MAX JOSEPH Nr. 4 Festspiel-Ausgabe

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Abbildung zeigt Sonderausstattungen.

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Freude am Fahren


Bayerische staatsoper 24.6. – 31.7. Münchner  Opernfestspiele 2016

Das Magazin der Bayerischen Staatsoper Max Joseph Festspielausgabe 2015 – 2016

Dank an

Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele.



© Peter Funch, Walking Void, 2011



© Peter Funch, Red Rule, 2007



© Peter Funch, Screaming Dreamers, 2008


In Peter Funchs Serie Babel Tales geht es um Menschen in Großstädten und ihre (fehlenden) ­Beziehungen. Das Projekt verbindet dokumentarische Fotografie und Inszenierung. Denn die Bilder bestehen jeweils aus hunderten, über mehrere Wochen hinweg von exakt der gleichen Position aus ­fotografierten und später überblendeten Momentaufnahmen. Es geht dabei um den ­Menschen sowohl als Individuum wie als Teil der Öffentlichkeit. Und das trifft das Wesen von Theater: Eine Menge ­einander unbekannter Menschen gibt sich gleichzeitig derselben Sache hin. Mehr über den Fotografen auf S. 20


Š Peter Funch, Notable Notice, 2008 All works courtesy the Peter Funch and V1 Gallery



Die bedeutenden Werke der Oper ­berühren einen Kern, der immer Bestand haben wird. Sie können eine tiefe Wahrheit über uns selbst und unsere Gegenwart vermitteln. Ein Blick auf das Programm unserer Opernfestspiele zeigt: Im Jahr 2016 ist der Kern ­un­serer Auseinandersetzung die Begegnung mit dem Fremden. Zufall, dass dieses Thema aktueller nicht sein könnte? Nein. Es ist eines, das uns seit jeher betrifft – dem wir als Gesellschaft nur lange Zeit nicht ge­nügend Aufmerksamkeit gegeben ­haben. Anders die Komponisten unseres Festspielprogramms. In Les Indes galantes, Jean-Philippe Rameaus Ballettoper aus dem frühen 18. Jahrhundert, misst sich die europäische Kultur ganz im Geist der Früh­aufklärung am exo­tischen Bild des ­Orientalen und dem des edlen Wilden; das Werk wird zum ersten Mal in München gespielt. Die Festspiel-Werkstatt präsentiert gleich zwei Uraufführungen. Hauke Berheide komponierte aus M ­ otiven von Heinrich von Kleists P ­ enthesilea die Oper Mauerschau über die Manipulation von Wahrheit in der Kriegsberichterstattung. Saskia Bladt und Torsten Herrmann vertonten mit einem jungen Musiktheater­ kollektiv den Roman Tonguecat des belgischen ­Autors Peter Verhelst, eine literarische Sensation aus dem Jahr 1999, die die Auswirkungen von Terror in einer G ­ esellschaft thematisch vorwegnahm. Mauricio Kagels szenische Kompo­sition Mare Nostrum: ­Entdeckung, Befriedung und Konversion des Mittelmeerraums durch einen Stamm aus Amazonien von 1975 könnte heute nicht frappierender sein. Die Aktualität schließlich unserer Festspielpremiere La Juive von Fromental Halévy bedarf nicht vieler Erklärun­ g­en. Die fran­zösische Grand Opéra über die Liebe zwischen einer (vermeintlichen) ­Jüdin und einem Christen in Zeiten religiöser Intoleranz, in München nach 1931 nicht mehr aufgeführt, endet in der größtmöglichen Katastrophe. Künstler, die diese Werke im kommenden Monat zur Aufführung bringen, und Autoren, die mit diesen Themen seit Langem in Berührung sind, geben in dieser Festspielaus­gabe von MAX ­JOSEPH Auskunft. Der französische Dirigent Bertrand de Billy ordnet für uns La Juive historisch ein, der US-amerikanische Autor David J. Levin zeigt, wa­rum dieses Musikdrama alle Genrekonventionen sprengte. Die ukrainische ­Dirigentin Oksana Lyniv, seit der Spielzeit 2013/14 die musikalische Assistentin von General­musikdirektor ­Kirill Petrenko, schildert ihre Sicht auf den Krieg in der Ukraine. Der Choreograph und Regisseur Sidi Larbi Cherkaoui spricht über die tiefe ­Spaltung der Gesellschaft in seinem Heimatland Belgien. Auch das sind unsere Opernfestspiele jedes Jahr: ein Fest, bei dem Künstler und Zuschauer aus aller Welt zusammenkommen und sich für den Moment e ­ iner ­Vorstellung gemeinsam einer Sache hingeben. Mein besonderer Dank gilt auch in ­diesem Jahr all jenen, die uns bei diesem Fest unterstützen: unserem langjährigen Partner BMW München, mit dem wir in diesem Jahr das 20-jährige Bestehen von Oper für alle bei freiem Eintritt auf dem Max-Joseph-Platz feiern dürfen. Und der G ­ esellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele, die diese Festspielausgabe von MAX JOSEPH wieder großzügig unterstützt hat. Mein größter Dank gilt unseren Z ­ uschauern, die bereit sind, mit der Bayerischen Staatsoper neue Wege zu gehen und uns mit ihrer kritischen Leidenschaft zu diesen Wegen auch ermutigen. Ich wünsche uns allen glückliche und bewegende Opernfestspiele 2016!

Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper


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Babel Tales Aus der Fotoserie von Peter Funch

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Editorial Von Nikolaus Bachler

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Contributors/Impressum

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Auf zu den Ufern der Fantasie Zum Auftakt: Ein Hoch auf das Fest

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Ich als Forscher Persönlichkeiten erzählen, woran sie forschen. Zu Gast: Roberto Alagna, Philipp Lahm, Denis Scheck, Ayzit Bostan

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(T)Raumvermesser – FESTSPIELPREMIEREN Rebecca Ringst entwirft die Bühne für Fromental Halévys La Juive, Anna Viebrock für Jean-Philippe Rameaus Les Indes galantes. Ein Porträt der beiden Künstlerinnen

Foto Kirchknopf + Grambow

Die Fotografin Harley Weir lebt und arbeitet in London. Die 27-jährige gehört zu den gefragtesten Modefotografen ihrer ­Generation, jüngst fotografierte sie eine Kampagne für Calvin Klein. Ihre persönliche Arbeit geht weit über pure Ober­ flächenbetrachtung hinaus. Sie sagt: „Ich möchte mit meiner ­Arbeit Menschen emotional berühren. Es ist fast egal, welche Emotionen das sind: Entweder fühlen sie sich angewidert oder sie fühlen sich erinnert an eigene Erlebnisse, an Liebe oder Hass oder so etwas. Das bedeutet mir sehr viel und ist ­keine leichte Aufgabe.“

MAX JOSEPH Munchner Opernfestspiele 2016

Cover-Foto Harley Weir / Art Partner

MAX JOSEPH 4 SPIELZEIT 2015 / 16 MÜNCHNER OPERNFESTSPIELE 2016

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„Noch heute erzielt allein der Titel der Oper seine Wirkung“ – FESTSPIELPREMIERE Der Dirigent Bertrand de Billy im großen Interview zu Fromental Halévys La Juive

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„Tanz ist ein Gedicht als Bewegung“ – FESTSPIELPREMIERE Eine Begegnung mit dem Choreographen und Regisseur Sidi Larbi Cherkaoui, der Jean-­ Philippe Rameaus Les Indes galantes inszeniert

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Die Wissenskugel Über die Freude, neugierig zu bleiben. Von Jochen Schmidt

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Der Hammer – Gedanken zu Die Meistersinger von Nürnberg und La Juive – FESTSPIELPREMIERE Über eine Gemeinsamkeit und einen riesen­ großen Unterschied zwischen diesen beiden Werken. Von David J. Levin

68

„Mein Wort liegt in der Musik“ – FESTSPIEL-WERKSTATT Ein Interview mit der Dirigentin Oksana Lyniv über ihre Heimat Ukraine und die Uraufführung von Mauerschau


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Dynamit – FESTSPIEL-WERKSTATT Saskia Bladt und Torsten Herrmann komponierten die Oper Tonguecat, Hauke Berheide die Oper Mauerschau. Die drei jungen Komponisten im Porträt

Foto Fritz Beck

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Wer sind sie? – FESTSPIELPREMIERE, FESTSPIEL-WERKSTATT Über die Konstruktion des Fremden in Jean-Philippe Rameaus Les Indes galantes und in Mauricio Kagels Mare Nostrum. Von Barbara Zuber

Illustration Viktor Hachmang

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Plötzlich neu vermessen: Die Ware Frauenkunst Kunst von Frauen erlebt eine Konjunktur. Warum? Eine Reportage von Tina Mendelsohn

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Südpol – Teil 4 Der letzte Teil der Graphic Novel zur Uraufführung von Miroslav Srnkas South Pole erzählt von der Nachgeschichte – der Expedition und der Oper

114

Unter uns München hieß im September 2015 zigtausende Flüchtlinge willkommen. Wie hat sich die Stimmung seither verändert? Von Andreas Unger

118

20 Jahre Oper für alle Über ein ganz besonderes Ereignis im Opernjahr – und dessen Jubiläum

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Ist der Bericht wahr? – FESTSPIEL-WERKSTATT Das Künstlerduo Luftwerk, bekannt für spektakuläre Lichtinstallationen, gestaltet die Bühne für die Uraufführung von Mauerschau. Ein paar Fragen vorab

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Kontinuität oder Neubeginn? Die Bayerische Staatsoper in den Jahren 1945 bis 1963 Auszüge aus dem Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933 – 1963

138

„Die Liebe zu Händel war Ausweis meines Afghanentums“ Über eine Kreuzbergerin mit afghanischen und US-amerikanischen Wurzeln und ihre (Nicht-)Suche nach Identität. Von Frédéric Valin

144

Die Finsternis, die wir für den Heilungsprozess brauchen – FESTSPIEL-WERKSTATT Die Oper Tonguecat basiert auf dem gleichnamigen Roman des belgischen Autors Peter Verhelst. Ein Gespräch zur Uraufführung zwischen dem Autor und dem Dramaturgen Koen Bollen

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Und hegte Schnee in meinen warmen Händen Die Spielzeit 2015/16 mit dem Thema „Vermessen“ begann mit Sophokles. Wie endet sie? Von Marion Poschmann

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Agenda

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Plakate der Spielzeit 2015/16

155

Die Künstler der Münchner Opernfestspiele 2016

173

Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2016

209

Spielplan

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Festspielpreise 2015 Gestiftet von der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

222

English Excerpts

230

Die Vermesser Mitarbeiter der Oper ­beschreiben ihre Messgeräte

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Schöne Ferien!


Partner Die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern Spielzeitpartner

Hauptsponsoren BMW Niederlassung München – Opernfestspiele Dr. h.c. Irène Lejeune – Bayerisches Staatsballett Projektsponsoren Roland Berger GmbH, BMW Niederlassung München, HypoVereinsbank – Member of ­UniCredit, Linde AG, OSRAM, Siemens AG, Rudolf Wöhrl AG Freunde des Nationaltheaters München e.V. Gesellschaft zur Förderung der ­Münchner Opernfestspiele e.V. Premium Circle American Express Deutschland, Atlantik Networxx AG, BayernLB, Ludwig Beck AG, Roland Berger Strategy Consultants, LA BIOSTHETIQUE PARIS, BMW Group, BR-KLASSIK, GIBSON DUNN, HERMES ARZNEIMITTEL GmbH, Robert Hübner – Private Vermögensverwaltung, Hypo­Vereinsbank – Member of ­Uni­Credit, Knorr-Bremse AG, Linde AG, Linklaters LLP, Merck Finck & Co, Privatbankiers, Munich Re, Siemens AG, Stadtsparkasse München, Stiftung Life, Süddeutsche Zeitung, Dr. Martin und Dr. Alexandra Vorderwülbecke Patron Circle Dr. Kirsten und Florian Aigner, Akris, ALR Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Baker & McKenzie, BBH – Becker Büttner Held, Blue Ribbon Partners, Willy Bogner, Bürklin GmbH & Co. KG, Rolf und Caroli Dienst, EVISCO AG, Herbert und Claudia Graus, Marianne E. Haas, Dr. Peter und Iris Haller, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA, Iris und Kurt Hegerich, Andrea und Christian­ Karg, Nikolaus und Ingrid Knauf, leasing.de AG, Klaus Josef und Martina Lutz, M.M.Warburg & CO, Gisela und

Ulfried Maiborn, Zubin und Nancy Mehta, Nachmann Rechtsanwälte, Dr. Wolfgang Ott und Dr. Stephan Forst, Edelgard und Axel Pape, Prada Germany GmbH, Riedel Holding GmbH & Co. KG, PD Dr. Dr. Hans und Monika Rinecker, Nina und Alexander Rittweger, Rudolf und Rosemarie Schels, Dr. Schnell Chemie GmbH, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG, UBS Deutschland AG, Dr. Susanne und Dr. Karl Heinz Weiss Inner Circle Marlene Ippen, Eugénie Rohde, Marion Schieferdecker, Swantje von Werz, Adelhaid Winterstein Ballet Circle Dr. Peter und Iris Haller, Michaela Heilbronner, Juwelier Hilscher – Ihr Juwelier in München Schwabing, Integra Treuhandgesellschaft mbH, Dr. h.c. Irène und Dr. phil. h.c. mult. Erich J. Lejeune Classic Circle Anjuta Aigner-Dünnwald, Alexander Apsis und Dr. Mokka Henne-Apsis, Bank Julius Bär Europe AG, Beck et al. Services GmbH, Jutta und Andi Biagosch, Böhmler Einrichtungshaus GmbH, Chris und Veronika Brenninkmeyer, Astrid Bscher, Bucherer Deutschland GmbH, Clariant AG, Alois Dallmayr KG, Christian Dior Couture, Nicole Drechsel, Stephanie und Constantin von Dziembowski, Konsul Otto Eckart, Dr. Günther Engler und Sabina Tuskany, Christa Fassbender, Franz und Reinhilde Fassl, Günter Fleischmann, Robert und Barbara Glauber, Dr. Konrad Göttsberger, gr_consult gmbh, Dr. h.c. Rudolf und Angelika Gröger, Christa B. Güntermann, Dr. Bernhard und Dr. Kira Heiss, Hofbräu München, Dorothea und Hans Huber, Dirk und Marlene Ippen, Sir Peter Jonas, Feinkost Käfer Verwaltungs- und Beteiligungs KG Michael Käfer, Wolf-­ Otto und Renate Kranzbühler, Jutta und Bernd Kraus, Traudi Kustermann, Marta und Peter Löscher, Dr. Joachim und Annedore Maiwald, Jutta und Dr. Karl Mayr, Bastienne und Dr. Gabor Mues, Heinrich Nabholz Autoreifen GmbH, Prof. Dipl.-Ing. Georg und Ingrid Nemetschek, nova reisen GmbH, Oberbank AG, Dr. Leonhard und Gertrud Obermeyer, Orpheus Opernreisen GmbH, Franz und Katharina von Perfall,

Peters, Schönberger & Partner, H. und A. Petritz, Pomellato, Olivier Renaud-­ Clément, Riedel Immobilien GmbH, Roeckl Handschuhe & Accessoires, Dr. Helmut Röschinger, Sacher GmbH Ingenieure + Sachverständige, Schaeffler Holding GmbH & Co. KG, Dr. Bernhard und Jacqueline Schaub, Dr. Alois Schneck, Christian und Michael F. Schottenhamel, Dr. Stefan Schulz-Dornburg, Dr. Jürgen und Dr. Elisabeth Staude, Juana und Otto Steinmetz, Dr. Martin und Eva ­Steinmeyer, Stetter Rechtsanwälte, Umzüge Braun, UTC Aerospace Systems, Valentino, Wacker Chemie AG, Marianne Waldenmaier, Hannelore Weinberger, Wellendorf Boutique, Juwelier Wempe, Wickenhäuser & Egger AG, Wirsing Hass Zoller, Xenium AG, Dr. Dorothee Ritz und Dr. Lutz Zimmer Campus Circle Anjuta Aigner-Dünnwald, Dr. Arnold und Emma Bahlmann, ­ Dieter und Elisabeth Boeck Stiftung, Rolf und Caroli Dienst, Vera und Volker Doppelfeld-Stiftung, Dr. Joachim Feldges, Wilhelm von Finck Stiftung, Oliver und Claudia Götz, Dirk und Marlene Ippen, Christine und Marco Janezic, LfA Förderbank Bayern, Ligne Roset FÜNF HÖFE, Klaus Luft Stiftung, Sabine Nießen, Eugénie Rohde, Dr. Helmut Röschinger, Dr. Kurt und Chiona Schwarz, Dr. Jürgen und Dr. Elisabeth Staude, Dr. James Swift, The Opera Foundation, Georg und Swantje von Werz Freundeskreise Campus Freunde, Freunde und Förderer der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e.V., Freundeskreis des Bayerischen ­Staatsballetts Die Bayerische Staatsoper bedankt sich bei ihren Partnern für die großzügige finanzielle Unterstützung und das damit verbundene kulturelle Engagement. Wir freuen uns, dass sich unser Partnerprogramm in den letzten Spielzeiten so erfolgreich entwickelt hat und möchten auch Sie ermutigen, die Vorteile ­einer solchen Partnerschaft zu nutzen. Informieren Sie sich unter: Development  Prof. Maurice Lausberg, Melanie Firley T 089 – 21 85 10 16, F 089 – 21 85 16 40 development@staatsoper.de


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Bürger und Wirtschaft engagieren sich für die Festspiele – Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele reicht zurück bis ins Jahr 1958. Damals begann der Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Münchner Nationaltheaters. Im selben Jahr, am 11. April 1958, gründeten mehrere Einzelpersönlichkeiten und Unternehmen die Gesellschaft. Sie vereint derzeit 470 Opernfreunde in dem Gedanken, dass die Münchner Opernfestspiele nicht nur ein hochkulturelles „Event“ für wenige sind, sondern auch vom Bewusstsein der Allgemeinheit getragen werden sollen. Dafür setzt sich die Gesellschaft sowohl ideell wie gesellschaftlich, publizistisch und nicht zuletzt finanziell ein. In ihren Gremien sind Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens vertreten, die beispielgebend die mäzenatische Grundeinstellung der Gesellschaft verkörpern und aktiv nach außen tragen. Mit den gesammelten Spenden und Mitgliedsbeiträgen (steuerlich absetzbar) fördert die Gesellschaft gezielt Neuproduktionen und andere künstlerische Projekte der Bayerischen Staatsoper im Rahmen der Festspiele. Gesellschaftlicher Höhepunkt des Vereinslebens ist der Staatsempfang zur ­Eröffnung der Opernfestspiele. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele ist zusammen mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Gastgeber dieses glanzvollen Ereignisses in den Räumen der Münchner Residenz. Eine weitere ­Möglichkeit zu Information und freundschaftlichem Miteinander bietet die jährliche Mitgliederversammlung; dabei informiert die Oper über Programm und Pläne des ­Hauses, und Mitglieder der Staatsoper gestalten ein festliches musikalisches Begleitprogramm. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit zu exklusiven Führungen „hinter die Kulissen“ der Staatsoper sowie eine Einladung zum Empfang anlässlich der Verleihung des jährlichen Festspielpreises. 1965 wurde der Festspielpreis erstmals verliehen. Die Gesellschaft will damit Persönlichkeiten des Münchner Opernlebens auf und hinter der Bühne auszeichnen, die sich besonders um die Festspiele verdient gemacht haben. Der Preis war 2015 mit insgesamt 24.000 Euro dotiert und ist zu einer Tradition geworden. Eine lange Tradition hat auch die jährlich herausgegebene Festspielpubli­ kation. Je mehr Mitglieder die Gesellschaft hat, desto wirkungsvoller kann sie dazu beitragen, die Attraktivität und künstlerische Qualität der Münchner Festspiele weiter zu festigen und fortzuentwickeln. Vorstand und Kuratorium der Gesellschaft wollen Sie, lieber Festspielbesucher, deshalb ermuntern, einen Beitritt ernsthaft und aufgeschlossen zu prüfen. Einen Beitrittsantrag finden Sie in diesem Heft auf Seite 220.

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Nähere Infos erhältlich über die Geschäftsstelle der Gesellschaft (T 089 – 37 82 46 47) oder unter www.opernfestspielgesellschaft-muenchen.de


Schirmherr Der Bayerische Ministerpräsident Ehrenpräsidium Der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Der Bayerische Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat Die Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie Der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft, Dr.-Ing. Dieter Soltmann Vorstand Dieter Rampl, 1. Vorsitzender Nikolaus Bachler Hans Günther Bonk Friedgard Halter, Schriftführerin Dr. Ingo Riedel Dr. Alfred Rührmair Toni Schmid Dr. Wolfgang Sprißler, Schatzmeister Dr. Jörg D. Stiebner, 2. Vorsitzender Kuratorium Prof. Dr. Clemens Börsig, Vorsitzender Karin Berger Dr. Wolfgang Büchele Prof. Dr. Laurenz Dominik Czempiel Hanns-Jörg Dürrmeier Olga Haindl Franz Haniel Dr. Walter Hohlefelder Marlene Ippen Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dr. Jörg Mittelsten Scheid Dr. Michael Möller Prof. Susanne Porsche Frank Reichelt Dr. Helmut Röschinger Michael Schneider Jeanette Scholz Prof. Dr. Wilhelm Simson Stefan Vilsmeier Manfred Wutzlhofer Dr. Werner Zedelius

Nachstehende Persönlichkeiten und Firmen unterstützen als fördernde Mitglieder die Arbeit der ­Gesellschaft in besonderem Maße: Ursula van Almsick Dr. Rolf Badenberg Christian Bahner Erben Karin Berger Birgit Birnstiel Hans Günther Bonk und Elisabeth Bonk-Eberle Dr. Herbert Conrad Hanns-Jörg Dürrmeier Dr. Hans Fonk Peter Gain Rolf Gardey Jan Geldmacher Dr. Konrad Göttsberger Dr. Altrud Ute Gottauf Olga Haindl Peter Prinz zu Hohenlohe-Oehringen Peter Hoerz-Schmückle und Petra Hoerz-Schmückle Ulrike Hübner Marlene Ippen Helga Kreitmair Rainer Krick Doris Kuffler Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dagmar Lipp Dr. Jörg Mittelsten Scheid Stefan-Ulrich Müller und Anja Müller Prof. Susanne Porsche Dr. med. Margret Rembold Dr. Christine Reuschel-Czermak Dr. Helmut Röschinger Gerhard Rohauer Marianne Schaefer Dr. Friedrich K. Schieferdecker Andreas Schiller Dr. Dr. h.c. Albrecht Schmidt Hans Schreiber Dr. Roland Schulz Dr. Matthias Schüppen Prof. Dr. Wilhelm Simson Dr.-Ing. Dieter Soltmann Ursula Soltmann Andrea M. Spielmann Ursula Steiner-Riepl Dr. Jörg D. Stiebner Bernhard Tewaag Stefan Vilsmeier Christine Volkmann Swantje von Werz

Fördernde Firmenmitglieder Airbus Defence and Space GmbH Allianz SE Bayerische Landesbank Burda Creative Group GmbH Deutsche Bank AG Donner & Reuschel AG Bernhard Frohwitter Kunert Holding GmbH & Co. KG LfA Förderbank Bayern LHI Leasing GmbH Linde AG Molkerei Meggle Wasserburg GmbH & Co. KG Messe München GmbH Riedel Holding GmbH & Co. KG Swiss Re Europe S. A. UniCredit Bank AG Wacker Chemie AG

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Magazin der Bayerischen Staatsoper www.staatsoper.de/maxjoseph Max-Joseph-Platz 2 / 80539 München T 089 – 21 85 10 20 / Fax 089 – 21 85 10 23 maxjoseph@staatsoper.de www.staatsoper.de Herausgeber Staatsintendant Nikolaus Bachler (V.i.S.d.P.) Redaktionsleitung Maria März Gesamtkoordination Christoph Koch Redaktion Miron Hakenbeck, Rainer Karlitschek, Malte Krasting, Daniel Menne, Julia Schmitt, Benedikt Stampfli, Jeffrey Döring Mitarbeit: Sabine Voß Bildredaktion Yvonne Gebauer Gestaltung Bureau Mirko Borsche Mirko Borsche, Moritz Wiegand, Sophie Schultz, Linna Grage, Jean-Pierre Meier Autoren Roberto Alagna, Ayzit Bostan, Rasmus Cromme, Jutta Czeguhn, Roel Daenen, Gunnar Decker, Barbara Doll, Bernd Feuchtner, Dominik Frank, Katrin Frühinsfeld, Florian Heurich, Philipp Lahm, David J. Levin, Christiane Lutz, Tina Mendelsohn, Brigitte Paulino-Neto, Marion Poschmann, Denis Scheck, Jochen Schmidt, Andreas Unger, Frédéric Valin, Chris Van Camp, Barbara Zuber

Peter Funch Intro

Barbara Zuber Seite 78

Brigitte Paulino-Neto Seite 42

In den Arbeiten des ­dänischen Fotografen Peter Funch mischen sich Dokumentation und Er­findung, Straßen­ fotografie und digitale Bildbearbeitung. Wie sich diese Elemente zusammen­ fügen, ist in seiner Fotoserie Babel Tales zu sehen, die diese Festspiel­ausgabe eröffnet. Peter Funch studierte Fotografie an der renommierten Danish School of Media and ­Journalism in Kopen­ hagen und war Mitglied der World Press Photo ­Masterclass 2003. Er lebt und arbeitet in New York.

Barbara Zuber arbeitet in ihrem furiosen Essay heraus, wie Jean-Philippe Rameau in Les Indes galantes und Mauricio Kagel in Mare Nostrum jeweils die ­Be­gegnung mit dem ­Fremden konstruierten – der eine vor 250 Jahren, der andere vor 40 Jahren. Die Musikwis­senschaftlerin und Kritikerin, die viele Jahre am Institut für Theater­ wissenschaft der LMU München lehrte, zeigt dabei, wie fragil die Grenze ­zwischen Abgrenzung und neugieriger Annäherung ist.

An jenem sonnigen Samstag im Mai dürften sich sehr wenige Personen am Wiener Flughafen aufgehalten haben, die mit Bertrand de Billy so gut über Fromental Halévys Oper La Juive hätten sprechen können wie seine Interviewerin Brigitte Paulino-Neto. Sie war Dramaturgin an der Opéra National de Paris bei Gérard Mortier, ist langjährige Kritikerin der französischen Tageszeitung Libération, und einer ihrer Romane ist auch auf Deutsch erschienen.

Tina Mendelsohn Seite 96

Robert Flynt Seite 78

Patty Carroll Seite 138

Warum erlebt die Kunst von Frauen derzeit eine solche Konjunktur? Die Journalistin Tina Mendelsohn fand in ihrer aufwendigen Reportage so viele Gründe, dass nun ein Buch darüber entsteht. Seit 2001 moderiert sie die Kultursendung Kulturzeit auf 3sat, nach 15 Jahren in London lebt sie nun in Berlin. Sie drehte historische Dokumentarfilme u.a. in China, Russland, den USA und Israel und arbeitete als Reporterin für die ARD, die BBC und den britischen Fernsehsender Channel 4.

Können wir mehr sehen als wir wissen? Das fragt Robert Flynt mit seinen Montagen aus wissenschaftlichen Illustrationen und Fotos von Körpern, die Verletzlichkeit und Stärke zugleich ­ausstrahlen. Seine Bilder als Überschneidungen zweier fremder Sphären begleiten Barbara Zubers Text über Rameau und Kagel. Robert Flynt zeigte seine Arbeiten weltweit, u.a. 2012 in der Schau „Naked before the Camera“ im New Yorker Metropolitan Museum of Art.

In Patty Carrolls Fotoserie Anonymous Women: ­Reconstructed verschwinden Frauen in einer bunten häuslichen Dekoration. Die Installationen sind auch Erzählungen über die eigene Vorstadt-Kindheit der Chicagoer Fotografin und Grafikdesignerin, die u.a. im Museum of Contemporary Photography Chicago und im Museum of Art in Hang­zhou ausstellte. Drei ihrer Bilder begleiten Frédéric Valins Reportage über das ­Verschwinden in einem Zuhause, das kein Ort ist.

Fotografen & bildende Künstler Fritz Beck, Toby Binder, Patty Carroll, Tim Enthoven, Robert Flynt, Peter Funch, Viktor Hachmang, Wilfried Hösl, Gerhardt Kellermann, Kirchknopf + Grambow, Charlotte Lybeer, Hendrik Schneider, Heidi Specker, Harley Weir, Eric Yahnker, Matthias Ziegler Übersetzungen Staci von Boeckmann, Ed Einsiedler, Sabine Reifer, Ute Spengler, Katrin Thomaneck Marketing Laura Schieferle T 089 – 21 85 10 27 / Fax 089 – 21 85 10 33 marketing@staatsoper.de Schlussredaktion Nikolaus Stenitzer Anzeigenleitung Imogen Lenhart T 089 – 21 85 10 06 imogen.lenhart@staatsoper.de Lithografie MXM Digital Service, München Druck und Herstellung Gotteswinter und Aumeier GmbH, München ISSN 1867-3260 Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung. Für die Originalbeiträge und Originalbilder alle Rechte vorbehalten. Urheber, die nicht zu er­ reichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Foto Brigitte Paulino-Neto: Alph.B.Seny

Contributors

Foto Tina Mendelsohn: Henrik Jordan

IMPRESSUM


München Residenzstrasse 6 089 238 88 50 00 Düsseldorf Girardet Haus Königsallee 27-31/Trinkausstr. 7 0211 730 602 00 Frankfurt Grosse Bockenheimerstr. 13 069 219 96 700 Hamburg Neuer Wall 39 040 430 94 90 Wien Tuchlauben 8 01 535 30 53 Akris Boutique auf www.akris.ch


Auf zu den Ufern Zum Auftakt: Eine Liebeserklärung an das Dasein als Festspielbesucher

Warum sind wir so stolz, wenn wir zwei Karten für eine ausverkaufte Festspiel-Vorstellung ergattert haben? Schon an der Kasse waren wir in gehobene Stimmung geraten, und die Brust schwillt noch mehr an, wenn wir diesen Besitz einem geliebten Wesen verraten, in der Erwartung, es werde uns begleiten. Wir freuen uns auf ein gemeinsames Fest – und das ist schon etwas anderes, als würde man nur eine Abokarte anbieten können. Wenn wir in einer Festspielaufführung Edita ­Gruberova hören oder Jonas Kaufmann, dann reißt uns das mit hinein in eine Welt großer Gefühle, wie unser Alltag sie nicht kennt. Wenn wir einen Liederabend von Dorothea Röschmann oder ­Diana Damrau erleben, ­eröffnet sich uns eine Welt feiner Empfindungen, die uns sagt: Du musst dein L ­ eben ändern. Und noch mehr: Ob in die Ränge des N ­ ationaltheaters geschmiegt oder auf dem Max-­Joseph-Platz in die Arme des Partners gekuschelt – wir sind Teil einer feiernden Gemeinschaft. Wir feiern unser Fest, in dieser auch architektonisch festlichen Stadt, in diesem besonderen Theater, mit den von uns geliebten Künstlern. Nicht für das täglich Brot ­arbeiten wir, sondern dafür: für das Extra. „Denn wofür leistet man etwas?“ sagt bei Brecht der Papa zum Sohn. „Dafür, dass man sich etwas leistet!“ Deshalb feiert die Menschheit, seit wir sie k ­ ennen, ­Feste. Die Neandertaler feierten noch bescheiden den Jagderfolg, die Athener debattierten bei ­ihren Theaterfestspielen schon die existenziellen Fragen der Ge­ sellschaft – und die Italiener erfanden die Oper. Die teuerste Oper aller Zeiten leistete sich Kaiser Leopold I. 1668 zu seiner Hochzeit: Il pomo d’oro (Der goldene Apfel) dauerte zwei Tage und forderte 48 Sänger; sie kostete 100.000 Gulden (ca. 5 Millionen Euro) und die 24 ­Bühnenbilder enthielten nicht nur zusammenstürzende Türme, sondern auch spektakuläre Schiffbrüche. Die Oper war immer ein Fest. Der Münchner ­Kurfürst Carl Theodor belohnte sich und seinen Münchner Hof fürs gute ­Regieren mit Mozarts Idomeneo als Karnevalsvergnügen. Der Alte Fritz ließ ganz aufgeklärt bereits jedermann unentgeltlich in sein Opernhaus unter den Linden – solange er Schuhe an den Füßen trug. Was nichts daran änderte, dass die Feste der Höfe auf den Knochen der leibeigenen Bauern gefeiert wurden. Sie hatten keinen Zugang zur Kultur. In Aufständen führte das dazu, dass sie alles Schöne zerschlugen, weil sie es nicht erkennen konnten.

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der Fantasie Unser demokratischer Staat sorgt nur dafür, dass die Oper für alle zugänglich ist – ob einer das gleiche Geld für ein Champions-League-Spiel der Bayern oder für eine Festspiel-Tosca ausgibt, bleibt ihm selbst überlassen. Wer Oper mag, wurde durchaus auch schon im Stadion gesehen und umgekehrt; das Gemeinwesen stellt sicher, dass wir beides haben können. Allerdings findet nicht jeder den Weg über die Schwelle des Theaters, wenn ihn nicht schon der Opa mitgeschleppt hat. Dass jedes Kind wenigstens einmal im Jahr ins Theater kommt, dafür sind die Schulen zuständig. Auch dafür, dass die Kinder singen und Instrumente lernen. Wenn unsere Kultur nicht an die nächste Generation weitervermittelt wird, dann stirbt sie aus. Das ist keine eingebildete Gefahr. „Bürger“-Komitees blockieren Theatersanierungen, Rundfunk­räte schließen Orchester, Kommunalpolitiker ­ kürzen Kulturhaushalte, Neiddebatten ­dividieren Interessengruppen auseinander. Wenn sich niemand dagegen wehrt, wird sich die Identität dieser Gesellschaft verändern. Bilder können ganz gut alleine in der Alten Pinakothek hängen. Musik und Theater aber bleiben tote Kleckse auf ­Papier, wenn sie nicht von lebendigen Menschen aufgeführt werden. Es hilft jedoch nichts, „unsere Kultur“ zu beschwören, wie Hans Sachs in seiner Ansprache auf der Festwiese von Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg: Niemand pflanzt uns „Tand“ in unser Land, das ist Wahn. Unsere Kultur können nur wir selber ruinieren – wir müssen sie leben, dann bleibt sie stark. Deshalb gehören auch lebende Komponisten zum Fest. Wenn keine Aufträge vergeben werden an die Meister unserer Zeit, die für Sänger und Orchester Musik schreiben wollen und können, dann vergreisen Theater und Orchester und werden zum Museum. Nur neue Musik aber kann die Institutionen auf Dauer am Leben halten. Sonst gibt es nur noch Siegesfeiern für den FC Bayern, aber keine Opernfestspiele mehr. Und wir brauchen das Fest mehr denn je! Wenn wir heutzutage etwas geleistet haben, bekommen wir in der Regel keinen Muskelkater davon; wir spüren die Arbeit nicht mehr. Oft spüren wir sogar uns selbst nicht mehr. Die meisten Tage verfließen ungenossen. Auch deshalb haben wir den Tag nötig, der uns fühlen lässt, dass wir noch Mensch sind. Das gemeinsam genossene Fest löst uns aus unserer Vereinzelung und vereint uns mit denen, die gleich uns zu der Gesellschaft beitragen, der wir angehören.

Text Bernd Feuchtner

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Und beim Fest steht endlich einmal die Zeit still, während wir sonst doch das Gefühl ständiger Beschleunigung haben. Entgegen vielen Befürchtungen haben Fernsehübertragungen und Media­theken dem Live-Erlebnis von Oper und Konzert nichts anhaben können. Sie machen die Festaufführung für viele überhaupt erst zugänglich. Bei manch einem wurde so der Wunsch geweckt, einmal das volle Klangerlebnis mit einem Symphonie­ orchester und lebendigen Sängern zu genießen: Opernfestspiele sind analog! Dem unwiderstehlichen Reiz des Live-Erlebnisses verfällt jeder, der einmal dabei war. Wie gut es uns tut, wenn wir uns ganz und gar auf ein künstlerisches Ereignis konzentrieren, statt uns zerstreuen zu lassen. Die Wucht eines Musikdramas wie La ­Juive können wir nur auf der Bühne erleben. Nur hier fiebern wir mit den Figuren mit, fallen mit ihnen nieder bei ihrem tragischen Absturz und setzen uns dem Sturm der Gefühle aus. Bei Festspielen rechnen wir damit, dass gerade nicht das passiert, was wir schon wissen und k ­ ennen. Wir wollen überrascht werden und nicht darauf vorbereitet sein. Wir wollen die Bestätigung erleben für unsere Ahnung, dass es noch etwas anderes geben muss im Menschenleben als Materielles. Wir wollen spüren, warum wir hier sind und nicht an irgendeinem anderen Ort. Wir sind in die Oper gegangen, weil wir ein existen­­­z­ielles ­Erlebnis erwarten. Essen hält zwar Leib und Seele zusammen, doch Musik ist bekanntlich der Liebe Nahrung. „Die Un­ widerstehlichkeit des Schönen, sublimiert vom Sexus an die ­höchsten Kunstwerke gelangt, wird von ihrer Reinheit, ihrer Distanz von Stofflichkeit und Wirkung ausgeübt“, schrieb Theodor W. Adorno. Wir machen uns hübsch und nehmen die M ­ enschen um uns wahr, die sich auch für ein besonderes ­Ereignis zurechtgemacht haben. Die Oper, so sah es der Komponist und legendäre Intendant Rolf Liebermann, „ist der Edelstein im blühenden Beet der Kultur, ein notwendiger Luxus, der es den Menschen leichter macht, die Aggressionen der Gesellschaft zu überwinden – ein Zauberschiff zu den Ufern der Phantasie.“

Bernd Feuchtner lebt als freier Autor in Berlin. Zehn Jahre lang war er als Operndirektor und Chefdramaturg in Heidelberg, Salzburg und Karlsruhe tätig, davor zwanzig Jahre lang als ­Journalist und Redakteur, u.a. bei ­Tagesspiegel und Opernwelt.

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Rubrikentitel BOGNER HAUS MĂœNCHEN

Residenzstrasse 15

bogner.com

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Ich als ForscheR In der Spielzeit 2015/16 schildern PERSÖNLICHKEITEN für MAX JOSEPH, woran sie gerade forschen – was sie zur Zeit vermessen. 26


Protokoll Axel Brüggemann Foto Jean-Baptiste Millot

Mich fasziniert die Technik. Besonders die Fernseh- und Tontechnik. Auf diesem Feld würde ich mich als „Unmittelbarkeitsforscher“ ver­stehen. Gemeinsam mit meinem Bruder tüftle ich seit Jahren daran, welche technischen Mittel nötig sind, um eine Oper möglichst ­direkt abzubilden. Ich liebe es, mich mit Kameras, Licht- und Regie­ konzepten für den Film auseinanderzusetzen. Angefangen hat alles mit meiner Fußballleidenschaft. ­ Ich war als Sänger eifersüchtig darauf, mit welchem Aufwand ein Champions-League-Spiel auf­ gezeichnet wird: Unendlich viele Kameras, natürlich technisch auf dem letzten Stand, Perspektiven, die man im Stadion nie hat. Und ich wollte das auch für die Oper! Aus diesem Hobby haben sich inzwischen mehrere Projekte entwickelt. So haben wir vor Jahren einen Bajazzo-Film aufgenommen, der damals alle Möglichkeiten des Filmes gesprengt hat: Wir haben Steadicams benutzt, neue Perspektiven für das Publikum erforscht und all das auf DVD herausgegeben. Damals wurde ich für meinen Spleen belächelt. Umso mehr freut es mich, dass diese Pionierarbeit inzwischen Schule gemacht hat.

Sowohl bei den Kinoübertragungen aus der Met als auch bei anderen TV-Übertragungen werden Film­ regisseure immer mutiger und begreifen das, was wir damals erforscht haben, längst als Selbstverständlichkeit. Aber mein Forschungsdrang ist ungestillt. Derzeit tüftle ich an neuen Möglichkeiten für die Stimm­ aufzeichnung. Ich frage mich, warum Popstars für ihre Alben zum Teil fünf Jahre in ein Studio gehen, um den perfekten Klang zu finden – und warum wir in der Klassik daran kein Interesse haben. Gerade wenn ich Crossover-Dinge mache, sitze ich oft nächtelang im Studio, um die Wirkung eines jeden Details zu erforschen und am Ende den perfekten Klang zu finden. In allem geht es mir darum, den Eindruck größtmöglicher Nähe zu schaffen, eine Unmittelbarkeit für den virtuellen ­Zuhörer und Zuschauer. Wie gesagt, ich bin ein hoffnungsloser Unmittel barkeitsforscher. Der Tenor Roberto Alagna ist mit zentralen Partien seines Stimmfaches wie Radamès (Aida), Canio (Pagliacci), Manrico (Il trovatore), Don José ­(Carmen), Pinkerton (Madama Butterfly), Nemo­ rino (L’elisir d’amore) sowie den Titelrollen in Don ­Carlo, Faust und Werther regelmäßig Gast an den großen Opernbühnen der Welt – in Mailand wie in London, in New York, in Paris, in München und in Wien. Bei den Münchner Opernfestspielen gibt er in der ­Neu­produktion von ­Fromental Halévys Grand ­Opéra La ­Juive sein ­Rollendebüt als Éléazar.


Als Fußballspieler weiß man, dass irgendwann Schluss ist mit Fußballspielen. Dann muss etwas Neues kommen. Darauf will ich vorbereitet sein, und deswegen habe ich schon vor einiger Zeit begonnen, mir Gedanken darüber zu machen, sozusagen nachzuforschen, was das sein könnte. Ein Gebiet, von dem ich mir vorstellen kann, dass ich Spaß daran hätte, ist das Unternehmertum. Da gibt es Chancen und Risiken, man muss etwas wagen, und die richtigen Entscheidungen im richtigen Moment treffen, um erfolgreich zu sein, wie beim Fußball auch. Und genau wie man nicht zum Fußballprofi geboren wird, sondern jahrelang trainieren muss, wird man auch nicht von heute auf morgen zum Unternehmer. Also habe ich nach einem Anknüpfungspunkt gesucht: Worin kenne ich mich aus? Wo bringe ich Vorkenntnisse mit? Wenn ich von mir in einem Bereich behaupten kann, kompetent zu sein, dann ist es der Sport. Und dazu gehört nicht nur das Fußballfachwissen, dazu gehören auch die Themen Gesundheit, Pflege und der bewusste Umgang mit dem eigenen Körper. Da lag es nahe, mich in der Gesundheitsbranche umzuschauen und dort nach

einer Firma zu suchen, bei der ich mich als Investor engagieren kann. Ein bayerisches Traditionsunternehmen, das Körperpflegeprodukte aus Alpenkräutern herstellt, fand ich dafür sehr geeignet. Denn ich wollte mich nicht nur finanziell beteiligen, sondern in der Firma auch unternehmerische Prozesse kennenlernen und aktiv mitentscheiden. Das konnte ich mir bei dem Thema gut vorstellen. So habe ich mich gründlich informiert, Gespräche mit der Geschäftsführung und dem Gesellschafter geführt. Am wichtigsten für meine Entscheidung war aber der erste Besuch in der Produktion, dem Herzstück des Unternehmens. Ich habe mich in Schutzkleidung mit Schuhüberziehern, Haube und Kittel und mit einer fast schon kindlichen Neugierde und Begeisterung auf Entdeckerreise begeben. Im gesamten Werk duftet es nach den verschiedenen Essenzen und ätherischen Ölen, von Citrus über Lavendel und Latschenkiefer bis Rosmarin. In unzählige Kanister, Fässer und Schüsseln habe ich buchstäblich meine Nase gesteckt, ich habe verfolgt, wie die einzelnen Flaschen abgefüllt, etikettiert und verpackt werden, und die verschie-


denen Konsistenzen der Balsame, Lotionen und Öle auf der Haut getestet. Das war ein Gefühl wie früher bei der Sendung mit der Maus: Staunen über die Präzision der Maschinen, Bewunderung für die sicheren Handgriffe der Mitarbeiter und die Faszination, was aus unscheinbaren Rohstoffen alles werden kann. Inzwischen bin ich seit über einem Jahr Gesellschafter dieser Firma. Ich erarbeite mir die Zusammenhänge Stück für

Stück, erkenne Parallelen und Unterschiede zu Vereinsstrukturen und Mannschaftsführung. Und habe viel Spaß dabei, das neue und komplexe Gebiet des Unternehmertums immer tiefergehender zu erforschen.

Wie kam der Mensch zum Hund? Die Frage ist offenbar falsch gestellt. Nicht der Mensch kam zum Hund, lehrt mich die neuere Canidenforschung, der Wolf kam zum Menschen und machte sich dadurch zum Hund. Als Kind habe ich es noch anders gelernt. Ich erinnere mich an ein bei der Sparkasse erhältliches Sammelalbum Anfang der 1970er Jahre, in das ich das Bild einer Zeichnung einzukleben hatte, auf der zu sehen war, wie Steinzeitkinder Wolfswelpen entführten, um sie zu zähmen. Das geschah irgendwann zwischen dem Aussterben der Dinosaurier und dem Bau der Pyramiden. Heute

weiß ich: Wie das meiste, was man mir als Kind beizubringen versuchte, war das grundfalsch. Allem Anschein nach hat sich der Wolf ganz von allein gezähmt. „Hund“ ist lediglich ein anderes Wort für einen Wolf, der mit Blick auf einen Fressvorteil seine Menschenscheu überwindet. Gelegentlich müssen Hunde offenbar daran denken, welchen Preis sie dafür zu zahlen hatten. Jack London nannte das den „Call of the Wild“. Manchmal sind Beleidigungen vielsagender als Elogen. „Three cheers for the dogs!“ brachte etwa Lord Curzon, Präsident der britischen Royal Geographical Society,

Philipp Lahm gehört zu den weltweit bekanntesten Fußballspielern, spätestens seit er 2014 mit der deutschen Nationalmannschaft als deren Kapitän Weltmeister wurde. Mit dem FC Bayern München gewann er zahlreiche Titel, darunter sieben Meistertitel und 2013 die Champions League. Die Fußballöffentlichkeit diskutiert seit Jahren ­hitzig darüber, ob Lahm als rechter oder ­linker Außenverteidiger oder als defensiver Mittelfeldspieler am besten ist.


solche Situationen gewohnt, er legte sich brav neben unser Tischchen und schlummerte wie das Publikum unter dem Anschein konzentrierten Zuhörens vor sich hin, während wir darüber sprachen, wie Händels Musik die Charaktereigenschaften von Nachtigall und Turteltaube, Tiger und Elefant aufscheinen lässt. So ging das fünf Viertelstunden lang. Als aber die Löwenarie erklang, legte mein Hund zum ersten Mal in seinem Leben anmutig den Kopf in den Nacken und jaulte vor 500 Leuten begeistert mit. Seither weiß ich, was eine Rampensau ist.

Für ein künstlerisches Projekt arbeite ich gerade zum ersten Mal mit Glas. Dazu forsche ich mit verschiedenen Glasstärken, Oberflächen und Farben. Physikalisch betrachtet ist Glas eine unterkühlte Flüssigkeit, die aus einer glühenden Schmelze heraus plötzlich erstarrt ist. Bei Raumtemperatur

fest, ist Glas bei mehreren 100 Grad Celsius formbar und schmilzt zwischen etwa 1.100 und 1.650 Grad Celsius, je nach Zusammensetzung. Hergestellt wird Glas aus natürlichen und naturidentischen anorganischen Stoffen. Zur Produktion von Flachglas kommen im Wesentlichen sechs natürliche

Denis Scheck ist Literaturkritiker und Moderator ­ der Literatursendungen Druckfrisch (ARD) und ­Lesenswert (SWR). 2015 erhielt er den Julius­­­­ Campe-Preis für Literaturkritik. In seinem aktuellen Buch Solons Vermächtnis (zusammen mit Eva Gritzmann) geht es um den jeweils richtigen ­Zeitpunkt im ­Leben.

Foto Günter Schwiering

dünnlippig als Trinkspruch auf den Norweger Roald Amundsen aus, als sich der erste Mensch am Südpol 1912 zu Gast in London aufhielt. Damals waren die Leichen von Robert Falcon Scott und seinen Begleitern noch nicht geborgen. Amundsen nahm den Toast übel – kein Wunder, hatte er während des Wettlaufs zum Pol doch die Hälfte seiner Hunde töten und an den Rest der Meute verfüttern lassen. Mein Hund sang einmal mit Donna Leon auf der Bühne der Kölner Musikhochschule. Es war nicht meine Idee. Donna Leon hatte ein Bändchen über die Rolle von Tieren in Händel-Arien geschrieben und bestand darauf, dass uns Stubbs, mein Jack-Russell-Terrier, auf die Bühne begleitete. Stubbs ist


Foto Fabian Frinzel

Foto Ayzit Bostan

Rohstoffe zum Einsatz: Quarzsand, Soda, Kalk sowie geringe Anteile an Dolomit, Feldspat und Pottasche. Glas kann in fast unbegrenzte Farbskalen gefärbt werden, zum Beispiel durch Zugabe von Eisenoxid, Kupfer oder Metalloxide. Obwohl es viele verschiedene Techniken und Möglichkeiten gibt, versuche ich der Frage nach­ zugehen, was zu mir passt und worauf ich Lust habe. Dabei habe ich mich für eine reduzierte Umsetzung entschieden. Mehr möchte und kann ich zu diesem Zeitpunkt aber nicht ­ver­raten.

Die Modedesignerin und Künstlerin Ayzit Bostan entwirft in ihrem M ­ ünchner Atelier auch Schmuck und entwickelt Kollaborationsprojekte mit Künstlern wie Martin Fengel und Florian Süssmayr. Neue Kollektionen und Entwürfe präsentiert sie oft als Videoarbeiten. An der Kunsthochschule ­Kassel lehrt sie als Professorin im Bereich Design textiler Produkte.

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(T)Raumvermesser In jedem Bühnenbild liegt eine Gegenwelt mit eigenen Raum- und Zeitkoordinaten. Innen und Außen, Eigenes und Fremdes: g ­ etrennt durch Mauern und doch ineinander übergehend? Ein Gespräch über Bühnen- und Realitätsräume mit zwei Meisterinnen ihres Fachs: den Bühnen­ bildnerinnen Anna Viebrock und Rebecca Ringst. 32

Festspielpremieren La Juive, Les Indes galantes


English Excerpt Page 222

Rebecca Ringst



Leben besteht im Verbrauchen von Träumen. Wenn alle Träume verbraucht sind, dann sterben wir. Das ist die Angst, in der wir leben. Kein unbekanntes Land mehr um und in uns, wozu existieren wir dann noch? Um weiterleben zu können also brauchen wir jene Art Traum, der sich der schnellen Erfüllung entzieht, jene Terra incognita, die wir niemals wirklich besitzen. Wir stehen da wie Kafkas Landvermesser: Akteure wider Willen in einer nicht aufzuhellenden Geschichte. Letzte Rettung liegt in der Erfindungskraft – einer Gegenwelt mit eigenen Raum-Zeit-Koordinaten. Dies gilt auch für jenes Bühnenbild, das den geistigen Anstoß für eine Inszenierung gibt und das sich damit den Raum – und nicht nur den der Bühne, sondern auch den geschicht­ lichen – erobert. Darum soll es gehen beim Treffen mit den Bühnenbildnerinnen Anna Viebrock und Rebecca Ringst. Anna Viebrock entwirft die Bühne für Jean-Philippe Rameaus Les Indes galantes in der Regie von Sidi Larbi Cherkaoui, Rebecca Ringst arbeitet für Fromental Halévys La Juive („Die Jüdin“) in der Regie von Calixto Bieito. In einem Satz des Forschungsreisenden Alexander von Humboldt lässt sich die zurückliegende Staatsopernspielzeit zusammenfassen: „Was immer einem Angst macht, das muss man vermessen.“ Stimmt dieser Aufklärungsanspruch noch, der das Abenteuer der Inbesitznahme von Welt verspricht? Das Café Niesen im Berliner Prenzlauer Berg scheint bereits einen Schritt darüber hinaus. Es verweigert sich der Inbesitznahme durch nicht persönlich erscheinende Gäste. Der Versuch, telefonisch einen Tisch zu reservieren, scheitert an der simplen Tatsache, dass das Café gar kein Telefon besitzt. So sichert man sich hier nicht nur seine Autonomie, auch seinen Nimbus. Man wäre hier ziemlich erstaunt zu hören, wo die Bayerische Staatsoper einen Tisch für ein Interview reservieren will: zwischen Gartenbänken draußen und einer Art – allerdings charmant gruppierter – Altmöbelsammelstelle drinnen mit Kinderspielecke. Das Café Niesen liegt im einstigen Sperrgebiet Schwedter Straße nahe dem Mauerstreifen zwischen Ost und West. Wer hier bis 1989 wohnte, brauchte einen Passierschein, um in seine Wohnung zu kommen. Heute stehen an dieser Stelle Stühle in der Sonne, man trinkt Kaffee, von Mauer keine Spur. Aber sie gespenstert noch, wie alles, was einmal die Geschichte prägte, nicht spurlos verschwindet. Dies ist das Lieblingscafé von Rebecca Ringst? Ja, sie wohnt gleich um die Ecke. Außerdem mag sie den Nachklang des Grenzgängerischen hier. Auch Anna Viebrock kennt den Osten Berlins seit langem, dies Café jedoch ist ihr neu. Ihr Blick schweift kurz durch den Raum, man sieht förmlich, wie sie ihn auf seinen Realitätsgrad hin taxiert.

Anna Viebrock schätzt die ­skeptische Klarheit Rameaus: keine Helden und keine Götter! An eines glaube sie gar nicht, und das seien unschuldige ­Zustände. Gleich am Anfang kommen bei Rameau doch schon die Soldaten!

