Fraunhofer-Netzwerk »Wissenschaft, Kunst und Design«
PREMIUM PARTNER
GRENZÜBERSCHREITER D esignworks – a BMW G roup Company
ZUKÜNFTE GESTALTEN
Hochschule München
Fakultät für Design 64 EIN MÜNCHNER MIKROKOSMOS F ÜNF HÖFE
74 DIE FARBE LILA Stadt München
R eferat für S tadtplanung und Bauordnung 94
JEDER AUFTRAG E INE BEZIEHUNG ARNO Design 106
AKUPUNKTURNADELN & SCHMETTERLINGSFLÜGEL
Königliche Porzellan Manufaktur Nymphenburg
G oethe-Institut
D rees & Sommer
I UD Institut für U niversal Design
P rettygoodideas
L atent 112 D DX Conference 120 S chmidhuber
KREATIVE GESCHÄFTE
Deloitte Digital 122 ESSENZIELL FÜR DE N WANDEL
Kompetenzteam Ku ltur- und Kreativw irtschaft der LH München
WILLKOMMEN
HUBERT AIWANGER
Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie
Design ist ein kraftvoller Treiber für den nachhaltigen Wandel und die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Wirtschaftsstandorts. Es ist ein zentraler Erfolgsfaktor für unsere Unternehmen quer durch alle Branchen – vom Familienbetrieb über den Mittelstand bis zum Global Player. Deshalb fördern wir als Freistaat auch in diesem Jahr wieder die munich creative business week (mcbw), Deutschlands führende Designwoche. Wer die ganze Innovationskraft des Designs erleben will, ist hier genau richtig. Gerade auch das Thema der diesjährigen mcbw, das nach dem Verhältnis von Design und Natur fragt, verspricht spannende Einblicke und zukunftsweisende Perspektiven. Ich bin überzeugt, dass von der mcbw auch in diesem Jahr wieder kraftvolle Impulse für eine nachhaltige Zukunft ausgehen werden – auf das hochkarätige Programm können wir uns schon jetzt freuen.
DIETER REITER
Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München
Der Englische Garten und der Olympiapark beweisen, dass die bayerische Landeshauptstadt immer wieder durch bahnbrechende Gestaltung erfolgreiche Wege des harmonischen Zusammenlebens von Mensch und Natur findet. Es ist mir daher eine Freude, die munich creative business week 2024 unter dem zukunftsweisenden Thema „How to co-create with nature“ wieder in unserer Stadt begrüßen zu dürfen. Gerade für unsere urbanen Lebensräume wie etwa unser Leuchtturmprojekt „New European Bauhaus“ für ein zukunftsfähiges Wohnen und Leben in Neuperlach ist die diesjährige Fragestellung von großer Bedeutung. Ich wünsche allen Teilnehmenden eine spannende Zeit und einen inspirierenden Austausch!
ROLF SCHIFFERENS
Vorsitzender bayern design forum e.V. Geschäftsführer DURABLE Hunke & Jochheim GmbH & Co. KG
Als Unternehmer weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Design ein entscheidender Faktor ist, um sich auf dem Markt zu behaupten und den Herausforderungen unserer Zeit gerecht zu werden. Die munich creative business week (mcbw) ist das Event, um Design durch eigene Anschauung in voller Breite durch Diskussionen, Begegnungen und Events zu erleben. Diesmal hat sich die mcbw ganz der Natur verschrieben und das lohnt sich: Wir wollen aufzeigen, wie Designer:innen von der Natur und ihren Prozessen lernen können und welches Potenzial darin liegt, wenn wir die Natur von vornherein bei der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen mitdenken. Seien Sie dabei!
EDITORIAL
Liebes mcbw Publikum, liebe Designfans,
unser Zeitalter, von der Wissenschaft auch Anthropozän genannt, ist geprägt vom unaufhaltsamen Gestaltungswillen des Menschen. Wir gelangen mehr und mehr zu der Einsicht, dass der Fortschritt auch seinen Tribut einfordert und die Grundlage unserer Existenz gefährdet. Jetzt gilt es unsere Fähigkeit zur Gestaltung auf Verhalten, Prozesse und Sichtweisen zu richten und dabei ganzheitliche Betrachtungsweisen zu stärken. Wir müssen (wieder) lernen, zusammen mit der Natur zu arbeiten, sie als Co-Designerin anzunehmen und gemeinsam mit ihr zu leben und zu wachsen, anstatt sie zu regulieren. Oder kurz: kollaborieren statt dominieren. Um diesen Gedanken eine klare Ausrichtung zu geben, haben wir die mcbw 2024 unter das Motto „How to co-create with nature“ gestellt.
Unser Lebensstandard beruht vor allem auf der Fähigkeit zur stetigen Entwicklung von Technologien, doch nun ist es an der Zeit, auch das „Wie“ zu betonen: Wie können wir in Ableitung von Naturprozessen lernen, effizientere und effektivere Verfahren zu entwickeln? Wie können wir die Grenzen zwischen Technologie und Natur wieder durchlässig machen und beide zu neuen Erlebnissen verschränken?
Die munich creative business week 2024 ist der Event, um diesen Fragen nachzuspüren. Wir wollen den Raum öffnen für
inspirierende Einblicke, Visionen und Ansätze. Für alle, die sich angesprochen fühlen – Designer:innen, Unternehmen, Studierende und Designenthusiasten.
Das Programm, das wir mit unseren Partner:innen auf die Beine gestellt haben, ist abwechslungsreich: Ausstellungen, Events und Vorträge werden Bezug auf unser Leitmotiv „How to co-create with nature“ nehmen und darüber hinaus überraschende Perspektiven bieten – einen Querschnitt hält das vorliegende Magazin bereit.
Mit Stefano Boeri haben wir außerdem einen international renommierten Architekten als Creative Explorer auf die Münchner Designwoche geholt, der sich in seinem Schaffen von einer Neuformulierung des Verhältnisses von Mensch und Natur leiten lässt – einen Vorgeschmack auf sein Entwurfsdenken gibt’s im Magazin.
Auf geht’s, entdecken wir gemeinsam das Zusammenspiel von Design und Natur verteilt auf neun spannende Tage im gesamten Münchner Stadtgebiet!
Nadine Vicentini und das Team von bayern design
MCBW – DIE MÜNCHNER DESIGNWOCHE
Neun pulsierende Tage voller Inspiration, Austausch und Netzwerken – das ist die munich creative business week (mcbw).
Mit rund 150 Partnerinnen, 200 Events und mit bis zu 60.000 Besucher:innen ist sie der größte Designevent Deutschlands und das internationale Schaufenster der bayerischen Kreativ- und Designwirtschaft. 2012 von bayern design ins Leben gerufen, bringt die mcbw jährlich Menschen aus Gestaltung, Architektur und Wirtschaft in der bayerischen Landeshauptstadt zusammen und versetzt ganz München in einen regelrechten Designrausch.
Mit der mcbw schaffen wir einen Ort für Dialog: Fachleute, Designer:innen, Unternehmen und Studierende sowie das designinteressierte Publikum finden hier zu -
einander, um sich über Ideen und Trends zu connecten und sich auszutauschen. Auf der mcbw machen wir Design erlebbar: Im gesamten Stadtgebiet und zum Teil bis ins Umland; von Ausstellungen über Paneldiskussionen bis zu kuratierten Designwalks ist ein buntes Programm geboten: www.mcbw.de
Mit der mcbw beziehen wir Stellung: Durch gesellschaftsrelevante Leitmotive geht die mcbw direkt auf akute Herausforderungen ein und bietet damit dem Diskurs eine Diskussionsplattform. Seit 2023 holen wir mit dem Creative Explorer eine Persönlichkeit aus der internationalen Design- und Architekturszene nach München, um inspirierende Handlungsspielräume aufzuzeigen.
Mit der mcbw bieten wir eine Plattform für alle: Ob Global Player, Hidden Champion oder Start-up, Agentur, Büro oder Soloselbstständige – die aktive Teilnahme als Partner:in steht allen Designaffinen offen. Übrigens sind viele Veranstaltungen kostenlos und auch für Privatpersonen zugänglich.
Wer steht hinter der mcbw?
Hinter der mcbw stehen wir von bayern design am Standort München. Wir sind ein kleines und interdisziplinär besetztes Team aus Designer:innen und Expert:innen, geeint in der Leidenschaft für Design und München. Kräftige Unterstützung leistet auch unser Team in Nürnberg.
Unsere Zentrale findet ihr während der mcbw 2024 im Ruffinihaus am Rindermarkt. Schaut vorbei, wir freuen uns auf euch!
HOW TO CO-CREATE WITH NATURE
Haben wir uns zu weit von der Natur entfernt? Diese Strategien können Mensch und Umwelt wieder zusammenbringen.
Wissenschaftler:innen des Weizmann-Instituts für Wissenschaften in Israel haben im Jahr 2020 das Gewicht der anthropogenen Masse – also aller menschengemachten Materialien und Strukturen wie Stahl, Beton, Plastik oder Glas – auf 1,1 Teratonnen berechnet. Das bedeutete 2020 erstmals einen Gleichstand mit der Biomasse – und damit einen Wendepunkt: Während die Menge an Biomasse weitgehend konstant bleibt, wächst die anthropogene Masse exponentiell weiter, mittlerweile übersteigt sie das Gewicht aller Pflanzen, Tiere, Bakterien etc. deutlich. Forscher sprechen von einem neuen Zeitalter: dem „Anthropozän“.
Natur wird gemeinhin definiert als das, was „da ist“, ohne vom Menschen geschaffen worden zu sein: Steine, Bäche, Flora, Fauna. Eine grundlegend materielle Begriffsklärung also. Andere Stimmen besagen, dass beispielsweise auch das Meer in seiner heutigen Form (mit seiner Übersäuerung, den Fisch- und Korallenbeständen, den sich verändernden Golfströmen) vom Menschen zumindest mitgestaltet ist –oder der Wald, die Berghänge etc. Umgekehrt kann man der Natur ebenfalls eine Gestaltungskraft und -macht zusprechen: Sämtliche Organismen sind aktiv und gestalten ihre Umwelt mit. Und selbst das sogenannte „tote Material“ (Sand, Steine, Felsen) gestaltet die Natur mit und führt zu völlig unterschiedlichen Kulturlandschaften, etwa in den Alpentälern und der Sahara, um zwei Extreme zu benennen.
Kollaborieren statt dominieren
Es ist also Zeit für eine holistischere Betrachtungsweise: Mensch und Natur sind reziprok aufeinander bezogen, sie befinden
sich in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis, die Grenzen verschwimmen. Damit befinden wir uns an der Schwelle einer neuen Ära: Wir müssen lernen, (wieder) gemeinsam mit der Natur zu arbeiten, sie als Co-Designerin anzunehmen und gemeinsam mit ihr zu leben und zu wachsen, anstatt sie regulieren zu wollen. Wir müssen Natur begreifen lernen in einer Vielzahl von Rollen: als Lehrerin und Nutznießerin genauso wie als Co-Designerin und sogar Ergebnis eines Designprozesses. Wir werden künftig weniger Dinge oder Räume designen, sondern mehr Verhalten und Prozesse gestalten sowie Sichtweisen formulieren müssen, um unsere Welt zu einem lebenswerten und zukunftsfähigen Ort für alle zu machen: Mensch, Flora, Fauna.
How to co-create with nature
Wie können wir in Ableitung von Naturprozessen lernen, effizientere und effektivere Verfahren zu entwickeln? Wie können wir Lösungen zum Schutze der Natur (und des Menschen) so denken, dass sie auch
RE-LEARN!
Designlösungen nach dem Vorbild der Natur. Mehr auf Seite 16
RE-GENERATE!
Designlösungen zum Nutzen von Natur und Mensch. Mehr auf Seite 24
CO-WORK!
Designlösungen in Kollaboration mit der Natur. Mehr auf Seite 70
UN-LIMIT!
Designlösungen, die Natur und Technologie verschränken. Mehr auf Seite 102
ein attraktives Geschäftsmodell bedienen und dadurch breitenwirksam werden? Wie können wir die Gestaltungskraft der Natur für kollaborative Innovationen nutzen, von denen „beide Seiten“ profitieren? Wie können wir die Grenzen zwischen Technologie und Natur durchlässig machen und beide Bereiche zu neuen Erlebnissen verschränken? Gemäß diesen zentralen Fragestellungen haben wir Fokusthemen definiert.
