyklus mit dem wörtlich zu verstehenden Titel Im Freien zu singen. Sehnsüchtiges beschworenes Naturidyll, Inbegriff der deutschen Romantik, O schöner, grüner Wald. So schlicht und doch kunstvoll im Satz und bald so populär, dass dieser Volkslied gewordene Satz ohne Nennung des Autorennamens auch dann noch gesungen wur-

de, als der Komponist längst als jüdisch und undeutsch verfemt worden war und seine Werke mit Aufführungsverbot belegt waren. Böse Menschen haben keine Lieder? Der bürgerliche Deutsche Sängerbund war 1933 in der Reichskulturkammer aufgegangen, die Arbeitermusikbewegung verboten worden. Und die Nationalsozialisten wendeten alles ins Völkische, außerdem bedienten sie sich der Volkslieder. KZ-Insassen wurden auf Märschen gequält mit Liedern, die Friedrich Silcher aufgeschrieben hatte: Muss i denn zum Städtele hinaus? Das gemeinsame Singen deutscher Lieder schien nach dem Krieg in weiten Kreisen vergiftet. Die Bewegung der deutschen Laienchöre geht zurück ins ausgehende 18. und beginnende 19. Jahrhundert. Erstmals schlossen sich in der Zeit des Vormärz sangeswillige Bürger – zunächst ausschließlich Männer – zu Liedertafeln und Singgemeinschaften zusammen. Diese liberal gesinnten Bürger waren die ersten, die singend erfuhren, was es heißt, eine Kulturnation zu sein – eine Gemeinschaft von Sängern, die sich selbst nach demokratischen Regeln organisierte. Sie reisten mit der Eisenbahn quer durch die vielen Königreiche, Herzogtümer, Grafschaften, Zwergstaaten, die noch fern davon waren, eine politische Einheit zu sein. Sie trafen sich auf Chorfesten, um die neuen Volkslieder in ihrer gemeinsamen Sprache anzustimmen: Deutsch. Mit Wer hat dich, du schöner Wald? besangen sie Sehnsuchtslandschaften und Idyllen, probten heimliche Hymnen wie zum Beispiel Was ist des Deutschen Vaterland? von Ernst Moritz Arndt oder politisch-oppositionelle Lieder wie Die Gedanken sind frei!. Verse, die erstmals die studentischen Burschenschafter angestimmt hatten. Noch vor der Reichseinigung – 1862 bereits – gründeten diese Sänger einen ersten nationalen Dachverband für das Singen: den Deutschen Sängerbund, 1908 gründete auch die Arbeitersängerbewegung mit dem Deutschen Allgemeinen Sän-

Noch vor der Reichseinigung, 1862 bereits, gründete sich ein erster nationaler Dachverband für das Singen: der Deutsche Sängerbund, Vorläufer des heutigen Deutschen Chorverbandes.


„Das Singen ist uns in die Wiege gelegt“, sagt Deutschlands vielleicht bekanntester Chorleiter Gotthilf Fischer, 85 Jahre alt – „Herr der singenden Heerscharen“, wie er sich selbst auf seiner Homepage nennt.

Wir sind ganz Chor

gerverband eine eigene Vereinigung. Sie sind die Vorläufer des 2005 vereinigten Deutschen Chorverbands. „Die Leute sind auf der Suche nach sinnstiftender Erfahrung. Die Arbeitswelt verändert sich, die familiären Strukturen verändern sich“, sagt Moritz Puschke. Wo könnten schon 100 Menschen zu einer organischen Gemeinschaft wachsen? Im Fußballstadion etwa könne man bloß auf etwas reagieren. Etwas künstlerisch aktiv zu gestalten und dabei zu einer homogenen Gruppe zu verschmelzen, das sei „ein Phänomen, das es nur in der Chormusik gibt.“ Um das Singen zu fördern, hat der Deutsche Chorverband vielfältige Initiativen gestartet. „Die Carusos“ – ein Programm für kindgerechtes Singen im Vorschulalter, die Messe „Chor.com“ – ein alle zwei Jahre stattfindender Treff in Dortmund, wo sich Chorleiterinnen und Chorleiter, Manager, Verleger, Hochschullehrer zusammenfinden, um Netzwerke zu bilden. Aus- und Weiterbildung. Puschke beobachtet eine zunehmende Professionalisierung der Laienchor-Szene. Da seien Chöre aufgetaucht in den letzten zehn Jahren, die habe es vorher nicht gegeben: hochspezialisiert im Repertoire, bewandert in der Alten Musik wie in der zeitgenössischen. Wettbewerbs-erfahren stemmen sie ambitionierte Programme und eigene CD-Veröffentlichungen. Auch dem Volkslied schenkt der Deutsche Chorverband Aufmerksamkeit. „Das sind so wunderbare Kompositionen, die gar nicht völkisch sind oder nationalistisch. Viele sind, was die Texte angeht, zutiefst romantisch und sehnsüchtig. Viele Lieder sind auch zutiefst demokratisch, es ging darum, sich im 19. Jahrhundert als Gruppe zu finden. Eine Sehnsucht nach Heimat muss nicht völkisch und nationalistisch sein“, so Verbandsgeschäftsführer Puschke. Das Volkslied sei die „unverfälschte Äußerung der Volksseele“, hatte Johann Gottfried Herder 1771 geschrieben, als er den Begriff in Übersetzung des englischen Wortes „po-

pular song“ erfand. „Die Reste aller lebendigen Volksdenkart rollen mit beschleunigtem Sturze in den Abgrund hinab“, beklagte Herder frühzeitig einen Kulturverfall. Der berühmten Sammlung Des Knaben Wunderhorn, 1806 in Heidelberg herausgegeben, stellten Clemens Brentano und Achim von Arnim einen programmatischen Satz voran: „Die Besinnung auf das gemeinsame Erbe der Vorzeit sollte den deutschen Stämmen ihre kulturelle Einheit bewusst machen und die nationale Opposition gegen Napoleon stärken.“ Volkslieder als Ausdruck kultureller Identität. Sie sind eine Erfindung der deutschen Romantik. Heldenlieder, Liebeslieder, Soldatenlieder, Gassenlieder, Kinderlieder. Schumann und Brahms und andere schrieben im Volkston, mühten sich ernsthaft, Volkes Seele zu ergründen. Das Deutsche Volksliedarchiv in Freiburg, angesiedelt an der dortigen Universität, ist befasst mit dem Sammeln dieses Erbes, ergänzt, wurde in Krisenzeiten – im Jahr 1914 – gegründet, um das Erbe zu wahren: eine Gesamtausgabe der deutschen Volkslieder. Sammlung, Dokumentation und Erforschung. Und heute? 2008 lobte der Deutsche Chorverband anlässlich des ersten Deutschen Chorfestes einen internationalen Wettbewerb aus, bei dem sowohl die Interpretation eines deutschen Volksliedes als auch die Uraufführung eines neuen Satzes eines Volksliedes in einer freiwilligen Sonderwertung vorgeschlagen waren. Viele Chöre beteiligten sich. In mehreren Verlagen sind inzwischen Chorbücher mit neuen Volksliedsätzen erschienen. Es verbirgt sich vielleicht eine Sehnsucht dahinter nach Heimat, nach Ursprünglichem, nach Regionalem in einer globalisierten Welt: „Wir stellen schon fest, dass es da eine große Neugier gibt. Was wir noch nicht haben, ist, dass sich Chöre abends bei der Chorparty hinsetzen und Volkslieder singen.“ Neben das regelmäßige, organisierte Singen tritt das Singen mit EventCharakter. Projekte wie etwa der „Ich-

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kann-nicht-singen-Chor“ – ein regelmäßig stattfindendes Mitmach-Angebot des Deutschen Chorverbandes im alternativen Berliner Kulturort „Radialsystem“. Singen mit Coolness-Faktor „für alle, die schon immer singen wollten, sich aber nie getraut haben“. Als neue Form der Musikvermittlung, wie sie auch der Chor der „Gernsingenden Falschsänger“ die Arbeit von „Klangspuren-Festival für zeitgenössische Musik“ in Schwaz / Tirol seit 2012 mit Workshops begleitet. Ein Format, das in Deutschland recht neu ist, sind die im skandinavischen oder angelsächsischen Raum schon lange beliebten „Mitsing-Konzerte“, bei denen Laien mit Profis gemeinsam ein Werk aufführen. Konzerte mit mehr als 1.000 Mitwirkenden, wie sie Simon Halsey, Chef des Berliner Rundfunkchores, seit einigen Jahren regelmäßig in der Berliner Philharmonie dirigiert. Oder wie zum zweiten Mal im Juni in München mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks unter der Leitung von Peter Dijkstra im Zirkus Krone. Der US-amerikanische Komponist und Dirigent Eric Whitacre geht sogar auf Tournee mit „Sing Along Concerts“, wo Menschen sich versammeln, um gemeinsam etwas einzustudieren. Bekannt geworden ist Whitacre mit virtuellen Konzerten, in denen er via Internet viele einzelne Sängerinnen und Sänger dirigiert, zu einem virtuellen Chor zusammengeschaltet – zu sehen auf Youtube. Der unermüdliche Gotthilf Fischer hat, seitdem er Chöre leitet, auf den Straßen und Plätzen vieler Städte in der ganzen Welt gesungen und auch in Kaufhäusern zur Weihnachtszeit zum Mitsingen animiert. 1974 – das schwarz-rot-goldene Sommermärchen des Jahres 2006 schien noch fern – sangen anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 1.500 Sänger der Fischer-Chöre Volkslieder im Stadion in München: „Wir haben die letzten sechs Länder besungen, die sich in die Finalspiele gekämpft haben. Wir haben ihre schönsten Lieder gesungen – für Holland war es Tulpen aus

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Amsterdam“, erinnert sich der schwäbische Chorleiter lebhaft. Eine halbe Stunde vor dem Endspiel ließ er Volkslieder wie Horch, was kommt von draußen rein anstimmen: „Das hat die ganze Welt mitgesungen. Und wenn sie die Texte nicht konnten, haben sie la-la-la gesungen.“ Und jetzt alle? Beim Deutschen Chorfest 2012 in Frankfurt am Main haben 500 Chöre mit 20.000 Sängerinnen und Sängern teilgenommen. Es findet alle vier Jahre statt und war 2008 zum ersten Mal mit großem Anklang veranstaltet worden. Die große Herausforderung sieht Puschke in der fundierten Aus- und Weiterbildung von qualifiziertem Dirigentennachwuchs, um der neuen Sangeslust in Deutschland auch in Zukunft gerecht zu werden: „Wir haben mehr Chöre, die singen wollen, als Chorleiterinnen oder Chorleiter, an denen mangelt es uns in Deutschland.“ Und jetzt alle? Wiebke Matyschok ist Hörfunkautorin und -regisseurin. Sie arbeitet für Bayern2 und BR-Klassik, außerdem für das Klangspuren-Festival in Schwaz / Tirol. Für die Bayerische Staatsoper realisierte sie 2012 das mobile Audiofeature Herr Richard W. in M.


DRESDEN GLITZERT GLANZ UND GLAMOUR BEIM SEMPEROPERNBALL

7. FEBRUAR 2014 Als bedeutendster deutscher Ball fasziniert der SemperOpernball in Dresden in jedem Jahr ein Millionenpublikum. Auch am 7. Februar 2014 wird die Elbmetropole zur Kulisse für das einzigartige Event des Klassik-Entertaintment. Mit einem außergewöhnlichen Showprogramm, erstklassigen Künstlern aus Klassik und Pop sowie einem internationalen Staraufgebot begeistert der SemperOpernball sein Publikum. Feiern Sie mit uns eine rauschende Ballnacht. Tickets für den 9. SemperOpernball sind ab sofort erhältlich unter www.semperopernball.de und telefonisch unter 0351/4845466.

Semper Opernball e.V. | c /o Taschenbergpalais Kempinski Taschenberg 3 | D-01067 Dresden T +49 351 4845466 | F +49 351 4845566 | info @ semperopernball.de


Die Bayerische Staatsoper befindet sich im Juli im Fest足 spielfieber. Zu laut f端r die Nachbarn? MAX JOSEPH hat sich in der Nachbarschaft nach deren Feiergewohnhei足 ten umgeh旦rt.

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Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises Ein wahres Fest war für mich die Verleihung des Bayerischen Fernsehpreises, den meine Lebenspartnerin Ina Jung und ich für unser Drehbuch Das unsichtbare Mädchen erhalten haben. Der offizielle Akt im Prinzregententheater war wesentlich weni­ ger steif, als ich befürchtet hatte. Ich konnte die zwei Stunden tatsächlich trotz aller Anspannung genießen und fühlte mich anschließend bei der Feier im Gartensaal durchaus heimisch, was mir bei so großen Veranstaltungen sonst eigentlich nie ge­ lingt. Die Krönung allerdings war, als wir nachts noch einen Ab­ schlussdrink nehmen wollten und uns für die Fraunhofer Schop­ penstube entschieden. Ich war lange nicht mehr dort gewesen, und Gerti, die Wirtin, empfing uns mit einer solchen Herzens­ wärme, von der ich noch heute zehre. Wundervoller hätte dieser Tag nicht enden können. Alles in allem war der gesamte FeierTag eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens. Friedrich Ani, Schriftsteller und Drehbuchautor

Künstlerfest Die Eröffnung unserer zeitgenössichen Sammlung und der KiCo Stiftung war der Auftakt von mehreren Feierlichkeiten zur Wiedereröffnung des Neuen Lenbachhauses. Zu der Feier, in­ tern nur das Künstlerfest genannt, waren alle Künstler geladen, mit denen das Haus in den letzten 30 Jahren gearbeitet hat, und viele dem Haus verbundene internationale Galeristen und Mu­ seumskollegen. Es kamen sehr viele Künstler, unter anderem Erwin Wurm, Monica Bonvicini, Stephan Huber, Wolfgang Tillmanns, Wade Guyton, Ólafur Elíasson, Thomas Demand, Olaf Metzel, Katharina Sieverding, Dietmar Tanterl oder Angela Bulloch. Künstler, deren Arbeiten Teil unserer Sammlung sind oder die wir in Sonderausstellungen gezeigt haben und über deren Kommen ich mich besonders gefreut habe. Einige ihrer Werke werden aktuell in unseren neuen Räumen gezeigt und dann ist die Spannung, was die Künstler zur Präsentation ihrer Arbeiten sagen, natürlich besonders hoch. Umso größer war meine Freu­ de darüber, dass alle Kollegen und Künstler das Haus und die neuen Ausstellungsräume sehr gelungen fanden. Nach der mo­ natelangen, sehr intensiven Einrichtungsphase im neuen Haus feierten wir dieses Fest dann auch sehr ausgelassen.