Anna Viebrock fotografiert von Heidi Specker

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Anna Viebrock mag die gefaketen Räume, sie selbst ist eine Virtuosin darin, sie zu erschaffen. Und zwar so, dass sie einem ein schwer aufklärbares Unwohlsein bereiten. Die Bühnenräume, die sie für Christoph Marthaler entwirft, sind doch alle irgendwie – Wartesäle, in denen man vergisst, worauf eigentlich man wartet. Der professionelle Kontrollblick wandert über den wie in endlosen Wochenendworkshops auf seinen rohen Holzkern zurückgeschmirgelt wirkenden Tisch und verrät dabei nicht, zu welchem Befund sie kommt. Während Anna Viebrock, längst eine Legende, offenbar das Pokerface verinnerlicht hat, das die Aura jeder Marthaler-Inszenierung ausmacht, dieses Aus-den-Augenwinkeln-Registrieren: Wo sind wir hier eigentlich, und wo lauert die Gefahr?, hat Rebecca Ringst etwas jugendlich Helles an sich, das eher an Sommernachmittage am Meer denken lässt als an Calixto Bieitos düster-gewalttätige Inszenierungen, denen sie fast allen eine Bühne baut. Das Spiel mit Gegensätzen – auch dem von Hell und Dunkel – resultiert für sie auch aus gegenwärtig gebliebenen Kindheitserfahrungen. Was Anna Viebrock über die Innenräume mehr andeutet als erklärt, registriert Rebecca Ringst darum mit gespannter Aufmerksamkeit. Sie selbst, sagt sie, sei von Innenräumen per se traumatisiert. Als Kind wuchs sie in Spanien auf – war immer draußen, lebte quasi unter freiem Himmel. Dann kam das Mädchen nach Berlin – ein Schock, fast nur noch drinnen sein zu müssen, weil die Großstadt so gefährlich sei, wie die übervorsichtigen Eltern meinten. Da habe sie begonnen, lesend Reisen im Kopf zu unternehmen. Aber immer wenn sie Zeit habe, fahre sie vor allem nach Norwegen, um diese gewaltige Weite der Natur und das besondere Licht zu erleben. Es gibt Bühnenbildner, die erzeugen das Gefühl von Klaustrophobie, indem sie die Wände und Decken eng zusammenziehen und so eine Art Bunker auf die Bühne stellen. Anna Viebrock jedoch schafft es, inmitten scheinbarer Weite auf der Bühne solcherart Atmosphäre von Beengung zu erzeugen, bis einen die Erkenntnis trifft: Ich stecke fest im falschen Leben, und das für dessen ganzen noch verbleibenden Rest! Viebrocks Räume verführen dazu, den großen wie kleinen Katastrophen des Lebens mit artistischem Übermut – einem distanzierten Lächeln vor allem – entgegenzutreten. Es sind immer irgendwie beschädigte Räume, die zu den Menschen passen, die sie bewohnen. In Murx den Europäer Anfang der 1990er Jahre an der Berliner Volksbühne schuf sie den Prototyp dieser Begegnung von zwei Lädierten: Mensch trifft Raum – und es ist keine Liebe aus dieser Begegnung erwachsen, sondern eine komplizierte Verstrickung. Mit Marthaler hat sie sich 2011 auch dem Thema der Forschungsreisenden zugewandt: Subpolares Basislager hieß die Volksbühneninszenierung. Wir sahen Polarfor-

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scher beim umständlichen Anziehen ihrer dicken Schut­z­ anzüge gegen die Kälte draußen. Nach einer Stunde ungefähr schienen sie endlich soweit loszugehen: Aber bis ins Freie kamen sie nie. Viebrocks Raum sah die Polarwüste draußen gar nicht vor. Da führte keine Tür hin. Sind es denn immer Innenräume, die sie baut? Nein, nicht immer. Marthaler war kürzlich durchaus überrascht über ihre Bühne zu Hallelujah (Ein Reservat), wieder an Castorfs Volksbühne. Ein Freizeitpark, der eine Zone markiert, in der die optimaler Verwertung zugeführte Sinnlosigkeit terroristische Züge annimmt. Das war ein offener Raum, mit Seufzerbrückenduplikat und Überresten der Konsumgesellschaft. Aber ob drinnen oder draußen, die Zeit streckt sich, und wenn Anna Viebrock etwas perfek­ tioniert hat in den langen Jahren mit Marthaler, dann dass sie die Räume vor unseren Augen altern lässt, bis sie sich selbst in keiner Weise mehr ähnlich sehen. Rebecca Ringst wird für La Juive, die 1835 entstandene Oper von Halévy, eine große Mauer auf die Bühne stellen. Dunkel drohend und mit beweglichen Elementen, die man einzeln vor- und zurückklappen kann. Sonst nur leere Fläche, bis auf den Käfig, in dem das die Taufe verweigernde jüdische Mädchen schließlich verbrannt wird. Die Handlung ist auf das Jahr 1414 datiert, in Konstanz feiert man den Sieg über die Hussiten. Der Jude Éléazar und seine Tochter Rachel werden als dabei störende Elemente verfolgt. Am Ende stellt sich heraus, dass Rachel gar nicht jüdisch ist, sondern die Tochter des die Anklage führenden Kardinals, der so sein eigenes Kind verbrennen lässt. ­Ursprünglich stand bei Halévy am Ende ein Bottich mit siedendem Wasser, in das Rachel geworfen wurde – eine bestialische Zwangstaufe. Regisseur Bieito entschied sich jedoch anders: für das Feuer als Vernichtungssymbol. Anna Viebrock kennt die Oper, sie sei in der ursprünglichen Fassung unhandlich lang, einer dieser typisch verklausulierten 19.-Jahrhundert-Stoffe. Es klingt ganz so, als stünde ihr der klare Aufklärer- und Entdeckergestus von Rameau, hundert Jahre zuvor, näher. Gewiss, entgegnet Rebecca Ringst, was aber davon dennoch bis heute bleibt, sei die Absurdität von Handlungen, die ideologisch begründet sind. Die Mauer, die Rebecca Ringst so dominant auf die Bühne stellen wird, ist zweifellos ein Stein des Anstoßes. Wo wüsste man das besser als in einem Café, das in einem früheren Grenzstreifen liegt. Hier stand die Berliner Mauer, einst ein übermächtiges Symbol der Trennung. Doch wenn es um die Geschichte geht, das wissen die beiden Bühnenbilderinnen ebenfalls, dann sind Mauern etwas überaus Ambivalentes. Gefängnisse hatten Mauern, aber freie Städte auch. Rebecca Ringst wiegt nachdenklich den Kopf, gesteht der Mauer, auch der eigenen in München, zu, dass man ihr jederzeit ansieht, was für ein monströser Sperrriegel sie ist. Es gibt ein Davor und ein Dahinter, Vermischung

Rebecca Ringst fotografiert von Kirchknopf + Grambow


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Es ist Rebecca Ringsts Mauer für La Juive jederzeit anzusehen, was für ein monströser Sperr­ riegel sie ist. Man kann gar nicht anders, als dabei auch an die „Festung Europa“ zu denken. Fremdes provoziert das Eigene. Aber wer will in dieser komplexen und vernetzten Welt noch sagen, was dieses Eigene und was das Fremde ist?

Text Gunnar Decker

findet nicht statt. Man kann gar nicht anders, als dabei auch an die „Festung Europa“ zu denken. Fremdes provoziert das Eigene. Aber wer will in unserer komplexen und vernetzten Welt noch sagen, was dieses Eigene und was das Fremde ist? Liegt es denn exotisch zu unseren Füßen, wie noch den Eroberern des 18. und 19. Jahrhunderts – oder tragen wir es längst schon in uns, als das an uns, was wir nicht verstehen, was uns unheimlich bleibt? Es ist paradox, darin sind sich Anna Viebrock und Rebecca Ringst einig. Und vor allem, meint Rebecca Ringst, sei eine massive Mauer aus Stein eine simpel berechen­ bare Größe, dagegen gibt es heute unzählige Transformationsarten von Mauern. Man nehme bloß einen dieser Beton-Glas-Paläste, den sich die Banken bauen. Welche zur Schau gestellte Pseudotransparenz sei das, die zwar hell, licht und freundlich aussieht, aber trotzdem im Innern undurchdringlich bleibt. Wie kommen Innen und Außen sinnvoll zusammen? Rebecca Ringst erinnert sich an ein Wort aus der Biologie: Osmose. Das ist Diffusion durch eine halbdurchlässige Membran. So regelt die Pflanzenzelle den Turgor, den Zellinnendruck. Ein Austausch zwischen Innen und Außen, zwecks Wasseraufnahme, findet dabei statt, und das auf geregelte Weise. Ein Modell, das man auf die Kultur übertragen könnte? Anna Viebrock arbeitet für Rameaus Les Indes galantes zum ersten Mal mit dem belgischen Regisseur und Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui zusammen. Das Barockopernballett hat einen merkwürdigen, nicht wirklich ins Deutsche übertragbaren Titel. Früher hat man es mit „Die ritterlichen Inder“ versucht, aber was soll man sich dabei denken? Anna Viebrock schätzt die skeptische Klarheit Rameaus: keine Helden und keine Götter! Auf die Frage, was für Inder das denn sein sollen, die sich in den vier Reisebildern zwischen Peru und Amerika ritterlich geben, lächelt die Bühnenbildnerin ihr hintersinniges Anna-Viebrock-Lächeln, ihre Brillengläser blitzen und scheinen spöttisch zu sagen, junger Mensch, Sie wissen wenig von der Welt! Damals im 18. Jahrhundert, erklärt sie, unterschied man nicht ­zwischen Indern und Indianern, das waren dem Eroberer-Blick eben alles Wilde. Die Oper ist im Zuge der langsamen, aber stetigen Neuentdeckung von Rameaus Werk in Paris mit viel Inka-Goldglanz ausgestattet worden, in Bordeaux und auch in Nürnberg hat man sich für weit ausgreifende Erzähl­ bögen entschieden. Am Beginn standen dort Paradies­ szenen, deren unbekümmerte Nacktheit man heute noch am ehesten in der Freikörperkultur vermuten würde. Ist das der Naturzustand, die Unschuld, die im Fortgang der Zivilisation verloren ging? An eines glaube sie gar nicht, sagt Anna Viebrock mit Entschiedenheit, und das seien unschuldige Zustände. Gleich am Anfang kommen bei ­Rameau doch schon die Soldaten!

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Wo wird sie denn die Reise durch alle Weltgegenden und Zeiten, diese grandiose Verfallsgeschichte, die Rameau fast im Stile Rousseaus erzählt, spielen lassen? Natürlich in einem einzigen eher engen Raum, halb Klassenzimmer, halb Kirche oder irgendwas. Mit einer Mauer drum herum und oben drauf Stacheldraht. Das Fremde bricht über uns herein, oder es schießt als unverstandenes Phänomen an uns vorbei – und wir sitzen da wie in einer Schulstunde des Realismus der anderen Art. Um uns türmt sich Schutt, aber es lagert sich auch etwas Wertvolles ab bei diesem großen Fließen. Um dieses Sedimentieren geht es schließlich in der Geschichte, erklärt Anna Viebrock, um das, was langsam die Konturen des Bestehenden verändert. Wie habe ihr einmal ein befreundeter Dirigent gesagt: Ein Raum ist immer so gut wie die Musik, die darin gespielt wurde. Bei Marthaler gehen die Räume regelmäßig kaputt, irgendwann beginnt es von der Decke zu rieseln, und wenig später fällt das um, was man eben noch als tragende Säule zu loben bereit war. Ob die vermeintlichen Gewissheiten, die Mauern und Fundamente, sich auch bei Sidi Larbi Cherkaoui und Calixto Bieito als einsturzgefährdet erweisen werden, wird sich zeigen. Anna Viebrock, ganz alte Schule, zeichnet und baut per Hand Modelle, Rebecca Ringst erarbeitet den Raum am Computer. Aber entscheidend sei dann doch die Musik, die den Raum verwandelt. Das sei ein Prozess, sagt Rebecca Ringst, von dem man vorher nie weiß, was er mit einem macht. Doch wie ist es denn nun mit dem Innen und dem Außen, den offenen und den geschlossenen Räumen? Anna Viebrock erinnert – ihre eigene Arbeit ins widersprüch­ liche Bild bringend – an Sartres Geschlossene Gesellschaft. Man blickt von einem Zustand, dem der Toten, zurück auf das Leben der anderen, ohne sich ihnen noch verständlich machen zu können. Wenn das keine Strafe ist – allerdings eine mit Lustmomenten, findet sie, und ihre Brillengläser blitzen wieder so marthalerhaft.

Gunnar Decker lebt als Autor und Redakteur der Zeitschrift ­ heater der Zeit in Berlin. Er verfasste zahlreiche Biografien, T u.a. zu Gottfried Benn und Hermann Hesse. Seine neueste ­erscheint im September 2016: Franz von Assisi. Der Traum vom einfachen Leben.

Rebecca Ringst, geboren in Berlin, studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden. Seit 2006 verbindet sie eine ­regelmäßige Zusammenarbeit mit Calixto Bieito. Sie entwarf ­Bühnenbilder u.a. für die Komische Oper Berlin, die English ­National Opera, die Oper Zürich, die Oper Stuttgart, die Semper­ oper Dresden, das Staatstheater Nürnberg, die Vlaamse Opera, das Opera Teatro Argentina, die Den Norske Opera Oslo, außerdem für das Residenztheater in München, das Deutsche Theater Berlin und das ­Goodman ­Theatre Chicago. Sie ist zudem regelmäßig für die Regisseurinnen Andrea Moses, Elisabeth Stöppler und für den Regisseur Barrie Kosky tätig. Für ihr Bühnenbild in Stefan ­Herheims Inszenierung von Der Rosenkavalier wurde sie 2010 als Bühnenbildnerin des Jahres ausgezeichnet. An der Bayerischen Staatsoper schuf sie ­bereits die Bühnenbilder für Fidelio und Boris Godunow (beide in der Regie von Calixto Bieito) sowie – zu Beginn dieser Spielzeit – für Der feurige Engel (Regie: Barrie Kosky).

Anna Viebrock hat an der Bayerischen Staatsoper bereits die Bühne für Giovanni Simone Mayrs Medea in Corinto geschaffen. Nach ihrem Bühnenbildstudium verwirklichte sie am ­Schauspiel Frankfurt erste eigene Arbeiten mit dem Regisseur Hans ­Neuenfels. Ihre enge Zusammenarbeit mit dem Regisseur ­Christoph Marthaler reicht bis in die 1980er Jahre zurück und führte sie u.a. an das Theater Basel, die Volksbühne Berlin, das Schauspielhaus Hamburg, die Oper Frankfurt, die Opéra de ­Paris, das Teatro Real Madrid, die Salzburger und die Bayreuther ­Fest­spiele, die Wiener Festwochen, das Festival d’Avignon und das Schauspielhaus Zürich, dessen künstlerischem Leitungsteam sie von 2000 bis 2004 angehörte. Ebenso regelmäßig erarbeitet sie seit mehr als zwei Jahrzehnten Operninszenierungen mit dem ­Regieteam Jossi Wieler/Sergio Morabito. Seit 2002 führt Anna Viebrock auch Regie und kreierte im eigenen Bühnenbild Musiktheaterinszenierungen u.a. in Basel, in Paris, Hannover, bei der Münchener Biennale und den Schwetzinger Festspielen. Bereits vierzehn Mal wurden ihr die Titel „Bühnenbildnerin des Jahres“ und „Kostümbildnerin des Jahres“ verliehen. Zur Zeit ist sie ­Professorin für Bühnengestaltung an der Akademie der Bildenden Künste Wien.

La Juive Oper in fünf Akten Von Fromental Halévy Premiere am Sonntag, 26. Juni 2016, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im Internet auf www.staatsoper.de/tv Les Indes galantes Opéra-ballet in vier Aufzügen und einem Prolog Von Jean-Philippe Rameau Premiere am Sonntag, 24. Juli 2016, Prinzregententheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im Internet auf www.staatsoper.de/tv

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Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


Heute ist der beste Tag, das Leben und die Liebe zu geniessen.

Die neue Kollektion "Ein Tag am Meer" erhalten Sie bei Carl Glück Uhren & Schmuck, Maffeistraße 4 in München. Um Ihre Erinnerungen ein Leben lang in Gold festzuhalten, kontaktieren Sie Ihre Wellendorff-Expertin unter Tel. 089 – 22 62 87 oder info@carl-glueck.de.


„Noch heute erzielt allein der Titel der Oper seine Wirkung“ Zum ersten Mal seit 1931 ist die Grand Opéra La Juive wieder in München zu sehen. Im Interview spricht Dirigent Bertrand de Billy über ihre komplexe Geschichte und ihre berührendsten Momente.

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Festspielpremiere La Juive


MAX JOSEPH Bertrand de Billy, glauben Sie, dass man die Grand Opéra La Juive heute nach denselben Kriterien be­urteilen kann wie zur Zeit ihrer Entstehung? BERTRAND DE BILLY Natürlich nicht, das kann man bei keinem Werk – aber nur wenige, wie eben dieses, setzen ­voraus, dass man sie zunächst einmal genau in ihrem historischen Entstehungskontext betrachtet. Dies wäre auch der Fall für Les ­Huguenots von Giacomo Meyerbeer aus dem ­Jahre 1836, und im selben Genre der Grand Opéra gilt dies natürlich auch für La Juive, die ein Jahr zuvor uraufgeführt wurde.

MJ Goa gehörte damals zum Königreich Portugal. BDB Ja, und die portugiesische Inquisition war noch viel brutaler als die spanische, soweit das überhaupt möglich war. Sie ließ Juden wie auch Protestanten keine Wahl: Sie mussten konvertieren oder wurden getötet. Die Wahl der Opernhandlung erinnert an die Gewalt, die Juden gegenüber ausgeübt wurde. Die erste Ortswahl wäre allerdings kohärenter gewesen, erlaubte man sich doch letztlich im Libretto gewisse Freiheiten im Umgang mit der Geschichte: Auf dem Konstanzer Konzil w ­ urden keine Juden verfolgt. Außerdem sollte die Oper ursprünglich ein gutes Ende nehmen: Rachel wird dank eines kaiserlichen Ediktes „befreit“.

MJ Es ist die Zeit der Monarchie unter König Louis-Philippe I. BDB Ja, und die Erinnerung an die frühere Verfolgung der ­Juden ist zu dieser Zeit noch immer lebendig, obwohl seit 1791 den Juden in Frankreich die Bürgerrechte eingeräumt wurden. Außerdem sollte daran erinnert werden, dass ­Na­poleon 1807 das französische Judentum mithilfe der Einberufung des Großen Sanhedrin und des Konsistoriums als staatlich an­ erkannte Religion organisierte, auch wenn einige R ­ eformen bald wieder rückgängig gemacht wurden. Als die Oper erstmals aufgeführt wurde, war der gesellschaftliche Status der Juden in Frankreich auf jeden Fall erheblich besser als im Rest Europas. Es ist bekannt, dass sich die Juden im ­Frankreich der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts – trotz ihrer Emanzipierung seit der Revolution – oft dafür entschieden haben, ihren Namen zu wechseln, so wie auch die Familie Lévy, die sich fortan Halévy nannte. Die Familie bekannte sich zu den Reformationsbestrebungen der damaligen Zeit, der Zeitgeist war liberal, gemischte Ehen wurden geschlossen; diese Aufgeschlossenheit wurde von einem sozialen und kulturellen Umfeld im Geiste der Aufklärung gefördert. Außerdem deutet nichts darauf hin, dass Fromental Halévy besonders gläubig war. Und wenn es stimmt, dass er, als er zu einer ­Pessachfeier nach Rom eingeladen wurde, zum ­allerersten Mal mit diesen Bräuchen in Berührung kam, so ­dürfte diese persönliche Erinnerung wohl auch mit in sein Werk eingeflossen sein; und zwar in den Moment der Feier im 2. Akt, als der Reichsfürst Léopold – ein Christ, der sich als Jude a ­ usgibt – das ungesäuerte Brot fallen lässt. MJ Der Komponist und sein Librettist wählen also nicht nur eine Genreform, sondern treffen damit auch eine politische Wahl? BDB Nicht nur die Schöpfer, auch die Institution Opéra an sich. Die Handlung sollte zunächst nicht in Konstanz zur Zeit des Konzils spielen, sondern in Goa, im Indien der Inquisition – wobei man erwähnen muss, dass es dazu nur eine einzige Quelle gibt, die halbwegs gesichert ist. Auf dem Konzil triumphierte die römisch-katholische Kirche, sie stellte die Häresie unter Strafe – aber nicht die der Juden, wie in Halévys Oper dargestellt, sondern die der Reformatoren.

MJ Warum wurde dies Ihrer Meinung nach geändert, und inwiefern hatte es mit der damaligen Zeit zu tun? BDB In ästhetischer Hinsicht bemühte man sich zu dieser Zeit, unter anderem mithilfe der Behörden, das Mittelalter wieder in Mode zu bringen, was höchstwahrscheinlich nicht ausschließlich in harmloser Absicht geschah. Es stellt sich also die Frage: Welche Ideen sollen mit dieser starken Bezugnahme auf das Mittelalter vermittelt werden, und dies noch dazu in Form einer Oper? MJ Goa anstelle des Konstanzer Konzils, welche Auswirkungen hätte diese Wahl gehabt? BDB Darüber lässt sich schwer spekulieren, aber Goa wäre auch vielleicht ein eher zu exotischer Spielort gewesen. MJ Welche musikalischen Einflüsse übte Halévys Werk aus? BDB La Juive hat bereits unmittelbar nach seiner Entstehung enormen Einfluss ausgeübt. Auch Verdi kannte das Werk ­natürlich, als er in Paris seinen Don Carlos komponierte – ein Sujet das nicht so weit von La Juive entfernt ist, wie man zuerst annehmen möchte. Das Werk war doch sofort sehr erfolgreich und wurde in knapp 20 Sprachen übersetzt. Sogar auch auf Jiddisch wurde es in New York veröffentlicht und auf Russisch für Vorstellungen in mehreren Städten Russlands bis 1941 … und natürlich auch auf Italienisch! Viele große Komponisten haben dem Werk gehuldigt, von Rossini über Berlioz und ­Mahler bis hin zu Wagner, der ja zugleich nicht gerade zim­ ­ perlich mit Meyerbeer umgegangen ist. Wagners ­Wertschätzung war höchstwahrscheinlich auch von Eigen­ interesse geprägt, hatte Halévy ihn doch mit einer ver­ einfachten F ­ assung für Gesang und Klavier seiner Oper La ­Reine de C ­ hypre beauftragt. Allerdings glaube ich auch, dass Wagner einen Komponisten, der in dieser Form etwas Neues geschaffen ­hatte, einfach bewundern musste: jemand, der nach den Weiterentwicklungen von Christoph Willibald Gluck und Niccolò ­Piccinni die Konventionen der italienischen Oper ­hinter sich ließ, der s ­ einen Figuren und nicht mehr nur der

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Handlung dramatische Größe verlieh, kurzum jemand, der Handlung, Musik und Text auf einem gleichwertig hohen Niveau zusammenführte. Das Traumhafte des mittelalterlichen Handlungsrahmens, ein b ­ ewusst gewähltes politisch-religiöses Thema, das vielschichtige Libretto – all dies war neu, und Wagners Wertschätzung für La Juive hielt ja nachweislich bis zum Ende seines Lebens an. MJ Das Leben der jüdischen Gemeinschaft in Frankreich verlief ja damals recht friedlich. Warum also die Wahl eines solchen Themas? BDB Wie schon gesagt: Die Hinwendung zum Mittelalter spielt eine gewichtige Rolle. Vielleicht handelt es sich um eine Aufforderung zu mehr Toleranz im Allgemeinen. Aber: War diese Intoleranz gegenüber den Juden 1835 wirklich verschwunden? Das darf man sehr bezweifeln. Denken Sie doch an die ­Dreyfus-Affäre – und die war erst 1894! Vielleicht sollte man auch nicht nur die positiven Kritiken der Oper, die damals ­erschienen sind, beachten … MJ … von denen es viele gab … BDB … ja, aber man muss auch – nur als ein Beispiel – die ­Kritik der Legitimistischen Partei Frankreichs sehen, die sich gegen die Republik aussprach. „Die Revolution, die überall auf dem Rückzug ist, die allerorten als die große Schuldige verfolgt wird, hat anscheinend einen Zufluchtsort gefunden: sie hat sich in die Oper geflüchtet!“, schrieb die Gazette de France am Tag nach der Uraufführung. Und einen Monat später: „Was ­bedeutet so eine Aufführung? Eine Beleidigung der Religion, anders kann man es nicht sagen!“ MJ Die Tatsache, dass La Juive als ein gelungenes Beispiel der Grand Opéra gepriesen wurde, reichte also nicht aus für eine breite Zustimmung zu dem Werk? BDB Das Werk hat sich aufgrund seiner künstlerischen ­Qualität durchgesetzt – das damals sehr gebildete Publikum hat ein Machtwort gesprochen. Dass jeder auch glücklich mit dem ­Inhalt war, sei dahingestellt … MJ Finden sich in dem Werk selbst Ansatzmöglichkeiten, wie die Oper heute aufgeführt werden kann? BDB Zuerst muss man sich bewusst machen, von welchen Voraussetzungen man damals ausging: Diese spezifische ­ Gattung der Oper hatte damals durchaus einen gewissen ­ ­didaktischen Auftrag, der aber in Form spektakulärer Aufmärsche, großer Chöre und prunkvoller Ausstattung wieder etwas unterminiert wurde. Aber man erwartete von dieser Opernform – zumindest in Paris! –, dass sie gewisse Ansprüche erfüllte, die in keinem Bezug zu Musik oder Handlung standen; so zum ­Beispiel das unvermeidliche Ballett. Hier stellt sich natürlich

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schon die erste Frage, wie wir heute damit umgehen wollen. Dazu kommt, dass der äußere Rahmen, in dem diese Aufführungen stattfanden, ein für heutige Theaterverhältnisse völlig unvorstellbarer war und die Werke entsprechend darauf ausgerichtet waren. Die Vorstellungen begannen um jeweils die gleiche Zeit und durften keinesfalls nach einer gewissen Uhrzeit enden. Der Zuschauerraum war damals hell erleuchtet (die ­Verdunkelung führte ja erst Wagner ein!) und die Anfangszeit hieß nicht, dass alle auf dem Platz saßen, sondern dass man ab diesem Zeitpunkt erschien. Man ging h ­ erum, begrüßte sich und dinierte auch. Daraus resultierte schon einmal, dass kein Komponist für den 1. Akt seine besten Einfälle „verschwendete“ – dieser wurde vor allem von pom­pösen Chören und prächt­igen Dekorationen, also visuellen ­Reizen geprägt. Auch La ­Juive beugt sich diesen äußeren Zwängen. Die Handlung ist redundant; Éléazar wird zur Sicherheit gleich zwei Mal ver­haftetet und das einzige Musikstück von er­ wähnenswertem Rang ist die Arie des Kardinals. Man kann also hier nicht nur kürzen – man muss es auch, um die ­Handlung für heutige Theater und Zuschauer einzurichten. Ab dem 2. Akt ändert sich plötzlich alles. Die Musik wird dicht, die Figuren erscheinen in ihrer ganzen Vielfalt und die dramatische Entwicklung erfolgt von da ab stringent. MJ Wie sind Sie nun konkret vorgegangen? Zuerst muss man wissen: Halévy war ein Komponist von ­großem Talent, allerdings orchestrierte er eher mittelmäßig. Seine große Begabung lag vor allem im melodischen Bereich und auch ganz besonders im Verhältnis der Melodie zur Stimme. Eine erste Entscheidung für unsere Aufführung betrifft d ­ aher gleich die Ouvertüre – sie fällt musikalisch gegenüber dem Rest der Oper drastisch ab. Ich habe zuerst nach Kürzungen und dann nach Ersatzmöglichkeiten gesucht, auch in der Partitur eines späteren Werkes, Le Juif errant (Der ewige Jude) von 1852, aber die symphonische Idee scheint einfach nicht Halévys Stärke gewesen zu sein. Es ist ja inzwischen bekannt, dass ich eigentlich fast nie Opern kürze, aber bei diesem Werk und für unsere ­Neuproduktion habe ich mich zunächst einmal entschieden, die Ouvertüre ganz wegzulassen – was übrigens bereits bei der ­Uraufführung der Fall war! Somit ist man sofort im Zentrum des Geschehens und inmitten der Gefühle. Weiterhin denke ich, dass Zuschauer des 21. Jahrhunderts hinlänglich wissen, wie leicht Menschenmassen manipuliert werden können. Wir können uns also – als weiteres Beispiel – inhaltlich und musikalisch redundante Wiederholungen eines Chores, der fanatisierte Christen zeigt, sparen. Völlig gestrichen haben wir auch das Ballett, das ausschließlich der unvermeidlichen Konvention geschuldet war und weder musikalisch noch dramatisch Sinn macht. Es ging uns also in dieser Produktion vordringlich darum, die Qualität der dramatischen Handlung in den Vord­ergrund zu stellen, und nicht um eine philologisch korrekte D ­ arstellung einer Grand Opéra, die bei unseren heutigen Bühnen und Z ­ uschauern ohnehin scheitern müsste.

Interview Brigitte Paulino-Neto


Die Abbildungen auf dieser Seite und auf Seite 42 zeigen ­Ausschnitte aus dem Aufführungsverzeichnis der Bayerischen­ Staatsoper, das alle Vorstellungen einer In­­szenierung von La Juive ­minu­tiös auflistet. Am 9. Oktober 1931 enden die Einträge: An ­diesem Datum wurde Die Jüdin – man spielte das Stück damals in deutscher Textfassung – zum letzten Mal gezeigt. Julius ­Betetto sang den ­Kardinal Brogni, Rudolf Gerlach-Rusnak den ­Leopold, ­Felicie ­Hüni-Mihacsek die Eudoxie, Adolf Fischer den ­Eleazar und Gertrud Kappel die Recha (so die Namen in der deutschen Text­ fassung). Er­sichtlich ist zudem, dass Die Jüdin am 18. April 1844 zum ersten Mal in ­München zu sehen war. Darauf folgten 172 weitere ­Vorstellungen; ­unter anderem dirigierte Karl Böhm Die Jüdin 1924 zweimal, und ­der jüdische Kammersänger Berthold Sterneck sang am 1. Dezember 1925 den Kardinal Brogni.


MJ Aber was wird aus dem Plot, so wie ihn der Komponist ­Halévy zusammen mit dem Librettisten Eugène Scribe konzipiert hat? BDB Die Geschichte bleibt natürlich erhalten und wird so nur noch deutlicher. Ab dem Moment, wo die Handlung stringent fließt und die Musik sich daraus entsprechend entwickelt, wurde so wenig wie möglich gekürzt. An dieser Stelle muss man auch erwähnen, dass es eigentlich noch einen zweiten Librettisten gab. Der für die Aufführung ursprünglich als Léopold angefragte Tenor Adolphe Nourrit, der überhaupt die Idee hatte, Éléazar vom vorgesehenen Bass in einen Tenor zu verwandeln, beriet den Komponisten, welche Wörter seiner Stimmlage – und somit der Tessitura seiner nunmehrigen Rolle – am besten ­entsprachen. Auch die berühmte Arie im 4. Akt e ­ ntstand auf seine Anregung – zwar mit Zustimmung, aber eher ohne das Zutun von Scribe. Nourrit hat insofern einen nicht unerheblichen Anteil an der endgültigen Gestalt der Oper. Dazu kommt, dass er der letzte Vertreter der alten Gesangsschule war, der die Höhe noch mit voix mixte sang. Sein Nachfolger an der Opéra und auch in der Rolle des Éléazar, Gilbert-Louis D ­ uprez, gilt gemeinhin als der „Erfinder“ des „do di petto“, das Rossini so gehasst hat. Das hat aber den Schwerpunkt der Rolle verschoben und macht natürlich für die heutige Gesangstechnik einige Kürzungen notwendig, die übrigens schon im 19. Jahrhundert üblich waren – denn ungestrichen würde das kein Sänger durchhalten. Man darf auch eine Partitur der Grand Opéra nicht mit einer Partitur Mozarts, Verdis oder Wagners vergleichen. Eher mit der Art, wie man heute mit Musicals ­umgeht. Das Werk war also, vor allem, wenn es sich um so ein erfolgreiches und viel aufgeführtes wie La Juive handelte, ein work in progress, das ständig angepasst wurde. Wenn man das Werk heute auf die Bühne bringt, reicht allerdings das am Anfang unseres Gespräches erwähnte historische Bewusstsein alleine nicht aus. Durch die schon ­er­wähnten äußeren Zwänge einer Grand-Opéra-Aufführung im 19. Jahrhundert wurde vieles an der ursprünglichen Brisanz des Stoffes relativiert. Indem man heute strafft, wird aber der ­eigentliche Inhalt wieder sehr aktuell.

die Irre. Eine falsche Jüdin, ein falscher Vater – sie ist ja die Tochter eines anderen – Léopold als falscher Jude: Es ist auch eine Oper der Lügen. Es wird viel gelogen – nur die beiden Frauen lügen nicht, und eigentlich auch nicht Brogni. MJ Welchen Platz nimmt La Juive in der Operngeschichte ein? BDB Ich glaube, man kann heute gar nicht mehr ermessen, welchen ungeheuren Einfluss dieses Werk damals ausgeübt hat. Meist sieht man es heute nur mehr als Vorläufer von Meyerbeers Les Huguenots. Sie gehören beide zum Genre der Grand Opéra. Sie haben beide religiöse Verfolgung zum ­Thema, aber ich persönlich bringe La Juive viel eher mit Don Carlos in Verbindung. Zur französischen Urfassung von Don Carlos bestehen verschiedenste Querverbindungen. Nehmen wir hier nur als ein Beispiel das (später gestrichene) Duett zwischen Elisabeth und Eboli, ein Duett, in dem die zwei ­Frauen, die eigentlich verfeindet sind, miteinander sympathisieren, da sie beide, jede auf ihre Art, Opfer desselben M ­ annes sind. Diese Szene ähnelt in ihrer Intensität dem, was 32 J ­ ahre zuvor entstanden ist, dem Duett zwischen Rachel, der Jüdin, und ­Eudoxie, der Katholikin; für mich einer der schönsten ­Momente der Oper. MJ Inwiefern? BDB Die interessantesten Momente in einer Oper sind die, in denen Schwachstellen in den Figuren zutage treten. In der erwähnten Szene in Don Carlos singen die zwei Frauen im ­Terzabstand, was an dieser Stelle eigentlich recht ungewöhnlich ist. Genauso geschieht es im 4. Akt von La Juive, wenn die Prinzessin darum bittet, mit Rachel zu sprechen, die bereits verurteilt wurde. Auch sie singen im Terzabstand, wie es eher Liebende tun würden als Rivalen, und genau darum herrscht zwischen ihnen in Wahrheit Einklang, eine große Aufrichtigkeit. Auch Halévy hatte hier wiederum ein Vorbild – ­Bellinis Norma wurde vier Jahre davor uraufgeführt. Auch hier singen zwei „Rivalinnen“ um denselben Mann in Terzen – wenn Sie so wollen: die Urmutter aller Frauen-Terz-Duette …

MJ Wie dürfen wir das verstehen? BDB Wir wissen heute leider wieder allzu gut, was Fanatismus bedeutet. Eine Aufführung von La Juive nach 1945 kann ­zunächst nicht mehr dieselbe sein wie davor. Die Schrecken des Holocaust haben uns die Verharmlosung des Antisemitismus und des Rassismus im Allgemeinen ausgetrieben. ­Machen wir uns keine Illusionen: Heute haben wir erneut mit religiösem Fundamentalismus und Rassismus zu kämpfen. Ich denke, der Antisemitismus in Frankreich ist heute ­vielleicht schlimmer als zur Zeit von Halévy. Daher ist es wichtig, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: auf den dramatischen Kern der ­Handlung – und der „wirkt“ immer noch. Auch heute noch erzielt allein der Titel der Oper seine verstörende Wirkung. Außerdem führt er zunächst einmal in

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MJ Weisen die männlichen Protagonisten keine Schwachstellen auf? BDB Doch – sonst wäre das Stück ja nicht so wirkungsvoll! Zum Beispiel Éléazar im 2. Akt: in dem Terzett zwischen ihm, Rachel und Léopold, in dem deutlich wird, dass der Vater die Situation billigt. Trotz seines unerbittlichen Charakters, ja trotz seines Fanatismus akzeptiert Éléazar Rachels Liebe zu ­Léopold und ist bereit, seinen Segen für seine Ziehtochter Rachel und den Christen Léopold zu sprechen, auch wenn Léopold das ­Angebot letzten Endes ablehnt. Das bereits ­erwähnte Duett zwischen Rachel und Eudoxie und das ­Terzett zwischen É ­ léazar, Rachel und Léopold in La Juive sind musikalisch ­wunderbare Szenen, wie auch das Duett zwischen


Éléazar und dem Kardinal. Der historische Brogni hatte übrigens mit der Opernfigur kaum etwas zu tun. Es gab einen Jean de Brogny, der Kardinalbischof von Ostia war und als Kardinal das Konstanzer Konzil leitete. Vielleicht war dieser Brogny ja wirklich ein guter Mensch, wie Quellen besagen, was man auch in der Oper spüren kann, allerdings hat er in Wahrheit nie eine F ­ amilie gehabt; er hat sein Leben der ­Kirche geweiht. Die historischen Fakten bildeten, wie später auch bei Verdi, nur den Hintergrund der dramatischen ­Handlung. MJ Aber gerade dieses Abweichen liefert doch den Stoff für die Tragödie? BDB Natürlich! Die Vater-Tochter-Beziehung bestimmt die Handlung der Oper. Allerdings muss man aufpassen: Der ­Unterschied zur italienischen Oper, die meist mit drei Protagonisten auskommt, ist hier, dass alle fünf Figuren wichtig sind. Diese treffen dann meist in Dreierkonstellationen aufeinander, aber kürzt man allzusehr bei Eudoxie und Léopold – wie man dies früher oft getan hat –, verliert das Stück enorm an Reiz und Spannung. MJ Wie stellt man sich nun den Beginn vor? Wie werden Sie die Dissonanzen zwischen dem Klang der Orgel, die die allmächtige Kirche symbolisiert, und dem von Hammer und Amboss ­um­setzen, die für eine religiöse Minderheit stehen, für die dieser ­Feiertag keine Relevanz hat? BDB Nun, es ist die Orgel, die man als Erstes in dieser Ins­ zenierung hören wird, darauf haben wir uns mit Calixto Bieito geeinigt: das „Te Deum“ der Kirchenorgel als Auftakt, sodass man kurz darauf den Rhythmus eines arbeitenden Menschen vernimmt – dieses metallisch prägnante Schlaggeräusch ­eines Ambosses, wie man es auch bei Verdi und Wagner ­wiederfindet. Das Geräusch einer Arbeit im Souterrain, das wie eine Provokation dem Chor und der Orgel entgegen­ geschleudert wird. An dieser Stelle werden wir versuchen, auch etwas mit Verfremdung und Überwältigung des Klanges zu arbeiten. Die Orchestrierung des Werkes im Ganzen ist, wie ich bereits erwähnte, nicht wirklich originell. Und doch gibt es einzelne wunderbare Momente, wie zum Beispiel die zwei Englischhörner in der berühmten Arie von Éléazar: „Rachel, quand du Seigneur … “ MJ Eine Arie, die von Marcel Proust zitiert wird. BDB Ja, in seinem Roman Auf der Suche nach der verlorenen Zeit dient der Anfang der Arie dem Erzähler als Erkennungszeichen für die Geliebte seines Freundes Saint-Loup, die Rachel heißt. MJ Eine hebräische Melodie soll als Vorlage für die Arie gedient haben.

BDB Das mag sein – auf jeden Fall geht die erstaunliche ­Melancholie dieser Arie vor allem von dem Duett der Englischhörner aus. Die Dramatik des Werkes ergibt sich auch aus dem Aufeinanderprall von solchen intimen und fast religiösen ­Momenten mit Ausbrüchen von äußerster Dramatik, ja Brutalität. Das Intime und Andächtige der Pessachfeier im 2. Akt folgt auf den prunkvollen, aggressiven und gegen die Juden gerichteten Auftritt des Chors im 1. Akt, dessen schreckliche Reime – „Jette le dans le lac, ce fils d’Isaac“ („Stürzen wir ihn in den See, diesen Sohn Isaaks“) – das Wesen der „Banalität des Bösen“ verdeutlichen. Die Pessachfeier ist für mich eine ganz zentrale Szene. Die Erhabenheit dieses Momentes, der in der Oper beschrieben ist, die habe ich selbst einmal verspürt, als ich von befreundeten Sängern und Musikern zu einer Pessachfeier in New York eingeladen war. Dies geschah zwischen zwei Proben, und ich war beeindruckt von der ungezwungenen F ­ eierlichkeit, die ­sofort zu spüren war und die ich auch hier in der Oper bei Éléazar wiederfinden möchte: In genau diesem Moment, in dem das Orchester aussetzt und nur noch sein ­unbegleiteter ­Gesang zu hören ist. MJ In Frankreich wurde das Werk nach 1934 nur vereinzelt ­aufgeführt, obwohl es Bestandteil der Allgemeinbildung eines kultivierten Menschen im 19. Jahrhundert war. Erst 2007 ­wurde es wieder ins Repertoire aufgenommen. Wie ist die Situation in Deutschland? BDB Die Oper war 73 Jahre lang nicht in Paris zu sehen, in der Stadt, in der sie zum ersten Mal aufgeführt wurde. Letztlich kann man sagen, dass man La Juive – außer in Frankreich bis zur Wiederaufnahme 2007 – schon früher wiederentdeckt hat. Zunächst hat sich der große jüdische Tenor Richard Tucker wiederholt um das Werk bemüht, aber man konnte La Juive ­vereinzelt immer wieder erleben. Den endgültigen Durchbruch für die Wiedererweckung des Werkes brachte dann die In­­­ szenierung an der Wiener Staatsoper von 1999, mit Neil Shicoff als Éléazar und dirigiert von Simone Young. Diese Inszenierung wurde dann auch an der Metropolitan Opera in New York 2003 gezeigt. Seither hat sich La Juive mehr und mehr wieder einen festen Platz im Opernrepertoire erobert – zuletzt in Stuttgart, Dresden und Antwerpen. Das deutsche Publikum kennt, glaube ich, diese Oper heute besser als wir Franzosen. Es ist doch seltsam – zwischen den Deutschen und Franzosen gibt es so viele kulturelle Querverbindungen: Wir verdanken Goethe den Werther und den Faust. Pelléas et Mélisande, das ist Debussy, aber ebenso Schönberg, dessen Opus zwei Jahre später entstand. Sie kannten das Werk des anderen nicht, aber trotzdem kann man von einem ge­wissen „Zeitgeist“ sprechen, die Ideen zirkulierten zwischen den Ländern. Heute werden die besten Editionen französischer Musik in Deutschland herausgebracht – ­übrigens sind auch deutsche Ausgaben französischer Literatur in Vollständigkeit und Genauigkeit unseren teilweise weit überlegen.

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Daher freue ich mich ganz besonders, La Juive hier in München und mit Roberto Alagna in der Titelrolle zu dirigieren. Die Arie von Éléazar habe ich vor vielen Jahren zum ersten Mal mit ihm in London eingespielt, und ich bin sehr glücklich, nun die gesamte Oper gemeinsam realisieren zu können.

meiner Partitur für Gesang und Klavier? Ein interessanter ­Doppeltitel: La Juive – Die Jüdin (Alkor-Edition, Kassel), mit dem Operntext in französischer und deutscher Sprache. Die Deutschen zeigen Interesse an einem Werk mit einer derart komplexen Tradition und Geschichte.

MJ Woher rührt das Desinteresse des französischen Publikums?

MJ Warum?

BDB Ein Grund ist vielleicht, dass wir Franzosen Gefallen ­daran finden, uns selbst zu diskreditieren. Das betrifft nicht nur die Oper La Juive, aber wir waren besonders hartnäckig darin, im Nachhinein gegen diese Oper und die Form der Grand Opéra im Allgemeinen vorzugehen, wie man das bei großen Erfolge halt so macht. Ein weiterer Grund ist der mangelnde Mut der Verleger. Wo wurde die kritische Ausgabe von La ­Juive herausgegeben? Bei einem deutschen Verlag: ­Alkor-Edition. Und die Neuausgabe von Berlioz’ Carmen? Bei Bärenreiter. Die Neuausgabe der Oper Les Contes d’Hoffmann? Schott, wieder ein deutscher Verlag. Und was steht auf dem Umschlag

BDB Ich denke, Deutschland hat seine Geschichte, vor allem die des 20. Jahrhunderts, gründlich aufgearbeitet. Die Pflicht, sich zu erinnern, das haben die Deutschen schon viel länger verinnerlicht als wir. In Frankreich mussten wir bis 2009 darauf warten, dass der französische Staat endlich offiziell seine ­Mitverantwortung für die Deportationen anerkannt hat.

Aus dem Französischen von Katrin Thomaneck Mehr über die Autorin auf S. 20

La Juive auf einen Blick Die Grand Opéra La Juive erzählt von den zerstörerischen ­Dynamiken religiöser Verblendung sowie von brüchigen Identitäten: Rachel, die Tochter des jüdischen Goldschmieds ­Éléazar, liebt Samuel. Sie ahnt nicht, dass sich hinter dem G ­ eliebten der christliche Reichsfürst Léopold verbirgt. Auch ihr Vater ­verheimlicht ihr etwas: Rachel ist nicht seine leibliche Tochter, sondern die des christlichen Kardinals Brogni. Éléazar hatte sie als Säugling aus einem brennenden Haus gerettet und sie im jüdischen Glauben erzogen. Als Léopolds Sakrileg einer ­Liaison zu einer Jüdin öffentlich wird, sollen Rachel und ihr ­Vater hingerichtet werden. Es liegt allein in Éléazars Hand, das Leben seiner Ziehtochter zu retten, indem er sie und Brogni über das Geheimnis von Rachels Herkunft aufklärt. Er ent­ scheidet sich jedoch dagegen, um Rache an seinem einstigen Widersacher Brogni nehmen zu können. In dem Augenblick, da Rachel hingerichtet wird, muss Brogni erfahren, dass er ­seine eigene Tochter zum Tode verurteilt hat. La Juive spielt in Konstanz während des Konzils im Jahr 1414, wobei das Libretto von der Historie an einigen Stellen ­abweicht. Verfasser des Librettos war der französische Dramatiker Eugène Scribe, der schon mit Rossini, Meyerbeer, Auber und ­vielen weiteren namhaften Komponisten zusammengearbeitet hatte. Die Uraufführung am 23. Februar 1835 in Paris war ein g ­ roßer Erfolg. Bald darauf spielte man die Oper auf allen ­wichtigen Bühnen der Welt.

Bertrand de Billy begann seine Dirigentenlaufbahn nach ­Studien in seiner Heimatstadt Paris als Erster Kapellmeister und stellvertretender Generalmusikdirektor im anhal­ tinischen Dessau. Danach holte ihn Nikolaus Bachler in gleicher ­Position an die Volksoper nach Wien. Es folgten vier Jahren als Chefdirigent des Gran Teatre del Liceu in ­Barcelona und acht Jahre als Chefdirigent des Radio-­ Symphonieorchesters Wien. Bis 2015 war er auch erster Gastdirigent des ­Frankfurter Opern- und Museumsorchesters und des ­Orchestre de Chambre de Lausanne. Derzeit ist er erster Gastdirigent der Dresdner Philharmoniker. ­Regelmäßig d ­ irigierte er an den wichtigsten Opernhäusern der Welt wie Berlin, Hamburg, Wien, London, Brüssel, Paris, New York, Washington, Los ­Angeles und Tokio sowie bei den ­Salzburger Festspielen. An der Bayerischen Staatsoper ­dirigierte er die Premieren der Neuproduktionen von ­Lucrezia Borgia und ­Simon Boccanegra. Nun übernimmt er die Musikalische L ­ eitung der Festspielpremiere von ­Fromental Halévys La ­Juive.

La Juive Oper in fünf Akten Von Fromental Halévy Premiere am Sonntag, 26. Juni 2016, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im Internet auf www.staatsoper.de/tv

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Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


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English VorstellungsankĂźndigung Excerpt Page 223


„ Tanz ist ein Gedicht als Bewegung “

Wollte man dieser Tage von e ­inem ­ Menschen erzählen, den man im besten Sinn als ­ Europäer bezeichnen könnte, dann wäre das der belgische Choreograph Sidi Larbi C ­herkaoui. Im ­ Interview sprach er über Themen, die ihn bewegen – und darüber, warum der Tanz eine Form ist, sich diesen Themen zu stellen.

Festspielpremiere Les Indes galantes

Sidi Larbi Cherkaoui


Antwerpen, im Frühjahr 2016. Belgien steht nach den Anschlägen am Flughafen Brüssel-Zaventem und im Zentrum der europäischen Hauptstadt noch lange unter Schock. Unmittelbar nach den Anschlägen lösten Äußerungen des ­Innenministers gegenüber der Tages­ zeitung De Standaard landesweit eine heftige Debatte aus. Dieser behauptete, dass „ein signifikanter Teil der musli­ mischen Gemeinschaft nach den Anschlägen getanzt habe“. Nachfor­ schungen haben mittlerweile ergeben, dass diese provozierenden Freuden­ bekundungen von isolierten Einzelpersonen stammten. Eine ganze Gemeinschaft fühlte sich daher von der Polemik des ranghohen Politikers verletzt – so auch der in Antwerpen lebende Tänzer und Choreograph Sidi Larbi Cherkaoui, der bei den Opernfestspielen die Münchner Erstaufführung von Jean-­ ­ Philippe Rameaus Ballettoper Les Indes galantes inszeniert. Sidi Larbi Cherkaoui­ verabscheut diese Art von Stereo­ typisierungen. Er beobachtet mit geschärften Augen und Ohren, was derzeit in der belgischen Gesellschaft und in ganz Europa geschieht. Beim Interview in seinem Zuhause im Seefhoek, e ­ inem der buntesten Stadtviertel Antwerpens, in dem viele Einwanderungskulturen ­neben- und miteinander leben, kommt er sogleich auch entschlossen auf die ­aktuelle Debatte zu sprechen.

Ohne Arme und Beine: Über Erziehung und Förderung „Diese Art von Äußerungen hört man immer wieder. Die Realität ist aber nicht so simpel, wie sie dargestellt wird. Auch der Bürgermeister meiner Stadt, Antwerpen, immerhin die größte Stadt Flanderns, behauptet öffentlich, die Marokkaner seien die Ursache vieler Probleme. Worauf gründet er diese Feststellung? Immer wieder hört man diese Klischees, bei denen alle über einen Kamm geschoren werden – mit fatalen Folgen.“ Cherkaoui bestreitet nicht,

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dass es einige besonders auffällige gesellschaftliche Probleme gibt. „Die Erziehung unserer Jugendlichen ist problematisch. Dafür sind sowohl die ­Eltern als auch die Gesellschaft verantwortlich. Die Rolle der Schulen ist wahnsinnig wichtig. Ich finde den ­Gedanken bemerkenswert, dass ich genauso aufgewachsen bin wie die bel­ gischen Terroristen. Aber ich bin Veganer und Choreograph geworden und außerdem lebe ich offen homosexuell. Und in Kürze inszeniere ich Les Indes galantes von Rameau … Ich möchte damit sagen: Entscheidend ist, wie viele Möglichkeiten du als Heranwachsender bekommst, um eine bestimmte Begabung zu ent­ wickeln, mit der du etwas anfangen kannst, ganz gleich, ob es dabei um Kreativität geht oder um etwas anderes. Oder ob du dich mit den richtigen Leuten umgeben kannst, die dir helfen und dich unterstützen. Bei den jungen Männern, die die Anschläge verübt haben, war es genau umgekehrt, die wurden von schrecklichen Typen beeinflusst, die sie auf Abwege gebracht und mit destruktiven Gedanken infiltriert haben. Wenn man jung ist, ist man auf sozialer Ebene sehr abhängig. Ich habe in dieser Hinsicht wirklich Glück gehabt. Ich hatte in der Schule einen Physiklehrer, der an mich geglaubt hat. Und eine Niederländischlehrerin, die erkannt hat, dass ich gut Geschichten schreiben kann. Beide haben den Künstler in mir gesehen und mich ermutigt, genau diesen Weg zu gehen. Es ist fantastisch, wenn es Mitmenschen gibt, die an dich glauben – und dich nicht mitleidig anschauen und denken: ‚Ach, du bist ein halber Marokkaner, du kannst nichts, aus dir wird nichts. Ganz gleich, was du versuchst.‘ Dies ist eine – sehr effektive – Methode, um Menschen klein zu machen. Wie kann ein 13-Jähriger für etwas kämpfen, wenn er immer wieder zu hören bekommt, dass er keine Arme und keine Beine hat? Ehe man sich‘s versieht, ist man durch diese Aussagen der anderen geprägt. Du wirst, was man dir an Möglichkeiten, aber auch an Steuerung und Formung gibt. Menschen sind in dieser Hinsicht wie Lemminge! Es

­ efindet sich nur sehr selten ein Adler b unter ihnen, der aus eigener Kraft fliegt und sich nicht einschüchtern lässt. Als Lehrer, Eltern oder einfach nur als Mitmensch musst du versuchen, gerade diesen jungen Leuten dabei zu helfen, ihren Weg für eine gesunde, wache ­eigene Entwicklung zu finden.“

Sein Ding machen dürfen – und empathiefähig bleiben Sidi Larbi Cherkaouis eigene Entwicklung als Choreograph begann Ende der 1990er Jahre, als er noch Tänzer bei Alain Platels Kollektiv Les ballets C de la B war. 2010 gründete er seine eigene Kompagnie Eastman, die im Antwerpener­ Internationalen Kunstcampus deSingel eine ständige Residenz gefunden hat. Mit der vielfach ausgezeichneten ­Produktion BABEL war sie bereits 2011 bei der Ballettfestwoche im Münchner Nationaltheater zu Gast. Tänzer von Eastman werden auch für Les Indes ­galantes nach München kommen, um gemeinsam mit den Gesangssolisten und dem Balthasar-Neumann-Chor ­Rameaus Geschichten über die Begegnung von Europäern und fremden Kulturen neu zu interpretieren. Cherkaoui scheut keine neuen Aufgaben: Im Herbst 2014 inszenierte er mit Shell Shock – einem Auftragswerk des Brüsseler Opernhauses La Monnaie ­ anlässlich des 100. Jahrestags des ­ ­Beginns des Ersten Weltkriegs – erstmals Musiktheater. Im Herbst 2015 übernahm er die Künstlerische Leitung des Königlichen Flämischen Balletts in Antwerpen. Cherkaoui weiß um das Glück dieser Selbstverwirklichung: „Es gibt so viele Menschen mit ebenso vielen Begabungen, die keine Chance haben, sie zu entwickeln. Wenn es nur noch darum geht, zu überleben, dann hast du keine Zeit dafür. Man denke dabei nur einmal an die tausende Bewohner des kürzlich geräumten Flüchtlingslagers von Calais. Als sie sich hierher nach Europa aufmachten, hatten sie a ­lles


verloren: ihr Haus, ihren Besitz, ihr bisheriges Leben. Wer sagt uns, dass wir nicht auch irgendwann in diese Lage kommen könnten? Wir sitzen jetzt hier bei mir zu Hause. Ich wohne hier schon seit 1997 und habe dieses Haus Stück für Stück aufgebaut. Aber wenn morgen Doel (das Kernkraftwerk in der Nähe Antwerpens, dessen Schließung der deutsche Umweltminister im April von Belgien forderte, d. Red.) explodiert und ich dann noch das Glück habe, zufällig nicht zu Hause zu sein, werde ich auch alles verlieren. Dann muss ich nach England auswandern, oder nach Japan. Dann geht es mir genauso wie den Menschen in Calais, auch wenn ich aufgrund meiner Staatsbürgerschaft wahrscheinlich besser behandelt würde. Das finde ich beschämend, denn diese Menschen sind genauso wie wir. Sie sind genauso gebildet. Aber sie werden jetzt ausschließlich als Belastung gesehen, Einzelschicksale werden zu Zahlen, werden auf eine gesichtslose Masse reduziert. Für diese Menschen soll auf einmal das Recht des Stärkeren gelten. Wo ist die Zeit der Solidarität? Ringen wir uns doch ein klein wenig mehr Empathie ab! Versuchen wir uns vorzustellen, wie wir uns unter diesen Umständen verhalten würden! Verstehen wir eigentlich, dass es zur Zeit ein Problem gibt, das größer ist als wir selbst, als unsere kleinlichen Sorgen?“

Halber

Belgier

Identität. Dieser Begriff zieht sich wie ein roter Faden durch Cherkaouis künstlerisches Schaffen, was kaum verwunderlich für den Sohn eines ­ marokkanischen Vaters und einer ­ ­flämischen Mutter ist. Identität ist eine Quelle des Erstaunens und des ­Reichtums, kann aber zu einem Denken im Gegensatz von „wir“ und „die anderen“ führen, das einen verdammt guten Nährboden für Nationalismus bildet. „Ich glaube, Belgien befindet sich heute in einer Krise. Das Land kämpft mit seinem Unvermögen, mit seiner doppel-

Text Roel Daenen

ten Identität umzugehen. Als ich klein war, haben wir noch intensiv Französisch in der Schule gelernt. Donc je pourrai faire cet interview en français, si vous voulez. Damals waren wir alle noch Belgier. Jetzt sind wir alle Flamen geworden, aber das ist nur die Hälfte eines Belgiers. Ich finde das sehr traurig. Ich habe das Gefühl, dass sich unsere Lage enorm verändert hat, zum Schlechteren. Über Jahrzehnte sind nationalistische Kräfte in ­Bel­gien immer stärker geworden. Die Flamen fühlten sich lang als Bürger zweiter Klasse, mittlerweile sitzen zwei nationalistische flämische Parteien sowohl im flämischen als auch im belgischen Parlament. Dieser Prozess der jahrzehntelangen Spaltung zeigt jetzt seine Wirkung. Da kann man schon verstehen, dass auf bestimmte Bevölkerungsgruppen mit dem Finger gezeigt wird. Die ganze Situation scheint so schwierig und beklemmend, dass ich manchmal denke: Anstatt alles zu problematisieren, lasst uns einfach tanzen. Mir geht die Frage nicht aus dem Kopf, was wäre, wenn man wirklich reden, sich wirklich verständigen könnte. Die Kunst ist für mich eine Art und Weise, miteinander zu sprechen.“

Jenseits des Primats der Worte Sprechen, oder besser noch, ein echter Dialog von Mensch zu Mensch, muss Sidi Larbi Cherkaoui zufolge keineswegs (nur) mit Worten geschehen. Dabei ist ihm vollkommen bewusst, dass wir „in einer Wortkultur leben“. „Wir begrüßen einander mit Worten. Wir berühren einander kaum. Natürlich liebe ich die Sprache, ich schreibe und lese gern. Weit mehr liebe ich jedoch Berührungen und Bewegung. Weil ich glaube, dass diese Art der Kommunikation nicht so ambivalent ist. Worte führen immer wieder zu Missverständnissen. Die Bedeutung eines Wortes kann für jeden völlig unterschiedlich sein. Nehmen wir allein das Wort ‚Gott‘. Das hat mit dem gesamten Sein zu tun, mit deiner Identität, deinem Umfeld. Manche empfin-

den das Wort wie einen Schlag ins Gesicht, für andere klingt es wiederum sehr vertraut. Wieder andere bekommen Angst. Alle Worte erzeugen emotionale Reaktionen. Was das betrifft, vertraue ich ihnen nicht. Sprache spiegelt so oft patriarchalische Hierarchien. Hinter vielen sprachlichen Konstruktionen verbergen sich Aussagen wie: ‚du bist weniger wert‘, ‚du bist dieses oder jenes – Ausländer, Mensch mit einer Behinderung, Homosexueller …‘ – ganz gleich was. Unser gesamter Wortschatz beruht auf Unterscheidung und Hierarchie.”