Diese Fokusthemen bilden die vier Schwerpunkte dieses Magazins, in dem sich Designer:innen, Künstler:innen, Architekt:innen, Unternehmer:innen, Ingenieur:innen, Digital-Expert:innen, Soziolog:innen etc. Gedanken darüber machen, wie wir Verhalten, Prozesse und Sichtweisen so gestalten können, dass eine Mehrheit die Natur als lohnendes und im Grunde genommen einziges relevantes Ziel begreift. Den Anfang macht unser Creative Explorer Stefano Boeri.
CREATIVE
EX PLO RER FASZINIERT VON BÄUMEN
Professor Stefano Boeri erklärt, warum Natur die Stadt bereichert.
Stefano Boeri ist Creative Explorer der mcbw 2024. Jedes Jahr suchen wir Pioniere, die mit ihrem Engagement das jeweilige Leitthema verkörpern und unsere Gesellschaft voranbringen. Boeri ist ein solcher Pionier. Der vielfach ausgezeichnete Architekt und Stadtplaner gilt als einer der wichtigsten Vordenker nachhaltigen Bauens weltweit. Sein Blick richtet sich auf eine neue Balance aus Bauwelt und Umwelt.
OLIVER
HERWIG
Kaum zu glauben, aber der Bosco Verticale ist tatsächlich schon zehn Jahre alt. Er hat etwas verändert. Haben Sie damals eine Revolution in der Architektur ausgelöst?
STEFANO
BOERI
Ich weiß nicht, ob es eine Revolution war. Es war ein Versuch, die Natur als integralen Bestandteil in die Architektur einzubeziehen, nicht einfach nur als dekoratives Beiwerk. Und sich dem Schnittpunkt zwischen lebendiger Natur und künstlichen Gebäuden zu stellen, nicht nur ästhetisch, sondern auch im Hinblick auf mögliche Vorteile einer Kollaboration zwischen den zwei Sphären – lebendiger Natur und künstlichen Bauwerken.
OH
Ihr grüner Vorhang hat etliche Vorteile.
SB
Natürlich. Er kann CO 2 absorbieren, kühlen, Energie sparen und Feinstaub binden, zur Biodiversität beitragen, Wasser speichern, aber auch die körperliche und psychische Gesundheit deutlich fördern.
Der vertikale Wald in Mailand war ein Prototyp, ein Experiment, und wir untersuchen nach wie vor Ökosysteme, um sie an unterschiedliche klimatische Bedingungen anzupassen, denn sie bestehen aus verschiedenen Lebewesen: nicht nur Menschen, auch Bäume, Vögel und mehr ... Dieses Projekt betrachten wir als Ausgangspunkt für zahlreiche andere Experimente, an denen wir arbeiten, eine Gruppe von Bauwerken, die sich jeweils stark voneinander unterscheiden.
OH
Sie haben das ursprüngliche Konzept kontinuierlich weiterentwickelt. Können Sie aus dieser Entwicklungsreihe bereits Schlussfolgerungen ziehen?
SB
Wir haben zwölf vertikale Wälder in verschiedenen Teilen der Welt gebaut, in China, Holland, Belgien und Italien. Neun sind im Bau, und wir haben mehr als 40 vertikale Wälder für unterschiedliche Teile der Welt entworfen. Die neuen Versionen zeigen auch neue Kombinationen aus lebendiger Natur und künstlichen Bauwerken. Mit solchen Variationen können wir den vertikalen Wald auf die beson -
Bosco Verticale, Mailand deren klimatischen Verhältnisse in verschiedenen Teilen der Erde abstimmen.
OH
Was ist Ihr Ausgangspunkt beim Entwurf eines vertikalen Waldes?
SB
Als Erstes sind die klimatischen Bedingungen zu berücksichtigen. Im zweiten Schritt wählen wir die Vegetation aus – insbesondere einheimische Pflanzen. Erst dann beginnen wir mit dem Entwurf des Gebäudes. Dabei überlegen wir, welchen Platz jeder Baum, jede Pflanze und jeder Strauch zum Wachsen braucht. Diese Abfolge führt architektonisch zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Wir haben versucht, diese Typologie effizienter zu machen. Und erschwinglicher, denn niedrigere Baukosten sind die größte Herausforderung. Dank der Fertigbauweise ist ein vertikaler Wald jetzt sogar im sozialen Wohnungsbau möglich. Gegenüber dem Prototyp in Mailand konnten wir die Baukosten halbieren. Ein weiteres Ziel sind nachhaltigere, energieeffizientere Gebäude. So planen wir größere Flächen für Photovoltaikanlagen ein und nutzen so oft wie möglich Erdwärme. Die organische
Fassade senkt die Oberflächentemperatur im Sommer tatsächlich um circa 30 bis 45 Grad. Das von den Bäumen und Pflanzen erzeugte Mikroklima spielt eine wichtige Rolle. Inzwischen bauen wir auch mit Holz und verwenden vorgefertigte Holzplatten, um CO 2 -Emissionen zu verringern und den Bau zu beschleunigen. Wir verwenden auch viel Zeit auf Wasserrückgewinnung und die Nutzung von Regenwasser. Wassermanagement wird immer wichtiger.
OH
Sie haben in Mailand rund 900 Bäume gepflanzt, die sehr gut gepflegt werden müssen. Kümmern sich die Menschen wirklich um ihre Bäume?
SB
Ehrlich gesagt hielt ich es anfangs für wichtig, die Mieter:innen in den Schutz und die Pflege dieser Grünräume einzubeziehen, da nicht alle die Fähigkeit
oder Sensibilität besitzen, Pflanzen zu respektieren und ihnen gute Lebensbedingungen zu bieten. Also haben wir überall eine zentralisierte Pflege mit über die Balkone verteilten Sensoren vorgeschlagen. Bisher gab es keinerlei Probleme, nicht einmal mit sterbender Vegetation. Anfangs wollten wir einen bestimmten Anteil der Pflanzen ersetzen, aber das war nicht nötig. In Mailand mussten wir nur fünf oder sechs Pflanzen austauschen.
OH
Das klingt sehr effizient, doch ist nicht zu erwarten, dass sich die Menschen zusammentun und ihre Bäume gemeinschaftlich pflegen?
SB
Auf jeden Fall. Aber nachdem man so viel in die Idee und den Bau investiert hat, muss man irgendwann loslassen, weil das Gebäude ein Eigenleben entwickelt. Teilweise dürfen wir Mieter:innen
nicht einmal kontaktieren oder auf die Immobilie einwirken. In Eindhoven haben wir beispielsweise sehr gute Beziehungen zu vielen – jungen – Mieter:innen, und wir wissen, dass einige neue Pflanzen hinzunehmen, manche sogar Marihuanapflanzen.
OH
Ich frage mich, ob Sie jemals von Dingen wie Kupferschnitten, die von Bäumen überwucherte römische Ruinen zeigen, inspiriert wurden ...
SB
Absolut. Die Natur kann künstliche Umfelder zurückerobern. Dabei schafft sie eine Kombination, die dem, was wir versuchen, stark ähnelt: eine neue Umwelt und eine neue Landschaft. Mich hat ein Turm in Lucca sehr inspiriert: der Torre Guinigi, ein großartiger Ziegelturm aus dem 13. Jahrhundert, auf dessen Spitze ein paar Bäume wachsen. Für uns war es sehr wichtig, nichts Unmögliches zu erfinden. Auch
in anderen Gebieten fand ich Inspirationen, wie in Joseph Beuys’ These, dass die Metamorphose zwischen dem Künstlichen und dem Organischen politisch werden könnte. Diese Art der Provokation war sehr wichtig. Ein weiteres Beispiel ist Italo Calvino mit seinem Roman „Der Baron auf den Bäumen“. Für mich war der Baum etwas sehr Persönliches, sehr wichtig und einflussreich. Genau wie für den heiligen Franziskus und sein „Cantico delle Creature“ vor 800 Jahren. Oder Buddha, der die gleiche Wechselwirkung zwischen lebendiger Natur und menschlicher Sphäre preist. Wir machen eigentlich nichts Neues. Wir versuchen nur, die Natur wieder in unsere Entwürfe einzubeziehen. Ausschließlich mineralische Baustoffe für unsere Lebensräume zu verwenden war wohl ein schwerer Fehler. Das haben wir verstanden. Und nun versuchen wir, zu einem anderen Verhältnis zwischen den beiden Sphären zurückzufinden.
OH
Hinterfragen Sie auch den Modernismus und seinen Fortschrittsgedanken ohne Rücksicht auf Natur und Umwelt?
SB
Ja, ich glaube, genau darum geht es im Modernismus. Aber es ist so schwierig, dieses Konzept einer Art binären Beziehung zwischen der Natur und dem Künstlichen zu korrigieren, zwischen Natur und Kultur, Natur und Stadt und Wäldern und Städten. Wir haben unser Möglichstes getan, um die Natur aus unserem Körper, unseren Wohnungen, Häusern und Städten zu verbannen. Und irgendwann haben wir verstanden, dass dies nicht der richtige Weg war. Aus Corona haben wir gerade gelernt, dass ein winziger Mikroorganismus unser Leben verändern kann. Künftig müssen wir uns überlegen, wie wir mit anderen Lebewesen koexistieren können, auch wenn dies noch so herausfordernd sein mag.
Trudo Tower in Eindhoven
OH
Wie würden Sie Ihre persönliche Beziehung zur Natur beschreiben?
SB
Als ganz normal. Bäume – nicht die Natur generell – faszinieren mich schon seit meiner Kindheit. Bäume sind erstaunlich. Sie bilden ein ganzes Universum von Individualitäten. In einem Wald hat jede Pflanze, jeder Baum eine Familie, Wurzeln in der Vergangenheit, Individualität, Intelligenz und Sensibilität. Ein Wald bildet ein Universum unterschiedlichster Arten. So gesehen gibt es Parallelen zwischen uns Menschen und Bäumen. Jetzt müssen wir lernen, wie wir die Bäume in unsere Städte bringen.
OH
Ihr Vergleich zwischen Bäumen und Menschen ist sehr interessant. Würden Sie auch Bäume und Architektur und einen Wald mit einer Stadt vergleichen?
SB
Absolut, denn wir betrachten eine Stadt als Ensemble vielfältiger Gebäude und Kulturen der Bewohner:innen, und es kann eine Gemeinschaft entstehen, die dem gleichen Umfeld angehört. Und das sehen wir im Grunde auch im Wald. Vielfältige Farben und Proportionen. Manchmal wachsen Bäume senkrecht nach oben, manchmal breiten sie ihre Äste waagerecht aus. Dann spürt man, dass dies ein Universum mit gemeinsamen Bedingungen ist, dass wir alle die gleichen meteorologischen und physischen Verhältnisse erleben. Diese Analogie ist meiner Ansicht nach durchaus sinnvoll.
OH
In einem Interview sagten Sie: „Städte sind in hohem Maße für die globale Erwärmung verantwortlich.“ Müssen wir unsere
Bauweise, unsere Raumplanung ändern und die Natur um uns herum mehr respektieren?
SB
Seit 20 Jahren setze ich mich für Wiederaufforstung und Bewaldung ein, und ich bin überzeugt, dass dies der effizienteste, kostengünstigste und umfassendste Weg zur Bekämpfung der globalen Erwärmung ist. Es geht nicht nur um vertikale Wälder. Wir müssen auch echte Wälder schaffen. Wir müssen unsere Ernährung und unseren Energie- und Wasserverbrauch umstellen. Hitze ist ein weiteres enorm wichtiges Thema. Schatten ist inzwischen eine knappe Ressource und nahezu ein Privileg.
OH
Das Jahresmotto „How to cocreate with nature“ ist also durchaus relevant für Ihre Arbeit.
