MAX JOSEPH #4 Münchner Opernfestspiele 2017

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MUnchner Opernfestspiele 2017


DIRIGENT. DER BMW 7er MIT GESTIKSTEUERUNG. DER ANSPRUCH VON MORGEN.

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Abbildung zeigt Sonderausstattungen.

Freude am Fahren Vorstellungsankündigung


Bayerische staatsoper 24.6. – 31.7. Münchner  Opernfestspiele 2017

Das Magazin der Bayerischen Staatsoper Festspielausgabe 2016 – 2017

Dank an

Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele.









Eine ereignisreiche, intensive Spielzeit lang fragte, mutmaßte und sezierte die Bayerische Staatsoper dem Spielzeitthema gemäß Was folgt – aus der Vergangenheit, in der Zukunft, aus Katerina Ismailowas Kampf um ein glücklicheres Leben, aus Tannhäusers Entscheidung gegen den Venusberg. Jede Spielzeit an der Bayerischen Staatsoper endet mit ihrem weit über die Stadt hinausstrahlenden Höhepunkt, den Münchner Opernfestspielen: Sie sind Konsequenz und Kulmination der ganzen Saison. Die vielen Feste, als die wir unsere Produktionen und Vorstellungen, unsere Konzerte und Diskussionen während der Spielzeit sehen können, spiegeln und bündeln sich im Ausnahmezustand der Festspielzeit – mit den Festspielpremieren, den Arbeiten junger Talente in der Festspiel-Werkstatt, den Liederabenden großer Sängerinnen und Sänger und vielem mehr. Das Bayerische Staatsorchester wird in den Festspiel­ premieren von Franz Schrekers Die Gezeichneten und Carl Maria von Webers Oberon den Dirigaten von Ingo Metzmacher und Ivor Bolton folgen; wie sie diese Werke interpretieren wollen, wie wichtig Partiturstudium und historisches Wissen für die Arbeit des Dirigenten sind und was eine gelungene Aufführung ausmacht, beschreiben die beiden Dirigenten im Gespräch mit MAX JOSEPH. Die Insel Elysium, in Franz Schrekers Die Gezeichneten vom Ort idealer Schönheit zum Ort orgiastischer Gewalt pervertiert, ist für Frank Raddatz ein konsequent beschriebener Kunst-Ort: In seinem großen Essay zeichnet der Autor die „vertikale“ Linie von den rituellen Handlungen der Früh­ geschichte bis in die performative Kunst der Gegenwart nach und fördert dabei Folgenreiches sowohl für die Oper als auch für den Ort der Kunst in der Gesellschaft zutage. Dass Franz Schreker, in den 1920er Jahren der meistgespielte Musiktheaterkomponist im deutschsprachigen Raum, erst langsam wieder Würdigung erfährt, ist eine direkte Folge historischer Ereignisse. Unser Porträt beschreibt den bewegten und schließlich tragischen L ­ ebens- und Schaffensweg dieses einst als Wagner-Nachfolger gehandelten Künstlers. Wenn Krzysztof Warlikowski inszeniert, entwirft ­Małgorzata Szczęśniak Bühne und Kostüme, wie bei sämt­ lichen Arbeiten des Regisseurs auch in der Neuproduktion von Die Gezeichneten. Im Gespräch beschreibt sie MAX JOSEPH die besondere Arbeit des eingeschworenen ­Warlikowski-Teams und teilt ihre Gedanken über Kunst, ­Freiheit und die Folgen des eigenen Handelns.

In Carl Maria von Webers Oberon, der zweiten Festspiel­ premiere, kann Hüon von Bordeaux nicht viel anderes tun, als den Entscheidungen des Elfenkönigs Oberon zu folgen. Die Abenteuer und Gefahren, die er zu bestehen hat, sind die Folge aus einer Wette zwischen Oberon und seiner Frau ­Titania; und auch über die Liebe, die Hüon findet, entscheidet letztlich der Elfenkönig. Regisseur Nikolaus Habjan setzt im Gespräch seine Sicht auf die Geschichte auseinander und erklärt, welche Rolle seine berühmten ­Puppen in dieser Inszenierung und in seiner Arbeit im ­Allgemeinen spielen. In den Aufführungen der Festspiel-Werkstatt wird ein junger Klassiker der Moderne neu vorgestellt: Vor unglaublichen knapp drei Jahrzehnten hier in München uraufgeführt, ist Mark-Anthony Turnages Kammeroper Greek ein noch immer aufrüttelndes Stück über einen Mythos, der auch nach Jahrtausenden weiterwirkt. Darüber hinaus zeigen wir zwei weitere Neuproduktionen im Postpalast, dem diesjährigen Spielort unserer Festspiel-Werkstatt: [catarsi] befragt performativ-spielerisch unsere Hör- und Sehgewohnheiten im Musiktheater, die Kinderoper Kannst du pfeifen, Johanna thematisiert den Tod und feiert das Leben. Was folgt – das ist im Voraus oft schwer abzusehen und manchmal auch noch im Nachhinein schwer zu beschreiben. Auch auf unsere Arbeit an der Bayerischen Staatsoper trifft dies zu. Doch es gibt auch andere, so schöne wie einfache Kausalitäten: So folgt aus der erfolgreichen Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Partner BMW München die großartige Veranstaltung Oper für alle bei freiem Eintritt auf dem Max-Joseph-Platz. Und aus der großzügigen Unter­stützung der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele resultiert die Festspielausgabe, die Sie in Händen ­halten. Beiden gilt mein herzlicher Dank. Besonders danke ich Ihnen, liebe Besucherinnen und Besucher der Münchner Opernfestspiele, dass Sie uns zu diesem für die Bayerische Staatsoper immer aufs Neue ­aufregenden Fest folgen. Ich wünsche uns allen wunderbare, im besten Sinne folgenreiche Opernfestspiele 2017.

Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper


Erleben Sie Wasserstoff. In einer kraftvollen Inszenierung von Linde. Welches Aussehen hätten Gase, wenn sie sichtbar wären? Und wie würden sie klingen? Wir wollten es wissen und haben typische physikalische Eigenschaften wie Elektronenzahl oder Siedepunkt in Töne und Farben gekleidet. Mehr unter www.fascinating-gases.com. Wir begleiten die Bayerische Staatsoper im Rahmen unseres Kulturengagements als Spielzeitpartner.


Hâ‚‚ Wasserstoff


MAX JOSEPH FESTSPIELAUSGABE

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We only love, so it doesn’t matter / Hold on to us – FESTSPIEL-WERKSTATT Wolfgang Nägele inszeniert Greek von Mark-Anthony Turnage

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Den Tod begreifen, das Leben feiern – FESTSPIEL-­WERKSTATT In der Festspielwerkstatt inszeniert Łukasz Kos Gordon Kampes Kannst du pfeifen, Johanna. Eine Annäherung an eine b ­ esondere Kinderoper

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Auf dem Weg in die digitale Katharsis – ­FESTSPIEL-WERKSTATT Das Musiktheaterkollektiv AGORA über die Uraufführung [catarsi]

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Theater muss verführen! – FESTSPIELPREMIERE Nikolaus Habjan im Interview über seine ­Inszenierung von Oberon und die Vorzüge des Spiels mit Puppen

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Unsere Zeit ist voll seltsamer Dinge Eine Konfrontation zwischen Franz ­Schrekers Die Gezeichneten und Richard Strauss’ Die Frau ohne Schatten

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In Tönen denken, Facetten genießen – ­FESTSPIELPREMIEREN Zwei Premieren, zwei Dirigenten, zahllose Wege und Ideen: Ivor Bolton und Ingo Metzmacher im Gespräch

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Zwischen den Zeiten – FESTSPIELPREMIERE Der Komponist Franz Schreker im Porträt

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„Wir sind selber wie eine kleine Utopie“ – ­FESTSPIELPREMIERE Eine Begegnung mit der Bühnen- und ­Kostümbildnerin Małgorzata Szczęśniak

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15 Musiker, 10 Dienste … und ganz viel Oper Die erfolgreiche Geschichte der ­Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters und ihr ­Fest­­spielkonzert mit Kirill Petrenko

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Es ist losgegangen. Es wird weitergehen – FESTSPIELPREMIERE Vier junge Choreographen bei den ­Münchner Opernfestspielen. Vier Porträts

SPIELZEIT 2016 / 17 MÜNCHNER OPERNFESTSPIELE 2017

Frisch aus dem Elysium: Zwei opulent geschmückte Königinnen buhlen diesmal auf den beiden unterschiedlichen Titelbildern der MAX-JOSEPH-Festspiel­ ausgabe um die Gunst der Leser. Sie stammen aus der Serie Reina des S ­ chweizer ­Fotografen Cyril Porchet. Porchets Werk erregte schon früh Aufmerksamkeit und wurde international ausgestellt, unter anderem im Multimedia Art Museum in Moskau und dem Museum für Gestaltung in Zürich. Auch private Sammlungen wie jene des berühmten Kunsthändlers Larry Gagosian enthalten seine Werke. Porchet absolvierte an der Ecole Cantonale d’art de Lausanne die Studien­gänge Visuelle Kommunikation und Fotografie sowie Art Direction.

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Reina Aus der Fotoserie von Cyril Porchet

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Editorial Von Nikolaus Bachler

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Contributors/Impressum

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Als Kulissenschieber bei den Münchner Opernfestspielen Eine persönliche Reprise zum Geleit

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Was folgt bei Ihnen …? Marina Abramović, Oksana Lyniv, Séverine Ferollier und Annette Dasch verraten ­Zukunftspläne

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Elysium vertikal Die künstliche Insel als Insel der Kunst Von Frank Raddatz


Liebe im Tierversuch In den 1950er Jahren versuchte der Psychologe Harry Harlow, die Liebe zu erklären – durch Experimente mit ­Rhes­usaffen. Ein Forschungsbericht von Roland Borgards

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AGENDA

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Plakate der Spielzeit 2016/17

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Künstler der Münchner Opernfestspiele 2017

COMIC La Forza del Destino von Giuseppe Verdi, erzählt von Frank Forte

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Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2017

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Spielplan

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Oper für alle 2017 Die magischen Open Airs auf dem ­Max-Joseph-Platz

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Festspielpreise 2016 Gestiftet von der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

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Und was jetzt? Die Vorbereitung ist angespannt, die Umsetzung euphorisch. Und dann? Eine Erzählung von Tom Holloway

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English Excerpts

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Was folgt … … auf den 31. Juli?

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Schöne Ferien!

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Illustration Frank Forte

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Illustration Dayoung Cho

In MAX JOSEPH 3 fragten wir: Was folgt in Oberon für Hüon von ­Bordeaux und Rezia? Kann es ein glückliches Ende für die beiden geben? Hier die ­Auflösung: In Tunis wird Rezia auf dem Sklavenmarkt an den dortigen Emir Almansor verkauft, der sich sofort in sie verliebt. Doch sie weist ihn zurück. Dem ­Diener Scherasmin und der Dienerin Fatime gelingt es, Hüon in den Palast zu schleusen und einen Fluchtplan aus­ zuhecken. Der geht allerdings gründlich schief, und Rezia und Hüon müssen mit dem Schlimmsten rechnen: dem Tod auf dem Scheiterhaufen. Als beide schon das sichere Ende vor Augen haben, erbarmt sich Oberon ihrer, weil er erkennt, dass ihre Liebe größer ist als die Angst vor dem Tod. Und wie durch Zauberhand gelangen die beiden nach Frankreich, wo Karl der Große sie wieder in ­Ehren aufnimmt und sie endlich heiraten können. Festspielpremiere Oberon am Freitag, 21. Juli


Partner Die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates Bayern Spielzeitpartner

Hauptsponsor BMW Niederlassung München – Münchner Opernfestspiele Projektsponsoren Karin und Prof. Dr. h.c. Roland Berger, BMW Niederlassung München, HypoVereinsbank – Member of ­UniCredit, Linde AG, OSRAM, Perutnina Ptuj, Siemens AG, SIJ Group Freunde des Nationaltheaters München e.V. Gesellschaft zur Förderung der ­Münchner Opernfestspiele e.V. Premium Circle American Express Deutschland, Atlantik Networxx AG, BayernLB, Ludwig Beck AG, Karin und Prof. Dr. h.c. Roland Berger, LA BIOSTHETIQUE PARIS, BMW Group, BR-KLASSIK, HERMES ARZNEI­MITTEL GmbH, Robert Hübner – Private Vermögensverwaltung, HypoVereinsbank – Member of UniCredit, Knorr-Bremse AG, Linde AG, Linklaters LLP, Munich Re, Siemens AG, Stadtsparkasse München, Stiftung Life, Süddeutsche Zeitung, Dr. Martin und Dr. Alexandra Vorderwülbecke Patron Circle Dr. Kirsten und Florian Aigner, Akris, ALR Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Baker & McKenzie, BBH – Becker Büttner Held, Blue Ribbon Partners, Willy Bogner, Bürklin GmbH & Co. KG, Rolf und Caroli Dienst, EVISCO AG, Herbert und Claudia Graus, Marianne E. Haas, Dr. Peter und Iris Haller, Hauck & Aufhäuser Privatbankiers KGaA, Iris und Kurt Hegerich, Andrea und Christian Karg, Nikolaus und Ingrid Knauf, leasing.de AG, Klaus ­Josef und Martina Lutz, M.M.Warburg & CO, Gisela und Ulfried Maiborn, Zubin und Nancy Mehta, Nachmann Rechts­­­an­wälte, Dr. Wolfgang Ott und Dr. Stephan Forst,

Edelgard und Axel Pape, PICTET, Prada Germany GmbH, Riedel Holding GmbH & Co. KG, PD Dr. Dr. Hans und Monika Rinecker, Nina und Alexander Rittweger, Rudolf und Rosemarie Schels, Dr. Schnell Chemie GmbH, St.Galler Kantonalbank Deutschland AG, UBS Europe SE, Ufer Knauer Rechts­ anwälte PartGmbB Stefan Vilsmeier, Dr. Susanne und Dr. Karl Heinz Weiss Inner Circle Marlene Ippen, Eugénie Rohde, Marion Schieferdecker, Swantje von Werz, Adelhaid Winterstein International Friends Circle Robert und Barbara Glauber, Jerry Gorovoy und Scott Lyon, Ursula Hauser und André Remund, Takesada Matsutani und Kate van Houten Matsutani, Regina Mayall Edelman, Hervé Mikaeloff, Marc und Susanne Mack Payot, Olivier RenaudClément, Esther Schipper und Florian Wojnar, Brent Sikkema, Cathy und Paolo Vedovi Ballet Circle Michaela Heilbronner, Juwelier Hilscher – Ihr Juwelier in München Schwabing, Integra Treu­ handgesellschaft mbH, Dr. h.c. Irène Lejeune, Peter Neudeck, Perutnina Ptuj, Bettina von Siemens, SIJ Group Classic Circle Anjuta Aigner-Dünnwald, Alexander Apsis und Dr. Mokka HenneApsis, Bank Julius Bär Europe AG, Jutta und Andi Biagosch, Chris und Veronika Brenninkmeyer, Astrid Bscher, Bucherer Deutschland GmbH, Clariant AG, Alois Dallmayr KG, Christian Dior Couture, Nicole Drechsel, Stephanie und Constantin von Dziembowski, Dr. Günther Engler und Sabina Tuskany, Franz und Reinhilde Fassl, Dr. Konrad Göttsberger, gr_consult gmbh, Dr. h.c. Rudolf und Angelika Gröger, Dr. Seta Guez, Christa B. Güntermann, Dr. Bernhard und Dr. Kira Heiss, Hofbräu München, Dorothea und Hans Huber, Dirk und Marlene Ippen, Sir Peter Jonas, Wolf-Otto und Renate Kranzbühler, Jutta und Bernd Kraus, Traudi Kustermann, Marta und Peter Löscher, Dr. Joachim und Annedore Maiwald, Jutta und Dr. Karl Mayr, Bastienne und Dr. Gabor Mues, Dr. Jörg und Ruth Müller-Stein, ­Musikreisen Manufaktur

GmbH, Prof. Dipl.-Ing. Georg und Ingrid Nemetschek, nova reisen GmbH, Oberbank AG, Dr. Leonhard und Gertrud Obermeyer, Orpheus Opernreisen GmbH, Franz und Katharina von Perfall, Peters, Schönberger & Partner, H. und A. Petritz, Pomellato, Riedel Immobilien GmbH, Roeckl Handschuhe & Accessoires, Dr. Helmut Röschinger, Sacher GmbH Ingenieure + Sachverständige, Schaeffler Holding GmbH & Co. KG, Dr. Bernhard und Jacqueline Schaub, Dr. Alois Schneck, Christian und Michael F. Schottenhamel, Dr. Stefan Schulz-Dornburg, Dr. Jürgen und Dr. ­Elisabeth Staude, Juana und Otto Steinmetz, Dr. Martin und Eva Steinmeyer, ­Stetter Rechtsanwälte, Dr. Rainer und Eleonore Traugott, Umzüge Braun, UTC Aerospace Systems, Valentino, Wacker Chemie AG, Marianne Waldenmaier, Hannelore Weinberger, Wellendorff Boutique, Juwelier Wempe, Wickenhäuser & Egger AG, Wirsing Hass Zoller, Xenium AG, Dr. Dorothee Ritz und Dr. Lutz Zimmer Campus Circle Anjuta AignerDünnwald, Dr. Arnold und Emma Bahlmann, Dieter und Elisabeth Boeck Stiftung, Rolf und Caroli Dienst, Vera und Volker Doppelfeld-Stiftung, Christa Fassbender, Dr. Joachim Feldges, Wilhelm von Finck Stiftung, Oliver und Claudia Götz, Dirk und Marlene Ippen, Christine und Marco Janezic, LfA Förderbank Bayern, Ligne Roset FÜNF HÖFE, Klaus Luft Stiftung, Sabine Nießen, Eugénie Rohde, Dr. Helmut Röschinger, Dr. Kurt und Chiona Schwarz, Dr. James Swift, The Opera Foundation, Georg und Swantje von Werz Fördervereine Campus Freunde, Freunde und Förderer der Musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters e.V., Freundeskreis des Bayerischen Staatsballetts, Junge Opernfreunde München e.V. Die Bayerische Staatsoper bedankt sich bei ihren Partnern für die großzügige finanzielle Unterstützung und das damit verbundene kulturelle Engagement. Development  Prof. Maurice Lausberg, Melanie Firley T 089 – 21 85 10 16  F 089 – 21 85 16 40 development@staatsoper.de


Rubrikentitel


Engagement für die ­Festspiele – Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele Die Geschichte der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele reicht zurück bis ins Jahr 1958. Damals begann der Wiederaufbau des im Krieg zerstörten Münchner Nationaltheaters. Im selben Jahr, am 11. April 1958, gründeten mehrere Einzelpersonen und Unternehmen die Gesellschaft. Sie vereint derzeit 470 Opernfreunde in dem Gedanken, dass die Münchner Opernfestspiele kein hochkulturelles „Event“ für wenige sind, sondern vom Bewusstsein der Allgemeinheit getragen werden sollen. Dafür setzt sich die Gesellschaft sowohl ideell wie g ­ esellschaftlich, ­publizistisch und nicht zuletzt finanziell ein. In ihren Gremien sind Persönlichkeiten des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens vertreten, die beispielgebend die mäzenatische Grundeinstellung der Gesellschaft verkörpern und aktiv nach außen tragen. Mit den gesammelten Spenden und Mitgliedsbeiträgen (steuerlich absetzbar) fördert die Gesellschaft gezielt Neuproduktionen und andere künstle­ rische Projekte der Bayerischen Staatsoper im Rahmen der Festspiele. Gesellschaftlicher Höhepunkt des Vereinslebens ist der Staatsempfang zur Eröffnung der Opernfestspiele. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner ­ ­Opernfestspiele ist zusammen mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Gastgeber dieses ­glanzvollen Ereignisses in den Räumen der Münchner Residenz. Eine weitere ­Möglichkeit zu Information und freundschaftlichem Miteinander bietet die jähr­ liche Mitgliederversammlung; dabei informiert die Oper über Programm und Pläne des Hauses, und Mitglieder der Staatsoper gestalten ein festliches musikalisches Begleitprogramm. Darüber hinaus bietet die Gesellschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit zu exklusiven Führungen „hinter die Kulissen“ der Staatsoper sowie eine Einladung zum Empfang anlässlich der Verleihung des jährlichen Festspielpreises. 1965 wurde der Festspielpreis erstmals verliehen. Die Gesellschaft will damit Persönlichkeiten des Münchner Opernlebens auf und hinter der Bühne auszeichnen, die sich besonders um die Festspiele verdient gemacht haben. Der Preis, der zu einer Tradition geworden ist, war 2016 mit insgesamt 32.000 Euro dotiert. Eine lange Tradition hat auch die jährlich herausgegebene Festspiel­­publi­ kation. Je mehr Mitglieder die Gesellschaft hat, desto wirkungsvoller kann sie dazu beitragen, die Attraktivität und künstlerische Qualität der Münchner Festspiele ­weiter zu festigen und fortzuentwickeln. Vorstand und Kuratorium der G ­ ­­esellschaft ermuntern Sie, liebe Festspiel­ besucher, der Gesellschaft beizutreten. Einen Beitrittsantrag fi ­ nden Sie in diesem Heft auf Seite 222.

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Nähere Informationen erhältlich über die Geschäftsstelle der Gesellschaft (T 089 – 37 82 46 47) oder unter www.opernfestspielgesellschaft-muenchen.de


Schirmherr Der Bayerische Ministerpräsident Ehrenpräsidium Der Bayerische Staatsminister für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst Der Bayerische Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat Die Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie Der ehemalige Vorsitzende der Gesellschaft, Dr.-Ing. Dieter Soltmann Vorstand Dieter Rampl, 1. Vorsitzender Nikolaus Bachler Hans Günther Bonk Friedgard Halter, Schriftführerin Dr. Ingo Riedel Dr. Alfred Rührmair Toni Schmid Dr. Wolfgang Sprißler, Schatzmeister Dr. Jörg D. Stiebner, 2. Vorsitzender Kuratorium Prof. Dr. Clemens Börsig, Vorsitzender Karin Berger Dr. Wolfgang Büchele Prof. Dr. Laurenz Dominik Czempiel Hanns-Jörg Dürrmeier Olga Haindl Franz Haniel Dr. Walter Hohlefelder Marlene Ippen Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dr. Jörg Mittelsten Scheid Dr. Michael Möller Prof. Susanne Porsche Frank Reichelt Dr. Helmut Röschinger Michael Schneider Jeanette Scholz Prof. Dr. Wilhelm Simson Stefan Vilsmeier Manfred Wutzlhofer Dr. Werner Zedelius

Nachstehende Persönlichkeiten und Firmen unterstützen als fördernde Mitglieder die Arbeit der G ­ esellschaft in besonderem Maße: Ursula van Almsick Dr. Rolf Badenberg Christian Bahner Erben Karin Berger Birgit Birnstiel Dr. Manfred Bischoff Hans Günther Bonk und Elisabeth Eberle-Bonk Dr. Herbert Conrad Hanns-Jörg Dürrmeier Dr. Hans-Joachim Fonk Bernhard und Julia Frohwitter Peter und Christine Gain Rolf und Brigitte Gardey Jan Geldmacher Dr. Konrad Göttsberger Dr. Altrud Ute Gottauf Olga Haindl Peter Hoerz-Schmückle und Petra Hoerz-Schmückle Peter Prinz zu Hohenlohe-Oehringen Ulrike Hübner Marlene Ippen Helga Kreitmair Rainer Krick Doris Kuffler Dr. Klaus von Lindeiner-Wildau Dagmar Lipp Dr. Jörg Mittelsten Scheid Stefan-Ulrich Müller und Anja Müller Prof. Susanne Porsche Judith Reicherzer und Philippe Hoss Dr. med. Margret Rembold Dr. Christine Reuschel-Czermak Dr. Hannelore Richter Dr. Helmut Röschinger Gerhard Rohauer Marianne Schaefer Sabine Schaefer Dr. Friedrich K. Schieferdecker Andreas Schiller Dr. Dr. h.c. Albrecht Schmidt Hans Schreiber Dr. Roland Schulz Dr. Matthias Schüppen Prof. Dr. Wilhelm Simson Dr.-Ing. Dieter Soltmann Ursula Soltmann Andrea M. Spielmann Dr. Wolfgang Sprißler Ursula Steiner-Riepl Dr. Kurt Stepan und Angela Stepan

Dr. Jörg D. Stiebner Bernhard Tewaag Stefan Vilsmeier Christine Volkmann Swantje von Werz Fördernde Firmenmitglieder Allianz SE Bayerische Landesbank Deutsche Bank AG Donner & Reuschel AG Kunert Holding GmbH und Co. KG LHI Leasing GmbH Linde AG Molkerei Meggle Wasserburg GmbH & Co. KG Messe München GmbH Riedel Holding GmbH & Co. KG Swiss Re Europe S. A. UniCredit Bank AG Wacker Chemie AG

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Gabriela Herpell Seite 98 Gabriela Herpells Texte leben von ihrem empathischen Blick und ihrem Erkenntnisinteresse. Die Journalistin, seit 1997 als Redakteurin des SZ-­Magazins tätig, sprach für diese Ausgabe von MAX JOSEPH mit der Bühnen- und Kostüm­ bildnerin Małgorzata Szczęśniak über ihre Arbeit für die Inszenierung von Franz Schrekers Die Gezeichneten und über das Utopische im Privaten und in der Kunst. Entstanden ist ein Porträt, das der Kreativität und Lebendigkeit seiner Protagonistin sprachgewaltig Rechnung trägt.

Magazin der Bayerischen Staatsoper www.staatsoper.de/maxjoseph Max-Joseph-Platz 2 80539 München T 089 – 21 85 10 20  F 089 – 21 85 10 23 maxjoseph@staatsoper.de www.staatsoper.de Herausgeber Staatsintendant Nikolaus Bachler (V.i.S.d.P.)

Foto Herpell Julian Baumann

Contributors

Impressum

Michael Haas ist ein vielfach ausgezeichneter Musikproduzent und Autor. Er bemühte sich früh um die Wiederentdeckung der Musik verfemter Komponisten: Bereits Mitte der 1980er Jahre begann er mit der Herausgabe der Reihe ­Entartete Musik (Decca). Aktuell ist er unter anderem als Forschungsleiter am International Centre of Suppressed Music an der Universität London tätig. 2013 erschien sein Buch Forbidden Music: The Jewish Composers Banned by the ­Nazis. Für MAX JOSEPH porträtierte er den Komponisten Franz Schreker.

Gesamtkoordination Christoph Koch Redaktion Miron Hakenbeck, Rainer Karlitschek, Malte Krasting, Daniel Menne, Julia Schmitt, Benedikt Stampfli, Mitarbeit: Sabine Voß Bildredaktion Yvonne Gebauer

Rosa Rendl Seite 66

Gestaltung Bureau Mirko Borsche – Mirko Borsche, Moritz Wiegand, Oliver Schwamkrug, Annika Hänni

Die Wiener Künstlerin Rosa Rendl bespielt verschiedene Medien: Sie arbeitet mit Fotografie, Skulptur, Mode und Musik. Es lag nahe, dass sie für MAX ­JOSEPH Nikolaus Habjan fotografierte – laufen doch auch in der Oberon-­Inszenierung des Regisseurs mit Musik, Schau- und Puppenspiel mehrere mediale Stränge zusammen. Die Arbeiten Rosa Rendls wurden unter anderem im 21er Haus (Wien), bei Bodega (New York) und Oracle (Berlin) gezeigt, aktuell ist sie an ­einer Ausstellung im Salzburger Kunstverein beteiligt.

Autoren Jörg Böckem, Roland Borgards, Karin Cerny, ­Annette Dasch, ­Daniel Ender, Wolfram Ette, ­Michael Haas, ­Christopher Hailey, Gabriela ­Herpell, Tom ­Holloway, Julia Kaiser, Carmen ­Kovacs, Wolfgang Molkow, Frank Raddatz, Anna Schürmer, Bettina Wagner-Bergelt

Tom Holloway Seite 144

Fotografen & Bildende Künstler Dayoung Cho, Grzegorz Domaradzki (Gabz), ­Olafur Eliasson, Carolyn Figel, Robert Fischer, Frank Forte, Yvonne Gebauer, Wilfried Hösl, Fred Lahache, Joanne Leah, Stefan Loeber, Cyril ­Porchet, Rosa Rendl, Milen Till, Matthias Ziegler

Der aus Tasmanien stammende Dramatiker Tom Holloway seziert in seinen Stücken leichthändig und wie nebenbei das menschliche Seelenleben. Auch seine Erzählung Und was jetzt? in dieser Festspielausgabe führt den Leser ins Nervenzentrum des Protagonisten. Für die Bayerische Staatsoper entwickelte Tom ­Holloway zusammen mit dem Komponisten Miroslav Srnka zuletzt die Oper South Pole, die 2016 uraufgeführt wurde. Während dieser Zeit wurde sein Sohn Harry Pluto geboren – eine Erfahrung, die der Autor in seiner Erzählung verarbeitete.

Gabz Seite 82 Gabz (Grzegorz Domaradzki) studierte an der Akademie der Bildenden Künste in Poznań und arbeitet seit 2005 als freier Künstler und Grafikdesigner. Die Bandbreite seiner Techniken umfasst Mischtechniken aus Zeichnung und digitaler Bildbearbeitung, Öl-, Acryl- und Aquarellmalerei sowie Siebdruck. Seit einigen Jahren verbindet er seine Liebe zum Film mit seinem Talent für Bild und Schrift in der Gestaltung von Filmplakaten für Studios wie Warner Bros. und Marvel Studios. Für MAX JOSEPH porträtierte er die Dirigenten Ivor Bolton und Ingo Metzmacher.

Fred Lahache Seite 144

Übersetzungen Ed Einsiedler, Michael Mundhenk, Caroline Steinbeis Marketing Laura Schieferle T 089 – 21 85 10 27  F 089 – 21 85 10 33 marketing@staatsoper.de Schlussredaktion Clarissa Czöppan Anzeigenleitung Julia Altenberger T 089 – 21 85 10 40 Julia.Altenberger@staatsoper.de Lithografie MXM Digital Service, München Druck und Herstellung Gotteswinter und Aumeier GmbH, München ISSN 1867-3260

Fred Lahache lebt als Fotograf in Paris. Als Bestandteile seines Portfolios nennt der Autodidakt „Beobachtungen, Landschaften und Porträts“. Oft greift er zu erzählerischen, reportageartigen Formen – so auch in der Serie FYI, aus der ein Ausschnitt die Erzählung von Tom Holloway in dieser Festspielausgabe von MAX JOSEPH begleitet. Fred Lahache stellte zuletzt in der Galerie Madé (2013) und in der Galerie Honoré Visconti (2016) aus, seine Arbeiten waren u. a. in Le Monde und La Parisienne zu sehen.

Nachdruck nur nach vorheriger Einwilligung. Für die Originalbeiträge und Originalbilder alle Rechte vorbehalten. Urheber, die nicht zu ­erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgeltung um Nachricht gebeten.

Foto Lahache Marion Berrin

Michael Haas Seite 90

Foto Haas Georg Burdicek

Redaktionsleitung Nikolaus Stenitzer


Haidhausen / Alt-Bogenhausen

TROGER HÖFE

2- bis 4-Zimmer-Wohnungen aktuell im Verkauf

Schwabing

HAUS FRIEDRICH 1- bis 6-Zimmer-Wohnungen Verkaufsstart in Kürze

Au

HAUS MÜHLBACH Denkmalgeschützte Wohnungen Verkaufsstart in Kürze

Lehel

SANKT ANNA

4- bis 6-Zimmer-Wohnungen

Rubrikentitel

www.legat-living.de · T +49 89 25 54 6666 Weitere exklusive Objekte in Vorbereitung

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­Sommer : 1971 Kulissen­ schieber bei den ­Münchner Opernfest­ 20

spielen

Vorstellungsankündigung


Der Musikwissenschaftler Christopher Hailey gilt als der Experte zu Franz Schreker schlechthin: Er ist Direktor der Franz Schreker Foundation und Autor einer bislang unübertroffenen Biographie des Komponisten, die in Kürze in deutscher Ü ­ bersetzung erscheinen wird. Nach seinem Studium an der Duke University nahm er einen Dampfer über den Großen Teich, suchte Kunst und Kultur und fand einen Job: als ­Bühnenarbeiter bei den Münchner Opernfestspielen. Für MAX JOSEPH erinnert er sich.

Als junger Mann, ich kam gerade frisch von der Universität, fand ich Arbeit auf einem griechischen Frachter, der mich nach Europa brachte. Mein Ziel: Deutschland und deutsche Kunst und Kultur. Von San Sebastián reiste ich über Paris nach München und gleich am ersten Abend in die Oper: Der Freischütz. Der Eindruck war überwältigend, mir traten – ich kann es gestehen – Tränen in die Augen. Es war nicht mein erstes Opernerlebnis (als Geiger hatte ich bei Amateuraufführungen oft genug im Orchestergraben ge­ sessen), aber diese Stehplatzkarte vom 29. März 1971 bleibt mir ein Talisman. Es folgten, von Ebersberg aus, wo ich am Goethe-­ Institut meine Sprachkenntnisse zu verbessern suchte, weitere Aufführungen, unter anderem Wozzeck mit Theo Adam unter Carlos Kleiber und Ariadne auf

Naxos unter Wolfgang Sawallisch, wo mich Reri Grist als Zerbinetta in Staunen versetzte. Noch nie hatte ich ein solches stimmliches Feuerwerk erlebt. Ich war außerdem sofort verliebt. Mit dem Sprachzeugnis in der Hand (nur „befriedigend“, leider) kam ich Ende Juni auf Arbeitssuche nach München, landete beim Arbeitsamt und stellte zu meiner freudigen Überraschung fest, dass zu den Festspielen Bühnenarbeiter gesucht wurden. Ein Traum ging in Erfüllung. Die ersten Tage erinnerten mich allerdings an meine Ozeanfahrt: Umgeben von einem bayerischen Dialekt, der offenbar wenig mit der Sprache zu tun hatte, die mir die lieben Leute vom Goethe-Institut einzupauken sich bemüht hatten, war ich völlig „at sea“. Ich klammerte mich an jeden Strohhalm, und ein solcher war der 21


Bühnenmeister Helmut Gebhardt, dessen klares Hochdeutsch eine Sprachinsel darstellte, auf die ich mich aus der stürmischen See retten konnte. Zwei österreichische Studenten, gleichfalls für den Sommer angestellt, fungierten zeitweise als Dolmetscher (es waren die Brüder B ­ ohatsch, beide heute international bekannt, Walter als Grafik­designer, Erwin als ­Maler). Zudem lernte ich eine Maskenbildnerin aus Lübeck kennen, die für mich armen, ahnungslosen Amerikaner Mitleid zeigte. Bald hatte ich mich eingearbeitet, vor allem dank eines gewissen Sepp – wie er mit Nachnamen hieß, wusste ich nie. Er war ein etwas griesgrämiger Typ (und unge­ duldig mit uns Anfängern), der für alle Aufgaben ein „System“ hatte. Wir nannten ihn „Systematisch-Sepp“. Aber Sepp beherrschte sein Handwerk, und wir haben von seinen oft schroffen Anweisungen stets profitiert. In den Arbeitspausen, während die Kollegen in der Kantine saßen, nistete ich mich in den dunklen Logen ein und wohnte den Proben bei. Die Festspiele wurden mit einer Neuinszenierung von Die schweigsame Frau eröffnet, ein schwieriges Stück für uns, vor allem bei 22

der Verwüstung am Schluss des 2. Aufzugs, die nicht nur schnell, sondern ordentlich weggeräumt werden musste (hier war Sepps System unerlässlich!). Ich war besonders angetan von Kurt ­Böhme (Sir Morosus), den ich als Kaspar von jener Freischütz-­ Epiphanie her kannte. Er war eine sehr sympathische Erscheinung und begrüßte oft vor der Auf­ führung in Sommeranzug und Panamahut Freunde und Fans vor dem Theater. Vor Martha Mödl (Haushälterin) hatte ich eine gewisse Scheu, selbst wenn ich nur eine vage Ahnung von ihrer legendären Karriere hatte. Es gab auch zwei Amerikaner bei der Inszenierung, Barry McDaniel und Donald Grobe, mit denen ich ­un­gezwungen Gespräche führen konnte. Und dann – o Freude – meine große Liebe, Reri Grist (Aminta), die mir scherzend mit dem Autogramm im ­Programmheft ein „Happy New Year“ wünschte. Es gab auch Aufführungen von Le nozze di Figaro, Die Zauberflöte sowie eine Jean-Pierre-Ponnelle­Neuinzenierung von La clemenza di Tito im Cuvilliés-Theater. Außer der herrlichen Musik blieb mir Ponnelles imposantes Bühnenbild erinnerlich, das aber furchtbar


schwer aufzubauen war und an dem selbst Sepp beinahe scheiterte. Nebenbei wurde mein Vokabular um Ausdrücke bereichert, die ich vergebens im Wörterbuch suchte. Die absoluten Höhepunkte des Sommers waren ohne Zweifel Otto Schenks Neuinszenierung von Simon Boccanegra und die ­Aufführungen von Salome. Simon Boccanegra war mir vorher ­un­bekannt gewesen, und meine anhaltende Liebe zu dieser Oper geht fraglos auf dieses Erlebnis zurück. ­Claudio Abbado leitete die Aufführung, und es war eine ­Wonne, ihn bei den Proben – klar, souverän, konzentriert – zu ­beobachten. Ich war von Ruggero ­Raimondi sehr beeindruckt und fand ihn auch erstaunlich umgänglich. Eberhard Waechter, der den Simon sang, bleibt mir vor allem deswegen in Erinnerung, weil er als einziger unter den „Stars“ regelmäßig sein Bier in der Kan­tine bei uns ­Bühnenarbeitern trank. Ein famoser Kerl! Die wunderschöne SalomeIn­­s­zenierung von Günther Rennert (mit dem stimmungsvollen Bühnen-­ bild Rudolf Heinrichs) kannte ich bereits, und ich freute mich ganz besonders auf die Aufführung am

26. Juli, bei der Leonie Rysanek die Titelrolle zum ersten Mal ­singen sollte. Ich gab teures Geld für eine Partitur aus, die ich fast täglich mit in die Proben schleppte. Nach der Aufführung ergatterte ich Autogramme von Ferdinand Leitner und Dietrich Fischer-­ Dieskau, wurde aber von Astrid Varnay brüsk zurückgewiesen: „Nie auf der Bühne!“ Eingeschüchtert gab ich die Partitur meiner Freundin in der Maskenabteilung, die die restlichen Autogramme: Rysanek, Fischer-Dieskau (zum zweiten Mal), Gerhard Stolze und auch … Varnay sammelte. Ein Vierteljahrhundert später war Leonie ­Rysanek meine Tischnachbarin ­bei einem Abendessen bei Ronald und Barbara Schoenberg in Los A ­ ngeles, und wir führten ein a ­ ngeregtes Gespräch über diesen für uns beide so aufregenden Abend. Die Festspiele gingen zu Ende, und Mitte August gab ich meine Schwabinger Wohnung auf und zog nach Wien, wo ich Gelegenheit hatte, als Statist an der Staatsoper während der Auf­führung auf der Bühne zu stehen. So schön das auch war, war es doch kein Ersatz für die Münchner Wochen, ­während derer ich in die tägliche 23


Theaterroutine einge­bunden war. 1971 war mir Franz Schreker nicht einmal dem Namen nach bekannt. Das kam etwa drei Jahre später, und ich habe es oft bereut, dass ich Ferdinand Leitner, der bei Schreker studiert hatte, nicht hatte ausfragen können. Außer ihm ­gab es 1971 kaum Künstler im Theaterbetrieb, die Schrekers Werk noch kannten. Die letzten Schreker-­ Inszenierungen zu Lebzeiten des Komponisten lagen vierzig Jahre zurück, und in der Nachkriegszeit gab es nur einzelne Rundfunkaufnahmen sowie 1964 die Kasseler Inszenierung von Der ferne Klang. Nichtsdestoweniger mag dieser Sommerjob in München meinen späteren Forschungsschwerpunkt mitbestimmt haben, und es gehört seither zu meinen schönsten Erfahrungen, bei Schreker-­ Inszenierungen – von Kiel bis nach Palermo, von Berlin bis nach Los Angeles – den Proben bei­ zuwohnen und noch einmal Theaterluft zu atmen. Und nun auch endlich in München, in dem Haus, wo alles seinen Anfang nahm.

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Der Musikwissenschaftler Christopher Hailey gilt als der führende Schreker-Experte. Er ­studierte an der Duke und der Yale University. Schwerpunkt seiner Forschung ist die Musik­geschichte des 20. Jahrhunderts; er ist Direktor der Franz ­Schreker Foundation und war von 1999 bis 2003 Gastprofessor am Arnold Schönberg Center in Wien. Zu seinen Veröffentlichungen als Autor ­beziehungsweise Herausgeber gehören ­neben der Biographie Franz Schreker, 1878–1934: A Cultural Biography der auf Deutsch erschienene Briefwechsel Schrekers mit dem Musikkritiker Paul Bekker, der Briefwechsel zwischen Arnold ­Schönberg und Alban Berg sowie der Band Alban Berg and His World. Zudem übersetzte ­Hailey mit ­Juliane Brand Theodor W. Adornos ­Alban Berg: Der Meister des kleinsten Übergangs ins Englische.


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Was folgt bei Ihnen …

Was folgt in meinem Leben als Nächstes? Welche Ereignisse ­kommen auf mich zu, auf welche ­Felder will ich mich als Nächstes ­wagen? 26

In der ­Spielzeit 2016/17 berichten Persönlich­ keiten von ihren Plänen.


Foto Ruven Afanador

… Marina ´ Abramovic?

Mit ihren Performances ging die 1946 in Belgrad geborene serbische Künstlerin Marina Abramović immer schon über körperliche und ­geistige Grenzen hinaus und lotete stets die Beziehung zwischen sich und ihrem Publikum aus. Abramović war Gastprofessorin an der Pariser Académie des Beaux Arts, an der Hochschule der Künste in Berlin und Professorin u. a. an der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 1997 gewann sie bei der Biennale in Venedig den Goldenen Löwen für ihre Videoperformance/Installation Balkan Baroque. Für ihre erste ­große Retrospektive im New Yorker Museum of Modern Art entwickelte sie die Performance The Artist is Present. Während der Öffnungs­zeiten der Ausstellung saß die Künstlerin insgesamt über 700 Stunden schweigend an einem Tisch. Ihr gegenüber stand ein Stuhl, auf dem Besucher Platz nehmen konnten. 2012 hatte der gleichnamige ­Dokumentarfilm über diese Performance auf dem Sundance Film ­Festival Premiere und gewann im selben Jahr den Publikumspreis bei den Berliner Filmfestspielen. 2016 erschien ihre Autobiographie Walk through Walls (dt. Durch Mauern gehen). Rubrikentitel

Im vergangenen Jahr bin ich 70 Jahre alt geworden, und ich habe meine Autobiographie veröffentlicht. Beides waren sehr wichtige, einschneidende Ereignisse für mich. Meinen 70. Geburtstag habe ich Anfang Dezember, einige Tage nach dem tatsächlichen Termin, im Guggenheim Museum gefeiert. Mehr als 800 Gäste sind gekommen. Jeder bekam einen geräusch­ unterdrückenden Kopfhörer und wurde gebeten zu schweigen. 70 Minuten lang nur Stille, für jedes Lebensjahr eine M ­ inute. Danach wurde Champagner ausgeschenkt und gesalzenes Brot gereicht, etwas ganz Einfaches, Elementares. Die ­Sängerin und Künstlerin Anohni sang My Way, es war ein großartiges Fest. 70 zu werden dagegen war eine traumatische Erfahrung für mich. Diese Tür zu durchschreiten fiel mir sehr schwer. Das ganze Jahr über litt ich unter der Angst, dass ich dann nicht mehr genug Zeit haben würde für all das, was ich noch tun will. In der Zeit habe ich auch meine Autobiographie fertiggestellt. Die Arbeit daran fühlte sich an wie eine Häutung: Meine prägenden Erinnerungen sind darin versammelt, an meine kalte und lieblose Kindheit, meine Arbeit, in der ich lange an meine körperlichen Grenzen und darüber hinaus gegangen bin, an die Männer, die ich liebte. All das kann ich jetzt loslassen. Auch wenn ich eigentlich kein nostalgischer Mensch bin und nie viel Zeit damit verschwendet habe zurückzublicken – diese melancholische Rückschau ist übrigens etwas sehr Deutsches –, fühle ich mich jetzt wie befreit, bin mehr denn je auf das konzentriert, was mich erwartet. Ich bin in eine neue Lebensphase eingetreten. Eine, in der ich lernen möchte, wieder neugierig und unvoreingenommen wie ein Kind zu sein und demütig und bescheiden auf die Welt zu blicken. Mein Lachen, meinen Humor wieder mehr in den Mittelpunkt meines Lebens und meiner Arbeit zu stellen – ein Aspekt meiner Persönlichkeit, der in der Vergangenheit zu kurz gekommen ist. Ich lache sehr gern, auch und vor allem über mich selbst. Aber mein Humor ist sehr schwarz. Ein ganz besonderer Neuanfang ist mir Anfang dieses Jahres gelungen. Zur Erholung habe ich mich zum Jahreswechsel vier Wochen in ein Retreat in Indien zurückgezogen. Ein abgelegener Ort, weit entfernt von New York und meinem Leben dort, eine Mischung aus Kloster, Sanatorium und Gefängnis mit radikal reduzierten Lebensbedingungen. Bezeichnenderweise endet auch mein Buch an ebendiesem Ort; ich habe auch im Jahr zuvor dort Zeit verbracht. Als ich dieses Mal dort ankam, beseelt von einem Gefühl der Freiheit und des Neubeginns, sah ich am ersten Tag Ulay. Er war zwei Tage vor mir dort eingetroffen. Ich war schockiert und habe mich gefragt, was ich jetzt tun soll. Über viele Jahre waren wir eng verbunden gewesen, im Privatleben und in der Arbeit. Aber nach unserer Trennung hatten wir es zuletzt sehr schwer miteinander, wir haben uns vor Gericht gestritten, unser Verhältnis war gar nicht gut. Seit dem Prozess hatte ich ihn nicht gesehen und nicht mit ihm geredet. Und jetzt waren wir beide an diesem Ort zusammengesperrt, für Wochen! Kurz habe ich darüber nachgedacht, wieder abzureisen. Aber ich bin ­geblieben. In diesen Wochen hat sich alles verändert. Wir haben darüber geredet, wie wir mit einem neuen, frischen Blick auf unsere Arbeit schauen können, auf uns selbst und unsere 27


­ eziehung – konstruktiv, nicht destruktiv. Wir wurden Freunde, B auf eine tiefe Art und Weise, der Streit der Vergangenheit war vergessen. Eine große Sache für mich! Ausgerechnet an diesem Ort, an dem mein Buch, mein bisheriger Lebensabschnitt, endete, begann etwas Neues. In einem Hollywood-Film würde das wohl unglaubwürdig wirken. In der Zukunft werde ich mich auch verstärkt dem widmen, was mein Vermächtnis werden soll: dem Marina ­ ­Abramović Institute. Dort wird eine neue G ­ eneration von Performancekünstlern angeleitet und dazu m ­ otiviert, die Performance als Kunstform zu den Menschen zu bringen, eine ­Gemeinschaft zu schaffen, auch in der Kunstwelt, die leider sehr gespalten ist. Dieses Vermächtnis ist sehr wichtig für mich, es ist größer als ich oder meine Arbeit. Privat ist es mein großer Wunsch, ohne Angst und bei klarem Bewusstsein zu sterben. Und ohne Wut. Darauf versuche ich mich vorzubereiten. Indem ich lerne, auf mich achtzugeben und mich pfleglich zu behandeln, sanft und fürsorglich zu mir und meinem Körper zu sein. Keine leichte Aufgabe für mich. Aber mir bleibt ja hoffentlich noch etwas Zeit, meine Großmutter wurde 103, meine Urgroßmutter 116. Bedauern werde ich am Ende nichts, da bin ich mir sicher. Alles hatte einen Sinn, auch die extrem schwierigen Zeiten waren wichtige Erfahrungen für mich. Wenn es dann soweit ist, werde ich vielleicht wieder nach Asien gehen und in einem Kloster leben, unter Mönchen, bei Tieren, mich der Kontemplation widmen. Ich möchte auch diese letzte Lebensphase bewusst erleben.

… Oksana Lyniv? Seit 2005 lebe ich jetzt schon in Deutschland, und genauso lange überlege ich, wie ich mich in meinem Heimatland, der Ukraine, engagieren könnte. Da die Pflege der klassischen Kultur und Musik dort so verschieden ist von dem, was ich hier erlebe, meine ich, es wäre spannend und wertvoll, meine Erfahrungen aus Deutschland auch zu Hause einfließen zu lassen. Als der größte Unterschied erscheint mir die Nachhaltigkeit, die hier möglich ist. Viele Projekte in der Ukraine sind Eintagsfliegen, was sicherlich mit der politischen Situation zusammenhängt. Die Lage ist sehr verworren, darüber wird ja überall berichtet. Aber viele Europäer machen sich gar keine Vorstellung davon, wie kompliziert es ist, wirklich ein proeuropäisches

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Gefühl zu entwickeln: Wenn ich an der Grenze neun Stunden warten muss, um in die EU einzureisen, selbst wenn ich gültige Papiere besitze, dann ist das aus meiner Sicht ein untragbarer Zustand. Diese elendigen Grenzprobleme müssten überwunden werden, dann wäre wirklich etwas erreicht! Ich finde es ein wenig beschämend, dass es für Musiker und Künstler immer noch so schwer ist, ein Visum für Europa zu erhalten. Dennoch gibt es viele Anknüpfungspunkte, die die alte und natürliche Verbundenheit zwischen der Ukraine und Westeuropa verdeutlichen. Was in Deutschland kaum jemand weiß: Galizien und Lemberg waren kulturell ganz wienerisch geprägt. Die Mutter von Sigmund Freud war Galizierin, und Mozarts Sohn Franz Xaver lebte über 30 Jahre lang in ­Lemberg. Derzeit gibt es viele progressive Kreise in Lemberg, die aus dieser T ­ atsache etwas machen wollen – und so haben wir ein Festivalkonzept entwickelt. Diesen Sommer wird es tatsächlich ­erstmals stattfinden! Unser Festival stellt die beiden Mozarts in den Mittelpunkt und versucht zugleich einen Brückenschlag in die ­Gegenwart. Es ranken sich viele Gerüchte um Franz Xaver Mozart und sein Leben in Lemberg: Er arbeitete zunächst für eine Adelsfamilie, doch blieb er auch nach dem Ende dieses Dienstverhältnisses in Lemberg und war dann als Lehrer und Komponist tätig. Zudem pflegte er ein Verhältnis zu der ­verheirateten Adeligen Josephine Baroni-Cavalcabò, deren Tochter er unterrichtete. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Wien. Ausgerechnet die Baroni-Cavalcabò setzte er als seine Alleinerbin ein. Entsprechend seinen Anordnungen ging dann ein großer Teil seines Vermächtnisses in die Salzburger Stiftung Mozarteum über, ein bedeutender Bestand in Salzburg nahm seinen Umweg also über die Ukraine. Diese Verbindung will ich in dem Sommerfestival, das unmittelbar nach den Opernfestspielen in München beginnt, deutlich ­machen. Franz Xaver Mozart hat wie sein Vater ein ganz ­außerordentliches Requiem komponiert, das wir in Lemberg in diesem Sommer aufführen wollen. Zudem hat sich nach dem Vorbild des deutschen Bundesjugendorchesters ein Young Symphony Orchestra Ukraine gegründet – etwas Vergleichbares hat es bisher gar nicht ­gegeben. Und so werden wir Begegnungen zwischen jungen ukrainischen Musikern und deutschen Jugendlichen ermöglichen, zum Beispiel wird es einen Austausch des ukrainischen Orchesters mit dem Jugendorchester des Beethoven-Festivals in Bonn geben. Ich hoffe, dass sich auf diese Weise unter den jungen Musikern wirklich ein europäisches Gefühl entwickelt. Es ist spannend, dass sich die Jugendlichen längst über die sozialen Netzwerke verbunden haben, obwohl sie noch keine gemeinsame Note musiziert haben. Selbst wenn der Niveauunterschied noch unüberhörbar ist, der Anfang ist geleistet und ich bin optimistisch, dass sich wirklich etwas tut. Das ­erstaunt, weil die Jugendlichen echten Geduldsproben aus­ gesetzt sind. Erst vor Kurzem standen junge Musiker, die hier in München mit Münchnern musizieren sollten, mal wieder ­geschlagene 15 Stunden an der Grenze vor Polen – und das, obwohl sie offiziell von deutscher Seite aus eingeladen waren. Das ist frustrierend, doch davon lasse ich mir die Freude und Energie nicht nehmen. Im Gegenteil!


Foto Alex Samoilov

Ich bin sehr gespannt, was sich in den kommenden Jahren entwickeln wird, ob wir beispielsweise den Brückenschlag von Mozart in die Gegenwart sinnlich erfahrbar machen. Aber zunächst freue ich mich über ein weiteres schönes Symbol: Für das Eröffnungskonzert unseres Festivals in Lemberg hat uns das Mozarteum Wolfgang Amadeus Mozarts Geige zur Verfügung gestellt. Und so können wir den Brückenschlag in Europa ganz konkret hörbar machen.