Jeder tanzt, ständig Obwohl Tanz genau wie Instrumentalmusik eine abstrakte Kunstform ist, glaubt Cherkaoui daran, dass er eine explizite Bedeutung erhalten kann. „Zumindest, wenn es mit der richtigen Inten­tion geschieht. Schließlich geht es beim Tanz sehr oft um eine Art energetische Intention. Wenn ich mit meinem Arm eine bestimmte Geste mache, und diese vermittelt dem Zuschauer die Information: ‚Komm!‘, oder genau das Gegenteil: ‚Geh weg!‘, dann ist das sehr ­konkret. Es geht dabei um Kommen und Gehen, Festhalten und Loslassen, Begegnung oder Abwehr. Du fühlst die Energie. Manchmal ist es schwierig, sie zu benennen. Tanz ist für mich sehr erzählend und kann auch sehr komplexe Geschichten darstellen. In dieser Hinsicht hat Tanz viel mit Poesie gemein. Deren Gebrauch der Worte finde ich am schönsten. In der Poesie befindet sich die Subjektivität zwischen den Zeilen: Du weißt, dass du ein Gedicht aus deiner eigenen Perspektive liest. Du erkennst dich selbst darin. Tanz ist eine Art Gedicht als Bewegung. Menschen finden einander mit Blicken, die sich kreuzen. Meine Sprache ist die des Körpers. Die kann man nicht verdrängen. Du sitzt auf eine ganz bestimmte Weise hier in diesem Sessel, du hältst deinen Kopf auf deine Art, deine Füße sind gekreuzt, und so weiter. Du kannst diesen Aspekt deiner Kommunikation nicht ändern. Ich glaube, dass jeder die ganze

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Zeit über tanzt. Ich betrachte den Tanz also nicht als etwas Dualistisches, etwas Besonderes, das irgendwo passiert, auf einer Bühne oder so. Nein, es passiert die ganze Zeit. Die Menschen bemerken nicht, dass sie permanent tanzen, sie sind sich ihrer Performance nicht bewusst. Wenn ich einige unserer Alltagsgewohnheiten zum Beispiel mit der arabischen oder japanischen Kultur vergleiche, stelle ich fest, dass es dort ganz andere Bewegungsmuster gibt, dass man beispielsweise seine Hand nach dem Händedruck bei der Begrüßung zum Herzen führt. Das sind alles sehr kleine Gesten. Oder man denke nur an die Verbeugungen in Japan. Das sind alles energetische Handlungen, die es ermöglichen, miteinander ohne Worte zu kommunizieren.“

Vom den

Tanz

zu Worten

Es ist eine der ältesten philosophischen Fragen: In welcher Beziehung stehen Körper und Geist zueinander? Der französische Rationalist René Des­ cartes sah in der Tatsache, dass der Mensch im Gegensatz zum Tier neben seinem Körper auch einen Geist besitze, den Hauptunterschied zwischen beiden. Der menschliche Geist, so Des­ cartes, sei autonom und könne auch ohne den Körper existieren. Der Körper hingegen sei „reine Mechanik“, die zum „freien Willen“ (dem Geist) in Kontrast stehe. Dieser Dualismus, der in Ansätzen bis auf Plato und Aristoteles zurückgeht, zeigt eine klare Rangfolge innerhalb dieser Einteilung an: Der Geist hat mehr und größeres Gewicht als der Körper. Ein Thema, das Cherkaoui fortwährend beschäftigt. „Das Verhältnis zwischen Körper und Geist fasziniert mich schon sehr lange. Es gibt natürlich die Redewendung von einem starken Geist in einem starken Körper. Sie basiert aber immer noch auf einem klaren Dualismus. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass Körper und Geist eins sein können. Sie können zusammenfallen. Für mich als

Fotografie Charlotte Lybeer

Europäer ist es natürlich zunächst eine schwierige Sache, beide wirklich zusammen zu entwickeln, das heißt an den geistigen Fähigkeiten zu arbeiten und sich zugleich ‚toll zu bewegen‘, oder so. Aber ich bin viel gereist, habe bei chinesischen Shaolin-Mönchen gelernt, wie beides miteinander interagieren kann. Und im Laufe meines Lernprozesses habe ich die Hälfte meines Wortschatzes durch Bewegung gefunden. Bevor ich angefangen habe zu tanzen, habe ich mich verbal viel zurückhaltender geäußert. Seither habe ich deutlich weniger Schwierigkeiten, mich auch in Worten auszudrücken. Es hat sich dadurch bei mir eine Stabilität entwickelt, die auch eine Art mentale Stabilität ist. Ich halte genug schlafen, gesund essen und ausreichend Bewegung für extrem wichtig. Das alles sind Aufmerksamkeiten dem Körper gegenüber, die zum ganzen Menschsein beitragen. Tanz kann daher eine große heilende Kraft haben. Diese Erfahrung möchte ich gern vielen Menschen nahebringen. Gemeinsam tanzen ist etwas ganz Besonderes, buchstäblich eine Art Gruppentherapie, und zwar sowohl für die Tänzer als auch für die Zuschauer.“

Eine

Gemeinschaft

„Wir erleben derzeit eine existenzielle Krise im Blick auf die Frage, wie wir in unserer Gesellschaft zusammenleben wollen. Zugleich existiert ein Gefühl von Bedrohung unserer eigenen Sicherheit, ausgelöst zum Beispiel ­ durch die gern heruntergespielte nukle­ are Gefahr, die über unseren Köpfen schwebt, mit Fukushima als Spitze des Eisbergs. Oder durch die Terroristen, deren Taten eine solche Tragweite haben, dass das Denken darüber, die Angst und die Sicherheits­politik dieses Land beherrschen. Das ruft bei mir eine Reihe von Frage hervor: Was ist Leben? Was ist Zusammenleben? Und was ist Überleben? Ich möchte, dass die Menschen die Chance haben, ihr Zusammenleben zu gestalten, anstatt nur ums eigene Überleben ringen zu müssen,

um ein Überleben wie im ‚Dschungel von Calais‘ oder in den riesigen Flüchtlingslagern im Nahen Osten oder in Griechenland. Für mich ist es eine zentrale Lebensfrage, was wir gemeinsam oder alleine tun können, um zu einer Gemeinschaft zu kommen, die miteinander solidarisch und tolerant umgeht. Wir sind schließlich alle miteinander verbunden. Wenn man dem anderen großzügig und offen gegenübersteht, bekommt man sehr viel zurück. Das Erzeugen fröhlicher, unbefangener und positiver Gefühle kann selbst in Zeiten großer Probleme sehr viel zur Menschlichkeit beitragen.“

Les

Indes

galantes

„Dabei ist Humor für mich das Höchste, ein spiritueller Höhepunkt. Lachen verbindet alle Menschen. Deshalb ist für mich an Les Indes galantes der Humor besonders wichtig, den ich in diesem Stück finde und unterstreichen möchte – ungeachtet aller darin ernsthaft verhandelten Fragen, wie Kulturen mit zum Teil unterschiedlichen Wert­­­­­­­ vorstel­ lungen einander begegnen. Wir lassen Rameaus in vier voneinander ­entlegenen, exotischen Ländern angesiedelte Geschichten an einem einzigen, zeitlosen Ort spielen: Man könnte ihn als Klassenzimmer, als Museum oder auch als eine Art von Gefängnis ansehen. Die Tänzer, die eine enorm wichtige Rolle in diesem Stück spielen, sind das Reinigungsteam dieser Institution. Eine polnische Putzfrau, ein chinesischer Arbeiter, ein tür­ kischer Straßenkehrer vielleicht – Migranten. Das ist meiner Meinung nach heute exotisch, oder fremd, wenn man so will. Viele dieser Migranten sind innerhalb der Gesellschaft absolut unsichtbar. Das ist in meinem Viertel nicht der Fall. Die Menschen, die hier leben, kommen aus allen Teilen der Welt. Wenn man hier in Seefhoek durch die Straßen geht, kann man sich auf kleinstem Raum fühlen, als wäre man in Korea, Algerien, Kongo oder Indien. Die Welt kommt an solchen Orten zusammen. Für mich

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­verlangt Les Indes galantes geradezu nach einem solchen Zugang. Zurück zu dem Reinigungsteam: Wir werden in ­unserer Inszenierung sehr viel saubermachen. Meine Großmutter war Putzfrau, ich muss sehr oft an sie denken. Manchmal fühle ich mich selbst wie eine Putzfrau! Denn als Choreograph muss ich versuchen, mit alten, festgefahrenen Ideen aufzuräumen. Da kommt mir der Humor zur Hilfe. In der Air pour les Esclaves africains, einem Tanz der Sklaven Osmans, formieren wir ein Reinigungsteam, das aus Sklaven ­ ­besteht. Wenn die dann anfangen, mit ihren Besen zu kämpfen, ist das einfach hinreißend komisch.“ Aus dem Niederländischen von Sabine Reifer

Roel Daenen schreibt als Journalist von ­Brüssel aus über Politik, Kultur und Comics. Anfang 2016 veröffentlichte er anlässlich des ersten Jahrestags der tödlichen Attentate auf die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris das Interviewbuch „Het is maar om te lachen. Hoe cartoonisten de wereld veranderen“ (Es ist doch nur zum Lachen. Wie Cartoonisten die Welt verändern). Darin erhielten zehn niederländischsprachige und zwei französischsprachige belgische Pressezeichner das Wort.

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Sidi Larbi Cherkaoui studierte Tanz in Brüssel. ­Neben seiner Ausbildung im zeitgenössischen Tanz arbeitete er mit Hip-Hop-Kompagnien (The Bang Gang Dance Company) sowie mit Extravadance in Belgien zusammen. Seine ersten Choreographien schuf er als Mitglied von Alains Platels Tanzkollektiv Les Ballets C de la B. Nach Stationen am Londoner Theater Sadler’s Wells und dem Toneelhuis Antwerpen gründete er in seiner Heimatstadt Antwerpen 2010 seine eigene Kompagnie Eastman. Seine Choreographien für Eastman wie Babel, Puz/zle, 4D, 生长 genesis und Fractus V riefen bei Gastspielen international Beachtung hervor und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Mit BABEL war er 2011 bei der Ballettfestwoche im Münchner Nationaltheater zu Gast. Daneben arbeitete er mit Tanzkompagnien wie dem Niederländischen ­Nationalballett, dem Ballett der Pariser Oper, der GöteborgsOperans Danskompani, dem Stuttgarter Ballett und der Los Angeles Dance Company. ­Außerdem schuf er die Choreographie für Joe Wrights Tolstoi-Verfilmung Anna Karenina aus dem Jahr 2012. 2014 inszenierte und choreographierte er am Brüsseler Opernhaus La Monnaie die Oper Shell Shock des belgischen Komponisten ­Nicholas Lens auf Texte von Nick Cave. Im Herbst 2015 übernahm er die Künstlerische Leitung des Königlichen Flämischen Balletts. An der ­Bayerischen Staatsoper gibt er bei der Festspielpremiere von Jean-Philippe Rameaus Ballettoper Les Indes galantes sein Regiedebüt.

Les Indes galantes Opéra-ballet in vier Aufzügen und einem Prolog Von Jean-Philippe Rameau Premiere am Sonntag, 24. Juli 2016, Prinzregententheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im ­Internet auf www.staatsoper.de/tv Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


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Die Wissenskugel Je größer unsere Wissenskugel, desto größer die Berührungs­ fläche mit dem, was wir nicht wissen. So hat der Schriftstel­ ler Jochen Schmidt es in der Schule gelernt. Die Neugier hält ihn seither in Atem – selbstverständlich erst, ­seitdem die Schule vorbei ist. Ein Bild aus der Schule habe ich nie vergessen, es ging um die Erkennbarkeit der Welt, von der wir als Materialisten (wir befinden uns im äußerst unbeliebten Unterrichtsfach „Staatsbürgerkunde“ in der späten DDR) natürlich ausgehen sollten. Unser Wissen sei wie eine Kugel, die vom Universum des Ungewussten umgeben sei, diese Wissenskugel wachse ständig, aber damit wachse auch die Berührungsfläche mit dem Ungewussten. Im Prinzip sei die Welt also erkennbar, aber die Menge dessen, von dem wir wissen, dass wir es nicht wissen, nimmt mit unserem Wissen ständig zu. Vielleicht kommt daher diese Unruhe, die mich immer erfasst, wenn ich mir klarmache, was ich noch alles wissen will und wie kurz mein Leben ist. Ich hatte früh die Befürchtung, dass jeder konkrete Beruf mich an der Befriedigung meines Wissensdrangs hindern würde, weil man sich für den Erfolg spezialisieren musste, statt in alle Richtungen schweifen zu dürfen. Wie konnte man sich damit zufriedengeben, nur ein Fach zu studieren? Von so viel Wissen ausgeschlossen zu sein? Nur an einem Ort zu leben? Nicht die ganze Welt zu sehen? Seltsamerweise meldete sich meine Neugierde aber nur, wenn ich vollkommen frei war. Viel von dem, wofür ich mich heute brennend interessiere, hat mich in der Schule gelangweilt (wenn man den eigenen Kindern Nachhilfe gibt, findet man den Stoff plötzlich hochinteressant und beneidet sie um die Chance, ihre Tage mit Lernen zu verbringen). Ich habe in der Schule acht Jahre lang mit Französisch gerungen, als ich dann nach Frankreich ging, habe ich festgestellt, dass man Sprachen auch in drei Monaten lernen kann, wenn man einen Grund dafür hat. Und das Beste daran war, dass es solchen Spaß machte. In einer sowjetischen Kinderserie tauchte ein Roboter in Kindergestalt an einer Schule auf. Man musste ihm die Schulbücher nur durch einen Schlitz in den Rücken stopfen, dann konnte er alles. Vielleicht werden wir irgendwann bei der Geburt einen Wikipedia-Chip implantiert bekommen und Wissen wird kein Wert mehr sein (wobei man dann wahrscheinlich ständig aus dem eigenen Kopf mit Werbebotschaften gequält werden wird, wie von einem Tin-

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nitus, sofern man nicht das Geld für die werbefreie Premiumversion hat.) Wie schade wäre es, wenn die Lust, etwas zu lernen, so verlorenginge. Wenn ich auf einem Schiff fahre, will ich wissen, wie die Motoren funktionieren und woher die Schiffsschraube stammt. Wenn ich eine fremde Stadt besuche, will ich wissen, wer die Häuser gebaut hat und was die Graffiti an den Wänden bedeuten. Wenn mir jemand von seinem Promotionsthema erzählt, entfährt es mir regelmäßig: „Aber genau das hätte ich doch auch machen wollen!“ Neugier macht die ganze Welt zur Heimat. Wenn ich einmal mutlos bin, denke ich an Goethe, der sich ja für alles inter­ essiert haben soll, sogar für Steine. Auf seiner Kampagne in Frankreich war er einmal begeistert davon, an einem ungewöhnlichen Ort ein grünes Mineral entdeckt zu haben (es stellte sich dann allerdings als verschimmeltes Brot heraus). Oder ich schalte Alexander Kluge ein, von dem ich hoffe, dass er 100 Jahre alt wird, damit er mich doch noch einmal in eine seiner Sendungen einlädt, weil ich mich so gerne mit ihm unterhalten würde. Dieser alterslose Mann, der im Fernsehen nur als Stimme präsent ist, sich jeden Tag mit Spezialisten ihres Fachs unterhält und sie mit seinen überraschenden Fragen irritiert. Es ist so anregend, diese unendliche Neugier zu erleben. Wenn ich zu jemandem sage, dass ich an der Volkshochschule Altgriechisch lerne, ist die häufigste Reaktion: „Warum?“ Ich verstehe schon die Frage nicht. Natürlich hat es keinen Sinn, außer dass es Spaß macht und man Lust bekommt, es vielleicht auch noch mit Sanskrit zu probieren. So viele Sprachen müsste man lernen, bevor es richtig losgeht mit dem Lernen, denn es ist so unbefriedigend, nur seinen eigenen Kulturraum zu überblicken. Ich habe einmal ein Foto von Ryszard Kapuściński gesehen, dem legendären pol­ nischen Reporter, er hockte am Boden seines Arbeitszimmers, wo ungefähr 50 Zeitungen aus allen möglichen Ländern gestapelt lagen, die er abonniert hatte. So hätte ich leben wollen. Aber man muss die Welt natürlich auch mit dem Körper erfahren. Ursprünglich waren unsere Maße ja alle vom menschlichen Körper abgeleitet: Zoll, Schritt, Elle, Fuß. Die Chinesen hatten ein Maß dafür, wie weit man gehen kann, bis eine Tasse Tee kalt geworden ist. Man muss lesen, reisen, lernen, nachdenken, schreiben und dann alles wieder von vorn. Es geht leider immer nur eins davon gleichzeitig. Ich identifiziere mich heimlich mit meinem Urururgroßvater, der Kartograf war, Spezialist für kleinasiatische Topografie. Er arbeitete­­

Text Jochen Schmidt

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ununterbrochen, auch wenn Besuch zum Abendessen kam, tuschte er weiter an seinen Landkarten, die den Entdeckern von Pergamon und Troja so gute Dienste geleistet hatten. Als er sich einmal in der Sächsischen Schweiz ein Bein gebrochen hatte, erschien sein Freund, der Historiker Theodor Mommsen, bei ihm und forderte ihn auf, die sechswöchige Muße zu nutzen, um „endlich das längst von aller Welt ersehnte ‚Handbuch der alten Geographie‘ zu schreiben.“ Als er damit nach zwei, drei Wochen noch nicht weitergekommen war, sagte Mommsen, man müsse ihm wohl noch das andere Bein brechen. Mit 68 Jahren ritt er noch einmal auf einem Esel durch die Hitze des Orients, um Lücken in seiner großen Lesbosund Kleinasienkarte auszufüllen. In einem Dorf auf Lesbos bat ihn der Dorflehrer in den Klassenraum, die Schüler sangen für ihn Der Mai ist gekommen, und der Lehrer erklärte den Kindern: „Ihr Kinder kennt alle die große Karte unserer Insel hier an der Wand. Die hat dieser alte Herr gemacht, als er 23 Jahre alt war. Sie hat immer allerhand Lücken gehabt, aber niemand hat sich die ganze Zeit her bei uns darum gekümmert, sie auszufüllen. Nun kommt, nach 45 Jahren, dieser alte Herr hierher, um selbst sein Werk fertigzumachen. Seht, Kinder, das ist Treue, das ist Liebe zur Arbeit! So sind die Deutschen!“ Ob „die Deutschen“ wirklich so sind, weiß ich nicht, aber das mir so sympathische, über die ganze Welt verstreute Volk der Neugierigen ist so. Wenn ich jemandem aus diesem Volk begegne, fühle ich sofort eine Nähe, die nichts mit Sprache oder Herkunft zu tun hat, sondern mit unserer elektrisierenden Freude an der Wissenskugel.

Der Berliner Schriftsteller Jochen Schmidt hat von Juli 2006 bis Januar 2007 jeden Tag ­zwanzig Seiten aus Marcel Prousts Auf der ­Suche nach der verlorenen Zeit gelesen. Seine dokumentierten Leseerfahrungen erschienen unter dem Titel Schmidt liest Proust. Er ­verfasst Zeitungskolumnen, schreibt Romane, Kurzgeschichten, Reiseliteratur und ist als Übersetzer tätig.

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DIE KUNST IST ES, DIE DINGE AUCH MAL ANDERS ZU SEHEN

Fachübergreifendes Denken und interdisziplinäre Zusammenarbeit in den Bereichen Rechtsberatung, Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung und Family Office charakterisieren den Beratungsansatz der Münchner Kanzlei am Siegestor.

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Als Mitglied des Classic Circle unterstützt PSP seit 2005 die Bayerische Staatsoper.


Der Hammer: Gedanken ­ zu Die ­Meistersinger von ­Nürnberg und La Juive

Festspielpremiere La Juive

Die Meistersinger von Nürnberg


Es ertönt Gesang, aber ein Außenstehender hämmert dazwischen. Sowohl in Richard Wagners Die Meistersinger von Nürnberg als auch in Fromental Halévys La Juive wird eine Szenerie durch ­Gehämmer gestört – aber nur eine von beiden Opern sprengt die Konvention ihres Genres.

Auf den ersten Blick scheint es schwierig, die Oper La Juive von Fromental Halévy und Eugène Scribe mit Richard Wagners Oper Die Meistersinger von Nürnberg unter einen Hut zu bringen, zum Teil darum, weil erstere fast unbekannt ist, letztere dagegen zu den bekanntesten Opern überhaupt zählt. Ähnlich wäre ein Vergleich von Johnny Carson mit Harald Schmidt: Historiker würden sagen, Carson sei ein maßgebender Vorgänger Schmidts gewesen, seine Arbeit habe Schmidt den Boden bereitet und Formen eingeführt, die Schmidt dann übernommen – und, für unsere Absichten wichtiger, in Deutschland bekannt gemacht – habe. Es dürfte kein Geheimnis sein, dass Wagner von den Kompositionsverfahren und szenischen Leistungen der französischen Grand Opéra stark beeinflusst war, und dies, obwohl er sich dann über beides wiederholt abfällig äußerte. Wie der Musikologe Thomas Grey es in einem Aufsatz zu Wagner und dem Erbe der franzö­ sischen Grand Opéra ausdrückt: „Waren die Instrumentalmusik der Wiener Klassik und Webers Opern der prägende Einfluss in Wagners musikalischer Kindheit und Schulzeit, bedeutet der Einfluss der französischen Grand Opéra in den 1830er Jahren den Übergang zur Mündigkeit als Komponist dramatischer Werke.“ Der fortdauernde Erfolg von Wagners Werk und das – bis in allerjüngste Zeit – beinahe durchgängige Verschwinden der Grand Opéra aus dem Repertoire der europäischen Opernhäuser im Lauf des letzten Jahrhun-

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derts (ein Abgang, den Wagner mit Sicherheit begrüßt hätte) erschweren es dem Publikum, die Ableitung seines Werks aus dem seiner franzö­ sischen Vorgänger zu erkennen. Das war jedoch nicht immer so. Als Scribes und Halévys Werk 1835 in Paris Premiere feierte, wurde es zum großen Renner. Während des 19. Jahrhunderts wurde La Juive auf den Bühnen der Opernhäuser in ganz Europa (was auch bedeutet: in ganz Deutschland) erfolgreich aufgeführt. Wagner kannte das Stück der beiden Franzosen und bewunderte es außerordentlich: 1842, etwa sieben Jahre nach seiner Premiere, schreibt ­Wagner in der Revue et Gazette Musicale über La Juive: „In dieser Oper ist es, wo sich Halévys großer Beruf auf das vielseitigste deutlich und unwiderlegbar kundgibt: dieser Beruf ist, Musik zu schreiben, wie sie aus den innersten, gewaltigsten Tiefen der reichsten menschlichen Natur hervorquillt.“ La Juive lag also in der Luft und stand auf der Playlist bei Wagners Pariser Aufenthalt – und nicht nur dort und dazumal war es stilbildende Musik. Direkt stilbildend für ein reifes Werk wie Die Meistersinger ist La Juive jedoch eigentlich nicht. Geschichtlich gesehen erscheint es sinnvoller, La Juive mit Wagners Rienzi zusammenzudenken, wenn die unmittelbaren Spuren französischer Formen in Wagners aufkeimendem Kompositionsstil bestimmt werden sollen. (Und natürlich haben verschiedene Forscher genau das gemacht, so etwa John ­Deathridge in Wagner’s Rienzi: A Re­

appraisal Based on a Study of the Sketches and Drafts oder Patrick Carnegy, der sich mit Rienzi beschäftigt, in einem Abschnitt zum andauernden Einfluss der Grand Opéra auf Wagner in seinem Buch Wagner and the Art of the Theatre.) Mit der Gegenüberstellung von La Juive und Die ­Meistersinger werden Werke in den Blick genommen, die in einer gewissen Distanz zueinander stehen – zeitlich und kulturell, kompositionstechnisch und ihrem Charakter nach. Als erster Unterschied fällt auf: Wagners Stück ist eine Komödie, das von Scribe und Halévy ist – wie Wagner selbst in uneingeschränkter Bewunderung festhielt – ein unerbittlich dunkles Mélodrame. Hinzu kommt, dass Die Meistersinger ein Werk der Reife ist (als solches enthält es ausgedehntes Nachsinnen über die Reife, ein Merkmal reifer Kunstwerke), Halévys Oper dagegen das Werk eines vergleichsweise jungen Komponisten (Halévy war bei der Uraufführung von La ­Juive 35 Jahre alt, während Wagner gerade 55 geworden war, als Die Meistersinger­ erstmals auf die Bühne kam). Doch Distanz und Unterschied stehen dem Vergleich keineswegs entgegen, sondern öffnen Perspektiven, und in diesem Sinn können wir die zwei Werke betrachten. *** Die Siegesfeier, mit der La Juive beginnt, wird gesungen. Das ist nicht unbedingt erwähnenswert, schließlich geht es um eine Oper. Aber hier – in

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einer Kirche, mit feierlicher Orgelbegleitung – wird dem Gesang eine Form verliehen, die die Musikwissenschaftlerin Carolyn Abbate als „phänome­ nal“ (im Gegensatz zu „noumenal“, das nur mit dem Geist zu Erkennende) bezeichnet: Es handelt sich nämlich um einen Gesang, der im Raum der fiktionalen Welt der Oper auch als solcher, nämlich als Gesang, fungiert. In diesem Fall sind die Kirchentüren geöffnet, und wir hören ein „Te Deum“, aus voller Kehle gesungen, über den Platz schallen, den sich Librettist und Komponist für die Eröffnungsszene der Oper vorstellen. Sehr zur Empörung der versammelten Menge (einer Menge, deren Empörung sich in dieser Oper schnell und wiederholt entzündet) wird die Feier der Gemeinde unterbrochen: Das Gehämmer des jüdischen Goldschmieds Éléazar, der vor seiner Werkstatt auf dem öffentlichen Platz neben der Kirche seiner Arbeit nachgeht, stört die Szenerie. Diese einleitende Konfrontation führt uns in konzentrierter Form vor Augen – aber natürlich auch vor Ohren –, worum es in diesem Stück geht: um die schwelende Spannung zwischen der Gemeinschaft (hier dargestellt durch die ­gemeinsame Hingabe an den Kirchengesang) und dem Juden (eingeführt durch eine konkurrierende, einsame und aus der Perspektive der Gemeinde unfromme Hingabe an seine eigenen – in diesem Fall kommerziellen – Interessen). Die Logik der Szene ist aus der Dramaturgie der Grand Opéra bekannt; aber sie geht auch einher mit jüngeren Einsichten in die Logik sozialer Alterität. Hier werden die sozialen Bande der Gemeinschaft durch das abweichende Gebaren des Außenseiters bekräftigt und verstärkt. Anders gesagt, nicht nur durch die ­kollektive Frömmigkeit, die sie im Gesang bezeugen, werden die Menschen zur Menge, sondern auch kraft der gemeinsamen (und massiven) Brüskierung durch Éléazars Anderssein und Andershandeln: Die Gemeinde singt, und der Außenstehende hämmert dazwischen.

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Die Szene zu Beginn von La Juive nimmt die sehr viel berühmtere Störungsszene einer anderen Oper vorweg, eine Szene, in deren Zentrum ähnliche Momente gestaltet sind: Gesang, der als Gesang vorgetragen wird; ein Hammer; eine Begegnung im Freien; und eine Figur, die, wie sich zeigt, Zeichen des Judaismus erkennen lässt. Die Rede ist von der Szene im zweiten Aufzug von Die Meistersinger von Nürnberg, als Hans Sachs an der Werkbank vor seinem Haus seiner Schusterarbeit nachgeht, während Beckmesser versucht, Eva vor P ­ ogners Haus ein Ständchen zu bringen. Mich interessiert dabei nicht besonders, ob und inwiefern Beckmesser als „Jude“ konzipiert ist. Wichtig für unseren Kontext ist weniger Beckmessers religiöse Prägung als vielmehr die soziale und ästhetische Funktion des Pedanten als Außenseiter im Werk: Hier, wie in Scribes und Halévys Stück, behindert die Außenseiterfigur (Éléazar­dort wie Beckmesser hier) den reibungslosen Ablauf des sozialen Lebens, denn Eva und Walther gehören ja zusammen, und durch s­ einen ungelenken Gesang will Beckmesser deren „natürliches“ Zueinander ­hindern. Doch tritt dies in den zwei Stücken sehr unterschiedlich in ­Erscheinung – und eine kurze Betrachtung verrät die unterschiedliche Funktion dieser (religiösen, gesell­ schaftlichen) Differenz. In der berühmten Szene im zweiten Aufzug von Die Meistersinger wird Beckmessers komisch misslungene ­Absicht, Eva sein Ständchen zu ­bringen, durch Sachs’ nächtliches Schustern immer wieder unterbrochen. Wie in La Juive enthält und destilliert die Szene zwei sehr unterschiedliche Beziehungen zum Gesang, wenn auch die Voraussetzungen hier – wer singt und wer den Hammer schwingt – ins Gegenteil verkehrt sind: In Die Meistersinger sucht der Außenseiter (Beckmesser) sich auf dürftige und unpassende Art der Macht der Musik zu bedienen, während der Held (Hans Sachs), der später als Volksheld empfangen wird, sich des Hammers bedient, um diesen Anspruch

Beckmessers zu durchkreuzen. In beiden Opern dient der Hammer dazu, eine Szene des Musizierens zu stören, und in beiden Fällen ist die Störung Programm. In La Juive signalisiert sie Éléazars Widerstand gegenüber der Menge, seinen Widerwillen, sich ihr anzuschließen. Sachs’ Störmanöver ist nicht weniger absichtsvoll und sein Effekt nicht weniger deutlich, wenn es auch den gegenteiligen Zweck verfolgt: Es markiert die Haltlosigkeit von Beckmessers sozialem und ästhetischem Anspruch (und wie immer bei Wagner wird diese Haltlosigkeit der Ansprüche in beiden Bereichen verbunden). Ein weiterer Unterschied betrifft die Tonlage: Sachs’ Widerspruch ist komisch gefärbt, der Éléazars aggressiv. So ist der Lärm, den das Hämmern erzeugt, in diesen beiden Szenen ideologisch sehr unterschiedlich geprägt: In La Juive mischt sich das Hämmern in den ästhetischen Ausdruck der kirchlichen Feier und kennzeichnet den Hämmernden damit als anti-sozialen (und implizit anti-ästhetischen wie auch anti-christlichen) Außenseiter. Demgegenüber soll das Hämmern in Die Meistersinger den Einsatz von Kunst aus eigennützigen Motiven blockieren; es kennzeichnet damit den Hammer als Instrument sozialer und ästhetischer Gerechtigkeit und den Hämmernden als Beschützer ästhetischer Norm und sozialer Erneuerung. *** Im Verlauf seines Buches The Melodra­ matic Imagination, einer immens aufschlussreichen Untersuchung der Ästhetik des Mélodrames, weist der amerikanische Literaturtheoretiker Peter Brooks darauf hin, dass Mélodrame wie auch Komödie die Erfahrung einer Blockierung und deren sich anschließende Überwindung darstellen. „Was im Mélodrame blockiert wird“, so Brooks, „ist sehr selten der Drang zur erotischen Verbindung – was für die Komödie so typisch ist … Was blockiert, unterdrückt, versperrt wird, ist viel eher der Anspruch der Tugend, als Tugend zu

Text David J. Levin


existieren. So entsteht mit dem folgenden Triumph der Tugend nicht etwa wie in der Komödie eine neue Gesellschaft, die sich um das vereinte junge Paar herum bildet, befreit von der Behinderung, die durch die blockierende Figur aus der älteren Generation repräsentiert wird; vielmehr findet eine Wiederherstellung der alten Gesellschaft der Unschuld statt, die die Bedrohung ihrer Existenz jetzt ausgetrieben und sich ihrer Werte neu versichert hat.“ Die von Brooks hier festgestellten Unterschiede zwischen Komödie und Mélodrame helfen uns zu einem Verständnis der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den zwei Hammer-Szenen und den zwei Werken, in denen sie vorkommen. In beiden dient der Hammer als eine Art Alarm – ein schlagkräftiges Spektakel der Nichtzugehörigkeit. Doch dieser Alarm wird im Weiteren sehr unterschiedlich behandelt: Da Die Meistersinger eine Komödie ist, dient das Gehämmer im zweiten Aufzug einem komödiantischen Zweck, wenn es gattungskonform Beckmessers ästhetische Selbst­ ­ überschätzung entlarvt und damit sein deplatziertes Liebeswerben zum Scheitern bringt. (Der Hammer, so könnten wir sagen, ist das Instrument, das einen Nagel ins Grab von Beckmessers Anmaßungen schlägt.) Die Szene mit Sachs’ Gehämmer verhilft zur Entlarvung Beckmessers als inkompetentem Sänger und zu seinem Scheitern als (bejahrter) Freier und dient damit der Vereinigung des jungen Paares, als Verkörperung und Ermöglichung der sozialen Erneuerung, dem eigentlichen Ziel der Komödie. Einem ganz anderen Zweck dient der Hammer in La Juive. Wenn wir uns nochmals den Begriffen von Brooks’ Beobachtung zuwenden, gibt La Juive ihre Distanz zur konven­ tionellen Dramaturgie des Mélodrames zu erkennen, wie es in den Pariser Theatern der nachrevolutionären Periode bis 1835, dem Jahr der Uraufführung der Oper, die Bühnen beherrschte: Denn in La Juive kommt es zu keiner abschließenden Wiederherstellung

Illustration Tim Enthoven

Wäre es nach den Regeln der Kunst des Mélodrames gegangen, hätte sich die ­Störung durch Éléazars Gehämmer wieder auflösen müssen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Es endet in der Katastrophe.

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oder Bekräftigung der Unschuld der alten Gesellschaft, ebenso wie die Bedrohung ihrer Existenz nicht aufgehoben ist. Stattdessen endet La Jui­ ve mit einer Katastrophe – der brutalen Ermordung der einzigen unschuldigen Figur, der Feier der blutrünstigen Menge und einem allgemeinen Eindruck der Desorientierung und des Zerfalls. In diesem Fall verkündet der Hammer, der zu Beginn der Oper den Gesang der Gemeinde unterbricht, eine Spannung, die, weit davon entfernt, aufgelöst zu werden, im Verlauf der fünf Akte stetig zunimmt und schließlich unausweichlich zur Katastrophe führt, einer Katastrophe, die nicht durch die Aufhebung der Blockierung, sondern durch ihre endgültige Apotheose gekennzeichnet ist. Mit den Worten der Metapher formuliert, die diesen Werken gemeinsam ist: Noch bis zu den letzten Klängen von La Juive schwingt Éléazar den Hammer, den er zu Beginn benutzt. Mit seinen letzten Worten hämmert Éléazar die Botschaft ins Ziel: die brutale Differenz, für die der Hammer steht.

In Die Meistersinger zählt der Hammer zu den Requisiten der Komödie, indem er als Werkzeug der Lösung dient – der Anfertigung von Schuhen und der Kennzeichnung des Gesetzes –, auch wenn dieser Lösung letzte Spuren von Aggression und Ausschließung anhaften (da Beckmesser zum Verschwinden gebracht werden muss, damit Eva und Walther ein Paar werden können). In La Juive dient der Hammer als Instrument einer insistierenden und alles durchdringenden Unversöhnlichkeit. Hier findet das schlagkräftige Spektakel der Nichtzugehörigkeit kein Ende. Im Gegenteil – sein Widerhall steigert sich in diesem Werk zu einem regelrechten Getöse. Die sozialen, reli­ giösen und expressiven Differenzen, die zu Beginn von La Juive durch den Hammer auf die Bühne – und dadurch an den Tag und unter die Lupe – gebracht werden, werden also am ­ Ende des Werks weniger heraus­ gehämmert – sie werden eingehämmert. Aus dem Amerikanischen von Ute Spengler

David J. Levin ist Inhaber des Addie-Clark-Harding-Lehrstuhls in den Fachbereichen Theater- und Performancewissenschaften, ­G ermanistik und Film- und Medienwissenschaften an der ­University of Chicago. Er ist zudem als Dramaturg für Oper und Ballett in Deutschland und den USA tätig und arbeitete u.a. mit William ­Forsythe und Robert Altman.

La Juive Oper in fünf Akten Von Fromental Halévy Premiere am Sonntag, 26. Juni 2016, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im Internet auf www.staatsoper.de/tv Weitere Termine im Spielplan ab S. 209 Die Meistersinger von Nürnberg Oper in drei Aufzügen Von Richard Wagner Donnerstag, 28. Juli 2016, Nationaltheater Sonntag, 31. Juli 2016, Nationaltheater Die Vorstellung am 31. Juli wird im Rahmen von Oper für alle live auf den Max-Joseph-Platz übertragen (17:00 Uhr, Eintritt frei).

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Die Vorstellung wird zusätzlich im Rahmen von STAATSOPER.TV live im Internet übertragen.



„Mein Wort liegt in der Musik“

Er ist mittlerweile etwas aus dem Fokus der Medien gerückt – aber nach wie vor herrscht im Osten der Ukraine Krieg. Die ­Dirigentin Oksana Lyniv stammt aus dem ukrainischen Brody und ist seit der Spielzeit 2013/14 die musikalische ­Assistentin von Generalmusik­direktor Kirill ­Petrenko. Bei den diesjährigen Opernfestspielen dirigiert sie in der Reithalle die Uraufführung von Mauerschau – ein Werk über Krieg, die Ukraine und eine starke Frau.

Uraufführung Mauerschau


Festspiel-Werkstatt

English Excerpt Page 226


Es sprudelt nur so aus ihr heraus, wenn es um die ukrai­ nische Kunst und Kultur geht, ganz gleich ob aus der fernen oder nahen Vergangenheit. Da erzählt Oksana Lyniv von den Skythen, den Amazonen und den Sarmaten, jenen alten Kriegsvölkern, die in grauer Vorzeit im Gebiet der heutigen Ukraine gelebt haben sollen. Matriarchalische Gesellschaften mit einer starken Frauenkultur. Sie erzählt von ­Gogol und anderen Literaten des Landes, die ihre Werke nur auf ­Russisch schreiben durften und nicht in ihrer eigent­ lichen Muttersprache, und sie berichtet von ukrainischen Kom­ponisten, die sich nur schwer gegen die russische Übermacht behaupten konnten. Ganz deutlich merkt man ihr die Sorge an, wenn die jüngsten Entwicklungen in i­ hrem Heimatland zur Sprache kommen.

MJ Wie beobachten Sie, die Sie mittlerweile in Deutschland leben, die aktuelle Situation in der Ukraine? OL Ich erkläre mir die schwierige Situation so, dass die ­Ukraine durch ihre günstige zentrale Lage und durch ihre guten natürlichen Gegebenheiten, also fruchtbare Böden, Bodenschätze, Zugang zum Meer, schon immer ein umkämpftes Territorium war. So ist es auch jetzt. Ich glaube, der Konflikt ist absolut künstlich gemacht, es ist sicher kein Konflikt zwischen russischer und ukrainischer Kultur oder russischen und ukrainischen Menschen. Die Menschen haben sich nämlich immer gut verstanden. Es ist ein Konflikt, der von oben geschürt wird und bei dem es letztlich um eine neue Aufteilung des Territoriums geht. Menschliches Leben zählt leider nicht, wenn es um politische und finanzielle Interessen geht und wenn die Mächtigen ihr Spiel spielen. Für mich ist es absurd, dass man im 21. Jahrhundert immer noch nicht aus der Geschichte gelernt hat. Wie jeder Konflikt ist auch die aktuelle Situation nicht aus dem Nichts heraus entstanden, sondern ist eine Konsequenz der Ereignisse in den Jahren und Jahrzehnten zuvor. Und da sind Fehler passiert, da hat man sich verschätzt. In bestimmten Dingen war man einfach zu locker und hat zugelassen, dass es so weit gekommen ist. Man hat sich regelrecht vermessen. MJ Können Sie das noch näher erläutern?

MAX JOSEPH Mit Mauerschau kommt bei den Festspielen ein Musiktheaterwerk zur Uraufführung, das der Komponist, die Regisseurin und das Künstlerduo Luftwerk von Anfang an in enger Zusammenarbeit konzipiert haben. Inwieweit waren Sie an der Entstehung von Mauerschau beteiligt? OKSANA LYNIV Vor ungefähr eineinhalb Jahren fragten mich der Komponist Hauke Berheide und die Librettistin und Regisseurin Amy Stebbins, ob ich einige ukrainische Lieder beisteuern könnte. Das Sujet von Mauerschau ist an die Geschichte der Amazonen angelehnt, und diese mythologischen Kriegerinnen sollen im Gebiet der heutigen ­Ukraine gelebt haben. Es geht um Krieg, so wie auch heute in der Ukraine Krieg herrscht. Und das sollte durch Zitate ukrainischer Lieder symbolisiert werden. Im Libretto werden außerdem Verse des ukrainischen Dichters Mykola Voronyi zitiert, aus einem Lied, das sehr populär war, als die ukrainische Armee vor dem Zweiten Weltkrieg gegen das Regime der Sowjetunion gekämpft hat. Das Stück untersucht den Gegensatz zwischen einer unmittelbaren Kriegssituation und dem bloßen Beobachten des Kriegs aus der Ferne, dem Bericht über den Krieg durch die Medien.

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OL Diese Region an der Grenze zu Russland war mehr oder weniger immer schon eine Kriegsregion. Sogar nach 1917 stand das Gebiet unter russischer Kontrolle, 1922 wurde es Teil der UdSSR. Zu Stalins Zeiten wurde die ukrainische Intelligenz vernichtet. 1933 führte Stalin eine künstliche Hungersnot herbei, bekannt geworden unter dem Namen Holodomor, bei der 3,5 Millionen Menschen ums Leben kamen (die genauen Umstände und Opferzahlen dieser Hungersnot sind zwischen Russland und der Ukraine, aber auch auf inter­nationaler Ebene bis heute ein politischer Streitpunkt, ­d. Red.). Es waren schlimme Jahre, die Erzählungen, auch in meiner eigenen Familie, sind entsetzlich. In Russland wurden danach viele Menschen regelrecht angeworben, in die Ukraine überzusiedeln, um die Völker zu mischen und den ukrainischen Freiheitsgeist zu brechen. Die Folgen ­dieses Konflikts spüren wir heute noch. Auch nach 1991 sind dann Fehler gemacht worden, Präsident Juschtschenko hat in seiner antirussischen ­Politik übertrieben: Alles Ukrainische wurde Pflicht, die russische Sprache als offizielle Sprache sollte verboten werden. Es war gut gemeint, aber wirtschaftliche Reformen wären viel wichtiger gewesen. Von der russischstämmigen Be­ völkerung ist diese Politik als Gewalt empfunden worden. Wie­ derum hat Russland sich eingemischt, manipuliert und den Leuten finanzielle Versprechungen gemacht, die gerade in einer bestimmten Schicht auf fruchtbaren Boden gefallen sind.

Interview Florian Heurich




„Plötzlich steht der Krieg vor deiner Haustür, und alles ist anders. Das musste ich selbst erleben, um es nachempfinden zu können.“ – Oksana Lyniv

MJ Sie stammen aus der Westukraine, wo es relativ friedlich ist. Wie schaut man von dort in den Osten des Landes, wo der Krieg stattfindet? OL Alle Menschen fühlen alles mit. Von Anfang an hat der Konflikt das ganze Land betroffen. Schon zu Beginn, bei den Demonstrationen in Kiew, haben Leute von überallher teilgenommen. Außerdem werden Männer aus dem ganzen Land zum Armeedienst einberufen, das ist hier vielleicht gar nicht so bekannt. Auch mein Bruder wurde für drei Monate eingezogen und in das gefährliche Gebiet im Osten geschickt. Man kann sich also auch in den ruhigen Landesteilen auf keinen Fall vom Krieg distanzieren. Jeder stellt sich die Frage, wie es dazu kommen konnte, und warum die Leute so leicht zu beeinflussen waren und mitgemacht haben. MJ Hat sich für Sie die Wahrnehmung der Geschehnisse in ihrem Land verändert, seit Sie nicht mehr dort leben? OL Es war für mich sehr wichtig, viel mit meinen Freunden und meiner Familie in der Ukraine zu kommunizieren und auch dorthin zu reisen, um zu verstehen und zu fühlen, wie sich das Leben und damit auch die Mentalität der Leute durch diese schreckliche neue Realität verändert haben. Plötzlich steht der Krieg vor deiner Haustür, und alles ist anders. Das musste ich selbst erleben, um es nachzuempfinden. Aus der kleinen Stadt Brody etwa, aus der ich stamme, kamen einmal acht junge Männer in den Kämpfen im Osten ums Leben, weil ihr Hubschrauber abgeschossen worden war. Das war ein traumatisches Erlebnis für die Menschen dort. Das kann man sich aus der Ferne gar nicht richtig vorstellen.

Fotografie Matthias Ziegler

MJ Von 2008 bis 2013 haben Sie als stellvertretende Chefdirigentin an der Oper von Odessa gearbeitet. Welche Rolle spielt die Kunst in Ihrem Land? Wie kann man sich als Künstler in solch einer Konfliktsituation positionieren und seine Stimme erheben? OL Es heißt zwar oft, das Land hat jetzt ganz andere Probleme als die Kunst. Aber gerade jetzt setzen sich Künstler sehr intensiv mit politischen Fragen auseinander und fühlen sich verantwortlich für die Zukunft des Landes. Ich versuche, mit ukrainischen Künstlern in Kontakt zu bleiben und sie zu beraten. In Odessa wird beispielsweise über eine neue Wagner-Inszenierung durch einen deutschen Regisseur ­ nachgedacht, das freut mich sehr. Oder in Lemberg ist ein Mozart-Festival in Planung. Bei solchen Projekten bringe ich mich gerne als Kontaktperson im Ausland mit ein. Und: Odessa war immer schon pro-russisch. Durch meine Zeit dort kann ich vielleicht auch etwas mehr die Perspektive der russischsprachigen Ukrainer sehen. Umso wichtiger ist es, eine kulturelle Entwicklung mit voranzubringen – je mehr Menschen über die ukrainische Kultur Bescheid wissen, desto weniger leicht manipulierbar sind sie, etwa auch durch russische Popmusik und dergleichen. Aber wahr ist auch: Viele Künstler durchleben gerade eine Schaffenskrise wegen der furchtbaren Nachrichten, die einen jeden Tag erreichen. MJ Krisenzeiten können die Kunst und die Künstler entweder lähmen oder beflügeln. Wie ist es in der Musik? Wie ist es bei Ihnen? OL Ich versuche, die aktuelle Situation auch philosophisch zu verstehen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Unabhängigkeit der Ukraine hat das Land zwanzig Jahre lang eine schon fast zu ruhige Zeit durchlebt. Eine Zeit, die den Menschen eine trügerische Sicherheit vorgegaukelt hat. Es wurden zu wenig Fragen gestellt. Man war zu unkritisch. Früher oder später musste etwas passieren. Für mich persönlich kann ich sagen: Mein Wort liegt in der Musik. Und gerade jetzt ist der Zeitpunkt, im Ausland mehr von der Ukraine und ihrer Kultur zu erzählen. Historisch und politisch gesehen musste sich die Kultur schon immer gegen eine Übermacht der russischen Kultur behaupten. ­Nikolai Gogol und andere Literaten des Landes durften nur auf Russisch und nicht in ihrer Muttersprache publizieren. Deshalb liegt es mir am Herzen, das Publikum im westlichen Europa mit der ukrainischen Musik bekanntzumachen. Für den B ­ ayerischen Rundfunk habe ich mit den Bamberger ­Symphonikern beispielsweise die symphonischen Werke ­von Boris Ljatoschinski aufgenommen, einem Zeitgenossen von Schostakowitsch. Diese Musik ist so gut wie unbekannt, da zu Sowjetzeiten alles Gute aus Moskau zu kommen hatte und nicht etwa aus Kiew oder der Ukraine. Deshalb gelangte nichts von allen diesen Werken nach draußen. Ich sehe mich also ein bisschen als Vermittlerin der ukrainischen Kultur.


„Manchmal müssen Kirill ­Petrenko und ich lachen, wenn wir komplett gegensätzliche Vorstellungen haben. Aber es macht ja gerade einen ­Dirigenten aus, dass er die Fähigkeit hat, die Partitur auf individuelle Art und Weise erklingen zu lassen.“ – Oksana Lyniv

MJ Mauerschau bezieht sich auf Kleists Penthesilea, die ­Königin der Amazonen, die Kriegerin. Sie gilt uns bis heute als Inbegriff der starken Frau in einer Tätigkeit, die ansonsten von Männern ausgeübt wird. Sehen Sie Parallelen zwischen sich und Penthesilea? OL Es ist interessant, dass bei Penthesilea die Liebe zu Achilles gleichzeitig auch ein Kampf ist zwischen Mann und Frau. Es geht um Unterwerfung, um die Rolle des Sieges in einer Beziehung. Es geht um die Balance zwischen Penthesilea als Frau mit ihren von der Gesellschaft vor­ gegebenen Bestimmungen und Penthesilea als starker Persönlichkeit, die in ihrem Leben etwas erreichen will. Gott sei Dank leben wir jetzt im 21. Jahrhundert, und alles ist möglich. Dirigentinnen sind aber trotz allem noch keine Selbstverständlichkeit. Ich bin froh, diesen Beruf zu haben, auch wenn es nicht immer leicht ist. Es wird mit der Zeit aber immer leichter. Durch die Erfolge bekommt man mehr Angebote, und man hat die Chance, die eigene Leistung zu zeigen. MJ Nervt Sie die Frage nach Frauen am Dirigentenpult? Ist es überflüssig darüber zu reden, oder ist das nach wie vor ein Thema? OL Ich weiß, dass viele meiner Kolleginnen von dieser Frage genervt sind, weil sie nicht als Dirigentinnen in irgendeine Nische geschoben werden wollen. Mich stört dieses Thema nicht, vielmehr versuche ich, von außen draufzuschauen. Ich finde es jedes Mal spannend, eine Frau im Konzert zu erleben und ihre Körpersprache und ihr Temperament zu beobachten. Es ist nämlich trotzdem ein bisschen anders als bei Männern. Deshalb finde ich die Frage auch durchaus gerechtfertigt.

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MJ Womit erklären Sie sich, dass trotz allem immer noch ­relativ wenige Frauen diesen Beruf ergreifen? OL Das Klischee des Männerberufs Dirigent ist immer noch sehr präsent. Außerdem braucht man für diesen Beruf schon bestimmte Charakterzüge, die Frauen nicht ­un­bedingt zugeschrieben werden oder als typisch weiblich gelten. Man muss sich von seiner Persönlichkeit her schon sehr zum Leader berufen fühlen, und das hat man Frauen nicht unbedingt beigebracht. Deshalb traut sich vielleicht auch nicht jede Frau in diesen Beruf, selbst wenn sie musika­ lisches Talent hat. MJ Als Sie Mitte der 1990er Jahre in Lemberg mit dem Dirigierstudium begonnen haben, waren Sie da noch eine Exotin in Ihrem Umfeld? OL Wir waren zwei Studenten pro Dirigierkurs, und in meinem Jahrgang waren wir eben zwei Frauen. Meine damalige Mitstudentin ist jetzt an der Lemberger Oper engagiert. ­Davor allerdings gab es zehn Jahre lang keine einzige Frau in diesem Studienfach. Aber das Studium ist eine Sache, die Berufspraxis eine andere. Man braucht am Anfang schon Unterstützung von Personen, die an einen glauben. Meine Familie war anfangs auch eher skeptisch. Ich war zuerst Lehrerin an einer Spezial-Musikschule für begabte Kinder und habe diese Stelle gekündigt, um mit dem Dirigierstudium zu beginnen. Das haben die Leute überhaupt nicht verstanden. MJ Generell hat sich ja das Berufsbild Dirigent gewandelt, weg vom alles dominierenden Herrscher am Pult, hin zum künstlerischen Dialogpartner. OL Genau, es herrscht heute zwischen Musikern und Dirigent mehr Demokratie. Deshalb sind in den letzten Jahren auch sehr viele interessante junge Dirigenten auf den Konzertpodien erschienen. Der Dirigent ist heute eher eine krea­tive, energiegeladene, starke Person mit Ausstrahlung und frischen Ideen. Dieser Wandel des Berufsprofils erlaubt auch Frauen, hier ihre Chancen zu ergreifen. MJ Ende Januar fand in München eine Konferenz über Frauen im Musikbetrieb statt, an der Sie teilgenommen haben. Dort kam die Frage auf, wie lange es noch dauert, bis eine Frau das Wiener Neujahrskonzert dirigiert. Was schätzen Sie? OL (lacht) Das kann ich wirklich nicht sagen. Das kann schon bald sein, es kann aber auch noch etwas dauern. Vielleicht möchte ja jemand einmal einen Knaller setzen in so einer traditionsreichen Veranstaltung. Für mich ist das aber nicht wirklich ausschlaggebend. Es liegt am Mut und am Vertrauen derjenigen, die solche Entscheidungen treffen.