SB
Ja, wir müssen die Natur als CoDesignerin einbeziehen. Wir müssen diskutieren, wie wir mit unserer Umwelt weniger anthropozentrisch umgehen. Das ist ein wichtiger, unerlässlicher Schritt. Das heißt nicht, dass wir unsere Rolle als „herausragende und mächtige Spezies“ auf unserem Planeten aufgeben sollten. Vielmehr müssen wir sie wieder ins Lot bringen und unseren Ansatz ändern. Wir sollten versuchen, die Welt aus dem Blickwinkel anderer Lebewesen zu sehen und ihre Nöte, Sorgen und Bedürfnisse berücksichtigen. So können wir das gesamte Ökosystem hegen und pflegen. Diese Aufgabe dürfen wir nicht einfach anderen Arten überlassen. Wir müssen unseren Platz auf dem Podest beibehalten und von dort aus unsere Fähigkeit verbessern, andere Sichtweisen einzubeziehen. Empathie ist Voraus -
setzung für Co-Creation. Nur so können wir uns in die Sichtweise und das Denken anderer Arten hineinversetzen.
OH
Würden Sie das als spirituelle Wende im Design und in der Architektur bezeichnen?
SB
Nein, aber sehr viele Vordenker:innen auf unserem Gebiet haben über diesen Empathiebegriff nachgedacht – wie der Biologe und Stadtplaner Patrick Geddes, der für eine Lebensgemeinschaft zwischen Natur und Städten, zwischen Bäumen und Menschen plädierte. Er war nicht so berühmt wie Le Corbusier, aber nicht weniger bedeutsam für eine neue Fokussierung auf unsere Umwelt. Diese spirituelle Dimension ist sehr gut rational verwurzelt.
OH
Sehen Sie die Zukunft unserer Spezies immer noch optimistisch?
SB
Die junge Generation mit ihrem Bewusstsein, was wir tun sollten, stimmt mich optimistisch. Vollkommen pessimistisch bin ich aber, wenn ich mir die politischen Entscheidungen zur globalen Erwärmung ansehe. Ich bin überzeugt, dass wir künftig Klimawandel und soziale Polarisierung gemeinsam betrachten müssen, denn das ist das größte Problem unserer Zukunft: Ungleichheiten sind einfach die Kehrseite der globalen Erwärmung und Klimaentwicklung.
OH Professor Boeri, herzlichen Dank für dieses Interview.
SB
Sehr gerne. Ich freue mich auf die Veranstaltung in München.
RELEARN!
Designlösungen nach dem Vorbild der Natur
AUF GEPARDENPFOTEN IN DIE KURVE
Lernen von der Natur ist nichts Neues.
Wo aber steht Bionik heute?
Ikarus versuchte es – und stürzte ab. Selbst Otto Lilienthal kam nach über 2.000 erfolgreichen Flugversuchen zu Tode. Ein Paar Flügel an den Armen machen aus einem Menschen offenbar noch lange keinen Vogel. Doch beweist der Mythos auch, dass sich Ingenieur:innen schon immer von der Natur haben inspirieren lassen. Gerade heute sind technische Lösungen gefragt, die mit einem Minimum an Energieaufwand auskommen. Nach dem Vorbild der Natur zu entwerfen, heißt auf das größte Reallabor des Planeten zurückzugreifen, das über Jahrmillionen Tausende und Abertausende von Varianten testete und wieder verwarf. Was die Evolution entwickelte, gilt zu Recht als Benchmark. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte der Lotus-Effekt sein. Die selbstreinigenden Oberflächen der Pflanze schienen ideal für Sanitärbereiche oder Küchen. Doch die Lösung war alles andere als banal. Nicht etwa superglatte Oberflächen sind für den Effekt
verantwortlich, sondern feinstrukturierte, die zugleich wasserabstoßende Eigenschaften besitzen.
Natürliche Konstruktionen
Natürliche Konstruktionen sind keine technischen Blaupausen. Sie lassen sich nicht eins zu eins übernehmen, wohl aber die dahinter wirksamen Methoden. Damit rücken die Disziplinen Biologie und Physik zusammen mit Design. Bionik, ein Kunstwort aus „Biologie“ und „Technik“, untersucht systematisch die „Erfindungen der Natur“ und wie sie übertragen werden können, um technische Probleme der heutigen Zeit zu lösen. Neue Technologien nach dem Vorbild der Natur lassen sich entweder Top-down gewinnen, wenn Forscher:innen systematisch analoge Ansatzpunkte suchen – und so bei Gepardenpfoten fündig werden, wenn sie neue Autoreifen gestalten sollen. Diese
imitieren die Raubkatze und vergrößern beim Bremsen die Kontaktfläche mit dem Boden, indem sie sich spreizen. Es geht auch andersherum, also Bottomup, wenn allgemeine biomechanische Erkenntnisse technische Strukturen und Prozesse befördern und so ein Rohr entsteht, das durch Abstraktion natürlicher Strukturen eines Pflanzenhalms wesentlich stabiler ist.
In beiden Fällen dient die Natur als Ideenlieferantin. Aus ihrem Fundus übernimmt die Bionik die besten Tricks. Mithilfe dieser Querschnittswissenschaft lassen sich außergewöhnliche Produkte schaffen, die ultraleicht und zugleich hochfest sind. Bionik „will einen Weg weisen zur Integration von Technik und Natur, die beispielsweise auch die Möglichkeit der Energie- und Materialeinsparung durch Leichtbau berücksichtigt. Ein ökologisches Design technischer Bauteile, die nach den Wachstumskriterien der Natur angelegt sind, ist keine Utopie mehr“, erklärten der Zoologe Werner Nachtigall und der Wissenschaftsjournalist Kurt Blüchel in ihrem Standardwerk „Das große Buch der Bionik“ 2003. Seither hat sich viel getan. Auf dem Computer lässt sich die Evolution von Stoffen und Konstruktionen simulieren und vielversprechende Abzweigungen schneller erkennen.
Supereffiziente Natur
Bionisches Denken in Architektur und Design wird immer wichtiger. Die Natur ist supereffizient. Sie spart an Energie und Material. Dauernd. Ein Ast baut Material nur dort auf, wo Kräfte einwirken. Genau das lässt sich berechnen. Professor Andreas Mühlenberend, der an der Bauhaus-Universität Weimar lehrt, entwickelt analog zur Natur die Idealform von Dingen oder vielmehr ihre ideale Struktur. SKO (Soft-Kill-Option) simuliert gestaltgebende Prozesse mit oft verblüffenden Auswirkungen: Ein Lasthaken bekam einen dicken Bauch, und eine Leiter stand breitbeinig wie ein Cowboy da. Dinge wuchsen, um „leistungsfähigere, leichtere, dauerfeste und CO 2 -sparende Lösungen zu finden“. Doch damit ließen es die Gestalter:innen nicht bewenden, erst ihr Beitrag vervollständigte die Co-Evolution mit gestaltgebenden Strukturüberlegungen, damit die Objekte auch nach etwas aussehen. Das Ziel blieb immer gleich: weniger Material und Ressourcen verbrauchen und trotzdem länger halten. Seit gut anderthalb Jahrzehnten wetteifern Gestalter:innen um solch schlanke Lösungen, sie heißen bei Joris Laarman „Bone Chair“ (ein Stück der 12er-Edition von 2007 wurde bei Sotheby’s für ein Mindestgebot von 500.000 USD auktioniert) oder „Gradation and
Cube Air Vases“, bei denen Torafu Architects traditionelle Falttechniken aufgreifen. Oder ultraleichte Pavillonstrukturen, die Pflanzen nachempfinden, ohne banale Kopien zu sein.
Ökologischer Fußabdruck
Der „livMats Pavillon“ im Botanischen Garten der Universität Freiburg hat natürlich(e) Vorbilder. Die vernetzten Holzfaserbündel des Saguaro- und Feigenkaktus werden durch eine Tragstruktur aus robotisch gewickelten Flachsfasern aufgegriffen. Flachs gleicht in seinen mechanischen Eigenschaften Glasfasern, ein Roboter platziert Faserbündel auf einen Wickelrahmen, worauf die Bauteile praktisch ohne Abfall oder Verschnitt wachsen. Einziges Zugeständnis: Eine wasserdichte Haut aus P olycarbonat schützt seine Fasern vor Nässe und UVStrahlung. Solche Konstruktionen bündeln das Wissen vieler Wissenszweige. Konkret entstand der „livMats Pavillon“ am Masterstudiengang ITECH des Exzellenzclusters Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC) der Universität Stuttgart mit Biolog:innen des Exzellenzclusters Living, Adaptive and Energy-autonomous Material Systems (livMats) der Universität Freiburg. Das von ihnen erdachte
Wickelverfahren spart Material bei hoher Tragfähigkeit. So wiegt der Pavillon mit einer Gesamtfläche von 46 Quadratmetern weniger als so manches Mittelklasseauto: anderthalb Tonnen.
Es zeigt sich eine fundamentale Verschiebung der Designwelt – hin zu leichteren, zugleich stabileren Konstruktionen. Bei allem Optimismus aber ist Bionik noch kein Selbstläufer, einerseits, weil sie von Designer:innen viel Wissen im Bereich Statik oder Biologie verlangt und so besser in interdisziplinären Teams angesiedelt ist, andererseits, weil so manche Entwicklungen sofort durch Patente geschützt werden. Andreas Mühlenberend etwa verweist neben der Optimierung von Produkten auf unseren gesellschaftlichen Hebel. Nach seiner Sicht gebe es sechs „vollkommen unbestrittene Dinge, die uns ökologisch weiterhelfen: nachhaltige Energiequellen, nachhaltige Materialien, Langlebigkeit, Reparaturfähigkeit, Mehrweg und Sharing“. Es geht also auch um neue Arten kooperativen Wirtschaftens und gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wollen wir unseren ökologischen Fußabdruck dauerhaft senken und wirklich klimaneutral werden, kommen wir an Designlösungen nach dem Vorbild der Natur nicht mehr herum. Sonst droht, wie Ikarus, der A bsturz.
3 FRAGEN AN
ANNA EBERHARDT
FORSCHT IM PIONIERHUB DES FRAUNHOFER IAO IM MÜNCHNER WERKSVIERTEL AN NACHHALTIGEN LÖSUNGEN FÜR EINE ZUKUNFTSORIENTIERTE STADTENTWICKLUNG
Die Natur hatte Millionen Jahre, ihr „Design“ zu optimieren. Was können wir daraus lernen?
Aus der Natur lassen sich viele Strategien für die zukunftsorientierte Stadtentwicklung ableiten, die unsere Forschung inspirieren. In den komplexen Ökosystemen dienen alle Stoffe als Ressourcen für andere Organismen. Auch in Städten können solche Ökosysteme und Verknüpfungen geschaffen werden, indem Recycling, Reparieren und Zurückführen von Abfallprodukten in den Stoffkreislauf angestrebt werden.
Worin liegen dabei die größten Herausforderungen?
Durch die Zusammenarbeit in einem unserer Projekte mit Künstler:innen wurde deutlich, dass etwa für die Lebensmittelproduktion in der Stadt nicht nur ein gesellschaftliches Umdenken, neue Prozesse, Technologien und Ressourcen erforderlich sind, sondern auch neue Designanforderungen entstehen. Damit Quartiere sich selbst mit Nahrung versorgen können, müssen kreative Anbauweisen gefunden werden. Wie wäre es also, wenn wir an hydroponischen Schreibtischen zwischen Pflanzen arbeiten?
Müssen wir uns also verändern, wenn wir wirklich von der Natur lernen wollen?
Lernen erfordert grundsätzlich einen Perspektivwechsel. Wir müssen o ffen sein für neue Ansätze und traditionelle Denkmuster überdenken, um natürliche Prinzipien in unsere Technologien und Designs zu integrieren. Daher beteiligen wir uns mit kreativen Projekten am Fraunhofer-Netzwerk Wissenschaft, Kunst und Design (WKD), um innovative Lösungen zu finden und in Partizipationsprojekten mit der Zivilgesellschaft zu diskutieren. Wir freuen uns, während der mcbw im Sommer zahlreiche Projekte im PionierHUB des Werksviertels zu zeigen und durch den Austausch mit möglichst vielen Besucher:innen neue Impulse für unsere Forschung zu erhalten.
3 FRAGEN AN
MELANIE HAMMER
GESCHÄFTSFÜHRERIN
BHB UNTERNEHMENSGRUPPE
Wo findest du Inspiration in der Natur?