Oksana Lyniv wurde in Brody geboren. An der Musikhochschule von Lwiw (Lemberg) absolvierte sie ein Dirigierstudium in der Klasse von Bogdan Dashak. 2004 gewann sie den 3. Preis beim ersten Gustav-Mahler-Dirigierwettbewerb der Bamberger Symphoniker; ­anschließend arbeitete sie als Assistentin des dortigen Chefdirigenten Jonathan Nott. Ab 2005 absolvierte sie an der Hochschule für ­Musik Carl Maria von Weber ein Aufbaustudium und anschließend – ab 2 ­ 007 – eine Meisterklasse bei Eberhard Klemm. Zu Beginn der Saison 2013/14 wurde Oksana Lyniv Assistentin von Kirill Petrenko an der Bayerischen Staatsoper. Hier dirigierte sie u. a. Boris Blachers Die Flut sowie La clemenza di Tito und La traviata. Für die Neuproduktionen von Selma Jezková und Le Comte Ory wurde sie mit dem Festspielpreis der Münchner Opernfestspiele 2015 ausgezeichnet. Bei den ­dies­jährigen Opernfestspielen wird sie die Aufführungen von Mark-­ Anthony Turnages Greek und Gaetano Donizettis Lucia di Lammermoor dirigieren. Ab der Saison 2017/18 ist Oksana Lyniv Chefdirigentin der Grazer Oper und des ­Grazer Philharmonischen Orchesters.

… Annette Dasch? Was genau woraus folgt, ist mir oft absolut schleierhaft. Ich habe gelernt, dass manchmal das Gegenteil oder mindestens eine unerwartet schräge Alternative dessen eintritt, was ich als Folge einer Sache vermutet und einkalkuliert hatte. Bis zu einem gewissen Grad vermeide ich es also, etwaige Folgen in meine Überlegungen einzubeziehen, wenn ich ­Entscheidungen treffe. Besonders in beruflicher Hinsicht. Man spricht ja viel von folgerichtigen Rollen, zum Beispiel: Man solle tunlichst erst Arabella und dann die Marschallin singen und dergleichen Faustregeln mehr. Mir persönlich hat es lange Unbehagen bereitet, dass anscheinend alles nach einem Plan verlaufen soll, damit es gut wird, wobei keiner so genau weiß, wer sich diesen Plan ausgedacht hat. Sicher gibt es Erfahrungswerte und auch gute Ratgeber. Aber in meinem Leben entscheiden momentan eher andere Faktoren. Ich bin einer davon, mein Mann, der ebenfalls Sänger ist, und unsere zwei Kinder, drei und fünf Jahre alt, sind weitere. Ab 2018, wenn meine Tochter eingeschult wird, muss ich sehr genau abwägen, wann ich für welche Arbeit und für wie viele Wochen nicht zu Hause sein kann. Während meiner ersten zehn Berufsjahre wäre es überhaupt unvorstellbar gewesen, dass Zuhausesein eine Rolle spielt. Wieviel habe ich gearbeitet, von einem zum nächsten, die Sommerklamotten und abgearbeiteten Klavierauszüge von unterwegs verschickt, wenn zwischen den Engagements nicht mal Zeit für einen Zwischenstopp in der eigenen Wohnung war, um die Garderobe zu wechseln! Dass das nun anders ist, folgt also daraus, dass ich Kinder habe. Als ich nach der Geburt meiner Tochter wieder anfing zu arbeiten, stellte ich schnell fest, was sich verändert hatte. Nicht die Stimme, sondern die Einstellung zum Singen. Wie sehr ich das Singen und Musizieren liebe, zeigte sich erst, als ich mit maximal vier Stunden Schlaf und einem Baby, das in den Pausen gestillt werden wollte, jeden ganz normalen Probentag so konzentriert und motiviert wie vorher genoss. Das Gefühl, zusätzlich zu diesem unfassbaren Mutter­ glück nun auch noch meinen heiß geliebten Beruf ausüben zu dürfen, hat mich in Hochform versetzt. Seither habe ich ­eigentlich nicht weniger gearbeitet als zuvor, aber eben ein bisschen anders. Statt nur Neuproduktionen, die ja im Regelfall mit sechs Wochen Proben daherkommen, singe ich auch mal ein bis zwei Wiederaufnahmen pro Spielzeit, für die meist nicht länger als eineinhalb bis zwei Wochen geprobt wird. Gut, dann habe ich die Regie nicht mit aus der Taufe gehoben, das ist schade. Aber dafür konnten meine Kinder einen Schwimmkurs besuchen oder haben nicht schon wieder in ihrem Kinder­garten das Sommerfest oder den Nikolaustag verpasst. Ich bin gelassener geworden. Die Spielzeit 2017/18 zum ­Beispiel beginnt mit dem Japangastspiel der Bayerischen Staatsoper. Da nehme ich die Kinder mit, die übrigens Japan


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Foto Daniel Pasche

sehr lieben. Im Anschluss beginne ich direkt in Zürich für ­Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny zu proben – eine von zwei Neuproduktionen der Spielzeit, Die Fledermaus an der Deutschen Oper Berlin ist die andere. Mir macht Operette Spaß, es sind zwei tolle Häuser, zwei Städte, in denen ich mich wohlfühle, zwei absolut vielversprechende Produktionen, und zeitlich habe ich dazwischen einige Wochen zu Hause. Naja, ich bin kurz in Wien bei meinem Staatsoperndebüt, aber auch das ist gut. Da haben wir viele Freunde und Familie, die ­Kinder kommen gerne mit, gehen ins Kindertheater im Museumsquartier und genießen das gute Essen. Ich kann nicht sagen, was in meinem Leben eigentlich im Vordergrund steht. Der Beruf von mir und meinem Mann steht sehr im Vordergrund, weil er unser Leben, unseren Standort bestimmt, weil wir ihn so lieben, dass wir zulassen, dass sich ihm alles unterordnet. Wir haben spezielle Arbeitszeiten und -gewohnheiten, und unsere Kinder sind derart selbstverständlich ein Teil davon, dass sie den Frankfurter vom Wiener Flughafen ebenso leicht unterscheiden können wie die Meistersinger- von der Tannhäuser-Ouvertüre. Gleichzeitig steht unser Familienleben stark im Vordergrund, vier Menschen, die eine Einheit bilden, jeder mit ­seinen Ansprüchen, Bedürfnissen. Was folgt? Mehr Aufwand, Sorge, Kümmern, Organisation. Aber was sind schon die paar Jahre, so schnell sind die Kinder groß und brauchen uns weniger. Und wir können beide hoffentlich lange noch singen und kreativ arbeiten. Meine DaschSalons machen mir nach wie vor so viel Freude, das Moderieren überhaupt – zu Beginn ein Versuch, mittlerweile eine Stärke. Ich kann mir gut vorstellen, noch einiges Neues zu erfinden und zu wagen, wenn ich erst wieder mehr Muße habe.

Die gebürtige Berlinerin Annette Dasch studierte ­Gesang an der Münchner Hochschule für Musik und Musikdramatische Darstellung an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz. Nachdem sie in einem Jahr drei wichtige Gesangswettbewerbe gewonnen hatte — den Maria-Callas-Wettbewerb in Barcelona, den ­internationalen ­Robert-Schumann-Wettbewerb und den Concours de Genève — war sie ab dem Jahr 2000 auf ihrer internationalen Laufbahn nicht mehr ­aufzuhalten. Ihre Engagements führten sie seitdem u. a. an die Opernhäuser in Mailand, München, Berlin, Tokio, New York, Paris und zu den Salzburger Festspielen, wo sie 2008 als Donna Anna in Mozarts Don Giovanni ihr Debüt gab. 2010 debütierte sie bei den ­Bayreuther Festspielen als Elsa in Hans Neuenfels‘ Inszenierung von Lohengrin. Zu ihren wichtigsten Partien gehören die Pamina in der Zauberflöte, die Liù in Puccinis Turandot und die Freia in Wagners Rheingold. ­Annette Dasch arbeitete mit Dirigenten wie Daniel B ­ arenboim, ­Nikolaus Harnoncourt oder Ivor Bolton zusammen. Seit 2008 moderiert sie ihren DaschSalon, zwischen Liedersalon und Talkshow ange­ siedelte Abende, die bis 2012 auch von 3sat ­ausgestrahlt wurden. An der ­Bayerischen Staatsoper ist sie in dieser Saison in Carl Maria von W ­ ebers romantischer Oper Oberon, König der Elfen als Rezia in der ­Inszenierung von Nikolaus Habjan zu sehen.

Vorstellungsankündigung


Foto Sascha Kletzsch

… Séverine Ferrolier? Die Frage „Was folgt?“ begleitet Tänzerinnen und Tänzer vom Beginn der Berufsausbildung an, denn anders als ein Musiker, ein Sänger oder eine Schauspielerin weiß eine Tänzerin vom ­Beginn der Karriere an, dass sie nur begrenzt Zeit hat, auf der Bühne zu stehen. Mit 40 werden Tänzerinnen und Tänzer der Pariser Oper in Rente geschickt, in Deutschland hören viele schon früher auf – und dann beginnt für sie alles noch einmal von vorn, in einem neuen Beruf. „Transition“ heißt das Fachwort für diese Zeit. Was folgt? Séverine Ferrolier spricht geradezu begeistert von ihren Zukunftsplänen. Sie lebt eine sehr erfüllte Karriere: Im Alter von 16 Jahren begann sie als professionelle klassische Tänzerin bei Pierre Lacotte in Nancy, ihr Weg führte sie daraufhin über England und wieder Frankreich nach Leipzig. Dort erkannte der damalige Chefchoreograph Uwe Scholz, dass mehr in ihr steckte als eine gute ­Gruppentänzerin. Er ermutigte sie, sich auszuprobieren: „Ich durfte schreien, weinen, lachen und Türen schlagen – wie im richtigen Leben. Das hat mir gezeigt, dass Tanzen mehr ist als nur schön zu sein.“ Auch andere spürten, dass die zarte Französin großes Potenzial hat. So wurde sie nicht nur bald Solistin, sie arbeitete ab 2004 in München auch mit Choreographen von Weltrang – John ­Neumeier, William Forsythe, Mats Ek, Jiří Kylián, Hans van Manen, Martin Schläpfer und Richard Siegal. Sie ist eine kreative Künstlerin, auf deren Intuition, Musika­ lität und Ausstrahlung sich die Choreographen verlassen. ­Außerdem hat sie in mehr als 40 verschiedenen Partien gelernt, ihre Vielfalt auszuleben und gleichzeitig Geduld zu haben mit sich und anderen. „Wann immer es eine Flaute gab, es kam immer wieder etwas Tolles nach – eine neue Herausforderung, die mich fasziniert hat. Und wenn ich verletzt war, habe ich die Zeit zum Nachdenken genutzt, zum Auftanken, um wieder einen neuen Schritt zu gehen.“ Durch Verletzungen hat sie auch ihren Berufswunsch für die Zukunft entwickelt: „Es war schön zu fühlen, dass ein guter Therapeut oder eine gute Therapeutin dir viel geben kann, indem sie nur die Hand auf die verletzte Körperstelle legen, den Muskelfaserriss an der Wade oder die Blockade im Rücken. Die Wärme, die professionelle Zuwendung, das Wissen, dass da jemand weiß, wo es fehlt … Das hat mich darauf gebracht, dass ich etwas ­Medizinisches machen möchte: Ich werde Osteopathin. Die Osteopathie ist eine Heilkunde, bei der der Patient mit den Händen untersucht und auch behandelt wird. Nach der Osteopathie ist der Körper selbst in der Lage, sich auszubalancieren, zu heilen. Voraussetzung ist, dass alle Strukturen im Körper beweglich und gut versorgt sind. Störungen in diesem Fluss aufzuspüren und zu beheben, ist meine Aufgabe als Osteopathin.“ Aber im Moment steht Séverine Ferrolier nach einer eher ruhigen Saison gerade wieder auf der Bühne in einer zentralen Partie: jener der bösen Roten Königin in Alice im Wunderland. Da musste sie noch mehr lernen als zu lachen, zu weinen und

Séverine Ferrolier machte ihre ersten Bühnenerfahrungen an der Opéra de Toulon und beim Ballett de Nancy mit Auftritten unter ­anderem in Der N ­ ussknacker und in Schwanensee. 1995 tanzte sie beim English ­National Ballet in London. Von 1997 bis 2004 – ab 2002 als Solistin – war sie beim Leipziger Ballett unter der L ­ eitung von Uwe S ­ cholz e ­ ngagiert. Scholz kreierte für sie unter anderem ­Rollen in ­Bruckner 8, das Solo in der Collage Non, je ne regrette rien und eine Partie in der h-Moll-Messe. In der Spielzeit 2004/05 kam Séverine ­Ferrolier als Solistin zum Bayerischen Staatsballett. ­Große Auftritte hatte sie unter anderem als Marguerite Gautier in J ­ ohn ­Neumeiers Die Kameliendame und in der Saison 2015/16 in Pina ­Bauschs Für die ­Kinder von gestern, heute und morgen. In dieser ­Spielzeit ist sie in ­München als Herzkönigin und Mutter in der ­Premiere des von ­Christopher Wheeldon ursprünglich für das Royal Ballet kreierten Stücks Alice im Wunderland zu sehen.


Türen zu schlagen. Nach vielen positiven Charakteren wie Müttern, Ammen, Weißen Damen rast sie hier die meiste Zeit mit dem Hackebeil über die Bühne, um Freund und Feind den Kopf abzuschlagen – eine ganz neue Facette, nicht nur für ihr Publikum, auch für sie selbst. Sie lacht: „Ja, die Königin macht großen Spaß. Und gegen Ende meiner Karriere werde ich mich neben dem Tanzen einem freien stundenweisen Praktikum bei einem französischen Therapeuten in Ismaning widmen, der auch eine Praxis in Paris hat. Das ist toll für mich, weil ich s ­päter zweisprachig arbeiten kann. Und ­Osteopathie verlangt Psychologie, Menschenkenntnis und viel medizinisches W ­ issen – es ist eine sehr komplexe ­Ausbildung, die mich reizt. Ich freue mich darauf, jetzt schon erste Berührung damit zu haben, zu lernen, auszuprobieren. Und daneben zu tanzen, bis es nicht mehr geht oder es nichts Passendes mehr für mich gibt …“

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Das Gespräch mit Marina Abramović wurde aufgezeichnet von Jörg Böckem. Das Gespräch mit Oksana Lyniv wurde aufgezeichnet von Rainer Karlitschek. Das Gespräch mit Séverine Ferrolier wurde aufgezeichnet von Bettina Wagner-Bergelt.


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Elysium

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Von großer Schönheit ist die künstliche Insel in Franz Schrekers Die Gezeichneten, und von tiefer Abgründigkeit. Wie die Kunst. Vor allem das Theater ist kaum zu denken ohne die Verbindung nach „unten“: zu seinen ­sakralen, rituellen, ­abgründigen Ursprüngen. Eine Vermessung von Frank Raddatz


„Unter dem Zauber des Dionysischen schließt sich nicht nur der Bund zwischen Mensch und Mensch wieder zusammen: auch die entfremdete, feindliche oder unterjochte Natur feiert wieder ihr Versöhnungsfest mit ihrem verlorenen Sohne, dem Menschen … Man verwandele das Beethoven’sche ­Jubellied der ‚Freude‘ in ein Gemälde und bleibe mit seiner Einbildungskraft nicht zurück, wenn die Millionen schauervoll in den Staub sinken: so kann man sich dem Dionysischen nähern. Jetzt ist der Sklave freier Mann, jetzt zerbrechen alle die starren, feindseligen Abgrenzungen, die Not, Willkür oder ‚freche Mode‘ zwischen den Menschen festgesetzt haben.“

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Ein vertikaler Vektor, der „aus einer unermesslichen Tiefe“ aufsteigt, verbindet die Bühne mit ihren sakralen Ursprüngen. Er verliert im Zuge jenes Prozesses, den der Soziologe Max Weber 1917 als die Entzauberung der Welt bezeichnet hat, zunehmend an Selbstverständlichkeit.

Was immer sich im Laufe der Geschichte auf den Bühnen Europas zugetragen haben mag, in einer Hinsicht blieb doch ihr Raum, von dem die unterschiedlichsten, mal mehr, mal weniger aufwühlenden Erschütterungen ausgehen, selbst stets unerschüttert. Die Bühne ist ein exterritorialer Ort. In den antiken Tragödien begatten Söhne ihre Mütter, wird ein siegreicher Feldherr von der eigenen Gattin in der Badewanne geschlachtet, zerreißt die Königsmutter Agaue in Euripides‘ Bakchen im Zustand ­ritueller Besessenheit den eigenen Sohn, da sie ihn für einen Löwen hält. Die Oper legt nach: Ein Zwillingspaar zeugt im Inzest einen Helden, der, von einem Trank manipuliert, nicht nur seine Liebe vergisst, sondern seine Herzensdame seinem Vorgesetzten ausliefert, der ihn daraufhin ermorden lässt. In Blut getränkt sind die Sagenstoffe, die die Bühne träumen lassen. Aber auch der Verzicht auf mytholo­ gisches Personal macht die Sache kaum besser. In seiner letzten Oper L’incoronazione di Poppea greift Monteverdi zu einem historisch verbürgten Stoff aus der römischen Geschichte und belohnt eine Ehebrecherin mit der Kaiserkrone. „Das Böse siegt auf ganzer Linie“, kommentiert der Kulturtheoretiker Klaus Theweleit, nicht zuletzt, weil schon im ersten Akt der denkende Mensch, verkörpert durch den Philosophen Seneca, zu Tode gebracht wird. Offenkundig regiert der Schrecken im Bannkreis der Bühne. Nicht nur, aber ­immer wieder. Die innige Verbundenheit von Bühne und Schrecken verfolgt der ­Philosoph Christoph Türcke bis in das prähistorische Dunkel zurück: Er glaubt, dass aus der Auseinandersetzung mit real erfahrenen Bedrohungen jene Rituale entstanden, welche die spätere Grundlage für das Theaterspiel legten. In seiner Philosophie des Traums aus dem Jahr 2007 datiert er die allerersten Anfänge des Rituals in die Altsteinzeit, die vor 2,6 Millionen Jahren einsetzte. In Höhlen und analogen Schutzräumen entstehen Narrationen, die an die erlebten Gefahren erinnern. Tanzend und singend spielt eine Gruppe von Hominiden dasjenige nach, „wovor man nicht hat ­fliehen können“. Die Versuche der Bewältigung erzeugen nun ihrerseits Furchterregendes und verlangen ein Opfer. Vor einigen zehntausend Jahren nimmt diese dem Wiederholungszwang geschuldete Kulturtechnik feste Konturen an: „Töten – das tun auch Tiere, gelegentlich auch ihresgleichen. Aber rituell töten, in feierlicher Versammlung an einem bestimmten Ort nach einem festgelegten Schema: das ist ein exklusives Merkmal des Menschen. Ritual und Opferritual sind anfangs identisch. Alle Rituale sind Abkömmlinge des Opferrituals.“ Die Tradition des Schreckens ist unauflösbar verbunden mit kultischen Festen, in denen rituelle Drogeneinnahme, Tanz und Musik einen Ausnahmezustand situ­ ieren, wie er noch heute im Karneval nachhallt. Die Feiertage bilden Inseln des Ausnahmezustands, die sich aus dem mitunter heftigen Wellengang der dionysischen Rauschzustände erheben. Auf den Namen des griechischen Wein- und Theatergottes Dionysos hat zumindest der junge Friedrich Nietzsche in Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik aus dem Jahr 1872 jene kollektiven Exzesse und Ekstasen getauft, deren rauschhaft enthusiastische Seite er in dieser Richard Wagner ­ ­gewidmeten Schrift hervorhebt.


Vorherige Doppelseite: Joanne Leah – Bless This Mess, Model Danny Wolfchild, 2016

Mittels Tanz, Musik, Masken werden Götter angerufen, um sie mit einem Opfer zu beschwören oder zu besänftigen. Die rituellen Aktivitäten lassen ein Spannungsfeld entstehen, das zwischen den zwei Polen Rausch und Schrecken oszilliert. Aus diesem archaischen Bezirk des Heiligen, in dem den Berauschten ihre Götter erscheinen, die hinter Masken über das Gestern und Morgen sprechen, in dem Opferungen und rituelle Tabubrüche die Regel sind, soll im antiken Griechenland jene Tradition entstehen, die wir Theater nennen. Erst nachdem das Alphabet erfunden, die Daten der Geschichte verbürgt, die Polis, der Stadtstaat entstanden und die Idee des Rechts erstarkt sind, wird die sakrale Opferhandlung allmählich in den symbolischen Raum verschoben, wie der französische Kulturanthropologe René Girard 1972 in Das Heilige­ und die Gewalt ausführt. Im antiken Athen werden bei den alljährlichen Feiern der Dionysien an mehreren Tagen jeweils neue Tragödien aufgeführt, in der Regel Bearbeitungen der my­ thischen Stoffe. Etwa 1000 sind es insgesamt, von denen mehr als 30 erhalten blieben, weil die Manuskripte vielfach kopiert wurden. Im Gegensatz dazu sind Musik, Tanz und Chorgesang, die einen Großteil des Geschehens begleiteten, nicht überliefert. In der italienischen Renaissance setzt sich die Florentiner Camerata – ein Kreis von Gelehrten um die Grafen Bardi und Corsi – Ende des 16. Jahrhunderts mit dem griechischen Drama auseinander, was schließlich zur Geburt der Oper führt: ­Mythische wie historische Stoffe werden erneut auf Gesang und Musik gestellt. Die Oper erweist sich als legitimer Abkömmling der Tragödie und übernimmt damit auch deren Erbe – eine mit Schrecken durchmischte Rauschkultur. Zur selben Zeit erlebt im England der elisabethanischen Renaissance das Sprechtheater eine enorme Konjunktur. In seinen Betrachtungen zur englischen Literatur und insbesondere zu der Shakespeares schreibt der italienische Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa, dass der gebildete Mensch um 1600 allerdings nur mit einer Leibwache die vor den Stadttoren Londons gelegenen Theater betreten durfte, die vornehmlich von mit Kaperbriefen ihrer Majestät ausgestatteten Piraten frequentiert wurden.

„Im Jahr 1597, in dem Jahr, in dem Heinrich V. und Julius Cäsar aufgeführt wurden, gab es in den beiden Theatern Londons neun Tote bei Schlägereien. Fast jeder Aufführung ging die Tötung eines Kalbs auf der Bühne voraus, die ein Schauspieler besorgte, denn auf Blutszenen war das Publikum besonders versessen. Die sexuelle Enthemmung kannte keine Grenzen, und Kopulationen fanden mitten im Parkett statt.“ Selbst falls der Autor übertreibt, sind die Theater nicht ohne Grund im rechtsfreien Raum außerhalb der Stadtmauern angesiedelt. Lampedusas Schilderungen lesen sich wie eine ­Reminiszenz an die zeremoniellen Schlachtungen und die orgiastische Dimension der rituellen Feiern frühgeschichtlicher Zeiten. Johann Wolfgang Goethe spricht bei seiner Rede zum Shakespeare-Tag 1771 von einer „Zona torrida“, von ­einer hitzigen Zone, in der die Dramen des großen Engländers sich abspielen. Shakespeare selber wählt das Bild einer Elementargewalt für das Theater. Er verabschiedet sich von seinem Publikum mit The Tempest (Der Sturm), einem Theater­stück über die Bühnenkunst. Eine Insel im Mittelmeer symbolisiert den Bannkreis des illusorischen Spiels. In ihrem Umkreis entfacht der Geist Ariel Unwetter, die zu Havarien führen, dabei aber wundersamerweise die K ­ leidung der Schiffbrüchigen trocken lassen. Offenbar ist Magie im Spiel, wenn der Inselherrscher Prospero zu Zaubermantel, Zauberstab oder einem Buch greift, um sein Abrakadabra aufzusagen, das jene Täuschungen schafft, welche die Begierden der unfreiwilligen Insel­­­­­­be­sucher wecken und zugleich lenken. Prosperos Requisiten lassen an Manuskript, Kostüm und Regie denken, die die Bühne in einen imaginären, in der Traumzeit

Essay Frank Raddatz

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Die Gruppierung der Motive um die Pole Schrecken und Lust entschlüsselt das Symbol der künstlichen Insel als jenes einer Insel der Kunst. Ihren Untergrund kehrt Schreker zuoberst, indem er ihre Abkunft aus dem Opferkult sichtbar macht. 40

­ elegenen Ort verwandeln. Ein Reich des Spiels, wo von den Obsessionen und g ­Leidenschaften nichts bleibt als Schall und Rauch, nachdem der Vorhang gefallen ist. Es ist auch ein Reich der Freiheit, wo kein Schauspieler für die Taten zur Rechenschaft gezogen wird, die er in seiner Rolle verübte. Auch nicht, wenn er als Puck in Shakespeares A Midsummer Night’s Dream (Ein Sommernachtstraum) ein b ­ etörendes Kraut, das die Sinne verwirrt (und heute sicherlich zu den verbotenen Substanzen zählte), in Anwendung bringt. Dessen Wirkung veranschaulicht in dieser Komödie die Hexerei des Theaters, also die Macht, die Einbildung und Illusionen über uns haben. Beide Stücke fließen in die 1826 uraufgeführte Oper Oberon von Carl M ­ aria von ­Weber ein, eine romantische Reflexion über diesen unaufhellbaren Kern aller Kunst. Die im 19. Jahrhundert anbrechende Moderne soll das vorzeitliche Erbe, das der Bühne in Form von schamanistischen Traditionen und magischen Praktiken seit ihrer Geburt eingeschrieben ist, sogar noch philosophisch nobilitieren. Nietzsche stellt Wagners Gesamtkunstwerk nicht nur, wie eingangs zitiert, in einen ausdrück­ lichen Zusammenhang mit dem Rausch, er deutet es vielmehr als Fanal, das eine Renaissance der Tragödie und damit zugleich eine Wiederkehr des Mythos ankündigt. Über die verheerenden politischen Folgen streitet die Philosophie bis heute, die Gegenbewegung setzt im 20. Jahrhundert ein. Walter Benjamin stößt bei der ­Kartographierung von Bertolt Brechts epischem Theater erstmals 1930 wenn nicht auf e ­ inen Landweg, so doch zumindest auf eine Versandung der halluzinierten ­szenischen Eilande:

„Das epische Theater trägt einem Umstand Rechnung, den man zu wenig beachtet hat. Er kann als die Verschüttung der ­Orchestra bezeichnet werden. Der Abgrund, der die Spieler vom Publikum wie die Toten von den Lebendigen scheidet, der Abgrund, dessen Schweigen im Schauspiel die Erhabenheit, dessen Klingen in der Oper den Rausch steigert, dieser ­Abgrund, der unter allen Elementen der Bühne die Spuren ihres sakralen Ursprunges am unverwischbarsten trägt, hat an Bedeutung immer mehr eingebüßt.“ Bei der Beantwortung der Frage „Was ist das epische Theater?“, die seinem Aufsatz den Titel gibt, registriert Benjamin eine allmähliche Ablösung der Bühne von ihrem magisch-rituellen Fundament. Ein vertikaler Vektor, der „aus einer unermesslichen Tiefe“ aufsteigt, verbindet die Bühne mit ihren sakralen Ursprüngen. Er verliert im Zuge jenes Prozesses, den der Soziologe Max Weber 1917 als die Entzauberung der Welt bezeichnet hat – der Rationalisierung, die die restlose Verstehbarkeit aller ­Lebensbedingungen suggeriert – zunehmend an Selbstverständlichkeit. Ende der 1920er Jahre erhebt Bertolt Brechts Theatertheorie im Einklang mit diesem umfassenden gesellschaftlichen Rationalisierungs- beziehungsweise Modernisierungsprozess die Beseitigung kultischer Restbestände zum Programm seines mitunter auch wissenschaftlich genannten Theaters. Bereits Franz Schrekers 1915 fertiggestellte Oper Die Gezeichneten thematisiert jene einsetzende Profanisierung, die die Diskurse des Kunst- und Theater­ begriffs bis in unsere Gegenwart prägen. Die Tragödie der Protagonisten Alviano und Carlotta, die beide glauben, dem Rausch des Erotischen entsagen zu müssen, spielt sich vor dem Hintergrund der Geschehnisse auf einer künstlichen Insel ab, die der Sublimierung des Rausches dienen sollte und doch gerade den Rausch entfesselt. Erneut also: eine Insel. Ihr bezeichnender Name: Elysium. Ein artifizielles Paradies, könnte man denken. Doch handelt es sich um einen pervertierten Venusberg, wohin eine Handvoll adliger Lebemänner Frauen und Mädchen aus Genua verschleppen, um sich mit ihnen zu vergnügen. Die Orgien gipfeln in Ritualmorden. Leicht lässt sich das Echo jener festlichen Kulte wiedererkennen, die für die Genese des Theaters


Vorherige Doppelseite: Joanne Leah – Flattery, Model Gavin Wilson, 2016

­ esentlich sind. Bereits Nietzsche hat einen Zusammenhang zwischen den „bacchiw schen Chören der Griechen“ und „ihrer Vorgeschichte in Kleinasien, bis hin zu Babylon und den orgiastischen Sakäen“, karnevalähnlichen Festen im Iran, hingewiesen. Die Gruppierung der Motive um die Pole Schrecken und Lust entschlüsselt das ­Symbol der künstlichen Insel als jenes einer Insel der Kunst. Ihren Untergrund kehrt Schreker zuoberst, indem er ihre Abkunft aus dem Opferkult sichtbar macht. Mit der hellsichtigen Zuspitzung auf das zum Lustmord pervertierte Frauenopfer präludiert er eine große kulturgeschichtliche Auseinandersetzung, die im letzten ­Drittel des 20. Jahrhunderts zunehmend an Gewicht gewinnt. Der entscheidende Punkt in Schrekers Szenario besteht darin, dass im Gefolge des Massenandrangs nach der Öffnung der Insel für die gesamte Bevölkerung die Polizei auf dem Eiland erscheint. Sie will und muss dem zügellosen Spuk in den ­Untergeschossen ein Ende setzen. Das meint mehr als eine Anspielung auf die In­ stanz der Zensur, die entscheidet, was Gedichte, Filme, Literatur schildern dürfen und was nicht. Die naheliegende, von Brecht aufgeworfene Frage lautet: Wie kann die Bühne, da sie offenbar die Verlängerung von Praktiken darstellt, die mit dem Stand des Bewusstseins im „Prozess der Zivilisation“ (Norbert Elias) oder im „wissenschaftlichen Zeitalter“ (Brecht) nicht zu vereinbaren sind, auf eine aufgeklärte Grundlage gestellt werden? Im Zuge dieser Problemstellung bringen heute beispielsweise die Mitglieder der Performancegruppe She She Pop die eigenen Väter mit auf die Bühne, um mit ­ihnen als Gegenentwurf zu König Lear – allerdings ohne handgreiflich zu werden – Erbschaftsangelegenheiten zu verhandeln. Im Gegensatz zur Vorlage triumphiert der gewaltfreie Diskurs. Nur kann dieser gefeierte „Einbruch des Realen“ (Hans-Thies Lehmann) nicht jene Aggression sicht- und erlebbar machen, die sich hinter den ­Kulissen des Alltags verbirgt. Shakespeares Stück zeigt eine blutige Welt jenseits des Gesetzes, wo keine Polizei eingreift, wenn sich die Erben und Erblasser nicht ­einigen. Dagegen setzen die postdramatischen Abbildungen einer rechtsstaatlichen Oberfläche eine einsatzbereite Exekutive voraus, ob es die Akteure auf der Bühne wissen oder nicht. Ein Blick in die täglichen Nachrichten reicht, um die Fragilität der Herrschaft des Gesetzes zu verstehen. Aber auch die Befürworter der postdramatischen Theaterform spüren, dass mit dem Verlust der sakralen Anbindung des Kunstraums etwas verloren geht – so etwa die Theaterwissenschaftlerin Erika Fischer-Lichte, die frühe Arbeiten der serbischen Künstlerin Marina Abramović als Paradigma einer zukunftsweisenden Performativität bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem echten Blut, das im Zuge dieser Performances wieder auf der Bühne floss, spricht sie von Effekten der „Wiederverzauberung“ und bringt damit erneut jene untergründige Schicht ins Spiel, auf der das Theater ­historisch fußt. Offenbar wird die Verschiebung der rituell-sakralen Opferhandlung in den symbolischen Raum durch den realen Schrecken, den die Arbeiten ausgelösen, revoziert. Auch in der Theorie des performativen Theaters bleibt die Magie des ­Theaters, wie bewusst auch immer, weiterhin an den Schrecken gebunden. Im vollen Bewusstsein der permanenten Anwesenheit der Gewalt in der ­Gesellschaft träumt dagegen ein anderer artistischer Seismograph aus der Schule Benjamins von einem Theater, das die verlorene Vertikale wiedergewinnt: Heiner ­Müller. Schon Benjamins griffige Beschreibung verbindet die Bühne mit den Toten. Theatergeschichtlich bezieht er sich auf die Tatsache, dass in den antiken Tragödienaufführungen die Schauspieler hinter Masken agieren. Hinter den Masken aber sprechen, wie schon im Kult, die großen Toten. Die mythischen Ahnen. Die alljährlich festlich begangenen Dionysien in Athen stifteten eine Beziehung zwischen deren modellhaften Taten an den historischen Rändern und den jeweiligen Gegenwarts­ horizonten. Latent spielen sowohl Nietzsches Tragödientheorie wie auch Schrekers Oper auf diese Kommunikation mit den Toten an. Nietzsche parallelisiert den dio­ nysischen Rausch mit Beethovens 9. Symphonie, der Vertonung von Schillers Ode

Bilder Joanne Leah

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An die Freude. Deren populärste Zeile – „Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus ­Elisium“ – dürfte bei Schrekers Namensgebung der Kunstinsel Pate gestanden haben. Mit der Anrufung des antiken Elysions schwingt aber bei der lustvoll empfundenen Daseinsfülle, die entsteht, wenn die zwischenmenschlichen Beschränkungen vorübergehend aufgehoben werden, ein vom Jenseits gewährtes Glück mit. Schließlich bezeichnet das griechische Elysion beziehungsweise das latinisierte Elysium jene Insel der Seligen, die die teuren Toten – mit sich und der Welt versöhnt – einträchtig bewohnen. An diese Traditionslinie knüpft Heiner Müller als Schüler Brechts und Benjamins an, wenn er ein Theater entwirft, das Geschichte in ein Möglichkeitsfeld verwandelt:

„Wenn wir ein Theater haben, wird es ein Theater der Auferstehung sein (die den täglichen Tod natürlich voraussetzt), unsre Arbeit die Totenbeschwörung, das Ensemble aus Geistern rekrutiert, die nach der Vorstellung wieder ins Grab müssen, bis zur letzten Vorstellung, einer Premiere der dritten Art, das Bühnenbild ein Reiseführer durch die Landschaften jenseits des Todes, wo die Kausalitäten vom Krebs der Auferstehung beurlaubt sind.“ Die Bühne besitzt das einzigartige Potenzial, das Gewesene als ein Feld verpasster Gelegenheiten und verschütteter utopischer Momente zu zeigen. Das Credo des ­vertikalen Theaters besagt, dass der frische Blick auf das Gewesene erst Zukunft generiert, indem er Unausgeschöpftes und Ungelebtes zum Vorschein bringt. Als ein Gegenentwurf zu jener Horizontalisierung, die der Medientheoretiker Régis D ­ ebray durch die globale Digitalisierung und Vernetzung, die „neue Geographie der Netze“ gegeben sieht, zeitigt das vertikale Theater eine widerständige Potenz. Das Theater, das sich auf die Vertikale besinnt, stellt ein Korrektiv unserer zukunftslosen Zeit dar, die sich um nichts als sich selbst zentriert. Aus Sicht der Vertikalen zeigt Franz ­Schreker in seinen Gezeichneten anhand der schließlich demokratisierten ­Insel der Kunst, dass ein geschichtliches Wissen um die Entstehung der Künste und der F ­ ­ormen Möglichkeiten für einen Genuss öffnet, der über den bloßen Konsum hinausgeht.

Frank Raddatz arbeitete als Dramaturg an zahlreichen Theatern unter anderem mit Dimiter Gotscheff, Einar Schleef, Theodoros Terzopoulos, Valery Fokin und Tadashi Suzuki. Bis 2014 war er Mitglied der Redaktionsleitung der ­Zeitschrift Theater heute. Er publiziert regelmäßig zu Theater, Literatur und ­Philosophie, u. a. in der Zeitschrift Lettre International, die er auch konzeptionell mitgestaltet. Außerdem lehrt er an der Universität Greifswald, der Hochschule für ­Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin und der Universität von Amsterdam.

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Regisseur Wolfgang Nägele im Postpalast


We only love, so it doesn’t matter / Hold on to us. Was folgt aus dem Ödipus-­ Mythos für uns heute? Ein kollektiver Bruch mit den ­tragischen ­Ursprüngen, um ohne Schuld als Liebender in der Gegenwart anzu­kommen. Möglich macht das vor allem die Musik in Mark-Anthony Turnages Oper Greek in der ­Ins­zenierung von Wolfgang Nägele, die bei der Festspiel-­ Werkstatt der ­Münchner Opernfestspiele Premiere hat. Rubrikentitel Premiere Greek

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„Oedipus, how could you have done it?“ („Ödipus, wie konntest du’s tun?“) So fragt Eddy, der Protagonist von Steven Berkoffs Ödipus-­ Adaption Greek – der Vorlage zu Mark-Anthony Turnages Oper – zum Ende des Stücks, als alles herausgekommen ist: dass er, wie im Mythos, seinen Vater getötet hat und mit seiner Mutter in Ehe lebt. Wie, so meint er, konntest du, Ödipus, dich dafür bestrafen, dich blenden, und um eines abstrakten Gebots willen das Glück mit der Frau verraten, die du liebst? So endet dieses Drama mit der Einsetzung der Liebe als gegenmythischer Instanz: Noch eine Weile ist Eddy versucht, dem vom Mythos vorgegebenen Muster zu folgen; er kniet auf der Bühne, ist kurz davor, sich die Augen auszureißen wie sein ferner Vorfahr; doch schließlich verflucht er den Fluch, bekennt sich zur Regression und befreit sich auf diese Weise von der Last eines Ursprungs, der sein Leben überschattet: „Bollocks to all that! Yeah, I ­wanna climb back inside my mum, what’s wrong with that […] it’s love!“ („Alles Quatsch! Ja, ich möcht’ wieder zurückkriechen in meine Mutter, was ist schlecht ­daran […] ’s ist Liebe!“) Berkoffs Stück und Mark-­Anthony Turnages sich eng daran anlehnende Oper spielen im London der 1980er Jahre – in einer düsteren Welt, in der die sozialstaatlichen Kompromisse der Nachkriegszeit zusammengebrochen, weite Teile der Bevölkerung verarmt sind und die unter den Augen des Dramatikers apokalyptische Züge annimmt. Eddy wächst in elenden Verhältnissen auf, sein Vater ist

arbeitslos, hat ein Alkoholproblem und hasst offenbar jeden, der eine andere Hautfarbe hat als er. Seine Mutter ist eine schlichte Hausfrau, die Eddy noch nie ohne Kittel­schürze gesehen hat. Er selbst träumt vom Aufstieg – aus der Welt der Pubs in die der Weinbars und gepflegten C ­ afés der Mittelschicht. Welchen Sinn ergibt in dieser Welt der Mythos von Ödipus? Welche Form könnte er überhaupt annehmen, ohne von vornherein unglaubwürdig zu erscheinen? Berkoff verlegt ihn in die sinistre Welt der Rummelplätze und Jahrmarktsesoterik, in der der Religion und der Metaphysik im ­ ­Zeitalter des Rationalismus ein unverbindliches, von Fäulnis durchsetztes Nachleben zuteilgeworden sind. Das Orakel wird einem fahrenden Wahrsager in den Mund gelegt, seine Autorität wird dadurch beglaubigt, dass sein Sohn – viele Jahre später und ohne etwas von der vorherigen Prophezeiung zu ahnen – Eddys ­Eltern dieselbe Auskunft gibt: „a ­violent death for this son’s father / […] / a bunk-up with his mum“ („ein gewaltsamer Tod für des Sohnes ­Vater / […] / dass er ins Bett geht mit der Mutter“). Niemand glaubt daran, und doch bestimmt der Fluch ihr Leben. Eddy verlässt das Haus seiner ­Eltern; er nutzt den Fluch, um endlich den Absprung zu schaffen und die ­verhasste Klasse seiner Eltern hinter sich zu lassen. Aber etwas daran ­beunruhigt ihn doch. Auf seinem (übrigens nicht allzu langen) Weg nach oben trifft er in einem Café eine Kellnerin. Sie erscheint ihm als Bild einer schranken-

losen sexuellen Erfüllung, die seinen Eltern durch die Mühen eines vom Kampf um den Lebensunterhalt bestimmten Daseins ausgetrieben wurde. Nur die Reichen haben guten Sex: Die Idee des sozialen Aufstiegs ist für Eddy libidinös aufgeladen. Das bricht an dieser Stelle aus ihm he­ raus. In einem phantastischen, grotesk übersteigerten Rededuell – das vielleicht nur in seinem Kopf stattfindet – tötet er den Mann der Kellnerin, gleichzeitig den Besitzer des Cafés, um dann rasch mit ihr im Bett zu landen. Man kann es sich denken: Dieser Mann ist in Wahrheit sein leiblicher Vater; die Kellnerin, mit der Eddy eine so sexuell befriedigende wie ­finanziell einträgliche Liaison eingeht, ist seine Mutter. Die, die er für seine Eltern hielt, haben ihn, selbst kinderlos, nach einem Schiffsunglück aufgezogen, das ihnen den Zwei­ jährigen ans Ufer der Themse spülte. Ein wenig grob gehauen und ­gestochen wirkt das alles. Wozu, so fragt man sich, dient der Mythos, ­außer dass er die Geschichte mit B edeutsamkeit und wenigstens ­ ­einem Minimum an Nachvollzieh­ barkeit a ­ usstattet? Umgibt er nicht bloß die Unterschichtsromantik, zu der das Stück an einigen Stellen neigt, mit der Weihe einer uralten Geschichte, die der provokativen Feier des M ­ utterinzests am Ende den Hallraum der Tradition eröffnet und ihn damit für ein bürgerliches Publikum ­annehmbar macht? Man kann Greek so lesen, wenn man es als ein realistisches Stück auffasst. Aber man muss es nicht tun,

Musik kennt keine grammatischen Zeiten, sie ist klingende G ­ egenwart. Sie überschreibt den komplexen, Zukunft und ­Vergangenheit in sich fassenden Verweisungs­zusammenhang des drama­ tischen Worts mit der Macht des Vergessens. Text Wolfram Ette


Rubrikentitel Fotos Stefan Loeber

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denn man nimmt es auf diese Weise eigentlich von seiner schwächsten Seite. Im Kern nämlich ist es ­psychologisch angelegt. „Ich habe versucht, die Geschichte eher psychologisch-innerlich zu erzählen“, berichtet Wolfgang Nägele, der ­ ­Regisseur der Münchner Inszenierung. Das sei „hundertmal interessanter“ als das, was das Stück vordergründig zu sein beansprucht: eine mythologisch überhöhte Darstellung des Englands der 1980er Jahre, die im München der 2010er Jahre eher Befremden erregen würde. So sei es ihm in seiner Inszenierung wichtig, sowohl die politischen Unruhen als auch diejenigen Ödipus-Mythologica als visionäre Innenschau Eddys zu zeigen, die nicht unmittelbar mit dem psychologischen Kern dieses Mythos zu tun hätten. So wird etwa der Ausbruch der Pest zu einer Heldenreise und die Sphinx zu einem ­Albtraum seines Unbewussten. Was aber ist dieser psycholo­gische Kern? Welche Familienzusammenhänge werden hier in Szene gesetzt? In jeder Mutter steckt die Frau, die man einst lieben wird, und in jeder Frau, die man liebt, steckt die Mutter, die man einst liebte: Freiheit kann es nur geben, wenn man diesen „Doppelsinn des Einst“ (Thomas Mann) erkennt und anerkennt. „Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen“, heißt es bei ­Faulkner. Aber: Nur wenn man sich das klarmacht, hat man wenigstens eine Chance, von ihm ein wenig loszukommen. So ließe sich das an den Ödipus-Mythos angelagerte Aufklärungsprogramm umreißen. Wer blind vor den Ursprüngen fortläuft, wie Ödipus es tat, fällt auf sie zurück. Das ist das Gesetz der Tragödie. Nur wer sich mit ihnen versöhnt, kann darauf hoffen, zu einer relativen Freiheit zu gelangen, in der die tragische ­Dialektik sich löst. Dabei hilft dem Ödipus des­ 20. Jahrhunderts die Musik. Was in Berkoffs Sprechstück noch etwas ruppig und bemüht daherkommt,

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erscheint gesungen und in die ­exible musikalische Sprache fl ­Turnages eingebettet ganz flüssig und fast natürlich. Woher rührt das? Das gute Ende, das Absehen von einem Selbstopfer, an dessen Sinn schon Sophokles’ ­Ödipus in ­Kolonos Zweifel anmeldete, wird zum einen durch einen Eingriff auf der Handlungsebene herbeigeführt, nämlich durch eine Ensemble-Szene. Es ist hier nicht Eddy allein, der sich ­entschließt, mit dem Inzesttabu zu brechen. Seine Frau / Mutter und seine Zieheltern umstehen ihn, sie bilden eine singende Liebes- und Solidargemeinschaft, die ihn dazu überredet, sich von der Schuld um der Liebe willen zu befreien: „We only love, so it doesn’t matter / Hold on to us.“ („Wir lieben nur, so tut’s nichts zur Sache / Halt an uns fest.“) Das gibt am Ende den Ausschlag. Nicht der Heros allein kann mit den ­Ursprüngen brechen. Alle müssen es tun. Zum anderen aber liegt es an der Musik selbst. Musik kennt keine grammatischen Zeiten, sie ist vor allem klingende Gegenwart. Das heißt: Sie lässt tendenziell vergessen. Sie überschreibt den komplexen, Zukunft und Vergangenheit in sich fassenden Verweisungszusammenhang des dramatischen Worts mit der Macht des Vergessens – als „Angriff der Gegenwart auf die übrige Zeit“, wie Alexander Kluge es formuliert hat. Etwas Ähnliches meint Adorno, wenn er von der „Rektifizierung des Mythos durch Musik“ in der Oper spricht. Das Urbild einer solchen Rektifizierung sind die todgeweihten Liebenden, die singen und singen und nicht damit aufhören. So ist es auch in Turnages Greek. Wer singend in der Gegenwart ­ankommt, kann sich mit den Ursprüngen versöhnen, sie brechen, ohne sie zu zerbrechen.

Wolfgang Nägele, geboren in Landsberg am Lech, studierte Literaturwissenschaften und Philosophie in München. Von 2007 bis 2016 arbeitete er als Assistent eng mit dem ­Regisseur Hans ­Neuenfels zusammen, u. a. bei den Bayreuther Festspielen, an der Staatsoper Berlin, der Oper Frankfurt und am Opernhaus Zürich. Zu seinen eigenen ­Projekten als Regisseur zählen Luftlinie 2411 | Прямая линия 2411 in ­Wolgograd und München, [n]everland im Münchner Hauptbahnhof, Antigone am Stadttheater Landsberg, Trascrizione di un Errore bei der ­Musikbiennale Venedig ­sowie Der Kaiser von Atlantis an der ­Tsaritsinskaya Opera ­Wolgograd in Russland.

Der Literaturwissenschaftler Wolfram Ette lehrte u. a. an der Universität Basel, an der TU Chemnitz und an der Ludwig-Maximilians-­ Universität München. Gegenwärtig ist er an der Freien Universität Berlin als Gastpro­ fessor beschäftigt. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Mythostheorie und die Beziehung zwischen Literatur und ­anderen Medien, insbesondere zu Musik und Oper. Sein Buch Kritik der Tragödie. Über dramatische Entschleunigung von 2011 ist eine Kritik an der philosophischen Tragödientheorie, die das tragische Geschehen immer noch als notwendig betrachtet.

FESTSPIEL-WERKSTATT Greek Oper in zwei Akten Von Mark-Anthony Turnage Premiere am Montag, 26. Juni 2017, Postpalast an der Hackerbrücke Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

English Excerpt Page 225



Ĺ ukasz Kos, Regisseur


Den Tod ­begreifen, das Leben feiern

Łukasz Kos inszeniert in der Festspiel-Werkstatt im Postpalast Gordon Kampes Kinderoper Kannst du pfeifen, Johanna. Regisseur und Komponist sind sich einig: Das Stück nach dem preisgekrönten ­Kinderbuch von Ulf Stark feiert das Leben, zu dem der Tod dazugehört. Premiere Kannst du pfeifen, Johanna

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Berra hätte zu gern einen Opa. E ­ inen richtig lustigen, mit dem man angeln gehen oder Schweinshaxen essen kann. Berras Freund Ulf hat eine geniale Idee. Warum suchen sie nicht einfach einen Opa? Das kann doch nicht schwer sein. Und tatsächlich, im Altersheim gleich nebenan finden die Jungen einen älteren Herrn, der nicht nur einsam ist, sondern sich auch schon lange einen Enkel wünscht. Er kann zwar nicht angeln und mag Schweinshaxen ganz und gar nicht. Aber Torte mit Schlagsahne isst er mit ihnen. Und Drachen bauen kann er. Das Tollste aber ist, dass er pfeifen kann! Besonders den alten Schlager Kannst du pfeifen, ­Johanna? mag er gerne, weil er ihn an seine verstorbene Frau erinnert, die ebenfalls Johanna hieß. Für den Komponisten Gordon Kampe war dieses Lied ein w ­ ichtiges Element für seine musikalische Umsetzung des preisgekrönten schwedischen Kinderbuches: „Immer, wenn ich mir vorstellte, dass Opa Nils gerade an Johanna denkt, taucht das Motiv in der Musik auf.“ Dafür setzt der Komponist Instrumente ein, die zwar auch im großen Opern­orchester vorkommen, aber selbst so wandelbar sind, dass sie auch in einer Band gespielt werden können. „Wenn der Johanna-­Schlager kommt, hätte ich es komisch gefunden, ein Streichquartett zu hören. Deshalb habe ich mich für ein Barklavier entschieden, das am besten leicht verstimmt sein soll. Zudem Kontrabass, der auch mal gezupft wird, Klarinette und Posaune.“ Besonders flexibel muss der Schlagzeuger agieren, der zusätzlich zu seinem Drumset noch allerhand Requi-

siten bekommt. Zum Beispiel gibt es einen Apparat mit – wie Kampe es nennt – „Seniorengeräuschen“: „In der Kiste befinden sich Dinge, mit denen man Geräusche erzeugen kann, die man mit älteren Menschen verbindet. Das kann ein alter Elektro­ rasierer sein oder ein klapperndes Gebiss.“ Der Schlagzeuger kann frei entscheiden, welche Gegenstände er verwendet. „Vielleicht hat er auch einen bernsteinfarbenen Kamm ­darin, wie ihn nur alte Männer benutzen.“ Gordon Kampes Lieblingsinstrument ist jedoch ein großer Kaktus. Manchmal steht er nur auf der Bühne wie eine Topfpflanze, die auch in der Geschichte vorkommt – als eines der Souvenirs, die Opa Nils aufbewahrt. Aber immer wieder wird er Teil der Musik, denn wenn man die großen Stacheln anschnippt, entsteht ein feines, rhythmisches Klicken, und plötzlich wird das zum ­Ticken einer Uhr. 2013 wurde Kannst du pfeifen, J­ ohanna an der Deutschen Oper Berlin uraufgeführt. Fast 70 Mal ist die Kinderoper inzwischen gespielt worden, unter anderem an der Staatsoper Hannover und am Saarländischen Staatstheater Saarbrücken. Nun wird das Stück an der Bayerischen Staatsoper inszeniert, zwei weitere Häuser in Deutschland werden folgen. Der große Erfolg des Werks, dem die einhundertste Aufführung bevorsteht, macht Gordon Kampe glücklich. Dadurch werde das Stück, das er mit der Librettistin Dorothea Hartmann entwickelt hat, erst lebendig. Ein zeitgenössisches Werk, so der Komponist, sei mit der Uraufführung noch im Rohzustand und gewinne seine Persönlichkeit erst, in-

dem es mehrfach aufgeführt werde. Der 40-Jährige schreibt nicht nur Kinderstücke; von den etwa drei bis vier Werken, die er pro Jahr komponiert, kammermusikalische, ­Orchesterwerke und Lieder, ist vielleicht eines für ein junges Publikum. „Es ist wichtig, sich nicht auf eine Zielgruppe festlegen zu lassen. Und vielleicht hilft es auch, der Gattung Kinderoper eine breitere Akzeptanz zu verschaffen“, sagt Gordon K ­ ampe. Denn ein Stück für junge Zuhörer ist alles andere als „Kinderkram“ – es ist, wie er sagt, kein Nebenprodukt, sondern eine ernsthafte Auseinandersetzung mit einem Stoff. Mit Ulf, Berra und Opa Nils ­entdeckt das Publikum, wie schön es für manchen Erwachsenen ist, ­wieder Kind zu sein, Kirschen in Nachbars Garten zu klauen und sich dann im Kerne-Weitspucken zu messen. Zugleich geht es in dem Stück um die Frage, was es bedeutet, wenn ein geliebter Mensch stirbt und für immer verschwunden bleibt. Kannst du pfeifen, Johanna zeigt, dass man manchmal traurig sein darf und sogar soll, aber dass Erinnerungen auch eine starke positive Kraft haben. „Meine Tochter war sechs Jahre alt, als ich das Buch von Ulf Stark zum ersten Mal in der Hand hielt“, erzählt Gordon Kampe. Die Deutsche Oper Berlin hatte ihn mit der Komposition einer Kinderoper beauftragt, Dorothea Hartmann Kannst du pfeifen, Johanna als Vorlage vorgeschlagen. Gordon Kampe sah sich das Buch zusammen mit seiner Tochter an und schluckte zunächst: schwerer Stoff. Wie sollte er daraus eine fröhliche Kinderoper machen? Aber

Gordon Kampe sah sich das Buch zusammen mit seiner Tochter an und schluckte zunächst: schwerer Stoff. Wie sollte er daraus eine f­ röhliche Kinder­oper machen? Aber es ist gelungen. Text Julia Kaiser



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VorstellungsankĂźndigung


Patrick Hahn, Musikalischer Leiter Rubrikentitel

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Patrick Hahn, Łukasz Kos und Paweł Walicki (Bühnenbildner) in der Säulenhalle des Postpalastes


es ist gelungen. Das Werk hat den Anspruch, Kinder ernst zu nehmen, und es stellt die Forderung auf, dass sich Erwachsene mit den Fragen von Kindern auseinandersetzen. Darin steckt das Erfolgsgeheimnis von Kannst du pfeifen, Johanna. Die Oper ist nicht in erster Linie ein Stück über den Tod, denn darum geht es nur ganz kurz gegen Ende, sondern hier wird das gemeinsame Leben der Generationen gefeiert, das Einander-­ Zuhören, Voneinander-Lernen und das Sich-Erinnern an Menschen, die man sehr gern hat. Der sensible Umgang mit einem ernsten Thema findet seine Entsprechung in der M ­ usik: Wenn Opa Nils stirbt, wird nur gesprochen; die darauf folgende­ ­ ­Musik ist heiter, wenn Ulf und B ­ erra den gemeinsam gebastelten Drachen steigen lassen. So hinterlässt die ­Geschichte eine respektvolle Melancholie – aber keine Traurigkeit. Auch der Regisseur Łukasz Kos ist sehr angetan von Ulf Starks Kinderbuch-Vorlage für die Oper. „Die Geschichte ist ganz einfach und doch sehr stark in ihrer Aussage. Sie behandelt die wichtigsten Gefühle der Kindheit und erforscht dabei zwei große Tabus unserer Zeit, Alter und Tod. Dinge, über die mit den eigenen Kindern zu sprechen jedem Erwachsenen schwerfällt.“ Łukasz Kos hat selbst drei Kinder. „Ich habe mit meinem sechsjährigen Sohn Ezra über die Geschichte gesprochen. Er hat mir geholfen, besser zu verstehen, wie die kleinen Helden denken. Sie planen eine wunderbare Geburtstagsfeier für Opa Nils. Das ist ein ganz besonderer Moment, weil sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben bewusst dafür entscheiden, einem anderen Menschen etwas Gutes zu tun.“ ­Tiefe Gefühle wie Liebe und Empathie ­werden hier thematisiert. Damit stehe diese Oper für Kinder einem Stück für Erwachsene in ihrer Bedeutung in nichts nach. Łukasz Kos liebt es, Opern zu inszenieren: „Ich fühle mich dabei wie Alice im Wunderland.“ Kannst du

Fotos Matthias Ziegler

pfeifen, Johanna ist seine dritte ­Arbeit an einem Opernhaus, „und dann noch an der Bayerischen Staatsoper, einem legendären Ort für Regisseure!“ Johanna wird auf der Bühne nicht auftauchen, aber die ­Erinnerung an sie wird immer da sein. In den Erinnerungsstücken, die Opa Nils aufbewahrt, wie das Halstuch seiner verstorbenen Frau, aus dem er mit Berra und Ulf einen ­Drachen baut, in dem alten Schlager und sogar in den Kostümen: „Die Mutter meiner Kinder heißt auch Johanna, und sie ist zugleich meine Kostümbildnerin.“ Über seine Inszenierung möchte der polnische Regisseur noch nicht viel verraten. „Erwachsene werden die Stimmen von Ulf und Berra sin-

gen, aber zwei Jungen werden sie auf der Bühne spielen. Außerdem sind auch die Musiker und der Dirigent Teil des Geschehens auf der Bühne. Denn es ist für Gordon Kampes Musik wichtig, dass man sehen kann, wer sie macht und wie sie entsteht.“ Łukasz Kos stimmt dem Komponisten zu: Kannst du pfeifen, ­Johanna ist auch für ihn ein Stück über das Leben, zu dem der Tod geliebter Menschen nun einmal ­ ­dazugehört. „Aber wenn man dem Tod ins ­Gesicht sieht und ihn als Teil unseres Daseins begreift, dann lebt man intensiver. Das Leben ist geheimnisvoll, manchmal schmerzlich, sehr intensiv – und sein wichtigster Bestandteil ist die Liebe, ohne die niemand ­leben kann.“

Julia Kaiser ist Journalistin im Bereich Musik, Musiktheater und Kulturvermittlung. Ihre Musikerporträts und Reportagen sind zu hören bei Deutschlandfunk Kultur und ­ver­schiedenen ARD-­Hörfunksendern. In ihrem Projekt JungeReporter.eu gibt sie ihre ­journalistische Erfahrung und ihre Faszination für i­hren Beruf an Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ­weiter.