MJ Sie haben im April dieses Jahres die Opernstudio-Produktion von Albert Herring dirigiert. In dem fiktiven englischen Städtchen Loxford, in dem Benjamin Britten seine Oper spielen lässt, haben vor allem die Frauen das Sagen.

Florian Heurich ist Musikjournalist. Für die ­Bayerische Staatsoper gestaltet er die Videoclips und Audio-Podcasts zu den Neuproduktionen, für BR-Klassik produziert er Radiofeatures und Reportagen.

OL Dass in Loxford die Frauen so stark und die Männer so schwach sind, ist aber als Karikatur gemeint. Dort herrscht kein Gleichgewicht mehr. Wenn die Männer schon so unterdrückt sind, dass sie das Gesicht verlieren, ist es auch für mich als Frau nicht mehr interessant. Ich sehe mich nicht als Feministin. Ich möchte immer mit starken Personen kommunizieren, und beide Geschlechter müssen so stark, individuell und interessant sein wie möglich. MJ An der Bayerischen Staatsoper haben Sie unter anderem La clemenza di Tito, Lucia di Lammermoor und Die Fledermaus dirigiert, und in der nächsten Spielzeit folgt Ariadne auf Naxos. Damit haben Sie eine Reihe von Produktionen von ­Kirill ­Petrenko übernommen, die Sie gemeinsam mit ihm einstudiert haben. Wie sehr beeinflusst diese Arbeit Ihre eigene Interpretation? OL Wenn ich mit Kirill Petrenko zusammenarbeite, versuche ich, mit dem halben Kopf seine Interpretation und Heran­ gehensweise an die Partitur konzeptuell nachzuvollziehen und zu erfassen. Mit der anderen Hälfte mache ich mir meine eigenen Gedanken, die ich realisieren möchte, wenn ich das Stück einmal übernehme. Darüber tausche ich mich manchmal auch mit Kirill Petrenko aus – der natürlich ­davon ausgeht, dass ich meine eigene Meinung habe. Manchmal müssen wir sogar lachen, wenn wir komplett ­gegensätzliche Vorstellungen haben. Aber es macht ja gerade einen Dirigenten aus, dass er die Fähigkeit hat, die Partitur auf individuelle Art und Weise erklingen zu lassen.

Oksana Lyniv, geboren im ukrainischen Brody, ­studierte Dirigieren in Lwiw (Lemberg) und war als Assis­tentin des Chefdirigenten am dortigen ­­Opernund Balletttheater engagiert, bevor sie 2003 ­ständige Gastdirigentin des Leopolis-Kammer­ symphonieorchester in Lwiw wurde. 2004 gewann sie den Dritten Preis beim Gustav-Mahler-­ Dirigenten-Wettbewerb in Bamberg. Von 2005 bis 2009 a ­ bsolvierte sie ein Aufbau- und anschließend ein Meisterklassen­studium an der Dresdner ­Musikhochschule. Von 2008 bis 2013 war sie stellver­tretende Chefdirigentin am Opernhaus von Odessa. Seit der Spielzeit 2013/14 ist sie an der Bayerischen Staatsoper als musikalische Assistentin des Generalmusik­direktors Kirill Petrenko ­engagiert. Hier dirigierte sie bislang die ­Neu­produktionen von Boris Blachers Die Flut, ­Gioachino Rossinis Le Comte Ory, Poul Ruders‘ Selma ­Jezková und B ­ enjamin Brittens ­Albert ­Herring ­sowie u.a. La c ­ lemenza di Tito, La­­traviata, Die ­Fledermaus und Lucia di Lammermoor.

MJ Gehen Sie an Stücke wie Albert Herring oder die Uraufführung Mauerschau, die Sie von Grund auf selbst erarbeiten, mit freierem Kopf heran? OL Das würde ich nicht sagen, denn auch Werke, die ich vorher schon einmal dirigiert habe, betrachte ich jedes Mal wieder neu, wenn ich mich länger nicht damit beschäftigt habe. Man verarbeitet ja nicht nur Erfahrungen, die man mit anderen Dirigenten gemacht hat, man entwickelt sich ja auch als Mensch weiter und hat immer wieder neue ­Ideen. Es wäre ja langweilig, wenn man sich und andere immer nur kopieren würde. Man diskutiert eigene Erfahrungen mit sich selbst. Nur so kann man sich als Künstler ­weiterentwickeln und weiter für die Sache brennen. Alles andere wäre absolute Routine.

FESTSPIEL-WERKSTATT Mauerschau Eine Oper über Heinrich von Kleists Penthesilea Von Hauke Berheide, Libretto Amy Stebbins Uraufführung am Mittwoch, 29. Juni 2016, Reithalle Weitere Termine im Spielplan ab S. 209 Festspiel-Gottesdienst Solisten und Chor der Bayerischen Staatsoper Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung: Oksana Lyniv Sonntag, 3. Juli 2016, 10:00 Uhr, St. Michael, Neuhauser Straße

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Zu Mauerschau siehe auch die Texte auf S. 84 und S. 122

Eintritt frei


N A J A

C O F F E E

TA B L E

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Wer sind sie?

Wilde und Amazonier auf der Bühne: Über die Konstruktion des Fremden in Jean-Philippe Rameaus Les Indes galantes und M ­ auricio ­Kagels Mare Nostrum.

So geschlossen war und ist keine Kultur, dass sie nicht nach rechts und links schaute, sich nicht holte, was ihr nützte, von fremden Hochkulturen oder indigenen Völkern. Da können Gewissheiten, was das Eigene und das Fremde sei, ins Wanken kommen. Allerdings wäre man blind, wollte man angesichts einer globalen Flüchtlingskrise nicht erkennen, dass die Neigung, unter seinesgleichen bleiben zu wollen, das Fremde im eigenen Umfeld nicht zu dulden und auszuschließen, in letzter Zeit nicht geschwunden, sondern gewachsen ist. Nach dem Zusammenbruch kolonialer Reiche im 20. Jahrhundert ist die „Überlegenheit“ Europas und seine kulturelle Vormachtstellung vor anderen Zivilisationen zwar diskreditiert. Doch die seit der frühen Neuzeit geführte Debatte über das komplexe Verhältnis Europas zum Fremden außereuropäischer Kulturen, diese Debatte hat sich im postkolonialen Zeitalter nicht erledigt. Was wird gewonnen, wenn Brücken zwischen Kulturen, die einander fremd sind, geschlagen werden? Eine friedliche Koexistenz mit dem anderen? Oder sollte man vermuten, hier sei eine Spielart der Kolonisierung in Gestalt einer fragwürdigen Fusion am Werk? In beiden Fällen, Koexistenz oder Fusion, ist eine Auseinandersetzung um Normen und Werte, Lebensweisen und Religionen sowie um Menschenrechte notwendig. Sie begann mit der europä­ ischen Aufklärung, und sie wird darüber entscheiden, ob das frühe 21. Jahrhundert zu einer Ära ethnischer Kreuzzüge missraten wird. Die Wertvorstellungen über kulturelle Unterschiede sind in den 1730er Jahren noch nicht auf eine exkludierende Repräsentation des Fremden fixiert. Das ist typisch für die Zeit, in der Jean-Philippe Rameau (1683–1764) und sein Librettist Louis ­Fuzelier (um 1672–1752) die Ballettoper Les Indes galantes (1735/36) schufen. Fernliegend und zugleich nahestehend sind die exotischen Milieus und Geschichten, die in einem Prozess der Assimilierung des Fremden an das Eigene Gestalt annehmen. Dabei dreht sich nicht alles nur um die Liebe, die in Zeiten des Krieges auswandert und herausfinden will, ob sie anderswo, bei den Türken und Persern, den Inkas in Peru und Indianern Nordamerikas noch eine Chance hat. „Sanfte Kolonisierung“ und aufgeklärte Kritik Es lebt sich gut in den Wäldern Nordamerikas, wie im Paradies: „Himmel, du schufst sie für die Unschuld und den Frieden. Erfreuen wir uns unserer Zufluchtsorte, genießen wir die Gaben der Stille!“ Das Wunschland, das Rameau und Fuzelier in Les Sauvages, dem letzten Akt von Les Indes galantes, entwerfen, scheint wie geschaffen für Zivilisationsmüde: eine Projektion all dessen, was die eigene Gesellschaft unterdrückt und verdrängt. Ganz im Sinn der französischen Aufklärung ist die geschickt lancierte Botschaft an das Publikum, die ­Fuzelier in der knappen Handlung auf den Punkt bringt: „Nous suivons sur nos bord l‘innocente nature“ („Hierzulande folgen wir der unschuldigen Natur“), so gibt es die indianische Häuptlingstocher Zima ihren europäischen Verehrern Alvar und Damon zu verstehen. Zima entzieht sich der kolonialen Umarmung, widersteht den Ver­lockungen der Zivilisation und wählt den Indianerkrieger Adario: „In unseren Wäldern ist man ehrlich.“

Festspielpremiere Les Indes galantes

Festspiel-Werkstatt Mare Nostrum


English Excerpt Page 227

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Robert Flynt, big arm solar, 2011


Robert Flynt, perspective, 2011


Bei Rameau entzieht sich die Häuptlingstochter Zima der kolonialen Umarmung und wählt den ­Indianerkrieger­ ­Adario. Bei Kagel sind, 200 Jahre ­später, die Paradiese, die man sich einst in der Ferne erträumte, verschwunden.

Der Begriff des edlen Wilden, der von Natur aus gut sei, ist ein klassischer Topos der europäischen Aufklärung, die das Fremde indigener Kulturen in ein kritisches Gegenbild zur eigenen korrupten Gesellschaft ummodelte. Was sich im Zuge der Aufklärung dann verändert, das ist die Wahrnehmung des anderen, in dem sich europäische Selbstund Wunschbilder spiegeln, begleitet von einer ernstzunehmenden kritischen Auseinandersetzung mit der europäischen Kolonialpolitik. Distanz zu ihrer unerfreulichen ­Geschichte hält auch Louis Fuzelier, wenn im Akt Les Incas de Perou die räuberische Landnahme und rücksichtslose Ausbeutung materieller Ressourcen durch die spa­nische Conquista zur Sprache kommen. Fuzelier, neben seiner Tätigkeit als Theaterautor seit 1721 einer der verantwortlichen Redakteure der Zeitschrift Mercure de France, kannte die Diskussion. Er rezipierte Reiseberichte, mit denen er als Leser an den Entdeckungen in Amerika teilnehmen konnte. Und er hatte als Journalist des Mercure mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit auch die Gelegenheit, im Pariser Théâtre Italien zusammen mit Rameau das Gastspiel von zwei indianischen Häuptlingen aus dem fernen Louisiana zu besuchen. Die Indianer, die dort den Tanz der Friedenspfeife aufführten, waren im Herbst 1725 mit einer kleinen Delegation vom Missouri und oberen Mississippi nach Frankreich gekommen. „Sie waren nackt, am ganzen Körper mit verschiedenen Farben beschmiert“, berichtete der Mer­cure über ihren Besuch im Pariser Haus der kolonialen Handelsgesellschaft „Compagnie des Indes“ (der Französisch-Westindischen Kompanie). „Auf dem Kopf trugen sie eine Federhaube, und sie waren, um ihre Blöße zu bedecken, mit einem scharlachroten Lendenschurz bekleidet. In den Händen hielten sie Pfeile und Bogen, und derjenige, der die Gruppe anführte, brachte eine lange, mit bunten Federn geschmückte Pfeife mit, die sie Calumet [Friedenspfeife] nennen.“ Die Häuptlinge waren die Sensation von Paris. Man reichte sie herum in den vornehmen Salons des Hochadels und kutschierte sie zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt, nach Versailles und Fontainebleau. Man verkleidete sie à la française mit Justaucorps, Weste und Kniehosen und führte sie aus in die Pariser Oper, bis ihnen nach zwei Monaten der fünfzehnjährige Ludwig XV. endlich eine Audienz gewährte. Frankreich, das seine Kolonie Louisiana im zentralen Nordamerika ruhighalten und die französisch-indianischen Beziehungen nicht gefährden wollte, setzte anders als die Engländer mit ihren aggressiven Expansionsgelüsten, solange es ging, auf die Mittel einer sogenannten „sanften“ Kolonisierung. Und die Indianer? Im Gegenzug verlangte ihr Wortführer, Häuptling Agapit Chicagou, von der Französisch-Westindischen Kompanie, dass ihre territoriale Souveränität respektiert werde. „Die Franzosen sind auf unserer Seite“, war im Mercure de France zu lesen. „Wir überließen ihnen das Land, das wir in Kaskaskia besaßen [am Zusammenfluss von Kaskaskia River und Mississippi, d. Vf.]. Wir sind mit ihnen sehr zufrieden. Aber es ist nicht gut, wenn sie kommen, um sich mit uns zu vermischen, sich mitten in unserem Dorf und in unserer Wildnis niederlassen.“ Chicagous kritische Stellungnahme, die Louis Fuzelier Jahre später in der Rolle der Indianerprinzessin Zima konzentrierte, thematisiert Frankreichs Methoden der Kolonisierung in Nordamerika. Im kolonialkritischen Diskurs wurde sie immer wieder der gewaltsamen Unterwerfung, in erster Linie durch die Spanier, entgegengehalten, aber nicht weniger diskutiert. Das alternative Kolonisationsmodell war nicht frei vom Gestus kultureller Fremdbestimmung und Frankreichs politischen Ambitionen, die mit den wirtschaftlichen Interessen der Französisch-Westindischen Kompanie konvergierten. Und in dieses fragwürdige Modell der Befriedung passt auch die Begünstigung von Misch­ ehen zwischen französischen Kolonisten und Indianerinnen. Auf den Kopf gestellt Es stinkt grauenhaft, einfach abscheulich. Wo man hinsieht an der Küste Südwesteuropas, dies ist kein Paradies. „Der Gestank der Leute war unheilver … (Pause) … kündendt. Die Alten rochten nach Faulnis (nicht Fäulnis), die Weiber pestilenzialisch, verschimmelt die

Text Barbara Zuber

Bilder Robert Flynt


Mädchen, die Männer nephitisch, die Knaben aasig: Weißen badeten ungern“ – berichtet in Mauricio Kagels Mare Nostrum (1973/75) ein Amazonier über die Europäer. Die szenische Komposition für einen Sprecher/Bariton, der auch zahlreiche Instrumentalaktionen ausführen soll, sowie für einen Countertenor und sechs Instrumentalisten stellt die Geschichte der Kolonisierung Südamerikas auf den Kopf. Sie handelt über die „Entdeckung, Befriedung und Konversion des Mittelmeerraumes durch einen Stamm aus Amazonien“. Die Pointe der postkolonialen Satire ergibt sich aus einer Umkehrung der Verhältnisse zwischen Eroberern und Kolonisierten. Ihre Rollen als Täter und Opfer werden ausgetauscht. Natürlich waren, wie der Zuschauer weiß, in Wahrheit die Amazonier die Unterworfenen. Doch der abgründige Witz von Mare Nostrum besteht nun darin, dass die kolonisierten Europäer sich als die Amazonier Südamerikas entpuppen. Diese paradoxe Umkehrung ist typisch für Kagels Musiktheater und seine dekonstruktiven Subversionen, Störungen und Interventionen, die vertraute Zuschreibungen durchkreuzen und binäre Oppositionen auflösen. Kagels Programm ist der gelebte Widerspruch, ein musiktheatrales Spiel zwischen allen Stühlen. Das artifiziell defizitäre Deutsch des indianischen Erzählers, ein verfremdetes Gastarbeiterdeutsch der ersten Immigrantengeneration, ist sarkastisch gespickt mit historisch-kolonialem Wissen über die gewaltsame Missionierung, Versklavung, Ausplünderung und Vernichtung der indigenen Völker Süd- und Mittelamerikas. Das Material entnahm Kagel seiner Americana-Sammlung, um es listig in Stellung zu bringen: als Waffe der Kritik gegenüber Portugiesen, Spaniern und Franzosen, aber auch Türken und Arabern, sie allesamt kolonisierende Eroberer in Übersee oder am Mittelmeer. Nichts wird ausgeschlossen in Kagels Abrechnung, auch nicht der nationalsozialistische Genozid an sechs Millionen Juden: „Wir sollten das Land des Außergewählt-weinen-können vor Beginn der Regenzeit erreichen“, erzählt der Amazonier, als ihr Schiff der Küste Palästinas entgegensegelt. „Ja … jeder Dämon das Seine“, stammelt er, als sich der Countertenor langsam entkleidet. Mit der Anspielung auf den Wahlspruch Friedrichs I. („Jedem das Seine“), der zynisch das Gittertor des Konzentrationslagers Buchenwald zierte, radikalisiert Kagel noch einmal den kolonialkritischen Diskurs über Völkermorde, der in der frühen Neuzeit begann. Die Paradiese, die man sich einst in Europa in der Ferne exotischer Kulturen ­erträumte, sind in Mauricio Kagels Satire über die gewaltsame „Zivilisierung“ des Mittelmeerraums respektive der indigenen südamerikanischen Völker verschwunden. Im Zeitalter des Postkolonialismus und der Globalisierung gibt es kein Anderswo mehr. Gleichwohl werden weiterhin Bilder des Fremden mit einer Mixtur aus Erfahrenem und Erfundenem produziert. Bemerkenswert ist nicht etwa, dass es sie überhaupt gibt. ­Entscheidend ist die Frage, ob diese Bilder nur ausgrenzende Differenzen vermitteln oder den eigenen Verstehenshorizont zu erweitern vermögen. „Differenzkonstruktion“, so der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel in seinem Buch Die Entzauberung Asiens, „schafft nicht Raum für Toleranz, sondern bestätigt die Überlegenheit des Betrachters und Kulturrichters.“ Und sie bestärkt im politischen Diskurs rund um das Thema Flucht und Einwanderung die Furcht vor dem Fremden, die sich in dem gewaltigen Konstrukt „Festung Europa“ spiegelt – ein Begriff aus dem Kriegswortschatz der Nationalsozialisten, den zuletzt Österreichs Innenministerin im Zuge der europäischen Flüchtlingskrise 2015 ins Spiel brachte. Der Verteidigungsring, gepanzert mit hohen Grenzzäunen, Sicherheitskräften und Überwachungssystemen, wird nichts daran ändern, dass das Mittelmeer die gefährlichste Zone für Flüchtlinge aus Nahost und Afrika bleiben wird. Die Römer waren übrigens die ersten, die es mare nostrum nannten, nachdem sie seine Küsten erobert und kolonisiert hatten. Man sollte mare nostrum mit einem Fragezeichen versehen, solange das Mittelmeer für Tausende von Flüchtlingen auf der Suche nach einem sicheren Ort eine todbringende Grenze ist. Mehr über die Autorin und den Bildkünstler auf S. 20

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Man sollte mare nostrum, die Bezeichnung der alten Römer für das ­Mittelmeer, mit einem Frage­ zeichen versehen, solange dieses Meer für ­Tausende von ­Flüchtlingen auf der Suche nach einem sicheren Ort eine todbringende Grenze ist.

Les Indes galantes Opéra-ballet in vier Aufzügen und einem Prolog Von Jean-Philippe Rameau Premiere am Sonntag, 24. Juli 2016, Prinzregententheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere im ­Internet auf www.staatsoper.de/tv – FESTSPIEL-WERKSTATT Mare Nostrum Entdeckung, Befriedung und Konversion des ­Mittelmeerraums durch einen Stamm aus ­Amazonien für Countertenor, Bariton, Flöte, Oboe, Gitarre, Harfe, Violoncello und Schlagzeug Von Mauricio Kagel Premiere am Freitag, 8. Juli 2016, Reithalle – Die unmögliche Enzyklopädie extra: Schöne ferne Welten Die Veranstaltung geht direkt in Mare Nostrum über. Sonntag, 10. Juli 2016, Reithalle

Weitere Termine für Les Indes galantes und Mare Nostrum im Spielplan ab S. 209


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Dyna Drei junge Komponisten, zwei Uraufführungen und in den Werken jede Menge Sprengstoff: Saskia Bladt und Torsten Herrmann ­machten sich mit einem Kollektiv junger Opernschaffender an Peter ­Verhelsts apo­kalyptischen Roman Tonguecat. Hauke Berheide komponierte die Musik zu Mauerschau, einer Oper über Kleists ­Penthesilea. Barbara Doll stellt die Komponisten vor. Uraufführung Tonguecat Uraufführung 84 Vorstellungsankündigung Mauerschau


amit Rubrikentitel Festspiel-Werkstatt

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VorstellungsankĂźndigung


Saskia Bladt Komponistin von Tonguecat Sie kommt mit dem Fahrrad auf den Platz der Wiener Symphoniker in Bregenz gefahren. Gepunktete Strumpfhose, offenes Lächeln. Der Treffpunkt liegt zwischen der Seebühne und einem Kinderspielplatz – ein Dualismus, der in ihrem Leben eine große Rolle spielt. Mit dem fünfjährigen Gustav und der zweijährigen Clara (nein, sie sind nicht nach Herrn Mahler und Frau Schumann benannt) sind Saskia Bladt und ihr Mann, ein Dirigent, erst vor wenigen Monaten aus Rom zurückgekehrt. Die 1981 im hessischen Bensheim geborene Komponistin war dort Stipendiatin in der Villa Massimo. Die Idee, den Roman Tonguecat des belgischen Autors Peter Verhelst zur Oper zu machen, entstand gemeinsam mit anderen Stipendiaten ihres Jahrgangs im Rahmen des Stipendienprogramms „Akademie Musiktheater heute“, eines von der Deutschen Bank gestifteten zweijährigen Förderprogramms für junge Berufsanfänger in den Sparten Dirigieren, Komposition, Regie, Bühnenbild, ­Dramaturgie und Intendanz. Das sich formierende Kollektiv blieb sich und seiner Idee auch über die Stipendiatenzeit hinaus treu, kontaktierte den Romanautor, schrieb sich das Libretto selbst und suchte ein Opernhaus als Partner für die Umsetzung seines Projektes Tonguecat; diesen Partner fand das Kollektiv in der Bayerischen Staatsoper. In dem komplexen Roman Tongkat (so der flämische Originaltitel) geht es um Krieg, Eiszeit, Untergang und das Feuer der Erinnerung, Verlust, Täter-Opfer-Kreisläufe: „Das sind viele Themen, die uns in ihrer Aktualität immer näher ­kommen und die mir bei der Übertragung in Musik sehr zusetzen.“ Das K ­ omponieren ist für Saskia Bladt wie ein Fall ins Unbekannte. „Die kreative Auseinandersetzung mit den Tonguecat-Themen, die in unserem Alltag immer aktueller und drängender werden, ist für mich ein

­ ersuch, nicht in Ängsten zu erstarV ren, sondern Grenzen zu öffnen.“ Im Zentrum der vielschichtigen, in sich verwobenen Handlung steht die „Tonguecat“ („Zungenkatze“) genannte junge Frau Ulrike, deren Geschichte in Rückblenden erzählt wird: In einer neuen Eiszeit ist Wärme zu einem kostbaren Gut geworden, und viele sind süchtig nach Ulrikes Erzählungen, mit denen sie den Menschen Nähe und Zärtlichkeit gibt. Doch nach und nach kehrt die Erinnerung an ein verdrängtes Trauma zurück: Als Kind war sie Zeugin der brutalen Ermordung ihrer Eltern, was sie später selbst zur Mörderin werden ließ. Ulrike muss sich ihrer Vergangenheit stellen – mit verheerenden Folgen. Saskia Bladt komponierte ­Tonguecat gemeinsam mit Torsten Herrmann. Wie schreiben zwei Komponisten an einer Oper? Sie teilten sich die Arbeit so auf, dass Saskia Bladt alle Elemente der Feuerwelt komponieren sollte und Torsten Herrmann alle Elemente der Eiswelt; die einzelnen Charaktere ordneten sie dann jeweils der Feuer- oder der Eiswelt zu. Nur das Finale schrieben sie gemeinsam – wie das funktioniert, davon wird noch die Rede sein. Für ­Saskia Bladt bedeutet Komponieren ganz allgemein: vielschichtige Systeme bauen. „Nachdem die Selbstverständlichkeit des Dur-Moll-Systems ja nicht mehr da ist, baue ich mir eine eigene Welt, in der ich mich verorten und neue Klänge entdecken kann.“ Solche Welten bestehen aus Formen, Zahlen, naturwissenschaftlichen oder auch spirituellen Phänomenen; bei Tonguecat ist es die Astrologie, die ein Bezugssystem schafft. S ­ askia Bladt knüpft damit an die Idee an, dass Musik und Kosmos zusammenhängen – eine uralte Vorstellung von der antiken Sphärenharmonie bis zu Richard Wagner. Gemeinsam mit dem Traum- und Mythenforscher Martin Spura, mit dem sie häufig zusammenarbeitet, hat sie überlegt, welche Eigenschaften ihre drei Operncharaktere auszeich-

Saskia Bladt fotografiert von Fritz Beck

nen sollen. Mit fiktiven Geburtsdaten hat Spura dann passende Horoskope für die Charaktere erstellt: Saskia Bladt arbeitet mit den zwölf Sternzeichen, jedem ordnet sie Tonarten und Rhythmen zu, zwischen ihnen gibt es unzählige Verknüpfungen, und jede Planetenkonstellation führt zu anderen Stimmungen. So hat sich etwa für den Titanen Iapetos, der ­Tonguecat Ulrike im Verlauf der Geschichte mehrfach traumatisiert, für jede Szene eine bestimmte Abfolge von Energien oder Phasen ergeben, die Saskia Bladt in Klänge umsetzt: Entwurzelung des Opfers – Schockpunkt – Lähmung des Opfers mit gleichzeitigem Genuss von Macht und Gewalt. Saskia Bladt erzählt mit unwiderstehlicher Begeisterung und mit kraftvollen Gesten von ihrem „Systembau“. Ja, es sei „wahnsinnig kompliziert“ und natürlich eine „Spielerei“,­aber es gebe ihr beim Komponieren Verbindlichkeit und Freiheit zugleich. Aus Stichworten wie „tastend“ oder „klarer Raum“ leitet sie „den inneren Klang, die äußere Wirkungsweise der Person und damit das Wesen der Musik“ ab. Daraus ergeben sich auch Bezüge zu den Komponisten-Ahnen: Bach, Bruckner, Schönberg schimmern ­direkt oder indirekt durch. Dabei sei es wichtig, das eigene Arbeiten permanent zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Das hat ­Saskia Bladt bei ihrer Lehrerin Isabel ­Mundry­an der Zürcher Hochschule der Künste gelernt: „Wenn wir Stücke besprochen haben, hat sie sofort ­gesehen, was noch nicht durchdacht ist.“ Ursprünglich wollte Saskia Bladt, damals als Regieassistentin tätig, für ihre Arbeit bei Mundry „denken ­lernen“: Sie hatte schon eine feste ­Stelle an der Oper Frankfurt, entschied sich aber dann doch noch fürs Komponieren. Bereits als Schülerin hatte sie Schauspielmusiken geschrieben, und als sie nach der 10. Klasse für zwei Jahre ans renommierte Musikgymnasium Chetham’s School of Music nach Manchester ging, wählte sie dort ­Komposition als ­Hauptfach.

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VorstellungsankĂźndigung


Die Oper liebt Saskia Bladt „über alles“, sie möchte die Gattung stärker in die Gegenwart holen: traditionelle Muster auflösen, ausloten, wie weit man sich von einer chronologisch erzählten Handlung lösen kann zugunsten von mehr Innenschau. Dazu gehört das „instrumentale Denken“, das sie mit der Bühnen- und Kostümbildnerin Sophie von Arnim entwickelt: So können zum Beispiel auch Kleidung, Gegenstände oder Nahrungsmittel zum Klangträger werden, etwa wenn ein Spiegelei in der Pfanne brutzelt oder ein Mantel beim Anziehen Geräusche macht. Seit 2009 arbeitet Saskia Bladt an der Oper L ­ ilofee, die bereits in Fragmenten aufgeführt wurde, ihr nächster Auftrag ist ein Ensemblestück für das Lucerne Festival.

Torsten Herrmann Komponist von Tonguecat Was hat ein Klang mit dem anderen zu tun? Wie lassen sich Klänge zu­ einander in Beziehung setzen? Welche Kriterien spielen eine Rolle für den Verlauf der Komposition? Es sind Aspekte von Form und Entwicklung, die Torsten Herrmann beim Komponieren interessieren, und zwar mit Blick auf den Hörer: „Ich möchte das Publikum mit Fragen nach Hause schicken, beispielsweise durch Variantenbildung: Der Hörer ist ständig mit Kontrasten, Wechseln und Überraschungen auf allen formalen Ebenen konfrontiert, die aber dennoch ein übergeordnetes Ganzes ergeben. Die Varianten bleiben dabei in einer rätselhaften Schwebe, und das soll zum Nachdenken anregen.“ Deshalb bemüht er sich auch, stets als Komponist und als Zuhörer zugleich an einer Partitur zu sitzen. Das Publikum soll musikalische Strukturen wiedererkennen und voneinander abgrenzen können. „Aber ich möchte die Musik nicht auf eine Aussage bringen. Sonst wird es didaktisch, und die Menschen sollen ja nicht aufhören zu spekulieren.“ Aus diesem Grund reizte ihn auch die

Arbeit an Tonguecat: Die Geschichte ist nicht auf eine Kernaussage zu reduzieren und spielt sich in unterschiedlichen Fantasiewelten ab, „auf die man als Komponist sofort reagieren möchte“. Anders als Saskia Bladt arbeitet Torsten Herrmann für Tonguecat nicht mit außermusikalischen Inspirationsquellen, sondern versucht, anhand des Opernstoffs situationsgerechte Klänge zu finden „und diese dramaturgisch miteinander in Beziehung zu setzen, auf klein- und großformaler Ebene.“ Das Finale von Tonguecat – also der Abschnitt, den sie gemeinsam komponieren – entsteht per E-Mail-­ Dialog: Einer schickt dem anderen einen Ausschnitt aus seiner Musik, der andere setzt etwas entgegen. So entsteht ein ständiger Ideenaustausch, der gleichzeitig „Kohärenz und Kontraste innerhalb der Oper schafft“, sagt Torsten Herrmann. Auf bestimmte Motive ­haben sie sich nicht ge­einigt. Jeder entwickelt seine eigene Klangwelt – und am Schluss der Oper s­ ollen die Kompositionsstile bewusst auf­ einanderprallen. Torsten Herrmann ist ­jemand, der klare, nüchterne Worte findet und unbedingt zu Ende denkt, ­bevor er spricht. Vielleicht korrespondiert dies mit seinem ­ ­konsequenten Durchdenken musikalischer Formen. Der 1981 geborene Komponist wuchs in einem 1.000-Einwohner-Dorf in der Nähe von Köln auf. Als S ­ chüler spielte er im Orchester Posaune und war fasziniert davon, „wie die Instru­ mente über die Musik h ­ arm­onieren und Handlungszusammenhänge koordiniert werden“. Im Kompositionsstudium in seiner Wahlheimat Berlin, an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“, prägte ihn vor allem die Zeit bei dem Schweizer Komponisten Hanspeter Kyburz. Dank ihm hat er entdeckt, dass sich viele formale Fragen­anhand des traditionellen ­ Repertoires untersuchen lassen. „Die kritische Auseinandersetzung mit Partituren anderer Komponisten ermöglicht­­einen lebendigen Zugriff auf die Musik­geschichte.“

Das Finale von ­Tonguecat entsteht per E-Mail-Dialog: Einer schickt dem anderen einen Ausschnitt aus seiner Musik, der andere setzt etwas entgegen. So entsteht ein ständiger Ideenaustausch, der gleichzeitig „Kohärenz und Kon­ traste innerhalb der Oper schafft“, sagt Torsten Herrmann. Auch Live-Elektronik – die Idee, K ­ länge live zu verfremden – fasziniert Torsten Herrmann schon lange. Die Elektronik ist „wie ein Instrument, das man sich selbst bauen kann“, und um das zu lernen, hat er gerade einen sechsmona­ tigen Kurs an dem von Pierre Boulez mitgegründeten I­RCAM (Institut de Recherche et Coordination Acoustique/ Musique) in Paris b ­ esucht. Neben dem dichtgepackten Unterricht in Programmierung und Mikrofonierung komponierte er ein Stück für Live-Elektronik und ­B­ratsche. Dennoch bevorzugt Torsten Herrmann keine bestimmten Stile oder Genres, sondern sucht permanent neue Anregungen, etwa in Philo­sophie oder Naturwissenschaft und ins­besondere in der fraktalen Geometrie – dem Versuch, Gebilde mit komplexen, sich wiederholenden Strukturen anhand mathematischer Gesetze zu beschreiben. Das können Schnee­flocken sein, Lungenbläschen oder Blumenkohl. Neue Ideen wird Torsten Herrmann von Herbst 2016 an in Rom ­finden – dort ist er dann, wie vor ihm Saskia Bladt, Stipendiat in der Villa Massimo.

Torsten Herrmann fotografiert von Hendrik Schneider

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Hauke Berheide Komponist von Mauerschau Wenn gar nichts mehr geht, wenn er zehn, zwölf Stunden am Schreibtisch gesessen und viele Noten geschrieben hat, von denen er schon weiß, dass er eine Menge wieder löschen oder umschreiben wird, dann braucht Hauke Berheide Gedankenklarheit. Zwiebeln schneiden. Laufen gehen. Bügeln. Laufen funktioniert am besten, „das baut Stress und Panik ab“. Momentan wohnt Hauke Berheide in dem beliebten Münchner Viertel Isarvorstadt, einer fürs Laufen sehr günstigen Lage – es sind nur wenige hundert Meter bis zur Isar. Hier komponierte er die Oper Mauerschau zu Ende. Er kam 1980 in Duisburg zur Welt, das mittendrin liegt im „dreckigen, ­proletarischen Pott“. Ob flapsige Anek­ dote oder poetologische Überlegung, alles purzelt mit einer unbekümmerten Leichtigkeit aus ihm heraus. Die blonden, zurückgekämmten Locken wippen dazu, die Augen strahlen. ­Worüber das sonnige Gemüt nicht hinwegtäuschen darf: dass er bis ins letzte Detail akkurat ist beim Komponieren und das eigene Tun minutiös hinterfragt. Mit einem grünen Klavier zu H ­ ause in Duisburg fing es an; Hauke ­Berheide setzte sich dran und vertonte seine Bilderbücher. In Düsseldorf besuchte er die Kinder-Kompositionsklasse des britischen Komponisten David Graham, es folgten Preise beim Wett­bewerb „Jugend komponiert“. Stockhausen und Schubert hat er in seiner musikalischen Sozialisation gleichzeitig kennengelernt, deshalb gibt es für ihn kein „Vorne“ und „Hinten“ in der Musikgeschichte. Die Generation von Manfred ­Trojahn, seinem späteren Kompositionslehrer an der Düsseldorfer ­Musikhochschule, sei die erste gewesen, die die „Post-Adorno-Ästhetik“ in Frage gestellt habe – die in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg vorherrschende Lehrmeinung, dass auf die scheinbar problematisch gewor-

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dene musikalische Tradition nur mit totalem Bruch und Tabula rasa ­reagiert werden könne. Bei Trojahn habe Berheide gelernt, „darauf zu vertrauen, dass bestimmte historische Techniken durchaus einsetzbar sind, dass nichts tabu ist. Wenn ich einen e-Moll-Dreiklang haben will, dann schreibe ich einen hin.“ Viel mehr interessiert ihn aber, sich „ein eigenes e-Moll“ zu erarbeiten. „In der Technologie der Musik gibt es noch viele weiße Flecken auf der Landkarte.“ Das Prinzip der Konsonanz etwa sei noch nicht ausgeschöpft, man müsse nur „bei Orlando di Lasso links abbiegen statt rechts.“ In der Renaissance habe es ein Denken in Konsonanz-Dissonanz-Beziehungen gegeben, noch ganz frei von dem heute so selbstverständlichen harmonisch-vertikalen Denken, wie es mit dem Barock aufkam. Wenn man diese Art freier Tonalität, die keine Tonarten, aber sinnliche Tonbeziehungen kennt, auf den heute zur Ver­ fügung stehenden Tonvorrat von zwölf oder mehr Tönen anwende, dann entstehe Musik, die nicht ­nostalgisch, aber trotzdem sinnlich zugänglich sei. Das Wichtigste ist für ihn, „dass die Menschen von Musik bewegt werden und eine Haltung dazu finden“. Seine Rolle als Komponist sieht er nicht darin, die eigenen Stücke zu interpretieren: „Ich entscheide nur, was ich anbiete.“ Die Poetik ist Aufgabe des Komponisten, die Ästhetik Aufgabe der Zuhörer – sie müssen entscheiden, ob und warum sie ein Stück scheußlich, banal oder be­ rührend finden. 2011 erhielt Hauke Berheide mit der Psychoanalytikerin Dietmut ­Niedecken den Hauptpreis des Psychoanalytischen Seminars Zürich für ihre gemeinsamen Beiträge zum Nachdenken über Musik. Die Entstehung von Musik spielt sich genauso wie deren Rezeption nach ihrer beider Überzeugung in einem vorbewussten, also noch nicht reflektierten Bereich ab. Deshalb sei es Unsinn, zu behaupten,

die Musik deute die Welt. Sehr wohl aber zeige sich die Unübersichtlichkeit unserer Zeit in den immer umständlicher notierten Partituren. Wie lassen sich die Einzelteile ­einer völlig fragmentierten Welt zu einem Gesamtbild zusammenfügen? Diese Frage trieb Hauke Berheide und die Librettistin und Regisseurin Amy Stebbins bei der Konzeption der Oper Mauerschau um: Amy Stebbins montierte Heinrich von Kleists ­ ­Penthesilea mit Texten des ehemaligen US-Außenministers Colin Powell, der Romantikerin Karoline von ­Günderrode, des Schriftstellers und Freiheitskämpfers Ernst Moritz Arndt und anderen. Heraus kam eine „trügerische Synthese“, sagt Hauke ­Berheide. Solche multimedialen Synthesen zu bilden, sei die ursprüngliche Qualität von Musiktheater. Allerdings ­beobachtet er die Tendenz, dass wesentliche Innovationen der Multimedia­ lität inzwischen vom Sprechtheater ausgehen. Nachdem sich dieses lange mit Text-Zerstückelung zur Dekon­ struktion von Texten beschäftigt habe, entdecke es nun das formale Poten­zial des Musiktheaters. Diese Im­pulse müsse die Oper aufnehmen und i­ ntensiver mit theatralen Formen und Texten ­arbeiten. Amy Stebbins und Hauke B erheide versuchen dies mit ­ ­Mauerschau in der Festspiel-Werkstatt. Neben diesen formalen Überlegungen zur Gattung Oper bewegt die ­beiden eine Reihe von inhaltlichen Fragen: Wie verhält es sich mit der Medialität von Kriegserfahrungen? Wie können wir das Unfassbare fassen? Das aus der Antike stammende Theatermittel der Mauerschau, wie es auch in Kleists Penthesilea vorkommt, bietet dafür den idealen Ausgangspunkt: Ein Akteur steht auf einer Mauer und erzählt den anderen, wie die Schlacht vor sich geht. Diese Art von Realitätsfilter prägt die heutigen Kriege mehr denn je. Wir wissen, dass von Arizona aus Kampf- und Aufklärungsdrohnen gesteuert werden, wir haben Live-Bilder und Nachrichten-Apps von

Text Barbara Doll


Hauke Berheide fotografiert von Fritz Beck




Tagesschau und CNN. Doch was wirklich geschieht, wissen wir nicht. Diesen „Nebel des Krieges“ symbolisieren auf der Bühne drei hintereinander stehende Gaze-Bahnen, die die Personen unscharf erscheinen lassen. Das Künstlerduo Luftwerk stellt polierte, digitale Oberflächen her, die immer wieder die räumlichen Strukturen in Frage stellen, scheinbar feste Formen verschwimmen lassen. In gewisser Hinsicht ähneln diese optischen Phänomene jenen grünen Nacht-Videos aus dem 2. Golfkrieg von 1990 bis 1991, die verführerisch schön sind, aber das Töten dokumentieren. Diese Idee leitet Hauke ­Berheide auch beim Komponieren: „Die Musik soll die Leute dazu ­verführen, etwas zu mögen, das sie nicht mögen sollten.“ Unseren eigenen Trugbildern entkommen wir also nicht.

Saskia Bladt, geboren in Bensheim, studierte Komposition in ­Zürich. Eine intensive Zusammenarbeit verbindet sie mit der ­Künstlerin Sophie von Arnim und dem Traum- und Mythenforscher Martin Spura, mit denen sie u.a. an der Oper Lilofee arbeitet. Erste Fragmente der Lilofee wurden 2010 mit dem Pfalzpreis für Musik ausgezeichnet. Ihre Kompositionen wurden u.a. bei ­MaerzMusik Berlin, dem Heidelberger Frühling, dem Podium ­Festival Esslingen und bei den Bayreuther Festspielen urauf­ geführt. Sie arbeitete u.a. mit dem Ensemble Modern, dem ­Ensemble Resonanz, dem Ensemble Ascolta und El Perro Andaluz. 2015 war sie Stipendiatin der Deutschen Akademie Villa Massimo ­ in Rom.

Torsten Herrmann, geboren in Jülich, studierte Komposition in Berlin und Paris, u.a. bei Hanspeter Kyburz, Wolfgang Heiniger, Frédéric Durieux, Marc André Dalbavie und Yan Maresz. Seine Werke werden von internationalen Orchestern und Ensem­bles wie dem Ensemble Modern, dem Ensemble Intercontemporain und dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart gespielt, u.a. bei den ­Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, bei der cresc… ­Biennale für moderne Musik Frankfurt Rhein Main, am Centre Pompidou Paris und beim Pariser IRCAM. Für das Jahr 2016 erhielt er das Stipendium der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom.

Die Münchner Journalistin Barbara Doll ist studierte Musikwissenschaft­ lerin und arbeitet u.a. für die Süd­ deutsche Zeitung, den Bayerischen Rundfunk, Deutschlandradio Kultur und das digitale Klassik-Magazin VAN.

Hauke Berheide, geboren in Duisburg, erhielt Kompositions­ unterricht bei David Graham und studierte von 2001 bis 2009 bei Manfred Trojahn und später bei José Maria Sanchez Verdú. 2012 war er Stipendiat der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom; im selben Jahr wurde sein Werk Der kleine Häwelmann für den Junge Ohren Preis nominiert. Darüber hinaus war er Stipendiat der Akademie Musiktheater heute. Er arbeitete bereits u.a. mit den Düsseldorfer Symphonikern, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg, den Duisburger Philharmonikern, dem NDR ­Sinfonie-­ orchester Hamburg, dem Ensemble Modern, dem Ensemble Reconsil Wien, dem Auryn Quartett und dem Sonar Quartett ­zusammen.

Zu Mauerschau siehe auch die Interviews auf S. 68 und S. 122

FESTSPIEL-WERKSTATT

Zu Tonguecat siehe auch das Interview auf S. 144

Mauerschau Eine Oper über Heinrich von Kleists Penthesilea Von Hauke Berheide, Libretto Amy Stebbins Uraufführung am Mittwoch, 29. Juni 2016, Reithalle Tonguecat Oper nach dem gleichnamigen Roman von Peter Verhelst Von Saskia Bladt und Torsten Herrmann Uraufführung am Montag, 25. Juli 2016, Reithalle Weitere Termine im Spielplan ab S. 209

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Plötzlich neu vermessen: Die Ware Frauenkunst Mit einem Mal will jeder Kunst von Künstlerinnen: Auf dem ­Kunstmarkt hat sich keine Bewertung so radikal geändert wie die der Kunst von Frauen. In ihrer großen Reportage findet Tina Mendelsohn Gründe dafür.

Im März 1977 verbarrikadierte sich eine Gruppe junger Künstlerinnen im Charlottenburger Schloss in West-Berlin. Die Frauen waren mit ihren Nerven am Ende. Sie entschieden, die von ihnen organisierte große Ausstellung zeitgenössischer Künstlerinnen in Europa in der alten Orangerie für einen Tag zu schließen. „Künstlerinnen International 1877–1977“ hieß die große Schau mit 500 Exponaten, geschaffen von 183 Künstlerinnen. Vor der Tür versammelte sich eine andere Gruppe – wütende Frauen, die dem Aufruf einer feministischen Kunsthistorikerin gefolgt waren, die „elitäre Kunstausstellung“ zu sprengen. Sie hatten ihre eigenen Kunstwerke mitgebracht und wollten diese in die Ausstellung zwingen. Nach ihrer Meinung sollte Kunst von Frauen anders sein als die von Männern. Von den Organisatorinnen verlangten sie „einen anderen, ei-

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nen weiblichen Blick“ und grundlegend andere Kriterien, nach denen Kunst ausgesucht werden müsse. Die in Akademien ausgebildete, einsam im Atelier arbeitende Künstlerin, die ihrer eigenen Intuition folgte und deren Werke nach „objektiven“, professionellen Kriterien ausgesucht würden, sollte der Vergangenheit angehören. Jede Frau sollte Künstlerin sein dürfen. In den fürstlichen Gemächern hatte damals ein halbes Dutzend politisch links orientierter Künstlerinnen, ­einige waren zu dem Zeitpunkt noch Studentinnen an der Hochschule der Künste, eine sensationelle Ansammlung internationaler Kunstwerke nach Berlin geholt, geschaffen von Frauen, von denen eine erstaunlich große Zahl später berühmt werden sollte. Sie zeigten Frida Kahlo zum ersten Mal in Europa (in den USA war sie noch gänz-

English Excerpt Page 228


lich unbekannt), stellten die damals noch nicht berühmte Performerin Marina Abramović aus. Louise Bourgeois hatte ihre Werke aus New York geschickt. Die Schweizer Malerin Meret Oppenheim war genauso vertreten wie ­Ulrike Rosenbach, die Pionierin der Videokunst, oder zwei Österreicherinnen, die Expressionistin Maria Lassnig­und die surrealistische Zeichnerin Birgit Jürgenssen. Drei Mitorganisatorinnen, die Malerinnen Ursula Bierther, Evelyn Kuwertz und Sarah Schumann, erinnern sich an das große Medieninteresse 1977: Radio, internationale Presse, ja sogar das Fernsehen war mit einem Übertragungswagen angerückt. 35.000 Besucher hatten die Ausstellung gesehen. Was die Organisatorinnen 1977 beweisen wollten: Wir können genauso gute Kunst machen wie Männer. Und deshalb zeigen wir Frauen erst einmal exklusiv, Ladies only. Die Werke von Männern blieben draußen.

Die Öffnung des Kunstmarktes für Frauen gehört in den großen gesellschaftlichen Wandel unserer Zeit. Die Kunstkritik, bis vor einigen Jahren fest in der Hand europäischer und amerikanischer Männer, spielt heute keine so große Rolle mehr. Ihre Deutungshoheit hat der Markt übernommen. Die Museen und die Galerien probieren Neues aus: Die Schirn Kunsthalle Frankfurt feierte Besucherrekorde mit Ausstellungen über Impressionistinnen oder vor kurzem mit den Frauen der Sturm-Bewegung, gesammelt von dem Berliner Impresario Herwarth Walden. Und zum 100. Jubiläumsjahr des Dada werden heute auch seine Frauen entdeckt. Frauenschauen feiern gerade eine Renaissance. „Die Kunst von Frauen ist wie eine unterbewertete Aktie“, erklärt Daniel Birnbaum, der Direktor des Museums für Moderne Kunst in Stockholm, das Interesse an

Das war eine Provokation. Die Kritiken waren überwiegend niederschmetternd, die wegweisende Ausstellung ist heute weitgehend vergessen. Der Kunstkritiker des Kölner Stadtanzeigers schrieb: „Kekse für die Frauenfront“. Die Tageszeitung Die Welt bezeichnete am 17. März 1977 die Werke der späteren Documenta-Teilnehmerin Hanne Darboven als „chiffrierte Poesie-Alben“ und „skripturales Häkelwerk“. Oder, besonders infam: Bei so viel Billigware drumherum verstehe man, warum Künstlerinnen wie Sonja­ Delauney und Suzanne Valadon zu Ehren und Ansehen gelangt seien. Und dennoch schauten manche Sammler und Kuratoren offensichtlich genauer hin. Denn nur ein paar Jahre später, in den 1980er Jahren, schafften es nicht wenige der ausgestellten Frauen, meistens über amerika­ nische Galerien, in die großen Museen.

Werken von Frauen. „Das ist wie in der Finanzwelt, da stürzen sich mit einem Mal alle darauf.“ Die Nähe zur Börsensprache ist kein Zufall. Seit etwa zehn Jahren befindet sich die zeitgenössische Kunst in einem sagenhaften finanziellen Aufwind: Kunst ist eine kapitalistische Parallelwährung geworden, Künstler kämpfen um ihren Marktwert, und für Galeristen, Sammler und Museen sind die Verkaufszahlen Argumente für erhebliche Investitionen. Auch Daniel Birnbaum hat in seinem Museum längst die Werke großer Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts aus den Depots in die Ausstellungsräume geholt. Nicht aus politischer Korrektheit, wie er sagt, sondern weil es viel interessanter sei, diesen Ausschnitt aus der Gesellschaft auch zu zeigen. „Das sind großartige Arbeiten. Man sieht eine komplett ausgereifte Kunst von Frauen,

Bilder Guerilla Girls

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seit etwa den 1950er Jahren. Die Werke sind von hoher technischer Qualität.“ Und warum wurden sie so lange ignoriert, warum ist ihnen, bei aller Unterschiedlichkeit, immer noch gemein, weniger wert und weniger wertgeschätzt zu sein als die Kunst von Männern? Der 52-jährige Kunstmanager antwortet: „Weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist. Er hält die erstaunlichsten Dinge für normal.“ Doch heute habe sich der Kanon rund um den weißen Mann überlebt. „Das entspricht nicht mehr unserer Welt. Der Markt will Frauen, aber auch andere Minderheiten, wie schwarze oder brasilianische Kunst.“ Sind Frauen eine Minderheit, so wie es in diesem Zusammenhang Schwarze oder Brasilianer sind? „In der Kunst auf jeden Fall“, antwortet der schwedische Kunsthistoriker, der zehn Jahre lang in Frankfurt die Städelschule, die Staatliche

Geschichte Paula Modersohn-Becker. Immer wenn ich ein Bild von ihr sehe, bin ich glücklich. Aber auch sie ist kein Picasso, kein Modigliani, auch kein Gauguin.“ (Der Spiegel, 21.1.2013) In der globalisierten Welt verschaffen sich zunehmend jene ihren Platz und auch Gehör, die zuvor an den Rand der Aufmerksamkeit gedrängt waren: in der Wirtschaft, in Hollywood, in der Politik und jetzt auch in der Kunstwelt. Vor ein paar Jahren wurde die Preisdiskrepanz zwischen Künstlern und Künstlerinnen von bis zu 70 Prozent noch als Tatsache hingenommen. Heute nicht mehr? Es ist erstaunlich, wie sehr Achtung und Respekt mit dem Geldpreis steigen, besonders für die toten Künstlerinnen, die oft selber, wenn überhaupt, nur kurz ihren Ruhm und die Wertsteigerung auskosten durften. 2014 verkaufte sich das Bild Untitled der abstrakten Expres­

Hochschule für bildende Künste, geleitet hat. Er zögert eine Sekunde und schiebt dann nach: „In Deutschland ist man in diesen Fragen besonders konservativ. Konservativer als anderswo.“ Vielleicht ist die Ära der wenigen, mit astrono­ mischen Preisen entlohnten Großkünstler noch nicht vorbei. Die Entdeckung der Künstlerinnen aber deutet an, dass hier etwas zu Ende geht, das sich etwas wegbewegt von einem eng umrissenen Kunstkanon hin zu mehr internationalen, sich schnell verändernden Trends und Moden. Vor ein paar Jahren passte es noch zum wilden Image eines „Malerfürsten“ wie Georg Baselitz, öffentlich zu erklären: „Frauen bestehen die Marktprüfung nicht, die Wertprüfung. (…) Frauen malen nicht so gut. Das ist ein Fakt. Es gibt natürlich Ausnahmen. Agnes Martin oder aus der

sionistin Joan Mitchell für fast 12 Millionen Dollar, zuvor hatte sie eine prestigeträchtige Einzelausstellung im New Yorker Whitney Museum. Im letzten Jahr verkaufte sich ein Gemälde der 1986 verstorbenen Georgia O’Keeffe für 44,4 Millionen Dollar. Sie sagte, „Männer liebten es, mich kleinzumachen: ich sei die beste Künstlerin. Dabei finde ich, ich gehöre zu den besten Künstlern.“ Das teuerste Werk eines verstorbenen männlichen Künstlers der Moderne, eines von Francis Bacon, verkaufte sich 2013 für sagenhafte 142,4 Millionen Dollar: Der Preisunterschied beträgt 70 Prozent. Mit Kunst von Frauen lässt sich derzeit viel Geld verdienen, weil deren Arbeiten hochwertig und die Preise für Sammler noch bezahlbar sind, lesen wir in den Kunstmarktseiten der Financial Times. Gerade hat der Kunst-

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markt Appetit auf weibliche Kunst, und er bekommt sie. Er bekommt sie, weil es diese Kunst gibt – weil die Unterdrückung und Nichtförderung von Künstlerinnen nicht so weit ging, dass sie von Museen, Kunstvereinen, städtischen oder Ländersammlungen nicht angekauft worden wären. Sie wurden gekauft – und dann verschwanden sie. Kunst von Frauen lagert in den Depots von Ausstellungshäusern, Galerien und Kunstvereinen. Vieles befindet sich noch im Besitz der Künstlerinnen und deren Familien. In diesen Monaten führt der Deutsche Kulturrat, noch unter Geheimhaltung, eine aufwendige Erhebung darüber durch, wie viele Werke von Künstlerinnen an den Wänden deutscher Museen hängen und wie viele im Depot lagern. Auch das spanische und das schwedische Kulturministerium prüfen ihre Bestände nach Geschlecht. Bedeutende Museen forschen auch selber in ihren Kellern und zeigen, was sie finden. Und sie erwerben Werke von Künstlerinnen und stellen sie aus: Das Kölner Museum Ludwig hat vor ein paar Jahren den Wolfgang-HahnPreis an die amerikanische Konzeptkünstlerin Andrea Fraser verliehen und wichtige Arbeiten von ihr gekauft. Gerade hat das Museum Joan Mitchell gezeigt. Werke der Fotografin Lee Miller und der Künstlerin Isa Genzken stellt in diesem Frühjahr der Martin Gropius Bau in Berlin aus, und nach einer sehr schönen Londoner Schau ehrt man auch in Düsseldorf die amerikanische abstrakte Malerin Agnes Martin. Der geschäftstüchtige Sammler und Museumsbetreiber Charles Saatchi hat kürzlich mehrere „Frauenausstellungen“ in London ausgerichtet: alles deutliche Zeichen, wie hoch die Frauen im Kurs stehen. Es muss doch jenseits des geldgetriebenen Kunstmarktes noch andere Gründe geben, warum international nach den Werken von Künstlerinnen regelrecht gefahndet wird. Ingvild Goetz besitzt in München eine der international angesehensten Sammlungen zeitgenössischer Kunst. Sie sieht die Nachfrage nach Künstlerinnen nüchtern. „Die großen Preissprünge erklären sich dadurch, dass es zur Zeit wenig Spannendes in der Gegenwartskunst gibt und die Galeristen nach Positionen Ausschau halten, die der Markt übersehen hat. Da sind dann besonders viele Künstlerinnen dabei, viele auch aus Osteuropa, die jenseits des Eisernen Vorhangs, unbeachtet vom Kunstmarkt, ein spannendes Werk entwickelt haben.“ Künstlerinnen, weit weg von den westlichen Kunst­ zentren, haben unbeachtet, ja isoliert ihre Werke geschaffen. Eine solche Künstlerin ist die 1926 geborene rumä­ nische Konzeptkünstlerin Greta Bratescu. Gerade feiert man sie in der Hamburger Kunsthalle mit einer großen Retrospektive. Im früheren Ostblock muss es ihr ausgeschlossen vorgekommen sein, dereinst von westlichen ­Dealern und Sammlern entdeckt zu werden. Es scheint, als ginge von diesen „unberührten“ Werken in unserer global vernetzten Zeit eine besondere Faszination aus.