Inspiration finde ich im Genius Loci, der unsere Projekte umgebenden Natur und der Kulturlandschaft: vor Wald, Moor und Krautgärten. Die Vielfalt der Natur fasziniert mich, ich richte meinen Blick auf bedrohte Tierarten wie Bienen, Schmetterlinge und Glühwürmchen und bewundere ihre Überlebenskunst. Diese Impressionen übersetze ich in meine Bauprojekte, wie zum Beispiel DAS KLEINOD in München-Riem und das Quartiersprojekt F VTVRIA in Garching, wo wir biophile Lebensräume für alle schaffen: Flora, Fauna und Menschen.
Was können wir allgemein von der Natur lernen?
Die Natur ist unser bester Lehrmeister für ganzheitliches und regeneratives Design: Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft, Einfachheit und Ursprünglichkeit lernen wir von ihr. Für mich bedeutet das, in der Bauplanung entsprechend auf Ökologie, Gesundheit, Kunst und soziale Aspekte zu achten. Ein Lebensraum sollte mehr sein als ein Haus zum Wohnen: ein HabitArt nach dem Vorbild der Natur, das auf einem sozioökologischen Gesamtkonzept basiert. So wie unser ganzheitliches Wohnprojekt DAS KLEINOD in München-Riem mit Wohnungen für Familien, Singles und Paare, das, eingebettet in eine reiche Naturlandschaft, zum Entdecken, Pflegen und E rleben einlädt.
Müssen wir uns verändern, wenn wir wirklich von der Natur lernen wollen?
Aus meiner weiblichen Perspektive in der Stadtplanung finde ich, es ist an der Zeit, unseren Blickwinkel mit Fokus auf die sich ständig verändernde Natur zu erweitern und das Gebäude als anpassungsfähigen Organismus zu begreifen. Ein Bauwerk muss mit seiner natürlichen Umgebung und seinen Bewohner:innen eine Symbiose eingehen, unterschiedliche Lebensrealitäten berücksichtigen und nachhaltige Konzepte für eine zukunftsfähige Lebensweise entwickeln. Unser Pilotprojekt zum Gebäudetyp E im Mooritz verfolgt diesen innovativen Ansatz, um nicht nur die Baubranche zu transformieren, sondern vor allem um Ressourcen zu schonen.
Designlösungen zum Nutzen von Natur (und Mensch)
RE- GENERATE!
LASSEN SICH LEHMZIEGEL DRUCKEN?
Auf dem Weg zu einem Planet-centered Design: neue Materialien und alte Techniken.
Natürlich sind wir Materialist:innen, die allermeisten von uns jedenfalls. Wir müssen einfach Dinge in die Hand nehmen, sie fühlen, erfahren und begreifen. Wie schön, wenn wir dabei sicher sein können, gerade kein Mikroplastik geschluckt oder Pflanzenschutzmitteln und Umweltgiften ausgesetzt zu sein. Das ist die Schattenseite der Moderne und all ihrer unbestreitbaren Erfolge, welche die Welt umgekrempelt und dem Menschen untertan gemacht hat. Das Anthropozän zeigt sich eben nicht nur in abstrakten Zahlen und CO 2 -Konzentrationen. Es wird gefährlich, wenn aus Bächen reißende Wasser werden, Gletscher abschmelzen oder eben Mikroplastik in die Nahrungskette gelangt. Wie also sehen Designlösungen zum Nutzen von Natur (und Mensch) aus? Die Frage ist nicht naiv, sondern zielt darauf ab, wie wir in Zukunft fertigen und damit auch leben wollen. Die Moderne des 20. Jahrhunderts führte geradewegs
in eine Sackgasse. Wir müssen Materialien und Prozesse neu denken mit Blick auf zyklische Materialströme und erneuerbare Energien.
Digitale Handwerkskunst
Wie aber geht das – jenseits neuer Schlagworte wie „Circular Economy“ (Kreislaufwirtschaft), das gerade „Ökologie“ den Rang abläuft? Ein spannender Weg besteht darin, traditionelles Wissen um Nachhaltigkeit und natürliche Materialien mit modernsten Fertigungsverfahren zu verbinden. Natürlich kann ein (modifizierter) 3D-Drucker auch mit Lehm umgehen, einem traditionellen Stoff, der wiederum beste Raumeigenschaften bietet. Warum also nicht gleich Lehmziegel für Innenräume drucken?, fragten sich Studierende der kanadischen University of Waterloo. Ihr „Hive“ nutzt 175 sechseckige Lehmziegel. Der Anfang war alles andere als
trivial. Es ging um Grundlagenforschung: Was sind überhaupt druckbare Materialmischungen, und wie müssen Designund Fertigungswerkzeuge angepasst werden? Nicht zuletzt wollten sie herausfinden, wie wirtschaftlich digitales Arbeiten mit diesen Stoffen eigentlich ist. Der 3D-Druck wiederum punktete bei komplexen Geometrien, und so zeigte sich ein seltsames Phänomen: Digitale Handwerkskunst nutzte jahrtausendealtes Wissen und sorgte mit robotergestützter Präzision für völlig neue Anwendungen, absolut schadstofffrei und natürlich: Das kanadische Interior-Projekt schlug eine Brücke, die nun andere beschreiten können, zumal sich der 3D-Druck längst aus der Nische in die Mitte der Produktion vorgearbeitet hat. Die jüngste SculpteoUmfrage zum Stand des 3D-Drucks (2022) zeigt, dass Rapid Prototyping inzwischen von 18 Prozent der Hersteller:innen für die Massenproduktion, von 28 Prozent sogar zur Herstellung von Konsumgütern verwendet wird.
Die Universität von Maine geht noch einen Schritt weiter und errichtete im November letzten Jahres ein rund 56 Quadratmeter großes Haus aus gedruckten Holzfasern und Bioharz, was es vollständig recycelbar macht. Das BioHome3D des Advanced Structures and Composites Center (ASCC) ist somit 100 Prozent Natur. Der weltgrößte Polymer-3D-Drucker der Welt schuf ein hoch isoliertes BioHaus, das mittelfristig den Wohnungsmangel bekämpfen soll. Allein in den USA fehlen nach Angaben der „National Low Income Housing Coalition“ rund sieben Millionen bezahlbare Wohneinheiten. Der Prototyp verfügt über Sensoren zur Wärme-, Umwelt- und Strukturüberwachung. Die Daten des letzten Winters sollen helfen, das BioHome3D zu verbessern und vielleicht bald in Serie zu produzieren.
Filigrane Insektentürme
Doch nicht nur für menschliche Behausungen eignet sich die Verbindung aus 3D-Druck und Biomaterialien. Mitten im Amphibienbiotop Hildesheim ragen seit letztem Jahr seltsame Strukturen auf, filigrane Türme und schlanke Gebäude im Miniaturformat, die an Alienstädte denken lassen. Das Forschungsprojekt Symbiotic Spaces untersucht, wie Mensch und Tier besser in der Stadt zusammenleben. Aus Tonerde entstanden 3D-gedruckte Habitate für Insekten, aber auch für bedrohte Arten wie die Gelbbauchunke und den Kammmolch. Das Projekt der Designerin Joana Schmitz wurde von Biolog:innen der Naturschutzbehörde Hildesheim und dem Schulbiologiezentrum unterstützt und könnte bald Schule machen, zum Wohl von Mensch und Natur.
Mensch und Natur
Der Wandel zum Planet-centered Design (siehe Beitrag über die Hochschule München auf Seite 48) ist in vollem Gange. Dahinter steht die Erkenntnis, dass wir nur überleben können, wenn die Welt um uns herum nicht mehr nur als Rohstofflieferantin, Infrastrukturgebiet und Müllkippe gesehen wird. Dieses Denken beginnt mit kreislauffähiger Produktion und endet in neuen wirtschaftlichen Konzepten zum Wohle aller. Ausgerechnet etwas weitgehend Ungreifbares, Immaterielles wie eine Suchmaschine geht voran. Die Berliner Suchmaschine Ecosia ist ein Winzling im Vergleich zum kalifornischen Platzhirsch. Das Besondere daran: 100 Prozent des Gewinns gehen in Baumpflanzungen rund um den Globus und in erneuerbare Energie für die Server: Über 20 Millionen Nutzer-
innen und Nutzer pflanzen so rund 185.000.000 Bäume. Natürlich virtuell, denn niemand packt hier eine Schaufel aus. Ecosia wirbt mit geschützter Privatsphäre, geschäftlicher Transparenz und klimaneutraler Produktion. Damit ist das Start-up eine Blaupause für jene neue Wirtschaft, die so oft in Reden beschworen wird: gemeinwohlorientiert, partizipativ, transparent und nachhaltig. Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Ecosia packt uns bei der Bequemlichkeit. Einfacher und komfortabler könnte es für alle gar nicht sein: ein Klick, und schon ist die Standardsuchmaschine gewechselt. Surfen mit gutem Gewissen. Jeder Klick ein Pflänzchen. Hier ist sie zu erleben, die Transformation unseres Wirtschaftens und unseres Umgangs mit dem Planeten und seinen Menschen.
Wenn wir 2045 tatsächlich klimaneutral sein wollen, ist das keine Ziellinie, die es einmalig zu reißen gilt. Ein Dauerlauf, ähnlich der Ewigkeitslast beim Bergbau. Stellen wir die Pumpen im Ruhrgebiet ab, versinken die Städte im Grundwasser. Dabei ist die Transformation bereits in vollem Gange, so sehr, dass wir sie manchmal schon wieder übersehen: „130.000 Gigawattstunden beträgt der jährliche Strombedarf aller weltweit geplanten Batteriefabriken im Jahr 2040 mit heutiger Technik. Das entspricht in etwa dem Jahresverbrauch Schwedens.“ Peter Carlsson, CEO von Northvolt, sprach von einem der „größten industriellen Umbrüche überhaupt. Und die Gewinner werden die sein, die das notwendige Kapital und die besten Mitarbeiter anziehen und den besten Plan haben.“ Dazu gehört eine weite Perspektive, denn Transformation ist eine gesamtgesellschaftliche, ja planetare Aufgabe, etwas für Idealist:innen wie Materialist:innen.
ZEHN SEKUNDEN
LANGE SPIELFILME
Alexander Stotz, CEO von Ströer Media, zeigt die digitale Stadt der Zukunft. Die ist vielfältig, vor allem aber: nachhaltig.
Alexander Stotz, CEO Ströer Media
OLIVER
HERWIG
Warum sind Sie Partner der mcbw?
ALEXANDER
STOTZ
Weil wir Verantwortung für den öffentlichen Raum tragen, den wir mitprägen. Ziel ist es, unser Design der jeweiligen Stadt anzupassen, ihrer Architektur, aber auch den Wünschen der Bürger:innen.
OH
Das heißt, Design ist bei Ihnen von Anfang an gesetzt?
AS
Ja, denn wir haben das Privileg, im öffentlichen Raum kostbaren Platz einzunehmen. Daher passen wir unsere Stadtmöbel genau an: Wir haben Wartehal -
len von Hadi Teherani und von vielen anderen Büros, immer modern gestaltet, denn Design muss sich zurücknehmen, allein schon durch seine Wiederholung.
OH
Gilt das auch für die Inhalte?
AS
Basis für alles, was wir machen, bleibt das Plakat. Das Standbild ist die hohe Kunst der Kreation, wenn es gelingt, alle Informationen so zu verdichten, dass sie auf ein Plakat passen und ein Bild im Kopf der Empfänger:innen auslösen.
OH
Allein in München bespielen Sie rund 1800 Wartehallen. Manche Bewegtbilder sind ziemlich präsent.
AS Bewegtbild bedeutet Überzeugungsarbeit. Mit digitaler Außenwerbung begannen wir vor 20 Jahren in München. Das war weltweit eine Pionierleistung. Hier wollte niemand Las Vegas haben, und wir haben gut daran getan, bei der Digitalisierung der Straße lange zu warten. Erst heutige Technologien werden den Ansprüchen des Denkmalschutzes gerecht und verhalten sich im Umfeld angemessen. Das Grelle fällt weg, und das ist auch gut für die Energieeffizienz.
OH
Ein gutes Stichwort: Wie steht es eigentlich um die Energiebilanz, wenn wir etwa Plakat und Screen vergleichen?