Łukasz Kos, geboren in Warschau, studierte zunächst Theaterwissenschaften an der dortigen Theaterakademie und anschließend Regie an der Staatlichen Theaterhochschule in ­Krakau. Von 2001 bis 2002 war er Regisseur am Teatr Nowy in Łódź, wohin er regelmäßig als Regisseur zurückkehrt. Er inszenierte insbesondere zeitgenössische Werke u. a. am ­Theater TR Warszawa, Teatr Powszechny in Warschau und am Teatr Polonia in Warschau. An der Oper von Łódź inszenierte er Michael ­Nymans Kammeroper Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte, an der Staatsoper Warschau die Studioproduktionen ­Tagebuch eines Verschollenen von Leoš Janáček s ­ owie ­Shakespeares Sonette vom polnischen Komponisten Paweł ­Mykietyn. Zudem machte er immer wieder Theater für junges ­Publikum, darunter Inszenierungen am Warschauer Puppentheater, am Theater für Kinder und Jugend­liche IMKA sowie zuletzt Peter Pan am Nowy Teatr Warschau.

Gordon Kampe wurde 1976 in Herne geboren. Nach einer ­Ausbildung zum Elektriker ­studierte er Komposition bei Hans-­Joachim Hespos, Adriana Hölszky und Nicolaus A. Huber, ­außerdem Musik- und Geschichtswissenschaften in Bochum. Mehrfache Auszeichnungen, ­darunter der Folkwangpreis, der Stipendienpreis der Darmstädter Ferienkurse, der Stuttgarter Kompositionspreis (2007 und 2011), ein Komponistenpreis der Ernst-von-SiemensMusik­stiftung (2016) sowie der Rom-Preis (Villa Massimo) und der Schneider-Schott-Preis (2016). Er e ­ rhielt u. a. Stipendien der Berliner Akademie der Künste und Arbeitsstipendien für die Cité des Arts Paris, die Künstlerhöfe Schreyahn und Schöppingen sowie für das SWR-Experimentalstudio. 2008 Promotion mit einer Arbeit über Märchenopern im 20. Jahrhundert. Kampe ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Folkwang Universität der Künste und war 2014/15 ­Vertretungsprofessor für Historische Musikwissenschaft an der ­Justus-Liebig-Universität in Gießen. Seit 2012 ist Kampe ­gewähltes Mitglied der Jungen ­Akademie an der Berlin-­Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften/Leopoldina.

Festspiel-Werkstatt Kannst du pfeifen, Johanna Kinderoper (ab 7 Jahren) Von Gordon Kampe Premiere am Samstag, 8. Juli 2017, Postpalast an der Hackerbrücke Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

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AGORA im Postpalast: Claudia Irro, Benjamin David, Benedikt Brachtel und Valentin Kรถhler


Auf dem Weg in die digitale Katharsis

Das Musiktheaterkollektiv AGORA hat für eine ­ Spiel­zeit sein Laboratorium an der Bayerischen Staatsoper ­aufgeschlagen, um die Kunstform Oper unter die Lupe zu nehmen. Mit [catarsi] schickt die Gruppe das Publikum der Festspiel-­Werkstatt durch die Mikrostruktur von Beethovens Fidelio hindurch in eine digitale Katharsis. Uraufführung [catarsi]

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In der Antike bezeichnete „Agora“ den zentralen Marktplatz einer Stadt, der zugleich als sozialer Versammlungsort der griechischen Polis fungierte. Nicht zufällig wählte das Musik­ theaterkollektiv, das in der Spielzeit 2016/17 für ein Jahr an der ­Bayerischen Staatsoper arbeitet, den Namen ­AGORA: „Es geht um die Aktivierung der Oper als Begegnungsstätte“, betont die Kostümbildnerin Claudia Irro, und Benedikt Brachtel, der musikalische Kopf der Gruppe, ergänzt: „Zwar gibt es noch reale Marktplätze, aber die gesellschaft­ lichen Debatten verschieben sich zunehmend in den virtuellen Raum und verändern damit auch das künstlerische Leben.“ Wie sich dieser Wandel auf den Begegnungsort Oper auswirkt, demonstriert das Kollektiv mit den vier Teilen seiner Reihe ­Prozessor, die ihm Rahmen der Festspiel-Werkstatt mit [catarsi] zu Ende geht. Zunächst nannte sich das Musiktheaterkollektiv „In.The.Lab“ – und auch dieser Name hat program­ matischen Wert: Die fünfköpfige Gruppe versteht die eigene künstlerische Arbeit als musiktheatrales Laboratorium, in dem die Trägerstoffe der Oper isoliert und unter die Lupe genommen werden: Wort und Sprache, Klang und Musik, Szene und Aufführung. „Uns interessieren Experimentalanordnungen mit dem Fokus auf Formatfragen, die über die vierte Wand und das Prinzip der Guckkastenbühne hinausreichen“, erklärt Brachtel. Ihm ist die Inte­ gra­tion neuer Technologien wichtig, um das multimediale Gesamtkunstwerk Oper in die digitale Jetztzeit zu ­ überführen. Dennoch hat das ­Kollektiv einen Klassiker als Untersuchungsobjekt seiner Prozessor-­ Forschungsreihe gewählt: Ludwig van Beethovens Fidelio, den die Künstler in ihrem Labor sezieren und neu zusammensetzen. Bewusst werde dabei, so Brachtel, eine „unreine Adaption“ – also eine weniger werkgetreue als diskursive Interpretation – gewählt, um „eine neue Sichtweise

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auf das Genre“ zu entwickeln und gemeinsam mit den Zuschauern den Fokus auf die Mikrostrukturen des Werkes zu lenken.

Ein musiktheatrales Laboratorium: Fidelio wird unter die Lupe genommen In Prozessor I standen visuelle und performative Perspektiven im Fokus. Zeitgleich zur Fidelio-Aufführung im Großen Haus baute AGORA auf der Probebühne der Staatsoper eine Parallelwelt auf. Mit Apps auf Tablets und Smartphones bewegte sich das Publikum durch ein Labyrinth, das die Grenzen von Bühne und Auditorium verwischte. Durch verschiedene Rückkopplungen mit der Aufführung auf der Hauptbühne – unter anderem durch eine Direktübertragung des Klangs sowie die Möglichkeit, individuell aus verschiedenen Kameraperspektiven zu wählen – entstand ein Panoptikum, in dem die (Re-)Aktion des Publikums selbst Teil des theatralen Geschehens wurde. Mit dieser Anordnung integrierte sich AGORA „als geladener und geduldeter Fremdkörper“ in die B ­ ayerische Staatsoper. Ein solches „Einnisten in eine Institution“ benennt ­AGORA als maßgeblich für die eigene Arbeit: „Wir schätzen die Reichweite, die Ressourcen und besonders das Fachwissen der Bayerischen Staatsoper“, erläutert Benedikt Brachtel den Ansatz. Das Anliegen ist kein Marsch durch die Institutionen, sondern mit der Institution Oper: „Unsere Arbeiten stellen den Versuch dar, das Musiktheater zu ergänzen und auszuweiten.“ Das Kollektiv interessiert sich weniger für Oberflächen als für die Strukturen und Funktionsweisen des Musiktheaters. Deshalb stand auch im zweiten Teil der Prozessor-Reihe

nicht die Aufführung von Fidelio als fertigem Werk im Fokus, sondern seine Erarbeitung: Das Publikum erlebte die Auseinandersetzung eines Tenors mit der Partie des Florestan und damit das spannungsvolle Verhältnis eines Darstellers zu seiner Partie. Der auf einer Drehbühne exponierte Sänger bot dem Publikum mit analogen Mitteln wechselnde Perspektiven und betonte damit das Unfertige und Prozesshafte als künstlerischen Akt, den sich AGORA auch in Prozessor III auf die Fahnen schrieb. Hier wurde der Klang-Körper Orchester in Szene gesetzt, bevor in der Festspiel-Werkstatt der Münchner Opernfestspiele der vierte und letzte Streich folgt, der die Fäden der Forschungsreihe zusammenführt: [catarsi].

Digitale Katharsis: „Was folgt“ Mit dem Titel [catarsi] greift A ­ GORA ein weiteres assoziationsreiches Phänomen auf: „Katharsis“ bezeichnet die Läuterung der Seele als Wirkung des antiken Trauerspiels sowie in der Psychologie die Befreiung von seelischen Konflikten. Mit dieser Namensgebung zielt das Musikthea­ terkollektiv auf die emotional reinigenden Effekte der Oper. [catarsi] wird in der Lesart der Gruppe zum utopischen Sehnsuchtsort, der Realität und Virtualität, analogen und digitalen Ausdruck als zwei Seiten einer Medaille ausstellt und in den zwei Welten des Fidelio kollidieren lässt: Das Publikum folgt mal Florestan in die virtuellen Welten seiner Träume, mal ist es gemeinsam mit Leonore auf dem Weg, ihn aus seinen scheinbar autistischen Visionen in die Realität zurückzuholen. Dafür wird der Werkstatt-Spielort Postpalast vom Publikum erkundet, der Zuschauer überquert ständig die Grenzlinie z­ wischen vorgestellter Welt und

Text Anna Schürmer


Beethovens Musik trifft an der imaginären ­Grenze von Alt und Neu auf die Klangvisionen Benedikt Brachtels, der sich als „Bartellow“ einen Namen in der elektronischen Clubszene gemacht hat. Sein feinsinniger, von rauschenden Frequenzen durchzogener Sound hat keine Angst vor treibenden Rhythmen und minimalen R ­ epetitionen, überraschenden Glitches und scheinbar zufälligen Klangereignissen. Rubrikentitel 63 63


Beobachterposition. Spiel und Repräsentation kreuzen sich in installa­ tiven Anordnungen, die die Rolle des ­Publikums infrage und auf die Probe stellen, indem die klassische ­Bühnensituation auch durch einen technologisch erweiterten Orchesterklang durchbrochen wird. Die Klänge eines zwölfköpfigen Instrumentalensembles werden durch ein 4D-Spatialsoundsystem und visuelle Projektionsflächen architektonisch geformt. Beethovens Musik trifft an der imaginären Grenze von Alt und Neu auf die Klangvisionen Benedikt Brachtels, der sich als „­Bartellow“ einen Namen in der elektronischen Clubszene gemacht hat. Sein feinsinniger, von rauschenden Frequenzen durchzogener Sound hat keine Angst vor treibenden Rhythmen und minimalen Repetitionen, überraschenden Glitches und scheinbar zufälligen Klangereignissen. Frei von ästhetischen Dogmen lässt seine unhierarchische Musikauffassung alte Stoffe neben elektronischen Klängen bestehen. Damit entspricht er den medialen Vorgaben der Digitalisierung, die jedem immer und alles zur Verfügung stellt: „Der Komponist wird zum Selektor, dem die Aufgabe zufällt, Sinn herauszufiltern.“ Benedikt Brachtel weiß um die Funktio­ nen und Möglichkeiten des Digitalen, die das Selbstverständnis des Musiktheaters als multimediales ­ Gesamtkunstwerk im Kern be­ ­ treffen: Virtualität, Hybridität und neue Technologien versteht er als öffnende Erweiterungen der Kunstform Oper. Claudia Irro vergleicht die Forschungsreihe Prozessor und speziell [catarsi] mit einem Katalysator – also einem chemischen Stoff, der eine Reaktion bewirkt. Und auf Rückwirkungen zielt auch das Musiktheaterkollektiv AGORA – nicht nur mit Blick auf die oben beschriebene (Re-) Aktivierung des Publikums, sondern auch in der künstlerischen Kollek­ tivarbeit: „Bei uns denkt etwa der ­Bühnenbildner auch über musika­

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lische und der Komponist ebenso über dramaturgische Entscheidungen nach“, erklärt Irro, „so kommt man zu anderen Ergebnissen“ – und dem selbstgesteckten Ziel näher, das „Phänomen Oper in Bezug auf ­ ­Institutionalisierung, auditive und visuelle Rezeptionsweisen durch den Zuschauer sowie Narrativität und Aktualität zu untersuchen“. Das Spielzeitthema Was folgt ergibt sich aus Sicht von A ­ GORA nicht zuletzt aus einer ­affektiven Berührung des Publikums, das bei [catarsi] durch eine musiktheatrale Katharsis ­geschickt wird.

AGORA ist ein 2015 entstandenes Musik­­­thea­terkollektiv, dem derzeit die Künstler ­Benedikt Brachtel, Anna Brunnlechner, ­B enjamin David, Claudia Irro und Valentin Köhler angehören. Die mehr­jährige Arbeit der einzelnen Mitglieder von AGORA an ­etablierten Theaterinstitutionen ebenso wie in der Freien Szene beeinflusst ihre Frage­ stellungen und Auseinander­setzungen rund um das Repertoire und die Form des zeit­ genössischen Musiktheaters. In der Spielzeit 2016/17 entwickelte das ­Kollektiv an der ­B ayerischen Staatsoper ­unter dem Titel ­Prozessor eine vierteilige ­Reihe, die mit ­[catarsi] abgeschlossen wird.

Anna Schürmer studierte Geschichte, ­Musikwissenschaften und Literatur in Berlin. Sie forscht zur elektronischen und digitalen Musik des 21. Jahrhunderts – u. a. in ihrer ­Eigenschaft als Mitglied der ERC-Forschergruppe „The Principle of Disruption“ – und ­arbeitet regelmäßig für Funk- und ­Print­medien, u. a. die neue musik­zeitung und den Deutschlandfunk.

FESTSPIEL-WERKSTATT [catarsi] AGORA Musiktheaterkollektiv Uraufführung am Mittwoch, 28. Juni 2017, Postpalast an der Hackerbrücke Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

Fotos Stefan Loeber


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Theater muss verführen! Porträtpuppe Nikolaus Habjan


Jane Hudson (Baby Jane)

Der Theatermacher Nikolaus Habjan inszeniert bei den Münchner Opernfestspielen Carl Maria von ­Webers ­romantische Oper Oberon. Im Gespräch erklärt er, was Puppen besser können als echte Schauspieler, warum es in Oberon für ihn um ­Menschenversuche geht und woher sein Faible für schwierige Stoffe rührt. Premiere Oberon, König der Elfen

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MAX JOSEPH Was war zuerst da, Ihre Begeiste­ rung für das Puppenspiel oder die für die Musik? NIKOLAUS HABJAN Meine Liebe zur Oper begann mit vier Jahren, die Puppen habe ich ein Jahr später entdeckt. Aber ich habe beide Leidenschaften schon früh kombiniert. In meinem Kinderzimmer habe ich mit Mario­netten Mozarts Zauberflöte nachgespielt: Ich habe mir zu jedem feierlichen Anlass eine Marionette ­gewünscht, bis ich die komplette Besetzung zusammenhatte. Seit damals träume ich davon, eine Oper mit Puppen zu inszenieren. Puppen funktionieren nämlich ­ großartig gemeinsam mit Musik. MJ Woran liegt das? NH Puppenspiel ist an sich schon sehr musikalisch. Es hat viel mit Technik und Timing zu tun. Ich habe im April Lessings Nathan der Weise am Wiener Volkstheater ­inszeniert. Da waren Schauspieler dabei, die noch nie mit Puppen gearbeitet hatten. Deshalb habe ich mit Musik geprobt, gesagt, sie sollen sich am Rhythmus festhalten. Das hat sehr geholfen. Erst bei den Endproben habe ich die Musik dann weggelassen.

kehrt ein junger Mann nach 20 Jahren zu seiner Mutter und Schwester nach Hause zurück, er übernachtet in ­ihrem Gasthof. Er gibt sich nicht zu erkennen und wird von den beiden ermordet, weil sie den vermeintlich Fremden ausrauben wollen. Er trinkt den vergifteten Tee, sinkt tot nieder, der Puppenspieler zieht die Hand aus der Puppe. Wir sehen, wie sie leblos daliegt. Dann sagt der Puppenspieler zur Mutter, die ebenfalls eine Puppe ist: „Ich bin es.“ Diese Metaebene mit Schauspielern herzustellen wäre viel schwieriger. MJ Sie haben ein Faible für Klassiker wie Faust oder Nathan der Weise. Was interessiert Sie an der romantischen Oper Oberon? NH Ich finde die Musik großartig. Den Originaltext ­kürzen wir ein wenig. Man sollte die Texte trotz mancher Fremdartigkeiten aus heutiger Sicht sehr ernst nehmen. Aber man kann ja konstatieren: Wenn ein Stück über Jahrhunderte auf den Spielplänen präsent war, dann kann es nicht ganz schlecht sein. Mich hat sehr geprägt, was der Regisseur Peter Konwitschny einmal über Werktreue gesagt hat. Für ihn bedeutet Werktreue nicht, dass man Der fliegende Holländer in einer Spinnstube s­ pielen lässt – bei ihm ist die Oper ja teilweise in ­ einem ­Fitness-Studio angesiedelt. Er fühlt sich dem Sinn eines Werkes verpflichtet und versucht, mit heutigen Mitteln das wiederherzustellen, was das Uraufführungspublikum empfunden hat – egal, ob es schockiert, belustigt, berührt war. Um das zu tun, muss man unter­ suchen, was die ­Intentionen des Stückes waren und wie man das heute noch umsetzen kann.

MJ Sie haben Musiktheaterregie studiert, dann aber begonnen, als Puppenspieler zu arbeiten. NH Während meines Studiums hatte ich einen Professor, der immer wieder zu mir sagte: „Jetzt werden Sie doch erwachsen und lassen die Puppen im Kinder­ zimmer.“ Was ich nie getan habe und sicher auch nie tun werde. Man hat einen völlig falschen Eindruck: ­Gerade in Österreich denkt man bei Puppen sofort an den Kasperl. Man meint, diese Art von Theater wäre nur für Kinder geeignet. Dabei gibt es eine starke Tradition von Puppentheater für Erwachsene. In dieser Hinsicht habe ich viel von dem australischen Puppenmeister Neville ­Tranter gelernt, bei dem ich mehrere Workshops absolviert habe. Er arbeitet mit lebens­ großen Klappmaulpuppen. Seine Stücke sind für Erwachsene gedacht und zeichnen sich durch einen bösen, abgründigen Humor aus. Sein bekanntestes Stück, Schicklgruber alias Adolf Hitler, spielt die letzten Tage im Führerbunker durch. In Wien ist die Tradition des Puppentheaters für Erwachsene ein wenig in Vergessenheit geraten. Als ich am Burgtheater 2012 an Fool of Love, einem Abend über Shakespeare-­Sonette, mitgewirkt habe, habe ich gemerkt, dass die Leute diese Art von Theater sehr wohl zu schätzen wissen. Man ­entdeckt die Puppen ­gerade wieder.

MJ Was bedeutet das konkret für Oberon? NH Oberon und Titania streiten sich ja, ob es wahre ­Liebe und Treue über den Tod hinaus gibt. Meine Überlegung dazu: Die beiden machen im Grunde nichts anderes als Menschenversuche. Der Verhaltensforscher Harry Harlow hat in den 1950er Jahren mit Rhesusäffchen ge­ arbeitet. (Siehe dazu auch den Text von Roland Borgards auf Seite 124). Das waren sehr umstrittene Experimente mit Primatenbabys, die er zwischen zwei Mutter-Surrogaten hat wählen lassen: Das eine war aus Draht, kalt und unbequem, aber mit einer Milchflasche, das andere ein ­gewärmtes Stofftier, aber ohne Futter. Die meisten ­haben sich für die warme Mutter entschieden und sind verhungert. Ganz wenige haben sich für die Drahtmutter entschieden. Die waren aber später in der Gruppe die ­totalen Soziopathen.

MJ Was haben Puppen Schauspielern voraus? NH Niemand kann so überzeugend sterben wie eine Puppe. Und: Man kann mit ihnen viele Ebenen einziehen. Das habe ich bei meiner Inszenierung von Das Miss­ verständnis gemerkt. In diesem Stück von Albert Camus

MJ Wie lässt sich diese Idee optisch umsetzen? NH Wir haben ein 50er-Jahre-Labor gebaut, in dem die Menschenversuche durchgeführt werden. Wir arbeiten mit Rorschachtests, Bildern aus der Psychiatrie aus dieser Zeit. Wir lassen auch viele seltsame Dinge, die in der

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Interview Karin Cerny


Puppe im Entstehen

„Egal, ob es um Unterhaltung geht oder darum, dem Publikum einen kritischen Spiegel vorzuhalten, am ­Anfang muss eine Verführung stattfinden.“


Don Quijote

„Ich wüsste gar nicht, wie man als Künstler nicht ­politisch sein kann. Selbst wenn man sagt, man wolle kein politisches Theater machen, ist das doch auch schon eine politische Haltung.“ Fotos Rosa Rendl


Oper vorkommen, bestehen, etwa, dass nur die Christen singen dürfen. Die Heiden singen erst, nachdem sie sich bekehrt haben. Drei von Puppenspielern dargestellte Labor­gehilfen thematisieren die Frage, warum in dem Stück der Gesang den Christen vorbehalten ist. Ich zeige also die Klischees, um sie zugleich zu hinterfragen. Was ich außerdem an dem Stoff spannend finde: Oberon ist ja eigentlich Alberich, eine Figur aus der germanischen Mythologie, der bucklige, hinkende Halb-Zwerg. Wie er es im Laufe der Zeit geschafft hat, sich in der Literatur in den wunderschönen Elfenkönig Oberon zu ver­ wandeln, wird auch ein Thema sein. MJ Sind für die Produktion eigene Puppen ­entstanden? NH Ja. Ich versuche, für jeden Stoff eine eigene Ästhetik zu finden. Lange Zeit wollte ich nicht mit realistischen Puppen arbeiten, gerade interessiert mich das sehr. In Oberon spielen wir mit dieser 50er-Jahre-Ästhetik. Die Puppen müssen in der Inszenierung auch als Labor­mäuse herhalten, bis sie anfangen zu rebellieren. MJ Experimente an Menschen haben Sie bereits in ihrem Stück F. Zawrel – Erbbiologisch und sozial minderwertig thematisiert. Woher kommt Ihr Inter­ esse für die Psychiatrie? NH Das lässt mich einfach nicht los. Ich möchte das ­Sujet auch einmal für Die Zauberflöte verwenden. Die Psychiatrie ist ein Feld, das eine künstlerische Auf­ arbeitung braucht. Das habe ich bei Zawrel gemerkt. Das Stück behandelt eines der schwärzesten Kapitel der österreichischen Geschichte: Friedrich Zawrel kam als Kind in die Fachabteilung Spiegelgrund für ­Kinder­psychiatrie, er wurde verhaltenstechnischen und medizinischen Versuchen ausgesetzt. Er konnte 1944 ­ fliehen. 30 Jahre nach dem Ende des Nationalsozia­ lismus b ­ e­ gegnete er dem damaligen Oberarzt wieder, der nun als Gerichtsgutachter aktiv war und ihm eine schwere ­ psychische Störung diagnostizierte. In der ­Folge wurde Zawrel für sechs Jahre inhaftiert. Er wurde erst 2004 rehabilitiert. MJ Wie sind Sie darauf gekommen, dass dieser schwierige Stoff überhaupt für ein Puppenstück ­geeignet sein könnte? NH Die Geschichte hat mich so gepackt, dass es gar nicht möglich gewesen wäre, das Stück nicht zu machen. Am Anfang dachte ich, es würde ein Flop werden, in den ersten Vorstellungen hatten wir im Schubert Theater, das 72 Plätze zählt, nur 14 Besucher. Ich war trotzdem froh, es gemacht zu haben, für mich und für Friedrich ­Zawrel, der das Stück auch noch gesehen hat. Nach einem Monat wurde es ein totaler Erfolg, ich spiele es noch immer, bekomme Einladungen bis nach New York.

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MJ Selbst bei harten Themen darf in Ihren ­Arbeiten der böse Humor nicht fehlen. Eine typisch österrei­ chische Haltung? NH Ich denke schon. Ich bin als Kind von meinen Eltern mit Helmut Qualtinger und Georg Kreisler versorgt worden – das hat Spuren in meiner Psyche hinterlassen. Aber es ist mir auch wichtig, dass man als Zuschauer ­lachen kann. Theater muss verführen! Egal, ob es um Unterhaltung geht oder darum, dem Publikum einen ­ ­kri­tischen Spiegel vorzuhalten, am Anfang muss eine ­Verführung stattfinden. MJ Fühlen Sie sich als politischer Künstler? NH Man beschäftigt sich ja mit den Menschen und seiner Umwelt, man verarbeitet doch immer, was einen umgibt. Ich wüsste gar nicht, wie man als Künstler nicht politisch sein kann. Selbst wenn man sagt, man wolle kein poli­ tisches Theater machen, ist das doch auch schon eine politische Haltung. MJ Sie haben in Wien Nathan der Weise insze­ niert. Haben Sie keine Angst vor diesen klassischen Schulstoffen? NH Ganz im Gegenteil. Ich erinnere mich immer, wie es mir als Schüler gegangen ist. Was hat mich genervt, was hat mir gefallen? Deshalb wollte ich den Nathan für Schüler spannend machen. Meine Inszenierungen sollen ein bisschen wie eine Einstiegsdroge wirken. Dass die Jugendlichen denken: Das war super, ich möchte wieder ins Theater gehen. Wenn das auch nur bei dreien so ankommt, dann habe ich gewonnen. MJ Gibt es eigentlich auch eine Habjan-Puppe? NH Es gab eine, aber das war mir dann doch zu unheimlich. Am bekanntesten ist sicher meine Jelinek-Puppe. Da rief mich der damalige Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann an und fragte: „Kannste Jelinek?“ Ich saß gerade in der U-Bahn und habe – zur Belustigung meiner Sitznachbarn – den Tonfall von Elfriede Jelinek nachgemacht. Das hat ihn überzeugt, er meinte, ich solle übermorgen zur Probe kommen. Innerhalb kürzester Zeit habe ich dann eine Jelinek-Figur gebaut. Jelinek selbst war sehr angetan von der Puppe, sie ließ sich von ihr bei ­einem offiziellen Anlass vertreten: 2013 nahm Jelineks Doppelgängerin den Nestroy-Autorenpreis an ihrer Stelle entgegen. Ich habe mit der Puppe ihre Dankesworte vorgetragen. MJ Jelinek hat Ihre Puppe also auch persönlich kennengelernt? NH Ja, ich war bei ihr zu Hause zu Besuch. Ich war furchtbar nervös, sie ist ja völlig mystifiziert, sie lässt sich seit zehn Jahren nicht mehr fotografieren. Ich l­ äutete an, sie hat eine Milchglasscheibe in der Tür, dann sah ich

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ihre Silhouette mit der Tolle. Dann ging die Tür auf, und sie sagte: „Ich hab nur einen trockenen Mohnstrudel und Tee. Ich bin keine gute Gastgeberin, wenn Sie das nicht stört.“ Wir haben lange zusammengesessen, es war ein sehr lustiges Gespräch. Am Ende haben wir dann Weichsel­likör getrunken. Wir stehen seitdem in regelmäßigem Kontakt. MJ Können Sie sich vorstellen, auch einmal Regie bei einem Stück nur mit Menschen, ganz ohne ­Puppen, zu führen? NH Unbedingt. Ich möchte nicht, dass man mich nur wegen meiner Puppen engagiert. Wenn es zum Stück passt, setze ich gerne Puppen ein. Aber ich sehe mich als Regisseur – die Puppe ist für mich nur ein Mittel. Ich würde zum Beispiel gerne Nestroy inszenieren, aber Puppen passen gar nicht dazu. Die Figuren in den Stücken von Nestroy sind durch ihre Sprache und ihre Charakterisierung haarscharf dem Leben nachempfundene Karikaturen; das mit Puppen zu doppeln, würde keinen Mehrwert bringen, sondern würde im Gegenteil die ­ Sozial­kritik der Stücke schmälern. Seine Figuren sind ja an sich schon sehr schräg. Je alltäglicher man sie zeigt, desto härter und treffender wird es. Ich höre auch bei ­Jelinek-Stücken viel Nestroy heraus – die Musikalität, das Mäandern der Sprache. Letztlich kommt man eben immer wieder auf die Musik zurück, das ist in der Oper nicht anders als im Theater.

Karin Cerny, im österreichischen Waldviertel geboren, hat in Wien und ­B erlin ­Germanistik und Theaterwissenschaft studiert. Sie arbeitet als Theater­kritikerin für das österreichische Magazin profil, schreibt ­regelmäßig für ­Theater heute und Spiegel Online. Für die Tageszeitung Der Standard ist sie als Reise- und Mode­journalistin unterwegs.

Nikolaus Habjan beschäftigte sich zeitgleich zum Studium der Musik­ theaterregie an der Wiener Universität für Musik und Darstellende Kunst mit dem Puppentheater und perfektionierte seine Puppenspieltechnik in Workshops bei Neville Tranter. Seine Figurentheaterproduktion F. Zawrel – erbbiologisch und sozial minderwertig wurde 2012 mit dem Nestroy Preis, 2014 mit dem Badener Grünschnabel und 2016 mit dem Wolfgang-Swoboda-Preis für Menschlichkeit im Strafverfahren ­aus­gezeichnet. Außerdem erhielt er 2016 den Dorothea-Neff-Publikums­ preis sowie den outstanding artist award des Österreichischen ­Bundeskanzleramtes und den Nestroy-Publikumspreis als beliebtester Künstler. Neben seinen Inszenierungen mit Puppen und Schauspielern (zuletzt etwa ­Gotthold Ephraim Lessings Nathan der Weise am Wiener Volks­theater) tritt Nikolaus Habjan mit der Musikbanda Franui mit dem Programm Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus im ­In- uns Ausland auf. Der Abend wird auch bei den Münchner Opernfestspielen gastieren.

Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus Lieder von Schubert, Schumann und Mahler treffen auf Texte von Robert Walser Musik Franui Musikbanda Puppenspiel und Rezitation Nikolaus Habjan Freitag, 28. Juli 2017, Prinzregententheater

Oberon, König der Elfen Romantische Feenoper in drei Aufzügen Von Carl Maria von Weber Premiere am Freitag, 21. Juli 2017, Prinzregententheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Vorstellung am Sonntag, 30. Juli auf www.staatsoper.de/tv Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

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Bewegungsskizze für den Maskenzug im dritten Akt von Die Gezeichneten von Hans Wildermann, Bühnenbildner der Münchner Erstaufführung, Privatarchiv Mario Hallhuber

Unsere Zeit ist voll seltsamer Dinge Unmittelbar nach der Festspielpremiere von Franz Schrekers Die Gezeichneten wird ­Krzysztof Warlikowskis Inszenierung von Richard Strauss’ Die Frau ohne Schatten wiederaufgenommen. Zwei Schlüsselwerke der Operngeschichte zur selben Zeit im Spiel­ plan und inszeniert vom selben Regisseur – dies hat unseren Autor Wolfgang Molkow angeregt, diese beiden Opern miteinander zu ­vergleichen. Sie erweisen sich dabei als Spiegel ihrer ­Epoche – mit vielen ­Gemeinsamkeiten, aber auch entscheidenden Unterschieden.

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Vorstellungsankündigung


Kunstwerke sind Solitäre; ihre Schöpfer haben oft „mit dieser Welt nichts gemein“, wie es der Komponist im Vorspiel der Oper Ariadne auf Naxos von Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss ausdrückte. Strauss war Individualist per excellence, der jedem Werk etwas Unverwechselbares, nur ihm Eigenes zu geben verstand. Franz Schreker, gerade anderthalb Jahrzehnte jünger, erweist sich heute als singuläre Erscheinung: der Mann, den sein Apologet, der einflussreiche Kritiker und spätere Intendant Paul Bekker, als einzig würdigen Nachfolger Richard Wagners auserkor („das gleiche Phänomen, nur […] in ganz anderer Verkörperung“). Strauss und Schreker – zwei große ­Zeitgenossen, die zu Antipoden wurden und ganz verschiedene Positionen ­ver­traten. Und doch lohnt es sich, gerade sie miteinander zu vergleichen. Weil sie als Rivalen gesehen und gehandelt wurden – und auch, weil Schrekers Opern Die Gezeichneten und Der Schatz­gräber Strauss’ unbeseelte Kaiserin aus Die Frau ohne Schatten nach Kriegsende 1918 zunächst weit in den Schatten stellten. Strauss’ Textdichter Hugo von Hofmannsthal sieht in Schrekers Schaffen Tendenz, Naturalismus, ­typischen Zeitstil – Musikgeschichte. Der oben zitierte Bekker wiederum – in dem Dichter und Komponist den „üblen“ Propagandisten wittern – stempelt die Werke von Richard Strauss innerhalb der Wagner­-Nachfolge als „reine Musizier­opern“ ab. Ein Urteil, das auch der Frau ohne Schatten einen aufgeblähten Orchesterapparat neben bloßem Schöngesang bescheinigt – ein rein artifizielles Musiktheater also. Kunstwerke haben ihre Aura, aber auch ihr Geschichtsumfeld; und so rückt mitunter näher zusammen, was einmal scharf getrennt war. Ein erstes Band zwischen Die Frau ohne Schatten und Die Gezeichneten knüpft der Erste Weltkrieg: Beide Werke gelten als „Friedenswerke“, als von ihren Autoren bewusst zum Kriegsausbruch gestaltet. Schreker formuliert das deutlich, wobei er prophetisch vom „Zusammenbruch“ deutscher Kultur spricht: „Und nun die Gezeichneten! Ich Unseliger schuf sie im tiefsten Frieden. In der Musik, in dem degenerierten Charakter dieses Werkes ist der Zusammenbruch Deutschlands, ja der Untergang unserer Kultur, einem Menetekel gleich, deutlich erkennbar.“ Schreker selbst erkennt, dass seine aufwendige Künstleroper im Kostüm der Renaissance nicht bloße Privattragödie ist, sondern dass der Riss durchs Ganze geht, sprich: dass diese süchtig-sehnsüchtige Musik den Untergang einer ganzen Kultur verkörpert. Fast nimmt er das Urteil vorweg, das der Kritiker Hans ­Mayer angesichts von Schrekers sechster Oper Irrelohe von 1924 ein halbes Jahrhundert später formuliert: „Es wird offenbar, dass Schreker insgeheim und vielleicht entgegen den eigenen Impulsen zum ersten Mal gewagt hat, den Mythos vom Ende der Kunst als Kunstwerk zu gestalten.“ Doch auch Hofmannsthal ist überzeugt, bei seinem Märchen von der kinderlosen Feenkaiserin und der fruchtbaren, aber frustrierten Färberin von den „letzten Dingen“ zu reden: Verwandlung durch Selbstüberwindung, Triumph der Gattenliebe über seelische Verfinsterung. Anfang 1914 schreibt er an Strauss: „Ich glaube auch, dass Ihr Weg bei der Komposition dieser drei Akte der des Dante sein wird: aus der Hölle durchs Fegefeuer in den Himmel des dritten Aufzuges.“ Zehn Monate später spricht Hofmannsthal bei der Vollendung des zweiten Aktes davon, dass das „Ungeheure, was dieses Jahr uns gebracht, in mir selbst in geheimnisvoller Weise vorweggenommen“ sei. Und er betont Anfang 1915, dass die Ethik seiner Dichtung nach diesem Kriege benötigt werde, ja, dass die „Frau ohne Schatten, um des Themas wie um der Durchführung willen außerordentlich gut und ehrenvoll wird ­b­­e­­stehen können“.

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Wenn bei Schreker die subjektive „Tragödie des hässlichen Mannes“ (der so betitelte Auftrag stammt von Alexander von Zemlinsky) in eine totale Untergangsvision mündet und wenn bei Hofmannsthal und Strauss die Wahl eines orientalischen Märchen- und Verwandlungsstoffes sich zum Läuterungsdrama der Menschheit erhebt – dann wird der große Ernst sicht- und hörbar, mit dem in beiden Fällen das drohende Unheil des Weltgeschehens wahrgenommen und gespiegelt wird. Schreker steht allerdings mit seinem „Menetekel des Untergangs“ dem Pessimismus eines Alban Berg – der etwa im letzten Satz seiner Drei Orchesterstücke op. 6 eine Vision der kommenden Weltkriegs­ katastrophe musikalisch erfahrbar zu machen scheint und in seinem Wozzeck dem Menschheits­abgrund Krieg noch den „schwindelnden“ Abgrund des Menschen selber hinzugefügt hat – weit näher als ­Hofmannsthals optimistischer Versöhnungsgeste. Einige wenige Berührungspunkte und Konvergenzen zwischen den Gezeichneten und der Frau ohne Schatten lassen recht bald wahre Gegensätze und grundverschiedene künstlerische Aussagen durchscheinen. Gemeinsam ist den Werken zumindest die Beurteilung durch ihre Schöpfer: Schreker sieht Die Gezeichneten, in denen sich sein dramatischer Stil so ideal wie sonst kaum je mit seiner Klangästhetik verbindet, keineswegs als sein bestes Werk an. Und distanziert steht der Pragmatiker Strauss dem „Schmerzenskind“ Frau ohne Schatten gegenüber – so nennt er selbst das Werk in seinen ­Betrachtungen und Erinnerungen –, das entgegen Hofmannsthals Hoffnung nach dem Krieg von Bühne zu Bühne strauchelt. Strauss weiß um die Mysterien und ­Raffinessen seiner hochkomplexen Partitur, hält das Werk für „über dem Niveau der heutigen Kulturwelt“ stehend und überlässt das Fazit der Mit- und Nachwelt, wenn er anmerkt: „Künstlerische Menschen halten die Oper für mein bedeutendstes Werk.“ Den Hauch des Anrüchigen, Skandalträchtigen haben Die ­Gezeichneten der Frau ohne Schatten freilich voraus. Die weiße Gazelle, in die sich die Kaiserin immer wieder und wieder zurückzuverwandeln wünscht, um die ­ Erbeutung durch den Kaiser noch einmal aufs Neue zu erleben, kann sich an erotischer Gewagtheit mit dem Renaissance-Schocker, seinen Orgien und ­Vergewaltigungen in der Lustgrotte auf Alvianos Elysium nicht messen. Wenn Schreker vom „degenerierten Charakter“ seiner Musik schreibt, dann meint er damit wohl auch den um 1912 für überlebt gehaltenen Stil des ­decadentismo – ein Wort des italienischen Ästhetizisten Gabriele D’Annunzio, der damit die morbidezza seiner in Liebesrausch und Todestaumel an Versen trunkenen Stücke bezeichnet. Ihren Einzug in die Oper halten solche ­Stoffe bei Max von Schillings, Erich Wolfgang Korngold, Riccardo Zandonai, Alexander von ­Zemlinsky, Umberto Giordano, Ruggero Leoncavallo und Pietro Mascagni. Auch Schreker beschwört die Tragödie des Hässlichen auf der Folie prunkender Gegenwelt der Renaissance. Seinem buckligen Edelmann Alviano Salvago stellt er die schöne Carlotta Nardi gegenüber, die das Liebeswerben des gleißenden Prinzen Tamare verschmäht und von der eigenen Bildidee eines im Morgenrot zu sich selbst findenden Künstlers Alviano erfüllt ist. Denn der lichtscheue Alviano führt zugleich die Leitidee des F ­lorentiner Medici-­ Herrschers Lorenzo Magnifico ­„L’arte al potere“ (Kunst an der Macht) fort, die in Die Gezeichneten zur pervertierten Losung wird: „Die Schönheit sei Beute des Starken.“ Und Alviano ist der Schöpfer eines „verkörperten Schönheitsgedankens“, des Traum-­Eilands Elysium. Er stellt sich dies zunächst als Refugium vor, dabei einer Funktion nahekommend, die der Regisseur ­Krzysztof Warlikowski für das Theater beschreibt: „Das Theater ist eine Insel in einem Meer von Angst.“ Alviano ist ein Erkennender, doch schwach und

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Text Wolfgang Molkow


Skizze zum 3. Akt von Die Gezeichneten, Hans Wildermann, Privatarchiv Mario Hallhuber

Die Gezeichneten Ein künstliches Paradies wollte sich der missgestaltete Adelige Alviano Salvago schaffen – doch seine Insel Elysium ist zu einem Ort des Verderbens geworden. Seine adeligen Freunde entführen genuesische Mädchen dorthin und zwingen sie, an Orgien teilzunehmen, die sie in einer geheimen Grotte feiern. Anschließend werden die Mädchen ermordet. Als Alviano dies erfährt, ist er entsetzt. Er verkündet seinen Freunden, er wolle die Insel den Bürgern Genuas schenken. Sie protestieren, weil sie um die Entdeckung ihrer Untaten fürchten. Indessen empfängt Alviano bereits den Podestà – den Gouverneur Genuas – und dessen Tochter Carlotta, der die Schenkung im Namen der Bürger entgegennehmen soll. Die Malerin Carlotta hat die Aufmerksamkeit des jungen Adeligen Tamare erregt. Sie weist seine Avancen jedoch zurück und wendet sich stattdessen Alviano zu, den sie malen will. Der Übergabe der Insel soll auf Wunsch der Bürger noch der Herzog Adorno zustimmen. Tamare spricht bei ihm vor, um die Schenkung aufzuhalten und ihn als seinen Freund zu bitten, für ihn bei Carlotta zu werben. Sollte sie seine Liebe nicht erwidern, will Tamare sie sich mit Gewalt nehmen. Der Herzog durchschaut die grausamen Geschehnisse in der Lustgrotte der Insel und will ihnen ein Ende bereiten. Durch ihre Kunst sind Carlotta und Alviano sich nähergekommen, und sie gesteht ihm ihre Liebe. Doch Alviano, hin- und hergerissen zwischen sexueller Lust und ihrer Unterdrückung, gibt seinem Verlangen nach Carlotta nicht nach, da er erkennt, dass sie an einer geheimnisvollen Krankheit leidet, die sie schwächt. Als Alviano seine Insel ungeachtet der Warnung Adornos für die Bürger Genuas öffnet, sind diese überwältigt von der Schönheit des Ortes. Alviano sucht verzweifelt nach Carlotta – auch sie ist dem Zauber der Insel erlegen und Tamare in die Lustgrotte gefolgt. Alviano wird die Schuld am Raub und an der Ermordung der Mädchen gegeben, doch die Bürger Genuas schützen ihren Gönner. Als Alviano endlich in der Grotte Carlotta findet, liegt sie im Sterben. Tamare höhnt, Carlotta habe sich ihm freiwillig hingegeben. Rasend vor Eifersucht ersticht Alviano ihn. In dem Moment erwacht Carlotta und ruft mit ihrem letzten Atemzug nach Tamare. Alviano verfällt dem Wahnsinn.

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„flügellahm“, wie Tamare in der Oper sagt. So werden aus einem Locus ­amoenus und aus bukolischer Spiellaune Gewalt: Was ­Alviano selber meidet, verwandeln seine adeligen Freunde in hedonistische Barbarei durch Raub und Verführung der Töchter Genuas. Tönendes Signum des Schönen ist neben ­Elysium das Thema des Rivalen ­Vitellozzo Tamare: auftrumpfendes D-Dur, dessen brutale Sinnlichkeit sich im Rankenwerk tosender Arpeggien und Triolenketten bricht. Alviano und Carlotta sublimieren ihre Sehnsucht in und durch die Kunst; musikalisch hüllt sich ihr scheu aufsteigendes Thema in neblig irisierende Klangschleier. Nordische Gedankenschwere gegen italianità, flackerndes Halbdunkel gegen klare Sonne des Südens. Auch die Sphären von Geister- und Menschenwelt in Die Frau ohne Schatten sind geprägt vom Kontrast schön-hässlich. Wenn Kaiserin und Amme in den Pesthauch der Menschenwelt hinabgleiten, öffnet sich grell dissonant der mänadische Schlund zur trüben Färberhütte mit ihrem vierschrötigen Färber samt missgestalteten Brüdern. Bei der Verwandlung der Färberhütte in den Wunschpalast zwecks Verführung der Färberin wendet Strauss ähnliche Mittel an wie Schreker. Er webt und träufelt in seine exo­ tische Farbpalette Nonen­akkorde und Dreiklangsgirlanden. Die Vokalisen der Sklavinnen schaffen ein dionysisches Raumgefühl wie die wogenden Nachtchöre der Elysiumsszene bei Schreker. Eine Lustwelt in der Frustwelt. Verführung durch Klang geschieht ausgiebig in beiden Opern. Doch was dort auf orgiastischer Leinwand in wilder Farb­ mischung züngelt, bleibt bei Strauss malerische Episode. Seinem Färber Barak gleich entwirft er schillernde Dessins und erzeugt durch ausgedehnte Instrumentalsoli Kunstmärchencharakter. In den Zwischenspielen erzählt er, raunt er, exotisiert er symphonisch, während die Musik der vokalen Aktionen durch Abgründe und Höhenflüge rast. Schrekers Musik dagegen leidet mit ihren Geschöpfen, zerbricht den Schönheitskult und taucht ins nächtige Dunkel des Wahns. Mit der fragilen Seelenzeichnerin Carlotta gelingt ihm die wohl interessanteste Frauenfigur der Freud-­Epoche; halb Konterfei der schönen Alma Mahler, halb antike Bacchantin, wächst sie in ihrer Mischung aus Anteilnahme, Entrücktheit und grausamer Lüsternheit weit über die Schablone der affektierten Künstlerin hinaus (Tamare zu Alviano: „größer als du schuf sie sich frei“). Um ­ hier an Exzentrik mitzuhalten, muss H ­ ofmannsthal trio von Kaiserin-­­ Amme-­ Färberin greifen. (In Elektra, im zum Frauen­ ­Rosenkavalier und noch in der Arabella begegnet uns ebenfalls die Hofmanns­ thal’sche „Konfiguration“ dreier Frauenfiguren.) Dämonische Amme, hysterische Färberin und opferbereite Kaiserin bilden eine explosive Trias weib­ licher Affekte. Gegenüber der sinnlich erregbaren, doch braven Färberin ist die intellektuelle Carlotta gefährdeter. Sie verfällt eben dem Zauber, den sie durch ihre Malerei zu bannen glaubt. Romantische Offenbarungsbilder – zu ihnen zählt auch das Porträt Alvianos – sollen einlösen, was sie ihrer Libido schuldig bleibt. C ­ arlottas Seelenkonflikt äußert sich in einem mit wahrer Obsession verfolgten Bildmotiv: Hände in allen Variationen und Stellungen. Im Fetischcharakter dieser Händevisionen ­teilen sich Angst vor Berührung und Sehnsucht nach ihr mit. Von Erstarrung dieses Triebwunsches kündigt das Bild der Totenhand. Gläserne Moll-Akkorde suggerieren harmonischen Stillstand. Diesem Horror­symbol steht überraschend analog das Symbol der fünf Fische in der Pfanne gegenüber, aus denen mit kakophonen Zuckungen die Stimmen der Ungeborenen an die Ohren der entsetzten Färberin dringen. Sie hört Stimmen, Carlotta malt knochige Hände: In beiden Fällen m ­ arkieren Todessymbole die Schreckrufe einer entfremdeten Welt.

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Skizze zum 3. Akt von Die Frau ohne Schatten, Alfred Roller, Richard-Strauss-Institut Garmisch-Partenkirchen

Die Frau ohne Schatten Seit der Menschenkaiser sie erobert hat, lebt die Tochter des Geisterkönigs Keikobad in einem Zustand zwischen den Welten: Jede Nacht verbringt der Kaiser bei ihr, mit jedem Tagesanbruch geht er auf Jagd. Dann flieht die Kaiserin ins Träumen, sehnt sich danach, sich wieder in die Gazelle zu verwandeln, in deren Gestalt der Kaiser sie erjagt hat. Diese Fähigkeit zur Verwandlung ist ihr verlorengegangen, aber auch ganz Mensch ist sie noch nicht geworden: Sie wirft keinen Schatten, da es dem Kaiser bislang nicht gelungen ist, sie zur Mutter zu machen. Was das Paar nicht weiß: Wenn dies innerhalb eines Jahres nicht geschieht, muss die Kaiserin zu ihrem mächtigen Vater zurückkehren, der Kaiser jedoch wird versteinern. Drei Tage sind es nur noch, bis die Frist abläuft. Als die Kaiserin von dieser Gefahr erfährt, fleht sie ihre zauberkundige Amme an, ihr einen Schatten zu verschaffen. Gemeinsam brechen die Frauen in die Welt der Menschen auf, um einem von ihnen seinen Schatten abzukaufen. Die Frau des Färbers Barak scheint der Amme geeignet für diesen Handel. Sie ist der Armut an der Seite ihres Mannes überdrüssig, den sie zudem für die Kinderlosigkeit ihrer Ehe verantwortlich macht. Als Dienerinnen verschaffen sich Amme und Kaiserin Zugang zum Färberhaus, versprechen der frustrierten Färberin für den Verzicht auf den eigenen Schatten all das, wonach diese sich sehnt: Reichtum, Schönheit und Jugend. Die Amme entfremdet die Eheleute einander immer mehr und verschafft der Färberin verführerische Gelegenheiten, ihren Mann zu betrügen. Die Kaiserin bekommt Mitleid mit dem Färber, der nicht weiß, wie ihm geschieht. Als die Färberin ihrem Mann die Treue aufkündigt und schwört, für immer auf Kinder zu verzichten, reagiert der Färber mit Gewalt. Er will seine Frau erschlagen. Da tut sich die Erde auf, und alle finden sich im Reich des Geisterkönigs wieder. An diesem Ort des Gerichts suchen Färberin und Färber einander voller Reue. Die Kaiserin besteht eine Prüfung: Noch angesichts des ver­steinernden Kaisers weigert sie sich, den unlauter erworbenen Schatten der Färberin anzunehmen. Mit dieser Absage an ein eigenes Glück durch das Leid anderer rettet sie dem Kaiser das Leben, und die zwei Paare finden in Liebe wieder ­zueinander.