Ritterschlag Mein Geburtstagsfest übergehe ich. Die Zahl der Jahresringe hat allmählich auch etwas Bedrohliches. – Aber welches Fest, welche Feier kürzlich in Berlin! Zwischen Brandenburger Tor und Hotel Adlon in der Beletage der Französischen Botschaft! Ich bleibe berauscht, beglückt und geadelt. Wer wird schon noch zum Ritter geschlagen? Durch viel Arbeit und hellwache Ohren in Paris ist mir diese schier unaussprechliche Ehre zu­ teilgeworden. Anfang Mai heftete mir in einem Festakt der fran­ zösische Botschafter den silbergrünen, durchaus schweren Or­ den eines Chevalier dans l'ordre des Arts et des Lettres an die Brust. Für Verdienste um die französische Kultur in Deutsch­ land durch meine Bücher. Natürlich gab es Champagner und die zeremoniellen Worte: „Au nom de la République Française on vous nomme chevalier.“ – Dieser Festakt schwingt nach. Ein­ mal pro Woche schaue ich mir meinen Orden an und sage mir verblüfft: „Ich bin Ritter.“ Meines Erachtens existiert auf dem Erdenrund kein schönerer Titel. Dass ich nun eine Rüstung tra­ gen müsste, ist eine Legende. Vor allem seelisch hat der moder­ ne Mensch gerüstet zu bleiben.

Helmut Friedel, Direktor der Städtischen Galerie im Lenbachhaus

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Hans Pleschinski, Schriftsteller


Kindergeburtstag

50. Geburtstag

Meine letzte private Party habe ich erst kürzlich im P1 gefeiert. Ein unglaublich lautes, buntes und lustiges Fest, und um 18.00 Uhr war alles vorbei – es war der 2. Geburtstag unserer Zwillin­ ge Raphael und Nikolas. Geschäftlich bin ich mit dem Party-Service natürlich unheimlich oft auf Events, wenn auch im Hintergrund. Ich ver­ suche dann immer, mich in die Gäste hineinzuversetzen und die Party durch ihre Augen zu sehen, nur dann weiß ich, ob ein Fest wirklich perfekt läuft. Mit der Zeit habe ich ein sicheres Gespür dafür entwickelt, wann die Musik zu laut oder zu leise ist, ob die Gäste sich amüsieren oder etwas Entertainment der Stimmung gut täte – einfach die emotionalen Dinge, die fast entscheiden­ der sind als tolles Essen und eine super Dekoration.

Feiern gehört ja bei der DJ-Zunft zum täglichen Geschäft. Auf meiner „Never Ending World Tour“ wird das Festefeiern hoffent­ lich nie zur Routine. Einen größeren Anlass zum Innehalten gab es letztes Jahr, als ich die 50 Jahre überschritten habe. Hierzu wurde eine kleine Gartenparty mit buntem Rahmenprogramm von mir im paradiesischen Chiemgau organisiert. DJ HELL, DJ und Produzent

Michael Käfer, Gastronom

Premierenfeier

Illustration Gian Gisiger, Bureau Mirko Borsche

„Ich kann mich an nichts mehr erinnern“ – das wäre natürlich die wildeste Antwort, entspräche aber doch vielleicht eher Ok­ toberfest-Zuständen, vor denen ich als Nicht-Biertrinker auf natürliche Art geschützt bin. Zuletzt gefeiert habe ich am Re­ sidenztheater die Premiere von Heiner Müllers Zement zusam­ men mit dem Ensemble und dem Regisseur Dimiter Gotscheff. Zuerst ging es in den Flur vor den Garderoben, wo wir gemein­ sam mit dem ganzen Team anstießen, besonders auf das Leben und Überleben, denn es hatte eine kleine technische Panne gegeben, die uns allen einen Schrecken eingejagt und dem Pu­ blikum eine extra Pause beschert hatte. Dank unserer Techni­ ker, die mit ruhigen Nerven alles repariert hatten, war es dann reibungslos weitergegangen. Theater wird eben im Team ge­ macht und so wird dann auch gefeiert: erst ein kurzes Hallo mit den Zuschauern in der Bar Zur Schönen Aussicht, aber immer schon auf dem Sprung in die Bar im Marstall, in der schon der DJ lauert und Regine Herzog, die gute Seele des Ortes, die ihre rote Karte in der Tasche gezückt hält, um die Heimlichraucher von innen nach außen zu komplimentieren. Und da stehen wir dann alle vor der großen Tür auf dem Marstallplatz, machen Philip Morris noch reicher und unsere Lungen noch schwärzer. Sind dann alle recht durchgefroren, wird sich oben wieder warm getanzt, getrunken, geredet, und das kann dauern, gerne bis in die noch kühleren Morgenstunden. Was ich mir wünschen würde, wäre, dass es mehr Austausch gibt zwischen Ballett, Oper und Schauspiel, dass wir gemein­ sam feiern, wo wir doch schon Nachbarn sind und in der glei­ chen Kantine unseren Kaffee trinken. Mit den Kammerspielen geht das ja auch sehr gut, nach der eigenen Vorstellung im Resi noch schnell die Straßenseite gewechselt rüber in die Kammer und schon gibt es die nächste Premierenfeier!

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Bibiana Beglau, Ensemblemitglied des Residenztheaters


Release-Konzert Charles Lloyd

Danach gab es ein opulentes Essen: asiatisch, europäisch und fast so gut wie das, was wir machen. Feiern ist auch immer Ge­ nuss und Ausgelassenheit. Jeder unserer Mitarbeiter hatte den Preis verdient. Einer gab ihn nicht mehr her. Den derzeitigen Umbau der Pinakothek der Moderne se­ hen wir als Aufbruch und so werden wir dort in großer Runde mit all unseren Freunden den Preis noch einmal feiern. Wir haben sie gebeten, mit eigenen Tischen und Stühlen den Wintergarten der Pinakothek für diesen einen Abend einzurichten und ihre Ge­ schichte dazu zu erzählen: unser ONE-NIGHT-TABLE-Abend. Staatsintendant Nikolaus Bachler wird dabei sein, ebenso ResiIntendant und Regisseur Martin Kušej und der Münchner Schrift­ steller Albert Ostermaier, der uns seinen ersten selbst gekauften Schreibtisch schicken wird. Wir freuen uns auf diesen Pop-UpAbend ganz besonders. Keine Reden. Nur Geschichten. Musik. Feiern und wunderbares Essen und Trinken. Das ist Feiern.

Das Release-Konzert von Saxophonist Charles Lloyd und Pianist Jason Moran am 2. Februar war ein richtiges Fest für mich. Meine größte Freude dabei war, dass diese Präsentation ihres ersten Duo-Albums Hagar's Song innerhalb der Konzertreihe zu „ECM – Eine kulturelle Archäologie" bei uns im Haus der Kunst stattfin­ den konnte. Diese beiden Musiker nach München einladen zu können, war für mich wie die Verwirklichung eines Traums.

Okwui Enwezor, Direktor des Museums Haus der Kunst

One-night-table Wir haben dieses Jahr einen wichtigen Preis bekommen: die Auszeichnung „Business Diamond Award“ des Busche Verlags für das beste Location Management. Weil es immer so ist, dass einen solchen Preis nicht nur einer alleine verdient, hinter dem Erfolg immer mehrere Menschen stehen und es Spaß macht, ein solches Ereignis zusammen zu feiern, sind wir zur Preisver­ leihung Ende Mai nach Frankfurt alle zusammen in einem klei­ nen Bus gefahren. Schon die Busfahrt war eine kleine Feier. Wir waren auf­ gedreht und froh, einmal die Distanz zum Betrieb zu Hause zu haben. So konnte man in eigentlich formeller Runde an sich for­ melle Dinge witzig, mit Humor und sehr, sehr informell bespre­ chen. Es gab zwei Fahrer: Der eine fährt lieber, als dass er hin­ ten sitzt, weil ihm dort immer schlecht wird, und der andere ist ein verhinderter Michael Schumacher, dem es immer zu lang­ sam geht – egal, ob Regen, Hagel oder Schnee. Der eine fährt so langsam, dass man sich wirklich fragt, ob man je ankommt, der andere fährt so schnell, dass man sich die gleiche Frage stellt. Angekommen sind wir. Jeder hatte eine Stunde Zeit, das äußerlich Beste aus sich herauszuputzen … und es ist gelun­ gen. Wenn man sonst im Schweiße des Angesichts arbeitende Menschen ausgelassen und fröhlich und herausgeputzt sieht, ist auch das schon eine kleine Feier. Die eigentliche Feier fand in einem sehr angesagten Frankfurter Club statt – asiatisch, ZEN-buddhistisch und vor allem sehr, sehr dunkel. Wir tauchten recht früh, als Erste in die von Räucherstäb­ chen vernebelte Luft ein und standen im Mittelpunkt, in den wir sonst immer mit großer Freude andere stellen. Nach dem Empfang kam die Preisverleihung. Unser Lau­ dator war Moritz von Laffert, Herausgeber von Magazinen wie Vogue, Architectural Digest und GQ. Seine Rede war emotional, persönlich und einfach rührend. Meine Antwort war verlegen, weil ich damit nicht gerechnet hatte. Er sagte: „Sie können sich gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, dass wir immer wieder auf Schottenhamel Catering zurückgreifen können.“ Aus diesem Mund ist das die wohl größte Anerkennung, die man sich wün­ schen kann.

Michael Schottenhamel, Gastronom

Circus Krone Das schönste Fest, das ich in den letzten Jahren gefeiert habe, liegt nun schon fünf Jahre zurück. Es war mein 60. Geburtstag, den ich zusammen mit Kolleginnen und Kollegen aus Klassik, Jazz, Schauspiel und mit befreundeten Musikern aus aller Welt im Münchner Circus Krone gefeiert habe. Ein großartiger Kon­ zertabend von über fünf Stunden, an dem meine Lieder in teil­ weise abenteuerlicher Form musikalisch interpretiert wur­ den. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich nach wie vor am liebsten auf der Bühne stehe, und das vor allem auch an mei­ nem Geburtstag. Deshalb habe ich mir für diesen 1. Juni wieder den Circus Krone gebucht. Mal sehen, ob ich das in fünf Jahren bei meinem 70. nochmals wiederholen kann...

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Konstantin Wecker, Liedermacher


S I E G E H Ö R E N Z U D E N M E N S C H E N, D I E M E H R E RWA RT E N ?

S O L LT E N S I E E S DA N N N I C H T AU C H B E K O M M E N ? Das seit 1841 privat geführte Hotel Bayerischer Hof ist mit seinen 340 Zimmern inklusive 60 Suiten, seinen 5 Restaurants und 6 Bars eine Institution unter internationalen Luxushotels. Ein neues Highlight ist die einzigartige astor@Cinema Lounge, das erste astor-Premiumkino in München, ausgestattet mit neuester Technik. Für die gelungene Gestaltung konnten wir den renommierten Interior Designer Axel Vervoordt gewinnen, der bereits die Restaurants Atelier und Garden mit seinem Stil prägte. Küchenchef Steffen Mezger (Restaurant Atelier) wurde mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet. Reservieren Sie im Atelier unter +49.89.21 20-734 oder im Garden +49.89.21 20-993. Ideal für Ihr "après Opera": die langen Öffnungszeiten unserer Restaurants Garden (24 Uhr), Palais Keller (1 Uhr), Trader Vic's (3 Uhr) sowie der falk's Bar (2 Uhr) und unseres Night Clubs (3 Uhr). Relaxen Sie nach Spannung und Kultur in unserem Blue Spa, designt von Andrée Putman, mit erstklassigen Treatments und Wellness-Küche. Kulturarrangement Zwei Übernachtungen inklusive Champagner-Frühstück, Petit-Four zur Begrüßung und einem Fünf-Gänge-Menü im Gourmetrestaurant Atelier für 419,00 Euro pro Nacht im Doppelzimmer. Gültig bis 30. Dezember 2013. Weitere Details unter 089.21 20-900 oder www.bayerischerhof.de Promenadeplatz 2 - 6 D-80333 München

Fon + 49 89.21 20 - 0 Fax + 49 89.21 20 - 906

www.bayerischerhof.de info@bayerischerhof.de


Agenda

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Plakate der Spielzeit 2012/13 Künstler der Münchner Opernfestspiele 2013

175 Die Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2013

209 Spielplan

218 Der Festspielpreis der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

223

English Excerpts

232 Urlaubstipps

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Die Plakate der ­ Spielzeit 2012 / 13 von Craig & Karl

Das australische Illustratoren-Duo Craig & Karl (Craig Redman & Karl Maier) ist bekannt für seine polychromen, von der Pop-Art inspirierten, karikaturistischen Illustrationen. Ihre Arbeiten für Coca Cola, den Luxuskonzern LVMH und zuletzt die britische Vogue waren von kulturellen Happenings inspiriert. Von ihnen stammt auch das Kult-Cover des New York Magazine zu Barack Obamas Wahlsieg für seine zweite Amtsperiode. Das Duo hat weltweit ausgestellt, unter anderem im Musée de la Publicité, im Louvre und bei Colette in Paris – die Jungs werden also gerade heiß gehandelt. Craig Redman lebt in New York, Karl Maier in London. Die Plakate sind in Zusammenarbeit mit der Bilddramaturgie der ­Bayerischen Staatsoper und dem Bureau Mirko Borsche entstanden.