AS
Bei der Energiebilanz schneidet beispielsweise eine Plakatvitrine im 9-m 2 -Format mit etwa 55 Gramm CO 2 für 1000 Kontakte sehr gut ab. In der Werbebranche wird ja alles auf 1000 Kontakte gerechnet. Da hat die Tageszeitung den höchsten CO 2 -Verbrauch mit mehr als 9000 Gramm. Online emittiert zwischen 13 und 284 Gramm CO2 , abhängig vom Format. TV liegt bei 828 Gramm CO 2 . Radio nur bei 69 Gramm. Und digitale Außenwerbung emittiert beim Betrieb mit Grünstrom lediglich 5 bis 6 Gramm CO 2 für 1000 Kontakte.
OH
Wie geht das?
AS
Das geht, weil wir keine Sendeanstalt haben und wahnsinnig viele Kontakte. Am Münchner Hauptbahnhof sind es 400.000 Kontakte am Tag. So kommt es zur guten Energieeffizienz pro Kontakt. Dazu haben wir fünf Jahre lang selbst entwickelt, um den Stromverbrauch zu senken. Nun verbrauchen wir deutlich weniger Strom …
OH ... weil Sie …
AS ... an der Software gearbeitet haben, mit deren Hilfe wir Ionen ansteuern und die Farbauswahl treffen. Weiß verbraucht am meisten Strom, das heißt volle Pulle. Es waren ganz viele kleine Schritte, um zu dieser Stromersparnis zu gelangen. Zudem nutzen wir grünen Strom.
Nachhaltigkeit bedeutet für Sie …?
AS Wir haben letztes Jahr unser 100-jähriges Jubiläum gefeiert. Wir haben also ein recht nachhaltiges Geschäftsmodell. Schon vor Jahren haben wir darauf geachtet, dass Screens möglichst lange leben und einen hohen Recyclinganteil besitzen. Auf der Nachhaltigkeitsmesse Green Tech zeigten wir unsere neuen Bushaltestellen, die Feinstaub aus der Luft filtern, etwa 50 Liter Regenwasser aufnehmen und ein kleines Biotop bilden in stark versiegelten Bereichen. Wir können 40.000 Bus- und Bahn-Haltestellen sowie Litfaßsäulen begrünen. In München ging es schon los.
OH
Geht da noch mehr?
AS
Klar. Wir packen ein Solarpanel drauf, das uns zu 100 Prozent mit Strom versorgt. Und für die Sitzmöbel sammeln wir Treibholz aus der Ostsee. Eine kleine Manufaktur fertigt daraus Sitzbänke.
OH
So entsteht eine energieautarke Station?
AS
Am besten gibt sie noch Energie ab. Wenn ich das Handy kontaktlos laden will oder wenn jemand
mit dem Roller herumfährt. Wir müssen die Augen offenhalten, wo man Verbindungen schaffen kann. Nachhaltigkeit hat den Schwerpunkt Ökologie, aber umfasst eben auch Soziales. Wir wollen eine Kommunikationsplattform sein, die sich auch für andere anbietet. Daher öffnen wir vielen NGOs ein eigenes Nachhaltigkeitsfenster in unserem Programm, das Lust macht, sich zu beteiligen.
OH
Ist das Smartphone Konkurrenz oder eher Türöffner für Spots?
AS
Beides. Auf jeden Fall herrscht Wettbewerb um Aufmerksamkeit, vor allem in der U-Bahn. Beim Warten aber ist jeder dankbar für Ablenkung. Wir sind ja neben der klassischen Außenwerbung auch größter Onlinevermarkter in Deutschland und deshalb mit der Entwicklung des Mediums verbunden.
OH
Sehgewohnheiten ändern sich.
AS
Das ist ein Generationsthema. Wenn wir vor fünf Jahren gefragt worden wären, ob zehn Sekunden nicht etwas kurz seien, und nun Instagram sehen, wirken zehn Sekunden plötzlich wie ein Spielfilm. Gerade bei jungen Zielgruppen müssen wir viel schneller die volle Aufmerksamkeit bekommen, sonst sind sie im nächsten Film.
OH
Wie steht es mit der Digitalisierung des öffentlichen Raums? Bewegen wir uns in Richtung virtuelle Welt?
AS
Über Screens lassen sich die digitale und die reale Welt vernetzen, und genau auf solche Verbindungen kommt es an. Werbetreibende gehen weg von der klassischen Produktkampa -
gne, hin zu gesellschaftsrelevanten Themen. Und wenn das in Echtzeit geschieht, erleben wir eine andere Dimension der Kommunikation, die das Unternehmen greifbarer macht in seinen Werten. Das gilt für Produkte, Dienstleistungen wie fürs Recruiting.
OH
Spielt KI schon eine Rolle bei Ihrer Arbeit?
AS
Um Nachbarschaftscontent zu generieren, also quasi aus dem Netz auszulesen, eine große. KI entlastet Menschen, die etwas kreativ umsetzen. KI prüft auch Content: Sind hier religiöse Informationen vorhanden? Oder politische Zeichen?
OH
Das ist ja nicht unproblematisch. Was bringt die Zukunft? Werden wir mit Namen angesprochen?
AS
Nein, aber es wird noch lokaler. Das Restaurant ums Eck kann einen Screen beispielsweise
dienstags und donnerstags von 10 bis 12 buchen und den Mittagstisch bewerben, und, wenn
WENN WIR INSTAGRAM
SEHEN, WIRKEN
ZEHN SEKUNDEN WIE EIN SPIELFILM
es ausgebucht ist, die Werbung schnell wieder runternehmen. Das ist hoch effizient, auch von den Kosten. So etwa können natürlich auch kreative YouTuber die Nachbarschaft nutzen.
OH
Und in fünf Jahren?
AS ... wird wahrscheinlich die Hälfte aller Medienträger digital sein. In zehn Jahren könnte ich mir vorstellen, dass es nur noch digitale Medienträger gibt, weil dann transreflektierende Displays akzeptable Bildqualität bieten. Diese brauchen Energie nur für den Bildwechsel und bieten damit permanente Echtzeitkommunikation.
Digitale Außenwerbung ist Information, Plakat, Film, Banner und Soziales Medium in einem. Bundesweit oder hyperlokal, online-gesteuert, extrem skalierbar und vielleicht das letzte Massenmedium. Weil es die Mitte der Gesellschaft in Sekunden erreicht.
Wie Designworks die Mobilität von morgen mit Nachhaltigkeit verbindet.
GRENZÜBER-
The Icon: Design für nachhaltige Mobilität
SCHREITER
Elektrischer Außenbordmotor für Mercury Marine
Das Wassertaxi beschleunigt, Gischt sprüht auf, dann hebt sich der Rumpf aus dem Wasser. Es gleitet nun auf drei dünnen Streben, sogenannten Foils, über die Wasseroberfläche und verdrängt so viel weniger Wasser als klassische Boote. Die Foils verleihen Auftrieb, ähnlich wie Flugzeugflügel. Segelsportyachten und einige Passagierboote nutzten das Prinzip schon lange, nun erstmals auch ein elektrisches Wasserfahrzeug: The Icon.
Die zukunftsweisende Lösung für Mobilität auf dem Wasser zeigt, was es heißt, Dinge gegen den Strich zu bürsten und Innovationen aus einem Bereich in einen ganz anderen zu übertragen. Dafür ist Designworks be -
kannt. Die 100-prozentige BMWTochter entstand vor einem halben Jahrhundert in Kalifornien und hat weitere Standorte in München und Shanghai. Designworks entwirft sehr breit: von Lifestyle-Produkten zu Flugzeuginterieurs, digitalen Nutzererlebnissen und allen Formen der Mobilität einschließlich Automobile für die BMW Group. In den drei Studios entstehen völlig neue Konzepte, darunter Senkrechtstarter, die mit Wasserstoff fliegen. Denkverbote gibt es nicht. Im Gegenteil. BMW schickt seine besten Designer:innen hierher, um ihnen neue Perspektiven zu ermöglichen. Holger Hampf, seit 2017 Leiter von Designworks, möchte Hochtechnologie und Nachhaltigkeit
SCHEUKLAPPEN ABLEGEN UND WEIT IN DIE WELT BLICKEN
Holger Hampf, Präsident Designworks
vereinen – zum Nutzen von Mensch und Natur. Mobilität muss nicht mehr zwingend vier Reifen haben und ein Steuerrad, sie kann auch eine App sein oder Teil eines Logistiksystems, das Güter von A nach B bewegt. „Da steckt viel Servicedesign dahinter, viel systemisches Denken.“
Los Angeles, Shanghai und München sind nicht nur klug über die Erdkugel verteilt, die verschiedenen Standorte spielen mit ihren ganz unterschiedlichen Kulturen Impulse, Ideen und Marktveränderungen zurück nach München. Adrian van Hooydonk, Vice President Design der BMW Group, sagte einmal, Designworks seien die Augen und Ohren des Unternehmens nach draußen. Dafür muss die Firma nicht unaufhörlich wachsen,
Erlebnisdesign für die Fassade des Forbes International Tower, Kairo
sondern vor allem Verständnis für Märkte entwickeln und für spannende Technologien. Also Change Agent sein und Think Tank in einer sich schnell verändernden Welt.
Gesamthaft denken
Im Besprechungsraum des Münchner Büros erhebt sich eine riesige dunkle Wand. Sie dient als Tafel, um schnell mal Ideen zu skizzieren. Holger Hampf schnappt sich ein Stück Kreide und zeichnet zwei Achsen auf: einen Zeitstrahl und einen Innovationsstrahl. Ein Vektor schießt im 45-Grad-Winkel nach oben, direkt auf einen Punkt zu, der höchste Innovation in einer nicht allzu fernen Zukunft verankert, also etwa 2035. Ziel aller Designer:innen ist nun, diese Vision in machbare Schritte zu übersetzen, die geradewegs dorthin führen. Diese Milestones hat das Team immer im Blick. Denn schließlich möchte Designworks technologische und ästhetischfunktionale Impulse mit Fragen der Nachhaltigkeit verbinden, „sei es bei der Fassadengestaltung des nachhaltigsten Gebäudes Afrikas, beim Design von wasserstoffbetriebenen Senkrechtstartern (Sirius Jet) oder von batteriebetriebenen maritimen Fahrzeugen mit Foilingtechnologie“, sagt Holger Hampf. So viel Hightech verlangt technisches Know-how und einen Blick für das Ganze. „Wir wollen die Natur nicht nur als Partner, sondern uns selbst als Teil der Natur verstehen. Wir glauben, dass es einen Paradigmenwechsel braucht, damit wir uns als Menschen weiterentwickeln können.“
Eine Lösung lautet modulare Gestaltung, die Dinge nicht mehr untrennbar verbindet, sondern trennbar und reparierbar macht. „Modularität bietet die Chance, neu und anders zu denken, ins -
besondere bei hochkomplex integrierten Produkten.“ Dank des sogenannten Baukastens recycliert BMW schon heute über 90 Prozent aller Bauteile. Die Kunst besteht darin, Design und den eigenen Nachhaltigkeitsanspruch möglichst früh in die Produkt-Entwicklungsprozesse mit einzubeziehen. Je früher, desto besser. Von der ersten Vision über die Markenstrategie bis zur Industrialisierung. Europa, sagt Hampf, schöpft aus einem Fundus großer Marken, die wohl allesamt ohne den Willen zur konsequenten Gestaltung nicht entstanden wären. „Design muss Zusammenhänge verstehen und die Dinge gesamthaft betrachten.“ Hampf denkt in Gefühlswelten, die uns umgeben. Ihm geht es um die „Choreografie von verschiedenen Erlebnissen oder Funktionen“. Die Aufgabe von Design: alles zusammenzubringen. Der Klimawandel zeigt, dass holistisches Denken nicht mehr beim Produkt endet. Das Ziel heißt: „Von Beginn an in Harmonie mit dem Planeten und den Bedürfnissen unseres Umfelds zu gestalten“, sagt Hampf. „Wir müssen genauso die Bedürfnisse unseres Umfelds und des Planeten berücksichtigen wie die der einzelnen Nutzer:innen.“
80 Prozent weniger Energieverbrauch
Kein Wunder, dass viele Projekte gerade einen direkten ÖkoBezug haben wie jenes Wasserfahrzeug, das durch FoilingTechnologie abhebt und rund 80 Prozent des bisherigen Energieverbrauchs einspart. Einen ganz anderen Weg geht der für Mercury entwickelte elektrische Außenbordmotor, weil die Aufgabe eine andere war. Statt möglichst großer Reichweite ging es um leisen, emissionsfreien Antrieb bei kurzen Strecken auf Flüssen
oder Seen. So stellt selbst hier der Stromer eine echte Alternative zum Benzinmotor dar. Das Boot lässt sich am Steg laden oder die Batterie mit nach Hause nehmen, aufladen und am Morgen wieder einsetzen. Ähnlich verhält es sich mit vielen Technologien und Ideen bei Designworks. Die Teams wandern von Autos zu Flugzeugen und über elektrische Wingsuits wieder zurück zu anderen Formen der Mobilität. Projekte aus unterschiedlichsten Bereichen eröffnen unerwartete Perspektiven und manchmal auch besondere Abkürzungen. Bei Designworks arbeiten sogenannte Hybrid Designer:innen, die nicht nur ein Produkt gestalten, sondern darüber hinaus denken, in die Welt schauen und Verknüpfungen ausmachen. Wer heute Mobilität
im Blick hat, muss eben auch Züge, Flugzeuge und Boote im Blick haben, um zum Beispiel ein optimiertes Auto-Interieur zu entwerfen.