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Auf sprachlicher Ebene begegnen sich die beiden Werke nicht auf Augenhöhe: Da ist die hochpoetische, stilistisch ausgefeilte Dichtung Hofmannsthals; und da ist im Falle Schrekers ein vom Komponisten selbst gefertigtes Libretto mit erheblichem Niveaugefälle und häufigem Abgleiten in Vulgär- und Trivial­ sprache. Selbst Paul Bekker verbietet sich, „solche Dichtung literarisch zu bewerten“, und definiert sie lediglich als „Wortumgrenzung der Musik“. Sie ist weit mehr, offenbart ihre Tiefe allerdings erst bei genauer Lektüre. Ähnlich Unterschiedliches mag für die Stimmbehandlung gelten: Der von Bekker benannte „bloße Schöngesang“ bei Strauss entpuppt sich als hochvirtuoser, alle Stufen der „Dialogfarbenskala“ vom Rezitativ und Melodram über ­dramatischen Dialog, Arioso und Koloratur bis zum polyphonen Ensemble durchlaufenden Vokalstil. Der Schreker’sche Gesang hingegen ergeht sich streckenweise in simplem Deklamato mit Aufschwüngen ins Arioso. Der Liedton und die gemessen an Strauss einfachere Orchesterpolyphonie ­ordnen sich dem berühmten Schreker’schen Klangmysterium unter, das als über­ sinnlich-sinnliches Ereignis die Partitur bestimmt und die Szene beherrscht. Verführung zu Schönheit und Opulenz stehen bei Strauss im Dienst sittlicher Weltordnung und Hierarchie. Zwar entfachen die höheren Mächte in Die Frau ohne Schatten in der Menschenwelt einen Seelenaufruhr, der sich in vokalen wie orchestralen Exzessen, in „Nervenkontrapunktik“ und „überreizten“ Klängen austobt (Strauss in einem Brief an seinen späteren Librettisten Joseph Gregor). Doch findet dieser Aufruhr ­seinen Stillstand in den reinen Prüfungsakkorden der Tempelszene, die zur Erlösung der beiden Paare führt. Diese Ordnung wird in Schrekers multimedialer ­Verführungsorgie, sprich im Elysium, aufgegeben. Schon im zweiten Akt sinniert Tamare: „Der Schein der Fackeln vergoldet alles. Im Taumel der Orgie wird hässlich schön und das Schöne hässlich. Die Gegensätze schwinden im Rausch.“ Elysium ergeht sich in nahen und fernen Filmklängen, als betrete Carlotta die Gestade Holly­ woods. Ein stetig wachsender Klangtaumel mäandert in konturloser Rauschmusik, Vorläuferin von Psychedelic Rock. Angesichts dieses Gegen­satzes lohnt ein Vergleich der beiden Liebes­duette der Opern: „Mir anvertraut“ im dritten Akt der Frau ohne Schatten und „Was fliehst du vor mir?“ aus dem dritten Akt der Gezeichneten. Das in getrennten Kerkern schmachtende Färberpaar sehnt sich nach Vereinigung. Bei Schreker findet die vom „furchtbaren ­Zauber“ Elysiums überwältigte Carlotta endlich in die Arme des bisher von ihr ­abgewiesenen ­Tamare. Der Grundausdruck beider Duette liegt in melodischer Trivialität, die bei Schreker in süffigem Filmsound, bei Strauss in Ehekitsch mündet. Zu Strauss’ bewährtem Opernrezept gehört nach eigener Aussage der obligate Ohrwurm mit „Dienstmädchenterzen“, wohingegen Schrekers ­ero­tischer „Abstieg“ in Lehár’sche Gefilde den Ausdruck seiner Volksnähe ­darstellt. „Alle Märchen werden lebendig!“, schwärmen die genuesischen Adeligen in Die Gezeichneten, und tief in die Welt des orientalischen Märchens taucht Die Frau ohne Schatten ein. Die Wiener Zauberposse bildet die gemeinsame Quelle. Aus ihr wie aus den Märchen Carlo Gozzis bezieht nicht nur Hofmannsthal seine Symbole, sondern auch Schreker seine Wunderinstru­ mente: Was Keikobad, Falke und Gazelle bei Hofmannsthal, das sind in ­Schrekers Opern Windharfe, Laute, Spielwerk und Wunder­orgel. Doch ver­ lieren diese Instrumente ihre Zauberkraft durch ­ Abwandern der Taminos (über das Theater Raimunds und Nestroys in Richtung Hauptmann und ­Wedekind) in den Naturalismus. Hofmannsthal will die Menschheitssymbole der Zauber­flöte erneuern; in den Gezeichneten werden die Ideale zert­rümmert. Schreker lässt an der Stelle realer Geisterstimmen die Stimmen des

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In den Zwischen­ spielen erzählt er, raunt er, exotisiert er symphonisch, während die Musik der vokalen Aktionen durch ­Abgründe und ­Höhenflüge rast. Schrekers Musik dagegen leidet mit ihren Geschöpfen, zerbricht den ­Schönheitskult und taucht ins ­nächtige Dunkel des Wahns.


­ nter­bewussten ertönen und setzt der Barocknatur Strauss den im Zwielicht U der Moderne stehenden Zweifler entgegen. Doch ist bei aller Disparatheit beiden Werken ein subtiles Ingrediens gemeinsam, nämlich das Geheimnis im Sinne Oscar Wildes: „das Geheimnis der Liebe ist größer als das Geheimnis des Todes“ (Salome) – das Geheimnis des „Schattenkaufs und des Preises“ bei ­Hofmannsthal/Strauss und das Geheimnis der Minne- oder Liebesgrotte, ­Symbol für das Weibliche und Erdhafte bei Schreker. Um Bedrohung und ­Verletzung beider Bereiche kreisen diese zwei Werke. Die Färberin lernt die Liebe, bevor sie die Mutterschaft erfüllt; die Kaiserin entsagt ihr aus Liebe und erringt den Schatten. Der Künstler Alviano meidet die geheime Grotte als Verführungsort junger ­Mädchen, der sinnliche Tamare reißt Eros in die Antike zurück. Es sind nicht zuletzt diese vielschichtigen Facetten von Liebe und Sinnlichkeit, die die beiden Werke für das Theater Krzysztof Warlikowskis prädestinieren. In den t­reffenden Worten Renate Kletts: „Warlikowskis Theater kreist stets um die Geheimnisse von Lieben und Begehren, es bohrt seine Pfeile ins Fleisch des Zuschauers, auf dass der Schmerz Kopf und Herz befreie. Es ist ein politisches Theater voller Sinn­lichkeit und Erkenntnis. Dass die Katharsis nicht mit heiligem Pathos daherkommt, sondern sehr irdisch, mit lädierten Engeln und Menschen, sexy und unverschämt, das macht sie unwiderstehlich.“

Wolfgang Molkow ist Pianist, Komponist und Rundfunkautor. Er arbeitete als Musik­kritiker beim Tagesspiegel und schrieb für die Berliner Fest­wochen ­mehrere erfolgreiche M ­ usikrevuen. Von 1981 bis 2014 lebte ­er ­in der ­Toskana, wo er das ­lokale Musikleben mit­gestaltete; in Perugia veran­staltete er beispielsweise Opern­kurse. ­Wolfgang Molkow w ­ urde mit verschiedenen Preisen a ­ usgzeichnet, u. a. 1991 mit der Ehren­medaille des Foyer des ­Artistes in der Aula Magna der ­Università di ­Sapienzia von Rom.

Die Frau ohne Schatten Oper in drei Akten Von Richard Strauss Musikalische Leitung Kirill Petrenko Vorstellungen am Sonntag, 2. und Mittwoch, 5. Juli

Die Gezeichneten Oper in drei Aufzügen Von Franz Schreker Premiere am Samstag, 1. Juli 2017, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere auf www.staatsoper.de/tv Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

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In Tönen denken, Bei den Münchner Opern­ fest­spielen dirigiert Ingo ­Metzmacher Die Gezeichneten, ­Ivor ­Bolton ­Oberon. Im ­Gespräch mit MAX ­JOSEPH teilten die ­beiden ­Dirigenten ihre Gedanken über den künstl­e­r­ischen ­Prozess vom Partitur­studium über die Proben­phase bis zur ­Aufführung.

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English Excerpt Page 227


Facetten genieSSen MAX JOSEPH Kunst zielt immer auf Gelingen – und muss ­dafür manchmal auch Risiken eingehen. Woran erkennen Sie selbst, dass eine Aufführung gelungen ist? INGO METZMACHER Das ist eine umfassende Frage, denn da kommen viele Dinge zusammen. In Bezug auf die Musik kann ich nur sagen: Eine Aufführung ist dann gelungen, wenn der Fluss stimmt. Das ist, wie wenn man mit einem Boot auf einem Fluss unterwegs ist. Da merkt man auch, ob man das natürliche Fließen des Flusses erwischt oder nicht. Wenn es fließt, ergeben sich die Dinge organisch auseinander. Wenn in der Musik Übergänge stimmig und folgerichtig wirken, ­gelingt es. IVOR BOLTON Ich glaube, dass das Publikum ein gutes Gespür hat, ob eine Aufführung gelingt. Wenn der ­Probenprozess harmonisch und produktiv war, wenn man hart arbeitet – und vor allem, wenn man gut zusammenarbeitet. Oper ist immer Teamwork: Nur wenn alle Beteiligten sich gemeinsam bemühen und an einem Strang ­ziehen, kann man zu einem wirklich guten Ergebnis kommen. MJ Das Publikum kennt Dirigenten in der Regel vor allem im Glanz der Aufführung und weiß natürlich von der ausführ­ lichen, mehrwöchigen Probenzeit. Wie wichtig ist für Sie das den Proben vorangehende Studium der Partitur? IB Das Partiturstudium ist für mich die wertvollste Zeit – ich genieße diese Tage sehr und halte sie mir konsequent frei. Man dringt dabei tiefer und tiefer in die Werke ein und kann ganz in der eigenen Geschwindigkeit arbeiten, auch weil die Zeit nicht so beschränkt ist wie bei den Proben, die ihren eigenen Rhythmus haben.

MJ Was ist Ihnen bei dieser Arbeit besonders wichtig? IB Zunächst ist es mir wichtig, einen guten Überblick über das Stück zu bekommen. Ich bin geradezu besessen ­davon, die Strukturen der Phrasen und die Zahlen der ­Takte herauszuarbeiten, etwa die ungeraden Taktzahlen bei Beethoven oder Schubert. Solche Unregelmäßig­keiten sind sehr wichtig für die Interpretation: Man muss nachvollziehen, was zu einer bestimmten Zeit außerhalb der Norm war, was neu wirkte. Und dann interessiert mich die Orchestrierung in allen Details – etwa wenn es darum geht, ungewöhnliche Farben und Effekte für einen b ­ estimmten Komponisten ausfindig zu machen. Carl ­Maria von Weber war ein fantastischer Orchestrator, ­dessen Mittel etwa von Wagner, Mahler und Strauss weitergeführt wurden – er hatte durch seine Klangfantasie einen enormen Einfluss auf die spätere Musik des 19. Jahrhunderts. Oberon führt direkt zum Fliegenden Holländer und ist auch dadurch ein ganz bedeutendes Stück. IM Auch für mich ist das Studium der Partitur ungeheuer wichtig. Partituren sind sehr komplexe Gebilde. Wenn man von links nach rechts liest und blättert, kann man u ­ nmöglich alles gleichzeitig wahrnehmen, weil die Informationen so gewaltig viele sind – besonders bei einer so vielschichtigen Partitur wie der von Franz Schreker. Wenn man eine Partitur hingegen von oben nach unten liest und sich einen Zustand ganz genau anschaut, steht die Musik sozusagen still. ­Musik ist aber eine Folge von Zuständen, die sich ständig verändern. Daher braucht das Studium einfach viel Zeit, um sich im Ablauf einer Aufführung ­möglichst präzise erinnern zu können.

Premieren Die Gezeichneten und Oberon, König der Elfen

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Eine Aufführung ist dann ­ge­lungen, wenn der Fluss stimmt. Das ist, wie wenn man mit einem Boot auf einem Fluss unterwegs ist. Da merkt man auch, ob man das ­natürliche Fließen des Flusses ­erwischt oder nicht. – Ingo Metzmacher

MJ Denken Sie hier in erster Linie strukturell? IM Ich versuche immer, mich in die Lage des Komponisten zu versetzen, um zu verstehen, wie er es ­gemacht hat. Wichtig ist es, besonders bei längeren ­Stücken, innere Zusammenhänge nachzuvollziehen. Bei Schreker gibt es ein dichtes Geflecht von Leit­ motiven, und für mich ist besonders wichtig, das hörbar zu machen. Wenn jemand einen literarischen Text vorliest, spürt man immer, ob er ihn verstanden hat, und ich bin überzeugt, in der Musik ist das auch so. IB Struktur ist ungemein wichtig. Man muss wissen, wo man sich innerhalb der Geographie eines Stücks befindet. Für mich ist die Charakterisierung jeder Figur etwas sehr Bedeutendes, ebenso wie eine präzise, konturierte Phrasierung. Ich glaube, es ist in der Interpretation entscheidend, jeder Phrase eine Gestalt zu verleihen – und sie nicht nur notengetreu zu spielen. Das muss sich allerdings organisch aus der Musik ergeben. Für mich ist die Harmonik das Gerüst des Ganzen, und bei der melo­ dischen Gestaltung geht es darum, die Spannung innerhalb dessen nachzuvollziehen.

Illustrationen Gabz

MJ Wie sehr muss man sich in der Entstehungszeit und im Kontext der Werke auskennen, um sie adäquat interpretieren zu können? IM Dass Schreker im Zusammenhang mit der Wiener Schule, mit Zemlinsky und Korngold groß geworden ist und dabei seine ganz eigene Sprache gefunden hat, dass sein Vater einer der ersten professionellen Fotografen in Wien war, dass er in seiner Musik auch von verschiedenen Linseneinstellungen, von der Vorstellung von Nähe und Ferne beeinflusst ist, hilft sehr, um ihn vor dem Hintergrund seiner Biographie und seiner Zeit zu verstehen. Um die Partitur zu verstehen, hilft es aber nur bedingt, weil es so viele ­musikalische Details gibt, die man analytisch nachvollziehen muss. Spätestens in der Aufführung muss der Dirigent alle diese Erkenntnisse aber wieder ­vergessen, um den Fluss zu finden, den ich ­anfangs erwähnt hatte. Gerade bei einer Musik wie der von Schreker, wo es so viele Tempoänderungen gibt, aber alles durchkomponiert ist, hat es enorme Auswirkungen, wenn man an einer Stelle nicht genau die richtige Kurve nimmt. MJ Was heißt Musik verstehen überhaupt? IM Mit dieser Frage habe ich mich ausführlich beschäftigt und bin auf die wunderbaren Vorlesungen von ­Leonard Bernstein gestoßen, der gesagt hat, dass Töne an sich erst einmal gar nichts bedeuten. Bedeutung ­ergibt sich erst aus dem Zusammenhang von Ereignissen. Ich glaube, dass Komponisten Menschen sind, die in Tönen denken. Töne sind höchst bedeutsam, aber in einem ganz anderen Sinn als Worte. Ich kenne ja sehr viele Komponisten, und mir scheint, es gibt keine anregendere und faszinierendere Art, sich über Musik zu unterhalten, als mit denen, die sie schreiben.

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Je bedeutender ein Kunstwerk ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es, es zu verstehen. Keine Auf­führung kann alle Möglichkeiten eines Werks abdecken. – Ivor Bolton

MJ Gibt es für Sie eine ideale Form der Wiedergabe eines ­Musikstücks, oder sehen Sie eher ein weites Feld gleich­ berechtigter Möglichkeiten? IB Eine einfache Antwort auf diese Frage wäre: Je bedeutender ein Kunstwerk ist, desto mehr Möglichkeiten gibt es, es zu verstehen. Keine Aufführung kann alle Möglichkeiten eines Werks abdecken. Ich liebe es, wenn ich ein und dasselbe Stück mehrfach aufführen kann. Ich kümmere mich sehr gerne um Details, und ich mag es, wenn ich mich immer wieder um etwas andere Facetten kümmern kann. Es gibt sehr viel Raum für interpretatorische Möglichkeiten, wobei natürlich auch Strawinskys Satz gilt: „Je größer die Disziplin, desto größer ist auch die Freiheit.“ Es gibt manche Interpreten, die ganz hervorragend arbeiten und es schaffen, dass alles in einem Stück an seinem Platz ist. Dann aber bleibt die Interpretation von der Hauptprobe bis zur letzten Vorstellung immer gleich. Das finde ich manchmal etwas schade. Ich könnte das auch gar nicht. IM Furtwängler wurde einmal gefragt, warum er einen Übergang in zwei verschiedenen Aufführungen so ­anders gestaltet habe. Er meinte darauf, man müsse sich immer daran anpassen, wie es gerade klingt. Wir leben in einer Zeit, in der Interpretationen einander ­immer ähnlicher werden, weil sich alle an dieselben Referenzaufnahmen halten. Es ist aber wichtig, dass man sich die Partituren so intensiv anschaut, dass dadurch automatisch eine eigene Lesart entsteht. ­ Wenn zwei Menschen ein Buch lesen, ergeben sich zwangsläufig verschiedene Vorstellungen von den Personen, von der Landschaft, von der Atmosphäre. Das gilt für das Lesen von Partituren auch, und es ist spannend, diese Unterschiede zuzulassen. Grundsätzlich lässt Musik, so genau sie auch niedergeschrieben sein mag, viele Möglichkeiten offen. Wenn man sich allerdings komplett neben dem Fluss einer Musik ­bewegen würde, würde man das spüren. Wenn ich eine Aufführung zu Ende dirigiert habe, sagt mir das Ergebnis, sagt mir mein Gefühl, ob ich ungefähr auf der Linie war oder nicht. Das weiß ich immer sofort.

Interview Daniel Ender

MJ Wie weit ist der Spielraum bei Oberon? IB Ich empfinde bei Weber recht viel Freiheit, bereits in der O ­ uvertüre. Ich glaube, man kann in den Farbmischungen und Details und in der Phrasierung hier sehr viel ­gestalten. Natürlich gibt es auch hier klare Leitmotive, die sich durch das Stück ziehen, aber der Klang, mit dem alles realisiert wird, kann sehr stark variiert werden. MJ Und wie verhält es sich bei den Gezeichneten? IM Bei Schreker ist es das größte Problem, den Klang durchsichtig zu halten und nicht zu laut werden zu ­lassen – ähnlich wie bei Richard Strauss ist alles ein wenig überinstrumentiert, was damit zu tun hat, dass die Orchester damals nicht so laut gespielt haben. Man muss es schaffen, den Klang schlank hinzu­ bekommen: Dann fließt die Musik wie von selbst. ­Natürlich muss man auch manche Retuschen machen. Ich habe das Bayerische Staatsorchester ja noch nicht dirigiert und weiß nur, dass es sehr gut ist: Es sind Musiker, die mit Ohren spielen; da muss man gar nicht alles sagen. Es war schon lange ein Wunsch von mir, dieses Stück zu dirigieren, ich habe es auch ­vor­geschlagen und freue mich daher besonders, dass es jetzt geklappt hat.

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Daniel Ender ist Musikwissenschaftler, unterrichtet als Lehrbeauftragter an verschiedenen Universitäten und schreibt regelmäßig für die Tageszeitung Der Standard (Wien) und die Neue Zürcher ­Z­eitung. Seit 2015 leitet er die ­Abteilung Wissenschaft/Kommunikation der Alban Berg Stiftung.

Ivor Bolton, geboren 1958 in Blackrod (Lancashire, England), war von 2004 bis zum Ende der Spielzeit 2016 Chefdirigent des Mozarteum­orchesters ­Salzburg. 2015 wurde er Musikdirektor am Teatro Real in Madrid, 2016 auch Chefdirigent des Sinfonieorchesters Basel. ­Außerdem ist er Chefdirigent des Dresdner Festspielorchesters.

Ingo Metzmacher, geboren 1957 in Hannover, war Generalmusik­direktor der Hamburgischen Staatsoper, Chefdirigent an der Niederländischen National­oper in Amsterdam sowie Chefdirigent und Künstlerischer ­Leiter des Deutschen ­Symphonie-Orchesters Berlin. Seit 2016 ist er ­Intendant der KunstFestSpiele Herrenhausen.

MJ Verändern sich mitunter Ihre Vorstellungen während des Probenprozesses? IB Radikal verändern sich meine Vorstellungen in der ­Regel nicht, aber im Detail kann das schon passieren. Manchmal ergibt sich ein Tempo oder ein Tempover­ hältnis erst im Laufe der Proben. Und manchmal erweist sich eine Idee in der Umsetzung als weniger stark, als man zunächst dachte. Manchmal braucht es auch andere ­Lösungen, weil es die Besetzung bei den Sängern erfordert, auch wenn sie über noch so hohe Qualität verfügen. Dann muss man individuelle Entscheidungen treffen. Und auch beim Orchester spielt die Gruppendynamik eine ­große Rolle. IM Meine Vorstellungen können sich natürlich auch ändern. Bei der Oper hat das sehr stark mit der In­ szenierung zu tun. Ich versuche ja immer, möglichst von Anfang an bei allen szenischen Proben dabei zu sein. Opern sind für die Bühne geschrieben: Es geht immer um den Zusammenhang der Musik mit dem Sichtbaren. Deswegen muss man eng mit der Szene zusammenarbeiten und manchmal aufgrund des Bühnengeschehens bestimmte Entscheidungen treffen – Entscheidungen hinsichtlich des Tempos vor allem, von Übergängen und Zäsuren, die mit szenischen Vorgängen verknüpft sind. Eine gelungene Aufführung in der Oper kann es nur geben, wenn Bühne und Orchestergraben ganz direkt zusammenwirken. Wenn das funktioniert, kann Oper eine unglaubliche Kraft entwickeln, die mit nichts anderem vergleichbar ist.

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Die Gezeichneten Oper in drei Aufzügen Von Franz Schreker Premiere am Samstag, 1. Juli 2017, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere auf www.staatsoper.de/tv

Oberon, König der Elfen Romantische Feenoper in drei Aufzügen Von Carl Maria von Weber Premiere am Freitag, 21. Juli 2017, Prinzregententheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere auf www.staatsoper.de/tv Weitere Termine im Spielplan ab S. 212


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Zwischen den Zeiten Franz Schreker galt als einer der wichtigsten Opernkomponisten seiner Zeit – er wurde sogar als einzig legitimer Nachfolger Richard Wagners bezeichnet. Mit späteren musikalischen ­Entwicklungen hatte Schreker zu kämpfen, die Verfemung und ­Verfolgung im ­Nationalsozialismus überlebte er nicht. Ein Porträt.

Am 12. November 1918, Österreich war ­besiegt und hatte sein ehemaliges Reich verloren, wurde die erste österreichische Republik ausgerufen. Am selben Tag stellte Franz Schreker die Oper Der Schatz­ gräber fertig, die sein erfolgreichstes Werk und 1922 sogar die meistgespielte Oper ­eines lebenden „deutschen“ Komponisten werden sollte. Der nach 1918 maßgebliche ­Begriff „deutsch“ statt „österreichisch“ führte nur 20 Jahre später zu einer kollektiven tragischen Identitätskrise – was Schreker nicht vorhergesehen haben konnte, als er seinen innigsten Wunsch unter seine Partitur kritzelte, nämlich dass Österreichs Anschluss an Deutschland ­ nicht mehr lange auf sich warten lassen möge. Wie Millionen anderer deutschsprachiger Österreicher konnte er sich keine eigenständige deutsch-österreichische Identität vorstellen – nur einer von vielen grausamen Streichen, die das Schicksal dem in seiner Generation einzigartigen Komponisten Franz Schreker spielte. ­Darüber hinaus wollte es dieses Schicksal, dass die außergewöhnliche Präsenz seiner Opern auf den Spielplänen der deutschen Bühnen zeitlich genau mit der Hyper­

Premiere Die Gezeichneten

inflation in Deutschland zusammenfiel, ­wodurch ihm eine d ­ auerhafte finanzielle Sicherheit verwehrt blieb. Als Schreker 1934 starb, hatten sich ­viele seiner ehemaligen Schüler peinlich berührt von ihm distanziert. Die von den Nationalsozialisten vier Jahre später organisierte Ausstellung „Entartete Musik“ präsentierte eine fratzenhafte Karikatur von ihm, während der begleitende Wandtext ihn als den „Magnus Hirschfeld unter den Opernkomponisten“ etikettierte und ihm vorhielt, es gebe „keine sexual-patholo­ gische Verirrung, die er nicht unter Musik gesetzt hätte“. ­Sogar nach dem Krieg wurde sein Werk noch als peinliche Uner­ heblichkeit abgetan; ­Theodor W. Adorno nannte ihn „pubertär“ und bezichtigte ihn der emotionalen Unreife. Tatsächlich ­besteht zwischen der national­sozialistischen Einstufung Schrekers und Adornos nach 1945 formuliertem Urteil kein großer ­Unterschied. Adorno gebrauchte lediglich Euphemismen für inzwischen inakzeptable nationalsozialistische Begriffe und ersetzte etwa „weibisch“ durch „weich“. Selbst Schrekers geschätzter Schüler Ernst ­Krenek, der seinen Lehrer abschätzig als

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das „musikalische Pendant zu Gustav Klimt“ bezeichnet hatte, behauptete ­weiterhin, er habe „etwas leicht Feminines und eine Art Lasterhaftigkeit an sich“ ­gehabt. Dabei handelte es sich hier um den Komponisten, den der bekannte Frankfurter Kritiker Paul Bekker, potenzielle Gegen­ kandidaten wie Richard Strauss und Hans ­Pfitzner unberücksichtigt lassend, 1919 zum einzig denkbaren Nachfolger von Richard Wagner erklärt hatte. Mit dieser Aussage goss Bekker Öl ins Feuer des Antisemitismus. Sowohl Bekker als auch Schreker

man darf annehmen: bevorzugt nicht­ jüdische – Frau in die Zeitung gesetzt hatte, musste es ihn einigermaßen überrascht und sicherlich erfreut haben, eine Antwort von der völlig mittellosen, allerdings mit dem mitteleuro­päischen Hochadel verwandten Eleonore von Clossmann zu erhalten, der Patentochter einer Prinzessin Windisch-Graetz. Ignácz Schrecker und seine beiden ­Söhne aus erster Ehe führten ihr Atelier in Budapest. Der Vater genoss aber auch einen guten Ruf als Fotograf der feinen ­Gesellschaft, sodass er mit seiner Frau in

Schreker gab zu, beim Schreiben der Libretti nicht die leiseste Ahnung zu haben, wo die Handlung hinführen könnte. Er machte k ­ einen Entwurf, keine Skizze und keinen Versuch, eine Handlung im Vorhinein zu konstruieren. ­ aren, der bornierten rassistischen Lehre w der damaligen Zeit zufolge, „Halbjuden“ und setzten aus der antisemitischen Per­ spektive lediglich die jüdische Verschwörung zur Unterwanderung der „deutschen“ Kultur fort. Der Antisemitismus wurde aggressiver und widerwärtiger, und für den Rest seines Lebens sollte Schreker unter ihm zu leiden haben. Dabei fiel die Tatsache, dass er höchstwahrscheinlich nie eine Synagoge betreten hatte, für den Teil der deutschen Gesellschaft, der in der jüdischen Emanzipation seit 1871 einen dankbaren Sündenbock für die Niederlage von 1918 gefunden hatte, kaum ins Gewicht. Nach dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867 hatten sich die Juden tatsächlich langsam Gleichberechtigung erarbeitet, sodass ab 1869 auch Ehen ­ zwischen jüdischen und nichtjüdischen ­ Partnern zulässig waren. 1874 ließ sich der angesehene ungarische Hoffotograf des ­österreichischen Kaisers Franz Josephs I., Isak Schrečker, von seiner jüdischen Frau scheiden, konvertierte zum Protestantismus und änderte später die Schreibweise seines Namens in Ignácz Schrecker. Nachdem er eine Annonce für eine neue – und

Monte Carlo weilte, als sein jüngster Sohn Franz geboren wurde. Schon bald siedelte die Familie nach Linz über, wo Ignácz starb, als Franz gerade einmal neun Jahre alt war. Eleonore zog mit der Familie in den Wiener Bezirk Döbling und eröffnete dort eine kleine Gemischtwarenhandlung, eine so­ genannte „Greißlerei“. Die Prinzessin ­Windisch-Graetz kam für die musikalische Ausbildung des jungen Franz auf, er spielte in der örtlichen Pfarrkirche Orgel. Der protestantischen Konfession seines Vaters zum Trotz (dessen jüdische Herkunft in dieser Hinsicht gänzlich unerheblich war) wurde Franz katholisch erzogen. Er studierte ­Violine bei Arnold Rosé sowie Harmonie und Tonsatz bei Robert Fuchs, dem Lehrer von Gustav Mahler, Alexander von ­Zemlinsky, Franz Schmidt, Jean Sibelius und Hugo Wolf. Nach eigener Aussage „schwamm er glücklich in Brahms’schen ­Gewässern“ und blieb so von den unfreundlichen Rezensionen Eduard Hanslicks, des berühmt-berüchtigten Kritikers der ­Neuen Freien Presse, verschont. Zu dieser Z ­ ­ eit änderte er wohl auch die Schreib­ weise ­ seines Nachnamens von „Schrecker“ in „­ Schreker“, weil für einen

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English Excerpt Page 228


jungen, ­ambi­tionierten Komponisten ein Name, der g ­ ewissermaßen ein Schreckgespenst aus ihm machte, natürlich nicht die günstigste Ausgangslage war. Sein soziales Umfeld war der Salon der Wertheimsteins in ­Wien-Döbling, in dem auch der „altwienerische“ Ferdinand von Saar verkehrte, der Schrekers literarischer Mentor wurde und ihn, der sich später seine Libretti selbst schrieb, in seinem literarischen ­Talent ­förderte. Schreker machte sich einen Namen als Dirigent an der Volksoper und vor allem als Gründer des Philharmonischen Chores Wien, eines Ensembles, das sich unter ­seiner Leitung das damals in Europa entstehende „moderne“ Repertoire aneignete. Sein Durchbruch erfolgte jedoch 1908, als er von den Schwestern Wiesenthal, einer dem damals neuartigen „Ausdruckstanz“ verpflichteten Tanzgruppe, einen Kompositionsauftrag erhielt. Ihre Pantomime von Oscar Wildes Geburtstag der Infantin war die Hauptattraktion der spektakulären „Kunstschau 1908“, einer riesigen Ausstellung zur Feier des 60. Regierungsjubiläums von Kaiser Franz Joseph. Schrekers Musik erregte allgemeine Aufmerksamkeit und wurde weithin bewundert. Zu diesem Zeitpunkt machte sich in Wien zusehends der Einfluss des franzö­ sischen Impressionismus bemerkbar, und man hörte immer öfter eine, wie Julius Korngold es nannte, „Verbiegung der ­Akkorde“, mit der Klänge aus der Natur suggeriert werden sollten. Viele von ­Mahlers Symphonien oder auch der erste Teil der Gurre-­Lieder Schönbergs, dessen Pelleas und ­Melisande sowie einzelne experimentelle Arbeiten von Egon Wellesz, Anton Webern, Alexander von Zemlinsky und Karl Weigl zusammen mit Schrekers ­Klavierquintett Der Wind ließen eine dunklere, eindeutig Wienerische Variante des Impressionismus erkennen. Als Schreker diesen Weg weiterging, bemerkte er irgendwann, dass er kaum noch Weggefährten hatte: Schönberg, Webern und Wellesz hatten andere Richtungen eingeschlagen, ­Mahler war tot, und viele der jüngeren Wiener Komponisten begeisterten sich ­ noch immer für Brahms. Einer der Gründe für Bekkers Über­ zeugung, Schreker sei der einzig wahre

Text Michael Haas

Franz Schreker in München Drei Opern Franz Schrekers kamen zu Lebzeiten des Komponisten auf die Bühne des Münchner Nationaltheaters. Diese Aufführungen sind vor allem mit dem ­Namen Bruno Walter verbunden. Als Generalmusikdirektor der ­Königlichen ­­ Hof- beziehungsweise späteren Staatsoper von 1912 bis 1922 dirigierte er hier 1914 Schrekers Oper Der ferne Klang, zwei Jahre nachdem ihre Uraufführung in Frankfurt Schreker zu Erfolg und Anerkennung verholfen hatte. Walter bot Schreker die Uraufführung der Gezeichneten in München an, noch während dieser die Oper komponierte, und dies, obwohl er dem Freund gegenüber ehrlich zugab, dass ihm sein „Schaffen poetisch wie musikalisch in gewissem Sinne persönlich fremd“ bliebe. Doch kam es anders: Teile der Münchner Presse kritisierten, Walter würde Wiener Komponisten eine ungebührende Dominanz im Spielplan verschaffen. Zudem fürchtete Hofintendant Clemens von Franckenstein nach feindseligen Reaktionen der Münchner Presse auf den Fernen Klang und angesichts der Thematik der Gezeichneten einen Skandal. So wurden die Uraufführungspläne zunächst verschoben und dann vollends aufgegeben. Die Oper kam daher 1918 wiederum in Frankfurt zur Uraufführung. Am 15. Februar 1919 folgte die Münchner Erstaufführung unter dem Dirigat von Bruno Walter. Die Aufführungsserie wurde, wie der ­gesamte Spielbetrieb, wegen der Unruhen um die ­gewaltsame Niederschlagung der Münchner Räterepublik unterbrochen. Im ­Sommer 1919 standen die ­Gezeichneten auf dem Programm der Münchner Opernfestspiele. In den ­Festspielen 1920 dirigierte Franz Schreker sein Werk selbst. Zu einer Uraufführung einer Oper Schrekers in München sollte es doch noch kommen: Im O ­ ktober 1920 wurde Das Spielwerk uraufgeführt – eine Neufassung der Oper Das Spielwerk und die Prinzessin, die bereits 1913 zeitgleich in Frankfurt (mit redlichem Erfolg) und in Wien (glücklos) uraufgeführt worden war. Zu e ­ iner weiteren Münchner Inszenierung einer Schreker-Oper kam es nicht mehr. Mit dem Weggang Bruno Walters verschwand der größte Fürsprecher für Schrekers Werke in München. Selbst sein zu Lebzeiten größter Erfolg, Der Schatzgräber, eine der meistgespielten Opern in der Weimarer Republik, gelangte nicht nach München. Die diesjährige Neuproduktion von Die Gezeichneten ist die erste ­Aufführung einer Oper Franz Schrekers an der Bayerischen Staatsoper seit mehr als 90 Jahren.

Nachfolger Richard Wagners, war die ­Tatsache, dass er, genau wie Wagner, die Libretti für seine Opern selbst schrieb. Schreker gab zu, beim Schreiben der Libretti nicht die leiseste Ahnung zu haben, wo die Handlung hinführen könnte. Er machte keinen Entwurf, keine Skizze und keinen Versuch, eine Handlung im Vorhi­ nein zu konstruieren. Sein literarisches Vorbild war damals G ­ erhart Hauptmann, doch statt die Kompromisse einzugehen, die eine Zusammenarbeit erfordert hätte, beschloss er, dass es im Interesse seines eigenen Gesamtkunst­werkes sei, sowohl Text als auch Musik selbst zu schreiben – den Text immer zuerst – und sich dabei von der Inspiration dorthin tragen zu lassen, wohin sie ihn gerade führte. Dennoch waren seine Libretti nur selten willkürlich – viele w ­ aren eindeutig von den damaligen symbolis­ tischen A ­ utoren beeinflusst. Der ferne Klang, sein großer Erfolg von 1912, war die erste von Schrekers drei großen Wiener Opern; es folgten Die ­ ­Gezeichneten und Der Schatzgräber. Obwohl sie alle in Wien komponiert wurden, ­fanden ihre Uraufführungen in Frankfurt statt. Aufgrund ihrer polyphonen Chromatik, die

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Die von den Nationalsozialisten organisierte Ausstellung „Entartete Musik“ präsentierte eine fratzenhafte Karikatur von ihm, während der begleitende Wandtext ihn als den „Magnus Hirschfeld unter den Opernkomponisten“ etikettierte und ihm ­vorhielt, es gebe „keine sexual-pathologische Verirrung, die er nicht unter Musik gesetzt hätte“. den verblichenen Schimmer des tristen ­Niedergangs Wiens suggerierte, war ihre Klangwelt sofort erkennbar und absolut einzigartig. In seiner Korrespondenz mit Paul Bekker räumte Schreker ein, bei der Lektüre von Otto Weiningers berüchtigtem Buch Geschlecht und ­Charakter verstandesmäßig gewusst zu haben, dass der Autor mit seiner Misogynie nicht richtig liegen könne, obwohl er tief in seinem Herzen fürchte, dass er es wahrscheinlich doch tue. Es ist durchaus möglich, dass eine lang­ jährige Affäre von Schrekers Gattin Maria mit einer anderen Frau die Darstellung der Antiheldinnen seiner Opern als sexuell autonome Individuen beeinflusst hat. ­ Knapp ein Jahrzehnt lang war Maria die maßgebliche Interpretin aller weiblichen Hauptrollen seiner Opern und galt als eine der schillerndsten Bühnenpersönlichkeiten Deutschlands. Kompromisslos zelebrierten Schrekers Opern eine raubtierhaft wirkende weibliche S ­ exualität, eine Sichtweise, die Sozialkonservative und Nationalsozialisten lauthals anprangerten. Schrekers Traum vom Anschluss Österreichs an Deutschland sollte indirekt erfüllt werden, als er 1920 zum Direktor der Staat­lichen Akademischen Hochschule für Musik in Berlin berufen wurde. Wien, das war die Vergangenheit; die Zukunft ­gehörte ganz eindeutig Berlin. Schreker stellte sich ihr mit einem Enthusiasmus, der, wie manch einer sagte, ihn seines originären musika­ lischen Idioms beraubte. Auf jeden Fall ­verlangten ihm die Dynamik Berlins sowie der Kontakt mit der jungen Generation ­werdender Komponisten in ­Gestalt seiner Schüler stilistische Änderungen ab. Die Nüchternheit der Neuen Sachlichkeit ­konnte mit seiner opulenten Klangwelt nur

wenig anfangen. Schreker hatte sich schon lange aus der Falle befreien wollen, in die ihn seine drei großen Erfolge geführt ­hatten. Der Schatzgräber war bereits karger als Die Gezeichneten, während Irrelohe, die Oper, die den Übergang zwischen seinem Wiener und seinem Berliner Schaffen markiert, zu einem letzten Schwelgen in expressionis­ tischer Übersteigerung geriet und gleich­ zeitig zu einem Sturz in die Zukunft, mit etlichen Kollisionen voller unaufgelöster Dissonanz und tonaler Ambivalenz. Schrekers Berliner Opern stellten dann sogar noch explizitere Versuche dar, seine frühere Klangwelt in etwas Neues umzuwandeln. Die Oper Christophorus oder Die ­Vision einer Oper ist seinem Freund A ­ rnold Schönberg gewidmet. Da Schrekers Verlag, die Universal Edition, eine Veröffentlichung ablehnte, wurde die Oper zu seinen ­Leb­zeiten nie aufgeführt. Sie ging über die Grenzen all seiner bisherigen Kompo­ sitionen hinaus und kam der expressionistischen Welt von Alban Bergs Wozzeck nahe. Doch selbst Bergs Meisterwerk war für die aufmüpfige junge Generation, die die Musik in den 1920er Jahren dominierte, bereits überholt. Der Expressionismus hatte sich den ­ungehemmten Fluss der Emotionen auf die Fahne geschrieben – die Neue Sachlichkeit, wie sie 1925 genannt wurde, ­v­erstand sich dagegen als „postexpressio­ nistisch“. Ihre Vertreter wollten die einst von eigener Größe verblendete und nun, nach der Kriegsnieder­lage, gedemütigte und zermürbte wilhelminische Bevölkerung wieder auf den ­B oden der Tatsachen holen. Rational und zugleich offen für neue Impulse jüngerer Kulturen zu sein erschien als einzige r­ ealistische Option.

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Collagen Yvonne Gebauer



Diese Entwicklung brachte eine Reihe von sogenannten „Zeitopern“ hervor, Opern, die als relevant für das zeitgenössische ­Publikum erachtet wurden. Da ihre erfolgreichsten Vertreter aus Schrekers Kompositionsklasse kamen, beeinflussten sie zwangsläufig auch Schrekers eigene ­Entwicklung. Zwar ließ er sich nicht darauf ein, einen Black Bottom oder Foxtrott in eine Oper einzubauen – das wäre ihm wohl als schmachvolles Zugeständnis an die Mode der Zeit vorgekommen –, aber er reagierte trotzdem und warf expressive ­Extravaganzen über Bord. Doch selbst diese Reaktionen kamen zu spät. Seine beiden letzten Opern, Der singende Teufel und Der Schmied von Gent, konnten es nicht mehr mit den vielfältigen Veränderungen aufnehmen, die ringsum vonstatten gingen. Alles, was er dem Publikum vorsetzte, wurde als Schnee von gestern verschmäht. Um 1930 war dann selbst die „Zeitoper“ passé. An ihrer Stelle rollte eine Welle von Opern ­heran, die, wie man heute sagen könnte, an die „Identitätspolitik“ appellierten. Diese sogenannten „Bekenntnisopern“ ­schmeichelten sich mit ­Verlautbarungen darüber ein, „wer wir sind“, wobei die ­Figuren entweder die Unschuld des rustikalen Urdeutschen darstellten oder aber den Heroismus der antiken Mythologie. Schreker hatte fälschlicherweise gehofft, diese Ästhetik würde in seiner letzten Oper, dem Schmied von Gent, mitschwingen. 1932, im selben Jahr, in dem die enttäuschende Uraufführung des Schmied von Gent stattfand, intrigierte der Geiger Gustav H ­ avemann gegen Schreker und ­bewirkte so dessen Entlassung aus der ­Berliner Hochschule für Musik. Schrekers stattdessen angesetzte Meisterklasse an der Preußischen Akademie der Künste in Berlin wurde, zusammen mit der von Arnold Schönberg, 1933 abgesagt. Dem von den National­sozialisten verfügten Aufführungsverbot seiner Werke, seiner Absetzung als Lehrer und der Unmöglichkeit auszuwandern oder auch nur in seine Heimatstadt Wien zurückzukehren, folgte schließlich der Schlaganfall, an dessen Folgen er 1934 starb. Blicken wir von heute zurück auf ­Schrekers Gesamtwerk, sehen wir einen Komponisten, der gegen kommerzielle Restriktionen ankämpfte, die „etwas Neues,

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aber nicht etwas Anderes“ einforderten. Dies sind die zeitlosen Beschränkungen, die allen M ­ usiktheaterkomponisten, von Gaetano ­Donizetti bis hin zu Andrew ­Lloyd Webber, auferlegt worden sind. Mit ­Schreker begegnen wir einem Komponisten, der mit vielfältigen Mitteln Verände­ nstrebte. Er dominierte die Welt rungen a der Oper nur acht kurze Jahre lang, von 1912 bis 1920. Mit jedem weiteren Werk ­versuchte er, e­ inen anderen Weg in eine musikalische Zukunft zu finden. Seine drei großen ­Wiener Opern – Der ferne Klang, Die ­Gezeichneten und Der Schatzgräber – sind Meisterwerke der Musik des 20. Jahrhunderts, denen ein ebensolcher Stellenwert in der Musikgeschichte gebührt wie ­beispielsweise den Werken Gustav Klimts in der Kunst des frühen 20. Jahrhunderts. Von dieser Warte aus betrachtet hätte ­Kreneks Vergleich seines früheren Kompositionslehrers mit dem Maler der Wiener Sezession seine Berechtigung. Allerdings sollten Schrekers spätere Opern nicht als bedauerliche Abweichungen betrachtet ­werden. Jedes Werk offenbart uns Schrekers einzigartige Gabe, Klänge zu produzieren, als hätte er sie – wie in Stefan G ­ eorges Gedicht Entrückung, das Teil von Arnold Schönbergs 2. Streichquartett ­wurde – von einem fernen Planeten v ­ ernommen. Klänge, die wir mit jedem ­Hören neu zu verstehen trachten. Aus dem Englischen von Michael Mundhenk

Michael Haas wurde 1954 in Charlotte, North Carolina, geboren und wuchs in Wien auf, wo er an der Universität für Musik und darstellende Kunst ­Klavier ­studierte. Als Musikproduzent für London /Decca und Sony Classical wurde er mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter vier Grammy-Awards. Von 2002 bis 2010 war Michael Haas Musikkurator am Jüdischen ­Museum Wien, ­derzeit ist er Forschungsleiter des International Center of Suppressed Music an der University of ­London sowie stellvertretender Vor­sitzender des an der Wiener Universität für Musik und darstellende Kunst angesiedelten Zentrums exil.arte. Er lebt in London und Wien.

2. Festspiel-Kammerkonzert Zeit im Wandel – zu Die Gezeichneten Franz Schreker – Der Wind nach einer Dichtung von Grete Wiesenthal Wolfgang Amadeus Mozart – Klarinettenquintett A-Dur Ernst von Dohnányi – Sextett C-Dur op. 37 Freitag, 14. Juli 2017, Cuvilliés-Theater


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„Wir sind selber wie eine kleine Utopie“

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Vorstellungsankündigung Vorstellungsankündigung


Die gekachelten, dunkel ­gleißenden, verspiegelten Bühnenräume von ­Małgorzata Szczęśniak sind ein Marken­ zeichen der Inszenierungen von Krzysztof Warlikowski. Seit ihrer Studienzeit arbeiten die beiden zusammen, ­i nzwischen mit einem ein­ geschworenen Team, das ­g emeinsam die utopischen Möglichkeiten der Kunst ­vermisst. Vor der Premiere von Franz Schrekers Oper Die Gezeichneten traf MAX JOSEPH die ­Künstlerin zum Gespräch. Premiere Die Gezeichneten


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VorstellungsankĂźndigung


Ein Leben ohne die ständige Verbindung zur Kunst ist unvorstellbar für Małgorzata Szczęśniak. „Ohne Kunst gehen wir kaputt“, sagt sie. „Die vielen Bilder, die Lautstärke, das Tempo – man muss sich zwischendurch reinigen von all dem Getöse um uns herum. Und das vermag die Kunst.“ Dann erzählt Małgorzata Szczęśniak, schwarze lange Haare, schwarze Tunika, schwerer Schmuck an kleinen Händen, von einem Bild, das Caravaggio einst malte, eines seiner schönsten Bilder, findet sie: Der Heilige Matthäus und der ­Engel. Der Engel führt die Hand, mit der der Evangelist das Evangelium schreibt. Eine Interpretation, die damals heftig umstritten war, denn der Evangelist sollte seinen Bericht aufgrund einer göttlichen Eingebung niederschreiben und kein Bauer sein, dessen Hand von einem Engel geführt werden müsste. Dies Bild, sagt sie, hat sie tief berührt und ihren Kunstbegriff geprägt. Und seitdem weiß sie, was sie mit ihrer Kunst erreichen möchte: die Menschen berühren. Sie möchte sie nicht erziehen, nicht belehren, nicht unterhalten, sie möchte die Menschen rütteln und schütteln. Das bedeutet auch, Schmerz zu erzeugen, denn Schmerz öffnet die Menschen für Gefühle, sagt sie. Und fühlen sollen die Zuschauer, wenn sie sich ein Bühnenwerk anschauen, für das Małgorzata ­Szczęśniak die Bühnenbilder entworfen hat. Sie sitzt am Tisch in der Goldenen Bar im Haus der Kunst, vor sich eine Batterie von Wasserflaschen ohne Spru-

del. Nach einem langen Arbeitstag in den Kostümwerkstätten und der Technischen Abteilung der Bayerischen Staatsoper ist sie noch voller Leben. Sie redet viel und gern, spricht laut, Englisch mit einem fröhlichen starken Akzent, gestikuliert wild, und wenn sie lacht, breitet sie die Arme erst aus und streicht sich dann die Haare zurück. Sie ist eine Erscheinung und daran gewöhnt aufzufallen – die Leute an den übrigen ­Tischen drehen sich ständig nach ihr um. Sie ist nach München gekommen, um mit den Mitarbeitern der Staatsoper die Umsetzung ihrer Entwürfe für das Bühnenbild und die Kostüme zu Die Gezeichneten zu diskutieren. Krzysztof Warlikowski inszeniert Franz Schrekers Oper, die 1918 uraufgeführt wurde, und wie immer ist es M ­ ałgorzata Szczęśniak, die die Bilder für den Regisseur erschafft. Die beiden lernten sich während des Philosophie-Studiums in Krakau kennen, und von dem Tag des Kennenlernens an waren sie Partner, beruflich und auch privat: Małgorzata ­Szczęśniak und Krzysztof Warlikowski sind verheiratet. „Wir haben uns vor langer Zeit entschieden, zusammenzuleben, uns ist aber auch unsere Freiheit sehr wichtig. Jeder lebt so, wie er es für richtig hält. Wir sind kein konventionelles Ehepaar.“ Später an diesem Abend wird ­Małgorzata Szczęśniak noch erklären, wie sie Freundschaften und Beziehungen sieht, und man wird verstehen, wie frei diese Frau ist. Doch zunächst soll es um das Elysium in Die G ­ ezeichneten gehen. In Schrekers Libretto ist das der Name

„Kunst ist nicht das, was man kauft“, sagt sie. „Kunst ist das, was entsteht, lange bevor ­jemand da ist, der sich dafür interessiert.“ Text Gabriela Herpell

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für die künst­liche Insel, die der Adelige Alviano Salvago im Meer vor der Stadt Genua erbauen lässt. Alviano ist miss­ gestaltet und lebt deshalb zurückgezogen. Die Insel ist das, was er der Gesellschaft geben kann. Doch die verwöhnten, jungen, schönen Adeligen der Stadt feiern dort Orgien mit entführten bürgerlichen Mädchen, die danach verschwinden. Ein ursprünglich paradiesischer Ort also, eine Utopie, ein Geschenk, und die Menschen können nicht anders, sie müssen diesen Ort missbrauchen und zerstören. „In der Utopie manifestiert sich ­unser Wille, etwas Neues, etwas noch nie Da­ gewesenes zu erschaffen“, sagt Małgorzata Szczęśniak. „Doch wenn man versucht, ihn zu verwirklichen, kollidiert der Traum von einer schönen, idealen Welt mit den Bedingungen der physischen Welt, der wir als Menschen ebenfalls ange­ hören. Gerade in der Sexualität erfahren wir die Natur als eine Kraft, die sehr oft zerstörerisch wirkt. Die Gezeichneten kreist um den Gedanken, dass wir nicht für das Paradies geschaffen sind, obwohl wir vielleicht Engel sein könnten.“ Małgorzata Szczęśniaks eigene Vorstellung vom Elysium ist keine Insel im Meer, sondern ein großer Ausstellungsraum für Kunst. Das verwundert einerseits nicht weiter, da ihre Bühnenbilder immer eher artifiziell anmuten als naturalistisch. Die von ihr gestalteten Bühnen sind metaphorische Innen­ räume, Räume, die trotz architektonischer Konkretheit für see­ lische Zustände stehen. Sie liebt rosa Neon, Plexiglas, Metallgestänge, Spiegel, Holzfurnier, und wenn sie ein Aquarium auf die Bühne stellt, sind auf keinen Fall lebende Fische darin. Andererseits: Ist das passend, eine Galerie als Insel der Seligen? Der Kunstmarkt ist absurd, manche Kunst fast unbezahlbar. Małgorzata Szczęśniak schüttelt den Kopf. „Kunst ist nicht das, was man kauft“, sagt sie. „Kunst ist das, was entsteht, lange bevor jemand da ist, der sich dafür interessiert.“ Kunst sei der Prozess des Schaffens und des Rezipierens, nicht das Produkt. Darum sei eine Galerie für Gegenwartskunst genau das richtige Elysium. Weil Kunst die ­perfekte Utopie ist, das Wort mag sie eigentlich lieber als Elysium. „Wir möchten ausprobieren, wie die Menschen auf Kunst reagieren, die für uns eine Utopie verkörpert.“ Das sind zum Beispiel die Performances von Marina Abramović, die in The Artist Is Present (im New Yorker Museum of Modern Art) tagelang auf einem Stuhl sitzt und den Besuchern, die sich ihr gegenüber hinsetzen, in die Augen schaut. Kunst, die den Menschen ­etwas gibt, denn das ist es, was Małgorzata ­Szczęśniak von Kunst erwartet: dass sie einen ästhetischen Sinn hat, aber auch einen inspirierenden. Dass sie den ­Menschen zu ­denken und zu fühlen gibt. „Kunst war eigentlich nie dazu da, ein Ego zu befrie­ digen“, sagt sie. „Kunst war immer etwas Gebendes. Kunst wurde für andere gemacht. Im Mittelalter war es Gott oder ein Herr. Nun ist es die Gesellschaft.“ Wenn Krzysztof ­Warlikowski von einer Probe kommt, schafft er es manchmal nicht einmal mehr, sein Hemd auszuziehen, so erschöpft ist er von der ­Intensität der Arbeit, erzählt sie. „Die Menschen brauchen so viel Energie von ihm. Du gibst, und die Leute nehmen, um

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dann selbst als Darsteller wieder geben zu können. Man hat in solchen künstlerischen Prozessen keinen Schutz.“ Wann immer sie während ihrer Aufenthalte in München Zeit erübrigen kann, geht Małgorzata Szczęśniak ins Haus der Kunst. Sie besucht gerne die Ausstellungen, aber vor allem mag sie den Ort, weil er für Transformation steht: Das Haus hat sich der eigenen hässlichen Geschichte, der Nazizeit mit den propagandistischen Ausstellungen der offiziellen deutschen Kunst, gestellt, und daraus hat sich etwas Gutes entwickelt, für die Gesellschaft. Transformation ist überhaupt ein wichtiger Teil ihrer Arbeit. Bevor Małgorzata Szczęśniak Bilder und dann einen Raum zu einem Stück entwickeln kann, arbeitet sie sich intensiv ein: hört immer wieder die Musik, liest das Libretto, klar. Aber auch Biographien über den Komponisten und so viel wie möglich über seine Zeit gehören dazu. Dokumentationen. Geschichtsbücher. Franz Schreker war katholisch und jüdisch, sagt sie. Er fühlte sich dazugehörig und anders zugleich, darum sei es für ihn so wichtig gewesen, in seinen Opern Utopien zu entwickeln. Die Vorbereitungen für eine Oper wie Die G ­ ezeichneten laufen über fast zwei Jahre, sagt Małgorzata Szczęśniak. Sie treffen sich immer wieder im kleinen Kreis, sie, Krzysztof ­Warlikowski, der Videokünstler Denis Guéguin, der Dramaturg Miron Hakenbeck. Sie schauen sich Filme an, die Utopien verhandeln, wie Metropolis von Fritz Lang. Oder Bilder von ­Leonardo da Vinci. Sie diskutieren darüber, welche histo­ rischen Momente welche Utopien hervorgebracht haben. Sie transferieren ein Stück, eine Oper ins Hier und Jetzt – ohne dabei allerdings zu eindeutig zu werden. Denn das Archaische und das Heutige stehen immer in Verbindung zueinander, sagt Małgorzata Szczęśniak. Und manche Konflikte ändern sich auch nicht. Sexuelle Macht sei schon immer als eine Bedrohung empfunden worden, sagt sie. Die Zerstörer der Utopie in Die Gezeichneten beispielsweise, sechs Männer auf Drogen und Alkohol, die blutige Orgien feiern, so etwas würde sie auf ihrer Bühne nie eins zu eins abbilden. Realitätsgetreue Nacherzählung von Gewalt ist etwas, das ihr fernliegt. Kriegsfilme erträgt sie auch nicht. „Man kann dieselben Emotionen auch ohne Swimmingpools voller Blut erzeugen“, sagt sie. Für sie ist die Bühne kein Spielort, sondern ein Laboratorium. Und ein Stück ist eine Versuchsanordnung. Transformation also spielt auch hier eine Rolle. Vierzig Werke haben sie und Krzysztof Warlikowski mittlerweile zusammen auf die Bühne gebracht. „Wir sind selber wie eine kleine Utopie“, sagt sie, „unser kleines Team. Wir sind einander sehr verbunden. Wenn wir anfangen zu arbeiten, brauchen wir keine Zeit der Annäherung, es geht gleich los.“ Sie und Warlikowski leben miteinander, seit sie sich kennen. Sie ziehen herum wie Nomaden, mieten Wohnungen in Berlin, Paris, Amsterdam, dort, wo die Arbeit sie gerade ­hinführt, manchmal arbeiten sie auch getrennt voneinander. Egal welche Wohnung, nach einer Woche sieht es darin immer gleich aus, sagt Małgorzata Szczęśniak: frische Blumen, alles,


Nacherzählung von Krieg ist etwas, das ihr fernliegt. „Man kann dieselben Emotionen auch ohne Swimmingpools voller Blut erzeugen“, sagt sie. Für sie ist die Bühne kein Spielort, sondern ein Laboratorium. Und ein Stück ist eine Versuchsanordnung.

was man braucht, um einen guten Tee herzustellen, haufen­weise Bücher, Filmdokumentationen, zwei Computer allein für sie. Die meisten ihrer Bücher jedoch haben die beiden mittlerweile in ihre Warschauer Wohnung gebracht. Das ist ihr Zuhause. „Aber dort leben wir nicht“, sagt sie und lacht. Sechs Wochen Ferien verbringen sie beispielsweise immer an demselben Ort, im selben Haus in Italien. „Dort ruhen wir uns die ersten zwei Wochen aus, die meiste Zeit über lesen und schlafen wir. Dann verbringen wir zwei Wochen mit Freunden, und in den letzten zwei Wochen fangen wir mit der Arbeit an den nächsten Projekten an.“ In den zwei Wochen mit den Freunden ist das Haus voll, zwölf Gäste sind keine Seltenheit, und dann kommen noch all diejenigen vorbei, die in der Nähe wohnen. Früher hat Małgorzata Szczęśniak für alle gesorgt: Frühstück, Mittagessen, Abendessen. Heute müssen sich die

Fotos Robert Fischer

­ eute tagsüber selber helfen, doch das gemeinsame große L Abendessen kocht sie weiterhin. Ähnlich ist es zu Weihnachten daheim in Warschau. Zum traditionellen Essen kommen alle, die im Warschauer Nowy Teatr arbeiten, das Krzysztof Warlikowski seit 2008 mit seinem Kollektiv und einem Ensemble von seit langem mit ihm arbeitenden Schauspielern betreibt. Dazu Freunde, die Familie, Hunde, Kinder, um die fünfzig Personen. Aber niemand, und das betont sie sehr, müsse sich verpflichtet fühlen zu kommen. Verpflichtungen mag sie nicht nur nicht, sie lehnt sie radikal ab. „Die Leute sollen kommen, weil sie kommen möchten, nicht weil sie denken, sie müssten kommen.“ Darum lädt sie nicht ein zu diesen Essen. Die Leute wissen, dass es stattfindet und sie willkommen sind. „Das habe ich von m ­ einen Eltern, glaube ich“, sagt sie.