Text Tina Mendelsohn

Daniel Birnbaum hat in diesem Frühjahr in der Londoner Serpentine Gallery eine große Retrospektive der schwe­ dischen Künstlerin Hilma af Klint kuratiert. Die exzen­trische Aristokratin, die im 19. Jahrhundert eher konventionelle Blumenbilder malte, war Esoterikerin, sie bewunderte­Rudolf Steiner und hatte eine geheime Passion: Ein paar Jahre vor Wassily Kandinsky und Kasimir Malewitsch begann sie, riesige Leinwände mit leuchtenden Kreisen und geometrischen Formen zu bemalen. Ist sie deswegen die wahre Erfinderin der abstrakten Malerei? Sie selbst hat diese Bilder unter Verschluss gehalten und testamentarisch verfügt, dass die Öffentlichkeit sie erst zwanzig Jahre nach ihrem Tod zu Gesicht bekommen dürfte. Das war 1944. „In London“, erzählt Daniel Birnbaum amüsiert, „tragen alle in der Kunstszene dasselbe Mode-Label, und diese Modefirma hat auf T-Shirts die Motive von Hilma af Klint gedruckt. Ist das nicht verrückt?“ Welche Gründe waren es eigentlich, warum Künstlerinnen so lange in den Museen, den Galerien, auf Kunstmessen oder Auktionen keine große Rolle spielten? In Deutschland hat sich dieses Vorurteil, dass Frauen weniger begabt seien, noch länger gehalten als anderswo, erklärt Ingvild Goetz. Die so ausdauernde frauenfeindliche Haltung der Kunstwelt gehe auf den Umstand zurück, dass Frauen von der künstlerischen Ausbildung an Akademien so lange ausgeschlossen worden waren. Dass die Frauen auch später noch im Hintertreffen blieben, änderte sich, trotz der Emanzipationsbewegung, auch in den 1960er und 1970er Jahren kaum, denn der Kunstmarkt war weiterhin von männlichen Galeristen dominiert. Ingvild Goetz erinnert sich: „Eine Frau kommt bei mir nicht ins Programm, verriet mir ein renommierter Galerist in den Siebzigern, als ich selbst noch eine Galerie betrieb.“ Julia Voss, 41, ist eine Generation jünger als Ingvild Goetz, und doch schreibt die Kunsthistorikerin und stellvertretende Feuilletonchefin der FAZ in ihren Artikeln über just solche Männernetzwerke, die, davon ist sie überzeugt, immer noch mächtig sind. Die Männer wüssten eben, wie man seine Macht am Kunstmarkt und sogar in der Kunstgeschichte zementiert. Sie alle stricken an diesem Geniekult des zurückgezogenen oder schwierigen Künstlers. „Mit der Wirklichkeit hat das wenig zu tun“, sagt Julia Voss bestimmt. Eher mit einer Marke, die sich gut verkaufen lässt. Die Männernetzwerke schusterten sich Kunstprofessuren zu, Besprechungen und große Ausstellungen. Selbst der Nachruhm werde nicht dem Zufall überlassen, sonst gerate ein Werk schnell in Vergessenheit. So sei es wichtig, schon zu Lebzeiten gute Kontakte zu wichtigen Kunsthistorikern zu pflegen. Die großen deutschen Künstler wüssten, wie das geht. Die aparte, mit ihrem Prinz-Eisenherz-Haarschnitt mädchenhaft wirkende Sammlerin Erika Hoffmann-Könige hält den Verdacht einer Männerverschwörung gegen die Frauen für konstruiert. In den Sophie-Gips-Höfen in

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­ erlin-Mitte residiert sie in zwei riesigen Fabriketagen inB mitten ihrer exquisiten Sammlung zeitgenössischer Kunst, die samstags für die Öffentlichkeit zugänglich ist: „Frauen gehörten nicht in den Kanon, den wir gelernt hatten. Wir haben sie einfach nicht gesehen.“ Die Kunsthistorikerin und ihr 2001 verstorbener Ehemann, der Hemdenfabrikant Rolf Hoffmann (van Laack), haben seit Anfang der 1960er Jahre eine Kunstsammlung zusammengetragen, in der etablierte Künstler wie Frank Stella und Andy Warhol eklektisch gemischt werden mit Experimentellem. Jedes Jahr aufs Neue werden deren Werke von der Sammlerin neu zusammengestellt. Beim Ankauf gab es für das sammelnde Paar eine Bedingung: Beide mussten über alle Anschaffungen einstimmig entscheiden – „was nicht immer einfach war“. ­Erika Hoffmann-Könige erinnert sich, wie sie in den 1970er Jahren das Künstlerpaar Nancy Spero und Leon

Pistole geschossen kommt die Antwort: „Eine Handvoll sehr reicher Hedge-Fonds-Manager. Ein erstaunlich kleiner Kreis.“ Der Umgangston in diesem elitären Männerzirkel sei mitunter sehr rau. Sie werde schon mal „Sweety“ genannt, und dann werde ihr die Hölle heiß gemacht: „‚Wenn Sie nicht in den nächsten 24 Stunden entscheiden …‘­ Es geht um unglaubliche Summen, um große Gewinne oder Verluste, deshalb ist da ein unvorstellbarer Druck.“ Die Mutter von Philomene Magers, die frühverstorbene feministische Avantgarde-Galeristin desselben Namens, hatte bereits 1976, ein Jahr vor der großen Berliner Frauenausstellung „Künstlerinnen International“, in Bonn die Ausstellung „Frauen machen Kunst“ auf die Beine gestellt, zusammen mit ihrer Kollegin, der Kuratorin und Kunstkritikerin Margarethe Jochimsen. Klein, aber fein: Von den damals ausgestellten 31 Künstlerinnen sind heute

Die Mutter war eine feministische Avantgarde-Galeristin, die Tochter, Philomene Magers, zählt heute zu den Top-Galeristinnen weltweit. Die Einstellung der Mutter, Kunst und Geld zu trennen, ja Letzteres so weit wie möglich weg von der Kunst zu halten, erscheint der Tochter ein wenig lebensfremd. „In ­diesem Geschäft brauchst du viel Geld. Das ist meine Macht. Geld ­beschützt mich.“

Golub in ihrem New Yorker Studio besuchten und man erst durch Nancys Atelier gehen musste, um in das ihres Mannes zu kommen. Nancy Spero beachtete keiner. „Sie kochte den Kaffee.“ Erika Hoffmann-Könige wollte damals eine Serie von Nancy Spero kaufen. Ihr Mann war dagegen. „Er hatte ein Problem mit den Künstlerinnen aus dieser Generation. Heute können wir sie uns nicht mehr leisten.“ Eine der erfolgreichsten europäischen Galerien ist das Kunsthaus Sprüth Magers, geleitet von zwei Frauen, Monika Sprüth und Philomene Magers. Philomene Magers lebt mit ihrer Familie in einer großzügigen Altbauvilla im Berliner Süden. Sie ist Mitte 40, großgewachsen und elegant gekleidet, und ihrem wachen Gesicht sieht man das harte Geschäft nicht an. Wer bestimmt den Markt, wer sind die wichtigsten Player auf dem Markt? Wie aus der

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ausnahmslos alle große Namen, von Marina Abramović über Hanne Darboven, Valie Export, Ulrike Rosenbach und Katherina Sieverding bis hin zu Judy Chicago. Pionierarbeit war das, diese Frauen überhaupt zu finden und es zu wagen, sie auszustellen. Gewinn machte Philomene Magers damals damit noch nicht, ihre Tochter heute schon. Die Einstellung der Mutter, Kunst und Geld zu trennen, ja Letzteres so weit wie möglich weg von der Kunst zu halten, erscheint Philomene Magers ein wenig lebensfremd. „In diesem Geschäft brauchst du viel Geld. Das ist meine Macht. Geld beschützt mich.“ Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen zeigt, dass das Versprechen, Frauen gleiche Bedingungen zu schaffen, sich langsam erfüllt. Während der Anteil von Frauen beim Ankauf der Museen im Jahr 2000 noch 20 Prozent betrug, wa-

Plötzlich neu vermessen:


ren es 2011 immerhin 32 Prozent. Noch signifikanter ist aber, dass die finanziellen Förderungen junger Künstlerinnen und Künstler im größten deutschen Bundesland heute gleich hoch sind. Viele jüngere Künstlerinnen haben begriffen, wie wichtig Selbstdarstellung und Vermarktung sind. Das Image der wilden Künstler-Machos – das können die Künstlerinnen heute auch. Und der Markt goutiert es. Eine der Berliner Fabrikräume der Sammlerin Erika Hoffmann-Könige ist Isa Genzken gewidmet. „Eine Rockerin“ hatte sie ein Museumskurator mit einem gewissen Schaudern in der Stimme beschrieben. Die teuerste deutsche Künstlerin, die als eine der ganz wenigen Frauen überhaupt eine Einzelausstellung im New Yorker MoMA bekommen hat, sei Alkoholikerin und drogenabhängig. Erika Hoffmann-Könige muss lachen: „Das sind die Männer doch auch, aber wenn Isa die Möbel ihrer New Yorker Galeristin

gen, ihr gehe es gut. Sie schaffe es vielleicht noch bis ins New Museum, aber nie und nimmer ins MoMA oder Guggenheim. „Und da frage ich mich schon, warum eigentlich nicht?“ Warum eigentlich nicht? Ist es Gewohnheit, ist es der Kanon oder sind es die Boys-Netzwerke? Von allem etwas? Es ist aber auch erstaunlich, wie sehr Künstlerinnen, sobald sie nicht in den Olymp des Kunstmarktes durchgelassen werden, die kollektive Leidensgeschichte der unterdrückten Frauen und Künstlerinnen ins Spiel bringen. Für Sarah Morris ist es dagegen überhaupt kein Thema, dass auch die meisten Männer abgewiesen werden. Das scheint selbstverständlich. Für Männer gilt: Die Kunst ist nun mal nicht gerecht. Sarah Morris sagt, sie glaube nicht an eine Männerverschwörung gegen die Frauen. Was regelt den Erfolg dann? Sie zögert. Sie habe eine Theorie. „Ich weiß, es klingt

aus dem Fenster schmeißt, dann bekommt sie in New York Ausstellungsverbot. Die Männer, die sich abreagieren, nicht. Das ist ungerecht und schmälert den Wert Isa Genzkens kein bisschen.“ Im Gegenteil, das wilde Leben ist heute Teil der weiblichen Künstler-Marke. Die New Yorker Malerin und Filmemacherin Sarah Morris ist Ende 40. Sie gehört zu den erfolgreichen Künstlerinnen ihrer Generationen in den USA. Sie stellt sofort klar, dass der Kunstmarkt sie nicht interessiere, dass sie nie etwas mit den Klagen der Feministinnen anfangen konnte. Aber dann beschwert sie sich doch. Sie fragt, wieso ihre männlichen Künstlerkollegen wie das erfolgreiche Duo Peter Fischli und David Weiss gerade im New Yorker Guggenheim Museum eine Einzelausstellung bekommen – und sie das wohl nie erreichen werde. Sie wolle nicht kla-

seltsam, aber als erfolgreiche Künstlerin an der Spitze musst du mehr sein als eine Frau.“ „Women plus“ nennt sie das. Das seien emotional gefährdete Frauen, lesbische Frauen, Alkoholikerinnen, mit diesen besonderen Frauen könne der Markt umgehen. „Sie kann er vermarkten, damit kommen auch die Kuratoren, die Museen besser klar, nicht aber mit heterosexuellen, ‚normalen‘ Frauen.“ Warum sind Künstlerinnen heute trotz allem mehr und mehr gefragt, besonders die alten? Weil sie nicht nur künstlerische Vorbilder sind. Martha Rosler (73), eine der berühmtesten feministischen Künstlerinnen aus New York, hat die Konjunktur persönlich erlebt. „Als junge schöne Künstlerin bist du ein Naturereignis: So was gab’s noch nicht! Wow, schau dir die Kurven an! Sie kann reden. Sie kann sich bewegen. Sie kann sich darstellen. Und dann

Die Ware Frauenkunst

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wird die Künstlerin älter: Der Lack ist ab, die Rose verblüht. Jetzt war sie mal wer. Und dann kommt sie in ein gewisses Alter. Hey, schau mal, die lebt ja noch! Vielleicht sollten wir doch mal wieder mit ihr reden, bevor es sie nicht mehr gibt.“ Dass Künstlerinnen in der Kunstwelt ankommen, wenn sie als Frauen keine Rolle mehr spielen, darüber kann Martha Rosler heute lachen. Diese Frauen haben uns viel zu erzählen, nicht nur durch ihre Kunst, auch durch ihr Leben. Sie haben durchgehalten, einfach ihre Kunst gemacht, als sie noch nicht hoch im Kurs standen. Sie sind durch die Lebenszyklen gegangen, denen keine Frau (und kein Mann) entkommt. Sie haben sich frei und unzensiert von Kommerz und hysterischen Geschlechterdebatten mit der Weiblichkeit auseinandergesetzt. Heute gibt es, sagt Philomene Magers, einen Hype um die Künstlerinnen, man möchte ihre Werke und das, was ihre Kunst zu sagen hat, sehen. Die Konjunktur der Künst­ lerinnen schwankt aber noch genauso wie 1977 in West-­ Berlin zwischen der Inszenierung jeder Einzelnen, ihrem Beharren darauf, als einzigartige Künstlerin wahrgenommen zu werden, mit der eigenen Kunst ebenso hohe Preise zu erzielen – und den kollektiven Vereinnahmungen. Auch wenn viele der erfolgreichsten Frauen das wie Isa Genzken vehement von sich weisen und „nur durch die Kunst gesehen werden möchten“, zeigen ihnen die nach wie vor viel geringeren Preise, die ihre Werke erzielen, dass auch sie gefangen sind im Kollektiv Frau, in deren Geschichte, in diskriminierenden Gewohnheiten und Klischees. Das geht immer noch einher mit erheb­ lichen Opfern und finanziellen Einbußen. Und doch: Ausgerechnet auf dem Kunstmarkt setzen sich die Akteure mittlerweile wesentlich vielfältiger zusammen als in jeder anderen internationalen Branche. Künstler, Sammler, Dea­ ler, Museumsleute gehören – in unterschiedlichem Maße, aber doch – einer internationalen Elite an, in der der behutsame und im besten Sinn politisch korrekte Umgang miteinander auf dem Weg zur Norm ist. Das bedeutet freilich nicht, dass der Kunstmarkt heute schon „farbenblind“ wäre und ausschließlich nach Qualitäts­ kriterien Kunst bewertet – und was diese sein mögen, ist ein anderes Thema. Aber die Bewertung, die die Akteure des Marktes als Kollektiv für die Kunst treffen, führt uns vor Augen, wie sehr sie in ihrer Bewertung sehr wohl noch unterscheiden nach Hautfarbe, Geschlecht und geschlechtlicher Orientierung und wie weit wir noch entfernt sind von dem Traum der Künstlerinnen, die nur durch ihre Kunst bewertet werden wollen. Mehr über die Autorin auf S. 20

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Die Abbildungen auf den vorigen Seiten zeigen Bilder und Poster der „Guerilla Girls“, Ikonen des feministischen Kunstaktivismus, die seit 1985 von New York aus anonym in der Kunstszene ­operieren, um auf die Benachteiligung von Künstlerinnen und Nichtweißen (d.h. nicht nur Frauen) aufmerksam zu machen. Ihr Markenzeichen sind Gorillamasken, die sie selbst dann tragen, wenn sie Interviews geben oder Vernissagen besuchen. Wer sie sind? Eine Gruppe – keiner weiß, wie viele wirklich – von Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft, unter ­ihnen bekannte Künstlerinnen und Frauen mit Positionen in der Kunstwelt, aber auch Unbekannte. So manche riskierte ihren Job, würde ihr militantes Alter Ego bekannt. Beim Auftritt in der ­Öffentlichkeit wählen die Mitglieder als Pseudonyme die Namen bereits verstorbener Künstlerinnen wie Frida Kahlo oder Paula Modersohn-Becker. In einem Selbstporträt heißt es: „Unsere ­Arbeit ist dank der Gleichgesinnten um die Welt gegangen. Sie ist auch in Hunderten von Zeitungen und Magazinen aufgetaucht […]; und in unzählbaren kunsttheoretischen und feministischen ­Texten. Das Geheimnis um unsere Identitäten hat Aufmerksamkeit erregt. Wir könnten jede sein; wir sind überall.“


Der Wettlauf von Roald Amundsen und Robert Falcon Scott zum Südpol wurde Geschichte. In dieser Spielzeit wurde die Geschichte zur Oper. Miroslav Srnka komponierte im Auftrag der Bayerischen Staatsoper South Pole, zusammen mit Librettist Tom Holloway. Am 31. Januar 2016 wurde das Werk uraufgeführt, zu den Festspielen kehrt es wieder. MAX JOSEPH begleitete das Ereignis durch die Spielzeit und erzählt in der vierten und letzten Folge von der Nachgeschichte beider Expeditionen.


Was bisher geschah: Ein Wettrennen von epischen Ausmaßen – der Brite Robert Falcon Scott gegen den Norweger Roald Amundsen. Wer von beiden erreicht als erster Mensch den Südpol? Erst beim Zwischenstopp in Australien erfährt Scott per Telegramm, dass Amundsen ihm auf den Fersen ist. Alle hat der Norweger getäuscht, seine Geldgeber, seine Förderer, die Öffentlichkeit – sie alle hat er glauben lassen, er habe sich zu einer mehrjährigen Drift durchs Nordpolarmeer verabschiedet. Und anders als Scott, der mit seinem antarktischen Rekordversuch auch eine weitgefächerte wissenschaftliche Forschungsexpedition verbindet, verzichtet Amundsen auf akademischen Ballast, kommt mit einem guten Dutzend frosterprobter Leute und konzentriert alle Anstrengungen auf das Ziel, Erster zu sein. Am 14. Dezember 1911 hat er es geschafft. Scotts Beharren auf seinen Forscherplänen und einige Fehlkalkulationen führen indes dazu, dass nicht nur das Wettrennen verloren geht, sondern auch die sichere Rückkehr der fünf britischen Südpolstürmer in Gefahr gerät. Als Amundsen schon wieder in See sticht, kämpfen Scott, Wilson, Evans, Bowers und Oates noch um ihr Leben im ewigen Eis. – Gut hundert Jahre später hebt sich der Vorhang des Münchner Nationaltheaters zur Uraufführung von South Pole. Auch eine Oper über die Entdeckung des Südpols ist ein Wagnis. Wie geht es aus, wie geht es weiter? Von diesen letzten Etappen erzählt der vierte und abschließende Teil des MAX JOSEPH-Operncomics.

Team Scott: Nachdem Edgar Evans, von einer Handverletzung zermürbt und seit einem schlimmen Sturz auch nicht mehr Herr seiner Sinne, eines Mor­ gens nicht mehr aufwacht, glauben die vier verbliebenen Briten ihre Chan­ cen auf ein Durchkommen wieder erhöht – ein Mann weniger, mehr Essen für die übrigen, und es geht schneller voran. Doch das Wetter ist unbarmherzig. Ein Schneesturm folgt dem anderen. Die Dichtungen der zwischengelager­ ten Kanister sind bei den tiefen Temperaturen brüchig geworden, der Brenn­ stoff hat sich weitgehend verflüchtigt. Kein warmes Essen also, keine Lin­ derung für die erfrorenen Glieder. Lawrence Oates hat eine Entzündung am Fuß, bei minus 40 Grad Celsius gibt es keine Aussicht auf Heilung. Am Mor­

gen des 16. März steht Oates auf und sagt: „Ich gehe mal raus und bleibe vielleicht eine Weile weg.“ Scott schreibt darüber: „Wir wussten, dass Oates in seinen Tod ging, aber auch wenn wir versuchten, ihn davon abzuhalten, wussten wir, dass es die Tat eines mutigen Mannes und englischen Gentle­ mans war.“ Kein Zweifel: Oates wollte mit seinem Opfer den Kameraden nicht länger zur Last fallen. Der Maler und Illustrator John Charles Dollman bringt 1913, in dem Jahr, in dem die Öffentlichkeit vom Schicksal des britischen Teams erfährt, seine Vision von Oates’ letzten Augenblicken zu Papier. Er nennt sein Bild „A Very Gallant Gentleman“. Die obige Zeichnung lehnt sich an diese legendäre Darstellung an.


„Freitag, 29. März. Seit dem 21. hat es unaufhörlich aus Westsüdwest und Südwest gestürmt. (…) Jeden Tag waren wir bereit, nach unserem nur noch 20 Kilometer entfernten Depot zu marschieren, aber draußen vor der Zelttür ist die ganze Landschaft ein durcheinanderwirbelndes Schneegestöber. Ich glaube nicht, dass wir jetzt irgendwie auf Besserung hoffen können. Aber wir werden bis zum Ende aushalten; freilich werden wir schwächer, und der Tod kann nicht mehr fern sein. Es ist ein Jammer, aber ich glaube nicht, dass ich noch weiter schreiben kann. R. Scott.  Letzter Eintrag  Um Gottes Willen sorgt für unsere Hinterbliebenen“.

Acht Monate später findet ein Suchtrupp das Zelt, in dem Scott, Wilson und Bowers gestorben sind. Man lässt die Leichen unter ihrer Schneedecke lie­ gen, auf das ein Kreuz aus zwei Skiern gesteckt wird. Am Lagerplatz, von dem aus Oates in den Tod gegangen ist, wird ein weiteres Kreuz aufgestellt; seine Leiche bleibt unauffindbar, bis heute. Auch oberhalb ihres Winter­ quartiers am Kap Evans errichten die Briten ein Kreuz. Auf ihm stehen die Namen der fünf Verstorbenen und die letzte Zeile aus Alfred Tennysons ­Gedicht Ulysses: „To strive, to seek, to find and not to yield“ – „Zu streben, zu suchen, zu ­f­inden und nie aufzugeben“.


Zwei Monate zuvor: Als Amundsen zum Winterquartier „Framheim“ in der Walfischbucht zurückkehrt, ist auch gleich die Fram zur Stelle, um die Abenteurer wieder einzusammeln. Am 30. Januar sticht das Schiff mit der norwegischen Südpol-Mannschaft wieder in See. Von Tasmanien aus will Amundsen der Welt seinen Triumph übermitteln. Doch vorher sieht er sich heftigem Gegenwind ausgesetzt – das Fram-Team hat nämlich Zeitungen von der Zivilisation mitgebracht: „Einige Leute scheinen über unsere Ak­ tivitäten hier unten (damit meint Amundsen seine unter Geheimhaltung geplante Südpol-Expedition; d. Red.) empört zu sein. Ein Verstoß gegen die ‚Etikette‘. Sind diese Menschen von Sinnen? Ist denn die Lösung der

Polfrage ausschließlich Scott überlassen? Ich pfeife auf diese ‚Dompfaf­ fen‘.“ In Hobart angelangt lässt Amundsen die Fram zunächst außerhalb des Hafens ankern, damit keiner der wartenden Journalisten Lunte riecht und die Sensationsmeldung vorzeitig hinausposaunt. „Kamen um 11 Uhr vormittags in Hobart an, und ich ging mit dem Doktor und Hafenmeister an Land. Buchte im Orient Hotel. Mit Schirmmütze & blauem Wollpullover hielt man mich für einen Landstreicher, und ich bekam ein schäbiges, kleines Zimmer. (…) Telegrafierte danach an den König, dann an Nansen & Leon. Verbrachte den Tag in Ruhe, bis auf die hitzigen Reporter, die mich bedrängten, doch ohne Erfolg.“ (7. März)


Amundsen behält zunächst im Rennen um den Nachruhm die Nase vorn. Noch auf dem Weg nach Tasmanien hat er begonnen, seine Siegesnach­ richten zu formulieren und aus seinen Aufzeichnungen einen Vortrag zu­ sammenzustellen. Als erstes darf The Daily Chronicle exklusiv berichten: Per Telegramm schickt Amundsen sein Manuskript Stück für Stück von Hobart nach London. Bald erscheint auch das „Buch zum Pol“, unter dem lapidaren Titel The South Pole – im Wesentlichen Amundsens Tagebuch, um einen historischen Rückblick auf die Südpol-Erforschung ergänzt (und im Hinblick auf die Veröffentlichung von allzu unverblümten Kommentaren bereinigt). Vorträge, Einladungen, Empfänge in aller Welt schließen sich

an. Um seine Schulden zu bezahlen, muss Amundsen seinen Sieg zu Geld machen. Im Januar 1913 wird ihm die Goldmedaille der US-amerikani­ schen National Geographic Society in Washington verliehen, und kurz da­ rauf gibt es im Bellevue-Stratford zu Philadelphia ein Gipfeltreffen von drei Polarforschern. Gemeinsam mit Amundsen posieren Ernest Shackleton – der Engländer, der vor Amundsen dem Südpol am nächsten gekommen war – und Robert Peary – der Amerikaner, der damals als erster Bezwinger des Nordpols galt (den er aber vermutlich nie exakt erreicht hat). „Die drei ­Polarsterne“ taufte der Fotograf William H. Rau sein sorgfältig ­inszeniertes Bild.


Amundsen hat es zweifellos getroffen, dass sein Konkurrent umgekommen ist. „Furchtbar, furchtbar“ soll seine erste Reaktion auf die Nachricht gewe­ sen sein. „Kapitän Scott hat ein Beispiel abgegeben, für Ehrlichkeit, Ernst­ haftigkeit, Tapferkeit, für all das, was einen Mann auszeichnet.“ Aber mit dem Bekanntwerden vom tödlichen Ausgang der britischen Mission im ­Februar 1913 gibt es auch einen Meinungsumschwung in der Öffentlichkeit. Nachdem man Amundsen aller Kritik zum Trotz ein Jahr lang gefeiert hat, werden die Stimmen immer lauter, die Scott als aufrechten Helden rühmen und Amundsen als hinterhältigen Taktierer schmähen. Amundsens Sieg wird

im Lichte von Scotts Ende zu einer unbedeutenden Randnotiz – und er selbst dadurch immer dünnhäutiger. Als bei einem zu Amundsens Ehren ausge­ richteten Bankett der britischen Royal Geographical Society ihr Präsident George Curzon einen Toast auf die Schlittenhunde ausbringt („Three cheers for the dogs!“), ohne deren Hilfe die nordische Mannschaft nicht erfolgreich hätte sein können, kommt es zum Eklat. Der britische Humor in Ehren, hier versteht Amundsen keinen Spaß: Er empfindet den Trinkspruch als Affront. Von nun an sind die Briten für ihn schlechte Verlierer, das stolze Empire eine Nation von Feiglingen.


Kathleen Scott bleibt während der Abwesenheit ihres Mannes so aktiv wie zuvor. Sie arbeitet als Künstlerin, tritt in der Gesellschaft auf, kümmert sich um ihren zweijährigen Sohn Peter. Der Doyen der Polarforschung, Fridtjof Nansen, seit fünf Jahren verwitwet, verliebt sich sogar in sie. Als klar wird, dass ihr Mann in diesem Jahr noch nicht aus der Antarktis zurückkehren würde, entschließt sie sich, ihm entgegenzufahren – und zwar über New York, Texas, Mexiko und die Südsee. Am 19. Februar 1913 überbringt der Kapitän des Schiffes, mit dem sie auf dem Weg nach Tahiti ist, Kathleen die furcht­ bare Nachricht. Welch Kontrast zur Nachricht Amundsens, die noch wenige

Wochen zuvor ebenfalls von einem Schiff aus um die Welt ging. Noch wäh­ rend Kathleen auf Reisen ist, wird in der St. Paul’s Cathedral in London der Trauergottesdienst für Robert ­Falcon Scott gefeiert: König George V. kniet im Gedenken an einen Mann, der nicht einmal adlig war; tausende Men­ schen umlagern die überfüllte Kirche; das ganze Land trauert um einen Hel­ den. Noch heute ist Scotts ­Tagebuch, das schon wenig später gedruckt wird, Schulstoff – und dank seiner griffigen Art zu schreiben eine spannende Lek­ türe. Noch heute ranken sich Legenden um den britischen Helden: Scott hat sich als „Entdecker des Südpols“ ins kollektive Gedächtnis eingebrannt.


Schon in den Endproben mit Orchester ist das Fernsehen dabei; Arte will die Premiere zeitversetzt ausstrahlen und muss, gleichzeitig mit den Künstlern auf der Bühne, die Inszenierung mitproben, Kameraeinstellungen festlegen, die Untertitel auf Deutsch und Französisch einrichten – eine knifflige Auf­ gabe bei South Pole, sind doch schon die deutschen Übertitel auf der Bühne zweigeteilt auf der rechten und linken Portalseite projiziert. Viel Tüftelei auch an Stellen, wo man es gar nicht ahnt: Die so schlicht wirkende Bühne ist nicht ohne Tücken im Detail, die Musik hochkomplex, alles erfordert höchste ­Konzentration. Doch das Gesamtwerk gelingt. Nach einer kräftezehrenden

Uraufführung zieht man um zur Premierenfeier im Käfer-Foyer des Natio­ naltheaters. Was für ein Kontrast zur stilisierten Leere auf der Bühne – und wie viel mehr zur tatsächlichen Einsamkeit in der Antarktis! Solisten und ­Orchestermusiker, Regieteam und die Mitwirkenden hinter den Kulissen, ­Publikum und Freunde drängeln sich rund um den Tresen im Souterrain des Staatsopernfoyers. Viele Fachkollegen sind gekommen, Intendanten, Drama­ turgen, ­K­omponisten, und tauschen sich aus über das neue Stück. Natürlich hält Intendant Nikolaus Bachler eine Ansprache, und noch einmal werden die Darsteller gefeiert, noch einmal wird den Autoren Beifall gezollt.


Eine Uraufführung ist immer etwas Außergewöhnliches, aber die Oper South Pole hat auch für Staatsopernmaßstäbe außergewöhnlich viel Aufmerksam­ keit erhalten. Für das Interesse des Publikums an dem Stoff und seinen ­jungen Komponisten, an den Fragen, die sich bis in unsere Zeit an die ­Entdeckung des Südpols anschließen, gibt es ein umfangreiches Begleit­ programm: Ein Internet-Blog bereitet ein Jahr lang auf die Oper vor, in­ ­Filmabenden lassen sich Scott und Amundsen kennenlernen, Publikationen ermöglichen vertiefende Lektüre, in Gesprächsrunden werden Eindrücke ausgetauscht. In den Themenkonzerten berichten Forscher verschiedener Max-Planck-Institute von Klimawandel bis zur Traumaforschung, und es er­

klingen neben Musik von englischen und norwegischen Komponisten viele Werke von Miroslav Srnka. Auf dem Max-Joseph-Platz kündet ein schwarzes Zelt, exakt baugleich dem Südpol-Zelt der Aufführung, von der Geschichte, während unter den Säulen des Haupteingangs eine Klanginstallation von Moritz Gagern Passanten den Südpol vor Ohren führt … und hier in MAX JOSEPH lesen Sie den Begleitcomic zu South Pole. Doch irgendwann kommt die Zeit, diese selbstgeschaffene Welt wieder zu verlassen: Rolando Villa­ zón und Thomas Hampson, die beiden Sänger, für die diese Oper geschrie­ ben wurde und die mit ihrer Hingabe ihren Erfolg erst ermöglicht haben, verabschieden sich voneinander am Tag nach der letzten Vorstellung.


Was nach einer Aufführung hinter dem Hauptvorhang vor sich geht, das bleibt dem Publikum verborgen. Viele dürften verblüfft sein, wie dort, während die Solisten noch einzeln nach vor­ ne „durchtreten“ und sich für den Applaus bedanken, sofort mit jeglicher Illusion aufgeräumt wird. Die Bühnentechniker nehmen das Zepter in die Hand: Die Dekorationen werden abge­ baut, Requisiten eingesammelt, Scheinwerfer abmontiert, Kabel aufgerollt, um die Bühne für die nächste Probe am nächsten Morgen vorzubereiten. An einem Repertoiretheater wie der Bayerischen Staatsoper gehört der ständige Wechsel dazu. Aber bei der letzten Vorstellung einer Aufführungsserie wird doch inmitten dieses Gewusels noch ein bisschen Abschied ­gefeiert, und das Ensemble macht ein Gruppenfoto zur Erinnerung. Im Falle von South Pole wissen alle, dass es bald weitergeht: Zu den Opernfestspielen 2016 wird man sich für eine ­weitere Vorstellung zusammenfinden, und die Wiederaufnahme im Januar 2017 ist ebenfalls schon fest geplant. Inzwischen ist bekanntgeworden, dass South Pole auch außerhalb Mün­ chens zu sehen sein wird. Das Staatstheater Darmstadt will im Mai 2017 eine eigene Insze­ nierung erarbeiten. Für eine Uraufführung ist das im Grunde die schönste Anerkennung. Die Strapazen haben sich gelohnt, die Expedition geht weiter.

Text Malte Krasting


Cy Twombly, Untitled (Roses), Rose Brief in its Beauty, 2008 (Detail), Udo und Anette Brandhorst Sammlung, Foto: Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München © Cy Twombly Foundation

IN THE STUDIO 31.5.16 BIS 26.8.18

BAYERISCHE STAATSGEMÄLDESAMMLUNGEN KUNSTAREAL MÜNCHEN THERESIENSTRASSE 35A


Unter uns Im September 2015 haben die Münchner zigtausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof willkommen geheißen. Wie hat sich die Stimmung seither verändert? Da ist der Postbeamte hinter dem Schalter, den ich frage, wie alt das Schwarzweißfoto seines Amtes wohl sei, das da hinter ihm hängt. „Dreißiger Jahre“, sagt er, klebt eine Briefmarke auf den Umschlag und mustert mich dabei. Darf ich’s sagen oder nicht?, scheint sein Blick zu fragen, mit dem er auch registriert, dass hinter mir keine anderen Kunden stehen. Dann ganz beiläufig, unter uns: „Damals war die Welt noch in Ordnung.“ Sein Mut, mitten in der Post, deren treuer Staatsdiener er seit vielen Jahren ist, einen solchen Satz gesagt zu haben, scheint ihm einen solchen Schub zu geben, dass es bloß noch meines interessierten „Ach so?“ bedarf, um ihn endgültig in Redelaune zu versetzen. Um „Asylanten“ geht es dabei, sein Synonym für „Ausländer“, um schlimme Ungerechtigkeit, die Wohnungspreise, die immer weniger werdenden Alteingesessenen und die immer ­ mehr Fremden, denen keiner sagt, wo es lang gehe, „nämlich sofort wieder hinaus!“, und warum sich Deutschland nicht gleich selbst abschaffe, aber wenn, dann bitteschön mitsamt der ganzen Politiker-Bagage, ja weil’s wahr sei. Da ist die freundliche alte Dame, die während des Kindergottesdienstes meine kleine Tochter, die auf meinem Schoß sitzt, so lieb anlächelt. Die lobt, dass ich ein so schönes Bayerisch mit ihr spreche und dass wir noch in die Kirche gehen. „Blonde Kinder gibt’s ja auch kaum noch mehr bei uns in Deutschland“, sagt sie noch und schickt ein so maliziöses Lächeln, dass klar ist: Wir beide wissen, wie sie das meint. Wer die in München leider aussterbende Kulturtechnik des Ratschens beherrscht, in anderen Teilen Deutschlands bekannt als Quatschen oder Schnacken, hatte in den letzten Monaten viel Gelegenheit, die Stadt in wirklich all ihrer Vielfalt kennen zu lernen, inklusive derjenigen, vor der sich ihre liberale Mitte ängstigt. Der Ratsch zeichnet sich gegenüber der Unterhaltung dadurch aus, dass man ihn nicht nur mit seinesgleichen hält, sondern mit schlechterdings jedem, der eben gerade da ist: Fahrradkurieren, Professorinnen, Taxi­ ­

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fahrern, Bäckereifachverkäuferinnen und deren Kunden, Straßenmusikern, Rentnern oder Schreibwarenhändlern. Man braucht noch nicht einmal etwas Besonderes zu sagen zu haben, man fängt einfach an zu reden und schaut, was passiert. Damit etwas passiert, hält man sich ans Allgemeine: ans Wetter (zu warm für die Jahreszeit), den FC Bayern (putzt sie alle weg) oder die abnehmende Qualität der Münchner Brezen (ein Jammer). Steile Thesen werden im Allgemeinen vermieden, man sucht eher das Verbindende – man spricht das an, von dem man denkt, dass es der andere auch denkt. Deshalb ist der Ratsch so interessant: Daran, welches Thema der Ratschende anschlägt, erkennt man, wohin sich die Stimmung der Stadt gerade neigt. Noch vor nicht allzu vielen Monaten neigte sie sich in Richtung Mitgefühl. Das war zu Beginn dessen, was den Namen „Flüchtlingskrise“ erhalten hat, obwohl es eigentlich eine „Flüchtlingsaufnahmekrise“ ist. Damals, im Spätsommer 2015, schienen sich die Münchner einig zu sein: Den Leuten muss geholfen werden.

Apropos NOAH


Da war die alte Frau, die am Ausgang zum Starnberger Flügelbahnhof auf einem Campingstuhl saß, vor sich einen Weidenkorb mit Müsliriegeln, Vitaminsäften und Babygläschen. Saß da, lächelte und nickte freundlich, wenn sich jemand aus ihrem Korb bediente. „Mich hat keiner hergeschickt, ich bin einfach so da.“ Da war Emöke Sagi, 63 Jahre alt, die Tüten mit Pfirsichen an die Flüchtlinge verteilte. „Ich bin selber vor 35 Jahren nach Deutschland gekommen. Als Flüchtling aus Ungarn. Und ich weiß noch, wie ihr mir damals geholfen habt, ihr Deutschen.“ Nun war sie selbst zur Helferin geworden – wie übrigens viele ältere Münchnerinnen und Münchner, die sich noch an Flucht und Vertreibung ­erinnern. Da war Flori, der Nachtschwärmer, der die Restaurants um den Hauptbahnhof herum auf der Suche nach Wasser und Nahrungsmitteln abklapperte und dann verteilte. Er war einem Aufruf im Radio gefolgt. „Ich will, dass es möglichst vielen Menschen hier in möglichst kurzer Zeit möglichst gut geht.“ Über 18 Stunden machte er

Text Andreas Unger

das schon, ohne zu schlafen. „Ich bin Barkeeper, für mich sind durchwachte Nächte normal.“ Eine Normalität war das, wie sie sich eine Zivil­ gesellschaft nur wünschen kann: Man hilft, weil es etwas zu helfen gibt. Weil es sich gehört. Weil man es sich auch selbst schuldig ist. Weil es selbstverständlich ist. Das war es natürlich ganz und gar nicht. Es war ein Ausnahmezustand, ein Fest der Nächstenliebe. Und der Selbstliebe: In diesen ersten Wochen waren die Münchner schon auch ziemlich begeistert von sich selbst. Warum auch nicht, sie hatten allen Grund dazu: In welcher Stadt der Welt machen sich schon hunderte Menschen auf zum Hauptbahnhof, um den Ankommenden zu applaudieren? Bis in die New York Times schaffte es die Stadt: „Many of the new arrivals seemed overwhelmed by the abundance of volunteers and food, water, clothing, toys and other gifts that were bestowed on them as they poured off trains through the day and into the evening.“ („Viele Neuankömmlinge schienen überwältigt angesichts der Menge an Freiwilligen und der Fülle an Nahrungsmitteln, Wasser, Kleidung, Spielzeug und anderen Geschenken, die ihnen dargebracht wurden, nachdem sie tagsüber und bis in den Abend hinein aus den Zügen geströmt waren.“) München, das war auf einmal die Hauptstadt einer neuen Art von Friedensbewegung. Tolle, ergreifende Tage waren das. Die Münchner ließen sich nicht lumpen, sie ließen sich davontragen von ihrer Begeisterung, ihrem Mitgefühl, ­ ­ihrem Impuls, zu helfen, wo Not ist. Gut, sie haben auch ­etwas zu geben, die Bayern. 3,6 Prozent Arbeitslosigkeit, 2,1 Prozent Wirtschaftswachstum 2015, Bruttoinlands­ produkt knapp 550 Milliarden Euro, Nettovermögen ­eines bayerischen Haushaltes im Schnitt 106.000 Euro. Und die Berge werden ja nicht kleiner, wenn wir die Aussicht auf sie teilen. Inzwischen hat man den Eindruck, Empathie sei eine endliche Ressource. Übrigens nicht nur unter Alteingesessenen. Da ist die gebürtige Rumänin, die nicht in Obersendling wohnen möchte, weil ihr dort zu viele Ausländer leben: „Ich darf das sagen, ich bin Ausländerin!“ Da ist die gebürtige Tschechin, die sich Sorgen um den Wert ihrer Wohnung macht, weil gegenüber möglicherweise Flüchtlinge einziehen. Ein Stimmungsumschwung? Nimmt man Horst Seehofer zum Maßstab, ausgestattet mit Bayerns feinster Nase für politische Witterung seit Franz Josef Strauß, ganz sicher: Er weiß, warum er sagt, das Ende der Willkommenskultur sei „notariell besiegelt“. Dass allerdings aus Flüchtlingsunterstützern plötzlich -gegner geworden wären, ist mir nicht bekannt. Eher ist es so: Erst waren die Helfer besonders gut vernehmbar, dann die Skeptiker, jetzt die Gegner. Dazu kommt eine gewisse Ermüdung auf der langen Strecke: Viele mögen sich zu spontanen solidarischen Kleiderschrankentrümpelungen aufgerafft haben; aber ein Flüchtlingskind über Mona-

Foto Toby Binder


te hinweg Deutsch zu lehren, erfordert größere Ausdauer. Und Professionalität. Auch deshalb wird die Aufgabe jetzt an die Profis vom Sozialstaat delegiert. Da ist der Mann am Bahnhof, der mit Blick auf ein paar Schwarzafrikaner sagte: „Nur neues Gewand haben sie an, und jeder telefoniert mit dem Handy.“ Man könnte ihm jetzt erklären, dass die Leute Deutschland sicher nicht wegen neuer Blusen aufgesucht haben. Dass das Handy ihre Verbindung zur Familie in die Heimat ist, dass „Familie“ und „Heimat“ Worte sind, die gerade die Bayern gern im Munde führen. Und dass es uns Deutschen nicht besonders gut zu Gesicht stünde, wenn die bei uns Schutz Suchenden mit zerfetzten Cargohosen herumlaufen müssten. Das Problem ist nur, dass sich das jeder selber denken könnte. Es will sich aber nicht jeder selber denken. Solche Leute wird es immer geben, das ist wahr. Wahr ist aber auch, dass es in den letzten Monaten mehr gibt, die auch so reden, und dass es ihnen leichter fällt, so zu reden, weil sie mit weniger Gegenwind rechnen müssen. Die Stadt hat also zwei neue Probleme: dass das Ressentiment stärker geäußert wird. Und dass ihm weniger entgegengesetzt wird. Zwischendurch schien München fast nur von Flüchtlingsbejublern und Überfremdungswarnern bewohnt zu sein. Letztere scheinen nur auf ein Vorkommnis wie auf der Kölner Domplatte gewartet zu haben. Um sagen zu können, sie hätten es immer schon gesagt: dass das noch gewaltigen Ärger geben werde mit den Flüchtlingen. Dabei hatte niemand behauptet, es kämen nur liberale, aufgeklärte Pazifisten ins Land. Zum Glück gibt es zwischen den Extremen die wachsende Gruppe derer, die das Kunststück beherrschen, unbequeme Fragen stellen, deren Ziel weder die Verteidigung noch die Diffamierung der Zufluchtsuchenden ist: Was bringen sie noch alles mit, außer ihrer Not? Wovon sollen sie leben, außer vom Staat? Wollen sie die Freiheit, um derentwillen sie den Weg hierher auf sich genommen haben, auch allen anderen zugestehen? Was ist mit dem Antisemitismus, den sie mitbringen? Wie sollen wir auf die Traumatisierung und die Verrohung reagieren, die Krieg und Flucht in den Seelen der Ankommenden angerichtet haben? Diese Fragen stellen sich vor allem jene, die direkt mit den Geflüchteten zu tun haben, Helfer zumeist: Sozialpädagogen und Sozialarbeiter, Vormünder, Betreuer und Lehrer in Integrationsklassen. Von den Pegida-Demonstranten sieht und hört man unterdessen kaum noch etwas. Und auch manchen Anti-Pegida-Demonstranten ist nicht mehr ganz wohl in ihrer Haut. Zum Beispiel fremdelte der Münchner Schriftsteller und Lektor Fridolin Schley bei der großen Demo am Max-Joseph-Platz vor der Staatsoper im vergangenen Herbst: „Was also stimmte nicht, wo doch eigentlich alles stimmte? Dass hier viele ein bisschen zu stolz auf ihr Dabeisein waren? Dass sich alle so prima einig waren –

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noch dazu auf der moralisch sicheren Seite? Dass es ein Event war, bei dem auch noch Notwist spielten? Dass die skandierten Parolen zu einfach waren? Dass es unheimlich ist, in laute Massensprechchöre einzustimmen? Dass man darüber leicht vergisst, sich eine eigene Meinung zu ­bilden?“ Als dann wenig später in Haidhausen zur Demo gegen Pegida-Anhänger aufgerufen wurde, war Schley wieder mit dabei. „Das Problem war nur: Sie waren nicht da.“ Als schließlich doch einige hundert Gegendemonstranten auf „vielleicht zwanzig Häufchen Elend“ trafen und sie niederbrüllten, erinnert er sich, Zweifel bekommen zu haben, ob diese Form von Widerstand der richtige Weg sei: „Pegida wurde immer wieder vorgeworfen, sie seien meist nur gegen etwas. Das wollten wir nun unsererseits nicht ­wiederholen, indem wir einfach nur gegen Pegida waren.“ Gute bayerische Sitte ist, die Dinge beim Namen zu nennen. Dazu gehört auch, dass man den Postbeamten ­einen Nazi nennt und die alte Dame in der Kirche eine Rassistin. Ich gestehe: Ich habe den Mund gehalten – zu verdutzt war ich, zu bequem auch. Nächstes Mal aber ­erfolgt, versprochen: Gegenrede. Andreas Unger ist Sozialjournalist aus München, schreibt, ­dreht und moderiert (u.a. für BR und Hohe Luft) und war Chefredakteur des Münchner Straßenmagazins Biss.

Über das Campus-Projekt NOAH Schaf und Löwe einträchtig nebeneinander, zwei Schimpansen, die dem Betrachter fröhlich zuwinken, aus der Dachluke guckt die ­Giraffe: so ähnlich sieht die „Arche Noah“ in den meisten Kinder­ bibeln aus. Diejenigen Jugendlichen aber, die sich dem Mythos „Noah“ an der Staatsoper annehmen, haben Fragen, die dazu nicht passen wollen: Was war Noah für einer – hat er mit Gott gerungen? War er ein willenloser Vollstrecker seines grausamen Willens? Wen hat Noah alles abgewiesen – die Stärksten? Oder die Verletzlichsten? Ähnelt der Mann nicht eigentlich einem Schlepper? Und wie kamen die Löwen dazu, nicht die einzigen beiden Antilopen auf der Welt zu fressen – durch gutes Zureden? Zwang? Oder tiefere­ Einsicht in die Nachhaltigkeit temporären Veganismus’? „Wir hüten uns vor einer eindeutigen Botschaft, wir wollen ein Diskussionsfeld aufmachen“, sagt Dramaturg Daniel Menne. ­Unter der Regie von Jessica Glause und der musikalischen Leitung von ­Benedikt Brachtel haben sich Geflüchtete sowie Münchner mit und ohne Migrationshintergrund zwischen 13 und 23 Jahren mit dem ­Mythos Noah auseinander gesetzt. Darunter befanden sich auch ­Geflüchtete, die im September 2015 am Münchner Hauptbahnhof an­gekommen waren. Die Darsteller haben dabei verstörende ­Fragen h ­ ervorgebracht. Unter anderem: Wer sind wir eigentlich in diesem Stück – die Flut oder die Rettung, das volle oder das ­rettende Boot? Das Stück, das das Publikum mit „auf eine Reise nahm, die man so schnell nicht vergessen wird“, wie es in einer ­Kritik des Münchner Merkur hieß, feierte am 8. Mai 2016 Premiere. Aufgrund des großen Erfolgs ist es bei den Münchner Opernfestspielen nochmals zu sehen.

NOAH Münchner mit und ohne Migrationshintergrund beschäftigen sich mit einem ewigen Mythos und einem aktuellen Thema Von Jessica Glause und Benedikt Brachtel Zusatzvorstellungen am Donnerstag, 28. Juli 2016, 19:30 Uhr Samstag, 30. Juli 2016, 14:00 Uhr und 17:00 Uhr Neues Probengebäude am Marstallplatz, Einlass über die Tageskasse


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20 Jahre Oper für alle Eine Zeit voller magischer Momente: Seit ­nunmehr 20 Jahren überträgt die Bayerische Staatsoper Vorstellungen live auf den Max-­JosephPlatz, und das Bayerische Staats­orchester gibt Konzerte unter freiem Himmel. Das alles kostenlos – dank des Partners BMW München.

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„Es ist die einzigartige Kombination aus erstklassiger Musik und unvergleichbarer Stimmung im Publikum, die Oper für alle zu einem ganz besonderen Klassikerlebnis macht.“ Peter Mey, Leiter der BMW Niederlassung München

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„Oper für alle ist für uns alle an der Staatsoper ein besonderes Ereignis. Wir sind glücklich und stolz, das 20-jährige Bestehen dieser außergewöhnlichen Partnerschaft zu feiern.“ Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper

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Text Jutta Czeguhn

Es regnet, doch die Menschen klappen ihre Schirme zu. Irgendwann kann man nicht mehr nasser werden. Die Kleidung klebt ihnen am Leib, das Wasser steht in den Schuhen. Sie schlottern vor Kälte, denn die Gewitterschauer haben die Sommerabendluft ordentlich abgekühlt. Aber was macht das schon? Die Leute jubeln, denn gerade sind die Sänger und der Dirigent vors Nationaltheater getreten. Nach knapp drei Stunden ­Fidelio sehen sie beinahe so ramponiert aus wie ihr Publikum auf dem Max-Joseph-Platz. Erschöpft, aber euphorisch winken die Künstler und verbeugen sich. „O namenlose Freude“ bei Oper für alle im Juli 2011. Viele dieser magischen Momente hat es in den vergangenen 20 Jahren bei Oper für alle gegeben: Ganz im Sinne des Erfinders, des damaligen Staats­ intendanten Sir Peter Jonas, und des Partners BMW München strömen die Münchner seit 1997 zum Opern-Open-Air. In den Tagen davor verfolgen sie bange den Wetterbericht, denn manchmal gibt’s auch „Regen für alle“. Doch den weiß man mittlerweile erstaunlich gelassen zu nehmen. Mehr als zehntausend sitzen, stehen dann auf den kreuzunbequemen Isarkieseln rund um das Max-­ Joseph-Monument oder erleben Konzerte des Staatsorchesters auf dem ­Marstallplatz. Bei der Live-Übertragung aus dem Opernhaus werden Stars wie Plácido Domingo auf der Leinwand zu Riesen – und schmettern dank HighTech-Sound lauter als zehn Tenöre. Manchmal formieren sich die Massen auf dem Platz auch selbst zum Chor, etwa um Jonas Kaufmann nach der Tosca mit einem Geburtstagsständchen zu überraschen. Man sieht Security-Männer, denen bei „Isoldes Liebestod“ die Seele erweicht. Wildfremde teilen Isomatten, Wein und Dixi-Klos oder drücken sich eine ganze Götterdämmerung lang unter einem Regenschirm zusammen. Manche entwickeln auch lynch­artige Gelüste, wenn jemand mitten im Intermezzo von Manon Lescaut ins Mobiltelefon plärrt. In der Staatsoper drinnen gäb’s dafür wohl Hausverbot. Die drinnen und die draußen – entgegen allen Mythen gibt es da wohl mehr Überscheidungen, als man denkt: Rundweg gesittet ging es auch in Opernhäusern nie zu. Claqueure lieferten sich wüste Schlachten, nicht nur in Italien wurden die Sänger mit Tomaten beworfen. In der Bayerischen

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Staatsoper fliegt heutzutage zwar kein Gemüse, aber auch dort ist ein Besuch keine sakramentale Handlung mehr – zumindest für die meisten. Man trifft im Nationaltheater auf alle und jeden: Hoch- und etwas tiefer gelegten Adel, Showbiz-Prominenz, Pensionäre und Studenten mit knappem Budget, Opern-Routiniers, die „Regietheater-Inszenierungen“ als persönliche Beleidigung empfinden, wandelnde ­Enzyklopädien, die davon schwärmen, wie „unerreicht“ der Wunderlich am 23. Oktober 1964 in Der fliegende Holländer den Steuermann gesungen hat. Es gibt Leute, die tiefbeseelt einer Arie ­lauschen, lippensynchron den Text mitflüstern. Andere können kaum das Gähnen unterdrücken. In der Pause wird das ein oder andere Häppchen vom Opern-Caterer verdrückt. Man sieht Jeans im Parkett und Roben auf den Hörerplätzen. Manchmal fiept ein Smartphone, oder es klatscht jemand an der falschen Stelle, was noch keinen Musiker je ernsthaft beleidigt hat. Mit Oper für alle als Zuckerl, Lockmittel und Dankeschön an die Münchner hat vor 20 Jahren die Öffnung der Staatsoper für ein vielfäl­tigeres Publikum begonnen. Heute ist das Haus durchlässig wie nie, es streamt, facebookt, bloggt und zwitschert. Es gibt Musiktheaterprojekte mit jungen Münchnern, Workshops für Schüler, Familien- und Sitzkissenkonzerte. In den „Montagsrunden“ kann man mit Dramaturgen ins Gespräch kommen, ohne mit ihnen einer Meinung sein zu müssen. Für die Reihe „sehend hören“ schickt die Staatsoper ihr Publikum auch mal in ein Münchner Museum. Auch wenn es zuweilen Kritik an den Ticketpreisen gibt, die zudem zur Festspielzeit höher sind als den Rest der Saison über, kommen längst Menschen ins Nationaltheater, die die imaginäre rote Linie unter den prachtvollen Säulen wie selbstverständlich überschreiten. Für sie ist, auch dank Oper für alle, das ganze Jahr Oper. Und das ganz unbelastet vom Wetter.