In einem der jüngsten Designworks-Projekte ging es um „Light Productivity“ in der Business Class von Flugzeugen, wenn Passagier:innen etwa ausruhen und relaxen, einen Film schauen oder Musik hören und doch einige Dokumente sichten und Nachrichten beantworten. Dieses Wissen kann für die Gestaltung eines autonomen Fahrzeugs wichtig werden, wie überhaupt die Fähigkeit, Fragestellungen und Lösungen von einem Geschäftsfeld auf ein anderes zu übertragen. Hampf sagt: „Wir schauen uns das alles an. Schließlich geht es gar nicht
um die einzelne Ladesäule, die gut gestaltete Payment App –besser gesagt: solitäre Produktideen. Das Ziel besteht darin, alles zu einem Ganzen zu verbinden, sodass positive und übergreifende Nutzererlebnisse entstehen.“ Die Langlebigkeit von Produkten sei immer noch der Heilige Gral, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Leder habe z. B . diese Qualität, entwickele mit der Zeit sogar eine schöne Patina. Das Material werde aber leider zu breit eingesetzt und jetzt gelte es, pflanzlich-basierte Alternativen zu finden, sagt Hampf. Auch hierfür ist technisches Know-how notwendig, das Verständnis von taktiler Qualität und natürlich die Impulse, die aus den drei sehr unterschiedlichen Standorten von Designworks kommen.
Visionary Materials: Entwicklungsprogramm bei Designworks
JULIANE ZIRKE
LEAD UX DESIGNER ERGOSIGN
STEFAN SCHULZ
UX DIRECTOR, HEAD OF SITE ERGOSIGN
Ist „circular“ das neue „nachhaltig“?
„Circular“ ist nur ein Teilbereich von Nachhaltigkeit. Bei Ergosign verfolgen wir das Ziel, digitale Erlebnisse zu gestalten, die nicht nur Ressourcen schonen, sondern auch einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft und die Unternehmensentwicklung haben. Wir integrieren ökologische, soziale und wirtschaftliche Faktoren, um Produkte und Dienstleistungen zu schaffen, die kontinuierlich Mehrwert bieten. Dabei setzen wir auf einen kollaborativen Entwicklungsansatz, der tief in unserer DNA verankert ist.
Sollten wir die Haltung von Unternehmen stärker hinterfragen?
Absolut. Als Profis für User Experience ist es Teil unserer Verantwortung, die Einstellung von Unternehmen gegenüber Design, Technologie und Nachhaltigkeit zu hinterfragen. Es liegt an uns, ethische Praktiken und Transparenz zu fördern und Unternehmen dazu zu ermutigen, die Auswirkungen ihrer Produkte und Entscheidungen auf die Umwelt und die Gesellschaft zu reflektieren. Dies erreichen wir durch kritisches Hinterfragen frei von Vorwürfen sowie durch die Visualisierung von Ideen und deren konkrete Umsetzung.
Wie überwindet ihr Widerstände gegen Nachhaltigkeit?
Die Mehrheit befürwortet eine nachhaltige Unternehmensführung. Natürlich gibt es manche, die etwas beibehalten wollen oder sich nach dem „Früher“ sehnen, und andere, die einen schnellen Fortschritt befürworten. Durch aktives Zuhören, Umfragen und Angebote zur Mitgestaltung können Ängste genommen, Menschen motiviert und auf positive Weise mitgerissen werden. Eines unserer Designprinzipien für nachhaltige Entwicklung ist „Act collaboratively and individually“. Eine offene Unternehmenskultur bietet den Rahmen, proaktiv und gemeinsam mit Gleichgesinnten einen immensen Energieschub zu erzeugen.
3 FRAGEN
AN
ZUKÜNFTE GESTALTEN
Die Fakultät für Design der HM setzt auf Designforschung und gestaltet das Miteinander von Mensch und Natur.
Zentrale Fragestellung des dci: Wie lassen sich kulturelle Muster weiterentwickeln, um Impulse für soziale, ökologische, technologische und unternehmerische Zukünfte zu geben?
Das erforscht das neue Designkulturen Institut für Angewandte Designforschung der Hochschule München.
Designforschung hat in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen. Ganz vorne dabei in Bayern ist die Fakultät für Design der Hochschule München. Was aber untersucht das im Rahmen der Hightech-Agenda mit Unterstützungsmitteln des Bayerischen Landtags geförderte „ Des ignkulturen Institut für Angewandte Designforschung (dci)“ genau? „Unser großes Thema sind kulturelle Muster“, sagt Institutsleiter Prof. Markus Frenzl. „Wir erforschen Wahrnehmungs-, Wissens-, Handlungs-, Innovations- oder Unternehmenskulturen durch Design und entwickeln daraus Impulse vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Transformation.“ Das Spektrum ist bewusst breit angelegt. Gleichermaßen richtet sich der Blick auf den Wandel von Umwelt, Wirtschaft wie Gesellschaft. Da Design unser ganzes Leben durchdringt, wird auch das neue Institut in umfassender Weise aktiv.
Markus Frenzl begreift Design als „identitäts- und kulturstiftende Praxis mit eigener Wissensund Forschungskultur“. Und da sich Kultur nicht verordnen lasse, betreibt das Institut auch selbst keinen Kulturwandel, sondern konzentriert sich auf die Phänomene ebendieser Veränderung, auf jene kulturellen Muster, die weiterentwickelt werden, um sie „kulturell anschlussfähig zu machen und so zu neuen Lebensweisen, Fertigungstechniken und Wegen der Verständigung zu führen“.
Den Anfang machen drei Forschungsschwerpunkte: Das Themenfeld „Partizipation, Co-Kreation und Futures Literacy im Kontext gesellschaftlicher Transformation“ knüpft beispielsweise an ein Masterprojekt an, in dessen Rahmen Forschungsimpulse für das HM:UniverCity-Projekt „Creating NEBourhoods Together“ erarbeitet wurden. Dafür fragten Masterstudierende Neuperlacher:innen nach ihren Wünschen und Lebensbedingungen. Das Ziel: Wie lassen sich „gemeinsam schöne, umweltgerechte und zukunftsfähige Nachbarschaften gestalten“?
Der Forschungsschwerpunkt „LESS – Prinzipien, Potenziale und Probleme des Produktverzichts“ geht der Frage nach, welche Rolle Suffizienz für Architektur und Design spielen kann. „Potenziale bayerischer Handwerkskulturen“ schließlich will aussterbende Handwerkstechniken, Material- und Verarbeitungskompetenzen erforschen: Alte Techniken und Traditionen bergen womöglich Antworten für morgen, da sie immer schon auf Kreislaufwirtschaft setzten. So öffnen sich aus der Geschichte und dem Selbstverständnis Bayerns frische Perspektiven für künftige Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen.
I n der undogmatischen, direkten Art, Menschen einzubinden und mit Firmen, Gründer:innen und Institutionen zu sprechen, liegt großes Potenzial – nicht nur für die Designforschung selbst.
Ausgehend von vertrauten kulturellen Mustern liefert das Designkulturen Institut so „Impulse für soziale, ökologische, technologische oder unternehmerische Zukünfte“. Neben Prof. Markus Frenzl gehören Prof. Dr. Eileen Mandir, HTA-Professorin für Systemisches Design im Kontext von sozialem Wandel und transformativen Prozessen, und zwei wissenschaftliche Mitarbeiterin -
nen zum Kernteam. Der Anspruch ist hoch: „Wir wollen einen lebendigen Denkraum für die diskursive Praxis an der Fakultät für Design der Hochschule München bieten“, sagt Markus Frenzl. Die Hochschule München stärkt damit nicht nur ihre Designforschung. Sie öffnet Raum für etwas, das Design schon immer eigen war: die Fähigkeit, Zukunftsperspektiven aufzuzeigen .
Das Team des dci:
Prof. Markus Frenzl, Dr. Silke KonsorkiLang, Prof. Dr. Eileen Mandir, Katrin Laville (v.l.n.r.)
Muss ein Lebewesen nützlich sein, um eine Lebensberechtigung zu haben? (Projekt: Angela Stellmacher)
Design für den Planeten
Wie gestaltet es sich in Zeiten schwindender Ressourcen und steigender Temperaturen? Ein Seminar der Hochschule München will es genauer wissen.
„Wir sind längst im Anthropozän angekommen – dem Erdzeitalter, in dem der Mensch die Veränderungen auf unserem Planeten maßgeblich beeinflusst und durch sein Handeln die Erde formt“, erklären Matthias EdlerGolla und Florian Petri. Die Professoren unterrichten an der Hochschule München, der eine als Spezialist für Interaction Design und Nachhaltigkeit, der andere mit dem Blick eines technischen Industriedesigners. Beide bieten seit Jahren Projekte an mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Es ist nicht ihr erster gemeinsamer Kurs, vielleicht aber ihr wichtigster. „Next Nature Design“ fragt nach dem großen Ganzen: Wie lässt es sich im Anthropozän sinnvoll gestalten? Ja, dürfen wir überhaupt noch weiter produzieren wie bisher? Das Seminar und die anschließende Ausstellung beschäftigen sich mit Nachhaltigkeit in allen ihren Facetten.
Keine Frage ist zu verrückt, kein Projekt zu abwegig.
Edler-Golla und Petri fordern die Teilnehmer:innen auf, die Denkweise des Human-centered Design zu erweitern. Es geht um „Planet-centered Design. Dies verlangt von uns neue Denkweisen, neue Kooperationen, die Bereitschaft, co-kreativ mit anderen Lebewesen zusammenzuarbeiten und den Mut, Kultur, Technik und Natur zu vereinen.“ Größer geht es wirklich nicht mehr. Daher schwören die Professoren auf den direkten Austausch im Seminar. Zunächst aber müssen die Studierenden selbst Expert:innen werden. Jedes Team untersucht unterschiedliche Fragen. Die 30 Fotograf:innen und Produktdesigner:innen, Grafikdesigner:innen und Interactiondesigner:innen arbeiten, diskutieren und gestalten zusammen.
WIR LIEFERN DENKANSTÖSSE FÜR
EINE SICH RASANT ÄNDERNDE WELT
Das Seminar soll Denkräume jenseits des Kommerzes öffnen. „Wir sind schließlich keine Agentur“, sagt Matthias Edler-Golla, „und auch keine verlängerte Werkbank der Industrie. Wir liefern Denkanstöße in einer sich rasant ändernden Welt.“ Genau das ist eine Aufgabe künftiger Designer:innen: Projekte richtig einzuschätzen und notfalls auch abzulehnen, auf Menschen zuzugehen und Prozesse sinnvoll zu gestalten. Matthias EdlerGolla und Florian Petri wissen: Es gibt nicht die eine richtige Lösung, eher ein Netz von Impulsen, die sich wechselseitig verstärken. So öffnen sich viele Wege. Selbst Nicht-Wissen
kann eine Stärke werden, wenn frau/man sie zum Anlass für Fragen nimmt.