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Premierenplakate 2012–2013

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Premierenplakate 2012–2013

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Premierenplakate 2012–2013

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Premierenplakate 2012–2013

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Konzertplakate 2012–2013

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EMIKO ROOF TERRACE modern japanese cuisine

open daily from 12 noon until 10 p.m. sushi & sunshine from 12 noon until 2.30 p.m. • dinner from 6 p.m. viktualienmarkt 6 • 80331 munich • phone: +49. 89. 411 190 8-111 • www.louis-hotel.com • emiko@louis-hotel.com


K端nstler der Opernfestspiele 2013

Bayerisches Staatsorchester

Chor der Bayerischen Staatsoper

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Wolfgang Ablinger-Sperrhacke Siegfried Mime

Barry Adamson Forever Young / Broken Fall Musik

Javier Amo Solist Bayerisches Staatsballett

Wolfgang Antesberger Jane Archibald Konzert der Münchner Hofkantorei Ariadne auf Naxos Zerbinetta Leitung, Einstudierung

Lera Auerbach Helden Musik

Karen Azatyan Solist Bayerisches Staatsballett

Patrice Bart La Bayadère Choreographie

Falk Bauer Ariadne auf Naxos Kostüme

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Márton Ágh Rigoletto Bühne, Kostüme

David Alden Tannhäuser Inszenierung

Ivy Amista Solistin Bayerisches Staatsballett

Marco Armiliato Rigoletto Musikalische Leitung

Frederick Ashton La Fille mal gardée Choreographie

Maria Babanina La Bayadère Musikalische Einrichtung

Josef Bairlein Video-Walk Projektleitung, Konzep­tion, Gestaltung

Claude Bardouil Nancy. Interview Choreographie, Regie, Tanz

Piotr Beczala La traviata Alfredo Germont

Dmitry Belosselskiy Macbeth Banco

Allan Bergius Festspiel-Familienkonzert Musikalische Leitung


Calixto Bieito Boris Godunow Inszenierung

Bertrand de Billy Ariadne auf Naxos / Simon Boccanegra Musikalische Leitung

Thomas Blondelle Ariadne auf Naxos Ein Tanzmeister

Andrea Borghini Don Carlo Flandrischer Deputierter Macbeth Diener, Mörder, Erscheinung 1

Johan Botha Otello Otello

Stefanie C. Braun The Bear / La voix humaine Sopran

Pavol Breslik Otello Cassio Liederabend

Angela Brower Falstaff­ Mrs. Meg Page Parsifal Klingsors Zaubermädchen Das Rheingold / Götter­ dämmerung Wellgunde Festspiel-Konzert der Orchesterakademie / Liederabend

Gavin Bryars Exits and Entrances /  BIPED Musik

Joseph Calleja Rigoletto Il Duca di Mantova 5. Festspiel-Kammerkonzert / Festspiel-Konzert Oper für alle

Javier Camarena Falstaff Fenton

Paolo Carignani Il trovatore / Falstaff / Otello Musikalische Leitung

Robert Carsen Ariadne auf Naxos Inszenierung

Maxim Chashchegorov Solist Bayerisches Staatsballett

Alison Chitty Otello Bühne, Kostüme

Patrizia Ciofi Rigoletto Gilda 5. Festspiel-Kammerkonzert

Allan Clayton Written on Skin Angel 3 - John

Kevin Conners Ariadne auf Naxos Brighella Boris Godunow Schwachsinniger Der fliegende Holländer Der Steuermann, Parsifal Erster Gralsritter, La traviata Gaston Tristan und Isolde Ein Hirte Festspiel-Konzert der Orchesterakademie

Martin Crimp Written on Skin Libretto

Lisa-Maree Cullum Erste Solistin Bayerisches Staatsballett

Künstler der Opernfestspiele 2013

157


Merce Cunningham Exits and Entrances /  BIPED Choreographie

Emanuele D’Aguanno Macbeth Malcolm

Katarina Dalayman Die Walküre Brünnhilde

Okka von der Damerau Das Rheingold Floßhilde Die Walküre Grimgerde Festspiel-Konzert der Orchesterakademie / Liederabend

Diana Damrau Liederabend

Iulia Maria Dan Babylon Septette Rigoletto La Contessa di Ceprano

Annette Dasch Lohengrin Elsa von Brabant

Iestyn Davies Written on Skin Angel 1 - The Boy

Keso Dekker Forever Young / Choreartium Ausstattung

Carlo Diappi La traviata Kostüme

Luisa Díaz González Solistin Bayerisches Staatsballett

Marlon Dino Erster Solist Bayerisches Staatsballett

Paul van Dyk Paul van Dyk meets Verdi DJ

Moritz Eggert Wagner vs. Verdi Komponist

Markus Eiche Ariadne auf Naxos Harlekin Boris Godunow Andrej Schtschelkalow Lohengrin Heerrufer Tristan und Isolde Kurwenal

Tara Erraught Ariadne auf Naxos Dryade Parsifal Klingsors Zaubermädchen Liederabend

Dan Ettinger La traviata Musikalische Leitung

Wlademir Faccioni Solist Bayerisches Staatsballett

Josef Feichter Wagner vs. Verdi Kappellmeister

Roberta Fernandes Solistin Bayerisches Staatsballett

158


Séverine Ferrolier Solistin Bayerisches Staatsballett

Asher Fisch Der fliegende Holländer Musikalische Leitung

Christof Fischesser Tannhäuser Hermann

Burkhard Fritz Ariadne auf Naxos Bacchus, Der Tenor

Werner Fritz Macbeth Kostüme

Anna Gabler Götterdämmerung Gutrune, 3. Norn

Sonia Ganassi Don Carlo Die Prinzessin von Eboli

Véronique Gens Falstaff Mrs. Alice Ford

Christian Gerhaher Liederabend

Matthias Goerne Tannhäuser Wolfram von Eschenbach

Stephen Gould Siegfried / Götterdämmerung Siegfried

Norbert Graf Solist Bayerisches Staatsballett

Eike Gramss Falstaff Inszenierung

Konstantin Grcic Exits and Entrances / Unitxt Design

Heike Grötzinger Boris Godunow Xenias Amme Der fliegende Holländer Mary Die Walküre Waltraute La traviata Flora Bervoix

Thorsten Grümbel Das Rheingold Fasolt

Ekaterina Gubanova Tristan und Isolde Brangäne Festspiel-Konzert Oper für alle

Zenta Haerter Der Ring des Nibelungen Choreographie

Thomas Hampson Parsifal Amfortas

Levin Handschuh Video-Walk Konzeption, Gestaltung

Künstler der Opernfestspiele 2013

159


Barbara Hannigan Written on Skin Agnès

Anja Harteros Il trovatore Leonora Don Carlo Elisabeth von Valois Otello Desdemona

Silvia Hauer Babylon Septette Parsifal Klingsors Zaubermädchen

Gerold Huber Liederabend Christian Gerhaher Klavier

Steven Humes Das Rheingold Fafner

Dmitri Hvorostovsky Liederabend

Dimitry Ivashchenko Rigoletto Sparafucile, Monterone

Jennifer Johnston Götterdämmerung 2. Norn

Sir Peter Jonas 2. Festspiel-Kammerkonzert Moderator

Richard Jones Lohengrin Inszenierung

Goran Jurić Macbeth Banco Boris Godunow Nikititsch Don Carlo Ein Mönch Otello Montano Parsifal Titurel Rigoletto Usciere Simon Boccanegra Pietro Tannhäuser Biterolf

Anja Kampe Der fliegende Holländer Senta

Amir Katz Liederabend Pavol Breslik Klavier

Jonas Kaufmann Don Carlo Don Carlos, Infant von Spanien Il trovatore Manrico

Simon Keenlyside La traviata Giorgio Germont

Wookyung Kim Macbeth Macduff

Johannes Klama Ariadne auf Naxos Haushofmeister

Sapir von Kleist Video-Walk Konzeption, Gestaltung

Sophie Koch Ariadne auf Naxos Der Komponist Das Rheingold / Die Walküre Fricka

Lothar Koenigs Lohengrin Musikalische Leitung

160


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Terence Kohler Helden Choreographie, Inszenierung

Tomasz Konieczny Das Rheingold /Siegfried / Götterdämmerung Alberich

Hans-Peter König Der fliegende Holländer Daland Lohengrin Heinrich der Vogler Die Walküre Hunding Götterdämmerung Hagen

Peter Konwitschny Der fliegende Holländer / Parsifal / Tristan und Isolde Inszenierung

Anatoli Kotscherga Boris Godunow Pimen

Vitalij Kowaljow Simon Boccanegra Jacopo Fiesco

Günter Krämer La traviata Inszenierung

Nadia Krasteva Rigoletto Maddalena, Giovanna

Andreas Kriegenburg Der Ring des Nibelungen Inszenierung

Ingo Krügler Boris Godunow Kostüme

Anna Krzyskow Forever Young / Choreartium Einstudierung

Martin Kušej Macbeth Regie

Tim Kuypers Ariadne auf Naxos Ein Perückenmacher Babylon Septette Lohengrin Brabantischer Edler Rigoletto Marullo

Mariusz Kwiecien Don Carlo Rodrigo, Marquis de Posa

Lucia Lacarra Erste Solistin Bayerisches Staatsballet

Osbert Lancaster La Fille mal gardée Bühne, Kostüme

John Lanchbery La Fille mal gardée Musik

Petra Lang Parsifal Kundry Die Walküre Sieglinde Tannhäuser Venus

Wiebke Lehmkuhl Götterdämmerung Floßhilde, 1. Norn

Johannes Leiacker Der fliegende Holländer / Parsifal / Tristan und Isolde Bühne, Kostüme

162


José Limón Forever Young / The Moor’s Pavane Choreographie

Thomas Loibl 5. Festspiel-Kammerkonzert Sprecher

Željko Lučić Macbeth Macbeth Simon Boccanegra Simon Boccanegra

Fabio Luisi Rigoletto Musikalische Leitung

Xavier de Maistre Liederabend Diana Damrau Harfe

Ambrogio Maestri Falstaff Sir John Falstaff

Russell Maliphant Forever Young / Broken Fall Choreographie

Elena Manistina Il trovatore Azucena

Stefan Margita Das Rheingold Loge

Alexey Markov Il trovatore Graf von Luna

Katherina Markowskaja Solistin Bayerisches Staatsballet

Léonide Massine Forever Young / Choreartium Choreographie

Lorca Massine Forever Young / Choreartium Einstudierung

Vladimir Matorin Boris Godunow Warlaam

Claron McFadden Babylon Die Seele

Thomas Meinecke Radioshow – Die unmögliche Enzyklopädie Sprecher

Zubin Mehta Don Carlo / Festspiel-Konzert Oper für alle Musikalische Leitung

Nadja Michael Macbeth Lady Macbeth

Tigran Mikayelyan Erster Solist Bayerisches Staatsballett

Aga Mikolaj Das Rheingold Freia

Künstler der Opernfestspiele 2013

163


Katie Mitchell Written on Skin Inszenierung

Tomio Mohri La Bayadère Bühne, Kostüme

Levente Molnár Das Rheingold Donner Simon Boccanegra Paolo Albiani Falstaff Ford

Johann Mösenbichler Wagner vs. Verdi Musikalische Leitung

Hanna-Elisabeth Müller Ariadne auf Naxos Najade Don Carlo Tebaldo, Page Elisabeths Parsifal Klingsors Zaubermädchen Das Rheingold / Götterdämmerung Woglinde

Roswitha C. Müller Die Walküre Siegrune

Massimiliano Murrali 5. Festspiel-Kammerkonzert Klavier

Jussi Myllys Babylon Tammu

Karin Kei Nagano Festspiel-Familienkonzert Klavier

Kent Nagano Written on Skin / Babylon / Boris Godunow / Parsifal / Der Ring des Nibelungen/ Tannhäuser/ Tristan und Isolde Musikalische Leitung

Catherine Naglestad Siegfried Brünnhilde

Tareq Nazmi Ariadne auf Naxos Truffaldin Babylon Septette Boris Godunow Mitjucha Falstaff Pistola Otello Lodovico Parsifal Zweiter Gralsritter La traviata  Marquis d’Obigny

Evgeny Nikitin Lohengrin Friedrich von Telramund Parsifal Klingsor

Roland Olbeter Babylon Bühne

Simon O‘Neill Die Walküre Siegmund

Peter Pabst Ariadne auf Naxos Bühne

Carlus Padrissa – La Fura dels Baus Babylon / Wagner vs. Verdi Inszenierung

René Pape Don Carlo Philipp II., König von Spanien Tristan und Isolde König Marke Festspiel-Konzert Oper für alle

Iain Paterson Götterdämmerung Gunther

Rafał Pawnuk Il trovatore Zigeuner Lohengrin Brabantischer Edler

164


Patricia Petibon Rigoletto Gilda

Ekaterina Petina Solistin Bayerisches Staatsballett

Alexandra Petersamer Die Walküre Roßweiße

Marius Petipa La Bayadère Choreographie

Francesco Petrozzi Il trovatore Ruiz Ariadne auf Naxos Ein Offizier Don Carlo Der Graf von Lerman Lohengrin Brabantischer Edler Otello Rodrigo Rigoletto Borsa Matteo Tristan und Isolde Melot

Cyril Pierre Erster Solist Bayerisches Staatsballet

Gottfried Pilz Falstaff Bühne, Kostüme

Heiko Pinkowski The Bear / La voix humaine Schauspieler

Ewa Podles Falstaff Mrs. Quickly

Magdalena Popławska Nancy. Interview Schauspiel, Tanz

Dean Power Babylon Septette

Anna Prohaska Babylon Inanna

Christopher Purves Written on Skin The Protector

Oliver Py Il trovatore Inszenierung

Sondra Radvanovsky Festspiel-Konzert Oper für alle

Axel Ranisch The Bear / La voix humaine Regie

Dr. Wolfgang Rathert Radioshow – Die unmögliche Enzyklopädie Sprecher

John B. Read La Fille mal gardée Licht

Marina Rebeka La traviata Violetta Valéry

Andreas Reinhardt La traviata Bühne

Künstler der Opernfestspiele 2013

165


Ulrich Reß Ariadne auf Naxos Scaramuccio Boris Godunow Missail Falstaff Dr. Cajus Parsifal Dritter Knappe Das Rheingold Mime Tannhäuser Walther von der ­Vogelweide, Tristan und Isolde Ein junger Seemann

Johan Reuter Der fliegende Holländer Der Holländer Das Rheingold Wotan

Christian Rieger Ariadne auf Naxos Ein Lakai Boris Godunow Hauptmann der Streifenwache Rigoletto Il Conte di Ceprano La traviata Baron Douphol Tristan und Isolde Ein Steuermann

Rebecca Ringst Boris Godunow Bühne

Kenneth Roberson Babylon Septette Don Carlo Ein königlicher Herold Parsifal Vierter Knappe