S. 118/119: Eindrücke aus 20 Jahren Oper für alle, fotografiert von Wilfried Hösl 1 Tradition seit 20 Jahren: Luftballons nach Oper für alle, hier im Jahr 2008. 2 Intendant Nikolaus Bachler und Oper für alle-Moderator Thomas Gottschalk schauen Fidelio, Oper für alle 2011. 3 Der Max-Joseph-Platz während der Festspiele 1998. 4 Das Bayerische Staatsorchester spielt auf dem Marstallplatz. 5 Der Marstallplatz aus der Perspektive des Bayerischen Staatsorchesters. 6 Kent Nagano und das Ensemble von Chowanschtschina, Oper für alle 2007. 7 Kurz vor Manon Lescaut, Oper für alle 2015. 8 Kent Nagano dirigiert das Jugendorchester ATTACCA, Oper für alle 2008. 9 Zubin Mehta dirigiert das Bayerische Staatsorchester, Oper für alle 1998. 10 Sir Peter Jonas und das Ensemble von Rigoletto, Oper für alle 2005. 11 Ein kurzer Regenschauer während Guillaume Tell, Oper für alle 2014. 12 Diana Damrau und Philippe Jordan interpretieren Richard Strauss. Oper für alle-Konzert 2015. 13 Abendstimmung über dem Nationaltheater, Oper für alle 2013. 14 Applaus für Zubin Mehta und die Solisten von Verdis Requiem, Oper für alle 2013. 15 Der „Vater“ von Oper für alle, Sir Peter Jonas, spricht zu knapp 10.000 ­Besuchern auf dem Max-Joseph-Platz. 16 Das passende Wetter zur Götterdämmerung: Regen … Oper für alle 2012. 17 Das Ensemble von Manon Lescaut mit Nikolaus Bachler und Peter Mey (BMW München) beim Schlussapplaus, Oper für alle 2015.

OPER FÜR ALLE Festspiel-Konzert Oper für alle Richard Wagner – Rienzi-Ouvertüre ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung: Allan Bergius Gaetano Donizetti – Il Duca d’Alba, Arie des Marcello di Bruges „Angelo casto e bel“ L’elisir d’amore, Arie des Nemorino „Una furtiva lagrima“ Pietro Mascagni – Intermezzo aus Cavalleria rusticana Giuseppe Verdi – Luisa Miller, Arie des Rodolfo „Quando le sere al placido“ Giacomo Puccini – Gianni Schicchi, Arie des Rinuccio „Avete torto“ Ottorino Respighi – Fontane di Roma Ottorino Respighi – Pini di Roma Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung: Constantinos Carydis Solist: Pavol Breslik Samstag, 9. Juli 2016, 20:30 Uhr, Marstallplatz – Die Meistersinger von Nürnberg Oper in drei Aufzügen Von Richard Wagner Sonntag, 31. Juli 2016, 17:00 Uhr, Max-Joseph-Platz

Jutta Czeguhn schreibt für den Lokalteil der Süddeutschen Zeitung über Kultur und Münchner Stadtpolitik. Sie war zu Gast bei vielen ­Oper-für-alle-Abenden, sowohl drinnen wie draußen.

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Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater Die Vorstellung wird zusätzlich im Rahmen von STAATSOPER.TV live im Internet übertragen. EINTRITT FREI


Schön.

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Rubrikentitel

Was wären unsere Städte und Dörfer ohne historische Gebäude? Ohne Bauwerke, die Geschichten erzählen, die typischen Eigenheiten einer Region verkörpern oder Wahrzeichen eines Ortes sind? Historische Bauwerke machen unsere Städte und Dörfer einmalig und unverwechselbar. Deshalb setzt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für den Erhalt 121 einzigartiger Denkmale ein. Mit Ihrer Hilfe. www.denkmalschutz.de


Ist der Bericht wahr? Die Lichtkünstler des Duos Luftwerk lassen Bauwerke auf spektakuläre Art erstrahlen. Für die Oper Mauerschau gestalten sie zum ersten Mal eine Bühne. Ein paar Fragen vorab. MAX JOSEPH Wenn es so kurz wie möglich sein sollte: Was macht Luftwerk? Luftwerk Luftwerk bespielt Orte und Räume mit Licht und Klang.

MJ Ihre Arbeit hatte bisher eine architektonische Zielrichtung. Mauerschau ist Ihre erste Arbeit am Theater, zum ersten Mal stützt Ihre Arbeit auch eine Erzählung, fordert eine unmittelbare Reaktion des Publikums. Was reizt Sie daran?

MJ Was ist dabei die Absicht? L Mit Licht kann man Oberflächen neu beleuchten und Themen neu sichtbar machen. Wenn man auf eine Struktur in bestimmter Weise Licht wirft, schafft man dadurch neue Perspektiven. Licht offenbart versteckte Charakteristika. Zum Beispiel „Fallingwater“, ein 1939 fertiggestelltes Wohnhaus von Frank Lloyd Wright: Dieses Haus ist in seiner Architektur sehr bekannt. Wenn du es mit Licht neu in Szene setzt, erzeugt das eine neue Dynamik. Wir versuchen so, aus scheinbar festen Strukturen die innere Bewegung hervorzuholen.

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L Die Flüchtigkeit. Es ist eine lebendige Form der Kunst, eine Welt der Imagination, in der Ideen grenzenlos zum Leben erweckt werden können … MJ Das heißt, die Arbeit wird dem Betrachter nicht wie bisher für längere Zeit zur Verfügung stehen. Wird das Erlebnis dadurch vielleicht intensiver, fokussierter? L Eine Arbeit, die im Bezug zu Architektur entsteht, lebt im Dialog mit einer bestehenden Struktur, der eine bestimmte Geschichte und Bedeutung innewohnt, wogegen

die Bühne ein Raum ist, der sich mit der jeweiligen Geschichte immer wieder neu erfindet. MJ Das heißt, man kann diesen Raum ganz neu füllen, etwas ganz Neues schaffen? Auf welche Gegebenheiten auf einer Bühne nehmen Sie etwa trotzdem Rücksicht? L Die Gestaltung einer Bühne ist anders als unsere bisherigen Projekte, weil wir hier Spieler im Raum haben. Normalerweise ist bei uns das Publikum selbst der Spieler: Wir schaffen Räume, die von der Öffentlichkeit erlebt und aktiviert werden. Hier tun das die Schauspieler und die Sänger. Im Gegenzug muss der Raum auch auf die Darsteller reagieren. Wir folgen der Erzählstruktur des Stücks, die wir gemeinsam mit dem Text und der Musik aufbauen, und versuchen innerhalb dieser Struktur Situatio-

Uraufführung Mauerschau  Festspiel-Werkstatt


Interview

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nen zu schaffen, in denen sich ­die Figuren finden; der Raum soll die Spieler umgeben. Für uns ist spannend, dass wir dabei nicht ­ von einer bestehenden architekto­ nischen Form ausgehen und mit ihr in Beziehung treten, sondern den Raum gänzlich selbst entwerfen konnten. Hier ist beides, Vorlage und Kommentar, von Grund auf zu entwickeln. Mit beeinflusst hat uns dabei die architektonisch reizvolle Reithalle mit ihrer Länge, aber der Bühnenraum ist davon auch wieder unabhängig zu denken. MJ Die sogenannte Mauerschau ist als Erzähltechnik aus dem antiken Drama bekannt. Ein Beobachter berichtet über Vorgänge hinter der Mauer, die für das Publikum unsichtbar sind. Was bedeutet für Sie der Begriff heute? L Für uns bedeutet Mauerschau die Manipulation von Wirklichkeit. ­Jemand berichtet, was hinter der Mauer passiert. Woher wissen wir, ob das, was berichtet wird, wahr ist? MJ Bei welchen Situationen ist das heute so? L Wir beziehen uns nicht so sehr auf die Gegenwart. Wir alle sind medien­ manipuliert, ständig – aber wir ­wollen in dieser Hinsicht keine konkreten Referenzen zeigen, sondern auf einer anderen Ebene fragen, wie wir sehen. Es geht uns nicht um aktuelle Trends, sondern um unterschwellige Mechanismen von Sichtweisen. Dafür wollen wir die Bilder abstrakter halten, die Assoziationen sollen offenbleiben. Es geht uns um das Spiel zwischen Illusion und Wirklichkeit. Gleichwohl steht im Zentrum von Mauerschau die Ästhetik von Kommunikation in Zeiten des Krieges. Wir beschäftigen wir uns mit der Idee, Gedanken über ferne Distanzen zu senden, und der Entwicklung der Telegrafie. Wir sind fasziniert von der Abstraktion der Morsesignale. Das Morsealphabet

wird ein durchgängiges Element des Abends sein, sozusagen sein visueller Code: Kreis und Strich als Grundformen. Wenn ich diese Sprache lerne, kann ich sie entziffern, sonst bleiben es Formen, die ich nicht entschlüsseln kann. Genauso ist es bei Nachrichten im Fernsehen. MJ Woran mussten Sie bei dem Thema als Erstes denken? L Wir dachten sofort an Camouflage und die Ästhetik der optischen ­Täuschung, zum Beispiel an das Razzle-­Dazzle-Design. Das ist eine Camouflage-Technik, die im Ersten Weltkrieg für britische Schlachtschiffe entwickelt wurde; es sind abstrakte Schwarzweißmuster, die ein bisschen den Tarnfolien der sogenannten „Erlkönige“, der Prototypen der Automobilhersteller ähneln. Hier wie dort handelt es sich um optische Methoden, um den Gegner zu irritieren. MJ Heißt das, man versucht, sich gerade in der Auffälligkeit seiner Erscheinung zu tarnen? L Das Phänomen ist paradox. Ein mit Razzle-Dazzle getarntes Schiff hebt sich ab vom Hintergrund, sticht geradezu hervor. Aber durch die unregelmäßigen und auffälligen Muster, die keinen logischen Gesetzmäßigkeiten folgen und die auch der Schiffbau nicht erfordert, war es mit damaligen Mitteln unmöglich, die Entfernung und Position eines solchen Schiffes präzise zu orten, wodurch die Kanonen ihr Ziel nicht fokussieren konnten. Der Gegner konnte das Schiff zwar problemlos sehen, aber er konnte es nicht treffen. MJ Können Sie beschreiben, wie dieser Gedanke im Stück verankert ist? L Das Stück ist sehr vielschichtig. Da gibt es viel beabsichtigte Irritation: Wer ist wer, in welcher Bezie-

hung stehen die Figuren gerade ­zueinander? Das Publikum ist gefordert, dieser Irritation zu folgen und den Inhalt zu entschlüsseln. Das Razzle-Dazzle spielt diesen Gedankengang mit. MJ Was wühlt Sie in der Gegenwart am meisten auf? L Aufgewühlt … wir sind eigentlich gar nicht aufgewühlt. Eher getrieben von einer Unmenge von Ideen und dem Gefühl: Die Zeit ist knapp. Gewiss gibt es dringliche Themen. Aber sie sind in gewisser Weise auch zeitlos. Eines davon ist, nicht zu vergessen, Mensch zu sein. MJ In welche Richtung gehen diese Ideen? Etwas, das Sie schon seit Ewigkeiten machen wollten, oder etwas, wozu Sie den Impuls erst jüngst bekommen haben? L Wir wollen Kunst im öffentlichen Raum gestalten. Wir haben seit längerer Zeit viele Videoprojekte gemacht und entwickeln jetzt mehr und mehr permanente Arbeiten. Das sind viele Projekte gleichzeitig, und glücklicherweise haben wir viel mehr Ideen, als wir Zeit haben, sie zu verwirklichen. Als Nächstes bereiten wir eine Licht­installation im Arts Club of Chicago vor, die im September eröffnen soll. Sie nimmt Bezug auf die dort installierte berühmte Treppe von Mies van der Rohe, die aus sogenannten „floating stairs“ besteht. Und dann soll eine permanente Lichtinstallation im kanadischen Calgary folgen. MJ Gibt es etwas, das Sie sich als Reaktion des Publikums wünschen? L „Was siehst du?“ ist die grund­ legende Frage von Mauerschau. Wir wünschen uns, dass diese ­Frage für eine Weile beim Publikum weiterschwingt und Mauerschau einen bleibenden Eindruck hinterlässt.

Die Fragen stellten Malte Krasting und Maria März.


Seite 123, oben: Florescence, 2015, Foto John Faier (Garfield Park Conservatory, Chicago) Seite 123, unten: FLOW | Im Fluss, 2014, Foto Peter Tsai (Silent Funny, Chicago) Seite 124, oben: INsite, 2014, Foto Mel and Phil Theobald (Farnsworth House, Plano) Seite 124, unten: Luminous Field, 2012, Foto LAZ (Millennium Park, Chicago)

Luftwerk ist ein deutsch-amerikanisches Künstlerduo aus Chicago, bestehend aus Petra Bachmaier und Sean Gallero. Es wurde für spektakuläre installative Projekte bekannt, ­insbesondere Licht- und Sound-Installationen im öffentlichen Raum und zu architektonischen Legenden, darunter Frank Lloyd Wrights „Fallingwater“-Haus in Pennsylvania, das AT&T Plaza am Millennium Park (Chicago), Mies van der Rohes „Farnsworth House“ in Illinois und ihre aktuelle ­Lichtinstallation im Garfield Park Conservatory, Chicago (bis ­September 2016). Luftwerks Kunst ist darauf aus­ gerichtet, das ­Spezifische eines Ortes zu erforschen und zu untersuchen, welche Rolle Kunst im städtischen Raum wie auch in der Natur spielt. Mit ­j­edem einzelnen Projekt ­entdeckt und betont Luftwerk die jeweiligen ­Verbindungen zwischen Architektur, Umgebung und den Menschen, die an diesen Orten zusammenkommen, und ­transformiert deren Erlebnis von Ort und Platz mit den M ­ itteln von ­ Licht und Klang.

Der Krimkrieg (1853–1856) war der erste Krieg, bei dem durch die Telegrafie die ­Regierungen der beteiligten Nationen praktisch in Echtzeit über den Verlauf ­informiert wurden. Dank der inzwischen weit gediehenen Entwicklung der Fotografie ist dieser Krieg auch der erste mit flächendeckender Berichterstattung in Wort und Bild. Dass dieser technische Fortschritt mitnichten zu mehr Wahrheit geführt hat, belegt Roger Fentons 1855 auf der Krim geschossenes Foto vom „Tal des Schattens des Todes“ („The Valley of the Shadow of Death“), wie er es selbst bezeichnet hat. Als eines der frühesten Zeugnisse der Kriegsfotografie ist es gleichzeitig auch ein Zeugnis der Manipulation von Kriegsfotografien. Das wesentliche Motiv dieses ­Bildes sind die Kanonenkugeln. In der ersten Fassung liegen sie im Geröll auf dem linken Seitenstreifen. Um die Wirkung des Fotos dramatischer zu gestalten, ließ Fenton vor der zweiten Belichtung die Kugeln über die ganze Fläche der Straße ­verteilen. Sein Gespür erwies sich als richtig: In der inszenierten Version wurde sein Bild weltberühmt.

Zu Mauerschau siehe auch die Texte auf S. 68 und S. 84

FESTSPIEL-WERKSTATT Mauerschau Eine Oper über Heinrich von Kleists Penthesilea Von Hauke Berheide, Libretto Amy Stebbins Uraufführung am Mittwoch, 29. Juni 2016, Reithalle

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Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


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Rubrikentitel

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Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper Folge 11 1933 – 1963

Die Bayerische Staatsoper beauftragte in der Jubiläumsspielzeit 2013/14 ein Forschungsteam des Instituts für ­Theaterwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München damit, die Geschichte des Hauses von 1933 bis 1963 z­ u untersuchen. Die Forscher berichten seither in MAX JOSEPH kontinuierlich von ihrer Arbeit, die während der M ­ ünchner Opernfestspiele mit einem wissenschaftlichen Symposium ihren Abschluss findet.

Kontinuität oder Neubeginn? Die Bayerische Staatsoper in den Jahren 1945 bis 1963

Die „Stunde Null“ bezeichnet ein bundesdeutsches Narrativ, das 1945 beginnt und in den Jahren des „Wirtschaftswunders“ – namentlich durch den Ausdruck „Wir sind wieder wer“ – einen Höhepunkt erreicht. Darin wird der Erfolg eines Bildes begreiflich, von dem sich die Geschichtswissenschaft längst distanziert hat: Anstelle einer allumfassenden Tabula rasa in den Jahren unmittelbar nach 1945 stellt die Wissenschaft die Kontinuität der Geschichte in den Vordergrund und versteht jenen Zeitraum nur mehr als wichtigen Wendepunkt der deutschen Geschichte. Auch in Bezug auf die Geschichte der Bayerischen Staatsoper lässt sich eine „Stunde Null“ nur schwer festmachen. 1943 wird das Nationaltheater am Max-Joseph-Platz zerstört, und infolge der Ausrufung des „Totalen Krieges“ kommt der Opernbetrieb zwischen 1944 und 1945 für einige Monate zum Erliegen. Mit dem Anspruch, wieder in die Norm­a­ lität zurückzukehren, werden unter Arthur Bauckner, dem durch die Alliierten eingesetzten ­ Interims­ intendanten, bereits ab November 1945

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Neuinszenierungen ersatzweise im Prinzregenten­ theater inszeniert und gespielt. In der Folgezeit ­leiten die Intendanten Georg Hartmann (1947–1952) und Rudolf Hartmann (1952–1967) die Staatsoper. Diese Jahre sind von Wiederkehr einerseits und von Neuanfang andererseits geprägt. Das Motiv der Wiederkehr erscheint dabei vorherrschend. Alt­ ­ bekanntes wird nicht selten als Neuheit aus­ ge­ wiesen. Entnazifizierungsverfahren beeinträchtigen und ­verzögern zweifelsohne die Künstlerbiografien in den Nachkriegsjahren, doch kaum eine Karriere scheitert an ihnen. Die Recherchen des Forschungsprojekts zur Geschichte der Bayerischen Staatsoper zwischen 1933 und 1963 mit dem Fokus auf die Zeit nach 1945 setzen sich anhand von Einzelbeispielen differenziert mit Wiederkehr und Neubeginn an der Bayerischen Staatsoper in den Nachkriegsjahren ­ bis 1963 auseinander. Die Auszüge auf den folgenden Seiten geben Einblicke in die Ergebnisse.

Sabrina Kanthak


Elisabeth Hartl

Aus: Blätter der Bayerischen Staatsoper, Jg. 1, Nr. 1, Spielzeit 48/49, S. 11. Quelle: Deutsches Theatermuseum München,­ Programmheftsammlung.

Foto: Elisabeth Hartl.

Hans Hotter in der Porträtgalerie im Nationaltheater (3. Rang rechts), gemalt von Janet Brooks-Gerloff, 2004.

Die über 70 Jahre andauernde Beziehung zwischen dem Kammersänger Hans Hotter und der Bayerischen Staatsoper ging 2003 mit Hotters Tod zu Ende. Alles begann mit Hotters erstem Versuch, 1930 durch ein ­ ­Vorsingen an die Staatsoper zu kommen, was an Hans Knappertsbusch scheiterte, der in ihm kein stimmliches Talent erkennen konnte. Auch Generalintendant Oskar Walleck entschied sich 1935 gegen ein Engagement ­Hotters. Erst Clemens Krauss warb Hotter 1937 im Zuge seines Amtsantritts aus dessen Hamburger Engagement ab. Hans Hotter wurde durch Gastspielverträge über Verlängerungen immer stärker an das Münchner National­ theater gebunden, sein Einstandsgeschenk bestand aus dem Titel des Kammersängers, der ihm 1938 verliehen werden sollte (erst 1955 kam es dann „ehrenhalber“ zu der Verleihung); die Festanstellung von 1942 an sollte schließlich bis in die Siebziger Jahre dauern. Das Münchner Publikum nahm den gebürtigen Offenbacher mit offenen Armen auf. Akten belegen, dass Hotter nicht ­ Mitglied der NSDAP war, allerdings attestierte ihm der Chef der Sicherheitspolizei (Berlin 1943): „Auch in politischer Beziehung gehört H. zu den erfreulichsten Erscheinungen des Münchener Kunstlebens“, er zeige eine „sehr positive Einstellung zum NS-Staat und besonders auch zum Kriegsgeschehen“. In seiner Autobiografie aus dem Jahr 1996 berichtet Hotter von der Zeit des ­NS-­Regimes und der Kriegszeit indes wenig. Er erwähnt lediglich die Freistellung vom Kriegsdienst, die Intendant Krauss für ihn erwirkt hatte. Nach dem Krieg – und bis ins hohe Alter – trat der Bassbariton unter den Intendanten Georg Hartmann, Rudolf Hartmann, ­ ­Günther Rennert und August Everding an der Staatsoper auf. 1966 erhielt er den B ­ ayerischen Verdienstorden. Noch im Jahr 1988 sang er, mit 79 Jahren, den Sprecher in der Zauberflöte.

Bühnenbildentwurf Helmut Jürgens, Aida (1948).

Aida (1948) – Opernästhetik der Nachkriegszeit

Karriere ohne Brüche: Hans Hotter

Die Oper Aida, die 1937 prunkvoll die Intendanz Clemens Krauss’ eingeläutet hatte, wurde nach dem Ende der NS-Zeit zum ersten Mal 1948 vom Intendanten Georg ­ Hartmann neu inszeniert. Im Rückblick auf dessen Zeit in München stellt die Presse vor allem den „Forscher­drang auf der Opernbühne“ (Süddeutsche Zeitung, Februar 1961) in seiner Regiearbeit heraus. Trotz solcher Experimentierfreude fand ein völliger Bruch mit der NS-Inszenierungs­ tradition nicht statt. Für Bühne und Kostüme waren die Mittel knapp, man bediente sich bei alten Kostümen und Requisiten vorangegangener Inszenierungen und übernahm damit auch den Prunk und Kitsch der NS-Ästhetik (vgl. Aida 1937: „Kostspieliger Auftakt für die „Ära Krauss“ in Max Joseph 2/2015-16, S. 73). Dennoch verabschiedete man sich von dem scheinbaren Naturalismus, der während der NS-Zeit Bühnenbild und szenische Anordnung bestimmt hatte. Die Götterstatue, die im ­ Bühnenbild von Helmut Jürgens eine zentrale Position einnahm, macht dies deutlich. Wie ungewöhnlich diese Art der Darstellung für die damaligen Sehgewohnheiten war, zeigen die Premierenkritiken, in denen sie etwa als „christlich überfremdet“ bezeichnet wird. Helmut Schmidt-Garre vom Münchner Merkur (27.10.1948) vermutete, dass „Ägyptologen die Hände über dem Kopf zusammenschlagen würden“. Heinz Pringsheim von der SZ ­erkannte aber auch, dass man mit diesem Bühnenbild, insbesondere mit der stets präsenten Statue „das Walten der ‚Aida immer feindlichen‘ Gottheit so viel wie möglich symbolisch zum Ausdruck“ bringen wollte. Statt weiterhin einen Anspruch auf Historizität zu erheben oder ein naturalistisches Bühnengeschehen inszenieren zu wollen, suchte man spektakuläre Bildwirkung durch Stilisierung und Symbolik zu erreichen. Die Bilder der Inszenierung zeigen eine künstlerische Unbestimmtheit der Nach­ kriegszeit, in der die Grenzen zwischen Tradition und ­neuen Inszenierungsstilen fließend sind. Rebecca Sturm


In seiner Autobiografie schreibt Rudolf Hartmann: „Nach den ersten Inszenierungen klassischer Werke konnte ich daran denken, einen Zeitgenossen zu präsentieren, und tat dies mit Honeggers Johanna auf dem Scheiterhaufen.“ Hartmann verwirklichte hier einen Plan seines Vorgängers: Bereits 1949 hatte Intendant Georg Hartmann das Notenmaterial dieses als ‚dramatisches Oratorium‘ bezeichneten Werkes zur Ansicht vorliegen gehabt, zur Aufführung kam es allerdings nicht. Die Inszenierung wirkt jedoch im Programm der frühen 1950er Jahre neben dem üblichen Standardrepertoire wie ein Fremdkörper. Die Bühne von Chefbühnenbildner Helmut Jürgens scheint sich im Verlauf des Abends kaum zu verändern. Die Titelheldin – schon im Werk als Sprechrolle und nicht als Gesangspartie angelegt – ist in der Inszenierung an einen Holzpfahl gefesselt und ebenso statisch wie der Chor, der auf ein mittelalterlich anmutendes Holzgestell verbannt wurde. Die Musik setzt auf Klänge der Ondes Martenot [ein elektrisches Tasteninstrument; franz. „Martenot-Wellen“ nach seinem Erfinder Maurice Martenot] und erinnert noch für heutige Hörer teils mehr an die futuristischen Klänge

Quelle: Archiv der Bayerischen Staatsoper, Foto Rudolf Betz.

Arthur Honeggers Johanna auf dem Scheiterhaufen, 1938 uraufgeführt, Erstaufführung in München am 22. Januar 1953.

Johanna auf dem Scheiterhaufen (1953) – Ein mittelalterliches Mysterienspiel im Gewand moderner Musik und Szene

aus Star Trek als an konventionelle Opern. Das ganze Werk ist als Mischung aus Musik- und Sprechtheater gestaltet, handfeste Komik und hochdramatische Szenen wechseln sich mit religiöser Überhöhung und didaktischen Lehrstückpassagen ab. Helmut Schmidt-Garres Beschreibung im Münchner Merkur, wonach „das Publikum vor Schreck förmlich von den Sitzen gerissen“ ­worden sei, erscheint durchaus glaubhaft. Eine andere Rezension beschreibt insbesondere das Bühnenbild als „stimmungshaft mythisch“, und Karl Schumann konstatiert in der Abendzeitung: „Claudels Sprache […] er­ neuert ein Stück Mittelalter der großen Kathedralen“. Die Moderne der musikalischen Konzeption spiegelt sich in der Inszenierung also nur sehr bedingt wider (durch das statische Gesamtarrangement), die Personenregie sowie das Kostümbild blieben „realistischen“ Darstellungsformen verhaftet. Dennoch war die Aufführung der heute nur noch sehr selten gespielten Johanna ein – allerdings singulärer – Schritt in die Moderne an der Bayerischen Staatsoper.

Theresa Kost


Die Oper Raskolnikoff des Schweizer Komponisten ­Heinrich Sutermeister, uraufgeführt 1948 in Stockholm, war ein Jahr später die erste deutsche Erstaufführung an der Bayerischen Staatsoper seit Wiederaufnahme des Spielbetriebs 1945 (Musikalische Leitung: Georg S ­ olti, Regie: Georg Hartmann, Bühne: Helmut Jürgens). Die Aufführung wurde bei Publikum und Presse sehr positiv aufgenommen, so befand etwa die Neue Zeitung vom 3.5.1949: „Georg Hartmann fand die geeignetste ­Linie für das Anschauliche. Georg Solti überwachte das Klang­ liche mit sehr feinen Nerven. Rhythmus, Farbe und ­Tongewicht waren erfüllend nachgestaltet … Werk und Aufführung wurden zu einem großen Erfolg mit unzäh­ ligen Vorhängen.“ Zu den Beweggründen der Intendanz, Raskolnikoff auf den Spielplan zu nehmen, findet sich in den Akten kein Hinweis. Fest­halten kann man aber folgende Tatsachen: Wenige Jahre nach dem Ende der ­Nazi-Gräuel inszenierte man ein Werk über Schuld und Sühne. Die Schuld aus den Jahren 1933 bis 1945 war zu diesem Zeitpunkt aus dem Bewusstsein der breiten B evölkerung weitgehend verdrängt. Die Nürnberger ­ Kriegsverbrecherprozesse waren bei den Deutschen auf wenig Interesse gestoßen. Im Dezember 1949 sollte auch der erste Bundespräsident der BRD Theodor Heuss in seiner breit diskutierten Rede das Schuld- und ­Sühne-Thema hinsichtlich der Gräuel der NS-Zeit und der Verantwortung für diese aufgreifen: Er konstatierte, das deutsche Volk trage an den Nazi-Verbrechen zwar keine „Kollektivschuld“, müsse sich aber zur „Kollektivscham“ bekennen.

Klaus von Lindeiner

„Die Kostümausstattung der ‚Aida’ verschlingt also bereits etwas weniger als ein Viertel der für 1963 und etwas mehr als die Hälfte der normalerweise zur Verfügung stehenden Summen. […] Amneris: Zubehör zum Kleid II in einer Höhe von 1260 DM. Besonders aufwendig erscheint ein großer Mantel aus Goldtüll, mit weißem Organza belegt und mit Goldleder-Applikationen = 700 DM. […] König: Mantel aus Goldstoff zu 220 DM, ein Panzer aus Goldleder zu 790 DM, ein Kragen aus Goldleder zu 200 DM, 1 Paar Goldstiefeletten zu 60 DM, 1 Paar Goldlurex-Handschuhe zu 30 DM, 1 Helmkrone zu 180 DM. Man fragt sich unwillkürlich, ob der Solist bei diesem schweren Behang überhaupt noch singen kann.”

Quelle: Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Bestand Intendanz Bayerische Staatsoper, Sachakt Nr. 637.

„100 000 DM und nicht mehr!“

Schreiben vom 10. Januar 1963 von Josef Ksoll, Leiter der Kostümabteilung, an die Intendanz im Zusammenhang mit den ersten Kostenvoranschlägen für Aida.

Aus: Blätter der Bayerischen Staatoper, Spielzeit 1948/49, Heft 7. Quelle: Deutsches Theatermuseum München, Programmheftsammlung.

„Der Roman Dostojewskis will die letzte Antwort auf tiefste Fragen geben. Raskolnikoff ist der arme, nach Macht strebende Mensch, der sich über alle Gebundenheit irdischer Grenzen hinwegsetzt und zum Mörder wird. […] Das Bekenntnis zur Schuld und die Sühnebereitschaft Raskolnikoffs gewinnen am Ende durch den Glauben die überzeugende Wahrheit. […] Es gehört die Originalität einer formschöpfenden Phantasie dazu, um diese Entwicklung und Wandlung in der Musik glaubhaft zu machen. […] Sutermeisters Raskolnikoff ist ein Werk, das zur Diskussion gestellt werden muss, weil es grundsätzliche Fragen der Opernform aufwirft. Sein Werk ist ein lebendiger Einsatz im Spiel der Kräfte, die der Welt der Oper jetzt und in Zukunft den Fortschritt verheißen.“

Hinrich Schlüter im Programmheft zu Raskolnikoff unter dem Titel „Raskolnikoff oder ,Schuld und Sühne‘“.

Raskolnikoff – Ein Stück von Schuld und Sühne

Aida ist schon immer als eine ausstattungs- und damit ­kostenintensive Oper bekannt. Die Inszenierung von Hans Hartleb feierte als letzte im Premierenreigen der Wieder­ eröffnung des Nationaltheaters am 7. Dezember 1963 Premiere. Ein Jahr zuvor hatten die Planungen und Konzeptionen zu Besetzung, Bühne (Helmut Jürgens) und Kostüm (Sophie Schröck) begonnen. Im Januar 1963 stellte der damalige Leiter der Kostümabteilung Josef Ksoll fest, dass die Kostümausstattung fast ein Viertel des Jahresbudgets verschlingen werde, und machte Vorschläge, wie die veranschlagten Kosten von über 155.000 DM zu reduzieren seien. Auf dem zitierten Kostenvoranschlag ist handschriftlich vermerkt: „100 000 DM und nicht mehr!“ Gerade diese Bearbeitungen der Kostenvoranschläge zeigen, wie bis ins Detail opulent die Ästhetik der Wiedereröffnung des National­ theaters geplant war. Tatsächlich wurde in den Kritiken zur Premiere das Monumentale und Feierliche der Inszenierung gepriesen. Doch schon knapp ein halbes Jahr später schrieb die Münchner Abendzeitung: „Hans Hartlebs Inszenierungsideen stammen vor allem beim Triumphmarsch aus einem billigen Dekorationsladen. Versatzstücke aus mäßigem Geschmack: lila Priester, hüpfende Bogenschützen, ein Konvoi von Schrotthändlern und innerafrikanisches Götzenmaterial zum Bestaunen. Von den völlig mißglückten Kostümen ganz zu schweigen.“ Ähnlich wie Luftschlangen am Tag nach einer bunten Feier erstaunlich fehl am Platze wirken können, war der Eröffnungsglanz der Aida schnell verflogen, und was zunächst großartig und aufwendig ausgesehen hatte, wirkte nun in mancher Augen ohne den Eröffnungszusammenhang geradezu albern.

Miriam Fehlker


Unter anderem wird aus dieser Quelle deutlich, dass für den Bass Max Pröbstl (1913–1979) der berufliche Wiedereinstieg nach seiner Rückkehr aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft 1946 nicht leicht war. Es ist das einzige Schreiben Pröbstls, das die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg thematisiert. Beigelegt waren zahlreiche Entlastungsschreiben. Die meisten beziehen sich auf die Tätigkeit Pröbstls in der katholischen Pfarrei, seine Teilnahme an den Fronleichnamsprozessionen, seine katholische Gesinnung, seine Mitwirkung im Kirchenchor und in der katholischen Jugend. Sie zeichnen das Bild eines Mannes, der sich auch in Zeiten der „allerkritischsten Kirchenverfolgung durch den Nationalsozialismus“ – so ein Entlastungsschreiben,

Quelle: Staatsarchiv München, Spruchkammer München 1354, Max Pröbstl.

Schreiben Max Pröbstls vom 7.8.1946, Adressat unbekannt.

„Viel abgebüßt von meiner kleinen Schuld“

das im Bestand Spruchkammer 1353 des Staatsarchivs München erhalten ist – nicht von seinem Glauben hat abbringen lassen. Auch ein Empfehlungsschreiben des amerikanischen Offiziers Warren E. Tarno ist angefügt, der die Loyalität des Kriegsgefangenen und dessen Er­ ­ gebenheit gegenüber den Vorgesetzten betont. Das Entnazi­fizierungsverfahren von Pröbstl wird durch einen Sühnebescheid vom 4.12.1946 abgeschlossen. Darin wird er zur Zahlung von einer Summe von 1.336 RM aufgefordert. Nach Ende des Verfahrens wurde der Sänger an die ­Bayerische Staatsoper engagiert, an der er von 1947 bis zu seinem Tod im Jahr 1979 wirkte.

Franziska Eschenbach


Zur Freude der Münchner Bürger und im wohlwollenden Einvernehmen mit dem Kultusministerium bezieht Rudolf Hartmann zur Spielzeit 1952/53 seinen Posten als Intendant der Bayerischen Staatsoper sowie der Operette­ am Gärtnerplatz. Das ehemalige NSDAP-Mitglied ­Rudolf Hartmann war bereits von 1937 bis 1944 Opern­ direktor. Im Zuge des Entnazifizierungsverfahrens wird er mit Wirkung vom 13. November 1946 als Mitläufer eingestuft. Akten des Kultusministeriums zeigen, dass Rudolf H ­ artmann danach in den ersten Nachkriegsjahren für ­München nicht vermittelbar ist. In dieser Zeit erzielt er beispielsweise in Nürnberg und Zürich künstlerische Erfolge. Das so wiedererlangte Renommée und die persönliche Schaffenspause in München ermöglichen ­ schließlich Hartmanns „Neubeginn“ an der Bayerischen Staatsoper, mit der er 1950 in Form einer Regiearbeit, die letztlich nicht realisiert wird, wieder in Kontakt kommt. Ein Neubeginn, der an der Wiedereröffnung des Cuvilliés-Theaters 1958 und an der Eröffnung des ­wiederaufgebauten Nationaltheaters 1963 am sichtbarsten zum Ausdruck kommt. Faktisch entpuppt sich der

Quelle: Bundesarchiv Berlin, Personenbezogene Unterlagen der Reichskulturkammer (R 9361 V 52155).

Schreiben von Oberspielleiter Rudolf Hartmann an Adolf Hitler am 30.12.1937.

Alte Bekannte – Die Rückkehr Rudolf Hartmanns

Neubeginn jedoch als die Wiederbesinnung auf Altbekanntes. Gegen die Wiederanstellung Hartmanns in eine führende Position im Kulturbetrieb wurde lediglich vereinzelt Einspruch erhoben. Es ist symptomatisch für die Kulturpolitik der Nachkriegszeit, dass an die politische Vergangenheit von Künstlern wie Hartmann „kein allzu strenger Maßstab“ angelegt wird, wie es Kultusminister Josef Schwalber 1952 in einer Beratungssitzung des Haushaltsausschusses des Landtags formuliert – auf den ausgesprochenen Vorwurf hin, Rudolf Hartmann engagiere ehemalige Nationalsozialisten ins Opern­ensemble (Nürnberger Nachrichten, 21.6.1952). Allen skeptischen Stimmen zur Intendanz Rudolf Hartmann ist gemeinsam, dass sie von vor 1952 datiert sind. Auch frühere, eindeutig ideologietreue Aussagen wie die „ergebensten Glück­ wünsche“ zum Jahreswechsel von Rudolf Hartmann an Adolf Hitler (s.o.), erwiesen sich nicht als hinderlich für ­Hartmanns Intendanz.

Sabrina Kanthak


Sophia Gesierich

uelle: Deutsches Theatermuseum München, Archiv Rudolf Betz. Q Titelzitat aus: Heinz Pringsheim: „,Boris Godunoff‘ in der Staatsoper neuinszeniert“, Süddeutsche Zeitung, 2.2.1950. Quelle: Deutsches Theatermuseum München, Kritikenarchiv.

Quelle: Deutsches Theatermuseum München, Archiv Rudolf Betz.

Die kleine Nachtmusik (1951), Musik: Wolfgang Amadeus Mozart, Choreographie: Victor Gsovsky, Eva Eross, Nika Sanftleben.

­Das Ballett Abraxas (Choreographie: Marcel Luipart, ­Musik: Werner Egk) wurde im Jahr 1948 vom bayerischen Kultusminister Alois Hundhammer verboten, der offizielle Anlass waren die expliziten Geschlechtsverkehrsszenen im „Pandämonium“-Bild, Egks Version der Walpur­ gisnacht. Diese waren zudem „mit dem Altar in Zusammenhang“ gebracht worden − für Hundhammer „unerträglich“, so die Argumentation des Ministers in diversen Zeitungsinterviews. Das Gegenbild einer Erotik, wie man sie sich auf der Ballettbühne offenbar gewünscht hat, wird anhand von Szenenfotos aus mehreren Produktionen von Ballettdirektor Viktor Gsovsky, Luiparts Nachfolger, deutlich: Sowohl in der Choreographie zu Mozarts Die kleine Nachtmusik (1951) als auch in Weg zum Licht (1952, Musik: Georges Auric) fällt eine dem Burlesque-Tanz nachempfundene Ästhetik in Kostümbild und Tanzsprache auf. Die Tänzerinnen tragen Kostüme aus Satin mit viel Rüsche, die hoch erhobenen Beine schlagen die Brücke vom klassischen Ballett zum Revue-Tanz. Diese Revue-Ästhetik war bereits im Nationalsozialismus die einzig mögliche Form von Erotik auf der Bühne. Man knüpfte also – nach Experimenten mit gewagteren Darstellungen von Sexualität in Abraxas – wieder an die gewohnte, quasi unverfänglich-biedere Erotik an, weit entfernt von Darstellungen expliziter, teils brutaler Sexualität. Betrachtet man Bilder von Ballettaufführungen der folgenden Jahre, setzt sich diese Linie fort. Noch im Jahr 1963 wird beim dreiteiligen Ballettabend im Eröffnungsprogramm des wiederaufgebauten Nationaltheaters die Burlesque-Ästhetik in augenscheinlich sehr braver Form weitergeführt: In Heinz R ­ osens Choreographie Entrata (Musik: Carl Orff) finden sich die gewohnten Rüschen im Kostümbild wieder, hier noch kombiniert mit langen Handschuhen. Auch die ­Bewegungssprache scheint an Gsovskys Stil anzuknüpfen.

euinszenierung von Boris Godunow (1950, Musikalische N Leitung: Georg Solti, Regie: Georg Hartmann).

„Das ewige Dunkel der Bühne“ – Boris Godunow

Erotik in der jungen BRD

Das Bild zeigt die Zarenkrönung von Boris unter dem Jubel des Volkes – vor einem Hintergrund aus Kreuzen und Ikonen, für den Helmut Jürgens als Bühnenbildner verantwortlich zeichnete. Die Neuinszenierung von Modest Mussorgskis Oper, deren Stoff sich in vielen Punkten auf den Aufstieg Hitlers und die Kriegsjahre beziehen ließe, wurde 1950 in den Kritiken fast ausschließlich auf ihre ästhetischen Gestaltungsmittel, nicht aber auf ihre politische Aussagekraft hin analysiert. Überlegungen, warum diese Oper, in der das russische Volk dem Zaren zujubelt, in München gerade 1935, also während des Nationalsozialismus, erstmalig aufgeführt worden war, wurden in den Rezensionen ebensowenig angestellt. In einer Premierenkritik der Abendzeitung schrieb Karl Schumann 1950, selten sei man „so aufgewühlt aus einer Opernvorstellung gegangen“. Woher dieser tiefe Eindruck auf das Publikum rührte, bleibt in seiner Besprechung indes offen. Es scheint jedoch, dass gerade das mystische und ­stilisierte Bühnenbild von Helmut Jürgens diesen­­Eindruck hinterließ. Viele Kritiker beschreiben in ihren Rezensionen wie ­ Schumann den „Grundton düsterer g ­eheimnisvoller Bedrohlichkeit“, der von den mit „beklemmender Wucht gestalteten Bühnenräume[n]“ a ­ usgehe, und Heinz Pringsheim spricht in der Süddeutschen Zeitung vom „ewige[n] Dunkel der ­Bühne […], [das] den düsteren Grundton des Dramas [unterstreiche]“. Auch wenn die Düsternis und Bedrängnis in ­ Jürgens’ Bühnenbild keine konkrete Aussage zur jüngsten politischen Vergangenheit leisteten, mögen sie dennoch die Bedrückung der Zuschauer der Nachkriegszeit ­ an­ gesichts der deutschen Diktaturerfahrung gespiegelt haben.

Jenny Stewering


Aus dieser Kritik von Robert Breuer, die im März 1966 in der Tageszeitung Die Welt erschien, spricht unverhohlene Arroganz: Die Besprechung einer Aufführung der Oper Peer Gynt von Werner Egk (1901–1983) in Hartford/ Connecticut stellt unmissverständlich den Glauben an die proklamierte Vorreiterstellung des deutschen Musikschaffens der Nachkriegszeit heraus – und nährt sich damit offenbar am „Wir sind wieder wer“-Gefühl der „Wirtschaftswunderjahre“. Mit behaupteter Überlegenheit wird der zeitgenössischen amerikanischen Musik in dieser Kritik augenscheinlich die Mündigkeit und Aussagekraft abgesprochen, sogar Provinzialismus unterstellt. Hier tritt ein unverkennbarer, auf „Aktivposten“ bauender, musikpädagogischer Ehrgeiz zutage, in dessen Hintergrund der quasi-mythische Einzelgänger Werner Egk als Erlöserfigur der Moderne dräut – denn seine Musik wurde in Deutschland zu großen Teilen als Avantgarde

Quelle: Deutsches Theatermuseum München, Kritikenarchiv.

Robert Breuer: „Musikalische Provinz und Avantgarde. Werner Egks ‚Peer Gynt‘ für Amerika erstaufgeführt“, Die Welt, 12. März 1966.

Avantgarde aus Western Germany

angesehen. So erklärt sich auch seine herausragende Stellung an der Bayerischen Staatsoper in den Nachkriegsjahren: Bis zur Wiedereröffnung des Nationaltheaters 1963, bei der er im festlichen Eröffnungsreigen als einziger zeitgenössischer Komponist mit Die Verlobung von San Domingo eine Uraufführung präsentieren konnte, war Werner Egk mit sechs Opern nebst zahlreichen Ballettmusiken im Spielplan zu finden. Bei deren Realisierung genoss er jegliches Mitspracherecht. Dass er sich im „Dritten Reich“ hatte profilieren können, wurde Egk öffentlich nicht angelastet. Es gelang ihm scheinbar ­völlig klang- und bruchlos der Wechsel vom Vorzeigekomponisten des NS-Regimes hin zur Realität einer Demokratie der jungen BRD, wo er mit großem Erfolg in ebenjener Rolle auftrat.

Heilwig Schwarz-Schütte


Der Chefbühnenbildner und Ausstattungsleiter Helmut Jürgens, der während seiner Zeit an der Bayerischen Staatsoper von 1948 bis 1963 knapp 120 Inszenierungen ausstattete, war zweifelsohne „eine Säule der Staatsoper“, wie etwa Karl Schumann ihn in seinem Nachruf „Ein Magier der Szene“ (Abendzeitung, 30.8.1963) bezeichnet. Während des Nationalsozialismus hatte Jürgens an seiner Kunst ­ festgehalten, ohne sich ideologisch beeinflussen zu lassen. 1938 wurde er nach dem Vorwurf einer „artfremden Kunst“ durch Generalintendant Otto Krauß in Düsseldorf entlassen. Bis 1945 setzte Jürgens seine Arbeit als Ausstattungsleiter in Frankfurt am Main fort. Der einfallsreiche und ­geschickte Pragmatiker war nicht nur im Bereich Bühnenbild, sondern als Organisationstalent auch m ­ aßgeblich an der qualitätsvollen Wiederaufnahme des Spielbetriebs der Bayerischen Staatsoper in der Nachkriegszeit beteiligt. Ganz freiwillig wird die im obigen Nachruf angeführte Treue allerdings nicht gewesen sein. Nach mehreren j­eweils auf

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Quelle: Deutsches Theatermuseum München. Quelle: Stadtarchiv München, Bestand Zeitungsartikel Personen: ZA – P – 0241 / 31 (246).

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2 Helmut Jürgens, München 1949. Foto: Reng, Altötting. 2

1 Aus: Go.: „Helmut Jürgens gestorben“, Süddeutsche Zeitung, 30.8.1963.

Helmut Jürgens, eine „Säule“ der Staatsoper

zwei Jahre befristeten Dienstverträgen folgte nach J ­ ürgens’ Berufung als Leiter der Bühnenbildner-Klasse an die ­Akademie der Bildenden Künste ein jahrelanges Hin und Her bezüglich seines Vertragsverhältnisses und der Höhe der Vergütung. Schriftlich musste er dabei zusichern, keine Gastspiele anzunehmen. Festgelegt und über viele Jahre verhandelt wurde neben der Gage von 2.000 bis 2.300 DM pro Entwurf auch eine Limitierung der Ausstattungen von fünf Inszenierungen pro Spielzeit; realiter arbeitete Jürgens durchschnittlich für sieben bis acht Inszenierungen. Un­ ­ sichere Arbeitsbedingungen, der Druck, mehr zu ­arbeiten und finanzielle Engpässe aufgrund der notdürf­ tigen Ver­gütung könnten mit dazu beigetragen haben, dass sich ­Jürgens in seiner Tätigkeit an der Staatsoper aufrieb. ­Jürgens starb am 29. August 1963, knapp zwei Monate vor der Wiedereröffnung des Nationaltheaters.

Verena Radmanić

Die Verfasser der Texte sind wie in den vorangegangenen Folgen Master-Studierende des ­Instituts für Theaterwissenschaft der Ludwig-Maximilians-­Universität München. Die Texte ­entstanden in einer Projektübung mit Archivarbeit im Rahmen des Forschungsprojektes ­zur ­Geschichte der B ­ ayerischen Staatsoper 1933 – 1963 unter der Leitung von Rasmus ­Cromme, ­Dominik Frank und Katrin Frühinsfeld. Scans und Reproduktionen w ­ urden ­er­möglicht durch das Praxisbüro des Departments Kunstwissenschaften der LMU.


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„Die Liebe zu Händel war Ausweis meines Afghanentums“

Der Vater Afghane, die Mutter US-Amerikanerin, die Tochter Kreuz­bergerin mit Sehnsucht nach Italien. Über Identität denkt Zohra nicht mehr oft nach. Eine Geschichte über das Fremde in sich selbst und ein Zuhause.

Im U-Bahnhof Kottbusser Tor spielt ein Akkordeonist eine Fuge von Bach. Es ist jetzt, gegen 18 Uhr, sehr voll hier: Feierabendverkehr. Anzüge, Kapuzenpullis, Jogginghosen, Lederwesten. Die Menschen hasten aneinander vorbei, ohne sich groß zu beachten, ganz nach Berliner Art. Höflichkeit ist, dem anderen möglichst wenig im Weg zu stehen. An der Oberfläche, auf dem kleinen Platz, haben ein paar Händler Klapptische aufgestellt und verkaufen

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Elektrokram. Menschen sitzen auf den Treppenstufen, es ist einer der ersten schönen Abende im Jahr; man trinkt Tee, manchmal Bier, man raucht. Im Hintergrund das „Neue Kreuzberger Zentrum“, ein riesiger Beton-Wurm, der sich einmal quer durch die Landschaft zieht, zwölf Stockwerke hoch, Balkon an Balkon, Satellitenschüssel an Satellitenschüssel. Hier, im ersten Stock, hat das Café Kotti seine Räumlichkeiten. Hier trinkt man

Bier zusammen in mindestens 19 verschiedenen Sprachen. „Wenn ich überhaupt irgendwas bin, dann Kreuz­ bergerin“, sagt Zohra Karmal.* Sie ist 35 Jahre alt, seit zwölf Jahren wohnt sie schon hier im Kiez. Vater Afghane, Mutter US-Amerikanerin, aufgewachsen in Darmstadt. Sie ist Unternehmensjuristin und amerikanische Staatsbürgerin. Über Identität denkt sie nicht mehr oft nach, „das braucht man hier nicht“. Dass sie eine ungewöhnliche Biografie hat, glaubt sie nicht.

„Eigen vielleicht, aber das sollten Biografien auch sein.“ Zohras Eltern treffen sich im Paris der 1970er Jahre, der Vater studiert dort, die Mutter macht einen Sprachaufenthalt. Sie sind beide Linke, Weltbürger, sie wohnen im Marais, hören die Vorlesungen von Foucault, Barthes und Derrida. Es ist eine unbeschwerte, freie Zeit; Paris ist der Kristallisationspunkt eines intellektuellen Umbruchs, einer kritischen ­Wiedergeburt, die ganz Europa erfasst hat. Nach einem

* Name von der Redaktion geändert


Patty Carroll, Lily

Jahr muss der Vater zurück nach Kabul. Die Mutter folgt. Geschichten erzählen sich immer erst in der Rückschau; Sinn ist eine literarische Kategorie. An vielen Punkten kann ein Leben eine völlig andere Wendung nehmen, auch diese könnte – in der Rückschau erzählt – sinnhaft, nachvollziehbar sein. Welche Wendung ein Leben an einem Knotenpunkt nimmt, ist dann Zufall. Oder, weniger prosaisch, Schicksal. Zohras Schicksal ist der Krieg. Er bestimmt ihr Le-

Frankfurt am M ben bereits vor ihrer Geburt. ain. Dort gibt es eine amerikan 1978 putschen die Kommuische Community, einen nisten in Afghanistan, ein Job. Eine Zukunft mögliche Bürgerkrieg entbrennt, den rweise. Was ist Heim die Sowjetunion im folgenat? „D as weiß ich nicht“ den Jahr durch einen Ein, sagt Z ohra. „Und ich will m marsch der Roten Armee für ir mit der AfD un d Pegida au sich zu entscheiden trachten ch keinen B egriff für m wird. Zohras Eltern fliehen ­ ein Zuhause nach Iran; kaum ein halbes ­teilen.“ Es ist ein Zuh Jahr später bricht die Islaause, das ke in Ort ist, sonder mische Revolution aus, der n kleiner Schah flieht. Die Stimmung und weiter zugleich is t. Es ist Amerikanern nicht gewo- taucht nur manchmal auf, gen. Zohras Eltern – die Mut- ganz unvermittelt, in kl einen ter bereits schwanger – ver- Sehnsüchten, beim Sum men lassen das Land Richtung persischer Kinderliede r, die

Text Frédéric Valin

einzig sie und der Vater kennen; in der Liebe zur amerikanischen Literatur, zu Carson McCullers vor allem; im plötzlich aufkommenden, in Berlin nicht ohne Weiteres stillbaren Heißhunger auf Grie Soß – Frankfurter Grüne Soße. Dies sind auch Momente, die sich auf Stehpartys schlecht erzählen lassen. Dort geht es dann freilich um internationale Politik. „Wenn mich wer gefragt hat, woher ich komme, hab ich früher Syrien gesagt. Das hat mir

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Patty Carroll, Platey

Heimat ist ein Zuhause, das kein Ort ist, sondern kleiner und weiter zugleich. Es taucht nur manchmal auf, in kleinen ­Sehnsüchten, beim Summen persischer Kinderlieder, die einzig sie und der Vater kennen; in der Liebe zur amerikanischen Literatur; im plötzlich aufkommenden Heißhunger auf Grie Soß – Frankfurter Grüne Soße.


einen Haufen unqualifizierter Meinungen erspart.“ ­Z ohra trinkt einen Schluck Bier. „Aber inzwischen geht das schlecht.“ Menschen mit binationaler Herkunft kennen das: Man bekommt so einiges über das jeweilige Land zu hören, je nachdem, wie häufig es gerade „in den Medien“ ist. Gibt es einen Konflikt in ihr, zwischen westlicher und östlicher Welt? „Nein“, sagt sie. „Meine Eltern sind internationale linke Intellektuelle. Grenzen sind etwas, das nervt.“ Trotzdem fühlt sie sich den USA näher. „Das Afghanistan meines Vaters gibt es nicht mehr. Vierzig Jahre Krieg hält kein Gemeinwesen aus.“ Wenn sie sich überhaupt auf ein Land festlegen sollte, das ihr ein Sehnsuchtsort ist, dann wäre das mit Sicherheit Italien. „Das ist auf eine Art eine sehr, sehr deutsche Antwort“, sagt sie und lacht. Die französische Philosophin Julia Kristeva nennt den Fremden die Narbe, die zwischen Mensch und Bürger verläuft. Der Fremde stellt die eigene Identität in Frage, denn sie ist ein fragiles, unsicheres Konstrukt. Identität definiert die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und diese Zugehörigkeit ist nicht nur Voraussetzung für das biologische Fortbestehen, sondern vor allem auch der Rahmen, in dem sich das Mitglied Gehör verschaffen kann. Anders gesagt: Die Gruppe ermächtigt das sprechende Ich, sie macht aus einem Objekt der Geschichte ein Subjekt. Sie ist die Heimstatt, im Sinne des griechischen Begriffs Ethos. Und in diesem Sinn ist der Fremde – unheimlich.