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VorstellungsankĂźndigung


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Małgorzata Szczęśniak wurde 1954 geboren und wuchs in Krakau auf, einer sehr katholischen und konserva­tiven Stadt. Dennoch haben ihre Eltern ihr alle Freiheiten ­gewährt. Sie musste nicht einmal zur Schule gehen, wenn sie nicht wollte, die Eltern schrieben ihr eine Entschuldigung. „Und ich habe nie etwas getan, das nicht gut für mich war“, sagt sie. Ihre ­Eltern hätten keine Bedingungen gestellt, keine Regeln oder Verbote ausgerufen, sondern ihr vermittelt, es sei ihr Leben, ihr Körper, ihre Verantwortung. „Also stelle ich auch keine Bedingungen. Niemals.“ Das Lächeln, mit dem sie das sagt, ist fast verschmitzt, und im Funkeln ihrer Augen liegt eine ­Freude darüber, so sein zu können, so frei. Aber sie hat sie auch angenommen, die Verantwortung für sich selber. Und hat gelernt, mit der Freiheit umzugehen. Ob das sie stark gemacht hat oder ob sie vorher schon stark war, das ist heute kaum mehr zu entscheiden. Es wird Abend, sie möchte weiter, aber dann erzählt sie noch eine letzte Geschichte. Wie sie in ihrer Jugend mit einer Freundin von Krakau nach Finnland reiste, ein selbstgebautes Kanu im Gepäck, mit dem sie über den größten See Finnlands paddeln wollten. Ihre Großmutter hatte ihr zwanzig Dollar für die Reise geschenkt, was damals in Polen ein kleines Ver­ mögen war. Die Freundinnen erreichten den See, mit dem Kanu. Sie paddelten über den See. Und sie staunten über die bunten Wände in Finnland, denn in Polen gab es in den 1960er Jahren keine bunten Wände. „In Finnland war alles bunt: die ­Toilettenwände orange-gelb, in der gleichen Farbe die Klo­ brillen, sogar das Toilettenpapier war farbig, die Welt war ­farbig, die Wände der Häuser, die Fensterrahmen, die Welt ­erschien uns wie ein farbiges Paradies“, sagt sie. Aber sie ­vermissten auch im sozialistischen Polen nichts, sagt sie. Denn niemand hatte Geld. Oder farbige Wände. Sie fuhr dann ohne das Kanu zurück, der Transport wäre zu teuer geworden. Doch sie trauerte nicht um das Kanu. Sie hatte ihr Ziel ja erreicht. Und diese Geschichte beschreibt sehr gut, was für ein Mensch Małgorzata Szczęśniak ist.

Małgorzata Szczęśniak studierte Malerei und ­Psychologie in Krakau und begann eine ­wissenschaftliche Laufbahn, bevor sie ein ­Bühnenbildstudium absolvierte. Als Bühnenund Kostüm­bildnerin arbeitet sie eng mit ­Krzysztof ­Warlikowski zusammen, sie schuf die ­Bühnen- und ­Kostümbilder all ­seiner Theater- und ­Opernarbeiten. So stattete sie Inszenierungen am TR Warszawa, am Nowy Teatr, an der ­Warschauer Nationaloper, an der Opéra ­national de Paris, am Théâtre La Monnaie in ­Brüssel, am Teatro Real in Madrid, an De Nationale Opera Amsterdam, am Odéon – Théâtre de ­l’Europe, bei der Ruhrtriennale und beim Festival d’Aix-en-Provence aus. An der ­Bayerischen Staatsoper schuf sie bereits Bühne und Kostüme für Eugen Onegin und Die Frau ohne Schatten.

Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

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Mehr über die Autorin auf S. 18

Die Gezeichneten Oper in drei Aufzügen Von Franz Schreker Premiere am Samstag, 1. Juli 2017, Nationaltheater STAATSOPER.TV: Live-Stream der Premiere auf www.staatsoper.de/tv

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15 Musiker, 10 D ­ ienste … und ganz viel Oper Die Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters

Es ist kein rundes Jubiläum, aber eine ­wichtige ­Wegmarke. Dreimal fünf Jahre ­ gibt es nun die O ­ rchesterakademie des ­Bayerischen Staatsorchesters, über ­e­inhundert junge ­Instrumentalisten haben das ­Programm a ­ b­solviert – eine stolze Zahl für eine noch junge Institution. Die 15 Jahre sind Anlass, das jährliche ­Konzert zu den O ­ pernfestspielen in einem ­größeren Rahmen anzusetzen: im ­Prinzregententheater. Am Pult steht Generalmusikdirektor Kirill Petrenko. 108

Uraufführung Two Inger Christensen Songs


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Kirill Petrenko liegt, wie schon seinen Vorgängern Zubin Mehta und Kent ­Nagano, viel an dem Projekt Orchesterakademie, das an der Schnittstelle von Studium und Berufspraxis angesiedelt ist: „Früher war es in vielen Orchestern üblich, den Nachwuchs aus den eigenen Reihen zu rekrutieren. Die Orchestermitglieder erteilten Unterricht, und die begabten unter ihren ­ ­Schülern wurden später ins Orchester aufgenommen. So konnten sich ganze Musikerdynastien heraus­ bilden, Schülerfamilien über viele Generationen ­hinweg. Diese Tradition hat ihren Teil dazu beigetragen, dass Orchester einen eigenen, unverwechselbaren Klang entwickelten. Mit der Zeit ist die Aus­ bildung internationaler geworden. Berühmte Lehrer ziehen Schüler aus der ganzen Welt an. Das technisch-musikalische Niveau an den großen Musikhochschulen ist höher als je zuvor. Die Ausbildung von professionellen Instrumentalisten ist somit aber weniger mit bestimmten Orchestern verbunden. Das bedeutet, dass die Selbstverständlichkeit, mit der die Studierenden einst die Aufgaben und Anforderungen des O ­ rchestermusizierens kennenlernten und mit der sie in ihren Beruf hineinwuchsen, kompensiert werden muss. Denn auch die beste Hochschule kann nicht die Arbeitsweise eines Spitzen­ orchesters vermitteln.“ An diesem Punkt setzt die Orchesterakademie an, eine auf zwei Jahre angelegte Zusatzausbildung für junge Musiker mit zumeist abgeschlossenem Studium. Christiane Arnold, Bratschistin im Staatsorchester, hat sie gemeinsam mit ihrer Flötenkollegin Katharina Kutnewsky und dem Kontrabassisten Michael Rieber gegründet, und noch immer hat sie, inzwischen zusammen mit dem Trompeter Frank Bloedhorn, die Leitung inne. Über die Ursprünge der Initiative sagt sie: „Es gab einen Vorläufer, die Münchner Orchesterakademie, die von den drei großen Münchner Orchestern betrieben wurde. Dort konnten aber nur Studenten der Münchner Musikhochschule und teilweise aus Salzburg Mitglied werden – und letztlich war es nichts anderes als eine bessere Aushilfenliste, ohne jeden Unterricht oder weiterbildende Maßnahmen. Nach und nach haben die Orchester ihre eigenen Programme entwickelt. Für uns war von Anfang an klar: Wir wollten keine Konkurrenz zu den anderen ­Orchestern aufbauen, sondern etwas anderes machen.“ Dabei war ein Aspekt entscheidend: Das, was man an der Akademie vor allem lernen soll, ist die Oper. „Das symphonische Repertoire lernt man in Jugend- und Hochschulorchestern, das wird beim Bundesjugendorchester und in der Jungen Deutschen Philharmonie ebenso trainiert wie im European ­Union Youth Orchestra und im Gustav Mahler Jugendorchester. Aber Oper lernt man nur in der Oper! Denn darauf wird man an keiner Musikhochschule adäquat vorbereitet“ – und das, obwohl die meisten Orchester in Deutschland Theaterorchester sind: deutlich über die Hälfte. Gerade bei komplexen, ­großen Partituren wie einer Strauss-Oper komme die erste Probe einem Sprung ins kalte Wasser gleich, man sei schon froh, rechtzeitig umzublättern. Nach ­bescheidenem Beginn mit fünf oder sechs Mitgliedern wurden auf der letzten Japan-Reise des Orchesters mit Zubin Mehta im Jahr 2005 die eigenen Ansprüche noch einmal neu justiert: Es war deutlich geworden, dass eine solche Akademie eine bestimmte Größe braucht, um tragfähig arbeiten zu können. In dieser Situation kam Siemens als Unterstützer ins Boot, und die Anzahl der Plätze wurde auf 15 erhöht (drei Geigen und je ein Vertreter der im Orchester üblichen Streich- und Blasinstrumente sowie Harfe und Schlagzeug). Alles wird aus dem Orchester heraus organisiert, Outsourcing gibt es nicht – so können auch alle Details wie der Probenplan, die Konzertprogramme, die Workshops und Meisterkurse selbst gestaltet werden. Und was machen sie nun, diese 15 Glücklichen, die sich in einem anspruchsvollen Bewerbungsverfahren und einem Vorspiel durchgesetzt haben?

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Uraufführung durch die Orchesterakademie: Hans Abrahamsen über Two Inger ­Christensen Songs Bevor ich 2012/13 let me tell you für Barbara Hannigan und die Berliner Philharmoniker auf einen Text von Paul Griffiths komponierte, hatte ich nur sehr wenige Vokalwerke mit Text geschrieben. Diese wenigen Stücke stammen alle aus den 1970er und frühen 1980er Jahren, als ich in meinen Zwanzigern war. Die letzten beiden davon sind Vertonungen von Gedichten der dänischen Autorin Inger Christensen. 1979 schrieb ich Aria für Sopran und vier Instrumente auf das Gedicht Jeg ser de lette skyer (Ich sehe die leichten Wolken) aus ihrem wunderbaren Gedichtzyklus det (es). Hier ­umkreist Inger Christensen die Idee vom menschlichen Dasein als einem Vermittler ­zwischen Himmel und Erde, einer fast eigen­ ständigen Ebene, die im Gleichgewicht mit den anderen beiden existiert. Meine Titelwahl spielt auf den Ort der Humanität in dieser ­Teilung an. Das Wort „Aria“, das sich vom ­lateinischen und griechischen Begriff für Luft ­(ἀήρ bzw. aer) herleitet, beschreibt nicht nur treffend den Stil des Liedes, sondern deutet auch darauf hin, wie wir mit der Natur ­verbunden sind, indem wir die Luft einatmen. Die andere Christensen-Vertonung habe ich 1983 komponiert. Ich schrieb eine Melodie auf se den vandklare kilde (Schau die wasserklare Quelle), das einzige strophische Gedicht in ihrem Gedichtzyklus alfabet (Alphabet). Nachdem ich an einer Schule einen Vortrag über meine Musik gehalten hatte, war ich vom Schulleiter angeregt worden, in einfacher ­Musiksprache ein Lied zu schreiben, das als Gemeinschaftslied gesungen werden sollte – eine weitverbreitete ­Tradition an dänischen Gymnasien. Ich nahm die Einladung an, und während ich ein einfach scheinendes Lied komponierte, strebte ich an, es mit derselben gedanklichen Komplexität zu durchtränken, die Inger Christensen in ihrer Dichtung zeigt. Mit diesem Ziel im Kopf griff ich auf die ­Fibonacci-Folge zurück. Die Musik in diesem Lied ist stark in dieser berühmten Zahlenfolge verwurzelt und erwächst aus ihr. Offen gestanden war ich nie ganz zu­ frieden mit Aria (selbst nicht nach einer Überarbeitung, die ich im späteren Verlauf des ­Jahres 1979 beendete). Gleichwohl haben mich die Gedichte ebenso wie einiges von der Musik derart verfolgt, dass ich zu ihnen zurück­ kehren musste. 2012, während ich das zweite Lied von let me tell you komponierte, habe ich diese Stücke neuerlich zur Hand genommen und erkannt, dass ich sie ein weiteres Mal umkomponieren und für ein größeres Ensemble von sieben Spielern setzen müsste – um sie damit zu einem Stück zusammenzufügen, den Two Inger Christensen Songs. Im ersten Lied versuche ich, eine Stimme zu finden, die das Gefühl von der völligen Zeitlosigkeit hervorruft, die man erlebt, wenn man in die Wolken und die Sonne starrt und sich in diesem Moment eins fühlt mit der ganzen Natur. Im zweiten Lied hat sich in einem anderen Ausdruck von Zeitlosigkeit (diesmal von erschreckender Art) die Welt verändert, alles ist nun entlaubt und bar jeden Lebens. Das Stück ist dem Gedenken an Inger Christensen gewidmet. Hans Abrahamsen (2016)


Two Inger Christensen Songs von Hans Abrahamsen, © Edition Wilhelm Hansen. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der Bosworth Music GmbH /The Music Sales Group.

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Üblicherweise verwendet Hans Abrahamsen beim Komponieren ein Notationsprogramm. Für MAX JOSEPH hat er eine Seite seiner Two Inger Christensen Songs eigens handschriftlich wiedergegeben. 111


Ihre Instrumente spielen, das können sie ja schon; fertig studiert, oder zumindest fast, haben sie alle. Es kommt darauf an, diese Fertigkeiten in der Praxis einzusetzen. Dafür erhalten die Akademisten Unterricht bei den erfahrenen Kollegen des Orchesters, einmal pro Woche. Nico Samitz, ehemaliges Mitglied der Akademie: „Das muss sich jeder Akademist eigenständig einteilen. Wenn man selbst noch nicht so gut organisiert ist, kann das auch leicht zum Nachteil werden – neben all den anderen Angeboten darf man einfach das eigene Instrument nicht aus den Augen verlieren. Ich habe bei verschiedenen Kollegen ­Unterricht nehmen dürfen – das ist schon ein Luxus.“ Gerade bei den Holz­ bläsern wollen auch die vielfältigen „Nebeninstrumente“ bedacht werden, für die es Spezialisten gibt: Piccolo- und Altflöte, Es- und Bassklarinette, Englischhorn und Kontrafagott sind da nur die gängigsten. Die Orchesterpianistin ­Nobuko Nishimura-Finkentey, die am Nationaltheater nicht nur Orchester­ klavier spielt, sondern seit vielen Jahren alle Probenspiele begleitet und mithin genau weiß, worauf es dabei ankommt, studiert mit den Akademisten ­Solokonzerte ein und hilft bei der Vorbereitung auf Probespiele. Eine ganz wichtige Rolle übernimmt die Mentaltrainerin Ulrike Klees. Acht bis zehn Mal pro Jahr kommt sie für eine Woche in die Oper. Mit den Akademisten übt sie Standardsituationen wie Aufnahmeprüfungen und Probe­ spiele, es gibt Übungen zur Stressbewältigung, es wird gelernt, mit Lampen­ fieber umzugehen, in simulierten Auftritten werden Bewegungsabläufe ­bewusst gemacht und Verspannungen abgebaut, in Rollenspielen die eigene Wirkung aufs Publikum geprüft. In jeder Spielzeit gestalten die Akademisten zwei Kammerkonzerte: ­eines im Schloss Fürstenried, das andere in der Allerheiligen Hofkirche. Das Passionskonzert bringt beide Nachwuchsinstitutionen der Staatsoper – Orchesterakademie und Opernstudio – zusammen; das Festspielkonzert wurde von Kent Nagano eingeführt, der auch mehrere dieser Konzerte selbst dirigiert hat; und schließlich gibt es das Open-Air-Konzert in Fürstenried als Veranstaltung für die Erzdiözese, die das Projekt seit Langem unterstützt. Weit kniffliger als das Üben und Proben ist dabei, passende Stücke für die Besetzung zu finden: Für neun oder zehn Instrumente gibt es reichlich Konzertliteratur, für kleine Kammerorchester auch, aber Originalwerke für genau diese 15 Instrumente sind rar. Insofern werden auch kleinere Stücke eingestreut, manchmal Bearbeitungen hinzugezogen oder gelegentlich zusätzliche Musiker engagiert. Der Höhepunkt ist natürlich das Mitwirken an Proben und Aufführungen im Nationaltheater. Pro Monat sind es für jeden Akademisten zehn „Dienste“, der branchenübliche Ausdruck für Einsätze, sei es nun eine Probe oder eine Aufführung. Sie werden vorrangig in der Oper absolviert, gelegentlich auch im Ballett; bei Akademiekonzerten seltener, denn eine solche Arbeitsphase verschlingt dann auf einen Schlag über zwei Drittel des Dienste-­ Kontingents, weil man alle Proben und beide Konzertabende mitzuspielen hat. Nico Samitz: „Die meiste Zeit habe ich auf die Vorbereitung der Stücke aufgewendet. Selbst bei großen Projekten gibt es ja oft nur wenige Proben. Da ist es ideal, dass wir Noten und Aufnahmen schon lange vorher ausborgen können. Aber auch hier muss man die Initiative selbst ergreifen! Am Anfang spielt man natürlich vor allem bei Proben mit, aber dann kommen immer mehr Vorstellungen dazu. Das ist auch ein großes Vertrauen, das uns entgegengebracht wird. Highlights waren für mich der Rosenkavalier mit ­Petrenko und einer richtigen Starbesetzung – und natürlich die Europa-Tournee. Die Gurre-­Lieder waren auch Wahnsinn, mit der riesigen Besetzung.“ Den aufregendsten Moment hatte er aber ohne jeglichen Mitspieler zu bewältigen: das Leonoren-­ Signal in Fidelio. „Da ist man ja allein, ganz oben im National­theater, noch

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Nico Samitz: Orchesterakademiker mit vielen Talenten Nico Samitz, 24, war fast zwei Jahre ­in der ­Orchesterakademie; in der ­Spielzeit 2016/17 ist er mit einem Zeitvertrag ­als Trompeter im Bayerischen Staats­orchester beschäftigt. Nach Abschluss seines Studiums in ­Salzburg bei Hans Gansch, dem „Trompeten­guru“ (Nico Samitz), war es eher Zufall, dass er in der Orchester­akademie ­gelandet ist; es war im Grunde das erste ­Probespiel, an dem er sich ­versucht hat. ­Sofort „fasziniert von dem Haus“ und ­beglückt über die „sehr netten ­Kollegen“ hat er hier schnell Fuß gefasst – auch über das Orchesterspiel hinaus. Eine Auswirkung ­davon: „Frank ­Bloedhorn (einer der beiden Leiter der ­Orchesterakademie; d. Red.) ist ja nicht nur Trompeter, sondern ein ­Künstler in vielerlei Hinsicht. Wir haben auch viel über ganz andere Dinge als ­nur Musik ­diskutiert. Für ein Konzert im Schloss ­Fürstenried mit einem ­Programm über Exer­ zitien in Glauben und Musik durfte ich dann ein Stück schreiben, eine Konzertetüde für ­Trompete, auch so etwas wie Exerzitien. Darin ging es um schnelle Dämpfer­wechsel, eine ­Herausforderung, die wir in der Oper South Pole zu bewäl­tigen ­hatten.“ Nico Samitz spielt außerdem in seiner Blechbläsergruppe Blechreiz, für die er auch eigene Stücke schreibt. Im vergangenen Jahr war ein Lied dabei, in dem er selber singt. Es heißt I kenn di von mein Handy. Das ­Video dazu kann man bei YouTube sehen. Es wurde bislang über zwei Millionen Mal aufgerufen.

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„Ich bin überzeugt, dass Musiker, die die Orchesterakademie durchlaufen haben, die besten Voraussetzungen mit sich bringen, um in einem großen Orchester eine wichtige Rolle zu spielen. So gewinnen auch wir: durch den lebendigen ­Austausch mit jungen Künstlern während der Akademie und auf längere Sicht durch vielseitig ausgebildete, wache und kreative Musiker.“ – Kirill Petrenko

über der Engelsloge, und muss mit der Verantwortung klarkommen. Aber zum Glück hatte ich eine gute Vorbereitung, Unterricht beim Solo­trompeter, auch eine richtige Probe im Saal. Das Mentaltraining hat dafür gesorgt, dass ich die Nerven nicht ganz weg hatte.“ Die junge Cellistin Rabia ­ Aydin, die zum ­Studium aus der Türkei nach München kam und seit 2015 Mitglied der Akademie ist, bestätigt diese Mischung aus Betreuung und Selbstständigkeit: „Man fühlt sich einfach willkommen. Die Mitglieder der Cellogruppe behandeln mich wie eine gleichberechtigte Kollegin und lassen mich auch mal am zweiten oder ersten Pult mitspielen. Manchmal sogar ohne extra Probe. Das zeigt, was für ein Vertrauen man in uns setzt. Das ist eine große Verantwortung für uns, die wir noch nicht seit Jahren Opern spielen.“ Was nicht auf dem Curriculum steht, aber trotzdem eine Rolle spielt, sind die zwischenmenschlichen Faktoren. Christiane Arnold: „Wie nebenbei werden auch die Soft Skills trainiert: Wie ist die Chemie innerhalb eines ­Orchesters? Man lernt, wie man miteinander umgeht. Man lernt auch, Stücke und ihre Anforderungen einzuschätzen, die eigene Zeit einzuteilen, sich die Dienste sinnvoll zurechtzulegen. Und nicht zuletzt ist bei den unfassbar guten Sängern, wie sie an diesem Haus auftreten, das Mitspielen eine fantastische Schulung auch in musikalischer Hinsicht.“ Rabia Aydin formuliert es ganz ähnlich: „Große Oper habe ich vorher noch nie gespielt; das Repertoire war neu für mich, eine ganz andere Welt. Ich habe da unglaublich viel gelernt: Man muss flexibler sein, mehr zuhören und offen sein.“ Dieser Lernprozess, ist Christiane Arnold überzeugt, „lässt sich gut übertragen auf symphonische Werke, umgekehrt ist das viel schwieriger.“ Am Ende der Akademiezeit sollen alle fit sein, in jedem Orchester sofort einsteigen zu können. Ein weiterer menschlicher Faktor ist der Chefdirigent. Rabia Aydin gerät ins Schwärmen: „Es ist ein Riesenglück für uns, dass wir mit Kirill Petrenko arbeiten dürfen. Ich finde ihn genial. Er ist Perfektionist und weiß ganz genau, was er erreichen will. In jeder Probe ist er bis ins Kleinste vorbereitet, wirkt

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immer sicher in dem, was er verlangt, aber er setzt seine Musiker nie unter Druck. Dank seiner unglaublichen Energie spielt man mit ihm unwillkürlich motivierter. Darum finde ich es so toll, dass wir dieses Jahr das Festspielkonzert mit ihm spielen werden.“ Das Programm dieses Konzerts reflektiert die Professionalität der jungen Akademisten. Im Zentrum des Abends steht eine Uraufführung: In regelmäßigen Abständen vergeben die Freunde und Förderer der Musikalischen Akademie e. V. einen Kompositionsauftrag für die Nachwuchsmusiker. Dieses Jahr hat der dänische Komponist Hans Abrahamsen ein Werk beigesteuert: zwei Lieder auf Texte der außergewöhnlichen ­Dichterin Inger Christensen. Das subtile Werk für Sopran und sieben Instrumentalisten steht im Zusammenhang mit Abrahamsens anwachsendem Werkzyklus zum Thema „Schnee“ – der auch in den kommenden Jahren an der Bayerischen Staatsoper eine gewisse Rolle spielen wird. Außerdem umfasst das Programm verschiedene Ensemblestücke überwiegend aus dem frühen und mittleren 20. Jahrhundert, darunter eine Bearbeitung von Claude Debussys Prélude à l’après-midi d’un faune, Auszüge aus der selten zu hörenden Schauspielmusik zu Shakespeares Viel Lärm um Nichts von Erich Wolfgang Korngold und die Kammermusik Nr. 1 des jungen, wilden Paul Hindemith. Wie geht es nach den zwei Jahren weiter? Kirill Petrenkos Perspektive ist positiv: „Es besteht die Hoffnung, bald dem einen oder anderen Mitglied der Orchesterakademie als ordentlichem Mitglied des Staatsorchesters wiederzubegegnen. So entwickelt sich eine neue Tradition über Generationen hinweg. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass Musiker, die die Orchesterakademie durchlaufen haben, die besten Voraussetzungen mit sich bringen, um in einem großen Orchester eine wichtige Rolle zu spielen. So gewinnen auch wir: durch den lebendigen Austausch mit jungen Künstlern während der Akademie und auf längere Sicht durch vielseitig ausgebildete, wache und kreative Musiker. Ich bin sehr froh darüber.“ Auch der Akademieabsolvent Nico Samitz ist zufrieden; sein Fazit fällt österreichisch-verschmitzt aus: „Eigentlich kann man sich fast net beschweren!“

Hans Abrahamsen, dänischer Komponist, geboren 1952, hat in seinem künstle­ rischen Leben manche Wendung erlebt, ­darunter eine schöpferische Pause ­ von fast einem Jahrzehnt, in der er vor allem Werke älterer Komponisten ­orchestriert und bearbeitet hat. ­Ihre ­Namen zeigen an, welchen Musiktra­­ ditionen er sich v ­ erpflichtet fühlt: Bach und Ligeti, Nielsen und ­Schumann, Schönberg und Debussy. Seit er wieder ­eigene Musik schreibt, hat er sich immer deutlicher eine unverwechselbare ­Klangsprache erschaffen. Um das einstündige Werk Schnee für Kammer­ ensemble – schon jetzt ein Klassiker des 21. Jahrhunderts – kreist ein inhaltlich und motivisch verbundener Zyklus ­ von Kompositionen, der immer weiter ­anwächst. Auch sein Klavierkonzert für die linke Hand (left, alone) und das ­Monodram let me tell you, das er für Barbara Hannigan geschrieben hat und mit dem seine Musik endgültig ­weltweit bekannt wurde, gehören dazu – und seine erste Oper, an der er derzeit arbeitet: Snedronningen/­ The Snow Queen (Die Schneekönigin) nach Hans Christian Andersens ­g leich­namigem Märchen.

Text Malte Krasting

Festspiel-Konzert der Orchester­akademie Sonntag, 16. Juli 2017, Prinzregententheater Selene Zanetti, Sopran Claude Debussy Prélude à l’àprès-midi d’un faune (Bearbeitung: Benno Sachs) Hans Abrahamsen Zwei Inger-Christensen-Lieder für Sopran und Ensemble – Uraufführung Erich Wolfgang Korngold Suite aus der Schauspielmusik zu Much Ado About Nothing Paul Hindemith Kammermusik Nr. 1 für 12 Soloinstrumente op. 24 Nr. 1 Le Groupe des Six Les Mariés de la Tour Eiffel

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R I C H A R D WA G N E R

OF THE NIBELUNG

Through myth we find humanity Witness this timeless tale unfold in San Francisco Opera’s spectacular production directed by Francesca Zambello. Acclaimed Wagnerian conductor Donald Runnicles leads an extraordinary international cast featuring Evelyn Herlitzius, Greer Grimsley, Daniel Brenna, Karita Mattila, Brandon Jovanovich, Jamie Barton and Falk Struckmann.

Cycle 1—June 12–17, 2018 Cycle 2—June 19–24, 2018 Cycle 3—June 26–July 1, 2018

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Es ist losgegangen. Es wird weitergehen

Wenn alles zusammenpasst, zeigt sich schon in der Gegenwart, was folgt. Ein Beispiel: der Ballettabend Junge ­Choreographen 2017 bei den Münchner Opernfestspielen. MAX JOSEPH hat die P ­ ro­tagonisten getroffen.

Dustin Klein

Benoît Favre

Andrey Kaydanovskiy

Es gibt diese Menschen, mit denen man einfach befreundet sein will. Das war schon früher so. Es ist nicht der Pool im Garten, nicht das Piercing in der Nase, sondern etwas, das man schwer benennen kann – die Faszination kommt anderswoher. Wenn sie nicht da sind, fehlt etwas. Und wenn sie da sind, passieren die Dinge, die eine gute Geschichte werden. Dustin Klein ist einer von ihnen, ohne Piercing, aber mit einem Lächeln, das in ein Cabrio gehört. Mit seinen 30 Jahren hat er immer noch den Blick, der sagt, dass alles möglich ist. Und das stimmt ja auch. Im März hat er in Moskau ein Stück uraufgeführt, das von der Auseinander­

„Lange Tage, kurze Nächte.“ Wenn man 1993 geboren wurde und solch einen Satz sagt, geht es meist entweder um Klausurenphasen und ausgereizte Deadlines für die Abgabe von Hausarbeiten oder um hinfortgetanzte Stunden, Heimkommen, wenn andere zur Arbeit gehen, Wachbleiben, Weiter­ ­ machen, Jungsein. Am nächsten Tag braucht der Cappuccino einen Doppelshot und die müden Augen eine Sonnenbrille – Kater ist ja meistens eher Attitüde. Die Augen von Benoît ­Favre sind groß, jadegrün und hellwach. Er hat nicht viel geschlafen die letzten Nächte, in vier Tagen ist Premiere. Für das Junior Ballett Zürich hat er ein Stück choreographiert, das gemeinsam

In einem anderen Leben wäre Andrey Kaydanovskiy Autodesigner gewor­ den, das war der Plan ganz früher, noch in Moskau. Jetzt fährt er Fahrrad und trägt einen Helm dazu – Wien kann gefährlich sein, wenn die Gedanken mal wieder in tausend Richtungen flie­ gen. Diesen Zustand hat er abonniert: Andrey Kaydanovskiy ist einer, durch den das Leben hindurchgeht, der alles aufsaugt und in sich hineinatmet. Und dann muss es raus. Das ist die Energie, die ihn Bewegung, Sprache, Welten schaffen lässt. Seit ein paar Jahren bietet ihm das Wiener Staatsballett, wo er als Halbsolist der Compagnie an­ gehört, ein Ventil für seine Kreativität und lässt ihn nun zum dritten Mal

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Uraufführung Junge Choreographen



Inspiration für das Bewegungs­ repertoire kommt aber auch von außen. Ein ­Computerspiel, die letzte Nacht im Club. Die Break­ dance-Battles damals in London, als Dustin Klein noch an der Royal Ballet School ­a­usgebildet wurde.

setzung mit Kasimir Malewitschs Schwarzem Quadrat inspiriert wurde. Das ist die andere Seite von ­Dustin Klein, die Gedanken, die tiefgehen und ihn beschäftigen. Dahinter leuchtet ein ehrliches Interesse daran, was die Welt und die Menschen bewegt. Und also bewegt er sie. Seit 2012 arbeitet der Halbsolist des Bayerischen Staatsballetts auch als Choreograph. Die ersten Stücke realisiert er in der Freien Szene, dann darf er 2015 DisTanz für die Junior Company kreieren. Ausgehend von der Beschäftigung mit den Bewegungen menschenähnlicher Roboter (und dem Gedanken, dass künstliche Figuren wie Roboter oder animierte Wesen auf den Betrachter nicht umso menschlicher wirken, je menschen­ ähnlicher sie sind), baut er ein S ­ ystem aus Synchronisation und maschinenhaft geklonten Bewegungsabläufen. Es entsteht eine Arbeit, die Fragen stellt: Brauchen wir im Zeitalter von

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mit anderen Arbeiten aufgeführt wird. Er ist aufgeregt und traut sich, das zu sagen. Keine Allüren, viel Understate­ ment. Und eine Ruhe, die auf andere wirkt wie ein Urlaub am See. Er ist ­jemand, dem man sofort vertraut und der meint, was er sagt. Zur Begrüßung die drei Wangenküsse der Schweiz, am Hauptbahnhof am frühen Morgen. Circa 30 Minuten fährt die Bahn nach Winterthur, wo der Ballettabend zuerst gespielt wird, ­bevor er ans Opernhaus nach Zürich kommt. Es ist der Tag der Hauptprobe, die vorletzte sozusagen, und Benoît ­Favre ist etwas angespannt. Bevor es losgeht, versinkt er nochmal kurz in seinen Notizen. Einige Tänzerinnen und Tänzer sind verletzt, nicht ganz auf der Höhe. Trotzdem ist er zufrieden. Nach der Probe geht er zu ihnen auf die Bühne, gibt kurz Feedback. Dann wollen ganz viele Menschen etwas von ihm, Licht, Ton, Kostüm. Auch Ballett­ direktor Christian Spuck will reden. Benoît Favre kann mit Kritik gut umgehen, Ratschläge von oben annehmen.

Benoît Favre hat einen Blick für die Gruppe, befreit sie vom Ballast des dramatischen ­Ausdrucks. Im ersten Augenblick mag das kühl ­wirken, aber die Poesie kommt subtil, wenn man sie am wenigsten ­erwartet.

­ horeographieren. Momentan läuft es c bei ihm, wie man gerade gerne sagt. Zuletzt hat er den Deutschen Tanz­ preis 2016 gewonnen, und zwar in der Kategorie Zukunft. Bis 2019 sind die Aufträge schon fix, und das ist erstmal Zukunft genug. Ein langer Probentag, aber Andrey Kaydanovskiy ist vorbereitet und ­organisiert. Ende März ist es schon drückend schwül im Ballettsaal, und dass es hier um Strawinsky geht, macht es nicht besser. Der ist, zumin­ dest rhythmisch, schließlich kein Zucker­­schlecken. Andrey Kaydanov­ skiy probt Der Feuervogel. Im Ballett­ saal wird geblödelt, die Stimmung ist ausgelassen, drei Jungs singen russi­ sche Lieder. Der Übergang in die kon­ zentrierte Probe ist fließend, der Um­ gang freund­schaftlich kollegial. Auf seinen Proben wird gelacht, der kleine Schriftzug auf seiner Trainingshose liest sich programmatisch: Authentic Champion. Andrey Kaydanovskiy ar­ beitet präzise, aber geduldig und ist sanft im Ton. „Am besten hören wir uns die Stelle einfach noch mal an.“ Und gerne auch noch einmal. Das Bewe­ gungsrepertoire scheint auf den ­ersten Blick irgendwie weltlich, alltäglich. Aber es sind nicht die üb­lichen Kombi­ nationen, Drehungen, ­Lösungen und Gewichtsverlagerungen – die Tänzer müssen sich darauf einlassen. Vieles kommt vom Boden her, aus dem Schwung heraus. In der nächsten Pro­ be gleich die ganze Gruppe. Bevor es losgeht, sitzt Andrey Kaydanovskiy neben dem Flügel in einer Ecke, hat die Kopfhörer aufgesetzt und vertieft sich für eine Weile in seine Aufzeich­ nungen. Er hat sich da so ein eigenes System zur Notation ausgedacht. ­Zwischendurch isst er einen Energie­ riegel, ohne hinzuschauen. Nicht mehr viel Zeit bis Probenbeginn, die Tänze­ rinnen und Tänzer sind im Saal ver­ streut, es wird gedehnt, gezogen, ge­ wärmt, gedrückt, gedreht, g ­ esummt, aufs Handy geschaut. Es geht direkt los, er stellt die Gruppe, nimmt sie bei der Hand und hat sehr schnell etwas sehr Effektvolles ­erreicht. ­Dabei ist er

Text Carmen Kovacs


Anton Pimonov In aller Spontaneität, die eine Institution manchmal eben doch zulässt, kommt ein vierter Choreograph hinzu: Anton Pimonov. In Sankt Petersburg an der Waganowa-Ballettakademie ausgebildet, wurde er gleich im ­Anschluss in die Compagnie des Mariinsky Ballett übernommen. Seit zwei Jahren tanzt er nun nicht mehr, ist dem Haus jedoch durch seine choreographische Arbeit eng verbunden. Es ist erstaunlich, mit welcher Sicherheit und Klarheit er, der erst vor vier Jahren die erste eigene Choreographie schuf, mit der ebenfalls ­russischen Ersten Solistin Ksenia Ryzhkova am Staats­ballett probt. Seine Choreographie kennt er by heart. Er zeigt schnell und präzise, was er haben will, scheint genau zu wissen, was er tut, ganz ohne autoritäre Gesten. Die meiste Zeit tanzt er mit, vor allem aber spricht er ununterbrochen einen Text mit, eine Mischung aus Anweisungen, dem französischen Ballettvokabular und den für das Ballett so typischen mitgezählten ­Achten. Sein Russisch ist ganz weich, fast meditativ, ein alles begleitendes, beruhigendes Gemurmel. Es liegt eine große Schönheit und Leichtigkeit in der Art und Weise, wie die beiden miteinander kommunizieren und ­Pimonov die Cho­reo­graphie an ­Ryzhkova weitergibt. Wenn sie die Bewegungen durchgehen, wirkt das so, als würden sie ­einen gemeinsamen Spaziergang unternehmen, als erzählte er ihr eine Geschichte. Pimonov schöpft aus dem klassischen Bewegungsrepertoire, lässt die Schönheit überbordender Drehungen zu und auf Spitze tanzen. Sein Zugang zur tradierten Ballettsprache ist jedoch frisch und l­ ebendig. Über Blicke, die den Raum gestalten und formen, Fluchten formulieren und Richtungen geben, setzt er Akzente – und ist damit vielleicht zeitgenössischer, als er selbst ahnt. Am Ende der Probe ist der Körper ­erhitzt, sein ­glühendes Gesicht macht Locken aus den Haaren um seine Schläfen. Gemeinsam sitzen er und Ksenia R ­ yzhkova noch eine Weile da, dehnen sich, kommen runter und ins Gespräch. Keine Ahnung, worüber sie sprechen, aber es scheint lustig zu sein.


technischer Perfektion und Präzision noch den fehlerhaften menschlichen Körper, der doch immer abweichen muss? Das ist bei Dustin Klein meistens so – seine Arbeiten sind nicht nur Auseinandersetzung mit einem Thema im Sinne einer Antwort, sondern werfen Fragen in den Raum, tragen zum Diskurs bei. Zuerst ist da ein Gedanke, eine Idee, und es arbeitet von innen. Inspiration für das Bewegungsrepertoire kommt aber auch von außen. Ein Computerspiel, die letzte Nacht im Club. Die Breakdance-­Battles damals in London, als er noch an der Royal Ballet School ausgebildet w ­ urde. Im Idealfall kann er bei Null anfangen und auch die Musik erst entstehen lassen, die meistens stark perkussiv ist. Dafür arbeitet er sowohl mit einem Jazzpianisten als auch mit Techno-DJs zusammen. Der Sound seiner Stücke ist mal roh und metallisch, mal repetitiv und minimal, ohne Steve Reich“ zu schreien. gleich „­ Überhaupt findet Dustin Klein es ganz gut, wenn die Dinge nicht so offensichtlich daliegen. Er sagt: „Natürlich sollen die Zuschauer etwas mit meiner Arbeit anfangen können, aber wenn es auch mal undurchsichtige Momente gibt, ist die Auseinandersetzung intensiver. Es gibt immer Menschen, denen es gefällt, und anderen gefällt es nicht – der Stil einer Choreographie ist ja häufig auch einfach Geschmacks­sache. Was mir allerdings immer wichtiger wird, ist, dass es gut gemacht ist.“ Es geht also um Professionalität: Eine runde Show soll es sein, in der alle Elemente aufeinander reagieren und alle Beteiligten einander vertrauen können. Dustin Klein kennt sein Team und seine Tänzerinnen und Tänzer – mit den meisten steht er regelmäßig gemeinsam auf der Bühne. Das Nebeneinander von Ensemble-Alltag und eigenen Projekten hat bisher ganz gut geklappt. Außerdem bekommt man als Tänzer am Staatsballett so einige Choreographien mit, die wiederum wichtig und prägend für die

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Es arbeitet in ihm, für eine Weile schaut er nach innen, denkt nach. Dann dreht er sich eine Zigarette, langsam und mit ruhiger Hand. „Ich bin gleich zurück.“ Wir finden einen Platz in einem Café, in dem Tattoos gestochen werden. Benoît Favre hat selber eines auf dem linken Unterarm. Ein isländisches Symbol, das er sich nach einem Trip dorthin vor zwei Jahren hat machen lassen. Diese Reise war wichtig für ihn: Erfahrung, Abenteuer, Autostopp. ­ Wenn Benoît Favre erzählt, spricht er leise, mit nur einem Hauch franzö­ sischen Akzents. Aufgewachsen ist er in Neuchâtel, Ausbildung in Zürich, erst zwei Jahre Junior Ballett, seit 2014 in der Compagnie. Es kamen die Preise für seine Leistungen als Tänzer, aber auch für die Arbeit als Choreograph. Die Entscheidung kam nicht von heute auf morgen, sondern eher progressiv. Während seiner Ausbildung hatte er viel Improvisationsunterricht und konnte so eine persönliche Bewegungssprache entwickeln, das Eigene entdecken. Woher die Ideen kommen, weiß er nicht – Benoît Favre glaubt an die Vision. Oft hat er einfach die Bilder im Kopf. Seine Choreographien sind wenig narrativ, eher formal komponiert und strukturorientiert, fast graphisch. Es gelingen ihm Bewegungsformationen, die das Allgemeine und Schöne des menschlichen Körpers in den Blick nehmen und ihn dadurch gewisser­ maßen unisex wirken lassen. Er hat ­einen Blick für die Gruppe, befreit sie vom Ballast des dramatischen Ausdrucks. Im ersten Augenblick mag das kühl wirken, aber die P ­ oesie kommt subtil, wenn man sie am wenigsten ­erwartet. „In meinen Arbeiten gibt es eigentlich keine Geschichte, die Bewegungen sind eher abstrakt. Aber ich versuche trotzdem, Emotionen hineinzulegen und Situationen zu e ­ rschaffen. Es sind meistens die ­Zuschauer, die dann eine Geschichte darin lesen – und das gefällt mir sehr.“ Eine Kreation beginnt für ihn mit dem Körper, den Bewegungen, einer Improvisation im Studio. Erst in der ­Zusammenarbeit mit den Tänzerinnen

Andrey Kayda­nov­skiy ist ein Geschichten­ erzähler. In seinen ­Choreographien zeichnet er ­Charaktere und hat keine Angst vor konkret erzählenden Gesten. Für ihn ist Tanz eben auch Theater, Drama und Ausdruck.

nah dran an der Musik, hat selbst jah­ relang Klavier gespielt, immer wieder mal Schlagzeug. Während der Probe schleicht sich seine kleine Tochter in den Saal, bleibt im Hintergrund und schaut zu. Erst im Anschluss wird ge­ kuschelt und gespielt. Auch Vatersein gehört wohl in die Kategorie Zukunft, in der man einen Preis verdient. 2013 hat er Das hässliche Entlein als Ballett für die ganze Familie choreographiert, das war ihm eine Herzensangelegen­ heit. Andrey Kaydanovskiy ist ein Geschichten­erzähler. In seinen Cho­ reographien zeichnet er Charaktere und hat keine Angst vor konkret erzäh­ lenden Gesten. Für ihn ist Tanz eben auch Theater, Drama und Ausdruck. Wenn es nur um die Bewegungen geht, ist ihm das zu wenig. Diese Zeiten sind seiner Meinung nach vorbei. „Die Tän­ zer und Tänzerinnen müssen den Be­ wegungen eine Seele geben, eine Hal­ tung haben. Das geht nur, wenn sie auch Lust darauf haben.“

Bilder Olafur Eliasson



eigene Arbeit werden können. Jiří Kylián, Russell Maliphant und Richard ­Siegal – Inspiration pur. Für die Kreation während der Festspiele möchte er sich mit seiner unmittelbaren Umgebung, vielleicht sogar mit seinem bayerischen Background beschäftigen. „Wir schauen viel zu oft in die Ferne, um uns von dort zu holen, was wir spannend finden. Dabei ist das, was uns wirklich betrifft, manchmal einfach direkt vor unseren Augen.“ Er schaut dabei nur ganz kurz aus dem Fenster, wo die Menschen wie ferngesteuert von links nach rechts an uns vorbeilaufen. Der ­Laden, in dem wir sitzen, heißt übrigens Man versus Machine und spielt Hip Hop oder das, was davon übriggeblieben ist. Gleich ist Nachmittagsprobe zu Christopher Wheeldons Alice im Wunderland. Dustin Klein tanzt darin den steppenden Hutmacher, den verrückten. Wir haben die Zeit vergessen, also rennt er los, e­ rwischt noch die Tram, die gleich vor dem Café abfährt. Die 17 Richtung Schwanen­seestraße? Auf keinen Fall.

und Tänzern aber werden die Bewe­ gungen zu einer Sprache. Wenn diese Angebote und Vorschläge machen, nimmt Benoît Favre das gerne auf, denn es hilft ihnen meist, die Choreographie nicht nur zu tanzen, sondern sie auch nachempfinden zu können. Das Thema entwickelt sich dann etwas später. Auch die Musik entsteht bei ihm häufiger erst nach der Choreographie und hat eine stark rhythmische Komponente. Für München wird es wohl ein früher Vivaldi werden, aber gemixt, ­gesampelt, gefeatured – eben das, was die DJs so gut können. Er freut sich schon auf die Proben, die findet er ­eigentlich noch viel wichtiger als die Aufführung. „Im Prozess – egal ob als Choreograph oder Tänzer – entsteht das, worum es geht.“ Die Ernsthaftigkeit, mit der Benoît Favre darüber spricht, lässt vermuten: Für ihn geht es um viel.

Die Kreation für München trägt den Arbeitstitel Discovery. Es geht um ­unsere Entwicklung, das Tierische in uns und die Frage, wo es hingehen wird. Diese Frage stellt er sich auch ganz persönlich. Er will lernen, ganz viel lernen. Mehr mit dem Körper ar­ beiten, weniger mit dem Kopf. Auch den Tänzerinnen und Tänzern will er in Zukunft mehr Freiraum geben. „Aber es ist schwierig, Leute zu finden, die wirklich frei sind, weil wir alle jahre­ lang an der Stange gleichgemacht wurden. Nichts dazuerfinden, nicht nachdenken.“ Das ging ihm früher auch so. Erst, als er nach Europa kam und eine Arbeit von Sol León & Paul Lightfoot sah, ging ihm ein Licht auf. Da hat es angefangen. Und es will nicht mehr aufhören.

Bild Seite 117: Olafur Eliasson Your uncertain shadow (colour), 2010, halogen lamps (green, white, blue, ­magenta) glass, aluminium, transformers Installation view: Winterpalais, Vienna, 2015 © Olafur Eliasson Photo by Anders Sune Berg Courtesy the artist; TBA 21, Vienna; ­neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York.

Carmen Kovacs studierte Musik- und Theaterwissenschaft in Bayreuth und München. Sie arbeitet in der Redaktion von tanznetz.de und schreibt für das Münchner Feuilleton, das Klassikmagazin Crescendo, das Bayerische ­Staatsballett und das Tanzfestival DANCE. Daneben hat sie ein ­Studium der Freien Kunst an der Akademie der Bildenden Künste München bei Olaf Nicolai begonnen.

Ballettabend Junge Choreographen Uraufführung am Freitag, 30. Juni 2017, Prinzregententheater Weitere Termine im Spielplan ab S. 212

English Excerpt Page 231

Bild Seite 119: Olafur Eliasson Multiple shadow house, 2010 glass (orange, red, blue, green), halogen bulbs, projection foil and transparent projection foil Installation view: Tanya Bonakdar Gallery, New York, 2010 © Olafur Eliasson Photo by Anders Sune Berg Courtesy the artist; neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York. Bild Seite 121: Olafur Eliasson Your uncertain shadow (colour), 2010, halogen lamps (green, white, blue, magenta) glass, aluminium, transformers Installation view: Winterpalais, Vienna, 2015 © Olafur Eliasson Photo by Anders Sune Berg Courtesy the artist; TBA 21, Vienna; neugerriemschneider, Berlin; Tanya Bonakdar Gallery, New York.