Myron Romanul La Fille mal gardée / Helden Musikalische Leitung

rosalie Helden Kostüme

Jürgen Rose Don Carlo Inszenierung, Bühne, Kostüme, Lichtkonzept

Árpád Schilling Rigoletto Inszenierung

Jürgen Schläder Opernseminare

Gabriele Schnaut Babylon Der Euphrat

Alfred Schnittke Helden Musik

Petra-Maria Schnitzer Tristan und Isolde Isolde

Andrea Schraad Der Ring des Nibelungen Kostüme

Eike Wilm Schulte Ariadne auf Naxos Ein Musiklehrer

Golda Schultz Il trovatore Inez Babylon Septette Macbeth Dama di Lady Macbeth Parsifal Klingsors Zaubermädchen Die Walküre Ortlinde

Michaela Schuster Lohengrin Ortrud Götterdämmerung Waltraute

Anne Schwanewilms Tannhäuser Elisabeth

Peter Seiffert Tristan und Isolde Tristan

Robertas Šervenikas Forever Young / Choreartium / The Moor´s Pavane Musikalische Leitung

166


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Franziska Severin Don Carlo Mitarbeit Inszenierung

Claudio Sgura Otello Jago

Buki Shiff Tannhäuser Kostüme

Taras Shtonda Don Carlo Der Großinquisitor

Richard Siegal Exits and Entrances / Unitxt Choreographie, Licht, Projektion

Gerhard Siegel Boris Godunow Fürst Schujskij

Victoria Simmonds Written on Skin Angel 2 - Marie

Sergey Skorokhodov Boris Godunow Grigorij Otrepjew Das Rheingold Froh

Lukáš Slavický Erster Solist Bayerisches Staatsballett

Peter Sloterdijk Babylon Libretto

Robert Dean Smith Tannhäuser Tannhäuser

Yulia Sokolik Boris Godunow Fjodor Rigoletto Paggio della Duchessa

Sarah Stackhouse Forever Young / The Moor’s Pavane Einstudierung

Nina Stemme Götterdämmerung Brünnhilde

Terje Stensvold Siegfried Der Wanderer

Christoph Stephinger Macbeth Arzt Tannhäuser Reinmar von Zweter La traviata Doktor Grenvil

Joshua Stewart Babylon Ein Priester Boris Godunow Leibbojar Lohengrin Brabantischer Edler

Krassimira Stoyanova Simon Boccanegra Amelia Grimaldi

Daria Sukhorukova Erste Solistin Bayerisches Staatsballett

Dmitri Tcherniakov Simon Boccanegra Inszenierung, Bühne

168


Bryn Terfel Die Walküre Wotan

Harald B. Thor Der Ring des Nibelungen Bühne

Roni Toren Tannhäuser Bühne

Peter Trabner The Bear / La voix humaine Schauspieler

Tobias Truniger Liederabend Die drei Mezzi Klavier

Alexander Tsymbalyuk Boris Godunow Boris Godunow

Ultz Lohengrin Bühne, Kostüme

Matej Urban Solist Bayerisches Staasballett

Ramón Vargas Simon Boccanegra Gabriele Adorno

Franco Vassallo Rigoletto Rigoletto 5. FestspielKammerkonzert

Christopher Ventris Parsifal Parsifal

Anna Virovlansky Ariadne auf Naxos Echo Boris Godunow Xenia Don Carlo Stimme vom Himmel, Falstaff Nanneta Parsifal Klingsors Zaubermädchen Siegfried Stimme des Waldvogels

Klaus Florian Vogt Der fliegende Holländer Erik Lohengrin Lohengrin

Ilana Werner Solistin Bayerisches Staatballett

Kai Wessel Babylon Der Skorpionmensch

Eva-Maria Westbroek Ariadne auf Naxos Ariadne, Primadonna

Willard White Babylon Der Priesterkönig, Der Tod

Catherine Wyn-Rogers Das Rheingold Erda

Kwangchul Youn Il trovatore Ferrando Parsifal Gurnemanz

Oliver Zahn Video-Walk Konzeption, Gestaltung

Künstler der Opernfestspiele 2013

169


Zuzana Zahradníková Solistin Bayerisches Staatballett

Francesca Zambello Otello Inszenierung

Massimo Zanetti Macbeth Musikalische Leitung

Elena Zaytseva Simon Boccanegra Kostüme

Qiulin Zhang Siegfried Erda

August Zirner Babylon Ezechiel

Münchner Klaviertrio 2. Festspiel-Kammerkonzert

Schumann Quartett 7. Festspiel-Kammerkonzert

ATTACCA – Jugend­orchester des Bayerischen Staatsorchesters Festspiel-Konzert Oper für alle / Festspiel-Familienkonzert

Klangforum Wien Written on Skin

Münchner Hofkantorei Konzert der Münchner Hofkantorei

Musikkappelle Peter Mayr Pfeffersberg Wagner vs. Verdi Orchester

170

Martin Zehetgruber Macbeth Bühne


Orchesterakademie Konzert der Orchesterakademie der Bayerischen Staatsoper

OperaBrass Konzert der Münchner Hofkantorei

Polizeiorchester Bayern Wagner vs. Verdi Orchester

Fotos: Dario Acosta, Gordon Anthony, Uwe Arens, Barbara Aumüller, Balmer und Dixon, Clive Barda, Julian Baumann, Lukas Beck, Claire Bellaiche, W. Beege, Anja Beutler, Sony BMG, Marco Borggreve, Mathias Bothor, Felix Broede, Baisja Chanowski, Opera-Connection Alste und Mödersheim, Stephen Cummiskey, Gautier Deblonde/nb Pictures, Arve Dinda, Paul Draper, Ben Ealogeva, Richard Ecclestone, Mara Eggert, Alexander Paul Englert, Paul Foster-Williams, Affonso Gavinha, Sonja Gerlach, Tom Gibson Photography, Chris Gonz, Bob Grün, Elmer de Haas, Christian Hartmann, Vera Hartmann, Lenka Hatasova, Sebastian Hoppe, Olaf Heine, Michael Hörnschemeyer, Wilfried Hösl, Johannes Ifkovits, Alexander Karnaushenk, Christian Kaufmann, Curtis Knapp, Sascha Kletzsch, Lisa Kohler, Day Kol, Annie Leibovitz, Tommaso Lepera, Barbara Luisi, Claire McAdams, Angus McBean, Michaela Melián, Hans Jörg Michael, Henriette Mielke, Mikolaj Mikolajczyk, Renate Neder, M. Nicolaou, Tanja Niemann, Patrick Nin, Katharina Nußbaum, Anne von Öhsen, Dennis Pauls, Johan Persson, Photopuls, Polizeiorchester Bayern, Jim Rakete, Regina Recht, F. Reinhold, Javier del Real, Peter Regaud, Monika Rittershaus, Karin Rocholl, Jan Röder, David Ruano, Felipe Sanguinetti, Foto Schenk, Lioba Schönbeck, Foto Sexauer München, Bettina Stöß, Gunar Streu, Miklos Szabo, Andrzej Swietlik, Klaudia Taday, Brian Tarr, Markus Tedeskino, V. Vasilevskiy, Sasha Vasiljev, Marissa Villareal, Uli Webber, Alexandre Weinberger, Ann Weitz, Christoph Wolf, Damir Yusupov, Emil Zander, Oskar Zingerle, Artists Management Zürich Informationen zusammengetragen von: Christa Dick, Christina Omozokpia, Annika Rioux

Künstler der Opernfestspiele 2013

171


Die Bayerische Staatsoper und das Baye e

Wolfgang Sawallisch 1923 – 2013

Wolfgang Sawallisch war von 1971 bis 1992 Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, ab 1982 auch deren künstlerischer Gesamtleiter. 1992 wurde er zum Ehrenmitglied der Bayerischen Staatsoper ernannt.


erische Staatsballett nehmen Abschied

Konstanze Vernon 1939 – 2013

Konstanze Vernon war von 1963 bis 1981 Primaballerina des Ensembles der Bayerischen Staatsoper. Sie gründete 1978 die Heinz-Bosl-Stiftung. Von 1988 bis 1998 war sie Gründungsdirektorin des heutigen Bayerischen Staatsballetts als eigenständige Compagnie. 1998 wurde sie Ehrenmitglied der Bayerischen Staatsoper.


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Die Produktionen der MĂźnchner Opernfestspiele 2013

175


Gabriele Schnaut (Der Euphrat), Chor der Bayerischen Staatsoper Babylon



Nina Stemme (Brünnhilde), Stephen Gould (Siegfried) Der Ring des Nibelungen Götterdämmerung


Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper Der fliegende Holl채nder


Jonas Kaufmann (Don Carlo), Anja Harteros (Elisabeth von Valois) Don Carlo


Catherine Wyn-Rogers (Erda), Johan Reuter (Wotan), Statisterie der Bayerischen Staatsoper Der Ring des Nibelungen – Das Rheingold


Don Carlo

Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper Boris Godunow


Die Walk端re


Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (Mime), Statisterie der Bayerischen Staatsoper Der Ring des Nibelungen - Siegfried


Tristan und Isolde


Piotr Beczala (Alfredo Germont) La traviata


Babylon

Robert Dean Smith (Tannh채user), Anne Schwanewilms (Elisabeth), Matthias Goerne (Wolfram von Eschenbach) Tannh채user


Siegfried

Solistinnen und Opernballett der Bayerischen Staatsoper Der Ring des Nibelungen - Die Walk端re


Macbeth


Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper Otello


Parsifal Klaus Florian Vogt (Lohengrin), Chor der Bayerischen Staatsoper Lohengrin


Rigoletto

Musiker des Bayerischen Staatsorchesters, Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper Rigoletto



Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper Falstaff


Rigoletto


Željko Lučić (Simon Boccanegra), Chor der Bayerischen Staatsoper Simon Boccanegra




Foto Charles Tandy

Lukáš Slavický Helden


Ilia Sarkisov La Bayadère


Biped Foto: Merce Cunningham Trust / S. Berger


Ensemble des Bayerischen Staatsballetts Choreartium


Ariadne auf Naxos


Chor der Bayerischen Staatsoper Parsifal



Željko Lučić (Macbeth) Macbeth



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Patrimony Contemporaine Ewiger Kalender


Spielplan 21.06.13 31.07.13 Münchner Opernfestspiele

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Soweit nicht anders angegeben, finden alle Veranstaltungen im Nationaltheater statt. Karten Tageskasse der Bayerischen Staatsoper Marstallplatz 5 80539 München tickets@staatsoper.de T 089 – 21 85 19 20 www.staatsoper.de


Richard Strauss

Partner der Opernfestspiele

Ariadne auf Naxos Musikalische Leitung Bertrand de Billy Inszenierung Robert Carsen

Oper

Johannes Maximilian Klama, Eike Wilm Schulte, Sophie Koch, Burkhard Fritz, Francesco Petrozzi, Thomas Blondelle, Daniela Fally, Tim Kuypers, Christian Rieger, Eva-Maria Westbroek, Markus Eiche, Ulrich Reß, Tareq Nazmi, Kevin Conners, Hanna-Elisabeth Müller, Tara Erraught, Anna Virovlansky

Giuseppe Verdi Do 04.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater So 07.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater Mi 10.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater

Il trovatore

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Musikalische Leitung Paolo Carignani Inszenierung Olivier Py Alexey Markov, Anja Harteros, Elena Manistina, Jonas Kaufmann, Kwangchul Youn, Golda Schultz, Francesco Petrozzi, Rafał Pawnuk, Joshua Stewart Do 27.06.13 19:00 Uhr Festspielpremiere Mo 01.07.13 19:00 Uhr Fr 05.07.13 19:00 Uhr auch online und live auf www.staatsoper.de/tv Mo 08.07.13 19:00 Uhr

Giuseppe Verdi

Falstaff

gefördert durch den

Musikalische Leitung Paolo Carignani Inszenierung Eike Gramss

Partner der Opernfestspiele

Ambrogio Maestri, Levente Molnár, Javier Camarena, Ulrich Reß, Kevin Conners, Tareq Nazmi, Véronique Gens, Anna Virovlansky, Ewa Podles, Anaïk Morel Sa 06.07.13 19:00 Uhr

Richard Wagner

Der fliegende Holländer

Giuseppe Verdi

Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung Peter Konwitschny

La traviata

Hans-Peter König, Anja Kampe, Klaus Florian Vogt, Heike Grötzinger, Kevin Conners, Johan Reuter

Musikalische Leitung Dan Ettinger Inszenierung Günter Krämer

Fr 28.06.13 19:00 Uhr Marina Rebeka, Heike Grötzinger, Silvia Hauer, Piotr Beczala, Simon Keenlyside, Kevin Conners, Christian Rieger, Christoph Stephinger, Joshua Stewart, Tim Kuypers, Rafał Pawnuk, Tareq Nazmi Richard Wagner Di 09.07.13 19:00 Uhr

Tannhäuser Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung David Alden

Richard Wagner

Tristan und Isolde

Christof Fischesser, Robert Dean Smith, Matthias Goerne, Ulrich Reß, Goran Jurić, Kenneth Roberson, Christoph Stephinger, Anne Schwanewilms, Petra Lang, Solisten des Tölzer Knabenchores

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Peter Konwitschny

Sa 29.06.13 18:00 Uhr Peter Seiffert, René Pape, Petra-Maria Schnitzer, Markus Eiche, Francesco Petrozzi, Ekaterina Gubanova, Kevin Conners, Christian Rieger, Ulrich Reß Richard Wagner Do 11.07.13 16:00 Uhr

Lohengrin Musikalische Leitung Lothar Koenigs Inszenierung Richard Jones Hans-Peter König, Klaus Florian Vogt, Annette Dasch, Evgeny Nikitin, Michaela Schuster, Markus Eiche, Francesco Petrozzi, Joshua Stewart, Tim Kuypers, Rafał Pawnuk, Solisten des Tölzer Knabenchores Mi 03.07.13 18:00 Uhr

210

gefördert durch den Partner der Opernfestspiele


Giuseppe Verdi

Giuseppe Verdi

Simon Boccanegra

Otello

Musikalische Leitung Bertrand de Billy Inszenierung Dmitri Tcherniakov

Musikalische Leitung Paolo Carignani Inszenierung Francesca Zambello

Željko Lučić, Krassimira Stoyanova, Vitalij Kowaljow, Ramón Vargas, Levente Molnár, Goran Jurić, Joshua Stewart, Iulia Maria Dan

Johan Botha, Claudio Sgura, Pavol Breslik, Francesco Petrozzi, Tareq Nazmi, Goran Jurić, Rafał Pawnuk, Anja Harteros, Monika Bohinec