„Co-Habitation“ heißt das neue Miteinander von Menschen und Natur. Am Ende stehen „nur positive Visionen“. Was ziemlich weltfern, ja naiv klingt, hat Methode. Dystopien könne jeder schreiben. Was es jetzt brauche, seien neue Wege, entgegnen die Professoren. Statt perfekten Produkten, die es ohnehin nie gebe, suchen sie nach so etwas wie perfekten Prototypen, die sich erst im Gebrauch mit echten Menschen und der sie umgebenden Natur vervollständigten. Plötzlich gibt es Platz für neue
Wer ist der Eremit? Warum ist er so unbekannt – und fast schon ausgestorben? (Projekt: Angelika Bals und Finja Beck)
Berufe, eine:n Design-Schreiner:in etwa, mit denen die Nutzer:innen verschiedene Varianten ausprobieren. Die Rolle der Gestaltenden ist gerade im Fluss. In der Moderne kannten sie vor allem eine Pose: Sie waren Hero:innen des Fortschritts, und manche schufen immer schnittigere Varianten des Morgen, mitunter sogar pfeilschnelle Bleistiftspitzer. Styling allein aber ist nicht Sache ernsthafter Gestalterinnen und Gestalter. Sie wollen mehr. Sie wollen innerhalb ihrer Fähigkeiten die Welt verbessern, zumindest aber erhalten. Damit das Erdzeitalter des Menschen nicht gleich sein Endzeitalter wird.
HOTEL BAYERISCHER HOF: A WORLD OF ITS OWN.
MATERIALIEN WACHSEN LASSEN
Kai Langer, Head of BMW i Design, hat eine Benchmark: die Effizienz der Natur.
Materialien für ein veganes Interieur
BMW i Vision Circular – Reifen in „Vivid Blue Rubber“
Ab Herbst 2027 werden im traditionsreichen Werk der BMW Group in München-Milbertshofen nur noch Batteriefahrzeuge gefertigt. Diese Antriebswende markiert einen Wandel. Doch wie genau soll diese Zukunft aussehen? Wenn es jemand weiß, dann ist es Kai Langer, seit Juli 2019 Head of BMW i Design. Der Industriedesigner hat die Entwicklung der Marke von Anbeginn begleitet. Langer arbeitet seit über zwei Jahrzehnten im Unternehmen, er verantwortete bereits das BMW Group Advanced Design und war davor jahrelang erfolgreich als Designer für die Marke BMW tätig, bis er vor fünf Jahren BMW i übernahm.
Kai Langer, dunkle Haare, Jeans und schwarzes Shirt, hat in Pforzheim studiert, Kaderschmiede des deutschen Automobilde -
signs. Kein Wunder, dass er gerne zeichnet. Aber statt einige flotte Linien aufs Papier zu skizzieren, spricht er lieber über die großen Linien der Zukunft. Die Transformation zur nachhaltigen Elektromobilität ist für ihn keine Frage von Konturen – geschweige denn von Spaltmaßen –, Langer sieht darin eine holistische Aufgabe, ein allumfassendes Konzept, das erst mal alles infrage stellt, was die Automobilindustrie in Jahrzehnten aufgebaut hat: „Es müssen komplett neue Strukturen, Prozesse, Werkzeuge, Technologien erfunden werden“, sagt er und gibt ein Beispiel. BMW war das erste Unternehmen, das die Produktion des BMW i3 im Werk Leipzig konsequent mit grüner Energie betrieb. Zu einer Zeit, als kaum jemand ahnte, was das für die bestehende Infrastruktur bedeuten würde, entstanden zusammen mit den Werkshallen gleich noch Windräder zur Stromerzeugung. Dazu kam ein neuer Werkstoff – Carbon – und veränderte Produktionsverfahren. Der dem BMW i3 zugrunde liegende Nachhaltigkeitsansatz begann zunächst mit Fragen: „Wie kriegen wir überhaupt die Produktionsstätte mit grünem Strom versorgt? Und welche Materialien können wir
nutzen? Da war viel Akzeptanzarbeit zu leisten“, erinnert sich Langer. „Diese Herausforderung hat das gesamte Team und das Unternehmen sehr gerne angenommen, weil wir damit definieren konnten, in welche Richtung es geht.“
Nachhaltigkeit
ist ein Baum
Langer hat längst seinen Frieden damit gemacht, dass er kein Fahrzeug mehr von Anfang bis Ende selbst zeichnet. Das ginge auch gar nicht. „Es gibt junge Leute im Team, die machen Sachen, da weiß ich gar nicht, wie sie das hinkriegen“, sagt ein ziemlich entspannter Head of BMW i Design. „Ich zeichne zwar immer noch gerne, das ist ja das, was ich ursprünglich gelernt habe, nicht meinen heutigen Job. Aber zum Glück diskutieren wir Designentwürfe untereinander, um zur besten Lösung zu gelangen. Und das ist meine heutige Aufgabe: Ich lasse mich inspirieren von meinem Team, möchte mich auch inspirieren lassen, und treffe dann eine Entscheidung.“ Langer vergleicht die wachsende Nachhaltigkeit der
Kai Langer, Head of BMW i Design
Fahrzeuge mit einem Baum, den sie gepflanzt hätten und der jetzt immer mehr Äste treibe und sich verzweige. Zirkularität ist der Schlüssel: „Wir müssen unseren CO 2 -Footprint signifikant reduzieren“, sagt der Designer. „Die ganze Welt muss das tun. Und wenn wir Verantwortung aktiv annehmen, dann muss das Unternehmen erkennen, wo der größte Stellhebel liegt.“ Ein ganz großer liegt in geschlossenen Materialkreisläufen. Nachwachsende Rohstoffe seien schon ziemlich gut. Noch viel besser aber sei es, alles komplett im Loop zu halten, wie die altbekannte Pfandflasche aus Glas. Um Kreisläufe anzugehen, heißt es, die vertraute Konstruktion eines Fahrzeugs bis zur letzten Schraube infrage zu stellen: „Wo muss ich die Bauteile trennen, damit sie überhaupt fähig sind, aus dem Material gebaut zu werden, das sich dann wieder in den zirkulären Kreislauf zurückführen lässt?“ Verkleben hat ausgedient, Schritt für Schritt geht es in Richtung Sortenreinheit und intelligente Demontage. Deshalb kann sich Langer für traditionelle japanische Häuser aus Holz begeistern, die ohne einen einzigen Nagel auskommen. „Echt cool. Da musste ich mir je -
TRANSFORMATION IST NICHTS, WAS IRGENDWANN ABGESCHLOSSEN IST, SIE FINDET
PERMA -
NENT STATT
de einzelne Verbindung anschauen, wie die Balken und Bretter gefügt wurden. Das ist Wahnsinn. Unglaublich, was da für eine gedankliche Vielfalt, handwerkliche Wertigkeit und intellektueller Luxus drinstecken.“
Fahrzeuge müssen heute bereits zu 95 Prozent recyclingfähig sein. Dabei ist der Anteil an Sekundärmaterial, also wiederholt im Kreislauf verwendeter Stoffe, noch vergleichsweise niedrig. Da geht auf jeden Fall mehr, meint der Familienvater, der seine Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen sieht. Je größer die Herausforderung, desto besser. „Ob Nachhaltigkeit oder Effizienz: Wir sind nie fertig, sondern permanent in Bewegung, um besser zu werden. Transformation ist nichts,
was irgendwann abgeschlossen ist, sie findet permanent statt.“ Kein Wunder, dass sich manche Lösung für ein Problem wie eine Mondlandung anfühlt, zumindest bis die nächste Herausforderung auftaucht. Dadurch ergebe sich immer wieder eine neue Mondlandung. Und immer wieder eine neue Challenge.
Perfektion heißt
Individualität
Wenn schon alles im Fluss ist, verändert sich nicht auch unser Blick auf die Welt? Unsere Einstellung zu dem, wie Premium auszusehen hat, wie es sich anfühlt? Perfektion bedeutete nämlich bislang, dass Teile, die nur optisch nicht passen
Türverkleidungsträger aus Naturfasern
wollten, aussortiert wurden. Langer sieht darin eher wieder eine Herausforderung. Die Menschen erwarteten ja die immer gleiche Qualität. „Und wir wollen jedes Auto exakt so reproduzieren wie das Fahrzeug, das nebendran steht. Das kann aber womöglich mit unserem Nachhaltigkeitsanspruch kollidieren, nichts wegzuwerfen.“ Eine neue Ästhetik ist schließlich kein Fingerschnipsen. Wie aber wäre es mit individuellen Fahrzeugen, deren Materialien eigene, leicht veränderte Musterungen aufweisen können, wie etwa die Reifen „Vivid Blue Rubber“ einer aktuellen Studie? Oberflächen könnten eine Marmoroptik erhalten, Wärme und Freundlichkeit ausstrahlen und zugleich hohe Emotionalität. Dann sei jedes Teil plötzlich genau richtig, so, wie es aus dem Werkzeug komme. „Es hat Individualität. Design aber macht aus der vermeintlichen anfänglichen Not eine Tugend.“ Und dann holt Langer weiter aus: Man könne vollkommen nachhaltige Materialien am Körper tragen, die sehr bequem seien, Spaß machten und super aussähen. Produktionstechnisch in Kreisläufen zu denken, führe zurück zur Natur. „Wir haben Materialien, Visionary Materials, die wir zum Teil
wachsen lassen, und die sehen fantastisch aus.“ Langer spricht von der Struktur einer Schneeflocke, von der Fibonacci-Folge. „Wir werden auch in Zukunft eine wunderschöne Ästhetik generieren können, mit nachhaltigen Materialien.“ Die Entwicklung gehe geradewegs dorthin.
Materialien sollen wachsen? Genau das. Hochtechnologie heißt inzwischen, auch auf die Natur zu schauen, denn sie arbeitet mit höchster Effizienz. „Wir waren bislang in unseren Fertigungstechnologien beschränkt, das exakt so zu reproduzieren“, sagt Langer und schwärmt von künftigen 3D-Druckern, die nichts anderes täten, als Dinge wachsen zu lassen. „Und so bekommen wir Schritt für Schritt höhere Effizienz. Wir brauchen zum Beispiel leistungsfähigere Drucker, die mit grünem Strom laufen.“ Schon bald könnte so vielleicht eine ganze Seitenwand in Sekundäraluminium gedruckt werden. Und statt Ersatzteile um die halbe Welt zu schicken, reichen genaue Angaben für Drucker auf anderen Erdteilen. Das ist, als ob ein Baumsamen über den Atlantik segelt und punktgenau einen neuen Ort zum Wachsen findet.
Visionary Materials – Nanozellulose
SANNA HAIDER
STRATEGIC PRODUCT MANAGER
KISKA MUNICH
JULIAN HERGET
MANAGING PARTNER
KISKA MUNICH
Wie definiert ihr „Nachhaltigkeit“?
Wir übersetzen Nachhaltigkeit mit Langlebigkeit und möglichst geringem Impact. Darum entwickeln wir Strategien und kreative Lösungen für Produkte und Marken, die kommen, um zu bleiben. Bis zu 80 Prozent des Fußabdrucks eines Produktes werden bereits in der frühen Designphase entschieden und genau da setzen wir an. Unser Anspruch ist: Impact erzielen, indem wir Impact verringern. Langlebige Produkte mit Qualität und zeitlosem, markenspezifischem Design sind zudem der Kern jeder starken Marke.
Ist „circular“ das neue „nachhaltig“?
In Strategie, Produktdesign und Produktentwicklung besinnt man sich wieder darauf. Das ist gut so. Es ist ein wichtiger Bestandteil der Nachhaltigkeit, aber nicht das neue „nachhaltig“. „Circular“ bedeutet, dass möglichst alles wieder in den Kreislauf zurückgeführt wird. Dieses Konzept ermutigt Marken, von Anfang an Lösungen für das Ende des Lebenszyklus zu erarbeiten. Doch Nachhaltigkeit hat viele Facetten – und zirkuläre Innovationen müssen für Kund:innen individuell entwickelt werden.
Wie überwindet KISKA Widerstände gegen Nachhaltigkeit – außerhalb und innerhalb des eigenen Unternehmens?