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Liebe im ­Tierversuch Für seine Inszenierung von ­Webers Oberon hat der ­Regisseur Nikolaus Habjan eine ungewöhnliche Referenz gewählt: Sein Elfenkönig ist von dem Psychologen und Verhaltensforscher Harry ­Harlow inspiriert, der in den 1950er Jahren vor allem durch seine Experimente mit ­Rhesusaffen Berühmtheit ­erlangte. Der Nachweis der Bedeutung emotionaler ­B eziehungen für die Ent­ wicklung der Tiere galt als bahn­brechend, die Experi­ mente im Verlauf der Zeit ­als ­zunehmend grausam. Oberon in der Oper ist wie Harlow in seinem Labor zwar auf der Suche nach der wahrhaftigen Liebe als Grundemotion aller Lebewesen. In ihren Experimenten übersehen aber beide, dass sie dabei ausgerechnet ihre Probanden zu Objekten degradieren und sie entmündigen. 124

Als Harry F. Harlow am 31. August 1958 in Washington D.C. ans Rednerpult der American Psychological Associa­ tion tritt, spricht er – für einen Psychologen der 1950er Jahre durchaus ungewöhnlich – über die Liebe: „Liebe“, so beginnt Harlow seinen Vortrag, „ist ein wundersamer Zustand, tief, zart und bereichernd.“ Dass die Liebe ­etwas Wundersames und Verwunderliches sei, davon reden üblicherweise die Dichter und die Songwriter, nicht die Wissenschaftler: „So grenzenlos ist meine Huld, die ­Liebe / So tief ja wie das Meer. Je mehr ich gebe, / Je mehr auch hab’ ich: beides ist unendlich.“ So etwa Julia in ­Shakespeares Romeo und Julia. Oder, etwas schlichter, Elvis Presley: „Love me tender!“ Psychologen hingegen, fährt Harlow fort, hätten sich bisher noch nicht ernsthaft mit der Liebe beschäftigt. Denn „wegen ihres intimen und persönlichen Charakters wird die Liebe als ein für experimentelle Forschung ungeeignetes Thema betrachtet.“ Völlig zu ­ ­Unrecht, befindet Harlow, und präsentiert seinen skep­ tischen Zuhörern einen Einblick in die experimentell ­erforschte Nature of Love – so der provoka­ tive Titel ­seines Vortrags. Harlows Experimente zur Natur der Liebe waren in der Tat eine Provokation und sind es noch heute. Das beginnt schon damit, dass sie dem seinerzeit führenden psychologischen Paradigma des Behaviorismus widersprechen. Behavioristen verstehen die Liebe schlicht als Effekt von angenehmen Erfahrungen: Eine Mutter schützt ihr Kind vor Hunger und Schmerz; das Kind assoziiert daraufhin die Nähe der Mutter mit der Ferne von unerfreu­ lichen Gefühlen; und wenn sich das Kind später in Liebe zu seiner Mutter oder zu irgendeinem anderen Menschen hingezogen fühlt, dann ist dies nur ein bedingter Reflex wie der Speichelfluss von Pawlows Hund. Wer „Liebe“ sagt, der meint eigentlich die Befriedigung elementarer Bedürfnisse. Harlow hingegen führt den Nachweis, dass die Liebe eines Kindes kein bedingter Reflex, sondern eine bedingungslose Grundlage allen sozialen Verhaltens ist. Um diesen Nachweis erbringen zu können, experimentierte Harlow nicht mit Menschen, sondern mit Tieren, genauer: mit Rhesusaffen, die dem Menschen in ihrem Sozialverhalten hinreichend ähnlich sind, um die an ihnen gewonnenen Ergebnisse auf den Menschen übertragen zu können. Harlow trennte junge Rhesusaffen nur wenige Stunden nach der Geburt von ihrer Mutter. Ihre Nahrung bekamen die jungen Tiere dann von einer puppen­ artigen ‚Ersatzmutter‘, bestehend aus Rumpf, Kopf und ­einer in den Rumpf eingelassenen Milchflasche. Um zu klären, welche Bedeutung die Nahrungsaufnahme für die Entwicklung der Liebe hat, konstruierte Harlow zwei verschiedene Typen von Ersatzmüttern. Beim ersten Typ war der Rumpf mit einem weichen und warmen Stoff umspannt; beim zweiten Typ bestand der Rumpf aus einem Drahtgitter, das sich zwar gut zum Festhalten, aber schlecht zum Kuscheln eignete.

Text Roland Borgards


Science Photo Library / Photo Researchers



Jedes Affenjunge bekam nun zwei Mütter, eine aus Stoff und eine aus Draht. Bei einer Gruppe von Affen hatte nur die Stoffmutter eine Milchflasche zu bieten, bei einer anderen Gruppe hingegen nur die Drahtmutter. Die behavioristische Prognose, welche affektiven Bindungen sich in dieser Situation jeweils ergeben werden, lag auf der Hand: Die erste Gruppe wird die Stoffmutter lieben, die zweite die Drahtmutter. Denn Liebe entsteht für Behavioristen dort, wo das elementare Bedürfnis der Nahrungsaufnahme gestillt, und nicht etwa dort, wo der bloß sekundäre Wunsch nach Körperkontakt erfüllt wird. Harlows Experimente aber zeigten, dass der Körperkontakt sehr viel wichtiger ist als die Nahrungsaufnahme. Dass die von der Stoffmutter ernährten Affen sich kaum für die milchlose Drahtmutter interessierten, war wenig überraschend. Dass aber auch die von der Drahtmutter ernährten Affen sich bei dieser drahtigen Mutter so wenig aufhielten wie nur möglich und dass sie bei Schreck und Angst ausschließlich zur milchlosen Stoffmutter flüchteten, das hätte in dieser überwältigenden Deutlichkeit selbst Harlow nicht vermutet. Für die Affen galt: bei der einen Mutter schnell und kurz etwas trinken, und dann bei der anderen Mutter wieder lang und ausführlich kuscheln. Liebe hatte – so Harlow gegen die behavioristische These – nicht ausschließlich etwas mit bloßer Nützlichkeit zu tun. Provozierend wirkten an Harlows Forschungen aber nicht nur die psychologischen Resultate. Schon die Tatsache, dass sie nicht an Menschen, sondern an Tieren gewonnen worden waren, sorgte für Irritationen, wenn auch nicht in der Psychologie, für die das experimentell erprobte Tiermodell seit dem frühen 20. Jahrhundert zum methodischen Standardrepertoire gehörte. Die Irritationen waren vielmehr allgemeiner gesellschaftlicher Natur und kamen eigentümlicherweise aus zwei entgegengesetzten Richtungen. Auf der einen Seite stand die Empörung darüber, dass Harlow Tieren so viel zutraute: Er behandelte die Affen als Lebewesen, deren psychische Konstitution sich allenfalls graduell, nicht aber prinzi­ piell von der des Menschen unterscheidet. Das bedrohte die traditionelle Überzeugung von der Sonderstellung des Menschen in der Schöpfung. Auf der anderen Seite stand die Entrüstung darüber, dass Harlow den Tieren so viel zumutete: Er behandelte die Affen als Lebewesen, deren ethischer Status sich nicht nur graduell, sondern prinzipiell von dem des Menschen unterscheidet, weshalb man mit ihnen machen konnte, was man wollte. Das war die Kritik der Tierschützer an Harlows Versuchen. Heute sind wir es schon fast gewohnt, Tieren viel zuzutrauen. Gerade in den vergangenen 20 Jahren hat die zoologische Verhaltensforschung eine Fülle von Belegen dafür zusammengetragen, dass Tiere zu Dingen in der Lage sind, die lange als exklusiv menschliche Fähigkeiten galten. Raben können lügen, und sie können sogar vor-

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täuschen, dass sie lügen. Delfine entwickeln gruppenspezifische Sprachen, und sie können sich sogar mit Eigennamen anreden. Menschenaffen können die Gebärdensprache der Gehörlosen erlernen, und sie können selbst neue Wörter erfinden. Fruchtfliegen werden bei Schlafentzug depressiv, und sie können wahrscheinlich auch träumen. Die Liste solcher Beispiele ist lang. Populäre Bücher wie Peter Wohllebens Das Seelenleben der Tiere oder Richard David Prechts Tiere denken bringen sie in unsere Wohn­ nseres kulturellen Unstuben und machen sie zum Teil u terbewussten. Zur Anerkennung der Tiere als eigenständige Persönlichkeiten und zu ihrer Auf­wertung als ethisch relevante Lebewesen haben ­Harlows Versuche gewiss beigetragen – wenn auch vielleicht ungewollt. Doch je mehr man Tieren zutraut, desto weniger möchte man ihnen zumuten. Es ist leichter, Schweine zu essen, wenn man nicht weiß, wie intelligent sie sind. Und es ist leichter, Affenbabys unmittelbar nach ihrer Geburt von ihrer Mutter zu trennen, wenn man nicht glaubt, dass sie eine Persönlichkeit, eine komplexe, dem Menschen vergleichbare Psyche haben. Nun hatte Harlow in seinen Experimenten die Ähnlichkeit zwischen Menschen- und Rhesusaffenpsyche vorausgesetzt und zudem die Komplexität des emotionalen Lebens dieser Tiere nachgewiesen. Gleichwohl hat er diese Versuche in kalter Konsequenz durchgeführt. Daraus ergibt sich die eigentümliche und teilweise unerträgliche Spannung, wenn man von diesen Versuchen Berichte liest oder Filme sieht: Harlow ist völlig begeistert davon, welch psychisches Universum sich in der Arbeit mit den Rhesusaffen entfaltet; und er ist ihnen gegenüber zugleich völlig erbarmungslos in der Anwendung psychischer Gewalt. Mehr noch als in den Versuchen zur Natur der L ­ iebe zeigt sich diese Erbarmungslosigkeit in Harlows Isola­ tionsexperimenten: Welche Auswirkungen hat es, wenn ich ein Rhesusaffenjunges isoliert von allen anderen Affen in einem leeren, kahlen Käfig aufwachsen lasse, reduziert auf Sicht- und Hörkontakt? Schon nach kurzer Zeit, so stellte Harlow fest, zeigen sich erste psychische Störungen, von Depressionen über Autoaggressionen bis zur Nahrungsverweigerung. Um die Beobachtungen zu präzisieren, verschärfte Harlow die Lage: Was passiert bei völliger Isolation, in einem von Harlow selbst als „Pit of despair“ bezeichneten Käfig, wenn also zudem noch der Sichtund Hörkontakt unterbrochen wird? Und macht es einen Unterschied, ob diese totale Isolation drei, sechs oder zwölf Monate dauert? Drei Affenmonate entsprechen entwicklungspsychologisch ungefähr einem Menschenjahr. Harlows Ergebnis: Drei Monate sind hart, lassen sich aber aufholen, wenn danach ein normales soziales Leben beginnt. Doch nach sechs Monaten kompletter Isolation – das wären für einen Menschen zwei Jahre – ist eine Grenze überschritten, bei der die psychischen ­Schäden ­irreparabel geworden sind. Und zwölf Monate I­solation

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hinterlassen ein emotionales Wrack. Integrierbar in normale Affengruppen sind diese Individuen nicht mehr. In Kontakt mit Artgenossen werden sie zu einem bestän­ digen Quell des Unfriedens. Mit seinen Forschungsergebnissen zur Natur der Liebe setzte Harlow im spröden, alles Körperliche meidenden Nachkriegsjahrzehnt einen spürbaren Gegenakzent: Knuddelt mit euren Kindern! Füttern allein reicht nicht aus! Und das hieß für Harlow sogar: „Der amerikanische Mann ist physisch mit allem ausgestattet, was wirklich wichtig ist für das Aufziehen von Kindern.“ Denn auch Männer können das grundlegende kindliche Bedürfnis nach Körperlichkeit befriedigen. Als die amerikanischen Jugendlichen – Frauen wie Männer – dies ein Jahrzehnt später konsequent umsetzten, kam Harlow mit seinen 1965 publizierten Isolationsexperimenten zwar zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Protestbewegungen: Der Entzug von Liebe führt zum Krieg. Doch obwohl Harlow diese Erkenntnis genau deshalb gewinnen konnte, weil er von einer fundamentalen Ähnlichkeit zwischen Affen und Menschen ausging, war er nicht bereit, aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen für seinen Versuchsaufbau zu ziehen und auf Gewalt gegen die Tiere zu verzichten. Was er seinen Rhesusaffen gab, war in seiner kalten Brutalität das Gegenteil dessen, was die 68er-­ Generation für das menschliche Miteinander einforderte: „Make love, not war!“ Es sind dann auch Harlows Experimente, die in den späten 1960er und den 1970er Jahren entscheidende Impulse für die Tierschutzbewegung geben. Ohne Harlows Versuche wären die Tierschutzge­ setze und die Einschränkungen des Tierversuchs in Amerika und Europa wahrscheinlich noch nicht so weit, wie sie mittlerweile sind. Und dies nicht obwohl, sondern weil Harlow nach eigener Aussage für seine Affen keine besondere Empathie aufbrachte: „I don’t have any love for them.“ Für Tierversuchsgegner ist diese emotionale Kälte eine genaue Entsprechung der ethisch unzulässigen Gewalt, die den Tieren im Namen der Forschung angetan wird. Heute würde Harlow für seine Experimente keine Genehmigung mehr bekommen, zumindest nicht in Amerika oder Europa. So verdichten sich in Harlows Experimenten gleich mehrere Paradoxien: Die Versuche wollen Liebe nachweisen; und sie nutzen dafür Gewalt. Sie trauen den Tieren sehr viel zu; und sie sind trotzdem zugleich bereit, ihnen sehr viel zuzumuten. Sie setzen voraus, dass sich Affe und Mensch psychisch sehr ähnlich, in ethischer Hinsicht aber kategorial voneinander unterschieden sind. Die Versuche sind für die Tiere, mit denen experimentiert wurde, grauenerregend; zugleich aber haben diese Versuche den Tierschutzgedanken gefördert. Denn zum einen waren ihre Ergebnisse so überzeugend, dass einigen Tieren mittlerweile eine eigene Persönlichkeit zugestanden wird. Zum anderen waren ihre Verfahren so

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abstoßend, dass Tierversuche heute einer strengeren Restriktion unterliegen. Die Ergebnisse und Effekte, die sich aus Harlows Experimenten ergeben haben, waren also – zumindest auf lange Sicht – nicht schlecht. Der Weg aber, auf dem sie gewonnen wurden, war – zumindest für die an den Versuchen beteiligten Rhesusaffen – nicht gut. „Liebe ist ein wundersamer Zustand, tief, zart und bereichernd.“ Seit Harlow wissen das nicht nur die Dichter, sondern auch die Wissenschaftler. Aber was wissen die Wissenschaftler dank Harlow eigentlich von der Liebe? Dass sie mehr ist als ein bedingter Reflex und dass ihr totaler Entzug katastrophal zerstörerische Konsequenzen hat. Das ist kein geringes Verdienst. Doch haben die Wissenschaftler die Liebe damit vollständig erfasst? Wohl kaum. Denn es gibt ein dichterisches Wissen über die Liebe, das wahrscheinlich mindestens so valide ist wie das Liebes-Wissen des Tierversuchs. Auf jeden Fall ist es älter und vielfältiger. Zur Frage, was die Liebe ist, gibt es eben deutlich mehr Literatur-Versuche als Tierversuche. Der offensichtliche Vorteil der Literatur-Versuche liegt gewiss darin, dass sie ganz direkt, ohne den Umweg über die Tiere, von der Liebe der Menschen zu sprechen vermögen. Der verdeckte Effekt der Tierversuchsliebe hingegen ergibt sich gerade daraus, dass sie den Umweg über die Tiere nehmen. Denn weil uns Harlow die Natur der Liebe in der Arbeit mit Rhesusaffen gezeigt hat, wissen wir, dass die Liebe nicht etwas ist, das uns von den Tieren unterscheidet, sondern etwas, das wir mit einigen von ihnen teilen: Rhesusaffen wie Menschen gehören zur Gruppe der liebenden Tiere.

Roland Borgards lehrt Neuere Deutsche Literatur­geschichte an der Universität Würzburg. Seine Forschungsschwerpunkte sind ­literarische Tiere, Georg Büchner und die ­Romantik. Zuletzt ­publizierte er unter anderem die Bücher ­Tiere. Kulturwissenschaft­ liches Handbuch (2016) sowie ­Robinsons Tiere (hg. zusammen mit Marc Klesse und Alexander Kling, 2016).


La Forza del Destino von Giuseppe Verdi

erzählt von Frank Forte

Unsere Geschichte beginnt im Sevilla des 18. Jahrhunderts, auf dem Schloss des Marchese von Calatrava. Seine Tochter, die bezaubernde Donna Leonora, ist in Aufregung. Sie erwartet ihren Geliebten, den schönen Don Alvaro. Gemeinsam wollen die beiden fliehen und ein neues Leben beginnen, doch Donna Leonora schwankt: Soll sie ihre Familie wirklich verlassen? Ihr Vater wird sie verstossen, wenn sie sich für Don Alvaro, einen Mestizen, ­entscheidet, das ist sicher. Wir treffen Leonora am Abend der Entscheidung …

Die reine Luft des Landes gab Frieden deinem Herzen … Du flohst den Fremden, der deiner nicht würdig ist …

Gute Nacht, meine Tochter ... Gott segne dich, geliebtes Kind. Die Tür zur Terrasse ist noch offen?

Lass mir die Sorge um die Zukunft. Vertraue deinem Vater und seiner grossen Liebe!

Vater!

Der Himmel segne dich. Gute Nacht.

Ach, Vater!

Weshalb sagst du kein Wort? Warum so traurig? Vater … Herr …

Nun, was bedrückt dich? Weine nicht.

( Diese ­Qualen! ) Gute Nacht!

Ich lasse dich allein.

Ich fürchtete schon, er bliebe bis morgen früh! Das Fenster muss wieder geöffnet werden, alles muss bereit sein. Fangen wir an.

Was sagst du?

Diese Worte drangen mir wie Dolche ins Herz … Wäre er länger geblieben, ich hätte ihm die Wahrheit gesagt.

Dann läge Alvaro morgen in seinem Blut, oder er sässe in Sevilla im Gefängnis, oder ­vielleicht hinge er am Galgen … In all seiner Liebe stellt mein Vater sich so meinem Verlangen ­entgegen? Nein, nein, ich kann mich nicht ­entscheiden.

Schweig!

Und all das aus Liebe zu einem Menschen, der ihn nicht liebte.

Ich sollte ihn nicht lieben? Du weisst allzu gut, wie ich ihn liebe … Heimat, Familie, den Vater, verlasse ich sie nicht um seinetwillen? Ach, zu gross, zu gross ist mein Unglück!

Mich, die Heimatlose, Verwaiste, treibt ein ­ n­erbittliches Schicksal u fort vom Haus meiner Kindheit und fremden Gestaden zu. ­Bedrängt von Angstbildern, erdrückt von Gewissens­qualen, verdammt zu ewigem ­Leiden ist das Herz von mir Elender.

Rubrikentitel

Ach, ich ­ver­lasse dich unter Tränen, meine geliebte Heimat!

Ach, mein grosser Schmerz wird nie ein Ende haben! Leb wohl!

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Er ist es!

Und wenn er nicht kommt? Es ist spät.

Undenkbar, dass er nicht ge­kommen wäre!

Es hat schon Mitternacht ­ge­schlagen! Nein, er kommt nicht mehr!

Was ist das für ein Geräusch? Das Klappern von Hufen!

Hab keine Angst!

Liebste Leonora, hier bin ich!

Für immer, mein holder Engel, ­ver­einigt uns nun der Himmel! In dieser Umarmung spüre ich den Jubel des ­Universums.

O Gott!

Don Alvaro!

Himmel, was beunruhigt dich? Allzu lange haben tausend Hindernisse verhindert, dass ich zu dir kam …

Bald ist es Tag.

Doch dem Zauber unserer reinen, heiligen Liebe kann sich nichts entgegen­ stellen.

Schnell, wirf diese Kleider vom Fenster herab!

Es ist spät  …

Nein!

Was sagst du? Komm mit mir! Verlass dein Gefängnis! Himmel! Ich kann mich nicht ent­ scheiden.

Schnelle Pferde stehen schon für uns bereit; ein Priester erwartet uns am Altar. Komm, finde Zuflucht an einem Herzen voller Liebe, die Gott im Himmel segnen wird!

Und wenn die Sonne, Gottheit Indiens und Herrin meines könig­ lichen Hauses, die Welt mit ihrem Glanz über­flutet, wird sie uns, Geliebte, selig vereint finden.

Ich gehöre dir, mit dem Herzen und dem Leben. Dir zu folgen bis an das Ende der Welt, dir zur Seite und unerschrocken das feindliche Schicksal zum Kampf herauszu­ fordern, wäre mir endlose Freude, ewige Lust. Ich folge dir. Gehen wir! Das ­Schicksal kann uns nie, niemals trennen.

Morgen werden wir fliehen. Nur einmal noch will ich meinen Vater, meinen armen Vater sehen. Und dir ist es recht, nicht wahr? Ja, denn du liebst mich … Du kannst nicht wider­ sprechen … Auch ich, du weisst es … ich liebe dich!

Wie glücklich mich das macht. Ja, mein Alvaro, ich liebe dich! Ich liebe dich!

Ich atme wieder, Licht und Leben dieses Herzens, das dich liebt; solange ein Puls in mir schlägt, wird mein einziger und unerschütter­ licher Wunsch sein, dir jedes Ver­langen zu erfüllen. Komm mit mir, gehen wir, das Schicksal kann uns nie, niemals ­trennen.

Dein Herz ist voll Freude … und du weinst! Deine Hand ist eisig wie ein Grab! Ich begreife alles, alles!

Ich entbinde dich von deinen Schwüren. Die Hochzeits­fackeln wären für uns nur ein Zeichen des Todes, wenn du mich nicht liebst, wie ich dich liebe, wenn du bereust.

Was ist das für ein ­Geräusch? Jemand kommt die Treppe herauf!

Nein! Ich muss dich schützen!

Steck die Waffe weg! Willst du sie etwa gegen meinen Vater richten?

Entsetzlich!

Nein, eher gegen mich selbst.


Schändlicher Verführer! Ehrlose Tochter!

Nein, Vater …

Fort mit dir!

Der bin ich nicht mehr …

Packt den Verbrecher!

Zurück!

Der einzig Schuldige bin ich.

Wenn sich einer von euch rührt …

Alvaro, um Himmels willen, was tust du?

Nein, Euer Betragen zeigt allzu deutlich Eure schändliche Abkunft.

Stosst zu und stillt Eure Rache.

Nur Euch ergebe ich mich, Marquis de Calatrava. Stosst zu! Sterben von meiner Hand?! Einer wie Ihr muss von der Hand des Henkers sterben!

Herr von Calatrava! Rein wie die Engel ist Eure Tochter, das schwöre ich; schuldig bin ich allein.

Aargh!

Ich ergebe mich.

Ich wurde getroffen.

Mitten ins Herz!

Der Zweifel, den meine Kühnheit hier erregt, sei mit meinem Leben getilgt. Hier, ich bin ohne Waffe … Vater, nein! Mir aus den Augen! Dein Anblick schändet meinen Tod.

Himmel, sei gnädig!

Schreckliches Schicksal! Der Vater meiner Geliebten, von meiner Hand ermordet …

Alvaro, was ­geschieht mit uns?

Seufz

Vater! Das war ein Unfall! Alvaro würde niemals … Ich verfluche dich und deinen geliebten Alvaro! Eure Liebe soll sich niemals ­erfüllen!

O Gott. Ich sterbe.

Ich atme meinen letzten …

Urk  []

... und ein Fluch, der uns nun ­verfolgt  ...

Die Zukunft ist ungewiss. Ich werde fliehen und beten, dass wir uns eines Tages wieder­sehen. Der Herr sei uns gnädig!


Monate später. In einem Dorfgasthaus plant Leonoras Bruder Don Carlo de Vargas seine Rache an Don Alvaro.

Holà, holà, holà! Willkommen, Maultiertreiber!

Warum bist du hier, Fremder?

Vergeblich suche ich meine Schwester und ihren Verführer, diese elenden Verbrecher!

Das Essen ist fertig!

Hier musst du bei einem Glas wieder zu Kräften kommen!

Ihr sprecht das Tisch­ gebet.

Das kann der Student machen.

Amen.

Leonora, als Mann verkleidet, erscheint unbemerkt in einer Seitentür.

Was sehe ich! Mein Bruder! Er ist auch ver­ kleidet!

Heute wird gefeiert, aber morgen gehen wir in den Krieg! Wir gehen als Soldaten nach Italien, wo der Krieg gegen die Deutschen aus­gebrochen ist. Vergessen wird nur, wer als Feigling stirbt; auf den tapferen Soldaten!

Amen.

Wir alle hier werden bald Soldaten sein … wir alle sind aus der Gegend hier. Aber Euch, Student, kenn ich nicht … Ich muss alle Reisenden beschützen.

Sehr gern. In nomine patris, et filii, et spiritus sancti.

Ihr tätet besser daran uns zu sagen, woher Ihr kommt, wohin Ihr geht und wer Ihr seid.

Was will er hier?

Dem wahrhaft Tüchtigen ist die Krone des Ruhmes, der Ehre gewiss!

Hier ist meine Geschichte: Ich bin Pereda, reich an Ehren, Bakkalaureus der Universität Salamanca, demnächst Doktor beider Rechte, deren Studium ich fast vollendet habe. Vor einem Jahr holte ­Vargas mich aus dem Semester und nahm mich mit nach Sevilla. Pereda liess sich durch keinen Schaden zurückhalten, sein Herz schlug für den Freund. Der Geliebte seiner Schwester, ein Fremder, hatte deren Vater getötet, und der Sohn, als ein Mann von Ehre, hatte Rache geschworen. Wir verfolgten sie bis an die Küste von Cádiz …

Schön ist der Krieg! Es lebe der Krieg!

… aber das Mörderpaar war nicht zu finden. Pereda litt mit dem Freund, denn sein Herz schlug für ihn. Wohin wir auch kamen, überall erzählte man dasselbe; dass die Verführte mit dem Vater umgekommen war und dass nach einem Kampf zwischen Dienern und Mördern der schändliche Verführer allein entkam. Ich trennte mich von Vargas. Er schwor, den Mörder weiter zu verfolgen. Nach Amerika stach er in See und Pereda kehrte zu seinen Studien zurück.

Wollt Ihr es wissen?

Errette mich vor einem Bruder, der mir nach dem Leben trachtet. Wenn du es nicht willst, grosser Gott, kann niemand mich retten! Nein, niemand wird mich retten! Herr, erbarme dich!

Dieser Marchese wurde ermordet? Und der Mörder entführte seine Tochter? Ja.

Ich muss an einen sicheren Ort fliehen!


Nach einer anstrengenden fünftägigen Reise erreicht Leonora die Kirche Heilige Jungfrau von den Engeln.

Dieser erhabene Gesang, die Klänge der Orgel, die wie Weihrauch empor­steigen zu Gottes Firmament, ­Mutter, hauchen auch meiner barmherzige Seele Glauben, Trost Jungfrau, vergib mir und Frieden ein! meine Sünde, hilf mir, diesen Treulosen aus meinem Herzen zu verbannen. In dieser Einsamkeit will ich den Fehltritt büssen. Herr, erbarm dich meiner, verlass mich nicht!

Ich bin am Ziel! Dank dir, o Gott! Dies ist meine letzte Zuflucht! Ich bin am Ziel! Ich zittre! Meine furchtbare ­Geschichte ist bekannt in diesem Wirtshaus, mein Bruder hat sie ja erzählt!

Wenn er mich entdeckt hätte! Himmel! Er sagte, Don Alvaro habe sich gerettet! Er starb also nicht in jener Nacht, als ich ihn auf der Flucht verloren! Und jetzt verlässt er mich, er flieht mich! Ach, nein, ich ertrage diese Qualen nicht!

Wenn er mich nun zurückweist! Es heisst, er sei milde. Er wird mich aufnehmen. Heilige Jungfrau, steh mir bei.

Wer seid Ihr?

Ich möchte zum Prior.

Eine Ewigkeit scheint zu vergehen. Leonora flüstert ihre Kindheits­ gebete immer und immer wieder vor sich hin …

Die Kirche wird um fünf geöffnet, falls Ihr zum Fest wollt.

Du willst mich sprechen? Ja. Den Prior, ich bitte Euch!

So sprich!

Welch ein Wunsch zu dieser Stunde! Sag ihm, es ist dringend! Pater Clytus schickt mich!

Der fromme Heilige? Für ihn will ich den Prior holen.

Seid Ihr exkommuniziert? Seltsam genug, unter freiem Himmel warten zu wollen. Ich melde Euch an, und wenn ich nicht zurückkomme: Gute Nacht …

Wie soll ein armer Mönch das können? Hat Pater Clytus Euch nicht geschrieben?

Er schickt euch?

Nicht länger steigt blutig der Schatten meines Vaters drohend vor mir auf,

Ja!

Ihr also seid Leonora di Vargas!

Ihr seid entsetzt?

Ruhiger ist meine Seele, seit ich auf diesem Boden stehe; die furchtbaren Schreckensbilder fühle ich nicht mehr auf mich eindringen.

Nein. Kommt gläubig zum Kreuz, dort wird des Himmels Stimme Euch erleuchten.

noch tönt länger sein Fluch entsetzlich in den Ohren der Tochter.

Ich bin eine Frau … unglücklich, ­betrogen, ver­stossen, verflucht von Erde und Himmel, flehe ich weinend Euch an auf Knien: rettet mich vor den Qualen der Hölle!

Satans Wüten gegen diesen Ort war immer vergeblich.

Wehe dem, der sich blenden lässt vom Fieber eines Augen­ blicks!

Für Euch, die Ihr so jung seid, wäre die Reue umso schwerer.


Bei Vellettri in Italien. Soldaten unter­halten sich beim Kartenspiel, unter ihnen ist Don Carlo …

Ein As auf der Rechten.

… während Don Alvaro, der sich aus Verzweiflung über den vermeintlichen Tod Leonoras zur Armee gemeldet hat, in der Dunkelheit über sein Schicksal sinniert.

Passt auf beim Spiel.

Ich habe gewonnen.

Sieg!

Ich habe verloren.

Ich bin geschlagen.

Es wollte einst mein Vater unsre Heimat von fremdem Joch befreien. Er nahm zum Weib der Inka letzte Tochter. Nach der Krone trachtete kühn sein Mut …

Das Leben ist dem Unglück­lichen eine Hölle! Vergeblich suche ich den Tod! Sevilla! Leonora! Ach Erinnerung! O Nacht, die du mein Alles mir nahmst!

Aus dem Streit im Kartenspiel ist in­zwischen blutiger Ernst geworden …

Hinfort, Schurken! Zu Hilfe!

Ja, ich komme!

Leonora, erbarm dich mein, o du mein Engel. Erbarm dich meiner Not! Erbarm dich mein!

Verschwindet!

Sie fliehen! Seid Ihr verwundet?

Nein, ich verdanke Euch mein Leben. Wer waren sie?

Feige Mörder!

Ich bin Don Federico Herreros, Hauptmann bei den Grenadie­ ren.

Der Stolz des ganzen Heeres!

Gewährt mir Eure Freundschaft! Ich bitte und hoffe.

Fremd noch bin ich, kam gestern erst her auf Befehl vom General!

Und ich bin stolz, mich euren Freund zu nennen!

Ohne Euch wäre ich tot. Nun sagt mir: Wem verdanke ich mein Leben?

Als Freunde sind wir auf ewig verbunden! Welches Schicksal uns auch droht!


Sachte … setzt ihn ab … macht mein Bett für ihn fertig.

Es ist der Hauptmann, er ist verwundet.

Am nächsten Tag in der Schlacht … Für Spaniens Ruhm! Lang lebe Italien! Sieg!

Tüchtig, diese Grenadiere!

Ist es ernst?

Die Kugel in seiner Brust bereitet mir Sorgen.

Ihr müsst ihn retten!

Wo bin ich? Bei Eurem Freund.

Arrgh! Ich bin getroffen!

Unsere Fürsorge wird Euch retten. Als ­Auszeichnung er­haltet Ihr den Orden von ­Calatrava. (Wie! Warum erschrickt er bei meinem Namen?)

Lass mich sterben!

Ein Schlüssel!

Von Calatrava??! Nein, niemals!

Mein Freund … In dieser ernsten Stunde müsst Ihr schwören, mir ein Gelübde zu erfüllen.

Damit öffnet das Felleisen und holt das versiegelte Päckchen heraus … ich vertraue es Eurer Ehre an … es enthält ein Geheimnis, das mit mir sterben soll. Verbrennt es, wenn ich tot bin.

Ich schwöre, es wird ge­schehen.

Sterben! Es ist furchtbar! So mutig, so tapfer, und er soll sterben! Ein ungewöhn­ licher Mann! Er erschrak, als er den Namen Calatrava hörte! ­Vielleicht ist ihm die Schande nicht verborgen? Himmel! Welcher Gedanke! Wenn er der Verführer wäre? Er in meiner Hand … und lebend! Wenn ich mich irrte? Dieser Schlüssel soll Klarheit schaffen!

Jetzt ­ sterbe ich ruhig. Ich drücke Euch an mein Herz.

Ich schwöre es.

Sucht über meinem Herzen … in meiner Jacke.

Und wenn ich andere Beweise finden könnte? Ich will nach­ sehen. Was ist das? Ein kleines Medaillon, ein Porträt.

Es hat kein Siegel … er sagte nichts davon. Ich habe nichts ver­ sprochen …

… ich darf es öffnen.

Mein Freund, vertraut auf Gott. Leb wohl.

Himmel! Leonora!

Der Verwundete ist Don Alvaro!

Jetzt muss er leben, um dann von meiner Hand zu sterben.

Leb wohl.

Und der Eid, den ich schwur? Und das Leben, das ich seiner Tapferkeit danke? Doch auch ich habe ihn gerettet! Wenn er dieser ­ erfluchte wäre, der mein V Blut schändete!

Gute Nachricht: Er ist gerettet.

O unermessliche Freude, ich fühle, wie du mir das Herz erfüllst! Meine Rache soll sich erfüllen! Leonora, wo versteckst du dich? Sag: bist du dem unter die Fahnen gefolgt, der aus deines Vaters Wunden dich mit Blut befleckte?

Ah, mein Glück wäre ­ vollkommen, wenn mein Schwert alle beide auf einen Streich dem Fürsten der Hölle weihen könnte!


Dämmerung ...

Wie kann ich Euch all die Fürsorge vergelten?

Ich kann nicht einen Augenblick des Friedens geniessen …

Habt Ihr keine Feinde?

Seid Ihr bei Kräften?

Jeder hat welche … aber ich verstehe nicht ganz …

Nein? So habt Ihr keine Nachricht von dem Indianer Don Alvaro?

Captain …

Ja.

Würdet Ihr ein Duell aus­ tragen? Wer ruft mich?

Mit wem?

Ich verachte den Tod, aber es schmerzt mich, gegen den Mann zu kämpfen, der mir erst Freundschaft anbot.

Ich habe keine Angst vor solch frechen Drohungen.

Verrat! Betrüger! Ihr habt also das Geheimnis verletzt?

Wie früher.

Der Umschlag blieb ­ nberührt, das Bild u hat alles verraten; macht Euch gefasst, ich bin Don Carlos di Vargas!

Lüge! Lüge! Eine alte Verwandte nahm die Schwester bei sich auf; ich kam dorthin, jedoch zu spät …

Gehen wir sofort, einer muss sterben …

... war geflohen.

Und sie? ...

Sie lebt! ­Grosser Gott, sie lebt!

Ja, sie lebt.

Don Carlos, Freund, die Erregung, die mich in allen Fasern erschüttert, muss Euch beweisen, dass meine Seele nicht unedel sein kann … Dieser Engel lebt, grosser Aber bald Gott! Er lebt! wird sie sterben.

Nicht ich, das Schicksal war es, das Euren Vater tötete; ich habe ihn nicht verführt, diesen Engel der Liebe. Beide sehen uns, und vom Paradies herab sprechen sie zu Eurem Herzen, dass ich schuldlos bin.

Und sie?

Narr!

In jener unseligen Nacht ward im Kampfe ich tödlich verwundet, Ich suchte sie, ein Jahr lang verfolgte ich ihre Spur. Doch bald schien mir sicher: Leonora ist tot.

Ich schwöre, dass edle Herkunft mich Euch gleich­ stellt und dass mein Wappen leuchtet wie das Licht des Tages.

Nein, die Hoffnung auf Hochzeit soll auch das Band um uns fester schlingen; wenn sie lebt, wollen wir gemeinsam herausfinden, wohin sie floh. Schweigt.

Ich schwöre zu Gott, die Ruchlose wird sterben.

Vorher fallt Ihr im tödlichen Kampf. Narr! Zwischen uns öffnet sich ein blutbesudeltes Grab. Wie kann ich Bruder nennen den, der mir alles raubte? Ob edler oder niederer Herkunft, ich muss Euch töten und nach Euch die Unwürdige, die ihr Blut verriet.

Was sagt ihr?

Sie wird sterben.

Tod! Solange ich nicht falle, werde ich Leonora er­ reichen. Von Eurem Blut noch gerötet, wird diese Klinge sie durchbohren. Tod, ja! Mit meinem Schwert töte ich einen Mörder!


Vorwärts, dem Tod entgegen, dem Tod!

Tod! Tod! Tod! Jetzt richtet Eure Gedanken auf Gott!

Haltet ein!

Sein Leben oder meines!

Führt sie von hier fort.

Der Himmel möge mir helfen! Barmherziger Gott, hilf mir!

Niemand soll heute sterben!

Er muss sterben!

Eure letzte Stunde hat nun geschlagen. Vorwärts, dem Tod entgegen, dem Tod!

Der Mörder meines Vaters!

Jahre später, im Kloster der Heiligen Jungfrau von den Engeln. Don Alvaro hat sein Leben Gott gewidmet. Es herrscht Frieden. Bis eines Tages ein Fremder erscheint.

Es ist jemand gekommen.

Ich, Don Alvaro, will Frieden im Kloster finden und mein Schwert niederlegen.

Umsonst, Alvaro, suchtest du im Gewande des Mönches Schutz vor dem Rächer deiner Tat. Den Weg zu diesem Kloster hat mir mein Hass gezeigt und der heisse Durst nach Rache, und keinen gibt's auf der Welt, der uns noch trennte! Dein Blut, allein dein Blut kann die Schande tilgen, die meine Ehre befleckte. Ja, fliessen soll dein Blut!

Wen wollt ihr sehen?

Bruder …

Den aus der Hölle.

Erkennst du mich?

Und wen soll ich ihm melden?

Don Carlo, du lebst!

Einen Kavalier.

Seit fünf Jahren folge ich deiner Spur, endlich habe ich dich gefunden! Und würde ich auch von deiner Hand fallen, so würde Gott an meiner Stelle die Rache doch vollenden. Nur mit Blut sind Schmach und Ver­ brechen zu löschen; dass dich durch mich die Strafe trifft, steht im Buch des Schicksals geschrieben. Wenn aus dem Krieger ein Mönch nun ward, der Waffen nicht mehr trägt: Heut musst du doch den Degen ziehn!

Wähle, einer ist für dich!

Ich habe in der Welt gelebt, ich verstehe; jetzt aber zeigt mein Büsserkleid, dass ich mein Leben der Reue gewidmet. Lasst mich allein!

Weder diese Kutte noch die Einsamkeit, du Feigling, können dich schützen!

Feigling! Ich ein Feigling! … Nein! Nein! Gott, steh mir bei! Eure Drohungen und wilden Beschuldigungen soll der Wind mit sich forttragen. Vergebt mir, habt Mitleid, o Bruder, Mitleid, Mitleid.

Warum den so schwer beleidigen, der nur Opfer eines Unglücks war? Neigen wir das Haupt vor dem Geschick, o Bruder, Mitleid, Mitleid!


Nein, sie wurde nicht entehrt, ich schwöre es Euch als Priester; auf Erden habe ich sie angebetet, so wie man nur im Himmel einander lieben kann. Ich liebe sie noch immer, und sollte sie mich lieben, begehrt mein Herz nichts weiter sonst.

Du missbrauchst dieses Wort. Eine Schwester liessest du mir, die du verraten und der Schmach und Schande ausgeliefert hast.

Mein Zorn lässt sich nicht durch lügnerisches und erbärmliches Geschwätz besänftigen. Greif zur Waffe und komm zum Kampf mit mir, du Verräter!

Ah! Die Schande deines Wappens hast du jetzt mit dieser Tat bewiesen!

Es erstrahlt reiner als Edelstein.

Einen Degen, einen Degen! Zum Kampf!

End­ lich! Wenn du jetzt immer noch keinen Mut hast, Feigling, dich mit mir zu messen, überantworte ich dich der Ehrlosigkeit …

Wenn meine Reue, meine Tränen noch immer nicht für mich sprechen, so seht, was noch nie jemand mich tun sah: Ich werfe mich Euch zu Füssen.

Ihr Vermessenen, flieht den Zorn des Himmels!

Eine Frau! Welche Stimme!

Dein Schicksal ist besiegelt!

Komm, dem Tod, dem Tod entgegen, gehen wir! Nun floss erneut das Blut eines Vargas! Ich bin verflucht!

Ich sterbe! Mein Gott, ich will beichten! Rettet meine Seele …

Dort liegt ein Sterbender, dein Bruder, Don Carlo.

Was sehe ich?

Ich habe alles versucht, diesen Kampf zu vermeiden. Ich wollte mein Leben im Kloster fristen. Er hat mich gefunden, er hat mich beleidigt … ich habe ihn getötet …

Du … Leonora!

Du hast ihn ge­tötet?

O Gott!

Bleib weg von mir! Meine Hände sind blutig … Grausames Schicksal, kannst du meiner so spotten? Leonora lebt, und ich habe ihren Bruder getötet!

Großer Gott! Don Alvaro! Endlich seh ich dich wieder!

Mein Bruder, was ist passiert?

Ich bin bis ans Ende der Welt gewandert, um unseren Vater zu rächen. Jetzt hat mich Alvaro gefällt. Jetzt kann ich ihm nur noch seine Geliebte nehmen.

Don Alvaro, Geliebter … in seiner letzten Stunde konnte er nicht ver­zeihen. Er hat sich an mir gerächt. Ist die Rache des Himmels denn noch nicht vollendet!? Ich fluche dem Himmel!

Ah! Himmel! Gelobt seist du, Herr!

Sei nicht wütend!

Und damit verfluche ich mein eigenes Geschlecht.

Arrrgh!

Gott wird dir vergeben. Bete für mich.

Du verdammst mich zum Leben und verlässt mich! Und ich bin an all dem Elend schuld!

Weine und bete!

Leonora, ja, der Himmel hat mir vergeben …

Nein, Don Carlo!

Unser Vater, der Marquis von Calatrava, ist gerächt!

Ich bin verflucht! Uns trennt ein Strom von Blut für alle Zeit …

Ach, ich lasse dich zurück! ­Alvaro, ich liebe dich … im Himmel, im Himmel  … sehen wir uns wieder.

Sie ist tot! O Gott der Rache!


SAMMLUNG MODERNE KUNST

ORIGINALE ERLEBEN Max Beckmann, Tanz in Baden-Baden (Detail), 1923, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München, © VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Wilfried Petzi

PINAKOTHEK DER MODERNE



Oper für alle

„Für uns an der Bayerischen Staatsoper stellt Oper für alle einen der Höhepunkte der Saison dar. Es ist ein großartiges Fest, ermöglicht durch eine außer­gewöhnliche Partnerschaft.“ Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper

„Oper für alle ist eines der traditionsreichsten Projekte im BMW Kultur­engagement und eine echte Herzens­angelegenheit. Musikalischer Hoch­genuss und ausgelassene Open-Air-Stimmung begeistern das Münchner Publikum seit über 20 Jahren.“

Collage Milen Till

Peter Mey, Leiter der BMW Niederlassung München

Oper für alle bietet auch in diesem Jahr wieder ein spektakuläres Programm: Am 24. Juni 2017 eröffnet das Bayerische Staats­orchester unter der Leitung von Omer Meir Wellber vor eindrucksvoller Kulisse auf dem Max-­Joseph-Platz die Opernfest­spiele. Und ebendort ist am 9. Juli die Live-­Übertragung von Richard Wagners Tannhäuser unter der Leitung von GMD Kirill ­Petrenko aus dem N ­ ationaltheater zu erleben – dank der BMW ­Niederlassung München wie immer bei freiem Eintritt.

Mit Trompetenfanfaren werden die Festspiele feierlich eröffnet. Als ersten Programmpunkt des Eröffnungskonzerts spielt der Nachwuchs des Bayerischen Staatsorchesters, das ATTACCA-­ Jugendorchester, unter der Leitung von Allan Bergius Dmitri Schostakowitschs Festliche Ouvertüre. Die Wissenschaft ist uneins, ob das Werk schon 1947 zum Gedenken des 30. Jahres­ tags der Oktoberrevolution 1917 fertiggestellt oder doch erst ein paar Jahre später komponiert wurde; auf jeden Fall fand die Uraufführung 1954 im Bolschoi-Theater in ­Moskau statt. Während der Oktoberrevolution ist Sergej Prokofjew gerade mal Mitte 20 und arbeitet an einer neuen Symphonie, die ebenfalls am Eröffnungsabend zu hören sein wird. Im Gegensatz zu den als schwülstig empfundenen Kompositionen der Spätromantik suchte der Komponist in dieser P ­ hase nach Objektivität und Reduktion: Seine viersätzige Symphonie in D-Dur, die musikalische Stile aus dem 18. Jahrhundert ­aufgreift, benötigt beispielsweise nur zwölf Bläser – nicht zufällig hat Prokofjew sie „klassisch“ genannt. Im ersten Satz sausen die Themen kontrapunktisch durchs Orchester, ­anschließend erklingen zwei Tänze – ein Menuett und eine ­Gavotte – und schließlich ein höchst virtuoses Finale. Als Solistin tritt am Max-Joseph-Platz die russische Sopranistin Ekaterina Siurina auf, die Arien aus bedeutenden Opern ihres Heimatlandes singt. Nach Tschaikowskys letzter

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Oper Iolanta – der Geschichte einer blinden Prinzessin – ­erklingt Marfas Arie aus Rimsky-Korsakows Zarenbraut: Zu Marfas Entsetzen wählt der Zar sie als seine Gattin, ihre ­Verzweiflung mündet schließlich in den Wahnsinn. Im Wahn erträumt sie sich die Vereinigung mit ihrem Geliebten: eine der herzzerreißendsten Arien der russischen Oper. In der phantastischen Oper Ruslan und Ludmila von Michail Glinka wird die Braut am Tag vor der Vermählung des Titelpaars von unbekannten Geistern entführt. Ruslan begibt sich auf eine abenteuerliche Suche nach Ludmila, bevor die beiden am Ende doch noch heiraten können. Übrigens erinnert das e ­ rste Werk des Abends an die Ouvertüre von Ruslan und Ludmila. Rimsky-­Korsakows Märchen-Oper Schneeflöckchen, die den Kampf zwischen der Natur und der Zivilisation zum Thema hat, endet jedoch nicht im Happy End: Das Schneeflöckchen schmilzt am Ende dahin. Auch das letzte Werk des Konzerts, Peter Iljitsch Tschaikowskys vierte Symphonie, beginnt mit einer Fanfare, die wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Stück schwebt. Obschon Tschaikowsky dank der Freundschaft mit der reichen Witwe Nadeschda von Meck von finanziellen Engpässen befreit war, erlebte er im Jahr 1877 eine existenzielle Krise, hervorgerufen durch quälende Zweifel an seiner Schaffenskraft, die als furchtbare Last empfundene (und gesellschaftlich geächtete) Homosexualität und einen dramatisch scheiternden Befreiungsschlag: Die überstürzte Heirat mit einer Verehrerin sollte allem Gerede ein Ende setzen; doch schon nach wenigen Tagen Ehe war das Verhältnis völlig zerrüttet, und der Komponist erlitt einen körperlich-seelischen Zusammenbruch. Die in jener Zeit entstandene Oper Eugen Onegin zeugt von diesen Gedanken und Ereignissen, die vierte Symphonie ist ein unmittelbarer Nachhall davon. Im ersten Satz erklingt nach dem blechernen Aufschrei ein Walzerthema, das die Suche nach Ruhe und Glück in Töne zu fassen scheint. Die Suche bleibt vergeblich – das schicksalhafte Kernmotiv meldet sich zurück. Nach dem langsamen zweiten Satz mit dem träumerischen Oboensolo zu Beginn flitzen im dritten Satz, bei dem alle Streicher nur zupfen, kapriziöse Arabesken vorbei, nur kurz von einer Militärmusik aus der Ferne unterbrochen. Auch wenn das Fanfarenmotiv aus dem ersten Satz im bombastischen und höchst virtuosen Finalsatz zurückkehrt, endet diese Symphonie in einem fröhlichen Volksfest: klingendes Zeichen von Tschaikowskys Hoffnung, nach all den dunklen Gefühlen bald selbst glücklichere Zeiten zu erleben. Am zweiten Abend von Oper für alle wird die Festspielaufführung von Richard Wagners romantischer Oper Tannhäuser in Romeo Castelluccis Inszenierung live auf den Max-Joseph-Platz übertragen. „Tannhäusers Weg kennt keinen Horizont, kein Ziel, und das einzig mögliche Ende ist der Tod in der Liebe“, sagt der Regisseur. Mit Sängern wie Anja Harteros, Klaus F ­ lorian Vogt und Christian Gerhaher und mit Kirill Petrenko am Dirigentenpult ist ein außergewöhnliches musikalisches Erlebnis zu erwarten. ~BS

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OPER FÜR ALLE Festspiel-Eröffnungskonzert Oper für alle Dmitri Schostakowitsch – Festliche Ouvertüre op. 96 ATTACCA-Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung: Allan Bergius Sergej S. Prokofjew – Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25, Symphonie classique Arien aus: Peter I. Tschaikowsky – Iolanta, Nikolai A. Rimsky-Korsakow – Die Zarenbraut, Michail I. Glinka – Ruslan und Ludmila, Nikolai A. Rimsky-Korsakow – Schneeflöckchen Peter I. Tschaikowsky – Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung: Omer Meir Wellber

– Tannhäuser Oper in drei Aufzügen Von Richard Wagner Sonntag, 9. Juli 2017, 18:00 Uhr, Max-Joseph-Platz Audiovisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater Die Vorstellung wird zusätzlich im Rahmen von STAATSOPER.TV im Internet sowie auf arte übertragen.


Bayerische staatsoper

Bühnen-DInner 2017 ein künstlerischer und kulinarischer Abend auf der Bühne des nationaltheaters mit Christian Gerhaher, Alex esposito und weiteren Künstlern der Bayerischen Staatsoper und des Bayerischen Staatsballetts. Der Spendenerlös des Bühnen-Dinners kommt dem Campus-Programm zugute. Do, 21.09.2017 Bühne des Nationaltheaters

Detaillierte Informationen und Tickets erhalten Sie direkt über das Development-Büro:

Rubrikentitel

Max-Joseph-Platz 2 80539 München

www.staatsoper.de buehnen-dinner@staatsoper.de

T + 49.(0)89. 21 85 10 39 F + 49.(0)89.211 04 80 15

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Goldenes Sonnenlicht strahlte durch das Fenster, als er auf dem ungemütlichen kleinen roten Stuhl aufwachte. Die Stadt lag erleuchtet vor ihm, die untergehende Sonne spiegelte sich in tausenden Fenstern in tausend Farbtönen von Gelb, Orange und Pink. Alles sah wunderschön aus. Traumhaft. Unwirklich. Verwirrend. Furchterregend. Er blinzelte ein paarmal und rieb sich die Augen. Geschlafen? Hatte er wirklich geschlafen? Er konnte es nicht fassen. Dann kam der Ton langsam in seine Welt zurück. Sein Name. Immer wieder und wieder. Sie rief nach ihm. Er wandte sich um und sah sie auf dem Bett, nach

ihm greifend, die Finger gespreizt, den Arm angespannt. Und da die Ärztin, die sie antrieb. Er stolperte zu ihr hin, ihre Hand fasste sofort nach seiner, drückte sie so fest, dass er zusammenzuckte. Er rieb sich über das Gesicht. Er drehte sich herum, um noch einmal den schillernden Sonnen­ untergang zu sehen. Er musste sich zusammenreißen, und zwar sofort. „Du hast geschlafen?“, presste sie durch zusammengebissene Zähne. „Nein. Nein. Ich habe nur –“ Aber dann sprach die Ärztin, ruhig und mit Autorität. „Es geht los, Leute“, sagte sie. „Ich kann den Kopf sehen.“ Alles ging so schnell. Er fühlte sich

Erst herrscht konzentrierte An­spannung. Vorfreude. Dann kommt der große Moment, auf den alles hinauslief. Aber was dann? Der Dramatiker und Librettist Tom ­Holloway über ein besonderes Fest mit unerwarteten Folgen.