Fr 12.07.13 19:00 Uhr

Di 16.07.13 19:00 Uhr

Koproduktion mit der English National Opera London Giuseppe Verdi

sponsored by

Rigoletto Musikalische Leitung Fabio Luisi 17./20.07.13, Marco Armiliato 24.07.13 Inszenierung Árpád Schilling Richard Wagner

Joseph Calleja, Franco Vassallo, Patricia Petibon 17.07.13, Patrizia Ciofi 20./24.07.13, Dimitry Ivashchenko, Nadia Krasteva, Tim Kuypers, Francesco Petrozzi, Christian Rieger, Iulia Maria Dan, Goran Jurić, Yulia Sokolik

Das Rheingold

Mi 17.07.13 19:00 Uhr Sa 20.07.13 19:00 Uhr Mi 24.07.13 19:00 Uhr

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Andreas Kriegenburg Johan Reuter, Levente Molnár, Sergey Skorokhodov, Stefan Margita, Tomasz Konieczny, Ulrich Reß, Thorsten Grümbel, Steven Humes, Sophie Koch, Aga Mikolaj, Catherine Wyn-Rogers, Hanna-Elisabeth Müller, Angela Brower, Okka von der Damerau

Richard Wagner

Götterdämmerung

Sa 13.07.13 20:00 Uhr sponsored by

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Andreas Kriegenburg Stephen Gould, Iain Paterson, Hans-Peter König, Tomasz Konieczny, Nina Stemme, Anna Gabler, Michaela Schuster, Hanna-Elisabeth Müller, Angela Brower, Wiebke Lehmkuhl, Jennifer Johnston Do 18.07.13 16:00 Uhr

Richard Wagner

Die Walküre

sponsored by Partner der Opernfestspiele

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Andreas Kriegenburg Simon O’Neill, Hans-Peter König, Bryn Terfel, Petra Lang, Katarina Dalayman, Sophie Koch, Golda Schultz, Heike Grötzinger, Roswitha C. Müller, Alexandra Petersamer, Okka von der Damerau, Anja Jung

Jörg Widmann

Babylon

So 14.07.13 17:00 Uhr sponsored by

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Carlus Padrissa – La Fura dels Baus Claron McFadden, Anna Prohaska, Jussi Myllys, Willard White, Gabriele Schnaut, Kai Wessel, August Zirner, Iulia Maria Dan, Golda Schultz, Silvia Hauer, Dean Power, Kenneth Roberson, Solisten des Tölzer Knabenchores, Joshua Stewart, Tim Kuypers, Tareq Nazmi

Richard Wagner So 21.07.13 19:00 Uhr

Siegfried

Partner der Uraufführungen der Bayerischen Staatsoper

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Andreas Kriegenburg Stephen Gould, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke, Terje Stensvold, Tomasz Konieczny, Steven Humes, Qiulin Zhang, Catherine Naglestad, Anna Virovlansky Mo 15.07.13 17:00 Uhr

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George Benjamin

Richard Wagner

Written on Skin

Parsifal

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Katie Mitchell

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Peter Konwitschny

Christopher Purves, Barbara Hannigan, Iestyn Davies, Victoria Simmonds, Allan Clayton

Thomas Hampson, Goran Jurić, Kwangchul Youn, Christopher Ventris, Evgeny Nikitin, Petra Lang, Kevin Conners, Tareq Nazmi, Tölzer Knabenchor, Ulrich Reß, Kenneth Roberson, Anna Virovlansky, Golda Schultz, Tara Erraught, Hanna-Elisabeth Müller, Angela Brower, Heike Grötzinger

Di 23.07.13 20:00 Uhr Festspielpremiere Prinzregententheater Do 25.07.13 20:00 Uhr Prinzregententheater Sa 27.07.13 19:00 Uhr Prinzregententheater

Mi 31.07.13 16:00 Uhr

Partner der Uraufführungen der Bayerischen Staatsoper

BALLETT Giuseppe Verdi

Don Carlo Merce Cunningham / Richard Siegal

Musikalische Leitung Zubin Mehta Inszenierung Jürgen Rose

Exits and Entrances

René Pape, Jonas Kaufmann, Mariusz Kwiecien, Taras Shtonda, Goran Jurić, Anja Harteros, Sonia Ganassi, Hanna-Elisabeth Müller, Francesco Petrozzi, Anna Virovlansky, Tim Kuypers, Andrea Borghini, Christoph Stephinger, Tareq Nazmi, Rafał Pawnuk, Christian Rieger

Musik Gavin Bryars und Carsten Nicolai Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts

Do 25.07.13 18:00 Uhr So 28.07.13 18:00 Uhr

Fr 28.06.13 19:30 Uhr Prinzregententheater Di 16.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater

Modest Mussorgsky Marius Petipa / Patrice Bart

Boris Godunow

La Bayadère

Musikalische Leitung Kent Nagano Inszenierung Calixto Bieito

Musik Ludwig Minkus Musikalische Leitung Michael Schmidtsdorff

Alexander Tsymbalyuk, Yulia Sokolik, Anna Virovlansky, Heike Grötzinger, Gerhard Siegel, Markus Eiche, Anatoli Kotscherga, Sergey Skorokhodov, Vladimir Matorin, Ulrich Reß, Margarita Nekrasova, Kevin Conners, Goran Jurić, Joshua Stewart, Tareq Nazmi, Christian Rieger

Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts So 30.06.13 19:30

Fr 26.07.13 20:00 Uhr auch online und live auf www.staatsoper.de/tv Di 30.07.13 19:00 Uhr Russell Maliphant / José Limón / Léonide Massine  sponsored by

Forever Young Musik Barry Adamson / Henry Purcell / Johannes Brahms Musikalische Leitung Robertas Šervenikas Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts

Giuseppe Verdi Di 02.07.13 19:30 Uhr

Macbeth Musikalische Leitung Massimo Zanetti Regie Martin Kušej

Terence Kohler

Helden

Željko Lučić, Dmitry Belosselskiy, Nadja Michael, Golda Schultz, Wookyung Kim, Emanuele D’Aguanno, Christoph Stephinger, Andrea Borghini, Rafał Pawnuk, Iulia Maria Dan, Solisten des Tölzer Knabenchores

Musik Lera Auerbach, Alfred Schnittke Musikalische Leitung Myron Romanul

Mo 29.07.13 19:00 Uhr Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts

212

So 07.07.13 19:30 Uhr


3. Festspiel-Kammerkonzert

Frederick Ashton

La Fille mal gardée

Paul Hindemith, Hans Gál, Felix Weingartner

Musik Ferdinand Hérold, John Lanchbery Musikalische Leitung Myron Romanul

Klarinette Markus Schön Violine David Schultheiß Viola Adrian Mustea Violoncello Yves Savary Klavier Joseph Breinl

Solisten und Ensemble des Bayerischen Staatsballetts Fr 12.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater Sa 13.07.13 19:30 Uhr Prinzregententheater So 14.07.13 15:00 Uhr Prinzregententheater

Fr 12.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Konzert des Kinderchores der Bayerischen Staatsoper

KONZERTE

Camille Saint-Saëns, Josef Gabriel Rheinberger, Johannes Brahms PARTNER DES BAYERISCHEN STAATSORCHESTERS

Kinderchor der Bayerischen Staatsoper Leitung, Einstudierung Stellario Fagone So 14.07.13 19:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Festspiel-Familienkonzert

4. Festspiel-Kammerkonzert

Ludwig van Beethoven, Camille Saint-Saëns, Johannes Brahms ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Leitung Allan Bergius Klavier Karin Kei Nagano

Wolfgang Amadeus Mozart, Jean Françaix, Ernst von Dohnànyi Flöte Katharina Kutnewsky Violine Michael Durner Viola Christiane Arnold Violoncello Peter Wöpke

Sa 06.07.13 19:00 Uhr Prinzregententheater

1. Festspiel-Kammerkonzert

Mi 17.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Grazyna Bacewicz, August Klughardt, Giuseppe Verdi, Theodore Dubois

Festspiel-Konzert des Opernstudios

Oboe Giorgi Gvantseladze Violine Guido Gärtner Viola Wiebke Heidemeier Violoncello Benedikt Don Strohmeier Klavier Adam Zukiewicz

Do 18.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Sa 06.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

5. Festspiel-Kammerkonzert

Konzert der Münchner Hofkantorei

Vincenzo Bellini, Richard Wagner, Giuseppe Verdi Sopran Patrizia Ciofi Tenor Joseph Calleja Bariton Franco Vassallo Klavier Massimiliano Murrali Sprecher Thomas Loibl

Orlando di Lasso, Giovanni Gabrieli, Giuseppe Verdi, Anton Bruckner Münchner Hofkantorei Leitung und Einstudierung Wolfgang Antesberger

Mo 22.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater OperaBrass Die Blechbläser der Bayerischen Staatsoper

6. Festspiel-Kammerkonzert

So 07.07.13 11:00 Uhr Allerheiligen Hofkirche

George Crumb, Béla Bártok

2. Festspiel-Kammerkonzert

OPERcussion Schlagzeug Pieter Roijen, Thomas März Klavier Sophie Raynaud, Jean-Pierre Collot

Ralph Vaughan Williams, Franz Schubert

Mi 10.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Mi 24.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

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Münchner Klaviertrio Violine Michael Arlt Violoncello Gerhard Zank Klavier Donald Sulzen Viola Tilo Widenmeyer Kontrabass Alexander Rilling Moderator Sir Peter Jonas


Festspiel-Konzert der Orchesterakademie

Diana Damrau Wolfgang Amadeus Mozart, Felix Mendelssohn-Bartholdy, Richard Strauss, Johannes Brahms u.a. Harfe Xavier de Maistre

Richard Wagner, Gustav Mahler

Mo 22. 07.13 20:00 Uhr

Richard Wagner Wesendonck-Lieder Mezzosopran Angela Brower

Christian Gerhaher

Gustav Mahler Das Lied von der Erde Alt Okka von der Damerau Tenor Kevin Conners

Robert Schumann Klavier Gerold Huber

Musikalische Leitung Kent Nagano So 28.07.13 20:00 Uhr Prinzregententheater So 28.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Hauptsponsor der Orchesterakademie

OPER FÜR ALLE

7. Festspiel-Kammerkonzert

Partner der Opernfestspiele

Eintritt frei dank des

Antonín Dvorák, Benjamin Britten, Johannes Brahms Schumann Quartett Violine Barbara Burgdorf, Traudi Pauer Viola Stephan Finkentey Violoncello Oliver Göske

Boris Godunow

Di 30.07.13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater auf den Max-Joseph-Platz Fr 26.07.13 20:00Uhr Max-Joseph-Platz, auch online und live auf www.staatsoper.de/tv

LIEDERABENDE

Festspiel-Konzert

Dmitri Hvorostovsky

Ludwig van Beethoven, Giuseppe Verdi

Sergei Tanejew, Nikolai Medtner, Sergei Rachmaninow, Franz Liszt Klavier Ivari Ilja

ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Bayerisches Staatsorchester

Mi 03.07.13 20:00 Uhr Prinzregententheater

Musikalische Leitung Zubin Mehta

Pavol Breslik

Sopran Sondra Radvanovsky Mezzosopran Ekaterina Gubanova Tenor Joseph Calleja Bass René Pape

Franz Schubert Klavier Amir Katz

Sa 27.07.13 20:30 Uhr Max-Joseph-Platz

Fr 05.07.13 20:00 Uhr Prinzregententheater

Die drei Mezzi

UniCredit Festspiel-Nacht

Angela Brower, Tara Erraught, Okka von der Damerau

Bei der UniCredit Festspiel-Nacht bieten Festspiel-Künstler bereits zum zwölften Mal auf mehreren Bühnen Höhepunkte aus Oper, Konzert, Tanz, Lied und Literatur.

Musikalischer Salon mit Liedern und Ensembles u.a. von Händel, Purcell, Mozart, Schumann, Rossini und Offenbach Klavier Tobias Truniger

Sa 22.06.13

Sa 20.07. 13 20:00 Uhr Cuvilliés-Theater

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Eintritt frei

20:00Uhr Fünf Höfe, HVB Forum, Filiale Altstadt der HypoVereinsbank


Festspiel-Gottesdienst

EXTRAS

Franz Schubert Große Messe As-Dur D 678

Opern-Seminar

Mitglieder und Solisten der Bayerischen Staatsoper, des Chores der Bayerischen Staatsoper und des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung Kent Nagano

Il trovatore Fr 05.07.13 10:00-14:00 Uhr Sa 06.07.13 10:00-14:00 Uhr € 100,-

So 30.06.13 10:00 Uhr St. Michael, Neuhauser Straße

Simon Boccanegra Fr 12.07.13 10:00-14:00 Uhr Sa 13.07.13 15:00-19:00 Uhr € 100,-

EINFÜHRUNGEN VOR DEN VORSTELLUNGEN

Der Ring der Nibelungen Sa 13.07.13 10:00-14:00 Uhr Mo 15.07.13 10:00-14:00 Uhr Fr 19.07.13 15:00-19:00 Uhr € 150,Rigoletto Fr 20.07.13 10:00-14:00 Uhr So 21.07.13 10:00-14:00 Uhr € 100,-

Il trovatore Mo 01.07.13 18:00 Uhr Fr 05.07.13 18:00 Uhr Mo 08.07.13 18:00 Uhr

Boris Godunow Fr 26.07.13 10:00-14:00 Uhr Sa 27.07.13 14:30-18:30 Uhr € 100,-

Simon Boccanegra Fr 12.07.13 18:00 Uhr Das Rheingold Sa 13.07.13 19:00 Uhr

Written on Skin Sa 27.07.13 10:00-14:00 Uhr So 28.07.13 10:00-14:00 Uhr € 100,-

Die Walküre So 14.07.13 16:00 Uhr Siegfried Mo 15.07.13 16:00 Uhr

Der erste Termin dient zur Vor-, der zweite Termin der Nachbereitung. Alle Seminare finden im Capriccio-Saal statt.