Bilder Patty Carroll

US-Amerikanerin, und selbst Was, wenn man sich selbst „Ja, ist? mlich wenn alle Voraussetzungen unhei schon eschwi war tät für eine gelungene Inte­gration klar, die Puber vorhanden sind – Job, Haus, rig“, sagt Zohra. „Ich glaube Freunde – machen sie die auch, schwieriger als bei mei­kleinen Demütigungen nicht nen Klassenkameraden.“ Es e gerad men, Phäno ungeschehen. Man kann, wie dieses gibt herUnsic er eigen Zohras Vater, Professor sein in Zeiten und trotzdem an Markt­ heit, am anderen nur jene Eiständen durchgehend geduzt genschaften unkommentiert werden; man kann afghanizu akzeptieren, die den eigeanwas Alles, en. sche Lyrik ins Deutsche gleich nen ders beson , chend übertragen und trotzdem an ders, abwei Behördenschaltern in bewusst ist, wird automatisch einer gebrochenem Deutsch angeKategorie zugeordnet und besprochen werden. Man wird wertet. „Ich hab mich immer inMusik sche dann zur Leinwand für jene klassi für sehr nach ich e komm da Leute, die sich die Welt aus teressiert, ihren Vorurteilen zusammenmeiner Mutter“, sagt Zohra. schustern, und der Film, den „Das konnten nur wenige versie abspielen, wird auch nach stehen, sage ich mal, wenn Nirrin ikane Amer hunderten Wiederholungen als man Dann fand. so‘ nicht interessant. „Meistens vana nur ‚geht zuckt man die Achseln und hieß es: Jaja, die rebelliert, denkt sich was“, sagt Zohra. das ist halt der afghanische Teil, der kann so US-Kultur „Aber man hat eben auch nicht ab. Heute klingt das schlechte Tage.“ Tage, an degroßartig: Die Liebe zu Hän- nen solche Demütigungen del war quasi Ausweis meines nicht so leicht an einem abAfghanentums. Aber damals, perlen; selbst wenn man weiß, in dem Alter, war das Schei- dass sie gar nicht unbedingt ße: Man will dringend dazu- verletzend gemeint sind. Es gibt natürlich eine Algehören, und dann wird man auf irgendwas zurückgewor- ternative. Kristeva spricht fen, das man nicht versteht.“ von der paradoxalen GesellUnd wer ist schuld? Klar, schaft: in der Fremde unter die Eltern. „Mit meinem Va- Fremden leben. Das schließt ter habe ich mich nicht gut notwendigerweise mit ein, das verstanden, bis ich zu Hause Fremde, Unheimliche an sich ausgezogen bin.“ Dabei sei er selbst zu erkennen und wertvon den beiden der weit Fort- zuschätzen. Dieser psycholoschrittlichere. Mit ihm könne gische Turn löst nicht die man viel eher über progres- ökonomischen, rechtlichen sive Fragen sprechen. „Meine und sozialen Probleme. „Aber Mutter kommt von der indem die Psychologie das ­Ostküste. Man macht sich ja politische Problem ins Indikeine Vorstellung davon, wie viduum verlegt, macht sie uns verbohrt der Ostküsten-­verantwortlich und zeugt davon, dass der universelle HuKatholizismus sein kann!“ Heute weiß Zohra, dass manismus ein zerbrechliches der Vater dem größeren Druck Experiment ist, das immer ausgesetzt war. Auch der All- wieder aufs Neue gestaltet tagsrassismus trifft einen werden muss, mit sehr, sehr Afghanen stärker als eine langem Atem.“ ­

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Patty Carroll, Rosey

Diese Gesellschaft existiert längst, und in Momenten gelingt sie auch, an Orten wie hier, in Kreuzberg. Einander verstehen ist kein Prozess, der sich abschließen lässt. Wie man zusammen lebt, muss immer wieder neu verhandelt werden. Einen Endpunkt, ein Utopia kann es in der paradoxalen Gesellschaft nicht geben, sie muss immer wieder scheitern und von vorne beginnen. Ist das mühsam? „Ja“, sagt Zohra. Aber dieses Scheitern muss sein, solange es kein endgültiges ist. Freilich, Heimat ist das nicht. Aber es ist auch das Gegenteil von Fremde.

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Frédéric Valin lebt als freier Autor in Berlin. Sein Erzählband In kleinen ­Städten erschien 2013. Er schreibt für Jungle World, taz und Der Freitag. In Kürze erscheint als E-Book sein ­Essay Zidane schweigt über die ­französische ­Fußballnationalmannschaft ­ seit 1998 und das Scheitern des ­­ Multi­kulturalismus in Frankreich.

Mehr über die Bildkünstlerin auf S. 20


Saints München

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Rubrikentitel

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Die Finsternis, die wir für den Heilungsprozess brauchen Der Roman Tongkat des belgischen Autors Peter Verhelst verarbeitet ­Themen, die uns heute an jedem einzelnen Tag ­betreffen. Ein Kollektiv ­junger Musiktheatermacher wählte ihn als Stoff für eine Oper. Koen Bollen, Dramaturg der Produktion, s­ prach mit Peter Verhelst über ­Traumata als die Ursache für Terror und die Stationen der ­kom­plexen Vorlage auf ihrem Weg zur Bühne. Wir haben einen Termin bei Peter Verhelst zu Hause im belgischen Brügge, einer Stadt, die nicht nur das Venedig des Nordens, sondern aufgrund der dort schlummernden Mystik auch „die Stille“ genannt wird. Heute jedoch tritt die spirituelle Kraft auch ans Tageslicht und zieht in Form der Fronleichnamsprozession durch die Stadt. Das Schauspiel blickt auf eine bereits 800 Jahre alte Tradition zurück und scheut bei der Darstellung biblischer Szenen auch den christlichen Masochismus nicht. Irgendwo im Zug wird der Schrein mit einigen Blutstropfen Christi mitgeführt. Peter Verhelst allerdings hält sich von diesem sakralen Ereignis fern. Er empfängt uns in seinem Garten am Stadtrand. Auch hier gehören Blut und Feuer zu den heißen Themen des Tages. Und die Wahrheit.

Uraufführung Tonguecat

PETER VERHELST Als ich Tongkat Ende der 1990er Jahre schrieb, befand sich Belgien gerade im Bann der Dutroux-­ Affäre, eines komplexen Pädophilie-Skandals, der für mich das absolute Ende der Wahrheit bedeutete. Gleichzeitig sah ich im Fernsehen, wie ein israelischer Experte verkündete, der Dritte Weltkrieg habe begonnen, und zwar auf eine Art und Weise, die wir bisher nicht kannten, durch kleine terroristische Zellen, die sich wie ein Virus ausbreiteten. Dieser Terrorismus hat es also auf das Autoimmunsystem des Opfers abgesehen und bewirkt, dass es sich selbst zerstört. Durch diesen Mechanismus zerstören wir selbst unsere Demokratie. Der Terrorismus fasziniert mich, seit ich in meiner Jugend ein Foto von Ulrike Meinhof gesehen habe. Ich habe mir immer wieder Fragen über die RAF gestellt. Ulrike und ihre Kumpane haben sich in mein Buch eingeschlichen. Auch ihre Gewalt muss aus einem ­Trauma entstanden sein, aus einem ungehörten Ruf nach ­einer anderen Welt. Eine pervertierte Utopie, die Gewalt erzeugte. Möglicherweise aufgrund einer nicht öffentlich verarbeiteten kollektiven Vergangenheit, einer eiternden Wunde, die man zwar bedeckt hatte, aber nicht heilen konnte. KOEN BOLLEN Der Hinweis auf die RAF beschränkt sich in unserer Inszenierung auf den Namen Ulrike und drängt sich nicht weiter auf. Wir stellen vor allem die Suche in der Finsternis als einen Weg zur Rettung in den Mittelpunkt. Die Erinnerung als Bündnis mit der Vergangenheit spielt dabei eine wichtige Rolle. In der Oper wird diese Erinnerung durch eine Art Netz symbolisiert, das aus den Haaren von Ulrikes ermordeter Familie gewebt ist. Es ist eine Täter-Opfer-Geschichte, bei der die Schuld von Generation zu Generation weitergegeben wird. Der Weg, den Ulrike zurücklegt, ist im Grunde der Leidensweg des spanischen Mystikers und Heiligen Juan de la Cruz: die finstere Nacht der Seele. Sie kennt die Verlassenheit und Verzweiflung, die zu Entwurzelung führen und gleichzeitig spirituellem Wachstum zu eigen sind. Es geht dabei um einen Prozess der Läuterung, der zum Licht führt. PV Auch wenn dieser Prozess manchmal falsch verläuft. Jede Revolution droht an einem gewissen Punkt zu kippen und zu einem Ungeheuer zu werden. Immer wieder. Auch in

Festspiel-Werkstatt


Tongkat. Jeder Widerstand artet in unabsichtlichen Terror aus. In meinem Buch führt die Ästhetisierung der Gewalt dann zu poetischer Verfremdung. Dieser Ruf nach einer anderen Welt ist heute – wenn auch mit anderen Akteuren – wieder ohrenbetäubend. Und auch hier handelt es sich um die Verarbeitung eines Traumas, das zu einer tickenden Zeitbombe geworden ist. KB Hatten Sie denn beim Schreiben des Romans bestimmte historische Erfahrungen mit Traumata vor Augen? PV Anders, als man gemeinhin annehmen möchte, habe ich einfach nur aus einem Drive heraus geschrieben, wobei sich die verschiedenen Geschichten auf völlig organische Weise miteinander verknüpften und sich jeweils gegenseitig entkräfteten. Mein Statement war: Es gibt keine Wahrheit, die nicht von irgendjemandem angezweifelt wird. Im Nachhinein betrachtet enthält das Buch auch unbewusst alles, was man für ein Videospiel braucht. Ein Leser ist sehr aktiv, er konstruiert in seiner Fantasie Dinge. Er begibt sich auf die Suche nach Beziehungen und möglichen Lösungen, auch wenn es die gar nicht gibt. KB Im Theatersaal wird unser Geist von der Musik und den Bildern angeregt. Wir haben die Struktur des Buches bei der Stück- und Inszenierungsentwicklung nicht beibehalten, sondern sie demontiert, bis nur noch thematische ­Elemente übrig waren: das Virus, das Schachspiel, das ­Labyrinth, die Angst. Wir haben uns auf eine fast mathematische Weise auf die Suche nach Gesetzmäßigkeiten in den Verhältnissen dieser Elemente zueinander gemacht. Davon sind wir dann sowohl beim Libretto als auch bei der Konzeption der Musik ausgegangen. Das führte zu einer etwas geradlinigeren, vereinfachten Geschichte rund um eine Figur, Ulrike, die allerdings Facetten der anderen Figuren in sich vereint. Keiner von uns ist völlig eindimen­ sional. Außerdem werden die verschiedenen Lebensphasen Ulrikes durch ein Kind, eine Geigerin, eine Sängerin und eine Tänzerin verkörpert. Die Oper schält die Geschichte also wie eine Zwiebel und bündelt danach wieder alle Schalen um einen Kern. Je mehr das Publikum erfährt, desto weniger unverbindlich wird die Geschichte. Sie handelt von uns allen, vom Einzelnen und der Welt gleichermaßen. PV Die Mikro- und die Makroebene sind austauschbar. Ich finde es enorm faszinierend, dass Sie das Buch nicht mit allzu viel übertriebenem Respekt behandeln und sich nicht zu sehr an die Geschichte klammern. Theater muss immer wieder etwas Neues schaffen, ganz gleich, wovon man dabei ausgeht. Ich habe nur Inspirationen geliefert. Mich selbst beispielsweise regt immer wieder die bildende Kunst zum Nachdenken an. Das eine dient dem anderen als Stufe auf einem Weg. Deshalb brauchen sich die beiden aber nicht zu gleichen. KB Ein besonders dankbares Element in diesem Buch ist der deutliche Zwiespalt zwischen der kalten Welt des Eises und der des Feuers, der Wärme. Es handelt sich dabei um mythische Welten, gleichzeitig aber auch um Symbole, die unser tägliches Leben beherrschen. Das unbezwingbare

Feuer, die Aggressionsherde, die überall auflodern, sorgen andererseits für eisige Kälte: harte Maßnahmen, weniger humane Lösungen. Das macht uns zu Wärmejunkies. Genau wie diejenigen, die bei Ulrike/Tongkat anklopfen, weil sie dringend eine Dosis Erinnerung an die Wärme brauchen, die wir alle suchen. In Tonguecat verwenden wir diese Mythen, um sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf persönlicher Ebene jemanden innerlich zu berühren. Wir hoffen, durch das gemeinsame Erleben des Musiktheaters etwas zu erreichen, das die alten Griechen als Katharsis bezeichneten. PV Das ist das Wunder der Kunst. Sie kann dafür sorgen, dass wir nicht durch pure Unterhaltung in Gefühlsarmut erstarren, sondern dem Feuer begegnen, das uns möglicherweise durcheinanderbringt, aber zumindest bewegt. Ein gefährlicher Prozess. Regierungen schüren unterdessen den Kunst- und Kulturhass, diskreditieren Kunst als eine Sache für die Eliten – eine Lüge, da Kunst die Wunden von jedem berühren kann. Wir alle brauchen sie, um aufzuwachen. Die hohle Unterhaltungskultur nimmt uns die Finsternis, die wir für den Heilungsprozess brauchen. KB Das stimmt, aber wir wollten die Inszenierung doch mit einem Funken Hoffnung beenden. Einfach nur ein Bild: Ein Junge spielt mit der Klaue des Titanen, der Ulrikes Welt zerstört hat. Ein Symbol des Bösen, das wir alle in uns tragen. Alles hängt davon ab, wie wir damit umgehen. Aus dem Niederländischen von Sabine Reifer

Der belgische Autor Peter Verhelst verfasst Romane, Theaterstücke und Gedichte. 1999 erschien sein Roman Tongkat in Belgien, der den Literaturpreis „De ­ Gouden Uil“ bekam und Verhelst in Flandern und den Niederlanden schlagartig bekannt machte. Laut Verhelst verschob sich das Erscheinen der englischen ­Übersetzung aufgrund der Anschläge vom 11. September 2001; diese erschien schließlich 2003 in New York. Im Herbst 2016 erscheint die deutsche Fassung ­seines Buchs De Kunst van het Crashen. Seit 2006 inszeniert er Theaterstücke am Nationaltheater in Gent. Verhelst wird einer der Ehrengäste auf der diesjährigen Frankfurter ­Buchmesse sein.

Koen Bollen war von 2012 bis 2014 Stipendiat der Stiftung Akademie Musiktheater heute und entwickelte mit anderen Stipendiaten seines Jahrgangs ­ die Idee zu einer Tonguecat-Oper. Er studierte Kunstgeschichte sowie ­Theaterwissenschaft an den Universitäten von Brüssel und Leiden sowie in seiner Heimatstadt Antwerpen. Er arbeitet derzeit nach vier Jahren an der ­Jungen Oper in Stuttgart als Dramaturg an der Opera Ballet Vlaanderen in Antwerpen und Gent.

Chris Van Camp arbeitet als Kulturjournalistin und Theaterautorin in ­Antwerpen. Sie ist Co-Leiterin von Insight, dem Magazin der Opera Ballet Vlaanderen.

Zu Tonguecat siehe auch den Text auf S. 84

FESTSPIEL-WERKSTATT Tonguecat Oper nach dem gleichnamigen Roman von Peter Verhelst Von Saskia Bladt und Torsten Herrmann, Libretto Anna Papst Uraufführung am Montag, 25. Juli 2016, Reithalle

Moderation und Text Chris Van Camp

Weitere Termine im Spielplan ab S. 209


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441 v. Chr. SOPHOKLES Und nichts ist ungeheurer als der Mensch

Mit Sophokles’ Versen begann die Spielzeit 2015/16, die ­über­­schrieben war mit dem schillernden Begriff ­„Vermessen“. Was bedeutet er uns im Jahr 2016? Eine Fortschreibung.

Vielgestaltig ist das Ungeheure, und nichts ist ungeheurer als der Mensch: sogar das graue Meer mitten im Wintersturm durchfährt er, während ringsum die Wellenberge aufschäumen. Und der Götter erhabenste, die Erde, die unzerstörbare, unermüdliche, wühlt er zu seinem Nutzen auf, wenn er beim Pflügen Jahr für Jahr mit dem Pferdegeschlecht kreisend auf ihr wendet.

Marion Poschmann Und hegte Schnee in meinen warmen Händen

Und der munteren Vögel Schar fängt er ein und führt er weg, gleichsam viele Arten wilder Tiere und des Meeres Bewohner, in zu Netzen gewundenen Stricken, er – der allzu kluge Mensch. Er zähmt mit Listen das Wild, das im Feld wie in den Bergen lebt, das langmähnige Pferd zügelt er durch’s Joch im Nacken und ebenso den unbezwingbaren Bergstier. Und Sprache, windschnelles Denken und das Verlangen Städte zu lenken, hat er sich gelehrt, und dem unwirtlichen Frost unter freiem Himmel wie Regenschauern zu entfliehen: für alles gerüstet! Ungerüstet geht er nichts Zukünftiges an; dem Hades allein wird er nicht entrinnen können. Doch für unheilbare Krankheiten hat er sich Heilmittel erdacht. In der Kunst der Erfindung jenseits aller Erwartungen schöpferisch, schreitet er bald zum Schlechten, bald zum Guten. Die Gesetze des Landes erweiternd und der Götter Recht durch Eid verbunden ragt er hoch in der Stadt. Aus der Stadt ausgeschlossen, wer dem Unrecht frönt des Wagemuts wegen. Nicht möge mit Gast werden, noch in Eintracht verbunden sein, wer solches tut.

aus: Antigone, übersetzt von Vea Kaiser (2013)

Noch gestern hielt ich mich in tief verschneiten Bergen auf. Jetzt sind sie eingeebnet, aufgelöst, ganz schlicht, so wie man einen Kühlschrank abtaut. Ich sah Wasser rinnen, sah das Eis in Brocken von den Wänden brechen, alles fiel zu Tal und wurde flüssig, wurde Tal, und wurde nichts. Noch gestern betete ich Berge an. Ich kaufte Ansichtskarten, schickte sie an mich, nach Hause, zur Erinnerung an das Zerstörungswerk, das ich hier tat, ich taute Grönland auf mit meinem Blick, ich schmolz die Gletscher, während ich sie voll der Andacht überflog. Dem Wunsch ist nichts unmöglich, heißt es doch, und wo ein Wille ist, da ist ein Weg, die dünne Luft noch dienstbar sich zu machen, das Ungeheure, Ungeheuerlichste zu bezwingen, ganz leicht, als schliefe man in seinem Sessel und träumte nur von einem langen Flug. Die Berliner Schriftstellerin und Lyrikerin Marion Poschmann ­veröffentlichte u.a. den Roman Die Sonnenposition (2013) und den ­Gedichtband Geliehene Landschaften (2016).

was folgt …


OPER a u f B R-K L AS S I K

Oper

Con passione

Samstags, 19.05 Uhr

Montags, 19.05 – 20.00 Uhr

Gesamtaufnahmen

149br-klassik.de

Legendäre Sängerstars

facebook.com/brklassik

Oper – live im Radio

Highlights weltweit

Vorstellungsankündigung


Agenda

150 Plakate der Spielzeit 2015 / 16 155 Die Künstler der Münchner Opernfestspiele 2016 173 Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2016 209 Spielplan 218 Die Festspielpreise der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele 222 English Excerpts 230

Die Vermesser

236

Schöne Ferien!

150


Plakate der ­ Spielzeit 2015 / 16 von Jorinde Voigt

151

Als sich für die Spielzeit 2015/16 das Thema „Vermessen“ ­als gedankliche Klammer herauskristallisiert hatte, war im Prinzip sofort klar, welche bildende Künstlerin diesem vielschichtigen Begriff auf den Grund gehen sollte: Für ­Jorinde Voigt, seit 2014 Professorin für konzeptionelle Zeichnung und Malerei an der Aka­demie der bildenden Künste in München, bildet der Vorgang des ­Vermessens von Wirklichkeit eines der Grundprinzipien ihres künstlerischen Schaffens. Schon zwei Jahre zuvor waren einige ihrer partiturhaften Zeich­ nungen­für die Publikation „200 Jahre Musikalische Akademie“ als visuelle Entsprechung zur ­musikalischen Sprache des Orchesters erschienen. In ­feinsten Linien und Notationen, farblichen Kompositionen, neuerdings in ­Collagen mit Federmaterialien oder vergoldeten Silhouetten entwirft Voigt ­eigene Darstellungssysteme, in denen intellektuelle und emotionale ­Er­fahrungen bestimmter Ereignisse des Alltags, von Literatur und Musik in ­ Bilder ­übersetzt werden. Für die Plakate der dies­jährigen Opernneuproduktionen und Konzerte, wie auch schon für die Jahresvorschau, wurden Werke aus ihrem reichen Œuvre ausgewählt. Sie ­bringen die Essenz der jeweiligen ­Musikwerke zeichenhaft zum Ausdruck. Jorinde Voigt (*1977) lebt und arbeitet in Berlin und München. Ihre Arbeiten sind in international renommierten Museen und Sammlungen zu sehen.



Plakat zur Opernstudio-Produktion 2015/16 Albert Herring, von Bureau Mirko Borsche



N°01

Einzeiger Klassiker mit Handaufzugswerk

155

VorstellungsankĂźndigung www.meistersinger.de


Die Künstler der Münchner Opernfestspiele 2016

Fotografen: Ahlburg, Alecsandra Raluca Dragoi und Olga Martinez, Alex Lipp, Alexander Paul Englert, Alexandra Karelina, Andreas Pohlmann, Anna Lischetzki, Anne Hoffmann, Baisja Chanowski, Bettina Stöß, Billy & Hells, Cameron Gee, Chris Gonz, Christian Kaufmann, Christine Schneider, Damir Yusupov, Dario Acosta, Dimo Dimov, Elfriede Liebenow, Elie Ruderman, EMI Classics, Erato, Simon Fowler, Fabrizio Fenucci, Felix Broede, Felix Drobek-Truesdale, Felix Grünschloss, Florence Grandidier, Gregor Hohenberg, Gunar Streu, Hanns Joosten, Hans Jörg Michel, Henk Wittinghofer, Heribert Corn, Jadran Šetlík, Jason Bell Sony Music, Javier del Real, Jim Rakete, Karli Cadel Photography, Koen Broos, Larklight Photography, Lisa-Marie Mazzucco, London Wolfe, Marco Borggreve, Martin Geyer, Mat Hennek, Mathias Bothor, Maurice Lammerts van Bueren, Miklos Szabo, Monika Rittershaus, Myrzik und Jarisch, New ID Studios, Paco Amate, Philippe Matsas, Rainer Köhl, Rebecca Fay, Reinhard Hennig, Rolando Paolo Guerzoni, Sabina Przybyla, Sabine Toepffer, Sammy Hart, Sara Schöngen, Sascha Kletzsch, Sheila Rock, stage door, Studio Harcourt, Svetlana Tarlova, Tanja Niemann, Tatyana Vlasova, Tilbert Weigl, Tommaso Lepera, Uwe Arens, Vera Hartmann, W. Beege, Werner Kmetitsch, Wilfried Hösl

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Bayerisches Staatsorchester Generalmusikdirektor Kirill Petrenko


Chor der Bayerischen Staatsoper

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Maria Agresta Turandot Liù

Henrik Ahr Lucrezia Borgia Bühne

Roberto Alagna La Juive Le Juif Éléazar

Ruth Amarante Für die Kinder von gestern, heute und morgen Leitung Einstudierung

Ain Anger Don Giovanni Der Komtur, La Juive Brogni

Marco Armiliato Festspiel-Gala, La traviata Musikalische Leitung

Paolo Arrivabeni Lucrezia Borgia Musikalische Leitung

Cyril Auvity Les Indes galantes Valère, Tacmas

Karine Babajanyan Mefistofele Elena

Patrick Bannwart Die Meistersinger von Nürnberg Bühne

Adriana Bastidas-Gamboa Mauerschau Penthesilea

Michael Bauer La Juive, Les Indes galantes Licht

Piotr Beczala Un ballo in maschera Riccardo

Elsa Benoit Les Indes galantes Emilie

Allan Bergius ATTACCA Musikalische Leitung

Hauke Berheide Mauerschau Komposition

Calixto Bieito La Juive Inszenierung

Saskia Bladt Tonguecat Komposition

Luc Bondy Tosca Inszenierung

Andrea Borghini Der feurige Engel Schankwirt, La bohème Schaunard, La Juive Ruggiero, La traviata Marquis d’Obigny, Lucrezia Borgia Ascanio Petrucci, Mefistofele Wagner, Un ballo in maschera Silvano

Ivor Bolton Le Nozze di Figaro, Les Indes galantes Musikalische Leitung


David Bösch Die Meistersinger von Nürnberg Inszenierung

Johan Botha Turandot Il principe ignoto

Detlef Bratschke Les Indes galantes Leitung Chor

Pavol Breslik Die Entführung aus dem Serail Belmonte, Lucrezia Borgia Gennaro, Don Giovanni Don Ottavio, Festspiel-Konzert Oper für alle Solist

Benjamin Bruns Die Meistersinger von Nürnberg David

Klaus Bruns Der feurige Engel Kostüme

Daniele Callegari Un ballo in maschera Musikalische Leitung

Joseph Calleja Mefistofele Faust

Milena Canonero Tosca Kostüme

John Carpenter Festspielkonzert des Opernstudios Solist, La traviata Ein Gärtner, South Pole Oscar Wisting

Constantinos Carydis Festspiel-Konzert Oper für alle Musikalische Leitung

Brandon Cedel Don Giovanni Masetto

Navala Chaudhari Les Indes galantes Tänzerin

Sidi Larbi Cherkaoui Les Indes galantes Inszenierung und Choreographie

Marion Cito Für die Kinder von gestern, heute und morgen Kostüme

Katrin Connan South Pole Bühne

Scott Conner Un ballo in maschera Tom

Kevin Conners Der feurige Engel Mephistopheles, Die Meistersinger von Nürnberg Kunz Vogelgesang, Der Rosenkavalier Ein Wirt, South Pole Edward Wilson, Tosca Spoletta, Turandot Pang

Jonah Cook Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Rasmus Cromme Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933–1963 Wissenschaftler

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Edwin Crossley-Mercer Mauerschau Achill

Diana Damrau Liederabend Solistin

Joana de Andrade Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Bertrand de Billy La Juive Musikalische Leitung

Helmut Deutsch Liederabend Diana Damrau Klavier

Carlo Diappi La traviata Kostüme

Matteo Dilaghi Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Barbara Drosihn Lucrezia Borgia Kostüme

Martin Duncan Die Entführung aus dem Serail Inszenierung

Markus Eiche Turandot Ping, Lohengrin Heerrufer des Königs

Léonard Engel Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Johannes Erath Un ballo in maschera Inszenierung

Mojca Erdmann South Pole Landlady

Tara Erraught South Pole Kathleen Scott

Alex Esposito Don Giovanni Leporello

Claudio Estay Mare Nostrum Schlagzeug

Olga Fedorova Festspielkonzert des Opernstudios Klavier

Sophia Carolina Fernandes Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Asher Fisch La bohème, Turandot Musikalische Leitung

Christof Fischesser Die Meistersinger von Nürnberg Veit Pogner, Lohengrin Heinrich der Vogler

Sofia Fomina Die Entführung aus dem Serail Blonde, Un ballo in maschera Oscar


Julie Fuchs La bohème Musetta

James Gaffigan Don Giovanni Musikalische Leitung

Vladimir Galouzine Der feurige Engel Agrippa von Nettesheim

Martin Gantner Der Rosenkavalier Herr von Faninal, Die Meistersinger von Nürnberg Sixtus Beckmesser

Christian Gerhaher Liederabend Solist

Greta Goiris Les Indes galantes Kostüme

Irmgard Gorzawski Mare Nostrum Harfe

Matthew Grills Die Entführung aus dem Serail Pedrillo, Der feurige Engel Doktor, Der Rosenkavalier Der Haushofmeister, La traviata Gaston, Lohengrin Brabantischer Edler, Lucrezia Borgia Oloferno Vitellozzo, South Pole Edgar Evans, Turandot Pong

Günther Groissböck Der Rosenkavalier Der Baron Ochs auf Lerchenau

Heike Grötzinger Der feurige Engel Schenkwirtin, Der Rosenkavalier Annina, La traviata Annina, Mefistofele Marta

Edita Gruberova Lucrezia Borgia Donna Lucrezia Borgia

Thomas Hampson South Pole Roald Amundsen

Katharina Haritonov Mare Nostrum Oboe

Anja Harteros Der Rosenkavalier Die Feldmarschallin, Tosca Floria Tosca, Un ballo in maschera Amelia

Katja Haß Don Giovanni Bühne

Stefan Heibach Die Meistersinger von Nürnberg Ulrich Eißlinger

Rudolf Heinrich La bohème Bühne und Kostüme

Hanna Herfurtner Mauerschau Penthesileas tiefer Schatten

Evelyn Herlitzius Lohengrin Ortrud

Torsten Herrmann Tonguecat Komposition

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Gerold Huber Liederabend Christian Gerhaher Klavier

Marie Jacquot Tonguecat Musikalische Leitung

Sara Jakubiak Die Meistersinger von Nürnberg Eva

Frederic Jost Mauerschau Achills tiefer Schatten

Goran Jurić Der feurige Engel Inquisitor, La bohème Colline, Les Indes galantes Bellone, Lucrezia Borgia Gubetta, Tosca Cesare Angelotti, Turandot Timur

Vladimir Jurowski Der feurige Engel Musikalische Leitung

Ingrid Kaiserfeld Der Rosenkavalier Jungfer Marianne Leitmetzerin

Johannes Kammler Festspielkonzert des Opernstudios Solist, La bohème Sergeant der Zollwache, La Juive Haushofmeister, La traviata Ein Diener Floras, Tonguecat Iapetos

Yosep Kang Der Rosenkavalier Ein Sänger

Jonas Kaufmann Die Meistersinger von Nürnberg Walther von Stolzing, Festspiel-Gala Solist, Tosca Mario Cavaradossi

Simon Keenlyside La traviata Giorgio Germont

Stephan Kimmig Don Giovanni Inszenierung

Jason Kittelberger Les Indes galantes Tänzer

Wolfgang Koch Die Meistersinger von Nürnberg Hans Sachs

Lothar Koenigs Lohengrin Musikalische Leitung

Daphnis Kokkinos Für die Kinder von gestern, heute und morgen Leitung Einstudierung

Peter Konwitschny Der fliegende Holländer Inszenierung

Denis Kooné Les Indes galantes Tänzer

Barrie Kosky Der feurige Engel Inszenierung

Kazutomi Kozuki Les Indes galantes Tänzer

Richard Jones Lohengrin Inszenierung


Günter Krämer La traviata Inszenierung

Ingo Krügler La Juive Kostüme

Aleksandra Kurzak La Juive Rachel

Tim Kuypers Der feurige Engel Mathias Wissmann, Lohengrin Brabantischer Edler, South Pole Hjalmar Johansen

Dimana Lateva Tonguecat Bühne und Kostüme

Elias Lazaridis Les Indes galantes Tänzer

Nicola Leahey Les Indes galantes Tänzerin

Johannes Leiacker Der fliegende Holländer Bühne und Kostüme

François Lis Les Indes galantes Huascar / Don Alvaro

Renée Listerdal Mefistofele Kostüme

Peter Lobert Die Meistersinger von Nürnberg Hans Schwarz, La Juive Henker, La bohème Alcindoro

Elisabeth Löffler Tonguecat Leitung Chor

Nicholas Losada Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Christof Loy Lucrezia Borgia Inszenierung

Luftwerk Mauerschau Bühne und Video

Oksana Lyniv Festspiel-Gottesdienst, Mauerschau Musikalische Leitung

Elena Manistina Der feurige Engel Wahrsagerin

Malcolm Martineau Liederabend Dorothea Röschmann Klavier

Marzia Marzo Festspielkonzert des Opernstudios Solistin, Tonguecat Die alte Ulrike, Der Rosenkavalier Eine adelige Waise

Frauke Meyer Mare Nostrum Szenische Einrichtung

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Christian Miedl Mare Nostrum Sprecher/Bariton

Joshua Owen Mills Festspielkonzert des Opernstudios Solist, La traviata Giuseppe, Lohengrin Brabantischer Edler, Lucrezia Borgia Jeppo Liverotto, Mauerschau Achills hoher Schatten, Mefistofele Nerèo, South Pole Henry Bowers, Un ballo in maschera Diener Amelias

Levente Molnár La bohème Marcello

Belén Montoliú Mauerschau Kostüme

John Moore Les Indes galantes Adario

Christopher Moulds Die Entführung aus dem Serail Musikalische Leitung

Hanna-Elisabeth Müller Der Rosenkavalier Sophie, La Juive La Princesse Eudoxie

Martha Teresa Münder Tonguecat Inszenierung

Catherine Naglestad Der fliegende Holländer Senta

Eri Nakamura Don Giovanni Zerlina

Marta Navarrete Villalba Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Tareq Nazmi Die Meistersinger von Nürnberg Nachtwächter, La Juive Albert, Les Indes galantes Osman, Ali

Petr Nekoranec Festspielkonzert des Opernstudios Solist, La bohème Parpignol, La Juive Offizier des Kaisers, Der Rosenkavalier Ein Tierhändler, Tonguecat Der König

Hans Neuenfels South Pole Inszenierung, Bühne

Meentje Nielsen Die Meistersinger von Nürnberg Kostüme

Evgeny Nikitin Der feurige Engel Ruprecht, Lohengrin Friedrich von Telramund

Roland Olbeter Turandot Bühne

Kristine Opolais Mefistofele Margherita

Lisette Oropesa Les Indes galantes Hébé / Zima

John Osborn La Juive Léopold, Reichsfürst

Peter Pabst Für die Kinder von gestern, heute und morgen Bühne


Carlus Padrissa Turandot Inszenierung

René Pape Liederabend Solist, Mefistofele Mefistofele

Anna Papst Tonguecat Libretto

Richard Peduzzi Tosca Bühne

Daniel Pfluger Tonguecat Inszenierung

Otto Pichler Der feurige Engel Choreographie

Sean Michael Plumb South Pole Olav Bjaaland

Dean Power Der fliegende Holländer Der Steuermann, Der Rosenkavalier Der Haushofmeister bei Faninal, Lucrezia Borgia Rustighello, South Pole Lawrence Oates

Anna Prohaska Les Indes galantes Fatime / Phani

Ana Quintans Les Indes galantes L‘Amour / Zaire

Anja Rabes Don Giovanni Kostüme

Camillo Radicke Liederabend René Pape Klavier

Anna Rajah Der Rosenkavalier Eine adelige Waise, Festspiel­ konzert des Opernstudios Solistin

Andreas Reinhardt La traviata Bühne

John Relyea Lucrezia Borgia Don Alfonso

Johan Reuter Der fliegende Holländer Der Holländer

Ulrich Reß Der Rosenkavalier Valzacchi, Die Meistersinger von Nürnberg Balthasar Zorn, Turandot L’imperatore Altoum, Un ballo in maschera Oberster Richter

Christian Rieger Der feurige Engel Knecht, Der Rosenkavalier Ein Notar, Die Meistersinger von Nürnberg Konrad Nachtigall, La Juive Ausrufer des kaiserlichen Heeres, La bohème Benoît, La traviata Baron Douphol, Lucrezia Borgia Don Apostolo Gazella, South Pole Helmer Hanssen, Tosca Sciarrone

Rebecca Ringst Der feurige Engel, La Juive Bühne

Friedemann Röhlig Die Meistersinger von Nürnberg Hermann Ortel

166


Pieter Roijen Mare Nostrum Schlagzeug

Gianmarco Romano Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Dorothea Röschmann Don Giovanni Donna Elvira, Liederabend Solistin

Jürgen Rose Der Rosenkavalier Bühne und Kostüme

Matti Salminen Der fliegende Holländer Daland

Acacia Schachte Les Indes galantes Tänzerin

Thorsten Scharnke Die Meistersinger von Nürnberg Augustin Moser, Turandot Il principe di Persia

Heike Scheele Un ballo in maschera Bühne

Otto Schenk Der Rosenkavalier, La bohème Inszenierung

Jürgen Schläder Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933–1963 Projektleitung

Hildegard Schmahl Mauerschau Botin

Andrea Schmidt-Futterer South Pole Kostüme

Katja Schneider Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933–1963 Wissenschaftlerin

Erwin Schrott Don Giovanni Don Giovanni

Eike Wilm Schulte Die Meistersinger von Nürnberg Fritz Kothner

Roland Schwab Mefistofele Inszenierung

Anne Schwanewilms Lohengrin Elsa von Brabant

Patrick Williams Seebacher Les Indes galantes Tänzer

Franz-Josef Selig Die Entführung aus dem Serail Osmin

Azusa Seyama Für die Kinder von gestern, heute und morgen Leitung Einstudierung

Albina Shagimuratova Die Entführung aus dem Serail Konstanze, Don Giovanni Donna Anna


Oue Shintaro Les Indes galantes Tänzer

Daniela Sindram Der Rosenkavalier Octavian

Anatoli Sivko Un ballo in maschera Samuel

Linda Sollacher Mare Nostrum Ausstattung

Svetlana Sozdateleva Der feurige Engel Renata

Benjamin Spa Festspielkonzert des Opernstudios Klavier

Jakob Spahn Mare Nostrum Violoncello

Amy Stebbins Mauerschau Libretto, Inszenierung

Nina Stemme Turandot La pricipessa Turandot

Christoph Stephinger Der Rosenkavalier Ein Polizeikommissar, Die Meistersinger von Nürnberg Hans Foltz, La traviata Doktor Grenvil, Tosca Der Mesner

Nicola Strada Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Gerwin Strobl Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933–1963 Wissenschaftler

Oliver Strömsdörfer Mare Nostrum Gitarre

Robin Strona Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Leela Subramaniam Mauerschau Penthesileas hoher Schatten

Daria Sukhorukova Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Bálint Szabó Lucrezia Borgia Astolfo, Turandot Un mandarino

Bryn Terfel Tosca Baron Scarpia

Ludovic Tézier Festspiel-Gala Solist

Shawn Throop Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

168


Silvia Tro Santafé Lucrezia Borgia Maffio Orsini

Tobias Truniger Festspielkonzert des Opernstudios Musikalische Leitung

Igor Tsarkov Festspielkonzert des Opernstudios Solist, Der feurige Engel Faust, La bohème Ein Zöllner, Lohengrin Brabantischer Edler, Tonguecat Juan, Tosca Ein Gefängniswärter

Alexa Tuzil Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Ultz Die Entführung aus dem Serail, Lohengrin Ausstattung, Bühne und Kostüme

Matej Urban Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solist

Chu Uroz Turandot Kostüme

Deniz Uzun Der feurige Engel Eine junge Nonne, Der Rosenkavalier Eine adelige Waise, Festspielkonzert des ­ Opernstudios Solistin

Sammy Van den Heuvel Tonguecat Bühne und Kostüme

Iris van Wijnen Der feurige Engel Eine junge Nonne, Der Rosenkavalier Eine Modistin, Festspielkonzert des Opernstudios Solistin

Franco Vassallo Un ballo in maschera Renato

Mathias Vidal Les Indes galantes Damon, Don Carlos

Anna Viebrock Les Indes galantes Bühne

Rolando Villazón La traviata Alfredo Germont, South Pole Robert Falcon Scott

Piero Vinciguerra Mefistofele Bühne

Klaus Florian Vogt Lohengrin Lohengrin

Gesine Völlm Un ballo in maschera Kostüme

Okka von der Damerau Der feurige Engel Äbtissin, Der fliegende Holländer Mary, Die Meistersinger von Nürnberg Magdalena, Un ballo in maschera Ulrica

James Vu Anh Pham Les Indes galantes Tänzer

Michael Walter Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933–1963 Mitforscher

Omer Meir Wellber Mefistofele Musikalische Leitung


Richard Whilds Mare Nostrum Musikalische Leitung

Jenny White Les Indes galantes Tänzerin

Rachael Wilson Mefistofele Pantalis

Kim Wookyung Der fliegende Holländer Eric, La bohème Rodolfo

Emily Yabe Tonguecat Die stumme Ulrike

Sonya Yoncheva La bohème Mimì, La traviata Violetta Valéry

Ema Yuasa Les Indes galantes Tänzerin

Zuzana Zahradníková Für die Kinder von gestern, heute und morgen Solistin

Benedikt Zehm Mauerschau, Tonguecat, Mare Nostrum Licht

170


Münchener Kammerorchester Tonguecat

Balthasar-Neumann-Chor Les Indes galantes

ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Festspiel-Konzert ATTACCA, Festspiel-Konzert Oper für alle


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Produktionen der MĂźnchner Opernfestspiele 2016

Fotografiert von Wilfried HĂśsl

174


Giuseppe Verdi Un ballo in maschera Okka von der Damerau (Ulrica), Piotr Beczala (Riccardo), Sofia Fomina (Oscar), George Petean (Renato), Chor der Bayerischen Staatsoper



Giuseppe Verdi Un ballo in maschera Piotr Beczala (Riccardo), George Petean (Renato), Anja Harteros (Amelia)


Arrigo Boito Mefistofele RenĂŠ Pape (Mefistofele), Kristine Opolais (Margherita)


Arrigo Boito Mefistofele RenĂŠ Pape (Mefistofele), Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper



Sergej Prokofjew Der feurige Engel Svetlana Sozdateleva (Renata), Evgeny Nikitin (Ruprecht), Kevin Conners (Mephistopheles), Chor der Bayerischen Staatsoper



Sergej Prokofjew Der feurige Engel Evgeny Nikitin (Ruprecht), Kevin Conners (Mephistopheles), Opernballett und Statisterie der Bayerischen Staatsoper


Miroslav Srnka South Pole Rolando Villazรณn (Robert Falcon Scott), Thomas Hampson (Roald Amundsen)


Miroslav Srnka South Pole



Richard Wagner Die Meistersinger von NĂźrnberg Ensemble, Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper



Richard Wagner Die Meistersinger von NĂźrnberg Jonas Kaufmann (Walther von Stolzing), Sara Jakubiak (Eva), Wolfgang Koch (Hans Sachs)


Giacomo Puccini La bohème


Wolfgang Amadeus Mozart Don Giovanni Alex Esposito (Leporello), Erwin Schrott (Don Giovanni)



Wolfgang Amadeus Mozart Die EntfĂźhrung aus dem Serail Opernballett der Bayerischen Staatsoper


Richard Wagner Der fliegende Holländer Catherine Naglestad (Senta)


Richard Wagner Lohengrin



Gaetano Donizetti Lucrezia Borgia Edita Gruberova (Donna Lucrezia Borgia), Pavol Breslik (Gennaro)


Richard Strauss Der Rosenkavalier Anja Harteros (Die Feldmarschallin)


Giacomo Puccini Tosca Jonas Kaufmann (Mario Cavaradossi)


Foto: Charles Tandy

Giuseppe Verdi La traviata Rolando VillazĂłn (Alfredo Germont), Sonya Yoncheva (Violetta ValĂŠry)


Giacomo Puccini Turandot Ensemble, Chor und Kinderchor der Bayerischen Staatsoper



Ballett FĂźr die Kinder von gestern, heute und morgen. Ein StĂźck von Pina Bausch Ensemble



Ballett FĂźr die Kinder von gestern, heute und morgen. Ein StĂźck von Pina Bausch Joana de Andrade, Jonah Cook


FĂźr die Kinder von gestern, heute und morgen. Ein StĂźck von Pina Bausch Mia Rudic


FĂźr die Kinder von gestern, heute und morgen. Ein StĂźck von Pina Bausch Ensemble mit Publikum



S I E G E H Ö R E N Z U D E N M E N S C H E N, D I E M E H R E RWA RT E N ?

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Vorstellungsankündigung


Spielplan 24.6.16 – 31.7.16 Münchner Opernfestspiele 2016 Karten Tageskasse der Bayerischen Staatsoper Marstallplatz 5 80539 München T 089 – 21 85 19 20 tickets@staatsoper.de www.staatsoper.de Sofern nicht anders angegeben, finden alle Veranstaltungen im Nationaltheater statt.

210


Oper

Richard Wagner

Lohengrin Musikalische Leitung Lothar Koenigs Inszenierung Richard Jones Christof Fischesser, Klaus Florian Vogt, Anne Schwanewilms, Evgeny Nikitin, Evelyn Herlitzius, Markus Eiche, Joshua Owen Mills, Matthew Grills, Tim Kuypers, Igor Tsarkov, Solisten des Tölzer Knabenchores

Partner der Opernfestspiele

Sa 02.07.16

17:00 Uhr

gefördert durch den Partner der Opernfestspiele

Giacomo Puccini

Tosca Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Luc Bondy

Giacomo Puccini

Anja Harteros, Jonas Kaufmann, Bryn Terfel, Goran Jurić, Christoph Stephinger, Kevin Conners, Christian Rieger, Igor Tsarkov, Solist des Tölzer Knabenchores

La bohème

Sa 25.06.16 19:00 Uhr Di 28.06.16 19:00 Uhr Fr 01.07.16 19:00 Uhr

Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung Otto Schenk Sonya Yoncheva, Julie Fuchs, Wookyung Kim, Levente Molnár, Andrea Borghini, Goran Jurić, Petr Nekoranec, Christian Rieger, Peter Lobert, Igor Tsarkov, Johannes Kammler

gefördert durch den Partner der Opernfestspiele

So 03.07.16 19:00 Uhr Mi 06.07.16 19:00 Uhr Fromental Halévy Miroslav Srnka

La Juive

South Pole

Musikalische Leitung Bertrand de Billy Inszenierung Calixto Bieito

Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Hans Neuenfels

Aleksandra Kurzak, Roberto Alagna, John Osborn, Hanna-Elisabeth Müller, Ain Anger, Andrea Borghini, Tareq Nazmi, Christian Rieger, Petr Nekoranec, Peter Lobert, Igor Zarkov, Johannes Kammler So Do Mo Fr

26.06.16 30.06.16 04.07.16 08.07.16

18:00 Uhr 18:00 Uhr 18:00 Uhr 18:00 Uhr

Festspielpremiere

TV, BR

Rolando Villazón, Tara Erraught, Dean Power, Kevin Conners, Matthew Grills, Joshua Owen Mills, Thomas Hampson, Mojca Erdmann, Tim Kuypers, John Carpenter, Christian Rieger, Sean Michael Plumb Di 05.07.16 19:00 Uhr Partner der Uraufführungen der Bayerischen Staatsoper

gefördert durch den Partner der Opernfestspiele

Giacomo Puccini

Turandot Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung Carlus Padrissa – La Fura dels Baus Nina Stemme, Ulrich Reß, Goran Jurić, Johan Botha, Maria Agresta, Andrea Borghini, Kevin Conners, Matthew Grills, Bálint Szabó, Thorsten Scharnke Do 07.07.16 So 10.07.16

Die Premiere wird live auf www.staatsoper.de/tv übertragen. Die Premiere wird live auf BR Klassik übertragen.

TV BR

19:00 Uhr 18:00 Uhr


Gaetano Donizetti

Arrigo Boito

Lucrezia Borgia

Mefistofele

Musikalische Leitung Paolo Arrivabeni Inszenierung Christof Loy

Musikalische Leitung Omer Meir Wellber Inszenierung Roland Schwab

John Relyea, Edita Gruberova, Pavol Breslik, Silvia Tro Santafé, Joshua Owen Mills, Christian Rieger, Andrea Borghini, Matthew Grills, Goran Jurić, Dean Power, Bálint Szabó

René Pape, Joseph Calleja, Kristine Opolais, Heike Grötzinger, Andrea Borghini, Karine Babajanyan, Rachael Wilson, Joshua Owen Mills

Mi 13.07.16

19:00 Uhr

Do 21.07.16 19:00 Uhr So 24.07.16 19:00 Uhr Ausstattungspartner der Bayerischen Staatsoper

Richard Strauss

Der Rosenkavalier Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Otto Schenk

Wolfgang Amadeus Mozart

Anja Harteros, Günther Groissböck, Daniela Sindram, Martin Gantner, Hanna-Elisabeth Müller, Ingrid Kaiserfeld, Ulrich Reß, Heike Grötzinger, Christoph Stephinger, Matthew Grills, Dean Power, Christian Rieger, Kevin Conners, Yosep Kang, Anna Rajah, Marzia Marzo, Deniz Uzun, Iris van Wijnen, Petr Nekoranec

Musikalische Leitung James Gaffigan Inszenierung Stephan Kimmig

Do 14.07.16 So 17.07.16

18:00 Uhr 17:00 Uhr

Don Giovanni Erwin Schrott, Ain Anger, Albina Shagimuratova, Pavol Breslik, Dorothea Röschmann, Alex Esposito, Eri Nakamura, Brandon Cedel Sa 23.07.16 Mo 25.07.16

19:00 Uhr 18:00 Uhr

Giuseppe Verdi

La traviata Musikalische Leitung Marco Armiliato Inszenierung Günter Krämer Sonya Yoncheva, Rachael Wilson, Heike Grötzinger, Rolando Villazón, Simon Keenlyside, Matthew Grills, Christian Rieger, Andrea Borghini, Christoph Stephinger, Joshua Owen Mills, Johannes Kammler, John Carpenter Fr 15.07.16 19:00 Uhr Mo 18.07.16 19:00 Uhr

Sergej Prokofjew

Der feurige Engel

Jean-Philippe Rameau

Les Indes galantes Musikalische Leitung Ivor Bolton Inszenierung und Choreographie Sidi Larbi Cherkaoui Lisette Oropesa, Goran Jurić, Ana Quintans, Tareq Nazmi, John Moore, Elsa Benoit, Cyril Auvity, François Lis, Anna Prohaska, Mathias Vidal, Münchner Festspielorchester So Di Mi Fr Sa

24.07.16 26.07.16 27.07.16 29.07.16 30.07.16

18:00 Uhr Prinzregententheater  Festspielpremiere  18:00 Uhr Prinzregententheater 18:00 Uhr Prinzregententheater 18:00 Uhr Prinzregententheater 18:00 Uhr Prinzregententheater

TV, BR

Mit freundlicher Unterstützung der

Musikalische Leitung Vladimir Jurowski Inszenierung Barrie Kosky Evgeny Nikitin, Svetlana Sozdateleva, Heike Grötzinger, Elena Manistina, Vladimir Galouzine, Kevin Conners, Okka von der Damerau, Igor Tsarkov, Goran Jurić, Ulrich Reß, Tim Kuypers, Matthew Grills, Christian Rieger, Andrea Borghini, Iris van Wijnen, Deniz Uzun Sa 16.07.16

19:00 Uhr

sponsored by

Giuseppe Verdi

Un ballo in maschera Musikalische Leitung Daniele Callegari Inszenierung Johannes Erath Piotr Beczala, Franco Vassallo, Anja Harteros, Okka von der Damerau, Sofia Fomina, Andrea Borghini, Anatoli Sivko, Scott Conner, Ulrich Reß, Joshua Owen Mills Mi 27.07.16 19:00 Uhr Sa 30.07.16 19:00 Uhr

Richard Wagner

sponsored by

Der fliegende Holländer Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung Peter Konwitschny Matti Salminen, Catherine Naglestad, Wookyung Kim, Okka von der Damerau, Dean Power, Johan Reuter Di Fr

19.07.16 22.07.16

19:30 Uhr 19:00 Uhr

212


Richard Wagner

Die Meistersinger von Nürnberg Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung David Bösch Wolfgang Koch, Christof Fischesser, Kevin Conners, Christian Rieger, Martin Gantner, Eike Wilm Schulte, Ulrich Reß, Stefan Heibach, Thorsten Scharnke, Friedemann Röhlig, Peter Lobert, Christoph Stephinger, Jonas Kaufmann, Benjamin Bruns, Sara Jakubiak, Okka von der Damerau, Tareq Nazmi Do 28.07.16 So 31.07.16

17:00 Uhr 17:00 Uhr

Ballett

TV

Mit freundlicher Unterstützung der Mit freundlicher Unterstützung

Pina Bausch Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V.

Wolfgang Amadeus Mozart

Die Entführung aus dem Serail Musikalische Leitung Christopher Moulds Inszenierung Jonathan Lunn Albina Shagimuratova, Sofia Fomina, Pavol Breslik, Matthew Grills, Franz-Josef Selig, Bernd Schmidt, Selale Gonca Cerit Fr

29.07.16

19:00 Uhr

Für die Kinder von gestern, heute und morgen Musik Felix Lajko, Nana Vasconcelos, Caetano Veloso, Bugge Wesseltoft, Amon Tobin, Marie Boine u. a. Leitung Einstudierung Ruth Amarante, Daphnis Kokkinos, Azusa Seyama Joana de Andrade, Zuzana Zahradníková, Marta Navarrete Villalba, Daria Sukhorukova, Séverine Ferrolier, Alexa Tuzil, Matteo Dilaghi, Matej Urban, Jonah Cook, Nicholas Losada, Shawn Throop, Nicola Strada, Robin Strona, Léonard Engel, Dustin Klein Mo 27.06.16 19:30 Uhr Mi 29.06.16 19:30 Uhr Eine Gemeinschaftsproduktion des Bayerischen Staatsballetts und der Pina Bausch Foundation in Kooperation mit dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch

TV

Die Vorstellung wird live auf www.staatsoper.de/tv übertragen.


FestspielWerkstatt

Partner der Festspiel-Werkstatt

Hauke Berheide

Mauricio Kagel

Mauerschau

Mare Nostrum

Oper über Penthesilea von Heinrich von Kleist

Entdeckung, Befriedung und Konversion des Mittelmeerraums durch einen Stamm aus Amazonien für Countertenor, Bariton, Flöte, Oboe, Gitarre, Harfe, Violoncello und Schlagzeug (1975)

Libretto Amy Stebbins Musikalische Leitung Oksana Lyniv Inszenierung Amy Stebbins Bühne und Video Luftwerk (Petra Bachmaier, Sean Gallero) Kostüme Belén Montoliú Licht Benedikt Zehm Dramaturgie Malte Krasting Adriana Bastidas-Gamboa, Edwin Crossley-Mercer, Leela Subramaniam, Iris van Wijnen, Joshua Owen Mills, Frederic Jost, Hildegard Schmahl

Musikalische Leitung Richard Whilds Vasily Khoroshev, Christian Miedl, Clarissa Böck, Katharina Haritonov, Oliver Strömsdörfer, Irmgard Gorzawski, Jakob Spahn, Pieter Roijen, Claudio Estay Fr 08.07.16 20:00 Uhr  Reithalle So 10.07.16 18:00 Uhr  Reithalle

Bayerisches Staatsorchester Extrachor der Bayerischen Staatsoper, Einstudierung Sören Eckhoff Kompositionsauftrag der Freunde des Nationaltheaters e.V. Mi Do Fr So

29.06.16 30.06.16 01.07.16 03.07.16

20:00 Uhr  20:00 Uhr  20:00 Uhr  20:00 Uhr

Reithalle  Uraufführung Reithalle Reithalle Reithalle

Forschungsprojekt Bayerische Staatsoper 1933 – 1963: Abschlusssymposium Mit Dr. Rasmus Cromme, Dominik Frank M. A., Katrin Frühinsfeld M. A., Prof. Dr. Jürgen Schläder, Dr. Gerwin Strobl, Prof. Dr. Michael Walter

Saskia Bladt und Torsten Hermann

Tonguecat

Sa 23.07.16 So 24.07.16

10:00 – 17:00 Uhr Königssaal Nationaltheater 11:00 – 15:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater

Oper nach dem gleichnamigen Roman von Peter Verhelst Libretto Anna Papst Musikalische Leitung Marie Jacquot Inszenierung Martha Teresa Münder, Daniel Pfluger Bühne und Kostüme Dimana Lateva, Sammy Van den Heuvel Licht Benedikt Zehm Dramaturgie Koen Bollen, Daniel Menne Marzia Marzo, Petr Nekoranec, Johannes Kammler, Igor Tsarkov

Die unmögliche Enzyklopädie extra: Schöne ferne Welten So 10.07.16

14:00 – 18:00 Uhr  Reithalle

In Kooperation mit dem Goethe-Institut

Solovioline Emily Yabe Münchener Kammerorchester Projektchor Einstudierung Elisabeth Löffler Statisterie und Opernballett der Bayerischen Staatsoper Mo Di Fr Sa

25.07.16 26.07.16 29.07.16 30.07.16

20:00 Uhr  20:00 Uhr  20:00 Uhr  20:00 Uhr

Reithalle  Uraufführung Reithalle Reithalle Reithalle

214


Konzert 1. Festspiel-Kammerkonzert Virtuose Flötenmusik deutscher und französischer Komponisten César Franck / Claude Debussy / Paul Taffanel / Carl Maria von Weber / Richard Wagner / August Wilhelmj / Henri Dutilleux / Peter Illitsch Tschaikowsky / André Jolivet

Französische Airs und Instrumentalmusik am Hofe Ludwig XIV. Michel Lambert / Marc-Antoine Charpentier / Marin Marais / Robert de Visée Solistin Claire Lefilliâtre Theorbe Fred Jacobs Gambe Friederike Heumann Mo 25.07.16 20:00 Uhr  Klosterkirche St. Anna im Lehel

4. Festspiel-Kammerkonzert Johann Sebastian Bach / Dmitri Schostakowitsch

Flöte Paolo Taballione Klavier Amedeo Salvato Mo 04.07.16 20:00 Uhr

2. Festspiel-Barockkonzert

Cuvilliés-Theater

1. Festspiel-Barockkonzert

Ensemble OPERcussion Schlagzeug Claudio Estay, Thomas März, Pieter Rojien Violine David Schultheiß Violoncello Jakob Spahn Klavier Oriol Cruixent Di

26.07.16

20:00 Uhr

Cuvilliés-Theater

Werke des französischen Barock Barocksolisten des Bayerischen Staatsorchesters 1. Violine Barbara Burgdorf 2. Violine Corinna Desch Viola Christiane Arnold Gambe Friederike Heumann Mo 11.07.16

20:00 Uhr  Klosterkirche St. Anna im Lehel

2. Festspiel-Kammerkonzert

5. Festspiel-Kammerkonzert Jean-Michel Damase / Joseph Jongen / Jean Françaix / Luciano Berio Mezzosopran Rachael Wilson Flöte Katharina Kutnewsky Klarinette Jürgen Key Harfe Gael Gandino Schlagzeug Thomas März, Christian Miglioranza Violine Michael Durner Viola Christiane Arnold Violoncello Anja Fabricius

Johann Sebastian Bach / Wolfgang Amadeus Mozart / Felix Mendelssohn Bartholdy / Robert Schumann

Sa 30.07.16 20:00 Uhr  Cuvilliés-Theater

1. Violine Katharina Lindenbaum-Schwarz 2. Violine Markus Kern Viola Adrian Mustea Violoncello Benedikt Don Strohmeier Klavier Benjamin Moser

Festspiel-Gala

So 17.07.16

Arien und Duette u. a. von Giuseppe Verdi / Giacomo Puccini / Georges Bizet

20:00 Uhr  Cuvilliés-Theater

3. Festspiel-Kammerkonzert Jean Françaix / Felix Mendelssohn Bartholdy / Francis Poulenc / Heinrich Joseph Baermann 1. Violine David Schultheiß 2. Violine Guido Gärtner Viola Adrian Mustea Violoncello Yves Savary Kontrabass Florian Gmelin Klarinette Andreas Schablas Klarinette/Bassetthorn Martina Beck Fr

22.07.16

20:00 Uhr  Cuvilliés-Theater

215

Jonas Kaufmann und Ludovic Tézier

Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung Marco Armiliato Mi 20.07.16

20:00 Uhr  Nationaltheater


Liederabende Dorothea Röschmann Franz Schubert / Gustav Mahler / Hugo Wolf Klavier Malcolm Martineau Mo 11.07.16

20:00 Uhr Prinzregententheater

Diana Damrau Franz Schubert / Franz Liszt / Richard Strauss / Sergej Rachmaninow Klavier Helmut Deutsch Di

12.07.16

20:00 Uhr

Christian Gerhaher Franz Schubert Klavier Gerold Huber Mo 25.07.16

20:00 Uhr Prinzregententheater

René Pape Ludwig van Beethoven / Roger Quilter / Modest Mussorgski Klavier Camillo Radicke Mo 28.07.16

20:00 Uhr Prinzregententheater

216


Oper für alle 20 Jahre Oper für alle. Die Bayerische Staatsoper und BMW München laden ein.