Und was jetzt?


wirr, seine Hand ganz taub in der umklammernden Hand seiner Freundin, und er hörte sie pressen und keuchen und weinen. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Es kommt!“, rief die Ärztin – ­aufgeregt, und gleichzeitig so vollkommen gelassen. Wie konnte sie nur so drüber­ stehen?! Da stand sie, machte ihre Arbeit, so konzentriert und dabei voller Begeisterung. So freudig, und so ruhig. Und er … Nun, er hatte überhaupt keine Ahnung, was er tun sollte. „Ach, du Dummerchen“, sagte die Ärztin. „Deinen Hals befreien wir gleich mal von der Nabelschnur.“ Moment. Was? Aber dann, bevor ihre Worte überhaupt Sinn ergaben in seinem Kopf, hatte die Ärztin die Sache schon erledigt, denn nach einem Moment der Stille war der Raum plötzlich von Schreien erfüllt. Schreien, wie er sie noch nie zuvor gehört hatte. Den Schreien eines Menschen, den er nicht kannte. Den Schreien von jemandem, der zum ersten Mal seine Stimme fand. Und dann, dann war da sein Sohn … Geborgen … Geboren … Sein Sohn … In den Armen der Ärztin. „Was ist es denn?!“, fragte seine Freundin, jetzt Mutter; noch immer ließ sie seine Hand nicht los. „Was?“ Er war völlig neben sich. „Ein Junge oder ein Mädchen?! Was ist es denn nun??“

„Oh. Ein … Es ist ein … ich glaube, es ist ein … ein Junge.“ Er sprach die Worte zum ersten Mal laut aus. Nun wusste er, er hatte einen Sohn. Er weinte und merkte es nicht. Weinte, lächelte und lachte. Lachte? Echt? Das war alles so verrückt. Die Ärztin legte den Sohn auf die Brust der Mutter. Er war lila und schleimig und so unglaublich klein. Dann winkte sie ihn herüber, der Vater solle kommen, um die ­Nabelschnur zu durchtrennen. Seine Hände zitterten. Er konnte sich kaum konzentrieren, so seltsam war das alles; wie fest die Schnur war, so schwer durchzuschneiden, und die komische Farbe … All das konnte er fast nicht verkraften. „Wie ist das alles nur möglich?“, dachte er. Nur dass er es bei Weitem nicht so deutlich dachte. Tatsächlich konnte von klaren Worten keine Rede sein. Eher von einem Gemisch aus verwirrten Gedankenfetzen. Sie weinte auch – die Mutter. Sie lachten und weinten zur gleichen Zeit, als sie auf dieses kleine, schleimige, lila Wesen starrten. Dieser Moment, den sie so sehr herbeigesehnt hatten. Sich kennenlernen. Sich verlieben. Sich die Liebe gestehen. Sich vertrauen lernen. Anfangen, sich sicher zu fühlen. Sich zu trauen, von „der Zukunft“ zu sprechen. Sich darauf einzulassen,


Es muss zwei Uhr früh gewesen sein. Vielleicht drei. Die Hebamme stand immer noch über die Mutter gebeugt, um zu zeigen, wie man das Baby an die Brust anlegte. „Halt es so“, erklärte sie. „Ich versuch es ja.“ „Alles gut. Er lernt ja auch.

„eine Familie“ zu gründen. Und jetzt … Und jetzt … Und jetzt … „Du hast wirklich geschlafen?!“, lachte die Mutter, beinahe ­hysterisch. „Ja, hab ich! Echt!“, lachte er zurück. Ihm war klar, dass sie ihn auf ewig damit aufziehen würde. Sie waren glücklich. Selig. Genau jetzt, in diesem Moment. Nichts anderes in der Welt zählte für sie. „Ich liebe dich“, sagte er. „Ich liebe dich so sehr.“ Er küsste sie auf den Mund, schaute dann auf das kleine schreiende Lebewesen. „Ich liebe euch beide so sehr.“ Und dann dämmerte es ihm: Monatelang hatte er nur von diesem Moment geträumt, und so viel Aufregung und Angst gehabt die ganze Zeit … Tja, und jetzt hatte er keinen Schimmer, was als Nächstes passieren sollte. Er hörte auf zu lachen, wurde kreideweiß im Gesicht. Auf einmal hatte er Angst. Wie verrückt. Er drehte sich zur Ärztin: „Ähm …“ Er schluckte laut. „Und was jetzt?“ Es wird alles gut.“ Das Baby schrie und schrie. Das arme Ding war so hungrig, wusste sich aber nicht zu helfen. „Sollte es nicht einfach so ­klappen?“, fragte der Vater, was für wirklich niemanden hilfreich war. Die Hebamme ignorierte die Frage, gab auf und reichte dem Vater das Baby. Es schrie immer noch. Jetzt schrie es sogar noch mehr, es war ja fort von seiner Mutter. Der einzigen Person, die es kannte, bei der es sich wohlfühlte. Die Hebamme kümmerte sich wieder um die Mutter, massierte ihr die Brüste, um das Kolostrum, die Vormilch, zum Fließen zu bringen. „Vorerst machen wir das mit einer Spritze.“ Der Vater stand da mit dem ­schreienden Baby im Arm, und die Hebamme drückte und quetschte an den Brüsten seiner Geliebten herum … „Ähm … Was kann ich denn machen?“, fragte er. Dämlich. „Reden Sie mit ihm. Er wird Ihre Stimme erkennen.“ Das war wohl das Allerdümmste, was er je gehört hatte. Wie zum Kuckuck sollte dieses kleine Ding seine Stimme erkennen?! Als ob er selbst je seinen Vater reden gehört hätte, als er noch im Mutterleib war?! Als ob er in all den Monaten im Bauch seiner Mutter irgendetwas von der Welt da draußen ­mitgekriegt hätte! Aber weil er nicht wusste, was er


sonst machen sollte, nahm der Vater den weinenden Jungen mit ans Fenster und fing an, ihm die Stadt zu beschreiben, nun hell erleuchtet, mitten in der Nacht. „Das ist die … die Stadt. Es ist … ähm … Nacht. Es … ich habe keine Ahnung … Da sind Lichter an und so, und … ähm …“ Er wusste wirklich nicht, was er sagen sollte. Was zum Teufel erzählt man schon einem Säugling?! Aber dann, wirklich seltsam, hörte der Kleine auf zu weinen. Er … er schien tatsächlich seinem Vater zuzuhören. Sobald der Vater nur einen Moment stockte, fing das Baby wieder an zu schreien, aber so lange er redete, er wollte es selber nicht glauben, war sein Sohn still und hörte zu. Die Hebamme kam wieder herüber. „Wir probieren das jetzt nochmal mit dem Füttern.“ Aber jetzt wollte der Vater ihn nicht zurückgeben. Jetzt wollte er ihn nie wieder loslassen. „Sie sollten ein wenig auf dem Stuhl schlafen. Das können Sie doch so gut, habe ich gehört.“ Und mit dieser Bemerkung nahm sie das Baby und brachte es schnell zur Mutter, damit der kleine Junge mit der Spritze gefüttert werden konnte. Langsam ging der Vater zurück ans Bett, zu seiner Familie, und erst jetzt bemerkte er den Blick der Mutter: „Er … er will nicht an die Brust“, sagte sie.

War es der nächste Tag? Oder der Tag danach? Er war sich nicht sicher. Es war tagsüber, wenigstens so viel wusste er. Das Stillen klappte immer noch nicht. Sie hatten sogar angefangen, dem kleinen Jungen ein Milchpräparat zu geben. Die Mutter war ... Naja, an ihren Augen und der Haut konnte man deutlich sehen, dass sie noch immer nicht geschlafen hatte. Tagelang. Aber da war noch etwas anderes. Sie sah irgendwie ganz verloren aus. Der Vater konnte fast nicht glauben, wozu sie alles fähig war. All die Anstrengung. All die Entschlossenheit. Und das angesichts dieser Schwierigkeiten. Sie kam ihm mit einem Mal wie eine Halbgöttin vor,

Er wusste überhaupt nicht, was er ihr jetzt sagen sollte.

Sie war voller Angst. Starr. Er war so mit sich selbst beschäftigt gewesen, dass er gar nicht mehr an die Person gedacht hatte, die die ganze Arbeit geleistet hatte und den ganzen Schmerz hatte leiden müssen. Und da war sie … Die Angst vor dem Versagen war ihr ins Gesicht geschrieben. Und die Erschöpfung natürlich. Aber die Art von Erschöpfung, die einen ­hyperaktiv werden lässt, da geht Ausruhen ganz und gar nicht. Sie starrte ihn an, flehend, auf der Suche nach einer Lösung für ihr Dilemma, aber er …


todesverachtend und zu allem fähig. Aber sie … Sie starrte nur immerzu auf ihre Hände, als ob sie jemand anderem gehörten, als würde sie sie nicht wiedererkennen. Der Vater wusste, dass es höchste Zeit war einzugreifen, zu helfen. Die ganze Zeit hatte er mit seinem Schock gerungen, aber jetzt konnte er sehen, dass die Mutter ihn wirklich brauchte. Er war eigentlich schon viel zu spät dran. Seine Gedanken rasten. Da lag noch eine Spritze mit Kolostrum auf dem Nachttisch. Er sah sie an, dann die Mutter und dann das Baby. „Hey, Liebste. Du solltest schlafen. Gib mir den Jungen. Ich füttere ihn. Schlaf du.“ Das fühlte sich gut an. Und richtig. So, als hätte er endlich seine Rolle gefunden. Nimm den Jungen … Nimm die Spritze … Lass sie schlafen. „Meinst du, ich sollte schlafen?“ Sie saß aufrecht im Bett. „Ich nehme ihn. Schlaf du.“ „Und das Bett ist … Du meinst das weiche Ding, auf dem man

schläft, ja?“ Er nickte und küsste sie. Sie reagierte kaum, also übernahm er die Führung, lehnte sich herüber, hob das Baby aus ihren Armen und nahm die Spritze. Sie rührte sich nicht, die Arme so, als hielte sie immer noch das Baby. „Und ich soll schlafen?“ Er küsste ihr nochmal die Stirn und ging zum Stuhl am Fenster. Bis er es sich mit dem Kleinen gemütlich gemacht hatte, war sie schon tief und fest eingeschlafen. Er blickte auf das Baby herab. Es war so winzig. So schön. Und er selber fühlte sich so wohl in seiner Haut. Erleichtert. Er war wirklich Vater. Er konnte das. Wirklich. Er gab dem Baby einen Kuss und streichelte seine kleine Hand. Dann nahm er die Spritze. Er hielt sie an den kleinen Mund, aber noch bevor er sie dem Baby zwischen die Lippen schob, bemerkte er über dem Kolostrum eine kleine Luftblase. Was bedeutet eine kleine Luftblase schon? Naja … eigentlich gar nichts. Auf jeden Fall nicht schädlich, das war klar. Aber aus irgendeinem Grund dachte

Am Lift drehten sie sich nach den Ange­ stellten um, alle winkten ihnen zu. Die Eltern bedankten sich nicht, konnten nicht; der Gedanke, dass ihnen jetzt niemand mehr beistehen würde, war einfach zu viel.


Und dann packten sie ihre Taschen und wurden nach Hause geschickt. Sie waren … der Vater war sich nicht sicher, vielleicht ein paar Tage im Krankenhaus gewesen? Oder eine Woche? Klar, die Mutter und das Baby hatten ein paar geglückte Stillver­ suche gehabt, aber zu sagen, dass nun alles gut lief? Das Krankenhaus gab ihnen ein paar Dosen mit Milchpräparat mit nach Hause; ein Indiz dafür, wie es um die Sache mit dem Stillen wirklich stand.

der Vater, die Luftblase sollte da raus, damit dem Jungen nichts passierte. Er drückte vorsichtig auf die Spritze, aber nichts kam, also drückte er etwas mehr. Er musste doch nur diese kleine Luftblase da rauskriegen. Dachte er zumindest. Aber es bewegte sich nichts. Das Baby fing an, nach dem Ende der Spritze zu suchen, es wusste, dass es gefüttert werden würde. Ein wenig panisch, und nun auch in Eile, drückte der Vater noch stärker auf das Ventil, und dann, auf einmal … O Gott! schoss das Kolostrum aus der Kanüle, durch die Luft und auf den Teppich! Das Baby fing an zu weinen. Der Vater fluchte. Er sah auf zur Mutter: Die hatte gar nicht geschlafen, sondern alles genau beobachtet. „Dann müssen wir ihm halt wieder das Milchpräparat geben.“ Sie drehte sich auf die Seite, weg von Vater und Sohn.

Die Hebammen hatten ihnen doch tatsächlich gesagt, sie sollten die Taschen vollpacken mit allem, was im Krankenhauszimmer zu finden war. Windeln … Einwegmatten zum Wickeln … diese verdammten Spritzen … Präparat … Fläschchen dazu … Es war, als ob alle Angestellten wüssten, dass die Mutter und der Vater in keiner Weise in der Lage waren, mit dem Kind in die Welt entlassen zu werden. Der Vater war schon mal zum Auto heruntergegangen – er hatte eine Dreiviertelstunde gebraucht, bis er sich überhaupt erinnert hatte, wo er geparkt hatte –, um den Babysitz von der Rückbank zu holen. Zurück im Krankenhauszimmer packten sie das winzig kleine Baby in den Sitz, der Vater belud sich mit Taschen und die Mutter nahm das Kind. Am Lift drehten sie sich nach den Angestellten um, alle winkten ihnen zu. Die Eltern bedankten sich nicht, konnten nicht; der Gedanke, dass ihnen jetzt niemand mehr beistehen würde, war einfach zu viel. Die Mutter stützte sich ein wenig auf den Vater, als ob sie seine Hilfe bräuchte, um überhaupt aufrecht zu bleiben. Und dann machte es „Ping“, und der Lift war da. Sie fuhren runter zur Tiefgarage. Der Vater lotste sie zum Auto, nur einmal verliefen sie sich. Sie stellten das Baby auf die Rückbank, der Kindersitz wurde festgeschnallt;


Der Fotograf Fred Lahache über seine Serie FYI: Lou wurde am 18. November 2014 geboren. Vor diesem Tag entwickelten sich seine Sinne durch blinde Wahrnehmung der Außenwelt. Zeichen, die ­ eschichte ­einen ­intimen Hintergrund formten, von dem aus sich sein Standpunkt bilden wird. Dies ist der Anfang einer Geschichte. Einer G über Liebe, Natur, Geduld, Fürsorge und die ­Sinne. Die Einführung zu einer Welt, von der Lou nur einen Eindruck bekommen konnte, während er im Bauch heranwuchs. Als Prolog gibt sie einen Eindruck des Settings und stellt einige Charaktere vor. Die Geschichte wird Lou schreiben.

sie hofften zumindest, dass sie ihn richtig montiert hatten. Dann setzte sich der Vater hinter das Steuer, die Mutter neben ihn. Er weiß doch, wie man Auto fährt, sprach er sich selber zu. „Ich weiß noch, wie man Auto fährt.“ Er sagte es laut; die Mutter nickte, täuschte Zuversicht vor. Er ließ den Motor an. Fuhr los. Folgte den Schildern zur Ausfahrt und dann … BAMM! Sprengten sie raus in die grelle Sonne! War es Morgen?! War es Nachmittag?! Ganz egal: Es war GRAUENHAFT! Autos jagten vorbei, hierhin, dorthin! Riesige Busse donnerten heran, hupten laut! Menschen … Die Straßen voller Menschen, alle rannten … wo hin! Irgendwo hin! Der Vater und die Mutter schauten beide raus auf das alles, und dann drehten sie sich zu ihrem kleinen, kleinen, kleinen, kleinen Baby auf dem Rücksitz um.

Mehr über den Autor und den Bildkünstler auf S. 18

Aus dem Englischen von Caroline Steinbeis

Und dann machte das Baby p ­ lötzlich das süßeste Geräusch, das die beiden je gehört hatten: so ein Gurren. Es war ohne Zweifel das süßeste Geräusch, das ihnen je zu Ohren gekommen war. Hundertprozentig! „Bei ihm wird alles gut, oder?“, fragte sie. Der Vater wusste natürlich nichts zu erwidern. Wie auch? Was hätte er denn sagen sollen? „Na dann …“, sagte die Mutter, etwas bedrückt. „Schau wenigstens, dass du nicht einschläfst beim Fahren.“ Er schluckte. Machte den Blinker an. Und fuhr. Langsam. Ganz langsam. Hinaus ins Chaos der Welt.

„Scheiße“, sagte die Mutter. „Ja, Scheiße“, sagte der Vater. „Alles O. K.?“, fragte die Mutter. „Kein bisschen“, sagte der Vater. „Und du?“ „Scheiße, nein“, sagte die Mutter.


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FESTSPIELZEIT Die Höhepunkte des Musik-Sommers 2017 International herausragende Opernaufführungen und Konzerte 1. Juli bis 9. September täglich auf BR-KLASSIK

Foto: LisaSchaetzle / photocase.de

Ausführliches Programm zum Download: br-klassik.de/ festspielzeit

br-klassik.de facebook.com/brklassik


A G E N D A

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Plakate der Spielzeit 2016/17

159

Künstler der Münchner ­Opernfestspiele 2017

179

Produktionen der Münchner Opernfestspiele 2017

212

Spielplan

220

Die Festspielpreise der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele

225

English Excerpts

234

Was folgt ... … auf den 31. Juli ?

236

Schöne Ferien!

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Plakate der Spielzeit Was folgt

Was folgt, coming soon, now playing, JA/NEIN … Wer am Ende einer Saison denkt, man würde die Plakate der Staatsoper aus dem ­lebendig flirrenden Stadtbild Münchens klar herausfiltern, muss sich mit jeder neuen Spielzeit und ihrem dramaturgischen Thema wieder neu auf die Suche begeben. Wohl markiert die Schriftmarke der Bayerischen Staatsoper die Litfaßsäulen seit neun Jahren unverkennbar deutlich, doch die künstlerischen Bildwelten ­entwickelten sich aus den Themen und Fragen der Neuproduktionen in jedem Jahr unterschiedlich: Fotografie, Malerei, Illustration – alles ist erlaubt und jedes ­bildliche Motiv nimmt den Dialog mit den Stoffen der Werke individuell auf. Das Spielzeitthema Was folgt fokussierte auf den Moment des Seiten­ umblätterns, auf den Moment, der alles und nichts entscheidet, der das Schicksal befragt und die Vergangenheit mit der Zukunft streiten lässt. Auf den Augenblick, der die Möglichkeiten und verpassten Chancen zur Diskussion stellt und letztlich fragt: Was folgt auf die Oper in dieser Gegenwart? Die Plakate der diesjährigen ­Saison waren Vorspann und gleichzeitig Abspann zu diesen Fragen, das Dazwischen fand im Nationaltheater statt. Was folgt auf diese Saison? Das große Opernschiff fährt weiter, und im September müssen Sie den Blick wieder neu richten!

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Der Fotograf Jonas Lindström ist auch Filmemacher. Seine Fotoserie für vier Themen des Bayerischen Staatsballetts zeigt ihn als einen Bildkünstler mit Sinn für das Thea­tralische, die Inszenierung. Die Tänzerinnen und Tänzer stellt Lindström jeweils klassisch in den Bildmittelpunkt, als Kulisse dient ihm kalte Architektur – monumentale Säulen, die klare Struktur ausladender Treppen, die Riesenquader der Fassade der Akademie der Schönen Künste oder das feine Mosaik des Pavillons im Hof­garten, wo er seine Pietà aus Tänzer und Tänzerin in Anlehnung an Michelangelo und mit ebenso viel Stoff platziert: Die Protagonisten tragen Kostüme, keine eng anliegenden Tanzkostüme, sondern weite, modische Draperien, üppig, materialreich und in sich bewegt, in großen Falten aufgeworfen. Sie verhüllen die Körper, vergrößern aber gleichzeitig deren Bewegung. Die Gliedmaßen der Protagonisten, auf dreien der vier ­Motive gestreckt, unter höchster Spannung nach außen projizierend, ragen aus den Stoffmassen hervor, wie um sich daraus zu befreien. Das verleiht den Szenen Großzügigkeit, Mut, Dynamik. Jonas Lindström studierte Visuelle Kommunikation an der Universität der Künste in Berlin. Er fotografierte u. a. für Harper’s ­Bazaar, ZEIT-Magazin, SZ-­Magazin, Spex, Rolling Stone und für L ­ abels wie Calvin Klein, Nike und Kostas Murkudis. Dies ist seine erste Arbeit für das Bayerische Staatsballett.





CHRISTIAN

Foto © Felix Broede

GERHAHER BEI SONY CLASSICAL BRAHMS DIE SCHÖNE MAGELONE Johannes Brahms’ Liedzyklus mit Christian Gerhaher und Gerold Huber am Klavier, spannend kombiniert mit Martin Walser, der seine eigene Bearbeitung von Ludwig Tiecks Magelone-Text liest. „wie gewohnt … herausragend“ OPER! „Gerhaher bringt Wortausdeutung und Musik in ein überzeugendes Gleichgewicht“ CD des Monats, Stereo

MOZART ARIEN Die hochgelobte CD mit dem Freiburger Barockorchester unter Gottfried von der Goltz. „Jede Arie ein kleiner Psychothriller...“ Concerti „Radikal direkt und unglaublich raffiniert, hoch sensibel und explosiv temperamentvoll.“ Audio

ROMANTISCHE ARIEN Christian Gerhaher und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Daniel Harding mit Arien aus Opern von Wagner, Schubert und Schumann. „Dass auch ausgeprägte Liedsänger in der Gattung Oper reüssieren können, beweist … Gerhaher mit seinem ersten Arien-Album.“ Opernglas 158

www.gerhaher.de · www.sonyclassical.de www.facebook.com/sonyclassical

Vorstellungsankündigung


Künstler der Münchner Opernfestspiele 2017

Fotografen: Dario Acosta, Atelier Atelyeah, Barbara Aumüller, Thomas Bartilla, Levon Biss, Marco Borggreve, Felix Broede, Gino Bühler, Karli Cadel, Rocco Casaluci, Jānis Deinats, Javier Del Ser, Daniel Delang, Jack Devant, Dimo Dimov, Foto Donauer, Petr Dyrc, Thomas Egli, Lauri Eriksson, Corrado Maria Falsini, Rebecca Fay, Fabrizio Fenucci, Finali Film & Wortschatz Produktion, Simon Fowler, Fred Froese, Nathalie Gabay, Klaus Gigga, Chris Gonz, Achim Graf, Karol Grygoruk, Gerfried Guggi, Janine Guldener, Christian Hartmann, Vera Hartmann, Nick Heavi, Kristin Hoebermann, Benjamin Hofer, Harald Hoffmann, Michael Hörnschemeyer, Wilfried Hösl, Bo Huang, Katharina John, Ruth Kappus, Sascha Kletzsch, Alexei Kostromin, Kirill Kozlov, Ewa Krasucka, Alyona Kuzima, Larklight Photography, Kate Lemmon, Tommaso Le Pera, Albert Lindmeier, Roberto Masotti, Traugott Maßmann, David Maurer, Henriette Mielke, Mikołaj Mikołajczyk, Tanja Niemann, Anton Ovcharov, Gerd Pfeiffer, Konrad Pustoła, Roland Renner, Monika Rittershaus, Karin Rocholl, Sheila Rock, Saara Salmi, Sony BMG, Lupi Spuma, Mark Stedman, Angela Sterling, Julia Stix, Bettina Stöß, Andrej Stoychev, Boris Streubel, Jeanne Susplugas, Jakub Świetlik, Miklos Szabo, Jonathan Tichler, Marty Umans, Sasha Vasiljev, VBW, Tatiana Vlasova, Helmut Walter, Uli Weber, Ann Weitz, Jakub Wittchen, Robert Workman, Rainer Worms, Vitaly Zapryagaev, Angelika Zinzow

159


Kirill Petrenko Die Frau ohne Schatten, Tannhäuser, Lady Macbeth von Mzensk, Festspiel-Konzert der Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung

160


Bayerisches Staatsorchester Generalmusikdirektor Kirill Petrenko

161


Chor der Bayerischen Staatsoper

162


Ildar Abdrazakov Les Contes d‘Hoffmann Lindorf, Coppélius, Dapertutto, Miracle

Alyona Abramowa Rusalka 3. Waldnymphe, La traviata Annina, Jenůfa Schäferin, Oberon, König der Elfen Puck, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Simone Alberghini Semiramide Oroe

David Alden Semiramide Inszenierung

Javier Amo Bayerisches Staatsballett Erster Solist

Michael Baba Die Zauberflöte Erster Geharnischter, Zweiter Priester

Daniela Barcellona Semiramide Arsace

Claude Bardouil Die Gezeichneten, Die Frau ohne Schatten Choreographie

Andrea Battistoni La traviata Musikalische Leitung

Michael Bauer Nabucco, Die ­Zauber­flöte, Jenůfa, ­Semira­mide, La Favorite, Andrea Chénier Licht

Markus Baumeister Die Zauberflöte Sklave

Elsa Benoit Die Frau ohne Schatten Hüter der Schwelle des Tempels, Die Stimme des Falken, 1. Stimme der Ungeborenen, Erste Dienerin, 1. Kinderstimme, Tannhäuser Ein junger Hirt, Jenůfa Jano, Nabucco Anna, Semiramide Azema, La Favorite Inès

Allan Bergius Festspiel-Eröffnungskonzert Oper für alle, Festspiel-Gottesdienst, Festspiel-Campuskonzert Musikalische Leitung

Ivor Bolton Oberon, König der Elfen Musikalische Leitung

Franziska Boos Greek Ausstattung

Andrea Borghini La traviata Marquis d‘Obigny, Die Gezeichneten Gonsalvo Fieschi, Andrea Chénier Roucher, Festspiel-Gottestdienst, Festspiel-Campuskonzert

Robert Bork Greek Dad, Café Manager, Chief of Police

Pavol Breslik Liederabend

J‘Nai Bridges Andrea Chénier Bersi, Mulattin

Ivy Amista Bayerisches Staatsballett Erste Solistin

163


Jakob Brossmann Oberon, König der Elfen Bühne

Angela Brower Les Contes d‘Hoffmann Nicklausse, Muse

Lawrence Brownlee Semiramide Idreno

Andrew Bruce Alice im Wunderland Original Sounddesign

Lucy Burge Les Contes d‘Hoffmann Choreographie

Paolo Carignani Nabucco Musikalische Leitung

Romeo Castellucci Tannhäuser Inszenierung, Bühne, Kostüme, Licht

Charles Castronovo La traviata Alfredo Germont, Lucia di Lammermoor Sir ­Edgardo di ­Ravenswood

Pavel Černoch Jenůfa Števa Buryja

Karel Mark Chichon La Favorite Musikalische Leitung

Kevin Conners Die Gezeichneten Menaldo Negroni, Lady Macbeth von Mzensk Schäbiger, Les Contes d‘Hoffmann Cochenille, Pitichinaccio, Frantz, Andrea Chénier Incroyable

Jonah Cook Bayerisches Staatsballett Solist

Silvia Costa Tannhäuser Regiemitarbeit

Bob Crowley Alice im Wunderland Bühne, Kostüme

Diana Damrau Lucia di Lammermoor Lucia Ashton, Liederabend

Das Dante Quartett 3. FestspielKammerkonzert

Annette Dasch Oberon, König der Elfen Rezia

John Daszak Die Gezeichneten Alviano Salvago

Kirsten Dephoff La Favorite Kostüme

Helmut Deutsch Liederabend Diana Damrau Klavier

164


Carlo Diappi La traviata Kostüme

Joyce DiDonato Semiramide Semiramide

Misha Didyk Lady Macbeth von Mzensk Sergej

Plácido Domingo La traviata Giorgio Germont

Jon Driscoll Alice im Wunderland Projektionen

Karen Durgaryan Spartacus Musikalische Leitung

Anna El-Khashem Die Frau ohne Schatten 3. Stimme der Ungeborenen, 3. Kinderstimme, Jenůfa 1. Stimme, Oberon, König der Elfen Meermädchen, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Tara Erraught Rusalka Der Küchenjunge

Alex Esposito Semiramide Assur

August Everding Die Zauberflöte Inszenierung

Benoît Favre Ballettabend Junge Choreographen Choreographie

Séverine Ferrolier Bayerisches Staatsballett Solistin

Asher Fisch Die Zauberflöte, La forza del destino Musikalische Leitung

Barbara Frey Jenůfa Inszenierung

Burkhard Fritz Die Frau ohne Schatten Der Kaiser

Elīna Garanča La Favorite Léonor de Guzman

Christian Gerhaher Tannhäuser Wolfram von Eschenbach, Liederabend

Marco Giusti Tannhäuser Videodesign, Lichtassistenz

Wolfgang Göbbel La traviata Licht

Osiel Gouneo Bayerisches Staatsballett Erster Solist

165


Wolfgang Grabow Die Zauberflöte Erster Priester

Yuri Grigorovich Spartacus Choreographie

Matthew Grills Die Gezeichneten Guidobaldo Usodimare, La forza del destino Mastro Trabuco, Festspiel-Gottesdienst, Festspiel-Campuskonzert

Günther Groissböck Rusalka Der Wassermann

Heike Grötzinger Die Gezeichneten Martuccia, Die Frau ohne Schatten 5. Stimme der Ungeborenen, Jenůfa Frau des Dorfrichters, La forza del destino Curra, Lady Macbeth von Mzensk Axinja

Denis Guéguin Die Gezeichneten, Die Frau ohne Schatten Video

Brenden Gunnell Oberon, König der Elfen Hüon von Bordeaux

Nikolaus Habjan Oberon, König der Elfen Inszenierung, Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus Puppenspiel, Rezitation

Heidi Hackl Rusalka, La forza del destino Kostüme

Zenta Haerter Jenůfa Choreographische Mitarbeit

Patrick Hahn Kannst du pfeifen, Johanna Musikalische Leitung

Christoph Hammer Festspiel-Kammer­ konzert zu Oberon, König der Elfen Pianoforte

Thomas Hampson Liederabend

Barbara Hanicka Lucia di Lammermoor Bühne

Tomáš Hanus Jenůfa Musikalische Leitung

Anja Harteros Andrea Chénier Maddalena di Coigny, Tannhäuser Elisabeth, Nichte des Landgrafen, La forza del destino Donna Leonora, Liederabend

Denise Heschl Oberon, König der Elfen Kostüme

Jürgen Hoffmann Lady Macbeth von Mzensk Licht

Sebastian Holecek Die Frau ohne Schatten Der Geisterbote

Gerold Huber Liederabend Christian Gerhaher Klavier


Paula Iancic Die Gezeichneten Ginevra Scotti, Die Frau ohne Schatten 2. Stimme der Ungeborenen, Zweite Dienerin, 2. Kinderstimme, Die Zauberflöte Papagena, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Richard Jones Les Contes d‘Hoffmann Inszenierung

Goran Jurić Lady Macbeth von Mzensk Pope

Daniel Frantisek Kamen Oberon, König der Elfen Puppenspieler

Johannes Kammler La traviata Ein Diener Floras, Die Frau ohne Schatten 1. Stimme der Wächter der Stadt, Oberon, König der Elfen Scherasmin, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Anja Kampe Lady Macbeth von Mzensk Katerina Lwowna Ismailowa

Murat Karahan Nabucco Ismaele

Mika Kares La Favorite Balthazar

Lukas Kaschube Kannst du pfeifen, Johanna Licht

Amir Katz Liederabend Pavol Breslik Klavier

Natasha Katz Alice im Wunderland Licht

Jonas Kaufmann Andrea Chénier Andrea Chénier, La forza del destino Don Alvaro

Andrey Kaydanovskiy Ballettabend Junge Choreographen Choreographie

Miranda Keys Greek Mom, Waitress 2, Sphinx 1

Paul Kieve Alice im Wunderland Magic Consultant

Johannes Klama Die Zauberflöte Sklave

Dustin Klein Ballettabend Junge Choreographen Choreographie

Kristof Klorek La traviata Doktor Grenvil, Die Gezeichneten 3. Senator, Jenůfa Dorfrichter, Lady Macbeth von Mzensk Polizist, Andrea Chénier Dumas

Wolfgang Koch Die Frau ohne Schatten Barak, der Färber

Yannis Kokkos Nabucco Inszenierung, Bühne, Kostüme

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Lukasz Konieczny La traviata Baron Douphol

Tomasz Konieczny Die Gezeichneten Herzog Antoniotto Adorno, Capitano di giustizia

Julia Kornacka Lucia di Lammermoor Kostüme

Łukasz Kos Kannst du pfeifen, Johanna Inszenierung

Anatoli Kotscherga Lady Macbeth von Mzensk Boris Timofejewitsch Ismailow

Vitalij Kowaljow Nabucco Zaccaria, La forza del destino Il Marchese di Calatrava, Padre Guardiano

Günter Krämer La traviata Inszenierung

Nadia Krasteva Rusalka Die fremde Fürstin, La forza del destino Preziosilla

Maximilian Krummen Kannst du pfeifen, Johanna Ulf

Elizaveta Kruteleva Bayerisches Staatsballett Solistin

Harry Kupfer Lady Macbeth von Mzensk Inszenierung

Aleksandra Kurzak Les Contes d‘Hoffmann Olympia, Antonia, Giulietta, Stella

Martin Kušej Rusalka, La forza del destino Inszenierung

Tim Kuypers Greek Eddy, Die Frau ohne Schatten Der Einäugige, Andrea Chénier Mathieu

Mariusz Kwiecień La Favorite Alphonse XI

Joel Lagies Kannst du pfeifen, Johanna Kind Berra

Anna Lapkovskaja Die Zauberflöte Dritte Dame, Lady Macbeth von Mzensk Sonjetka

Kristina Lind Bayerisches Staatsballett Solistin

Manuela Linshalm Oberon, König der Elfen Puppenspielerin

Peter Lobert Die Gezeichneten Julian Pinelli, Die Zauberflöte Zweiter Geharnischter, Dritter Priester, Tann­ häuser Biterolf, Lady ­Macbeth von Mzensk ­Ser­geant, Les Contes d‘Hoffmann Crespel, Luther

168


Ralf Lukas Kannst du pfeifen, Johanna Nils, Tannhäuser Reinmar von Zweter

Oksana Lyniv Greek, Lucia di Lammermoor Musikalische Leitung

Ambrogio Maestri La forza del destino Fra Melitone

Christopher Maltman Die Gezeichneten Graf Andrea Vitellozzo Tamare

Michele Mariotti Semiramide Musikalische Leitung

Karita Mattila Jenůfa Die Küsterin Buryja

Ingo Metzmacher Die Gezeichneten Musikalische Leitung

Bettina Meyer Jenůfa Bühne

Tigran Mikayelyan Bayerisches Staatsballett Erster Solist

Alastair Miles Die Gezeichneten Lodovico Nardi

Joshua Owen Mills Kannst du pfeifen, ­Johanna Berra, La traviata Giuseppe, La Favorite Don Gaspard, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Sebastian Mock Oberon, König der Elfen Puppenspieler

Liudmyla Monastyrska Nabucco Abigaille

Anaïk Morel Nabucco Fenena

Marcel Morikawa Kannst du pfeifen, Johanna Schlagzeug

Hanna-Elisabeth Müller Die Zauberflöte Pamina

Alexander Müller-Elmau La Favorite Bühne

Das Münchner Klaviertrio 1. Festspiel-­ Kammerkonzert

Wolfgang Nägele Greek Inszenierung

Catherine Naglestad Die Gezeichneten Carlotta Nardi

169


Michael Nagy Die Zauberflöte Papageno

Andris Nelsons Rusalka Musikalische Leitung

Joanna Niemirska Kannst du pfeifen, Johanna Kostüme

Amélie Niermeyer La Favorite Inszenierung

Niamh O’Sullivan Die Gezeichneten Dienerin, Jenůfa Barena, FestspielKonzert des Opernstudios

Toby Olié Alice im Wunderland Puppenkonzept, -design

Kristïne Opolais Rusalka Rusalka

Elena Pankratova Die Frau ohne Schatten Färberin, Tannhäuser Venus

René Pape Die Zauberflöte Sarastro

Robert Pflanz Semiramide Video

Simone Piazzola Lucia di Lammermoor Lord Enrico Ashton, La forza del destino Don Carlo di Vargas

Adrianne Pieczonka Die Frau ohne Schatten Die Kaiserin

Anton Pimonov Ballettabend Junge Choreographen Choreographie

Dimitri Platanias Nabucco Nabucco

Sean Michael Plumb Die Frau ohne Schatten 2. Stimme der Wächter der Stadt, Rusalka Ein Jäger, Die Gezeichneten Michelotto Cibo, Lady Macbeth von Mzensk Hausknecht, Les Contes d‘Hoffmann Hermann

Kamil Polak Die Frau ohne Schatten Videoanimation

Matthew Polenzani Die Zauberflöte Tamino, La Favorite Fernand

Dmytro Popov Rusalka Der Prinz

Alexey Popov Bayerisches Staatsballett Solist

Dean Power Tannhäuser Walther von der Vogelweide, Die Gezeichneten Pietro, Die Frau ohne Schatten Erscheinung eines Jünglings, Der Bucklige, Lucia di Lammermoor Normanno, Lady Macbeth von Mzensk Lehrer, Les Contes d‘Hoffmann Nathanaël

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Julian Prégardien Oberon, König der Elfen Oberon

Olga Pudova Die Zauberflöte Königin der Nacht

Thomas Reimer Lady Macbeth von Mzensk Video

Andreas Reinhardt La traviata Bühne

Ulrich Reß Rusalka Der Förster, Die Gezeichneten 1. Senator, Die Zauberflöte Monostatos, Tannhäuser Heinrich der Schreiber, Les Contes d‘Hoffmann Spalanzani, Andrea Chénier Der Abate

Johan Reuter Die Zauberflöte Sprecher

Wolfram Rieger Liederabend Thomas Hampson, Liederabend Anja Harteros Klavier

Christian Rieger Die Gezeichneten Senator, Die Frau ohne Schatten Der Einarmige, Jenůfa Altgesell, La traviata Baron Douphol, La forza del destino Alcade, Lady Macbeth von Mzensk Verwalter, Les Contes d‘Hoffmann Schlémil, Andrea Chénier Fouquier-Tinville

Myron Romanul Alice im Wunderland Musikalische Leitung

Jürgen Rose Die Zauberflöte Bühne, Kostüme

Felice Ross Die Gezeichneten, Die Frau ohne Schatten Licht

Ksenia Ryzhkova Bayerisches Staatsballett Erste Solistin

Galeano Salas La traviata Gaston, Die ­Gezeichneten Ein Jüngling, Lucia di Lammermoor Lord Arturo Bucklaw, Nabucco Abdallo, Semiramide Mitrane, Les Contes d‘Hoffmann Wilhelm, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Luca Salsi Andrea Chénier Carlo Gérard

Hans Schavernoch Lady Macbeth von Mzensk Bühne

Annika Schlicht Die Zauberflöte Zweite Dame

Bernd Schmidt Die Zauberflöte Vierter Priester

Michaela Schuster Die Frau ohne Schatten Die Amme

Hanna Schwarz Jenůfa Die alte Buryja

Mimi Jordan Sherin Les Contes d‘Hoffmann Licht

171


Buki Shiff Semiramide, Les Contes d‘Hoffmann Kostüme

Maria Shirinkina Bayerisches Staatsballett Erste Solistin

Vladimir Shkylarov Bayerisches Staatsballett Erster Solist

Milan Siljanov Die Gezeichneten Des Jünglings Freund, Diener, Ein riesiger Bürger, La traviata Ein Gärtner, Die Frau ohne Schatten 3. Stimme der Wächter der Stadt, Jenůfa 2. Stimme, Lady Macbeth von Mzensk Mühlenarbeiter, Festspiel-Konzert des Opernstudios

Ekaterina Siurina Festspiel-Eröffnungskonzert Oper für alle

Anatoli Sivko Andrea Chénier Haushofmeister, Schmidt

Stuart Skelton Jenůfa Laca Klemen

Sergey Skorokhodov Lady Macbeth von Mzensk Sinowi Borissowitsch Ismailow

Doris Soffel Andrea Chénier Gräfin von Coigny

Evgeniya Sotnikova Rusalka 1. Waldnymphe

Michael Spyres Les Contes d‘Hoffmann Hoffmann

Paul Steinberg Semiramide Bühne

Philipp Stölzl Andrea Chénier Regie, Bühne

Małgorzata Szczęśniak Die Gezeichneten, Die Frau ohne Schatten Bühne, Kostüme

Laura Tatulescu Jenůfa Karolka

Yan Tax Lady Macbeth von Mzensk Kostüme

Nicolas Testé Lucia di Lammermoor Raimondo Bidebent

Reinhard Traub Rusalka, La forza del destino Licht

Constantin Trinks Les Contes d‘Hoffmann Musikalische Leitung

Ludwig Trosbach Kannst du pfeifen, Johanna Kind Ulf

172


Igor Tsarkov Nabucco Il Gran Sacerdote, La forza del destino Un chirurgo, Semiramide L‘ombra di Nino, Lady Macbeth von Mzensk Wächter, Festspiel-­ Konzert des Opern­studios

Alexander Tsymbalyuk Lady Macbeth von Mzensk Polizeichef, Alter Zwangsarbeiter

Ulrich Tukur Liederabend Christian Gerhaher Sprecher

Matej Urban Bayerisches Staatsballett Solist

Cindy Van Acker Tannhäuser Choreographie

Johanni van Oostrum Die Zauberflöte Erste Dame

Simon Virsaladze Spartacus Ausstattung

Klaus Florian Vogt Tannhäuser Tannhäuser

Heike Vollmer Andrea Chénier Bühne

Okka von der Damerau Greek Wife, Waitress 1, Sphinx 2, Die Frau ohne Schatten Eine Stimme von oben, 6. Stimme der Ungeborenen, 5. Kinderstimme, Les Contes d‘Hoffmann Stimme aus dem Grab

Walter von Hauff Die Zauberflöte Sklave

Bettina Walter Jenůfa Kostüme

Krzysztof Warlikowski Die Gezeichneten, Die Frau ohne Schatten Inszenierung

Nathaniel Webster Andrea Chénier Pierre Fléville

Omer Meir Wellber Festspiel-Eröffnungskonzert Oper für alle, Andrea Chénier Musikalische Leitung

Eva-Maria Westbroek Jenůfa Jenůfa

Christopher Wheeldon Alice im Wunderland Choreographie

Rachael Wilson Rusalka 2. Waldnymphe, La traviata Flora Bervoix, Die Frau ohne Schatten 4. Stimme der Ungeborenen, Dritte Dienerin, 4. Kinderstimme, Lucia di Lammermoor Alisa, Oberon, König der Elfen Fatime

Anke Winckler Andrea Chénier Kostüme

Andreas Wolf Die Gezeichneten Paolo Calvi

173


Thomas Würfflein Kannst du pfeifen, Johanna Schlagzeug

Barbara Wysocka Lucia di Lammermoor Inszenierung

Sonya Yoncheva La traviata Violetta Valéry

Selene Zanetti Die Gezeichneten Ein Mädchen, Lady Macbeth von Mzensk Zwangsar­beiterin, Festspiel-Konzert des Opernstudios, Festspiel-­ Konzert der Orchester­ akademie des Bayerischen Staatsorchesters

Prisca Zeisel Bayerisches Staatsballett Solistin

Georg Zeppenfeld Tannhäuser Hermann, Landgraf von Thüringen

Elena Zilio Andrea Chénier Madelon

Helena Zubanovich Rusalka Die Hexe

174

Martin Zehetgruber Rusalka, La forza del destino Bühne


ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Festspiel-Campuskonzert Festspiel-Eröffnungskonzert Oper für alle

Franui Musikbanda Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus

Kinderoper Prag Festspiel-Campuskonzert

OperaBrass Festspiel-Nachtkonzert

175


OPERcussion Festspiel-Nachtkonzert

Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters Festspiel-Konzert der Orchesterakademie des Bayerischen Staatsorchesters

Simon Keenlyside & Band

176


Schön.

Aber ein Stück Heimat fehlt. Retten Sie Geschichte. Spenden Sie Zukunft. www.denkmalschutz.de

Spendenkonto Commerzbank AG BIC: COBA DE FF XXX Rubrikentitel IBAN: DE71 500 400 500 400 500 400

Was wären unsere Städte und Dörfer ohne historische Gebäude? Ohne Bauwerke, die Geschichten erzählen, die typischen Eigenheiten einer Region verkörpern oder Wahrzeichen eines Ortes sind? Historische Bauwerke machen unsere Städte und Dörfer einmalig und unverwechselbar. Deshalb setzt sich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz für den Erhalt 177 einzigartiger Denkmale ein. Mit Ihrer Hilfe. www.denkmalschutz.de


Jürgen Schläder (Hg.)

Wie man wird, was man ist. Die Bayerische Staatsoper vor und nach 1945

DIE GESCHICHTE DES RENOMMIERTEN OPERNHAUSES Ab November 2017 erhältlich ISBN 978-3-89487-796-5 Hardcover, 456 Seiten 200 farbige und s/w Abbildungen 29,95 EUR (D) 30,80 EUR (A)

www.henschel-verlag.de


Produktionen der MĂźnchner Opernfestspiele 2017

Fotografiert von Wilfried HĂśsl

179



Umberto Giordano Andrea ChĂŠnier Ensemble und Chor der Bayerischen Staatsoper


Umberto Giordano Andrea ChĂŠnier Anja Harteros (Maddalena di Coigny), Jonas Kaufmann (Andrea ChĂŠnier), Chor und Statisterie der Bayerischen Staatsoper


Wolfgang Amadeus Mozart Die Zauberflรถte


Christopher Wheeldon Alice im Wunderland Madeleine Dowdney (Der Siebenschläfer), Maria Shirinkina (Alice), Jonah Cook (Der verrückte Hutmacher), Stefano Maggiolo (Der Märzhase)



Christopher Wheeldon Alice im Wunderland SĂŠverine Ferrolier (Die HerzkĂśnigin)


Christopher Wheeldon Alice im Wunderland Ksenia Ryzhkova (Alice), Jonah Cook (Der Herzbube)


Giuseppe Verdi Nabucco Chor der Bayerischen Staatsoper



Foto: C. Tandy

Giuseppe Verdi La traviata Sonya Yoncheva (Violetta ValĂŠry)


Leoš Janáček Jenůfa Karita Mattila (Die Küsterin Buryja)



Gaetano Donizetti La Favorite Elīna Garanča (Léonor de Guzman), Mariusz Kwiecien (Alphonse XI), Chor der Bayerischen Staatsoper


Dmitri Schostakowitsch Lady Macbeth von Mzensk Anja Kampe (Katerina Ismailowa), Misha Didyk (Sergej), Goran Jurić (Pope), Statisterie der Bayerischen Staatsoper



Dmitri Schostakowitsch Lady Macbeth von Mzensk Anja Kampe (Katerina Ismailowa), Misha Didyk (Sergej)


Gaetano Donizetti Lucia di Lammermoor Diana Damrau (Lucia Ashton)


Richard Strauss Die Frau ohne Schatten Elena Pankratova (Färberin), Statisterie der Bayerischen Staatsoper


Giuseppe Verdi La forza del destino Jonas Kaufmann (Don Alvaro), Anja Harteros (Donna Leonora)


Gioachino Rossini Semiramide Ensemble und Chor der Bayerischen Staatsoper



Gioachino Rossini Semiramide Joyce DiDonato (Semiramide)


Richard Wagner Tannhäuser Christian Gerhaher (Wolfram von Eschenbach), Klaus Florian Vogt (Tannhäuser)


Richard Wagner Tannhäuser Opernballett der Bayerischen Staatsoper



Yuri Grigorovich Spartacus Vladimir Shklyarov (Spartacus)


Yuri Grigorovich Spartacus Ivy Amista (Phrygia), Osiel Gouneo (Spartacus)


Gaetano Donizetti La Favorite Matthew Polenzani (Fernand), Elīna Garanča (Léonor de Guzman)


Antonín Dvořák Rusalka Kristīne Opolais (Rusalka), Statisterie der Bayerischen Staatsoper



Jacques Offenbach Les Contes d‘Hoffmann Ensemble und Chor der Bayerischen Staatsoper


Spielplan 24. 06. 2017 – 31. 07. 2017

Karten Tageskasse der Bayerischen Staatsoper Marstallplatz 5 80539 München T 089 – 21 85 19 20 tickets@staatsoper.de www.staatsoper.de

212

Sofern nicht anders angegeben, finden alle Veranstaltungen im Nationaltheater statt.


Oper

Richard Strauss

Die Frau ohne Schatten Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Krzysztof Warlikowski

Partner der Opernfestspiele

Antonín Dvořák

Burkhard Fritz, Adrianne Pieczonka, Michaela Schuster, Sebastian Holecek, Elsa Benoit, Dean Power, Okka von der Damerau, Wolfgang Koch, Elena Pankratova, Tim Kuypers, Christian Rieger, Paula Iancic, Anna El-Khashem, Rachael Wilson, Heike Grötzinger, Johannes Kammler, Sean Michael Plumb, Milan Siljanov

Rusalka

So 02.07.17 18.00 Uhr Mi 05.07.17 17.00 Uhr

Musikalische Leitung Andris Nelsons Inszenierung Martin Kušej

sponsored by

Dmytro Popov, Nadia Krasteva, Kristine Opolais, Günther Groissböck, Helena Zubanovich, Ulrich Reß, Tara Erraught, Evgeniya Sotnikova, Rachael Wilson, Alyona Abramowa, Sean Michael Plumb So 25.06.17 17.00 Uhr Wolfgang Amadeus Mozart

Giuseppe Verdi

Die Zauberflöte

La traviata

Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung August Everding

Musikalische Leitung Andrea Battistoni Inszenierung Günter Krämer

René Pape, Matthew Polenzani, Johan Reuter, Olga Pudova, Hanna-Elisabeth Müller, Johanni van Oostrum, Annika Schlicht, Anna Lapkovskaja, Michael Nagy, Paula Iancic, Ulrich Reß, Michael Baba, Peter Lobert, Wolfgang Grabow, Bernd Schmidt, Markus Baumeister, Walter von Hauff, Johannes Klama, ­Solisten des Tölzer Knabenchors

Sonya Yoncheva, Rachael Wilson, Alyona Abramowa, Charles Castronovo, Plácido Domingo, Galeano Salas, Lukasz Konieczny, Andrea Borghini, Kristof Klorek, Joshua Owen Mills, Johannes Kammler, Milan Siljanov

Do 06.07.17 19.00 Uhr Sa 08.07.17 18.00 Uhr

Di 27.06.17 19.00 Uhr Do 29.06.17 19.00 Uhr

Richard Wagner Franz Schreker

Tannhäuser

Die Gezeichneten

Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Romeo Castellucci

Musikalische Leitung Ingo Metzmacher Inszenierung Krzysztof Warlikowski Tomasz Konieczny, Christopher Maltman, Alastair Miles, Catherine Naglestad, John Daszak, Matthew Grills, Kevin Conners, Sean Michael Plumb, Andrea Borghini, Peter Lobert, Andreas Wolf, Paula Iancic, Heike Grötzinger, Dean Power, Galeano Salas, Milan Siljanov, Selene Zanetti, Ulrich Reß, Christian Rieger, Kristof Klorek, Niamh O’Sullivan, Solisten des Tölzer Knabenchors Sa 01.07.17 Di 04.07.17 Fr 07.07.17 Di 11.07.17

19.00 Uhr Festspielpremiere  19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr

TV

Georg Zeppenfeld, Klaus Florian Vogt, Christian Gerhaher, Dean Power, Peter Lobert, Ulrich Reß, Ralf Lukas, Anja Harteros, Elena Pankratova, Elsa Benoit, Solisten des Tölzer Knabenchors So 09.07.17 18.00 Uhr

TV

Mit freundlicher Unterstützung der

BR

gefördert durch

Die Premiere wird live auf BR Klassik übertragen. Die Vorstellung wird auf www.staatsoper.de/tv übertragen.

BR TV


Gaetano Donizetti

Gioachino Rossini

Lucia di Lammermoor

Semiramide

Musikalische Leitung Oksana Lyniv Inszenierung Barbara Wysocka

Musikalische Leitung Michele Mariotti Inszenierung David Alden

Simone Piazzola, Diana Damrau, Charles Castronovo, Galeano Salas, Nicolas Testé, Rachael Wilson, Dean Power

Joyce DiDonato, Alex Esposito, Daniela Barcellona, Lawrence Brownlee, Elsa Benoit, Simone Alberghini, Galeano Salas, Igor Tsarkov

Do 13.07.17 19.00 Uhr So 16.07.17 18.00 Uhr

Fr 21.07.17 18.00 Uhr Mo 24.07.17 18.00 Uhr

sponsored by

Koproduktion mit dem Royal Opera House Covent Garden, London

Carl Maria von Weber

Leoš Janáček

Jenůfa Musikalische Leitung Tomáš Hanus Inszenierung Barbara Frey Hanna Schwarz, Stuart Skelton, Pavel Černoch, Karita Mattila, Eva-Maria Westbroek, Christian Rieger, Kristof Klorek, Heike Grötzinger, Laura Tatulescu, Alyona Abramowa, Niamh O’Sullivan, Elsa Benoit, Anna El-Khashem, Milan Siljanov Fr 14.07.17 19.00 Uhr

Oberon, König der Elfen Musikalische Leitung Ivor Bolton Inszenierung Nikolaus Habjan Julian Prégardien, Alyona Abramowa, Annette Dasch, Rachael Wilson, Brenden Gunnell, Johannes Kammler, Anna El-Khashem Fr 21.07.17 Mo 24.07.17 Do 27.07.17 So 30.07.17

19.00 Uhr 19.00 Uhr 19.00 Uhr 18.00 Uhr

Prinzregententheater Festspielpremiere  Prinzregententheater Prinzregententheater Prinzregententheater TV

TV

Mit freundlicher Unterstützung der

Giuseppe Verdi

Nabucco Musikalische Leitung Paolo Carignani Inszenierung Yannis Kokkos Dimitri Platanias, Murat Karahan, Vitalij Kowaljow, Liudmyla Monastyrska, Anaïk Morel, Igor Tsarkov, Galeano Salas, Elsa Benoit Sa 15.07.17 19.00 Uhr

Giuseppe Verdi

Dmitri D. Schostakowitsch

Lady Macbeth von Mzensk Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Harry Kupfer Anatoli Kotscherga, Sergey Skorokhodov, Anja Kampe, Misha Didyk, Heike Grötzinger, Kevin Conners, Christian Rieger, Sean Michael Plumb, Milan Siljanov, Goran Jurić, Kristof Klorek, Dean Power, Peter Lobert, Igor Tsarkov, Anna Lapkovskaja, Alexander Tsymbalyuk, Selene Zanetti Sa 22.07.17 19.00 Uhr

La forza del destino Musikalische Leitung Asher Fisch Inszenierung Martin Kušej Vitalij Kowaljow, Anja Harteros, Simone Piazzola, Jonas Kaufmann, Nadia Krasteva, Ambrogio Maestri, Heike Grötzinger, Christian Rieger, Matthew Grills, Igor Tsarkov Mi 19.07.17 19.00 Uhr So 23.07.17 16.00 Uhr

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TV

Die Vorstellung wird live auf www.staatsoper.de/tv übertragen. Die Premiere wird live auf BR Klassik übertragen.