Götterdämmerung Do 18.07.13 15:00 Uhr

Einführungsmatinee Il trovatore

Rigoletto Mi 17.07.13 18:00 Uhr Sa 20.07.13 18:00 Uhr Mi 24.07.13 18:00 Uhr

Moderation Nikolaus Bachler

Babylon So 21.07.13 18:00 Uhr

So 23.06.13 11:00 Uhr Written on Skin Do 25.07.13 19:00 Uhr Sa 27.07.13 18:00 Uhr Boris Godunow Fr 26.07.13 19:00 Uhr Di 30.07.13 18:00 Uhr

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Alle Einführungen finden im Capriccio-Saal statt. (Written on Skin: Gartensaal)


Vox Populi–Projekte bei den Münchner Opernfestspielen 2013

Claude Bardouil

Nancy. Interview Magdalena Popławska, Paweł Andryszczyk, Adam Walicki, Nicolas Grospierre, Olga Mokrzycka-Grospierre, Aleksandra Laska Do 11.07.13 20:30 Uhr Akademie der Schönen Künste Fr 12.07.13 20:30 Uhr Akademie der Schönen Künste Sa 13.07.13 20:30 Uhr Akademie der Schönen Künste

Radioshow – Die unmögliche Enzyklopädie extra

Gastspiel des Nowy Teatr Warschau Karten / Preise: 15 €

Fr 21.06.13 20:30 Uhr Probebühne im Nationaltheater Mo 24.06.13 20:30 Uhr Probebühne im Nationaltheater Di 25.06.13 20:30 Uhr Probebühne im Nationaltheater

Paul van Dyk meets Verdi

Karten / Preise: 12 €

Paul van Dyk und Künstler der Bayerischen Staatsoper William Walton / Francis Poulenc

Sa 27.06.13 23:30 Uhr Nationaltheater

The Bear / La voix humaine

Einlass: 23:00 Uhr, Seiteneingang Maximilianstraße Karten / Preise: 25 €

Regie Axel Ranisch Partner deR VOX POPULI-PROJEKTE

Stefanie C. Braun, Tareq Nazmi, Heiko Pinkowski, Sophie Raynaud, Peter Trabner, Richard Whilds, Wiard Witholt So 23.06.13 20:30 Uhr Theatiner Film, Theatinerstraße 32 Mo 24.06.13 20:30 Uhr Theatiner Film, Theatinerstraße 32 Di 25.06.13 20:30 Uhr Theatiner Film, Theatinerstraße 32 Karten / Preise: 19 €

Auf offener Straße Drei Video-Walks Josef Bairlein, Levin Handschuh, Sapir von Kleist, Oliver Zahn, Annalena Maas, Gregor Turecek Mo 01.07.13 – Mi 31.07.13

Wagner vs.Verdi Regie Carlus Padrissa / La Fura dels Baus Komposition und musikalisches Konzept Moritz Eggert Polizeiorchester Bayern, Musikkapelle Peter Mayr Pfeffersberg - Südtirol, Bayerisches Staatsorchester, bayerische Blaskapellen Fr 28.06.13 20:30 Uhr Max-Joseph-Platz Wagner oder Verdi? Entscheiden Sie sich auf www.staatsoper.de/wagnerverdi

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Eintritt frei


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Wertvoller Beitrag zur Nachwuchs­förderung

Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele ehrt Okka von der Damerau und Anna Gabler mit dem Festspielpreis 2012.

Vor bereits mehr als 50 Jahren wurde die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele gegründet. Mit dem Ziel, die Attraktivität der Münchner Opernfestspiele durch finanzielle Spenden zu fördern und zu erhalten, macht sie sich seitdem in vielfacher Weise um die Opernfestspiele verdient. Einmal jährlich vergibt sie in feierlicher Atmosphäre den Festspielpreis und zeichnet damit Menschen aus, die die Münchner Opernfestspiele zu dem machen, was sie sind: das international traditionsreichste Festival seiner Art. Seit über 130 Jahren kommen Opernfreunde aus Bayern, Deutschland und aller Welt zur Festspielzeit nach München und genießen die Vielzahl der Opernvorstellungen, Ballette, Liederabende und Konzerte an der Bayerischen Staatsoper. Doch so weit der Blick zurück reicht, so weit reicht er auch voraus. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele legt seit jeher großen Wert auf die Pflege des Nachwuchses, sie will bewusst in die Zukunft investieren. Und so werden mit dem Festspielpreis seit Jahren vor allem junge Solisten und Ensembles geehrt, die das Publikum auf außergewöhnliche Art und Weise bezaubert haben. „Dass darunter viele Künstler sind, die sich mittlerweile international einen Namen ­gemacht haben, zeigt: Mit dem Preis wird ein wertvoller Beitrag zur Nachwuchsförderung geleistet“, resümierte

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Dr. Wolfgang Heubisch, Bayerischer Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, bei der Preisverleihung 2012. Geehrt wurden Okka von der Damerau, seit drei Jahren Ensemblemitglied an der Bayerischen Staatsoper, und Anna Gabler. In Wagners Der Ring des Nibelungen, dem Höhepunkt der Opernfestspiele 2012, begeisterte die Mezzosporanistin von der Damerau als Grimgerde und Floßhilde und bewies mit ihrer Interpretation einmal mehr, dass „Gesang und Bühnendarstellung eins sind“, so Dieter Rampl, Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft. In der Neuproduktion von Jacques Offenbachs Les Contes d’Hoffmann war sie während der Festspiele zudem als die Stimme aus dem Grab zu hören. In der Festspielpremiere der Götterdämmerung, sprang die gebürtige Münchnerin Anna Gabler kurzfristig in die laufende Probenphase ein und begeisterte Publikum und Kritik als Gutrune: „Sie kam, sang und gewann ihr Heimspiel.“ (Rampl). Die Mischung aus Verzweiflung, Biest, Einsamkeit und Schwesterliebe deutete die Sopranistin fulminant aus und so ist es für die Förderer der Münchner Opernfestspiele eine Ehre, diesen Preis an die Sängerin zu vergeben. Beide Sängerinnen sind auch dieses Jahr während der Festspiele in Der Ring des Nibelungen zu erleben.


Okka von der Damerau, Anna Gabler, Dieter Rampl (Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft) und Friedgard Halter (Gesch辰fts足f端hrendes Vorstandsmitglied) bei der Verleihung 足des Festspielpreises 2012

Festspielpreis 219


Festspielempfang der Förderergesellschaft Münchner Opernfestspiele 2012

Aufnahmeantrag Name

Ich /wir möchte(n) der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. beitreten als: Einzelmitglied (300 €)

Firmenmitglied (1.200 €)

Fördermitglied (1.500 €)

Förderndes Firmenmitglied (3.000 €)

Straße und Hausnummer

Postleitzahl und Stadt

Den ersten Beitrag werde(n) ich/wir nach der Mitteilung über die Aufnahme auf eines Ihrer Konten zahlen. Bitte füllen Sie diesen Aufnahmeantrag aus und schicken diesen in einem Briefumschlag an folgende Adresse: Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. Maffeistraße 14, 80333 München

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Telefon-Nummer

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Is everyone on ­ a high? Portraying culture through ­celebration. Essay Michael Rutschky Images Aurel Schmidt Oh, absolutely! Singing lifts your spirits, leaves you on a high. That was something Edeling the music teacher could be sure about. For the freshfaced new pupils joining (or rather being coerced (Shanghaied as the British marines called it) into joining) the school choir it meant staying on after school. However, when at choir practice the voices began to soar, when the school concert came around again and the enthusiastic collective gave their all, one had a tangible sense of an otherwise elusive confidence. A power. And then, of course, there was the rapturous acclamation for the singers. Granted, the energetically applauding, inanely grinning parents, uncles and aunts were a frightful embarrassment, but it was a small price to pay. For years, celebration has profoundly fascinated anthropologists. Both participants and observers have come to the irrefutable conclusion that a celebration represents an event of all-embracing, overwhelming social significance. An event of Dionysian proportions. The blood-soaked Balinese cockfights, where a society resolutely determined to carefully and intelligently avoid dramatic climaxes was whipped up to the brink of hysteria, as Clifford Geertz showed in his 1972 canonical study about ‘Deep Play’ as a collective activity. The potlatch, a ceremonial exchange of gifts, by which one party repeatedly sought to outdo another, leading to possible financial ruin and messy social indebtedness; Johan Huizinga focused on the potlatch in his famous antiutilitarian cul-

English Excerpts

ture theory, ‘Homo Ludens’ in 1938. In the first world, we see examples of this practice of overspending and waste­in the horrendous fee demands of our sporting, pop and film stars (but not in the case of bankers’ bonuses­ – these are seen as despicable, fraudulent, an attack on our national wealth). In ancient festivals ritualistic sacrifice was never far away. Spanish bullfighting is one modern-day example, or Easter celebrations in the Philippines with young men literally being nailed to crosses. Here, such a spectacle would be met with anything but enthusiasm. Sociologists’ wide-format studies explain it thus: that the modern world achieves social cohesion in a different way to the ancient world, namely

through day-to-day work and the organisation thereof. We no longer need ecstatic feasts featuring copious bloodletting in order for individuals to open themselves up to others. Bacchanalia has lost its power to shape society. In order to draw the people’s attention to law and order we no longer require public executions, involving the wretched condemned being hung, drawn and quartered, stirring the onlookers up into an ecstatic frenzy. Such was the punishment for certain misde­ meanours under Queen Elizabeth I of England. But that doesn’t mean that celebrations of culture are losing significance and popularity. On the contrary, since the gloomy 50s, where it was left up to a bottle-green blazer and the

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Foto Robert Fischer

Kassel Hausmusik Festival to generate the desired exorbitance, the number and range of cultural events on offer has skyrocketed. Trends indicate that culture is continuously expanding. Everyone’s buzzing. Bacchanalia is being prescribed across the board – if only in homoeopathic doses. More I suppose would be unhealthy. What’s more, culture appears to be expanding downwards. When Edeling the music teacher sent members of his choir on a school exchange to Great Britain, where they were invited to join in with a rendition of the Hallelujah Chorus from Handel’s Messiah, Edeling turned his nose up. Handel was distastefully low-brow, almost pop music. The failure of English speakers to differentiate between a berg and a burg in their pronunciation and the fact that during the concert at Bedlington Grammar School the classical pieces were indeed interspersed with pop songs, were details that pupils knew better than to mention when they got back. But where is truly ecstatic bacchanalia now to be found (even if it’s no longer needed for social cohesion)? On the football terraces?

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A Dance in the Water Text Gabriela Herpell Photography Robert Fischer Conductor Paolo Carignani, guest of the Bayerische Staatsoper for the festival premiere of Il trovatore, can immerse himself in two things: the orchestra pit and the swimming pool. We visited him. He’s evidently a sporty person. This is obvious from our first meeting with him in the canteen. He appears in

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jeans, black tracksuit top and trainers. Untheatrical, possibly, but full of energy; vibrant. Paolo Carignani downs a quick espresso, claiming it tastes just as good as in Italy. Then, he strides across to the conductor’s repository, grabs his score, greets his colleagues with a “Good evening – oh, sorry,” laughs. It’s eleven in the morning and rehearsals are about to b ­ egin. Otello. During the breaks Carignani comes across as just as jovial and fresh as he was at the start of the day. Not a bit worn out. Body language is the most important thing for a conductor, he says. So you need to keep fit.

He swims. Passionately. Ideally somewhere local. Ideally he’d like to give us a live demonstration. But we’ll come to that later. Paolo Carignani, born in 1961 in Milan, doesn’t come from a musical family. His father worked as a technician for AEG, the German electrical equipment manufacturer, his mother was a housewife. As a child he found a small electronic organ in a department store. He spent hours in the shop playing. His mother wondered whether her son might be musical and planned to enrol him at the M ­ ilan School of Music. But you were only


accepted there if you could already play an instrument and had had lessons. Carignani’s mother persuaded a neighbour who played the piano to give her son lessons. At the age of thirteen he passed the entrance exam and was accepted into the conservatory “Giuseppe Verdi”. He wanted to become an organist, but when he first saw the church organ with its pipes he was disappointed. He had expected a Hammond organ like the one in the department store. But the organ drew him in. “I could feel its breath, like that of a singer. Maybe that’s what stirred in me the desire to become a conductor.” He began playing at church. The choir sang, somebody joined in on the flute, another on the cello, another on the oboe. More and more people came on board, each with their own instruments. Eventually, he could no longer continue both playing the organ and conducting, so he asked somebody else to take over on the organ. The desire to become a conductor burned ever stronger. Carignani studied piano, organ, composition and combined his studies with the task of directing the orchestra at Alceo Galliera. After this he went as an assistant to Trieste, Genoa and Rome; won the international conductors’ competition in San Remo; conducted at the opera houses of New York, Tokyo, Barcelona, Paris, Berlin and Naples, until eventually becoming General Musical Director at the Frankfurt Opera in 1999, where he remained for ten years. When he conducts, Paolo Carignani knows exactly what everybody’s doing. Every musician. Every singer. That’s what’s special about opera conductors. They seem to disappear behind the glitz and glamour of the singers and yet, despite having a hundred performers on stage, accompanied by a huge orchestra, are responsible for every little nuance. “There’s nothing more beautiful than the sound of a choir. When a hundred people breathe and sing,

English Excerpts

that’s the most beautiful sound in the world. The moment between the breath and the first note. It doesn’t matter whether they’re amateurs or professionals. It’s even irrelevant what they’re singing. Verdi’s choir of exiles is huge, of course, but even a small choir like in Fidelio can be deeply moving.” Carignani looks at his watch. Time to go swimming. Because, seriously, swimming is his second biggest passion. He chooses theatres according to their proximity to local pools. He likes Munich because of the Olympic swimming pool. At three o’clock it’s still nice and empty and you can swim your lengths in peace. Before gliding smoothly into the water he clips a small, black device onto his swimming goggles. Swimmers call it a tempo trainer, the musician calls it a metronome. Many swimmers dislike it; it annoys them, says Carignani. But he’s used to the beat dictating his life. You stretch yourself out in the water and try to reach the other end in as few strokes as possible. It’s not about speed, nor breaking world records, but about consistency, endurance, elegance. “It’s like Yoga,” says Carignani. “Coordination, meditation, a dance in the water.” Ideal for the conductor who needs to be physically fit. He says that everything that is connected with movement, also has something to do with music. He adds that he can use his body much better since he began imagining he was swimming in the orchestra pit.