UniCredit Festspiel-Nacht Bei der UniCredit Festspiel-Nacht bieten Festspiel-Künstler bereits im 15. Jahr auf mehreren Bühnen Höhepunkte aus Oper, Konzert, Tanz, Lied und Literatur. Fr

24.06.16 20:00 Uhr

Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich www.unicredit-festspiel-nacht.de

Festspiel-Gottesdienst 2016 Solisten und Chor der Bayerischen Staatsoper und Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung Oksana Lyniv Choreinstudierung Sören Eckhoff So 03.07.16 10:00 Uhr  St. Michael, Neuhauser Straße

Festspiel-Konzert

Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich

Ottorino Respighi / Richard Wagner / Gaetano Donizetti u.a. ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Einstudierung Allan Bergius Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung Constantinos Carydis Solist Pavol Breslik Sa 09.07.16 20:30 Uhr  Marstallplatz Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich

Richard Wagner

Die Meistersinger von Nürnberg Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung David Bösch Details zur Vorstellung siehe S. 212 Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater So

31.07.16 17:00 Uhr  Max-Joseph-Platz

Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich

Eintritt frei!


Extra

Campus

Montagsrunde

Heinrich tanzt IV – Fremde Nähe

zu La Juive Mo 11.07.16

Do 21.07.16

20:00 Uhr  Capriccio-Saal

11:00 Uhr / 15:00 Uhr / 19:00 Uhr  Muffathalle

Eine Kooperation von CAMPUS Bayerisches Staatsballett mit Tanz uns Schule e.V. und dem Heinrich-Heine-Gymnasium

Operndialog zu La Juive Fr 08.07.16 10:00 bis 12:00 Uhr  Capriccio-Saal Sa 09.07.16 18:00 bis 20:00 Uhr  Capriccio-Saal zu Les Indes galantes Sa 30.07.16 10:00 bis 12:00 Uhr  Capriccio-Saal So 31.07.16 10:00 bis 12:00 Uhr  Capriccio-Saal

gefördert durch

Festspiel-Konzert des Opernstudios Das Opernstudio präsentiert eine Festspiel-Auswahl an Opernarien und Ensembles Do 07.07.16

Einführungen vor den Vorstellungen Premierenmatinee La Juive So 19.06.16 11:00 Uhr Premierenmatinee Les Indes galantes So 17.07.16 11:00 Uhr   Gartensaal Prinzregententheater

20:00 Uhr

Cuvilliés-Theater

Festspiel-Konzert ATTACCA zum 10-jährigen Bestehen Richard Wagner / Alexander Arutjunjan / Gustav Mahler

La Juive Do 30.06.16 17:00 Uhr  Capriccio-Saal Mo 04.07.16 17:00 Uhr  Capriccio-Saal Fr 08.07.16 17:00 Uhr  Capriccio-Saal

Musikalische Leitung und Komposition Allan Bergius Solist Steffen Schmid

South Pole Di 05.07.16 18:00 Uhr  Capriccio-Saal

Sa 16.07.16

Der feurige Engel Sa 16.07.14 18:00 Uhr  Capriccio-Saal Mefistofele Do 21.07.16 So 24.07.16

18:00 Uhr  Capriccio-Saal 18:00 Uhr  Capriccio-Saal

Les Indes galantes Di 26.07.16 17:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Mi 27.07.16 17:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Fr 29.07.16 17:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Sa 30.07.16 17:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Un ballo in maschera Mi 27.07.16 18:00 Uhr  Capriccio-Saal Sa 30.07.16 18:00 Uhr  Capriccio-Saal

ATTACCA-Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters 19:00 Uhr Prinzregententheater

NOAH Münchner mit und ohne Migrationshintergrund beschäftigen sich mit einem ewigen Mythos und einem aktuellen Thema Musikalische Leitung und Komposition Benedikt Brachtel Inszenierung Jessica Glause Do 28.07.16 19:30 Uhr Neues Probengebäude am Marstallplatz Sa 30.07.16 14:00 und 17:00 Uhr  Neues Probengebäude am Marstallplatz Einlass über die Tageskasse

Die Meistersinger von Nürnberg Do 28.07.16 16:00 Uhr  Capriccio-Saal So 31.07.16 16:00 Uhr  Capriccio-Saal

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Festspielpreise 2015

Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele ehrt ­Oksana Lyniv und die Spielleiterinnen und Spielleiter der Bayerischen Staatsoper mit dem Festspielpreis 2015. Vor bereits mehr als 50 Jahren wurde die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele gegründet. Mit dem Ziel, die Attraktivität der Münchner Opernfestspiele durch finanzielle Unterstützung zu fördern und zu erhalten, macht sie sich seitdem in vielfacher Weise um die Opernfestspiele verdient. Einmal jährlich vergibt sie in ­feierlicher Atmosphäre den Festspielpreis und zeichnet ­damit ­Menschen aus, die die Münchner Opernfestspiele ­zu dem machen, was sie sind: das international traditionsreichste Festival seiner Art. Seit 140 Jahren kommen Opernfreunde aus ­Bayern, Deutschland und aller Welt zur Festspielzeit nach M ­ ünchen und genießen die Vielzahl der Opernvor­stellungen, ­Ballette, Liederabende und Konzerte an der Bayerischen Staatsoper. Doch so weit der Blick zurückreicht, so weit reicht er auch nach vorn. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele legt seit jeher großen Wert auf die Pflege des Nachwuchses, sie will bewusst in die Z ­ ukunft ­investieren. Ebenso großen Wert legt sie auf die Anerkennung von Leistungen hinter der Bühne. Diese werden erbracht von Mit­ arbeitern, ohne die der reibungslose Ablauf der Opernfestspiele nicht gewährleistet wäre.

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Geehrt wurden: Oksana Lyniv Bei zwei Höhepunkten der Münchner Opernfestspiele 2015 lag die musikalische Leitung in den Händen von Oksana Lyniv: beim Festspielgottesdienst in der Michaels­ kirche und bei der herausragenden Festspiel-Werkstatt-Produktion Selma Jezková mit dem Münchener Kammerorchester in der Alten Kongresshalle. Diese packende und berührende Oper, mit der das Werkstatt-Programm der Festspiele eröffnet wurde, erhielt viel Applaus und wurde auch von der Kritik hoch gelobt. Oksana Lyniv gehört seit der Spielzeit 2013/2014 als musikalische Assistentin des Generalmusikdirektors Kirill ­Petrenko dem musikalischen Stab der Bayerischen Staatsoper an und hat in dieser Zeit eine Reihe von Aufführungen selbst dirigiert. Um nur wenige Beispiele zu nennen: La Clemenza di Tito und Lucia di Lammermoor im Großen Haus und Le Comte Ory und Albert Herring mit dem Opernstudio der Bayerischen Staatsoper im Cuvilliéstheater. Und so ist es für die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele eine Freude, Oksana Lyniv mit dem Festspielpreis 2015 auszuzeichnen. Die Spielleiterinnen und Spielleiter der Bayerischen Staatsoper Das Opernprogramm der Festspiele besteht neben einigen ­Premieren im Wesentlichen aus der Wiederaufnahme der wichtigsten, der erfolgreichsten Werke des Repertoires. Diese ­Wiederaufnahmen zu betreuen, zu leiten, für die Kontinuität einer Inszenierung im Sinne der Intentionen der Regie zu sorgen – diese anspruchsvolle Aufgabe liegt in den Händen der Spielleiterinnen und Spielleiter. Vor allem auch müssen sie Gäste, die eine Rolle neu übernehmen, in die Inszenierung einweisen. Angesichts der Bedeutung dieser Funktion möchte die Gesellschaft mit der Verleihung eines Festspielpreises 2015 die Spielleiterinnen und Spielleiter der Staatsoper besonders hervorheben und sich für die hervorragenden Leistungen, die sie insbesondere bei den Opernfestspielen erbringen, bedanken. Mit einem Ehrenpreis zeichnet die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele Waltraud Meier­ aus. Waltraud Meier hat mit der von ihr gesungenen Partie der Isolde Maßstäbe gesetzt. Bei den Münchner Opernfestspielen 2015 hat sie mit zwei unwiederholbaren grandiosen Auftritten von ihrer Paraderolle Abschied genommen. Für die Gesellschaft ist es daher ein Anliegen, der Bayerischen Kammersängerin ­einen Ehrenpreis zu überreichen.


Preisträgerin Oksana Lyniv, Dirigentin und m ­ usikalische Assistentin von GMD Kirill Petrenko

Fotos Markus Schlaf

Preisträger: Die Spielleiterinnen und Spielleiter der Bayerischen Staatsoper Andreas Weirich, Martha Münder, Georgine Balk, Theresa Schlichtherle, Anna Brunnlechner, Magdalena Padrosa, Bettina Göschl mit Dieter Rampl (1. Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der Münchner ­Opernfestspiele)

Viktor Schoner, Direktor des Künstlerischen ­Betriebsbüros, berichtete über die Spielzeit


Festspielempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten und der ­Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele 2015

Aufnahmeantrag Name

Ich /wir möchte(n) der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. beitreten als: Einzelmitglied (300 €)

Firmenmitglied (1.200 €)

Fördermitglied (1.500 €)

Förderndes Firmenmitglied (3.000 €)

Straße und Hausnummer

Postleitzahl und Stadt

Den ersten Beitrag werde(n) ich/wir nach der Mitteilung über die Aufnahme auf eines Ihrer Konten zahlen.

Telefon-Nummer

Bitte füllen Sie diesen Aufnahmeantrag aus und schicken diesen in einem Briefumschlag an folgende Adresse:

E-Mail

Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. Maffeistraße 14, 80333 München

Datum

220

Fax-Nummer

Unterschrift Vorstellungsankündigung


Danach schlafen Sie besser als Dornröschen: Melden Sie Ihre Gartenhilfe einfach an. Nicht angemeldete Haushaltshilfen rauben Ihnen vor Sorge nicht nur den Schlaf, sondern auch traumhafte Steuervorteile. Und wenn etwas passiert, schützt Sie keine Fee vor hohen Krankenhauskosten. Melden Sie Ihre Haushaltshilfe lieber an und schlafen Sie wie eine Prinzessin. Märchenhaft einfach unter www.minijob-zentrale.de oder telefonisch unter 0355 2902 70799.

Rubrikentitel

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Foto Heidi Specker

Page 34 – 42 Surveyors of Real and Imagined Space Every stage set encompasses a counter world with its own coordinates of space and time. Interior and exterior worlds, one’s own and that of the other: separated by walls and yet in one another entwined? A discussion of staged and real spaces with two masters of their trade – the set designers Anna Viebrock and ­Rebecca Ringst. Text Gunnar Decker We stand here like Kafka’s land surveyors: Agents against our will in a story we can never fully elucidate. Our last hope lies in the power of imagination – a counter world with its own coordinates of space and time. This is true, too, for a stage set meant to deliver the right intellectual stimulus and conquer not merely the space of the stage but of the narrative itself. That is the subject of our discussion with set designers Anna Viebrock and Rebecca Ringst. Anna Viebrock designs the set for Jean-Philippe ­Rameau’s Les Indes galantes under the direction of Sidi Larbi Cherkaoui; ­Rebecca Ringst for Fromental Halévy’s La Juive (The Jewess) under the ­direction of Calixto Bieito. (…) Café Niesen is situated in the erstwhile no-man’s-land near the strip of wall between East and West on Schwedter Straße in Berlin. If you lived here up until 1989, you needed a permit to get to your apartment. Today on this spot, chairs stand in the sun; we sit and drink coffee. No physical trace of the wall. Yet, like all phenomena that once so deeply shaped history, it has not entirely disappeared. It continues to haunt this space. (…) Anna Viebrock likes the faked rooms; after all, she is a virtuoso at

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­ reating them herself – and creating c them, in fact, so that they convey an inexplicable sense of uneasiness. The sets she designs for Christoph ­Marthaler, however, are all somehow waiting rooms in which we forget just what it is we are actually waiting for. (…) For the set design of Halévy’s 1835 opera La Juive, Rebecca Ringst plans to erect a great wall – the set is dark and menacing with moveable elements that can be individually folded and unfolded. The rest, empty space with the single exception of the cage in which the young Jewish girl is to be burned in

the end for refusing baptism. The story ­takes place in the year 1414 in Constance, where the city is celebrating the victory over the Hussites. The Jew Éléazar and his daughter Rachel are persecuted as disturbing elements. In the end, it is revealed that Rachel is not, in fact, a Jewess but the daughter of the Cardinal leading the prosecution of the girl and who, as it turns out, now has burned his own child. (…) For Rameau’s Les Indes galantes, Anna Viebrock works for the first time with Belgian producer and choreo­ grapher Sidi Larbi Cherkaoui. This

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Foto Charlotte Lybeer

­ aroque opera-ballet bears a peculiar B title, not really translatable into ­German. Early attempts rendered it as “The Knightly Indians”, but what exactly is that supposed to mean? ­ Anna Viebrock appreciates Rameau’s skeptical clarity: no heroes and no gods! In response to the question, what kind of Indians are they, who go on knightly adventures in the four­ different scenes between Peru and ­ America, Viebrock smiles her cryptic Anna-Viebrock-smile and the lenses of her eye-glasses sparkle as if to deride – young man, you know so little of the world! Then, in the 18th century, she explains, there was no distinction made between Indians from India and Indians from North America. From the view of the conqueror, they were all savages.

Page 50 – 56 “Dance is a poem as movement” If one wanted to speak these days of a man you could call a European in the best sense of the word, then that man would be the Belgian choreographer Sidi Larbi Cherkaoui. In an interview, he spoke of the issues that move him and why dance is a form through which to face them. Text Roel Daenen Sidi Larbi Cherkaoui began his career as a choreographer in the late 1990s, when he was still a dancer in Alain ­Platel’s collective Les ballets C de la B. In 2010, he founded his own dance company, Eastman, which took up permanent residence in ­Antwerp’s ­ deSingel international art campus. With its award-­ winning production ­BABEL, the company has been visiting Munich already in 2011 to take part in the Ballet Week at the ­National Theater. Eastman dancers will be

­oming to ­ c Munich, again, for the theater’s production of Les Indes ­ ­galantes. Together with vocal soloists and the Balthasar-Neumann-Chor, the dancers will create a new inter­ pretation of R ­ ameau’s story of the ­encounter ­b etween Europeans and foreign ­cultures. (…) In the fall of 2015, Cherkaoui was appointed the new artistic director of the Royal Ballet Flanders in Antwerp. He fully understands how lucky he is to have this opportunity for self-realization: “There are so many people with just as many talents who never get the

Excerpts

chance to develop them. When your sole objective is to simply survive, there is no time to do anything else.” Half Belgian Identity. This concept forms a leitmotif throughout Larbi’s artistic production, which is hardly surprising for the son of a Moroccan father and a Flemish mother. Identity is a source of wonder and of wealth, but it can also lead to thinking in oppositions of “us” and “them” – which offers fertile ground for nationalism. “I think Belgium today is

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in crisis. The country is struggling with the inability to deal with its ­double identity. When I was a child, we still learned French intensively in school. Donc je pourrai faire cet ­interview en français, si vous voulez. Back then, we were all still Belgian. Now, we are all Flemish, but that is only half a Belgian. (…) The effects of this process of decades-long division are now being felt. You can understand that the finger gets pointed at certain segments of the population. The entire situation seems so complex and stifling that I sometimes think – instead of problematizing everything, let’s just dance. I can’t get the question out of my head, what would happen if we could really talk, really understand one another? Art is, for me, a way of talking to each other.” Everyone Dances, Always Though dance, like instrumental ­music, is an abstract art form, Larbi ­believes it can acquire explicit meaning. “At least when it happens with the right intention. Ultimately, dance often has to do with a kind of energetic ­intention. When I make a certain gesture with my arm and this gesture conveys information to the viewer, such as ‘Come here!’ or exactly the opposite ‘Go away!’, that is a very concrete ­message. It has to do with coming and going, holding on and letting go, welcoming an encounter or warding it off. You feel the energy. Sometimes, it is difficult to put into words. Dance, for me, is narrative; it can relate very complex stories. In this respect, dance has a lot in common with poetry. Poetry is the most beautiful use of words, I find. ­Between the lines of poetry we find subjecti­ vity: You know, you read a poem from your own perspective. You recognize yourself in it. Dance is a poem as movement.”

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Page 58 – 60 Sphere of Knowledge The greater the surface area of our sphere of knowledge, the greater the area of contact with that which we do not know. That is what the author Jochen Schmidt learned in school. Curiosity has kept him in suspense – only since he has been out of school, of course. Text Jochen Schmidt There is one image I learned in school that I have never forgotten. It has to do with the position on the knowability of the world that we as Materialists (we are talking about the extremely un­ popular subject “Civic ­Education” in the late years of the GDR) should assume. Our knowledge, so it went, is like a sphere surrounded by a universe of the unknown. This “sphere of know­ ledge” is constantly expanding, yet with this expansion grows, too, the area of contact with the unknown. In principle, then, the world is knowable, but the amount of that of which we know that we do not know it, continually increases as we increase our knowledge. Perhaps this is the source of that restlessness that always takes hold of me when I make clear to myself all that I still want to know and how short my life is. (…) There was this robot in a Soviet children’s series that showed up at school in the guise of a child. You just had to stuff the schoolbooks through a slot in its back and it knew everything in them. Maybe one day we will get a Wikipedia chip implanted at birth and knowledge will no longer have much value (we will likely be tortured constantly by advertisements in our own head, reverberating like tinnitus; that is, for those of us who don’t have the money to pay for the ad-free premium version). How pitiful it would be if the

desire to learn were lost as a result. When I travel by ship, I want to know how the motor works and where the propeller comes from. When I visit a city for the first time, I want to know who constructed the buildings and what the graffiti on the walls means. When someone tells me what their dissertation is about, I regularly ­respond, “That’s exactly what I wanted to do, too!” Curiosity makes the whole world your home. (…) I secretly identify with my greatgreat-great-grandfather, a cartographer specializing in the topography of Asia Minor. He worked ceaselessly – even when guests came to dinner, he continued to sketch away at his maps that so well served the explorers of Pergamon and Troy. (…) At the age of 68, he rode again on a donkey through the Oriental heat to fill the gaps in his maps of Lesbos and Asia Minor. In a village on Lesbos, a teacher invited him into the classroom; the pupils sang Der Mai ist ­gekommen for him and the teacher ­explained to them, “You all know the big map of our island here on the wall. This old gentleman made that map when he was 23 years old. It has always had all sorts of gaps in it, but in all these years no one here ever bothered to fill them. Now, after 45 years, this old gentleman himself comes back to finish his work. You see, children, that is dedication, that is love of your work! That is how ­Germans are!” Whether “Germans” are r­ eally like that I cannot say, but it is certainly true of that population of ­ curious people scattered throughout the globe and so likeable to me. When I encounter one of them, I feel an ­immediate bond that has nothing to do with language or origins but with our mutual electrifying delight over the sphere of knowledge.

English


Illustration Tim Enthoven

Page 62 – 66 The Hammer – Thoughts on Die Meistersinger von Nürnberg and La Juive The sound of singing is interrupted by the sound of someone hammering. In Richard Wagner’s Die Meistersinger von Nürnberg and in Fromental Halévy‘s La Juive, dramatic – and musical – events are interrupted by the pounding of a hammer. Of the two pieces, only one defies generic conventions. Text David J. Levin The celebrations that mark the opening scene of La Juive are sung. Which is not necessarily noteworthy: after all, this is an opera. But the singing here, in a church, with emphatic organ accompaniment, takes the form of what the musicologist Carolyn Abbate calls “phenomenal” song: song that is sung as song within the fictional world of the opera. In this case, the church doors are open and we hear a full-throated “Te Deum” resound across the square that the ­ ­librettist and composer envision for the opera’s opening scene. Much to the consternation of the assembled crowd (a crowd whose consternation is quickly and repeatedly aroused in this opera), the collective ceremony is interrupted by what the piano score describes as the hammering of the Jewish gold­ smith Éléazar, who is at work in the public square, just outside his workshop, ­ad­jacent to the church. The scene at the outset of La Juive anticipates another, much more famous scene of interruption, one that also centrally features an instance of “phenomenal” song, a hammer, an encounter on the street, and, as it turns out, a figure who bears the trappings of Judaism: Beckmesser seeking to serenade Eva while Hans Sachs cobbles shoes at his outdoor work-bench before Pogner’s

house in Act Two of Wagner’s Die ­Meistersinger von Nürnberg. (Wagner, it bears noting, adored La ­Juive and wrote about it at length in the early 1840s, during his sojourn in Paris.) In both cases, the hammer serves to interupt a scene of music making, and in both cases the ­interruption is programmatically irreverent: in La Juive, it signals Éléazar’s resistance to the crowd, his unwillingness to join it. Sachs’ interruption is no less intentional, and its effects are no less marked, although it serves the opposite end: it marks Beckmesser’s false pretenses in the social and artistic realm. A further difference involves inflection: Sachs’s dissent is inflected as comical, while Éléazar’s is aggressive. Thus, in these two scenes, the noise occasioned by the hammering has very different ideological effects: in La Juive, the hammering interferes with and distracts from the aesthetic expression of communal celebration, marking the hammerer as an anti-social (and by implication, an anti-aesthetic) outsider, while in the Meistersinger, the hammering blocks the deployment of art to selfish ends, marking the hammer as an instrument of social and aesthetic justice and the hammerer as a protector of aesthetic propriety and social ­regeneration.

Excerpts

The social and formal disposition of these works reflects this difference. In La Juive, there is no conclusive re­ affirmation of the old society of innocence, nor is the threat to innocence expunged. On the contrary! In this way, La Juive signals its distance from the conventional dramaturgy of melodrama as it thrived in Parisian theaters in the post-revolutionary period until 1835, when the opera premiered. In the ­Meistersinger, the hammer is ultimately subsumed to the properties of ­comedy, serving as an instrument of resolution, even if that resolution bears residual traces of aggression and exclusion (since Beckmesser must be made to disappear in order for Eva and Walther to come together). In La Juive, the hammer figures an underlying and pervasive irreconcilability such that the ruckus of not-belonging hardly dies down at the work’s conclusion. On the contrary, that ruckus builds in this work to a veritable din. Indeed, the social, religious and expressive differences inaugurated by the hammer at the outset of La Juive are not so much hammered out at the work’s conclusion as they are ­hammered in. Abstract by David J. Levin

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“My message is in the music” Although it has seemingly dis­ appeared from the media spotlight, eastern Ukraine is still at war. Conductor Oksana Lyniv originates from the Ukrainian city of Brody and has been General Music Director Kirill ­Petrenko’s musical assistant since the 2013/14 season. At this year’s Opera Festival, she directs the world premiere of Mauerschau at the Reithalle – a work about war, Ukraine and a strong woman. MAX JOSEPH The Festival world premiere of Mauerschau will be the culmination of very close collaboration right from the start between the composer, director and artistic duo Luftwerk. Can you tell us how you were involved in the development of this musical theatre pro­ject? OKSANA LYNIV About a year-and-ahalf ago, the composer Hauke Ber­heide along with librettist and director Amy Stebbins asked me if I could contribute some Ukrainian songs. The plot of ­Mauerschau is based on the story of the Amazons. These mythological female warriors are said to have lived in the region of what is now Ukraine. It’s about war, just as Ukraine is at war today. We wanted to symbolise this by using lines from Ukrainian songs. The libretto also borrows verses from the Ukrainian poet Mykola Voronyi, which were used in an immensely popular song, sung as the Ukrainian army fought against the Soviet regime before the start of the Second World War. The work studies the contrast between a direct experience of war and merely observing war from a distance – war as reported in the­­media. MJ How do you view the current situation in Ukraine, as somebody who now lives in Germany? OL My take on this tragic situation is that Ukraine has always been contes­

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ted territory, due to its strategic ­location and its natural resources, such as fertile soil and minerals, as well as its access to the sea. The current ­situation is nothing new. I think the conflict is totally manu­factured. It’s certainly not a conflict b ­etween ­Russian and Ukrainian c ­ ulture or Russian and Ukrainian people.­ They’ve

porary of Shostakovich, for the ­Bayerische Rundfunk. This ­music is practically unknown, because during the Soviet era anything good had to come from Moscow and not Kiev or anywhere in Ukraine. That’s why none of these works made it into the wider world. I see myself as a kind of ambassador for Ukrainian culture.

­ lways got on well. It’s a conflict fua elled from above which is all about reallocating territory. Sadly, ­human life is worth nothing when ­political and financial interests are at stake and those in power play their ­little games. (…) MJ Times of crisis can either cripple or catalyse the arts and artists. What about music? How has the conflict influenced you? OL (…) I can personally say that my message is in the music. Now is the right time for those of us in other c ­ ountries to talk about Ukraine and its ­culture. (…) For example, together with the ­Bamberg Symphony I recorded the symphonic works of Boris Lyatoshinsky,­­a contem-

MJ Mauerschau is based on Kleist’s Penthesilea, the Warrior Queen of the Amazons. She still stands today as the quintes­ sentially strong female in a tra­ ditionally male role. Do you see any p ­arallels between you and ­Pen­thesilea? OL (…) It’s all about the balance between Penthesilea, the woman ­ with an identity pre-defined by ­society, and Penthesilea, the strong personality, seeking to achieve ­something in life. Thankfully, we live in the 21st century where everything is possible. Having said that, you don’t find all that many female conductors. (…)

Foto Matthias Ziegler

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English


MJ Were you considered something of an oddity when you began your studies as a conductor in Lemberg in the mid-90s? OL Each conducting course took two students and in my year we were both women. (…) At the start you do need the support of people who believe in you. My family were rather sceptical to begin with, too. I had been working as a teacher at a special college of music for gifted children. I gave this job up so I could start my conducting degree and a lot of people couldn’t understand that at all. English excerpt by Ed Einsiedler

Page 78 – 82 Who Are They? Savages and Amazons on Stage: On the construction of the other in Jean-Philippe Rameau’s Les Indes galantes and Mauricio Kagel’s Mare Nostrum. Text Barbara Zuber No culture ever was or is so closed that it looked neither left nor right, nor took from advanced foreign cultures or indigenous peoples what benefitted it. Certainties about what is one’s own and what is foreign are shaken in the process. Yet, we would be blind, especially in the face of a global refugee crisis, not to recognize that the tendency to keep to one’s own kind, to be intolerant of foreigners in one’s own environment and to cut them off, has grown in recent times rather than diminished. While Europe’s “superiority” and its cultural dominance vis-a-vis other civilizations was discredited following the collapse of the colonial po­ wers in the 20th century, the discussion since the Early Modern period

about Europe’s complex relationship to ­foreign cultures outside of Europe continues in the post-colonial era. What will be achieved by building bridges between cultures foreign to one another? Peaceful coexistence with the other? Or shall we suppose there is a version of colonization in the form of a questionable fusion at work? In either case, coexistence or fusion, it is necessary to confront the issues of norms and values, lifestyles and ­religions, as well as of human rights. The discussion began with the European Enlightenment and this very discussion is to decide whether the early 21st century will devolve into an era of ethnic crusades. In the 1730s, values regarding cultural differences are not yet ­fixated on an excluding representation of the other. That is typical of the period in which Jean Philippe Rameau and his librettist Louis F ­uzelier wrote the ­opera-ballet Les Indes galantes (1735/36). The ­ exotic milieu and ­stories that take shape in a process of assimilation of the other to one’s own are far removed and yet close to home. These stories do not deal merely with love, which in times of war goes into exile, if you will, to find out if it still has a chance with Turks and Persians, the Incas of Peru or the North ­American Indians. Turned on Its Head It stinks terribly, simply abominable. Everywhere you look on the coast of southwest Europe. This is no paradise (…) in Mauricio Kagel’s Mare Nostrum (1973/75). The scenic composition for a speaker/baritone, who carries out a number of instrumental actions, and for a countertenor and six instrumentalists, turns the history of the colonization of South America on its head. It deals with the “discovery, pacification and conversion of the ­ Mediterranean region by a tribe from the Amazon.”

Excerpts

The punch line of the post-colonial satire lies in its inversion of relationships between conquerors and the colonized. Their roles as perpetrator and victim are switched. Of course, as the audience is well aware, in reality it was the Amazons who were subjugated. Yet, the abysmal joke of Mare ­Nostrum is that the colonized Euro­ peans turn out to be the Amazons of South America.

Page 84 – 94 Dynamite Three young composers, two ­premieres and all manner of explosive material: Together with a collective of young opera writers, Saskia Bladt and Torsten Herrmann took on Peter Verhelst’s apocalyptic novel Tonguecat. Hauke Berheide com­posed the score for Mauerschau, an opera based on Kleist’s Penthesilea. Barbara Doll introduces the ­composers. Text Barbara Doll Saskia Bladt Composer of Tonguecat The idea to turn Belgian author Peter ­Verhelst’s Tongkat (as it is originally titled in Dutch) into an opera was ­ ­developed in collaboration with fellow scholarship ­recipients in the program “Akademie Musiktheater Heute”, a two year ­program under the auspices of the Deutsche Bank­designed to foster early career conductors, composers, pro­ducers, set designers, dramaturges and ­artistic directors. (…) The highly complex novel Tongkat deals with war, ice age, demise and the flame of memory, loss, the cycle of victim and perpetrator: “These are ­ ­numerous themes that strike an ever more pertinent chord in our contem­ porary world and that affect me deeply when I put them to music.” (…)

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Torsten Herrmann Composer of Tonguecat What does one tone have to do with another? How do you create relationships between them? Which criteria apply to the composition process? Form and development in composition are what interest Torsten Herrmann, above all, from the listener’s perspective: “I want to send the audience home with questions, for example, those arising through variation. The listener is continuously confronted with contrasts, transitions and surprises at the formal level, which, taken together, form a greater whole. Yet, the variations retain a puzzling ambivalence that is intended to get the listener thinking.” (…) This impetus for reflection is what drew him to work on Tonguecat. The story is not reduced to an unambiguous morale and unfolds in various fantasy worlds “to which a composer immediately wants to respond.” (…)

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The finale of Tonguecat – the piece on which the two composers collaborated – was written through e-mail d ­ ialogue. One would send the other a section of the music they were working on and the other then added something in response. This enabled a continuous exchange of ideas, while, at the same time, “creating coherence and contrast within the opera,” says Herrmann. The two composers did not agree beforehand to employ particular motifs. Each developed his or her own soundscape – and at the end of the opera, the two styles of composition are intentionally made to collide. Hauke Berheide Composer of Mauerschau How can the individual elements of a fully fragmented world be pieced ­together to create a “big picture”? This is the question that preoccupied Hauke Berheide and librettist and stage ­director Amy Stebbins in their work on the opera Mauerschau: Amy Stebbins made a montage of Heinrich von Kleist’s Penthesilea with text excerpts of the former U.S. Secretary of State Colin Powell, the Romantic poet Karoline von Günderrode, author and freedom ­fighter Ernst Moritz Arndt and others.

The result was a “phantasmic synthesis,” says Berheide. (…) Creating such multimedial synthesis has always been essential of musical theatre. (…) Not only formal considerations of opera as a genre but questions of content motivate the two artists: What about the mediality of war experien­ ces? How can we comprehend the ­incomprehensible? The narrative technique known as teichoscopy (in Greek “viewing from the walls” or rendered in German “Mauerschau”), originating in antique theater and employed by Kleist in Penthesilea, offers the ideal starting point to answer these questions. A ­figure stands on a wall and describes the progress of the battle. This kind of reality filter shapes the wars of our own historical moment more than ever. We know that reconnaissance and combat drones are controlled from a remote site in Arizona; we have live image and news apps for the Tagesschau and CNN – but we never know what r­eally happens.

Page 96 – 102 Suddenly Revaluated: ­Women’s Art as Product All of a sudden, everyone wants art by female artists. No other valuation has so radically changed on the art market as that of art by women. In her ­profound report, Tina Mendelsohn identifies reasons behind this trend. Text Tina Mendelsohn The opening of the art market to ­women constitutes one of the great social changes of our time. Art ­criticism, up until a few years ago still firmly in the grip of European and American men, no longer plays so ­crucial a role today as it once did. Its interpretive authority has been taken over by the market. (…)

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Foto Fritz Beck

Saskia Bladt composed Tonguecat in collaboration with Torsten Herrmann. How do two composers work on a single opera? They divided the work thematically, so that Saskia Bladt composed all of the elements dealing with the fire world and Torsten Herrmann all of those involving the ice world. Individual cha­ racters were grouped to the respective themes. The finale was the only col­ laborative piece (…) Saskia Bladt loves opera more than anything and would like to bring it more into the present, to break down traditional patterns, to test how far away we can move from chronological narratives in order to look more closely at the interior. “Instrumental thinking,” something Bladt developed with the set and costume designer Sophie von Arnim, is part of this process and sometimes involves clothing, objects and even ­ food, for example, the sizzling of a fried egg in a pan or the rustling of a coat as we put it on. (…)


Collage Guerilla Girls

“Art made by women is like undervalued stocks,” explains Daniel ­ Birnbaum, ­Director of the Museum of Modern Art in Stockholm, in reference to the interest in the work of female ­artists. “It’s like in the world of finance, everyone suddenly grabs for them.” (…) At the moment, there is a lot of ­mo­ney to be made with women’s art. Their works are highly valuable and the price for collectors is still affordable, as the Financial Times reports on its art market pages. The art market is currently hungry for female art, and that is what it gets. It gets it, because this art exists — because the repression and lack of support for female artists was not so pervasive as to keep museums, art associations, city and state col­ lections from buying their work. (…) Yet, there must be other reasons, beyond its mere market value, why the work of female artists is being veritably hunted all around the globe. Munich resident Ingvild Goetz, who owns one of the most internationally acclaimed collections of contemporary art, offers a very sober perspective of the current situation. She states, “The big leaps in price can be explained by the lack of anything exciting in contemporary art today; gallery owners are on the lookout for new artistic positions the market has overlooked. There are a lot of women, in particular, among them, ­ many from Eastern Europe, who produced exciting work beyond the iron curtain and went largely unnoticed by the art market.” (…) A recent study conducted in North Rhine-Westphalia shows that the promise to create equal conditions for men and women is slowly becoming reality. While in the year 2000 works by ­female artists made up only 20 percent of museum acquisitions, by 2011 the figure had risen to 32 percent. More significantly, however, is that today, young male and female artists are given equal financial support in the largest state in Germany. Many young female artists

have come to understand the importance of self-presentation and marketing. The image of the wild artist-macho is something women can do, too. And the market eats it up. (…) Why are female artists today ever more in demand despite everything, especially older ones? Because they are not only artistic role models. ­Martha Rosler (73), one of the bestknown feminist artists from New York, has first-hand experience of value fluctuations: “As a beautiful, young female artist, you are a work of nature – there’s never been anything like it before! Wow, look at those curves! She can talk. She can move. She can present

Excerpts

herself. And, then, you get older: The luster is gone, the splendor faded. Now, she is a has-been. Until, finally, she reaches a certain age and – Hey, look she’s still alive! Maybe we ought to talk to her again before she’s not around anymore.” (…) The boom of female artists today alternates just as in 1977 in West ­Berlin between the staging of each individual artist – their insistence that they be acknowledged as unique artists, that their own work command equally high prices – and collective subsumption. English excerpts by Staci von Boeckmann

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Die Vermesser F체r das Gelingen einer Opernauff체hrung m체ssen viele, sehr viele Dinge vermessen werden. In der letzten Folge der Spielzeit 2015/16 beschreiben Mitarbeiter der Oper drei ganz besondere Messger채te. Text Christiane Lutz Fotografie Gerhardt Kellermann


Foto Wilfried Hösl

Anna-Katharina Hobel, Technische Assistentin

Bei Oper für alle ist sie wohl die einzige, die nicht auf die riesige LED-Wand, sondern ununterbrochen auf die Zuschauer schaut. Ob alle friedlich sind. Ob keiner ohnmächtig wird. Ob alle in den vorgezeichneten Bereichen bleiben. Anna-Katharina Hobel ist technische Assistentin der Staatsoper und mit dafür verantwortlich, dass bei der großen Opern-Liveübertragung auf den Max-JosephPlatz ebenso wie beim Festspiel-Konzert unter freiem Himmel auf technischer Seite alles gut geht. Ihr Job ist es, wenn man so sagen will, das Risiko für die Zuschauer zu vermessen. Jedes Jahr im Dezember beginnt Anna-Katharina Hobel mit der Planung für Oper für alle: Sie schreibt Anträge an die Stadt, erstellt ein Sanitäts-, ein Verkehrs- und ein Sicherheitskonzept. Was für die Zuschauer eine einzige große Feier der Musik ist, ist für die Staatsoper und die Stadt auch eine logistische Herausforderung. Welche Straßen müssen während des Aufbaus wie lang gesperrt bleiben? Wo gehen die Zuschauer zur Toilette? Sind die Fluchtwege breit genug? „Im Ernstfall müssten ja nicht nur die Zuschauer von Oper für alle flüchten, sondern auch die Besucher des Residenztheaters, der Schatzkammer der Residenz und des Nationaltheaters“, sagt Anna-Katharina Hobel, die seit zwölf Jahren für die Staatsoper und für Oper für alle arbeitet. Neben dem ­Sicherheits- und Sanitätsdienst ist immer auch ein Meteorologe mit von der Organisations-Partie. Er hält nach Gewittern und Winden Ausschau, die die Leinwand ins Wanken bringen und Gegenstände davonblasen könnten. Im Jahr 2011 war ein Unwetter mit Windstärke zehn für den Tag des Festspiel-Konzerts vorhergesagt. Hobel ließ das Jugendorchester ATTACCA zunächst spielen, doch als Kent Nagano und das Staatsorchester beginnen w ­ ollten, kam der Platzregen. Der Wind drückte die ­Wassermassen in den Orchesterraum, der Dirigent brach das Konzert ab. Doch meist gelingt alles, zum Glück. Denn Oper für alle geht eine immense Detailplanung voraus. Hobel zeigt einen Ordner voller aufklappbarer Pläne des Max-­JosephPlatzes, die wie bunte Wimmelbilder aussehen. „Wichtig ist zu wissen, wie viele Leute wir auf dem Platz haben beziehungsweise haben dürfen.“ Auf einem Quadratmeter dürfen sich beispielsweise nicht mehr als zwei Personen aufhalten. Nicht weiter problematisch: „Oper für alle soll Picknick-Charakter haben, die Leute bringen Decken mit und setzen sich, daher sind es bei uns eher weniger Menschen pro Quadratmeter.“ Rund 5.775 ­ ­Quadratmeter sind in diesem Jahr für die Zuschauer ­vorgesehen, die sich am 31. Juli die Übertragung von Die Meistersinger von Nürnberg anschauen wollen. Für etwas mehr als 9.100 Menschen hat Hobel Platz beantragt.

Da der Max-Joseph-Platz von mehreren Seiten zugänglich ist, nutzt der Sicherheitsdienst kleine digitale Zählgeräte, um zu wissen, wie viele Menschen sich auf dem markierten Gelände aufhalten. Und doch ist diese Messung Handarbeit: Per Fingerklick wird gezählt, wer den Platz betritt und wer ihn verlässt. Alle Geräte sind miteinander verbunden. Über diese Leitung ruft der Ordnungsdienst in Intervallen die Gesamtzahl der Besucher ab. Ist der Platz voll, muss er für weitere Besucher gesperrt werden. Manchmal muss Anna-Katharina Hobel dann mit den Besuchern diskutieren. Warum der Platz jetzt geschlossen sei. Warum man sich nicht auf die Stufen vor die Oper setzen dürfe, da sei es doch so hübsch. Warum keine Stühle erlaubt seien. „All das ist keine Schikane“, sagt sie, „es sind Sicherheitsmaßnahmen.“ Sie weiß, dass ein so großes Event ein Ausnahmezustand ist. Die Leute reagieren emotional, fühlen sich vom Sicherheitsdienst gleich verdächtigt. Andere geraten in Panik oder dehydrieren wegen der Hitze, die oft auf dem Platz herrscht. Auch die Besucher der Vorstellung im National­ theater seien nicht immer verständnisvoll, wenn sie auf dem Weg ins Gebäude mehrere Umwege um die draußen Sitzenden gehen mussten. „Man muss den Besuchern klar vermitteln, warum wir etwas entscheiden. Dann sind sie meist einsichtig.“ Hobel steht in der Zeit zwischen Bühnenaufbau und Oper für alle unter immenser Anspannung: „Ich bin erst ruhig, wenn ich nachts im Bett liege, sich keiner verletzt hat und nichts davongeflogen ist.“ Sie weiß, dass an dem Tag viele Menschen kommen, die sich sonst keine Karten für die Staatsoper leisten könnten. „Wenn die dann mit Tränen in den Augen vor mir stehen und sich dafür bedanken, dass wir Oper für alle anbieten, dann weiß ich, warum ich den Job mache.“

Anna-Katharina Hobel und ihre Kollegen vermessen den Max-Joseph-Platz bei ­Oper für alle per Handarbeit: Per Fingerklick zählen sie, wer den Platz ­betritt und wer ihn ­verlässt – und ob die Zuschauerhöchstzahlen ihres detaillierten Sicherheitskonzepts ­damit eingehalten sind.

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Zwar nutzt Küster zur Erstellung des Probenplans ein spezielles Planungsprogramm am Computer. Das aber lässt sich nicht so praktisch herumtragen und nicht schnell mit Post-its versehen, wenn Küster eine kleine Zusatzbemerkung festhalten will. Siehe Kniewunde. Jeden Tag um 14 Uhr gibt Claudia Küster einen Probenplan mit um die 50 Terminen für den kommenden Tag heraus. Er wird an alle Künstler per Mail verschickt, im Haus ausgehängt und ist im Intranet einsehbar. Der Plan von Dienstag, 10. Mai 2016, liest sich beispielsweise so: „Nationaltheater: Meistersinger, 8.15 Uhr bis 9.30 Uhr, Beleuchtungs-/Videoprobe mit technischen Verwandlungen/Umbauten. Rennert Saal: Noah, ganzer Tag, reserviert für szenisch-musikalische Proben nach Ansage und Bedarf; die Originaldekoration bleibt stehen! Wernicke-Saal: Lucia (mit Klavier), 10 Uhr bis 13 Uhr, szenische Probe: 1., 2. und 3. Akt (alle Szenen des Raimondo) …“ Es folgen die Belegungen von Chorsaal, großer Probebühne, Besprechungsraum und den Solo-Proberäumen auf drei dicht bedruckten DIN A4-Seiten. Die Veröffentlichung des Plans bedeutet nicht, dass er nicht nachmittags noch einmal leicht verändert werden muss. Kunst ist ständig in Bewegung. Mal wird einer krank, mal muss eine Probe am nächsten Tag wiederholt werden. Dann klemmt sich Küster hinter ihr Telefon, schreibt nachts noch SMS und E-Mails, damit die von der Änderung Betroffenen das auch erfahren. „Früher war das, was um 14 Uhr herausgegeben wurde, die Bibel und nicht mehr änderbar“, sagt sie. Durch die neuen Kommunikationswege entsteht erst die Möglichkeit, beteiligte Künstler auch kurzfristig zu erreichen. Also wird bei Bedarf auch etwas verändert. Für manche Menschen ist schon die Vorstellung ein Graus, ein Haus mit 1.000 Mitarbeitern organisieren zu müssen. Claudia Küster aber lacht und sagt, sie liebe es, der Kunst beste Bedingungen zu ermöglichen und Ordnung ins Chaos zu bringen: „Alle Informationen in eine Form zu gießen, die anderen Menschen dazu dient, diese wie einen täglichen Fahrplan zu lesen und zu wissen, was wann und wo passiert. Das finde ich sehr, sehr schön.“

Um die 50 Termine enthält der Probenplan, den Claudia Küster, die Leiterin des Probenbüros, täglich erstellt – unter anderem mithilfe ihres „Küster’schen ­Probenbuches“.

Foto Gerhardt Kellermann

Ein Opernhaus ist wie ein Ameisenhügel, in dem es ununterbrochen wuselt. Ein Sänger muss zur Kostüm­ anprobe, während sich der Chor zur musikalischen Probe versammelt und andernorts ein Regisseur mit einigen Sängern am dritten Akt der nächsten Premiere arbeitet. Man stelle sich vor, alle diese Menschen wuselten ohne Plan durch die Gegend – ständig würden sie kollidieren. Deswegen gibt es Claudia Küster, die den Plan erstellt, nach dem alles abläuft: den Masterplan, den Probenplan – ein logistisches Meisterwerk. Als Leiterin des Probenbüros legt sie in Absprache mit Künstlern und Hausverwaltung fest, wer um wie viel Uhr wo probt. Sie vermisst die Kapazitäten des Hauses und verteilt diese so sinnvoll wie möglich auf die künstlerischen Bedürfnisse. Es gibt an die zwei Dutzend Proberäume in der Staatsoper, die parallel bespielt werden können, und noch eine Probebühne außerhalb. Das ist auch nötig, denn neben den Proben für die bevorstehende Premiere laufen Wiederaufnahmeproben, Chorproben, Orchesterproben, technische Proben. Um den Überblick zu behalten, trägt Küster ein großes, schwarzes Buch mit sich herum. Einen gigantischen Kalender, eigens für sie angefertigt, in den sie alle Terminanfragen und Vermerke zu den Proben einträgt. Mit Bleistift natürlich. Es gibt ständig etwas zu radieren. Viele Details sind zu bedenken: dass ein Künstler nicht an zwei Orten zugleich eingeteilt wird. Dass er eine Pause braucht. Auch die Beschaffenheit eines Raumes ist wichtig: „Unser Wernicke-Saal ist nicht so groß wie der Rennert-Saal. Da kann ich keine Massenszene zur Probe veranschlagen. Aber er hat Verschraubungen im Boden: Proben zu L’elisir d’amore lege ich in den Wernicke-Saal, denn nur da kann die Laterne aufgesteckt werden, auf die der Tenor klettern und seine Arie singen muss.“ Dazu kommen Kleinigkeiten: „Hier zum Beispiel steht vermerkt“, sagt Küster und zeigt auf ein Post-it im schwarzen Buch, „dass Ismael Jordi, der jetzt neu in Lucrezia Borgia singt, vor der Durchlaufprobe noch eine Kniewunde in der Maske geklebt bekommen soll. Weil er in einer Szene so stürzen muss, dass das Blutpad aufplatzt, damit Edita Gruberova ihm die Wunde versorgen kann.“ Sie muss den Sänger also um 16:30 Uhr in die Maske bestellen, damit er um 17 Uhr mit geklebter Wunde bei der Probe erscheinen kann.

Foto Wilfried Hösl

Claudia Küster, Leiterin des Probenbüros




Foto Wilfried Hösl

David Schultheiß, Erster Konzertmeister des ­ Bayerischen Staatsorchesters Wenn das vielsaitige Brummen und Klingen im Graben beginnt, weiß der Opernbesucher: Gleich geht es los. Das Einstimmen der Instrumente ist ein feierlicher Moment, den viele Opernfans lieben. Ein konzentriertes Luftholen vor dem ersten Ton, ein Räuspern vor Beginn der Kunst. Natürlich steckt hinter diesen Grabenklängen etwas weit weniger Pathetisches, nämlich die schlichte Notwendigkeit der Musiker, den richtigen Ton zu finden, bevor sie das Vorspiel zu Die Meistersinger von ­Nürnberg losschmettern. David Schultheiß ist einer von derzeit zwei Ersten Konzertmeistern des Bayerischen Staatsorchesters, die sprichwörtliche erste Geige also. Er ist derjenige, der das Einstimmen anleitet und dem der Dirigent vor der Aufführung die Hand gibt. Schultheiß sagt, dass das Vermessen des richtigen Tons eigentlich kein Hexenwerk sei. Er sucht und findet ihn schließlich ständig: bei jeder Probe, vor jedem Konzert, bei jeder neu eingespannten Saite. „Zum Einstimmen hat sich der Kammerton a eingebürgert“, sagt Schultheiß. Das wurde 1939 auf der Stimmtonkonferenz der „International ­Federation of the National Standardizing Associations“ in London festgelegt. Ein eingestrichenes a sollte bei einer Temperatur von 20 Grad eine Frequenz von 440 Hertz haben. In Deutschland hat sich allerdings das a bei 443 Hertz Frequenz etabliert, es klingt also ein winziges bisschen höher als bei 440. Üblicherweise gibt Schultheiß beim Einstimmen auf einer Probe oder vor einem Konzert zuerst der Oboe den Einsatz. Die Oboe beginnt traditionell, weil ihr Ton besonders gut hervorsticht und sich für die Kollegen gut als Anhaltspunkt eignet. Der Oboist hat in der Regel ein Stimmgerät am Platz, um als Tongeber das richtige a zu treffen. Erst nach der Oboe stimmen, aufgefordert von Schultheiß, die Bassisten, dann die höheren Streicher, dann die ­Bläser. Alle orientieren sich dabei an der jeweils vorausgegangenen und ihrer eigenen Instrumentengruppe. Beim Vermessen des richtigen Tons hilft David Schultheiß vor allem ein digitales Stimmgerät. Seines ist so groß wie ein Smartphone und sieht ziemlich ramponiert aus, an einer Stelle ist es geklebt. Wenn er es einschaltet, klingt es wie ein alter Gameboy. Schultheiß hat es immer dabei: „Dieses Ding hier hat mich schon einige Male gerettet.“ Zwar erkennt er als Profi, wenn seine Geige verstimmt ist, „dann schwingt die Saite anders“, aber gegen die Feinarbeit der digitalen Nadel, die auf dem Gerät beim Spielen eines Tons ausschlägt, kommt nicht einmal er an. Was wurde aus der guten, alten Stimmgabel? „Ich arbeite nie mit Stimmgabel“, sagt Schultheiß, „die benutzen vielleicht noch Chorleiter während eines Kon-

zerts, um zwischendurch den Ton zu finden. Thomas Hampson hatte bei den Proben zu South Pole auch eine Stimmgabel in der Tasche, weil seine Rolle so kompliziert zu singen war. Aber sonst?“ Ausrangiert ist die Stimmgabel, überholt von der Technik. In Schultheiß’ Stimmgerät ist übrigens auch ein Metronom integriert – das altgediente analoge Metronom mit dem schwingenden Pendel ist ebenfalls überflüssig geworden. „Ein Metronom ist immer noch unverzichtbar, um Tempoangaben zu realisieren“, sagt Schultheiß. „Es ist wie beim Sport: Man fängt langsam an und steigert dann durch regelmäßiges Training das Tempo. Das ist richtig ­körperliche Arbeit.“ Auch bei Kammermusikproben wird der Takt mit dem Metronom gemessen, nur haben große Gruppen oft das Problem, dass das Metronom zu leise ist und überhört wird. „Wir suchen dann nach dem Kollegen mit dem lautesten Gerät.“ Gegen Metronom-Apps und Stimm-Apps auf dem Smartphone hat Schultheiß auch nichts einzuwenden, „die erfüllen ihren Zweck“. Natürlich aber fängt die Kunst erst da an, wo das metronomisch genaue Spiel aufgegeben wird. Wo der Dirigent bewusst den Pfad des vorgegebenen Metrums verlässt und auf seine eigene Idee des Taktes setzt. Denn so schön und praktisch die Technik auch ist, jeder Musiker muss selbst lernen, wann ein Ton oder ein Rhythmus falsch bemessen oder einfach gerade nicht passend ist: „Wenn man beispielsweise während eines Konzerts erst eine Mozart-Symphonie und im zweiten Teil eine Bruckner-Symphonie spielt, muss man aufpassen, für beide Werke den richtigen Ton und Stil zu finden. Damit Bruckner nicht wie Mozart klingt und Mozart nicht wie Bruckner. Bruckner hatte bei sehr ­vielen seiner Kompositionen eine Kirchenakustik im Hinterkopf und hat einen langen Nachhall mitberücksichtigt. Bei Mozart ist das Orchester kleiner besetzt, da ist es gerade für uns Streicher wichtig, nicht so ­bombastisch zu spielen, sondern von der Tongebung her insgesamt schlanker und wendiger zu bleiben.“ Das wichtigste Messgerät ­dafür bleibt das Ohr. Und das Herz.

Mithilfe eines digitalen Stimmgeräts ­findet David Schultheiß, einer der beiden Ersten Konzertmeister des Bayerischen Staatsorchesters, den richtigen Ton: ­ bei jeder Probe, vor jedem Konzert, bei jeder neu eingespannten Saite.

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Illustration Eric Yahnker, Picassocino, 2016

Schรถne Ferien!

Die Spielzeit 2016/17 beginnt am 18. September 2016.


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„Umsäumt von noblen Gründerzeitanwesen, nahe am urbanen Puls und den Herzogpark mit seinem alten Baumbestand als Gegenüber: Durch Architekturkultur machen wir den einmaligen Reiz dieses Ortes neu erlebbar.“

kussmann Sacher

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