BR


Gaetano Donizetti

La Favorite Musikalische Leitung Karel Mark Chichon Inszenierung Amélie Niermeyer

Ballett Partner des Bayerischen Staatsballetts

Elīna Garanča, Matthew Polenzani, Mariusz Kwiecień, Mika Kares, Joshua Owen Mills, Elsa Benoit Mi 26.07.17 19.00 Uhr Sa 29.07.17 19.00 Uhr sponsored by

Benoît Favre, Andrey Kaydanovskiy, Dustin Klein, Anton Pimonov

Jacques Offenbach

Les Contes d‘Hoffmann

Ballettabend – Junge Choreographen Fr 30.06.17 20.00 Uhr Prinzregententheater Festspielpremiere Sa 01.07.17 20.00 Uhr Prinzregententheater So 02.07.17 18.00 Uhr Prinzregententheater Familienvorstellung

Musikalische Leitung Constantin Trinks Inszenierung Richard Jones Aleksandra Kurzak, Kevin Conners, Ildar Abdrazakov, Angela Brower, Okka von der Damerau, Michael Spyres, Ulrich Reß, Dean Power, Sean Michael Plumb, Christian Rieger, Galeano Salas, Peter Lobert Do 27.07.17 19.00 Uhr So 30.07.17 18.00 Uhr Koproduktion mit der English National Opera, London

Umberto Giordano

Andrea Chénier Musikalische Leitung Omer Meir Wellber Inszenierung Philipp Stölzl Jonas Kaufmann, Luca Salsi, Anja Harteros, J‘Nai Bridges, Doris Soffel, Elena Zilio, Andrea Borghini, Nathaniel Webster, Christian Rieger, Tim Kuypers, Ulrich Reß, Kevin Conners, Anatoli Sivko, Kristof Klorek

Christopher Wheeldon

Alice im Wunderland Musik Joby Talbot Musikalische Leitung Myron Romanul Mo 03.07.17 19.30 Uhr

Yuri Grigorovich

Spartacus Musik Aram Chatschaturjan Musikalische Leitung Karen Durgaryan Mo 10.07.17 19.00 Uhr

Fr 28.07.17 19.00 Uhr Mo 31.07.17 19.00 Uhr sposored by

215


FestspielWerkstatt Partner der Festspiel-Werkstatt

Gordon Kampe

Kannst du pfeifen, Johanna Kinderoper (ab 7 Jahren) Musikalische Leitung Patrick Hahn Inszenierung Łukasz Kos Ralf Lukas, Maximilian Krummen, Joshua Owen Mills Sa 08.07.17 18.00 Uhr Postpalast So 09.07.17 11.00 Uhr Postpalast Mi 12.07.17 17.00 Uhr Postpalast

Festspielpremiere

Mark-Anthony Turnage

Kirill Petrenko & die Orchester­akademie des Bayerischen Staatsorchesters

Greek Musikalische Leitung Oksana Lyniv Inszenierung Wolfgang Nägele Miranda Keys, Okka von der Damerau, Tim Kuypers, Robert Bork Mo 26.06.17 Di 27.06.17 Mo 03.07.17 Di 04.07.17

20.30 Uhr 20.30 Uhr 20.30 Uhr 20.30 Uhr

Postpalast Postpalast Postpalast Postpalast

Festspielpremiere

Hans Abrahamsen / Erich Wolfgang Korngold / Paul Hindemith / Claude Debussy / Le Groupe des Six Musikalische Leitung Kirill Petrenko So 16.07.17 20.00 Uhr Prinzregententheater Partner der

Hauptsponsor Orchesterakademie Musiktheaterkollektiv AGORA

[catarsi] Das Musiktheaterkollektiv AGORA reagiert musikalisch, szenisch und visuell auf Beethovens Fidelio und lässt die Zuschauer im Postpalast virtuell und ganz real durch Leonores und Florestans Welten wandern. Mi 28.06.17 Do 29.06.17 Sa 01.07.17 So 02.07.17

20.30 Uhr 20.30 Uhr 20.30 Uhr 20.30 Uhr

Postpalast Postpalast Postpalast Postpalast

Uraufführung

Franui Musikbanda / Nikolaus Habjan

Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus Lieder von Schubert, Schumann und Mahler treffen auf Texte von Robert ­Walser. Musik Franui Musikbanda Puppenspiel und Rezitation Nikolaus Habjan Fr 28.07.17 20.00 Uhr Prinzregententheater

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Konzert

Festspiel-Nachtkonzert Tribute to Peter Sadlo OPERcussion – Die Schlagzeuger des Bayerischen Staatsorchesters OperaBrass – Die Blechbläser der Bayerischen Staatsoper

1. Festspiel-Kammerkonzert Das Münchner Klaviertrio

Solist Simone Rubino Di 25.07.17 21.00 Uhr Prinzregententheater

Ludwig van Beethoven / Dmitri D. Schostakowitsch / Johannes Brahms Münchner Klaviertrio Violine Michael Arlt Violoncello Gerhard Zank Klavier Donald Sulzen Fr 07.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

Festspiel-Kammerkonzert zu Oberon, König der Elfen Ferdinand Ries / Ludwig van Beethoven /  Carl Maria von Weber / Heinrich Joseph Baermann Klarinette Markus Schön Pianoforte Christoph Hammer Di 11.07.17 20.00 Uhr Schack-Galerie

2. Festspiel-Kammerkonzert Zeit im Wandel – zu Die Gezeichneten

4. Festspiel-Kammerkonzert Memoiren von Schubert und Schostakowitsch Dmitri D. Schostakowitsch / Franz Schubert Violine José Montón, Guido Gärtner Viola Birgitta Rose Violoncello Benedikt Don Strohmeier, Emanuel Graf Mi 26.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

5. Festspiel-Kammerkonzert Französische Kammermusik für Oboe und Fagott Camille Saint-Saëns / André Jolivet / Jean Françaix /  Robert Schumann / Francis Poulenc Oboe Giorgi Gvantseladze Fagott Moritz Winker Klavier Nobuko Nishimura-Finkentey Sa 29.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

Franz Schreker / Wolfgang Amadeus Mozart / Ernst von Dohnányi Klarinette Andreas Schablas Horn Johannes Dengler Violine Markus Wolf, So-Young Kim Viola Benjamin Beck Violoncello Emanuel Graf Klavier Julian Riem

Campus

Fr 14.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

3. Festspiel-Kammerkonzert

Festspiel-Campuskonzert Matthew Grills, Andrea Borghini

Das Dante-Quartett

ATTACCA - Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters

Gioachino Rossini / Joseph Haydn / Antonín Dvořák

Kinderoper Prag Einstudierung Jiřina Marková-Krystlíková

Dante Quartett Violine David Schultheiß, Guido Gärtner Viola Adrian Mustea Violoncello Yves Savary Kontrabass Florian Gmelin Di 18.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

Kinderchor der Bayerischen Staatsoper Einstudierung Stellario Fagone Musikalische Leitung Allan Bergius Sa 08.07.17 19.00 Uhr Prinzregententheater

Festspiel-Konzert des Opernstudios So 23.07.17 20.00 Uhr Cuvilliés-Theater

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Lied

Extra

Thomas Hampson

Operndialog

Franz Schubert / Gustav Mahler

Ausgewählte Inszenierungen im Seminar mit Jürgen Schläder, Professor für Musiktheater an der LMU München

Klavier Wolfram Rieger Mi 28.06.17 20.00 Uhr

zu Die Gezeichneten Fr 07.07.17 10.00 Uhr Capriccio-Saal Sa 08.07.17 10.00 Uhr Capriccio-Saal

Anja Harteros

zu Oberon, König der Elfen Fr 21.07.17 10.00 Uhr Capriccio-Saal Sa 22.07.17 10.00 Uhr Capriccio-Saal

Franz Schubert / Robert Schumann / Alban Berg / Richard Strauss Klavier Wolfram Rieger Mi 12.07.17 20.00 Uhr

Montagsrunde zu Die Gezeichneten Mo 17.07.17 20.00 Uhr Capriccio-Saal

Christian Gerhaher Johannes Brahms Klavier Gerold Huber Sprecher Ulrich Tukur Mo 17.07.17 20.00 Uhr

Einführungen vor den Vorstellungen Premierenmatinee zu Oberon, König der Elfen So 16.07.17 11:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Premierenmatinee zu Die Gezeichneten So 18.06.17 11:00 Uhr

Diana Damrau Franz Schubert / Richard Strauss / Sergej W. Rachmaninow

Die Gezeichneten Di 04.07.17 18:00 Uhr Fr 07.07.17 18:00 Uhr Di 11.07.17 18:00 Uhr

Klavier Helmut Deutsch Do 20.07.17 20.00 Uhr

Pavol Breslik Ludwig van Beethoven / Mikuláš Schneider-Trnavský /  Antonín Dvořák / Richard Strauss Klavier Amir Katz Sa 29.07.17 20.00 Uhr Prinzregententheater

Simon Keenlyside & Band George Gershwin / Irving Berlin / Kurt Weill / Emmerich Kálmán / Jerome Kern Di 18.07.17 20.00 Uhr Prinzregententheater

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Tannhäuser So 09.07.17 17:00 Uhr Semiramide Fr 21.07.17 17:00 Uhr Mo 24.07.17 17:00 Uhr Lady Macbeth von Mzensk Sa 22.07.17 18:00 Uhr Oberon, König der Elfen Mo 24.07.17 18:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Do 27.07.17 18:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater So 30.07.17 17:00 Uhr Gartensaal Prinzregententheater Andrea Chénier Fr 28.07.17 18:00 Uhr Mo 31.07.17 18:00 Uhr La Favorite Mi 26.07.17 18:00 Uhr Sa 29.07.17 18:00 Uhr

TV

Die Vorstellung wird auf www.staatsoper.de/tv übertragen.


Oper für alle

Festspiel-Gottesdienst Solisten Matthew Grills, Andrea Borghini ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung Allan Bergius

Oper für alle. Die Bayerische Staatsoper und BMW München laden ein.

So 25.06.17 10.00 Uhr St. Michael Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich

Festspiel-Eröffnungskonzert

UniCredit Festspiel-Nacht Bei der UniCredit-Festspiel-Nacht bieten Festspielkünstler bereits im 16. Jahr auf mehreren Bühnen Höhepunkte aus Oper, Konzert, Tanz, Lied und Literatur.

Dmitri D. Schostakowitsch Festliche Ouvertüre op. 96 ATTACCA – Jugendorchester des Bayerischen Staatsorchesters Musikalische Leitung Allan Bergius Sergej S. Prokofjew Symphonie Nr. 1 D-Dur op. 25 Symphonie classique

Fr 30.06.17 20.00 Uhr Fünf Höfe Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich www.unicredit-festspiel-nacht.de

Russische Arien von Peter I. Tschaikowsky, Nikolai A. Rimsky-Korsakow und Michail I. Glinka Peter I. Tschaikowsky Symphonie Nr. 4 f-Moll op. 36 Bayerisches Staatsorchester Musikalische Leitung Omer Meir Wellber Solistin Ekaterina Siurina Sa 24.06.17 20.30 Uhr Max-Joseph-Platz

Richard Wagner

Tannhäuser Musikalische Leitung Kirill Petrenko Inszenierung Romeo Castellucci Details zur Vorstellung siehe S. 213 Audivisuelle Live-Übertragung aus dem Nationaltheater So 09.07.17 18.00 Uhr Max-Joseph-Platz

TV

Moderation Thomas Gottschalk Eintritt frei, keine Eintrittskarten erforderlich

Mehr zu Oper für alle: siehe S. 141 Münchner Opernfestspiele LIVE Die Bayerische Staatsoper geht LIVE. Während der Münchner Opernfestspiele begleiten wir Produktionen, Künstler und Mitarbeiter in einer Live-Webserie auf Facebook. Schauen Sie hinter unsere Kulissen und seien Sie direkt und hautnah dabei. Alle Infos finden Sie hier: www.staatsoper.de/live  www.facebook.com/baystaatsoper

Eintritt frei!

219


Festspielpreise 2016 Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele ehrte den Komponisten Hauke Berheide, den Bass Tareq Nazmi sowie die ­ Souffleure und I­ nspizienten der B ­ ayerischen Staatsoper mit dem Festspielpreis 2016.

Hauke Berheide, Preisträger und Komponist der Festspiel-Uraufführung Mauerschau

Vor bereits mehr als 50 Jahren wurde die Gesellschaft zur ­Förderung der Münchner Opernfestspiele gegründet. Mit dem Ziel, die Attraktivität der Münchner Opernfestspiele durch ­finanzielle Unterstützung zu fördern und zu erhalten, macht sie sich seitdem in vielfacher Weise um die Opernfestspiele verdient. Einmal jährlich vergibt sie in f­ eierlicher Atmosphäre den Festspielpreis und zeichnet ­damit ­Menschen aus, die die Münchner Opernfestspiele ­zu dem machen, was sie sind: das international traditionsreichste Festival seiner Art. Seit 140 Jahren kommen Opernfreunde aus ­Bayern, Deutschland und aller Welt zur Festspielzeit nach ­München und genießen die Vielzahl der Opernvor­stellungen, ­Ballette, Liederabende und Konzerte an der Bayerischen Staatsoper. Doch so weit der Blick zurückreicht, so weit reicht er auch nach vorn. Die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele legt seit jeher großen Wert auf die Pflege des Nachwuchses, sie will bewusst in die ­Zukunft ­investieren. Ebenso großen Wert legt sie auf die Anerkennung von Leistungen hinter der Bühne. Diese werden erbracht von Mit­ arbeitern, ohne die der reibungslose Ablauf der Opernfestspiele nicht gewährleistet wäre.

Preisträger Tareq Nazmi als Osman in der Festspiel-Premiere von Les Indes galantes am 24. Juli 2016


Geehrt wurden: Hauke Berheide Die herausragende Produktion der Festspielwerkstatt 2016 war die Uraufführung der Oper Mauerschau von Hauke Berheide, die den Stoff von Heinrich von Kleists ­Penthesilea in das Kriegsgeschehen unserer Zeit ­versetzt. Zu dem Erfolg, den das Werk und die Aufführung beim Publikum wie bei den Kritikern hervorgerufen hat, haben das Libretto, die Inszenierung, die Künstler, vor allem aber die ­Musik beigetragen. Das Œuvre des 1980 in Duisburg geborenen Komponisten Hauke Berheide umfasst Werke in allen musikalischen Gattungen: Orchester- und Kammermusik, Chor, Lied und eben auch Musiktheater. ­Berheides bühnenwirksame Musik für Mauerschau entwickelt und unterstützt mit ihrem Farben­ reichtum und der Breite des instrumentalen Ausdrucks wirkungsvoll die Emotionen, die auf der Bühne auf­einanderprallen. Mit der Überreichung des Festspielpreises 2016 an den Komponisten Hauke Berheide verbindet die Gesellschaft die Hoffnung auf weitere herausragende Werke des Musik­theaters. Tareq Nazmi Der Bassist Tareq Nazmi, 1983 in Kuwait geboren und in München aufgewachsen, hat an der Hochschule für Musik und Theater München Gesang studiert und gehörte seit der Spielzeit 2012/13 zum Ensemble der Bayerischen Staatsoper. In der Spielzeit 2015/16 wirkte er in nicht ­weniger als neun Inszenierungen mit, darunter auch in den beiden Premieren der Opernfestspiele 2016, La Juive und Les Indes galantes. Tareq Nazmi hat sich entschieden, mit Ablauf der Spiel­zeit 2015/16 das Ensemble der Bayerischen Staatsoper zu verlassen. In diesem Sinne versteht die Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele den ihm zuerkannten Festspielpreis 2016 als Anerkennung und als Abschiedsgeschenk für vier gute Jahre seiner Mitwirkung an unserem Opernhaus.

Die Souffleurinnen und Souffleure der Bayerischen Staatsoper: Volker Perplies, Susanne Thormann-Metzner, Dario Pangrazi und Michael Mader mit Dieter Rampl (1. Vorsitzender der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele)

Souffleurinnen und Souffleure Es gehört zu den guten ­Traditionen der Gesellschaft, mit den von ihr vergebenen Festspielpreisen nicht nur Künstler zu prämieren, sondern auch Kräfte hinter, über, unter, neben der Bühne. Zu den im Hinter­grund wirkenden Mitarbeitern der Staatsoper gehören die Souffleurinnen und Souffleure. Es gibt geradezu Legenden von Sängerinnen und ­Sängern, die Schwierigkeiten haben oder hatten, sich die zu singenden Texte zu merken. Das ist die große Stunde der Souffleure. Häufig müssen sie die Aufführung retten. Ihre beruflichen Anforderungen haben sich dadurch stark erhöht, dass seit einigen Jahrzehnten in fast allen deutschen Häusern Opern mit Libretti in der jeweiligen ­ ­Originalsprache gesungen werden. Angesichts der hervor­ ragenden Qualität und Erfahrung dieser an unserer Staatsoper tätigen Gruppe ist es für die Gesellschaft eine Freude, ­Susanne Thormann-Metzner, Michael Mader, Dario Pangrazi und Volker Perplies einen Festspielpreis zu über­reichen. Sie haben es mehr als verdient. Inspizientinnen und Inspizienten Zu den im Hintergrund ­wirkenden Mitarbeitern der Staatsoper gehören auch die ­Inspizientinnen und Inspizienten. Ohne Übertreibung lässt sich der Inspizient als der Hauptkoordinator einer Theatervorstellung bezeichnen. Er trägt während einer Aufführung die Verantwortung für den ordnungsgemäßen und zeitgerechten Ablauf. Dazu gibt er den jeweils fachlich zuständigen Mitarbeitern die erforderlichen Anweisungen und auch das Publikum hört auf sein K ­ ommando: Er gibt die Klingelzeichen für den Beginn der Vorstellung und die Beendigung der Pausen. Die im englischsprachigen Raum gebräuchliche Berufsbezeichnung „Stage Manager“ wird dem umfassenden Aufgabenspektrum besonders ­gerecht. In der Bayerischen Staatsoper gehören zur Gruppe der Inspizienten Nadine Göpfert, Rupert Meyer, Niki Rath, Karin Siedenburg, Katharina Starý und Ruth Wieman. Mit der Vergabe des Festspielpreises 2016 verbindet die Gesellschaft ihre Freude und ihre Anerkennung, dass es dank des ­Einsatzes dieser Gruppe in unserer Staatsoper extrem selten zu Vor­ stellungspannen kommt.

Die Inspizientinnen und Inspizienten der Bayerischen Staatsoper: Rupert Meyer, Ruth Wieman, Karin Siedenburg, Niki Rath und Nadine Göpfert mit Dieter Rampl (nicht im Bild: Katharina Starý)


Festspielempfang des Bayerischen Ministerpräsidenten und der G ­ esellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele 2016

Aufnahmeantrag Name

Ich /wir möchte(n) der Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. beitreten als: Einzelmitglied (300 €)

Firmenmitglied (1.200 €)

Fördermitglied (1.500 €)

Förderndes Firmenmitglied (3.000 €)

Straße und Hausnummer

Postleitzahl und Stadt

Den ersten Beitrag werde(n) ich/wir nach der Mitteilung über die Aufnahme auf eines Ihrer Konten zahlen.

Telefon-Nummer

Bitte füllen Sie diesen Aufnahmeantrag aus und schicken diesen in einem Briefumschlag an folgende Adresse:

E-Mail

Gesellschaft zur Förderung der Münchner Opernfestspiele e.V. Maffeistraße 14, 80333 München

Datum

Fax-Nummer

Unterschrift


Rubrikentitel

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Danach schlafen Sie besser als Dornröschen: Melden Sie Ihre Gartenhilfe einfach an. Nicht angemeldete Haushaltshilfen rauben Ihnen vor Sorge nicht nur den Schlaf, sondern auch traumhafte Steuervorteile. Und wenn etwas passiert, schützt Sie keine Fee vor hohen Krankenhauskosten. Melden Sie Ihre Haushaltshilfe lieber an und schlafen Sie wie eine Prinzessin. Märchenhaft einfach unter www.minijob-zentrale.de oder telefonisch unter 0355 2902 70799.


Foto Stefan Loeber

Page 44 – 51 “We only love, so it doesn’t matter / Hold on to us.” A collective break with a tragic past, to arrive in the present as a lover, untainted. Most of all, the music makes this work in Wolfgang Nägele’s production of the ­Mark-­Anthony Turnage opera Greek, playing at the Bayerische Staatsoper’s Festival Workshop. Text by Wolfram Ette “Oedipus, how could you have done it?” Eddy asks at the end of the play, when all has been revealed. Following the narrative of the myth, Eddy, the prota­ gonist of Steven Berkoff’s Oedipus ­adaptation Greek (upon which Mark-­ Anthony Turnage’s opera is based), has killed his father and is married to his own mother. How could Oedipus punish himself, put out his own eyes and, for the sake of an abstract prophecy, deny himself happiness with the woman he loved? The drama thus ends with love being established as an anti-­mythical entity. For a while, Eddy is still tempted to do as the myth prescribes. He falls to his knees on the stage, ready to tear out his eyes, in a brutal copycat act. Yet, at the last second, he curses his calamity, acknowledges his depravity and liberates himself from the burden of his beginnings which have overshadowed his life: “Bollocks to all that! Yeah, I wanna climb back inside my mum, what’s wrong with that […] it’s love!” ( … ) Berkoff’s play and Mark-Anthony Turnage’s opera are set in London in the 1980s. This is a dark world, in which the post-war social state is crumbling and large swathes of the population live in poverty. Before the playwright’s eyes, society is displaying ever more apocalyptic traits. Eddy is growing up under miserable ­circumstances. His father is unemployed, has a drinking problem and appears to hate everything with a different skin colour to his own. His

mother is a simple housewife, whom Eddy has never seen without her apron on. Yet Eddy has ambitions to escape the world of dingy pubs and ascend to that of middle-class wine bars and trendy cafés. ( … ) It would not be unreasonable to ask what role the myth plays in this modern setting, other than providing the story with significance and, at least, a veneer of coherence. Does it not simply coat the working-class romanticism, towards

English Excerpts

which the work at times leans, with the gloss of ancient legend? Does it perhaps afford the final provocative ­ ­celebration of maternal incest access to the echo chamber of tradition, making it thus palatable for a burgeois audience? ( … ) “I prefer to tell the story from an internal, psychological perspective,” Wolfang Nägele, director of the Munich production explains. That is “a hundred times more interesting” than what the

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Foto Rosa Rendl

play ostensibly claims to be, namely a mythologically exaggerated portrayal of 1980s England, which would appear rather out of place in the Munich of ­today. ( … ) But how to establish the psycholo­ gical essence of this story? Which ­familial correlations does it endeavour to present? Within every mother is the woman one will one day love. And ­within every woman one loves is the mother one once loved. Freedom can only exist when one recognises and ­acknowledges the existence of “one day and once” (Thomas Mann). “The past is never dead. It’s not even past,” Faulkner once wrote. However, an awareness of this is necessary, in order to at least have the chance to escape from it a little. ( … ) What ameliorates the Oedipus of the 20th century is the music. In sung form and embedded in Turnage’s ­flexible musical language, the spoken words of Berkoff’s play, which often come across as abrasive and forced, seem to flow better and feel almost ­natural. ( … ) It is not Eddy alone who decides to break the taboo of incest. His wife / mother and adoptive parents surround him. Forming a singing ­ ­collective ­representing love and solidarity, they persuade him to break free from guilt, for the sake of love: “We only love, so it doesn’t matter / Hold on to us.”

Page 66 – 72 “Theatre must ­seduce!” At the Munich Opera Festival, theatre maker Nikolaus Habjan directs Carl Maria von Weber’s romantic opera Oberon. He spoke to MAX JOSEPH about what puppets do better than real actors and about why, for him, Oberon is about human experiments. Interview by Karin Cerny ( … ) MJ You studied Musical Theatre Production but then went on to work as a puppeteer.

NH During my studies I had a professor who always said to me, “It’s time to grow up and stop playing with dolls.” Which I never did and certainly don’t ever intend to do. People have totally the wrong impression. In Austria, people hear the word puppets and immediately think of Punch and Judy. So they think this kind of theatre is only suitable for children. There’s actually a very rich tradition of puppet theatre for adults. In this regard I’ve learnt a lot from the Australian puppet master Neville Tranter and attended a number of his workshops. He works with life-sized puppets with articulated ­

mouths. His productions are intended for adults and characterised by their wicked, dark sense of humour. His most famous work Schicklgruber alias Adolf Hitler is set in Hitler’s bunker during the final days of the Third ­Reich. ( … ) MJ What advantage do puppets have over actors? NH No-one can die as convincingly as a puppet. And you can use them to portray a character on many different levels. I realised this in my production of The Misunderstanding. In this work by Albert Camus a young man returns home to his mother and sister after


twenty years and spends the night at their inn. Choosing not to reveal his identity he is subsequently murdered by the two women who, believing him to be a stranger, wish to rob him. He drinks the poisoned tea, slumps to the ground and the puppeteer slips his hand out of the puppet. We see how it lies there, lifeless. The puppeteer then addresses the mother, also a puppet, saying, “It’s me!” Trying to create this meta-level with actors would be much more challenging. ( … ) MJ You have a fondness for classics like Faust and Nathan the Wise. What do you like about the romantic opera Oberon? NH I think the music’s fantastic. We’ll shorten the original text a little. It is important to take the text very ­seriously, despite some things which sound rather strange to modern ears. ( … ) I was greatly inspired by what the director Peter Konwitschny once said about faithfulness towards the source material. For him, it doesn’t mean that you set The Flying Dutchman in a spinning house. He set part of the opera in a gym. He feels obligated towards the central theme and message of a work and attempts to recreate with modern means the same atmosphere that the original audience would have felt. This, regardless of whether they were shocked, amused or deeply moved. To do that, you need to find out what the intentions of the work were and how they can best be realised today. MJ So, what will that look like with Oberon? NH Oberon and Titania are arguing about whether true love and fidelity exist in the afterlife. My thoughts on this are that they’re basically carrying out human experiments. In the 1950s, the behavioural analyst Harry Harlow worked with rhesus macaques. They were highly controversial experiments with baby monkeys, which were made to choose between two surrogate mothers. One was made of wire, cold and uncomfortable, but with a bottle of

milk. The other was a warm cuddly toy, but with no food on offer. Most of the babies opted for the warm mother – and starved to death. Very few chose the wire mother. Later on in the troop they were the extreme sociopaths. ( … ) MJ Even with disturbing subject matter your work never lacks a dark sense of humour. Would you say that was a typically Austrian approach? NH I think it probably is. As a child my parents introduced me to Helmut Qualtinger and Georg Kreisler which left its mark on my subconscious. But I also think it’s really important for audiences to laugh. Theatre must seduce!

Page 82 – 88 Think in notes, enjoy the different facets At the Munich Opera Festival, Ingo Metzmacher will conduct Franz Schreker’s Die Gezeichneten and Ivor Bolton Carl Maria von Weber’s Oberon. MAX JOSEPH spoke to the conductors. Interview by Daniel Ender ( … ) MJ Audiences are familiar with the role of conductors during the pomp and ceremony of the per­ formance, but are perhaps less aware of the weeks of rigorous ­rehearsal beforehand. How important is it for you to study the score before ­rehearsal? IB For me, working through the score is such a valuable and worthwhile ­activity. I enjoy it immensely and always ensure I make enough time for it. It enables you to dig ever deeper into the work and go at your own pace, because time isn’t as limited as during rehearsals, which have a rhythm of their own. MJ What is the most important thing about this preparation for you? IB First of all, I need a really good grasp of the work as a whole. I’m ­ almost

English Excerpts

obsessive about working out the structures of the phrasing and the numbers of bars. For example, pieces by Beet­ hoven and Schubert often have an uneven number of bars. These kinds of ­irregularities are very important for the interpretation. You have to understand what would have been contrary to the norm during a particular period and thus what would have sounded new. And then I’m interested in the orchestration, in all its detail. Especially when that means coming up with unusual tones and effects for a particular composer. Carl Maria von Weber was a ­fantastic orchestrator, whose devices were perpetuated by such greats as Wagner, Mahler and Strauss. His tonal imagination had an enormous influence on the music of the late nineteenth century. ( … ) IM Studying the score is vitally important for me, as well. Scores are highly complex. When you read from left to right and turn the page it’s impossible to see everything at once, because of the sheer volume of information on a page. That’s particularly true of this multi-layered Franz Schreker score. However, if you instead read a score from top to bottom and study that one moment carefully, it’s as if the music stands still. But music is a sequence of moments which are constantly changing. That’s why studying the score takes so much time, so you can remember the details as precisely as possible during the performance. MJ Do you think in a structured way? IM I always try to put myself in the composer’s shoes, so I can understand how he did it. With long pieces it’s especially important to understand the various internal correlations. Schreker has a densely-woven tapestry of leitmotifs and it’s extremely ­important for me to ensure that these are heard. When somebody recites a piece of literature you can always tell if that person understands what they’re ­rea­di­ ng. I’m convinced that it’s the same with music. ( … )

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Page 90 – 96 In Between Times Tremendously successful in the first two decades of the twentieth century, the Austrian composer Franz Schreker was challenged by subsequent musical developments. The persecution in upcoming national socialism turned out to be fatal. A portrait. Text by Michael Haas On November 12th, 1918, Austria lay defeated and shorn of its former Empire and the first Austrian Republic was declared. It was also the day Franz Schreker completed his most successful opera, Der Schatzgräber, which by 1922 would be the most performed ­opera by a living “German” composer. The concept of “German” rather than “Austrian” after 1918 would lead to a

Illustration Gabz

MJ What does it mean to understand music? IM I’ve thought long and hard about this question and come across some wonderful lectures given by Leonard Bernstein. He said that notes don’t mean anything at first. Meaning comes through a series of events in context. In my view, composers are people who think in notes. Notes are deeply meaningful, but in a very different sense to words. ( … ) MJ Do you consider there to be one ideal way to perform a particular piece of music or is there a wide range of equally valid forms? IB A simple answer to this question would be: The more important a work of art is, the more ways there are to understand it. No single performance can ­unlock all the potential a work may contain. It’s such a luxury to be able to ­perform the same piece on different occasions. I love fiddling with details and relish the opportunity to focus on different facets of the same piece. There’s so much room for interpretation, ­although Stravinsky’s statement equally holds true: “The greater the discipline, the greater also the freedom.”


collectively fatal identity crisis only 20 years later, a fact Schreker could not have foreseen when he scribbled at the bottom of his final page that his most dearly held wish was that Austria be annexed as soon as possible by Germany. He like millions of other German speaking Austrians could not imagine an independent German-Austrian identity. ( … ) Schreker made a name for himself as a conductor at the Volksoper and more importantly, by founding Vienna’s Philharmonic Choir, an ensemble that was trained to sing the emerging “Modernist” repertoire coming out of Europe. His break-through, however, was in 1908 when commissioned by the ­Expressionist dancers, the Wiesenthal Sisters. Their pantomime of Oscar W ­ ilde’s The Birthday of the Infanta was very much the attraction of Vienna’s spectacular “Kunstschau”, an enormous exhibition celebrating 60 years of Emperor Franz Joseph’s reign. ­Schreker’s music was noted and admired by everyone. ( … ) His 1912 operatic success, Der ferne Klang, would be the first of Schreker’s three major Viennese operas with the other two being Die Gezeichneten and Der Schatzgräber. With their polyphonic chromaticism suggesting the faded shimmer of louche Viennese decline, their sound world was immediately identifiable and unlike any other. ( … ) The dream of Austria being ­annexed by Germany would vicariously be fulfilled when Schreker took the position of director at Berlin’s Music Academy in 1920. ( … ) Certainly, the dynamism of Berlin and his young composition class would exact changes on Schreker’s style. The sobriety of “New Objectivity” had scant regard for his voluptuous sound world. Schreker had long been eager to free himself from the trap of ­remaining where his three great Viennese successes had placed him. Der Schatzgräber is ­already more austere than Die Gezeichneten, and his transitional ­ opera between Vienna and

Berlin, ­Irrelohe, would be both a final in­dulgence in Expressionistic excess and a charge into the future with crashes of unresolved dissonance and tonal ambiguity. His Berlin operas would be even more explicit in trying to turn his previous sound world into something new. ( … ) He wouldn’t risk the indignity of interpolating a “Black Bottom” or Foxtrot” into an opera, but he did “­ ­respond by stripping away expressive extravagance. Yet even these ­responses came too late. His final two operas, Der singende Teufel and Der Schmied von Gent couldn’t compete with the ­kaleidoscopic changes taking place. Everything he placed in front of the public was rejected as yesterday’s news. By 1930 arrived a wave of operas that today we might say appealed to “identity politics”. These so-called “Bekenntnisopern” or “operas of avowal” ingratiated with statements of “who we are” with subjects representing the innocence of the rustic Ur-German or conversely, the heroism of ancient mythology. It was a sensibility that ­ Schreker had wrongly hoped might resonate with his final opera Der ­ Schmied von Gent. In 1932, the same year as the disappointing premiere of Der Schmied von Gent, the anti-Semitic intrigues of violinist Gustav Havemann manipu­ ­ lated Schreker’s dismissal from Berlin’s Music Academy. His subsequent ­masterclass at Berlin’s Prussian Academy of Arts was cancelled along with ­Arnold Schönberg’s in 1933. The Nazi ban on Schreker performances, his ­removal as a teacher, an inability to emi­grate or even to return to his native ­Vienna led to the stroke that killed him in 1934. Looking back at Schreker’s work in its entirety we see a composer who fought against commercial restriction that demanded “something new, but not something different”. With Schreker, we encounter a composer who sought change by a plurality of means. His ­operatic dominance lasted only eight

English Excerpts

short years: 1912–1920. With each successive work, he tried to find an alternative path towards a musical ­ future. His three great Viennese ­ operas, Der ferne Klang, Die Gezeichneten and Der Schatzgräber are ­masterpieces of the 20th century. ( … ) Yet Schreker’s subsequent operas should not be seen as unfortunate departures. Each work reminds us of Schreker’s unique genius of producing musical sounds as if heard from a distant planet, sounds we keep trying to hear and strain to understand.

Page 98 – 106 “We’re like a little utopia ourselves” The tiled, darkly glistening, reflective stage spaces which Małgorzata Szczęśniak builds are characteristic of Krzysztof Warlikowski produc­ tions. Before the premiere of Franz Schreker’s opera Die Gezeichneten, MAX JOSEPH spoke to the artist. Text by Gabriela Herpell (  …  ) Krzysztof Warlikowski directs Franz Schreker’s opera, first performed in 1918, and Małgorzata Szczęśniak as usual designs the stage for him. The pair met during their philosophy studies in Krakau and, from then on, were partners in both senses of the word. Małgorzata Szczęśniak and Krzysztof Warlikowski are married. “We took the decision to live together a long time ago, but we both cherish our freedom. We both live our lives in a way that feels right. We’re not a conventional married couple.” ( … ) We first discuss the Elysium in Die Gezeichneten. In Schreker’s libretto this is the name of the artificial island built by aristocrat Alviano Salvago in the sea off the Genoese coast. Alviano is deformed and consequently lives as a recluse. The island is his contribution to society. However, the young,

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Foto Robert Fischer

beautiful, spoilt city noblemen use the island to engage in orgies with local girls who are abducted and subsequently disappear. A paradise, a utopia, a gift; and the people do nothing but abuse and destroy it. ( … ) Małgorzata Szczęśniak’s own notion of Elysium is no island in the sea, but rather a gigantic art exhibition. On the one hand, this comes as no surprise with her stage designs always tending towards the artificial, rather than the naturalistic. The stages she creates are metaphorical spaces; spaces which, ­despite their architectural concreteness, represent emotional states. She loves pink neon, perspex, metal rods, mirrors, wood veneer; and if she puts an aquarium on the stage, it will definitely not contain live fish. On the other hand, can a gallery ­adequately represent an island of the blessed? The art market is absurd – some works almost unaffordable. Małgorzata Szczęśniak shakes her head. “Art isn’t what you buy,” she proposes. “Art is what develops long ­before anybody is around to take an ­interest in it.” Art is the process of creating and ­receiving, not a product. For this reason, a gallery is the appropriate Elysium for contemporary art. Because art is the perfect utopia (she prefers this term to Elysium). “We want to see how people react to art which, for us, embodies ­utopia.” ( … ) Preparing for an opera such as Die Gezeichneten takes almost two years, Małgorzata Szczęśniak explains. They meet regularly as a small team: herself, Krzysztof Warlikowski, video artist ­Denis Guéguin and Dramatic Adviser Miron Hakenbeck. ( … ) They discuss which historic events have spawned which utopias. They transplant a work, an opera into the here and now – though without making the distinction too clear. For the archaic and the contem­porary are always connected, says Małgorzata Szczęśniak. And some conflicts never change. Sexual power has always been perceived as a threat, she suggests. For example, the destroyers of the utopia in Die Gezeichneten: six men under the influence of drugs and alcohol, who engage in bloody orgies – though this is

something she would never explicitly portray on stage. ( … ) Together, over the years, she and Krzysztof Warlikowski have staged ­forty different works. “We’re like a little utopia ourselves,” she says. “Our small team. We’re very close. When we work together we don’t need time to break the ice. We just get on with it.” ( … ) Małgorzata Szczęśniak was born in 1954 and grew up in Krakau, a very conservative Catholic city. Her parents nevertheless allowed her many freedoms. She wasn’t even obliged to ­attend school if she didn’t wish. Her parents simply wrote her a note,

excusing her. ( … ) “That’s why I don’t make d ­emands either. Never!” The smile on her face as she says this is almost m ­ ischievous, while the glint in her eye betrays the joy she feels at being this way – so free.


Page 108 – 114 15 musicians, 10 commitments … and lots of opera More than one hundred young musicians have successfully passed through The Bayerisches Staats­ orchester Orchestra Academy. The fifteen-year celebration is cause to make a bigger thing out of the annual Opera Festival concert and hold it at the Prinzregententheater. Text by Malte Krasting For the first time, the concert will be conducted by GMD Kirill Petrenko. As with his predecessors Zubin Mehta and Kent Nagano, the Orchestra Academy means a lot to him. It has positioned ­itself between the activities of studying for a music degree and working as a professional musician. ( … ) “The level of musicianship at the large colleges of music is higher than ever before. However, this has led to ­individual orchestras taking less and less responsibility for the training of professional musicians. This means we now have to compensate for the lack of opportunities for students to first ­familiarise themselves with the tasks and requirements of being an orchestra musician and to mature within their profession. Not even the best college can sufficiently replicate the modus ­operandi of a world-class orchestra.” This is where the Orchestra Aca­ demy comes in. It’s a two-year training programme for young musicians who have usually completed a music degree. Christiane Arnold, violist with the Staatsorchester, founded it together with her flautist compatriot Katharina Kutnewsky and bassist Michael Rieber. She continues to lead the Academy, now together with trumpeter Frank Bloedhorn. ( … ) What students of the Academy ­predominantly learn is opera. “Musicians learn the symphonic repertoire in youth and college orchestras. This

material is the standard repertoire in the Federal Youth Orchestra and in the Young ­German Philharmonic, as well as in the European Union Youth Orchestra and in the Gustav Mahler Youth ­Orchestra. But you only learn opera at the opera!” says Christiane Arnold. ( … ) And what exactly do these fifteen lucky musicians do after successfully making it through the rigorous application process? Play their instruments? They can do that already. Finish their degree? Most have done that, too. No, it’s all about putting what they have learnt into practice. To help them do this, Academy members have weekly lessons with ­experienced orchestra musicians. Nico Samitz, former member of the Academy explains, “Members have to schedule classes themselves. If you aren’t a very organised person, that can easily ­become a disadvantage.” ( … ) A key player is mental coach Ulrike Klees. She visits the Staatsoper eight to ten times per year for a week at a time. With the Academy members she rehearses typical situations such as entrance exams and auditions. There are exercises in stress management and coping with stage fright. In simulated performances, students become aware of their movements and learn how to relieve tension. Role plays are used to test a musician’s stage presence. ( … ) The highlight is, of course, the ­opportunity to participate in rehearsals and performances at the National­ theater. For each Academy member that means ten playing commitments per month. A commitment can be a rehear­ sal or a performance. ( … ) Nico Samitz says, “The highlights for me were the Rosenkavalier with ­Petrenko and a truly star-studded cast, and of course the European tour.” ( … ) However, he had to tackle his most nerve-wracking experience, the ­Leonore signal in Fidelio, without the help of any fellow musicians. “You’re there, all alone, right up at the top of the Nationaltheater, even above the

English Excerpts

Engelsloge and have to be able to handle the responsibility. Luckily, I was well prepared. I’d had lessons with a solo trumpeter and also a proper ­rehearsal in the auditorium. The mental coaching ensured that my nerves didn’t fall to pieces.” ( … ) What isn’t on the curriculum but still plays an important role is human interaction. Christiane Arnold explains, “Soft skills are trained as you go. How important is the chemistry within an orchestra? You learn how to work ­ together and interact appropriately.” ­ ( … ) A further human factor is the chief conductor. Rabia Aydin gushes, “We’re so lucky to be able to work with Kirill Petrenko. He’s absolutely brilliant. He’s a perfectionist who knows exactly what he wants to achieve. He prepares meticulously for every rehearsal, is always sure about what he wants, but never puts his musicians under pressure. ­Because of his unbelievable energy, you’re automatically more motivated when you play for him. That’s why I think it’s great that he’ll be conducting this year’s Festival Concert.”

Page 116 – 122 It has begun. It will continue When everything fits nicely, it’s possible to see in the present what is to come. For example: The 2017 Ballet Evening for Young Choreogra­ phers at the Munich Opera Festival. MAX ­JOSEPH met the protagonists. Text by Carmen Kovacs Dustin Klein There are those people you meet where you instinctively know you’re going to be friends. It’s always been that way. It isn’t the pool in their garden, not the fact that they have a nose piercing, but something hard to define – the fascination has another origin. When they

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Foto Olafur Eliasson

aren’t there, something is missing. But when they are there, those things happen that end up making a good s­ tory. Dustin Klein is one of those people. No piercings, but with a smile that would be at home in an open-top car. ( … ) coryphée from the Since 2012, the ­ Bayerisches Staatsballett has also worked as a choreographer. ( … ) Dustin Klein knows his team and his dancers – he regularly shares a stage with most of them. Juggling both the daily routine of a dance ensemble and his own projects has so far worked out well. Being a dancer with the Staatsballett allows him to learn choreographies which then become ­ important and influential in his own work. ( … ) During the festival, he plans to draw inspiration from his immediate surroundings, perhaps even from his own Bavarian background. “We all too often stare into the distance, looking for something interesting to draw on, but the things that really affect us are sometimes right before our eyes.” He

casts a fleeting glance out of the ­window, where people walk by from left to right, as if by remote control. ( … ) Benoît Favre ( … ) Benoît Favre’s eyes are large, jade green and wide awake, though he hasn’t slept much the past few nights. It’s the premiere in four days. He has choreographed a work for the Zürich Junior Ballet which will be performed along with several other works. He’s nervous and doesn’t mind admitting it. No airs and graces; a great deal of ­understatement. And a calmness that stirs memories of lakeside holidays. ( … ) He grew up in Neuchâtel; completed an apprenticeship in Zürich; followed first by two years at the Junior Ballet; with the Company since 2014. He has r­eceived awards for performances as a dancer, but also for his work as a ­choreographer. It wasn’t a sudden ­decision, but gradual. ( … ) He doesn’t know where his ideas come from – Benoît Favre believes in vision. He ­often just has images in his head.

His choreographies are less about narrative and more about technical ­ composition and structure; almost ­ graphic. ( … ) For Munich, it will be an early ­Vivaldi composition, but remixed and sampled in true urban style. He looks forward to the rehearsals, which he considers far more important than the performance itself. “Whether as a choreographer or a dancer, the i­mportant things happen in the ­process.” ( … ) Andrey Kaydanovskiy In another life, Andrey Kaydanovskiy would have become a car designer. That was the plan, long ago, back in Moscow. Now he cycles and wears a helmet. Vienna can be a dangerous place if you allow your imagination to run riot. ( … ) For a few years, the Vienna Staatsballett, where he is also a coryphée with the company, has provided him with an outlet for his creativity. Now it’s giving him a third shot as choreographer. Things are going well for


him. In 2016 he won the German Dance Award in the “Future” category. He’s fully booked until 2019 and that’s ­future enough, for now. ( … ) Andrey Kaydanovskiy is a storyteller. In his choreography he draws ­characters and doesn’t shy away from movements which explicitly further the narrative. For him dance encompasses theatre, drama and expression. If it were solely about movement, that would be insufficient. In his view, those days are gone. ( … ) The working title of his project for Munich is Discovery. It’s about our ­development, the animal in us and the question of where we are heading. He asks himself the same question.

Page 124 – 128 Testing Love on Animals For his production of Weber’s Oberon, director Nikolaus Habjan has chosen an unusual person upon which to base his Elf king. His inspiration is Harry Harlow, a psychologist and behavioural analyst who came to fame during the 1950s, due mainly to his experimentation with rhesus macaques. Text by Roland Borgards Harlow’s research into the origins of love is as provocative now as it was then. Beginning with the fact that it contradicted the, at that time, leading psychological paradigm of behaviourism. Harlow proved that love for a child is no conditional reflex, but rather an unconditional foundation for all social behaviour. To provide this evidence, Harlow experimented with rhesus ­macaques, whose social behaviour is similar enough to that of humans, so the findings would allow him to infer similar behaviour in human beings. Only a few hours after birth, Harlow separated young rhesus macaques from their mothers. These young

monkeys were then fed by a kind of ‘surrogate’ puppet mother, consisting of a torso, a head and a milk bottle inserted into the torso of the puppet. In order to determine how important the provision of nourishment is in order for love to develop, Harlow constructed two different types of surrogate mother. The first had a torso which was covered with a soft, warm material; the second had a torso made of wire mesh, which was good for clinging on to, but less suitable for cuddling. Each young macaque was then presented with these two mothers; one soft, the other made of wire. With one group of monkeys, only the soft mother provided milk; with another group, only the wire mother. Harlow’s experiments showed that physical contact was substantially more important than the provision of food. It was unsurprising that monkeys fed by the soft mother showed little ­interest in the mother made of wire. Yet the monkeys fed by the wire mother spent only as much time with their ­provider of nourishment as necessary. Instead, when alarmed or afraid, they sought refuge solely with the soft, warm mother. This was a degree of clarity so overwhelming that even ­ ­Harlow had not anticipated it. However, it was not only the ­psychological results of Harlow’s research which proved provocative. The indignation was of a more general ­societal nature and came peculiarly from two contrarious camps. On the one hand, there was the outrage that ­Harlow had given so much weight to the b ­ ehaviour of animals. He treated the monkeys as creatures whose m ­ ental constitution differed, at most, minimally, but not fundamentally from that of humans. This endangered the traditional perception of man as the ­su­perior being in creation. On the other hand, there was the outcry over ­Harlow’s treatment of the animals. He viewed monkeys as creatures whose ethical status differed, not merely ­minimally, but fundamentally from that

English Excerpts

of humans. Thus, he was free to treat them as he wished. That was the criticism levelled at Harlow’s experiments by animal rights activists. More so even than in the experiments to determine the origins of love was the mercilessness of Harlow’s ­isolation experiments. What are the consequences of a young rhesus macaque being allowed to grow up ­ ­inside an empty cage, in isolation from all other macaques, with only ­audio-visual contact? Harlow’s findings: Three months in isolation are hard, but can be recovered from if followed by a return to life in a normal social environment. But after only six months of total isolation – the equivalent of two human years – a boundary has been crossed meaning that the psychological damage is irreparable. Twelve months’ isolation simply result in an emotional wreck. With the conclusions of his research into the origins of love, ­ ­Harlow went perceptibly against the contactgrain of prudish, physical-­ avoiding post-war society. The message was: hug your children! Feeding alone will not suffice. It was also Harlow’s experiments which provided crucial momentum to the animal rights movement in the late 1960s and 70s. Had it not been for ­Harlow’s research, animal rights laws and limitations on animal testing in American and Europe would probably not be as stringent as they are today. Yet, not although, but because Harlow felt very little empathy with his ­monkeys. In his own words: “I don’t have any love for them.” English Excerpts by Ed Einsiedler

233


Was folgt …

… auf den 31. Juli?

Unmittelbar nach dem letzten Vorhang zur letzten Vorstellung der Spielzeit – dieses Jahr Umberto Giordanos Andrea Chénier – beginnen Mitarbeiter der Bühnentechnik mit dem Aus­räumen der Bühne. Nachdem sich Intendant Nikolaus Bachler dann beim alljährlichen Abschiedsfest auf der Bühne bei allen Mitarbeitern bedankt hat und auch die anschließende Party in der Kantine rauschend zu Ende gegangen ist, übernimmt am 1. August das Hochbauamt das Hausrecht. Von da an ist die Bayerische Staatsoper in den Ferien und nicht mehr Herr im eigenen Haus. Viele verschiedene Firmen bevölkern dann Sommer für Sommer das Gebäude, um Sanierungen und Wartungsarbeiten durchzuführen. Gerüste werden aufgebaut, empfindliche Böden müssen abgedeckt, einzelne Bereiche des Hauses abgesperrt werden. Statt Musik tönt dann Baulärm durch das Haus, anstelle von musikalischen laufen logistische Meisterwerke. Heuer soll die Brandmeldeinfrastruktur der Galerie sowie des ersten bis dritten Ranges im Zuschauerhaus erneuert und die Sprinkleranlage modernisiert werden. Dazu werden große Arbeitsbühnen aufgestellt, damit die Handwerker die jeweils unterschiedlich hohen Decken öffnen und Leitungen verlegen können. Im Rahmen der Wartungsarbeiten müssen laut TÜV diesmal die Seile einiger Bühnenpodien – das sind Teile des Bühnenbodens, die auf- und abwärts bewegt werden können – erneuert werden. Außerdem werden jedes Jahr die Heizungs- und Lüftungsanlage und die brandschutztechnischen Anlagen – etwa die Sprinkler- und Sprüh­ ­flut­löschanlage – gewartet und auf einwandfreien Zustand hin überprüft. Schließlich wird noch der stark beanspruchte Bühnenboden partiell erneuert und frisch gestrichen. Nach sechs Wochen muss alles erledigt sein, damit der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann; doch bis dahin arbeiten auch noch einige Mitarbeiter der Staatsoper sozusagen als Gäste

234

im eigenen Haus. Während der gesamten Ferien müssen zum Beispiel die Pförtner anwesend sein. Sie kümmern sich um die Belange der Firmen, händigen Schlüssel aus und kontrollieren, wer in der Oper ein und aus geht. Sollte – wie vor einigen Jahren einmal geschehen – vor den Ferien vergessen worden sein, die Ansage auf dem Anrufbeantworter der Kasse dahingehend zu ändern, dass die Tageskasse der Staats­ theater während der Ferien geschlossen ist, dann können schon einmal 100 Anrufe pro Tag mit Kartenwünschen beim Pförtner eingehen. Die Verwaltung arbeitet in den Ferien bis Mitte August. In dieser Zeit werden Löhne und Reisekosten abgerechnet, Steuermeldungen erledigt und vor allem die Festspiele mit ihren vielen Sonderprojekten und Zusatz­ angeboten nachbereitet. Mitarbeiter mit befristeten Verträgen, die zum 31. Juli auslaufen, müssen ihre Unterlagen zurück­bekommen und neue Verträge werden versendet. Bis in den August wird sich in diesem Jahr zudem die Bearbeitung der Visa­­ anträge für die Asien-Tournee der Bayerischen Staatsoper hinziehen. Dazu muss natürlich auch die Post­ stelle besetzt sein. Wenn dann ab Mitte August endgültig alle Staatsopern­mitarbeiter in den Ferien sind, wird die Post beim zuständigen Postamt gesammelt. Ungefähr eine Woche vor Beginn der neuen Spielzeit kommen die Mitarbeiter der Verwaltung dann zurück, um vor allem die Post abzuarbeiten, die sich im Sommer in ihrer Abteilung angehäuft hat. Auch die Bühnentechniker sind bis dahin wieder im Haus, um die ­Bühne spielfertig einzurichten. Für die ersten Vorstellungen der neuen Spielzeit – das Ballett Der Widerspenstigen ­Zähmung und Così fan tutte – und für das Bühnen-Dinner am 21. September, wird alles vorbereitet. Und dann kehrt auch die Musik zurück, und die Staatsoper ist wieder Herr im ­eigenen Haus.

Text Sabine Voss  Fotografien von Reiner Hofmann & Paul Pikos  © Staatliches Bauamt München 1

Jedes Jahr im Sommer gibt die Bayerische Staatsoper für fast zwei Monate das Hausrecht über das Nationaltheater ab. In dieser Zeit ist das Haus am Max-Joseph-Platz aber beinahe so geschäftig wie während der Spielzeit.


Wie die Zahnräder eines ­Schweizer Uhrwerks müssen bei einer Opernaufführung die Abläufe ineinandergreifen, damit das Werk ­gelingt. In dieser Spiel­zeit blickt MAX ­JOSEPH auf einzelne Ab­läufe in diesem Räderwerk, die dem Zuschauer sonst ver­ borgen bleiben.


Die Spielzeit 2017/18 beginnt am 28. September 2017.

Illustration: Carolyn Figel

SchÜne Ferien !


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Vorstellungsankündigung


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