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The Lyrical Poet Director, actor, author, entertainer, new director of the Festival d’Avignon – these are just a few strings to Olivier Py’s bow. The French artist is going to be unveiling a new production of Giuseppe Verdi’s Il trovatore at the Bayerische Staatsoper. Timothée Picard introduces us. Text Timothée Picard Embroidery Yvonne Gebauer I wonder if there is a word that can describe the vivacious variety that has characterised Olivier Py‘s artistic approach for the past twenty-five years. A word that equally does justice to the striking coherence that inhabits his work. It’s the approach of an actor, entertainer and director, a dramatist, author and designer, a – in general terms – committed artist and influential intellectual in French culture. A title that immediately begs attention, and one he, by the way, labels himself with, is that of ‘poet’. That of a creator in its truest sense, who, through the power of animated language, gives an account of a very particular relationship with the world; who through spectacular illusion creates an artificial and yet true universe that appears to us like the dazzling synthesis of every world imaginable. In contrast to the fragmentation of meaning in an increasingly godless civilisation, he is persevering in trying to meld together again all the shards of lost unity and completeness, with the theatre as his forge. Excess as a therapeutic hazard is something he has to risk on this journey. Catholic and homosexual In a secular country that does all it can to separate public and private ­life and conveys a certain air of conser-

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vatism, circumstances of this kind tend not to be discussed. Py, though, embraces both attributes. As a rule, the two are set in opposition to one another; he however claims to reconcile them in himself. Both worlds have a particular way of viewing life on earth and life as an artist. Without ever totally drifting into heresy, Py’s approach to Catholicism is a highly individual one. In the face of a Catholicism that collides heavily with Py’s life experience as a freedomloving human being, believing that freedom is curtailed by dogma, only one path is open to him. Only by giving of himself, including all of his individual experience, can he integrate his faith fully into his life. Scandalous and classical Olivier Py’s career has been accompanied by a number of scandals that were mostly to do with the way in which he portrays the desirous and the desired body on stage. Some of the audience, who only seemed to notice the superficial, avant-garde instruments of a director’s theatre intentionally aiming to provoke, reacted just as apparently expected: they took on the role of the disgusted philistine. Viewing nakedness, as shown by Py, through such ‘realistic’ glasses is counterproductive. By appearing to be artificially manufactured, rather than obscenely exhibited, nakedness serves a symbolic purpose for him, namely to make us a philosophical offer, with all allegorical means at his disposal, with regard to our animalistic devotion to life or death.

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“Deep and ­Refined” Interview Susanne Schmerda Illustration Cynthia Kittler During his time as General Musical Director at the Bayerische Staatsoper, Kent Nagano has focused on contemporary opera. Written on Skin by George Benjamin is what he has in store for the festival. MAX JOSEPH What does it mean for you to bring contemporary composers to an opera house renowned internationally for its long tradition of Wagner, Mozart and Strauss? KENT NAGANO The musical tradition of the Bayerische Staatsoper has always been one of pushing things forward. We’ve always been home to everything new. This venue is associated with groundbreaking moments in history, such as the world premieres of Wagner’s Tristan und Isolde and Mozart’s opera seria Idomeneo, both of which were incredibly radical in their day and the subject of heated debate. The Strauss operas emerged during tense times, too. With this in mind, we carry a huge responsibility to set a course that will assure this opera house’s future in the coming generations. So, during my time here in Munich I’ve made a point of presenting the best and most important present-day composers: first Wolfgang Rihm, then Unsuk Chin, Peter Eötvös, Jörg Widmann and now George Benjamin. This has been a wonderfully vibrant opera series with five very different contemporary voices we can be proud of. MJ Why have you chosen the Opera Written on Skin by George Benjamin as your final premiere in Munich? What drew you to this British composer? KN I first met George in Paris in 1983 and we have a very special relation-

ship. We were both students of Olivier Messiaen at the time and have been close friends ever since. He’s an absolute natural and unbelievably gifted. I’ve noticed an enormous artistic development in George over the past thirty years. Even then it was obvious that he was going to become an important composer. Many composers make a promising start but then you never hear of them again, but George is different. Over the years his music has gained depth, brilliance and appeal. Just like the great composers he’s reached a level of the utmost refinement. His music sounds fresh and new, but his technique when composing remains traditional. It’s similar to the finale of Mozart’s Jupiter Symphony – the structure is familiar, but the content is new. MJ Still, contemporary opera remains in a sort of ghetto – it’s not ‘opera for everyone’. KN I’m more optimistic, because a lot of young people come to our performances. It’s multilayered; so much happens at the same time – that’s opera. Composers will always write operas, but the difficulty is that most new works aren’t very good. That’s always been the case. The operas we all know, that have stood the test of time are just a fraction of the total output of the day. That’s art. Art isn’t ordinary, it’s something rare. It becomes difficult when the audience is served p ­ ieces that don’t really make the grade, but we have to be prepared to take risks, or we’re dead men walking. Sometimes you need to be patient (Nagano laughs heartily). We may need to wait, but when the moment arrives I trust the audience to recognise the extraordinary when they hear it. MJ The title of this festival issue of MAX JOSEPH is ‘… and now everyone!’. How are festival culture and opera as a shared experience mutually dependent? KN It’s important to always be conscious of ‘opera for everyone’. We sadly tend to forget this old idea. For me ‘opera for everyone’ is a responsibility­


I have towards the audience to offer the highest quality and then to trust the audience’s response. Our audiences react positively to the highest quality. That’s the way it is. MJ One final question: Do you think Written on Skin has what it takes to become a 21st century classic? KN That’s something you never know. If you’re honest as an artist you only have a sense that something is special and that’s how I feel about Written on Skin. So far it’s been received fantastically by our audiences. Time will tell.

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Battle of the ­Titans Interview Michael Schmidt A conversation with composer Moritz Eggert. Positioning composers Wagner and Verdi side by side. Can it be done? Pitting them against one another, even? That’s exactly what Moritz Eggert and the group La Fura dels Baus are planning. With the help of two brass bands, the two composers who never actually met during their lifetimes, will face off in a musical dual at Max-JosephPlatz. MAX JOSEPH contributor Michael Schmidt met the ­Munich-based composer and got the inside story on this fascinating endeavour. MAX JOSEPH While Wagner operated with gods, demigods or mythical beings like Siegfried and Brünnhilde, Verdi preferred to present human characters like Otello and Desdemona. You’ve chosen to resurrect these two musical titans by pitting two brass bands against one another. What’s

English Excerpts

this going to look like and can there be a victor? MORITZ EGGERT Our performance is made up of several elements and the two brass bands are a very important but not the only component. Just like in a theatre performance there will be a prelude which will be played across the entire square. Soloists from the state orchestra will be involved. Then we’ll have brass bands that will accompany Verdi and Wagner on parades up until their resurrection. Everyone will converge on Max-JosephPlatz where there will be a huge battle between Wagner and Verdi. Giant puppets from La Fura dels Baus are really going to turn this into a visual spectacle. Quotes from Verdi’s and Wagner’s greatest hits are going to collide in spectacular fashion and for the grand finale we want to try to fuse everything together using all the performers – about 200 musicians in total. MJ Is anyone going to come out on top? ME Well, I know where my sympathies lie, but we want people to decide for themselves who the winner is. MJ Despite all the differences between Verdi and Wagner there are also similarities, such as in the preludes from La traviata and Lohengrin. In your Wagner-Verdi project we’ll get to hear a sort of musical fusion that will attempt to express the commonalities found in both composers. What’s that going to sound like? ME At the moment this is still at the drawing board stage. But we’ve spent a lot of time planning the collage – the music for the battle sequence. We’re using alienation as a tool, ­whereby the music, so wonderfully orchestrated by Verdi and Wagner, is seen through the lens of a brass band. In this context, the prelude from Lohengrin has a totally different effect and, of course, we’ll be trying to make the most of this humorous aspect. We’ve chosen stark contrasts, too. Where Wagner is at his most profound – we begin with the Tristan

prelude to the third act, the most melancholic and moving of anything Wagner ever wrote – Verdi replies with “La donna è mobile”, which probably counts as his most superficial hit, but is still a lovely piece. But there are also moments where the composers are, as it were, singing from the same hymn sheet. MJ Can you give an example? ME We discovered that together, the famous prelude to the first Tristan act and the prelude from La traviata sound like one composition and that the Tristan chords complement the Verdi chords as though they were destined to be joined. You can even play both parts simultaneously at different tempos and it always works. MJ Autonomous, European-influenced art music has often been distinct from popular music styles, those considered regressive like pop, rock and jazz. We only have to look at Adorno’s critiques of mass culture, according to which popular music can never be classed as significant and true music. In the last few decades these lines have blurred somewhat. What’s your take on the distinction between popular and elite? ME To put it in a nutshell, I’d say that anyone who seriously considers themselves to be an artist, even just a little bit, can never just focus on the elite, because that’s always an exclusive view. The so-called elite, or let’s rather call it the non-trivial, the deeply considered, the philosophical, the noble, true, lovely or good, comes to clever conclusions and I’m sure that’s very important. This kind of art can endure because the artist thought long and hard about things. On the other hand, the so-called popular or trivial manages to get to where the action is very quickly. The trivial is always faster. When I go to the cinema and watch contemporary mainstream films I immediately learn more about how our modern culture ticks than if I go to watch an art-house film – although I love both. You have to have both sides in view. I can only understand

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something about music if I also understand what’s going on in popular music. If that doesn’t interest me, then as an artist I’m not open and if I’m not open then I can’t be a good artist.

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The Captured Rituals of Iwajla Klinke Text Travis Jeppesen Photography Iwajla Klinke One of the more pernicious symptoms of global capitalism has been the spread of an overwhelming uniformity of style and appearance that goes under the name of “popular culture.” Like the global spread of English as a lingua franca, it is meant to serve as a universal language – one whose symbols we must all comprehend if we are to live in the world today, whether we like it or not. The annihilating effects of this phenomenon on local cultures and forms of expression are well known, and indeed, any counter-globalization effort worth its name must take into consideration some measures of preservation. It is with great timeliness that an artist like Iwajla Klinke then arrives on the scene, fully armed to give us a glimpse at various microworlds that continue to endure against the grain of contemporaneity. At the same time, Klinke’s photographs are global in their outreach – she does not confine herself to one particular culture or region, but has set out upon a journey to preserve glimpses of fast-disappearing collectivities that connect us to ancient traditions of myth and ritual, rites that continue to resonate in our dayto-day lives, whether or not we pause to consider their reverberations.

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Klinke utilizes classical portraiture to capture her subjects in either traditional costumes, or else manufactured creations that somehow preserve some semblance of ancient ritual. Dark backgrounds and natural light allow us to admire both the fine detail and flourish of their traditional dresses as well as the determined expressions of reverence; they bespeak a worldliness that goes beyond our traditionally cosmopolitan conception of the term, a worldliness that is definitively earthbound and engraved in the machinations of a past that is eternally present. In another series, Klinke travels to Sicily during Holy Week to select decorated subjects from the festive pageantry for her portraits. Here, the Mysteries have been played out in the days before Easter ever since the 1600s in processions that can last up to twenty-four hours. With baroque extravagance, the children take on their apostolic roles with dignity and honor – and yet the disparity that emerges between their exaggeratedly colorful and detailed robes and sacred cloths and the pitch black background they are shot against is like the very chasm between the Earth, with its millennia of history, and the perpetual darkness from whence it all emerged – and to which it might someday return.

Editor’s note: The portfolio shows Klinke’s photographs side by side with photographs of Anne-Sophie Stolz.

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“With music you can rebel marvellously – especially with Schönberg” Text Bert Rebhandl Ten topics thrown at Axel Ranisch, who will spend one night of the Munich Opera Festival combining opera and cinema. His first opera production: It’s going to be a two-part evening with two short single-act operas from the 20th century, neither of which is particularly well known. We’re doing La voix humaine by Francis Poulenc and The Bear by William Walton. Both are based on plays, one by Cocteau, the other by Chekhov. Both operas have a lot in common – unrequited love, women who have possibly fallen in love with the wrong man. One of them has a happy end, the other doesn’t and I’m going to link the two short operas together. We’re going to be using a combination of film – the venue is a cinema – and live performance. I’m a great opera fan, but I don’t think that Mr Bachler knew that when he heard an interview with me on the radio where I was talking about my first film ­Dicke Mädchen (Fat Girls). He watched it the same evening, loved it and told his team about it. They wrote to me and said, “We are highly impressed with your work and were wondering if you would consider doing musical theatre.” Mr Bachler later put it rather less formally, “Try and come up with something.” My film Dicke Mädchen cost 517.32 euros to make. Maybe he was hoping I’d do opera for the same price. But, fear not, they are paying us properly.


The choice of pieces: During the preparation phase, Rainer Karlitschek (Dramatic Adviser at the Bayerische Staatsoper) and I just threw ideas around. For a long time, we couldn’t decide whether or not to do something completely new, but at some point we had the two operas in front of us. I then thought to myself, “Hey, they actually belong together”. The French opera is basically a young woman’s 45 minute crying fit down the phone to her lover that progresses through several levels of intensity. In The Bear, so much happens between three people in three-quarters of an hour. It’s about Mrs Popova, a widow. Her late husband was actually a total arsehole, but after his death she decides to lock herself away as an act of vengeance towards him. It’s a very perfidious, masochistic form of defensive vengeance. However, a rough, unshaven fellow turns up at the door and claims her late husband owed him a pile of money. Popova and this other character called Smirnov end up falling in love and the faithful servant who has always secretly been in love with her can only stand by helplessly and watch. His film degree and first career steps: Rosa von Praunheim, under whom I studied film at Potsdam University of Film and Television, was the most important person in my development, next to Ricardo. Most of all, he broke down all the rigid structures that were prevalent at the university. He demanded excellent results, wanted us to work hard and submit one film every week. Rosa always had wonderfully crazy ideas. Once he stuck us in a prison for two weeks and told us to make a video diary in solitary confine­ ment. Another time we only had ­lectures at night. We arrived at 10pm and didn’t finish until six in the morning. Rosa taught us to think so freely that we could just let stuff out. I wanted to do my final project, a nice

English Excerpts

big film with a budget of one million euros. I had a great idea for it, too – an autobiographical story about a father and son. The son is talented, artistic and gay, but then his mother dies and the father and son have to work out how to get on. I found producers for it and a commissioning editor for television. The first screenplay was well received, but then they kept saying this bit needed changing, that bit needed taking out, how about adding a bit here and sending us the revised version? Before I realized that I actually know my own story quite well and not every piece of advice is worth its weight in gold, there had been eleven revisions and 3 ½ years had passed. I was so unhappy that I eventually just said, “Stop! Let’s just film this thing.”

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The Lady is a Troubadour Text Jörg Böckem Photography Ola Rindal She gave the world the chanson. During the Pinochet regime in Chile she sang against oppression. Inspired by Giuseppe Verdi’s troubadour character, MAX JOSEPH author Jörg Böckem paid a visit to the great Juliette ­­Gréco. Few people are as intimately familiar with post-war culture as Juliette ­Gréco; companion, friend, partner, wife, co-collaborator of Jean-Paul Sartre, Albert Camus, Simone de ­ ­Beauvoir, Boris Vian, Françoise ­Sagan, Pablo Picasso, Jean Cocteau, Serge Gainsbourg, Miles Davis, Marlon Brando and Michel Piccoli, to name but a few. For nearly seventy years she has trodden the boards of the world’s great stages. She has taken the French chanson to places as far flung as China, Brazil and the USA. After the Second World War and the end of German occupation, she was one of the first French artists to perform in Germany. While Chile was under military rule, she came and sang about freedom, taking a musical stand against oppression. And she was the first western artist to perform in Japan after the Fukushima disaster. Musically, she has succeeded in keeping up with the times, recently collaborating with re-inventor of the chanson, Benjamin Biolay and rapper Abd Al Malik. What better person, then, for a conversation about singing, travel, the power of music, storytelling through song and a life crammed full of fascinating encounters. MAX JOSEPH Madame Gréco, you’re 86 years old, still travel the world and regularly perform. You’ve just comple-

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Foto Ola Rindal

ted a tour of France lasting several months. What drives you to keep going at this stage of your life? JULIETTE GRÉCO I do it for the love of it. I can’t understand people who live their lives, year in, year out, day in, day out in the same place. The world is so big, so exciting! Getting to know people from different cultures and their view of the world is so enriching. When I look at my suitcase I’m like a dog that’s shown its lead – I get all excited and can’t sit still. I just have to get out and see the world. I couldn’t imagine life without travelling and performing. At least, not yet. I’m like a tortoise – I carry my house, my songs, with me everywhere. MJ You mentioned that each performance involves interaction, building rapport. How does this kind of communication with an audience come about? JG Through the desire to give the audience something and equally from an audience’s readiness to listen. It’s a kind of love relationship. Sadly, it wasn’t always like that at the beginning of my career. I appear to have been somewhat ahead of my time and had to be patient until the audience and the world opened up – or got used to me.

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MJ When the German occupation of France ended you walked the streets of Paris Saint-Germain singing Over The Rainbow. Why? JG The four years of occupation were a time of terror. You had to hold your tongue. Singing that song that the Nazis had banned loudly in public was an expression of freedom. At the time, music meant an awful lot to me. I mostly listened to classical music. The works of Mozart and Bach actually helped me survive. During the occupation, when I was arrested and imprisoned, I had lost my laugh and my ability to communicate. The only way I could express myself a little was through music. My friend, the writer Boris Vian, helped me rediscover my voice. MJ How did he manage that? JG He was ever so patient. He sat with me for hours in a café. He asked questions and we talked. At first just about everyday things, but then gradually, carefully about the things I had experienced, what I was feeling. The conversations became more and more intense and my replies more detailed. I had the best psychiatrist you could ever wish for and the best-looking! He was a wonderful, handsome and sensitive man. I have so much to be

grateful to him for. But it took longer for my laugh to return. I struggle with it even now. Not all wounds heal. MJ Could you share with us some of your worst experiences? JG There are so many. They still haunt me in my dreams, but I don’t like talking about them. I’d rather think about the good experiences. Sometimes it’s enough just to wake up in the morning with the sun shining through the window, or to stand on stage and sing. Happiness is simple. MJ Do revolutions need songs? Can songs change society? JG Yes. Revolutions have always begun with songs, in France at least. The real question is, can words and music change society? I think they can. I think they can at least facilitate change. Words especially are immensely important. The music is a vehicle with which the words and the emotions associated with them are transported. MJ Is there anything in your long and rich life that you regret? JG No, nothing. Not even my two divorces. I’m actually quite proud that I’ve always managed to separate ­amicably from all my partners. MJ So, what’s your secret? JG You have to be diplomatic and prepare for the separation well in advance. As soon as I start getting bored in a relationship I think about how I can end it. Not suddenly, you have to work towards it slowly and get the other person ready. If you allow the love mechanism to slowly grind to a halt then the end isn’t so painful. Let me give you an example – if somebody in Vietnam wants to steal something, he shifts it further away from its owner ever so slightly every day, over a long period of time. Eventually, he takes it away completely. The object gradually disappears from your field of view. That’s how I’ve always handled my relationships.

English Excerpts by Ed Einsiedler


MAGIE & KL ANGSINN

R I C HARD ST R A U S S DER ZYKLUS 3. APRIL - 4. JULI 2014

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Urlaubstipps


Urlaubstipps

Im August geht die Bayerische Staatsoper in Theaterferien. Hier erzählen die Künstler der Münchner Opernfestspiele, wie sie ihren Urlaub verbringen und was sie empfehlen können. ASHER FISCH Dirigent Als Dirigent habe ich im Prinzip keinen richtigen Urlaub. Jeder Urlaub ist immer auch ein bisschen mit Arbeit gemischt, aber diese Kombination ist vor allem an zwei Orten auf der Welt wunderschön: Zum einen ist das zu Hause in Israel. Wenn ich in Israel bin und Zeit habe, dann fahre ich in die Wüste Negev, einfach weg von allem, von allen Geräuschen und allem Lärm, in die Stille. Ich empfehle dazu unbedingt einen Besuch am Toten Meer, 422 Meter unter dem Meeresspiegel (der Wasserstand geht ständig weiter zurück). Dieser tiefste Punkt der Welt ist umgeben von Bergen, die je nach Licht rot und blau leuchten – einmal im Leben muss man das gesehen haben. Man sollte der Hitze wegen nicht im Sommer fahren, aber zu allen anderen Jahreszeiten erlebt man ein sehr angenehm mildes Klima dort. Fährt man zurück durch die Wüste Judäa, beeindruckt auf dem Weg die ehemalige Festung Masada, die in den Felsen hineingebaut ist. Und am Ende der Tour – am besten, man nimmt sich eine Woche –, fährt man östlich von Bethlehem, entlang des Kidron, einem ausgetrockneten Bachbett, in die Stadt ­Jerusalem. Mein zweiter Herzensort, an dem ich Arbeit und Erholung gern verbinde, hat eine Sonderstellung auf der Wetterkarte der USA: In Nordamerika ist es im Sommer überall heiß und unangenehm, mit Ausnahme eines einzigen Orts, der das ganze Jahr über hellblau bleibt: Seattle. Ich dirigiere dort im Sommer immer Wagners Ring des Nibelungen. Und nebenbei kann ich die schönsten Naturpanoramen in den USA überhaupt genießen. Eine ganz wunderbare Tour führt etwa von Seattle nach Vancouver, über die Cascade Mountains. Das Leben, das Essen und die Alltagskultur insgesamt sind in Seattle locker und ganz „laid-back“. Es ein idealer Ort, um Entspannung, Kultur und Natur zu kombinieren. Von Frankfurt aus kann man übrigens sogar direkt fliegen …

GABRIELE SCHNAUT Sopranistin Urlaub … – während vieler Jahre ein Fremdwort. Jetzt: Zu Hause sein, da wo schon Leo Slezak die Seele baumeln ließ: am Tegernsee. Die Hängematte: Abhängen zwischen Himmel und Erde, ­Letztere etwas näher, manchmal unfreiwillig zu nah. Dösen: Nicht schlafen, nicht träumen, nicht lesen, nein, döööööösen. Ganz hoch oben kreuzen die Flugzeuge die Alpen: Ab in den Urlaub. Ich höre sie erst, wenn sie schon fast verschwunden sind. Hitze? PLATSCH in den Teich. Die Goldfische freut‘s. Beppo, der größte, nuckelt am Zeh, die Frösche ergreifen die Flucht, die Ringelnatter stellt sich tot. Alternative? Das Unterwassernaturschutzgebiet vor den Florida Keys. Das Boot an der Boje befestigt, Flossen an, Taucherbrille und Schnorchel und PLATSCH in die Unterwasserwunderwelt. Sie ahnen es: Eigentlich bin ich ein Fisch. Eine schöne Sommerzeit! Gabriele Schnaut erlebt man bei den Festspielen als Euphrat in Jörg Widmanns Oper Babylon.

ÁRPÁD SCHILLING Regisseur Nahe Budapest gibt es ein wunderschönes Dorf, wo meine Eltern wohnen. Weil mein zweites Kind Ende des Sommers zur Welt kommen wird, werden wir dorthin ziehen. Meine Eltern werden uns mit den Kindern helfen. Das kommende halbe Jahr wird interessant für mich: Ich werde nicht reisen, nur zusammen mit meiner Familie sein, in einem Dorf, nebenan Wald. Es ist das, was ich immer wollte die letzten Jahre. Es wird eine Entdeckungsreise werden. Wenn ich einem Urlauber in Ungarn etwas empfehlen müsste, dann wären das ein paar kleine Städte mit guten Hotels und gesundem Wasser und einige schöne alte Kleinstädte mit etwas besseren Restaurants – zum Beispiel Tapolca, Lillafüred, Hévíz. Dort kann man wunderbar drei, vier Tage verbringen. In Budapest kann ich vor allem die „Bad Taste Events“ mit Operettenstars aus vergangenen Zeiten empfehlen. Árpád Schilling führte Regie bei der Neuinszenierung von Giuseppe Verdis Rigoletto.

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Asher Fisch steht bei den Münchner Opernfestspielen für Richard Wagners Der fliegende Holländer am Pult.


Illustration Gian Gisiger, Bureau Mirko Borsche

Als ich das erste Mal in der Stadt Bergen in Norwegen landete, war ich überwältigt von dem massiv flächendeckenden, frischen Grün. Es regnet hier an circa 250 Tagen im Jahr, auf Sonne und Wärme kann man sich nicht verlassen. Nur wer den Norden liebt und die Kälte nicht fürchtet, wird sich hier wohlfühlen. Pastelltöne gibt es kaum. Alles erscheint klar, intensiv, strahlend kühl. Phosphoreszierendes Neongrün, waldiges Tannengrün, leuchtendes Knallblau oder kühle Grautöne in allen erdenklichen Nuancen bestimmen die Farben. Die Landschaft hier ist nicht sanft oder lieblich, sondern rau, widerspenstig, grandios, monumental. Sie überwältigt einen in ihrer Dimension, Kraft und Schönheit. Die Menschen, die hier leben, passen sich der Natur an, nicht umgekehrt. Das Zentrum von Bergen definiert der belebte Seehafen. Von hier aus schaut man hinaus auf die Fjorde: Insel reiht sich an Insel, dazwischen glitzert das tiefe Wasser. Hier kann man bestens segeln, paddeln oder fischen. An der Ostseite wird die Stadt von sieben Bergen flankiert. Dahinter: noch mehr Berge, die man besteigen kann, und zwischen den Bergen unendlich viele Seen, in die man sich stürzen kann. Meine Lieblingsbeschäftigungen: auf einer Insel campen, Feuer machen. Pilze sammeln im Wald. Der Wald ist märchenhaft. Man glaubt, der erste Mensch seit Ewigkeiten zu sein, der hier entlangläuft. Überall bedecken verschiedenartigste Moose den Boden. Eingekrachte, abgestorbene Bäume sind komplett zugewachsen und lassen an Trolle denken, an Waldwesen. Es ist so unglaublich still, während man lautlos über den weichen Moosteppich läuft. Die Zeit bleibt stehen, hebt sich auf. Das macht süchtig!

Urlaubstipps

REBECCA RINGST Bühnenbildnerin

PAVOL BRESLIK Tenor Urlaub ist für mich eine Zeit, in der ich kurz „vergessen“ will, dass ich ein Sänger bin. Will heißen: dass ich einmal nicht nach dem Aufstehen „checke“, ob die Stimme da ist … Als ich in Marseille studiert habe, bin ich immer in die Provence gefahren. Die Natur ist so wunderschön dort und auch die historischen Städte wie Avignon, Uzès, Nîmes, Arles oder Aix-en-Provence. Und dann kann man natürlich zum Shoppen nach Cannes oder Monte Carlo fahren, am Strand einen schönen Cocktail trinken und einfach die Sonne und das Meer genießen. Apropos Meer: Wenn man in der Gegend von Marseille ist, muss man unbedingt einen Ausflug in die Calanques machen – so ein Traum von Natur, wildromantische Felsbuchten, die manchmal tief ins Land hineinragen. Es ist Naturschutzgebiet und man darf nur zu Fuß gehen, aber die halbstündige Wanderung lohnt sich völlig. Ich bin sehr froh, dass ich diese Gegend kennenlernen durfte, und bin fast jedes Jahr immer wieder dort. Ich mag es aber auch, wenn ich in der Slowakei bin und einfach ein bisschen in den Wald gehe. Meine Oma wohnte auf einem Hügel am Fuß eines Waldes und ich bin immer dorthin abgehauen und erst nach Stunden zurückgekommen. Ich bin sehr mit der Natur verbunden und brauche ein paar Bäume und Erde. Es gibt nichts Schöneres als einen Spaziergang im Wald, wo man ein paar Waldbeeren pflücken oder Pilze sammeln kann. Da ist allerdings meine Mama sehr begabt. Meine Großeltern waren Förster und daher hab’ ich den Wald im Blut. Deswegen mag ich auch München sehr gern, man ist mit dem Auto in ein paar Minuten draußen am See oder in den Bergen. Dieses Jahr erfülle ich mir einen langjährigen Traum und fahre für zwei Wochen nach Bora Bora. Ich war immer fasziniert von dieser Schönheit. Bungalows, tauchen mit Fischen, die traditionelle Küche probieren, ein bisschen Safari, um einfach die Kultur zu entdecken …

Rebecca Ringst schuf das Bühnenbild für die Neuinszenierung von Boris Godunow.

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Pavol Breslik wird dieses Jahr mit einem FestspielLiederabend zu Gast sein und in Otello die Rolle des Cassio singen.


Michael Johansson, Packa Pappas Kappsäck, 2006

Schöne Ferien! Die Spielzeit 2013 / 14 beginnt am 20. September 2013.


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