Mit starken Strategien und Kreativität. Gegen eine gute Idee kommt man fast nicht an. Nachhaltigkeit ist kein „Nice to have“, sondern ein „Musthave“! Leider wird es oft negativ assoziiert: hohe Kosten, unbekannte Prozesse, neue Materialien oder strikte Vorlagen des European Green Deals. Wir bleiben hartnäckig und zeigen konkret auf, wie Nachhaltigkeit für Marke und Produkt einen Mehrwert schafft und zudem wirtschaftlich ist.
3 FRAGEN
AN KISKA
BETTER IS POSSIBLE STEELCASE
Fabian Mottl, Brand Communications Manager bei Steelcase, über nachhaltige Prozesse und Produkte, die Mensch und Umwelt zugute kommen.
OLIVER
HERWIG
Letztes Jahr stellte Steelcase den Bürostuhl Karman vor. Schon der Name deutet an, dass ihr an Grenzen gegangen seid.
FABIAN MOTTL
In der Tat. Die „Kármán-Linie“ trennt die Erdatmosphäre vom Weltraum, und der Steelcase Karman geht auch an Grenzen. Er zeigt, was konsequent nachhaltiges Design leisten kann –von der Entwicklung über die Produktion bis hin zur Nutzung und darüber hinaus. Wir bei Steelcase verfolgen eine ganzheitliche globale Nachhaltigkeitsstrategie, die sich über die Bereiche Produktdesign und Herstellung, DEI (Diversität, Gleichberechtigung, Inklusion) bis zur Weiterbildung erstreckt. Seit Jahrzehnten sind wir Pioniere in der nachhaltigen Entwicklung von Produkten. Im Steelcase „Impact Report“ 2023 geben wir detaillierte Einblicke zum Status quo unserer Strategien und Projekte. Zugleich vermitteln wir hier einen Ausblick auf unsere mittel- und langfristigen Nachhaltigkeitsziele.
OH
Und was bedeutet das für eure Produkte?
FM
Unsere Strategie lässt sich auch an unseren Produktreihen ablesen: Die Stühle Gesture, Think, Please sowie Steelcase Series 1 und 2, ebenso wie der Tisch Trivio, das System Island Collection und die Schließfachlösung WorkValet werden bereits mit einer CarbonNeutral ® -Produktzertifizierung von Climate Impact Partners angeboten. Die jüngste Produktinnovation von Steelcase, der ergonomische Bürostuhl Karman, wird mit nachhaltigen Materialien hergestellt, wobei die geringstmögliche Anzahl an Komponenten und Ressourcen eingesetzt
wird. So gelingt es, den CO 2Ausstoß und die Umweltbelastung zu minimieren.
OH
Wo liegen die Grenzen des Designs, wenn wir Mensch und Umwelt in Einklang bringen wollen?
FM
Bei Steelcase arbeitet ein internationales Team an mehreren Standorten an Arbeitsraumlösungen, die Millionen Menschen weltweit in ihrem beruflichen Alltag unterstützen. Eine solche Mission gelingt aber nicht allein. Deshalb arbeiten wir mit zahlreichen internationalen Zulieferern und Produzenten zusammen und unterhalten Partnerschaften, um unsere nachhaltigen Produktdesigns zu realisieren. Um unserem Nachhaltigkeitsversprechen für Mensch und Umwelt gerecht zu werden, konzentrieren wir uns auf sechs wichtige Wirkungsbereiche: Soziales Engagement, Förderung von Inklusion, eine Kultur der Integrität, die Reduzierung des CO 2 -Fußabdrucks, Design mit Blick auf Kreislaufwirtschaft und verantwortungsvolle Materialauswahl und -nutzung.
OH
Wo liegen die Grenzen für Kund:innen? Was seid ihr bereit, an Mehrkosten im Dienst der Umwelt zu tragen?
FM
Wir sind der Überzeugung, dass alle Unternehmen und Organisationen, die Verantwortung haben, bei der Planung und Umsetzung innovativer und gleichberechtigter Arbeitsplätze die Grundsätze nachhaltigen Handelns für Mensch und Umwelt zu berücksichtigen. Deshalb nutzen wir Prozesse, die uns helfen, die verschiedenen Bedürfnisse der Menschen zu erkennen und in Inklusionsstrategien umzusetzen. Zugleich geht es darum, die Anforderungen unserer Kund:innen zu erfüllen.
Nachhaltigkeits versprechen
1
SOZIALES ENGAGEMENT
Unsere „Better Futures Community“ entwickelt innovative Sozialprojekte zur Förderung von Chancengleichheit und unterstützt diese finanziell.
2 FÖRDERUNG VON INKLUSION
Wir tragen mit Räumen, Tools und Veranstaltungen dazu bei, dass sich unsere Mitarbeitenden, Partner:innen und Kund:innen gesehen, gehört und wertgeschätzt fühlen.
3
KULTUR DER INTEGRITÄT
Wir geben allen Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre Werte zu leben, und setzen konsequent Maßnahmen um, die unseren eigenen ethischen Grund s ätzen und Zielen gerecht werden.
4
DESIGN MIT BLICK AUF KREISLAUFWIRTSCHAFT
Wir setzen effektive Wiederverwertungs-, Recycling- und Wiederaufbereitungsstrategien in unserem gesamten Produktdesign und Lieferprozess um.
5
REDUZIERUNG DES CO 2 -FUSSABDRUCKS
Wir haben uns ehrgeizige Klimaziele mit globaler Reichweite gesetzt, die weit über die anderer Unternehmen in unserer Branche hinausgehen, und arbeiten unermüdlich auf diese hin.
6
VERANTWORTUNGSVOLLE MATERIALAUSWAHL UND -NUTZUNG
Wir wählen und beschaffen Materialien, die für Mensch und Umwelt verträglicher sind und gehen mit Ressourcen wie Wasser und Energie sorgsam um.
Diese Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, ohne die Kosten zu erhöhen oder die Produktion zu beeinträchtigen, verlangt Ausdauer. Wir treffen jeden Tag Entscheidungen, um diesem Ziel näher zu kommen. Darüber hinaus haben wir die Vortragsreihe „Better is Possible“ initiiert. Hier teilen Expert:innen innovative Ideen zum Klimaschutz, zur Bekämpfung von Ungleichheit und für mehr Gleichberechtigung. Diese Vorträge sind sehr beliebt und bieten unseren Kund:innen zudem Transparenz in Bezug auf unser Vorgehen.
OH
Alle sprechen von Transformation und zirkulären Materialkreisläufen. Wo konkret steht Steelcase diesbezüglich?
FM
Unser Ansatz lässt sich mit den Worten „Designing for Circularity“ zusammenfassen. Das heißt, wir berücksichtigen bereits bei den ersten Ideen und der Produktentwicklung, dass wir etwas schaffen, das kreislauffähig ist oder schon zum Teil einem Kreislaufprozess entstammt, wie etwa bei der Partnerschaft mit dem dänischen Stoffhersteller Gabriel: Steelcase beliefert Gabriel mit Textilabfällen aus unserer Produktionsstätte in Sarrebourg und schafft so die Grundlage für die Herstellung eines nachhaltigen Textils. Die Stoffreste werden bei Gabriel zu einem neuen Garn versponnen, das vollständig aus Ausschussmaterial besteht. Die umweltfreundlichen Garne erfül -
len die gleichen Qualitätsstandards wie alle anderen Stoffe von Gabriel. Mit dieser Kooperation
WIE KÖNNEN WIR MIT UNSEREN PRODUKTEN ZU EINER BESSEREN ZUKUNFT FÜR MENSCH UND
UMWELT BEITRAGEN?
zeigen Steelcase und Gabriel, dass auch Materialreste eine wertvolle, wiederverwertbare Ressource sind, die immer wieder in den Produktionszyklus zurückgeführt werden kann.
OH
Wie sieht eure Vision aus für ein Unternehmen der Zukunft, das im Einklang mit Mensch und Natur fertigt?
Wir wollen Menschen dabei unterstützen, am Arbeitsplatz ihr Bestes zu geben. Wie das gelingen soll? Indem wir den besten Arbeitsplatz für sie schaffen. Als Unternehmen im 21. Jahrhundert müssen wir uns fragen: „Wie können wir mit unseren Produkten zu einer besseren Zukunft für Mensch und Umwelt beitragen?“ Daher lautet unser Ansatz für die Zukunft: „Better is possible.“ Um das zu erreichen, bauen wir eine „Better Futures Community“ unserer Mitarbeitenden mit internationalen Partnerorganisationen auf. Sie bekämpft die Ursachen von Ungleichheit weltweit.
Unser Einsatz für Mensch und Umwelt
3 FRAGEN AN
PATRICIA FREIMUTH
HEAD OF MARKETING & PR KÖNIGLICHE PORZELLAN MANUFAKTUR NYMPHENBURG
Wie definierst du „Nachhaltigkeit“?
Statt immer neu zu produzieren, sollten wir Bestehendes weiter nutzen, gerade wenn qualitativ nichts dagegenspricht. Statt täglich Freude zu bereiten, verstauben viele geerbte Nymphenburg-Stücke im Schrank. D aher haben wir das Projekt „Generation T“ ins Leben gerufen. Die Idee d azu entstand aus dem Bedürfnis, unmodern gewordene Teller, Tassen und Schalen von einzigartiger Qualität zurück ins Leben zu bringen.
Ist „circular“ das neue „nachhaltig“?
Es sollte so sein. Leider herrscht eine zu große Scheu, unser Porzellan zu benutzen. Je feiner und hochwertiger ein Porzellan ist, desto seltener wird es im Alltag benutzt. Leider. Zukünftig können geerbte oder auf dem Second-Hand-Markt erworbene Porzellanstücke von Nymphenburg mit einem Design von Hella Jongerius bemalt werden. Sie werden wieder begehrlich und kehren zurück zu ihrer eigentlichen Bestimmung: auf den Tisch.
Welche Materialien haben Zukunft?
Materialien, die dafür geschaffen wurden, ein Leben lang (und länger) zu halten. „Generation T“ ist eine Initiative der Porzellan Manufaktur Nymphenburg und der Designerin Hella Jongerius gegen die Verschwendung wertvoller Ressourcen – materieller und menschlicher Natur, was gerade bei der Herstellung von Manufakturporzellan immer wertvoller wird.
EIN MÜNCHNER MIKROKOSMOS
Die FÜNF HÖFE gibt es seit 20 Ja hren. Centermanagerin Katja Köpf erklärt das Erfolgsrezept des CityQuartiers.
Die FÜNF HÖFE, im Eigentum der Union Investment und der HypoVereinsbank, sind ein einmaliges und vielfältiges Ensemble im Herzen von München. Katja Köpf, Centermanagerin der FÜNF HÖFE, erklärt das besondere Konzept: „Wir sind kein klassisches Einkaufscenter, wir sagen lieber CityQuartier, weil dieser Zusammenschluss aus Architektur, Kunst, Einzelhandel, Arztpraxen, Büros und Wohnungen ziemlich einmalig ist.“ Ist das eine Blaupause für die Zukunft der Innenstädte? Schon vor seiner vollständigen Eröffnung 2003 konnte das Quartier einen sagenhaften Vorvermietungsstand von 96 Prozent der Ladenlokale vermelden. Und auch heute schließt Katja Köpf am liebsten Zehnjahresverträge ab, „weil wir den Kund:innen Ver-
Shoppen, genießen und Kunst am Bau bestaunen: im Viscardihof mit der „Sphere“ von Ólafur Elíasson
lässlichkeit bieten wollen. Hier gibt es keine Pop-up-Shops und keinen schnellen Wechsel. Wir leben von hoher Kund:innenbindung“, sagt die Managerin. Und hat Erfolg mit dem Konzept, das auf exklusive Geschäfte, Design und Fachberatung setzt.
Vielfalt leben
Wenn heute über die Zukunft des Warenhauses spekuliert wird und Riesenleerstand inmitten der Städte droht, wenn Expert:innen für Einzelhandel mehr Events, personalisierte Ansprache, besondere Erlebnisse und natürlich auch besondere gastronomische Impulse fordern, dann haben die FÜNF HÖFE das eigentlich schon immer vorgelebt. War das jetzt einfach Glück oder eine geniale Strategie? „Eine geniale Strategie natürlich“, lacht Katja Köpf. „Aber es gehört auch immer ein Teil Glück dazu, ob es auch wirklich angenommen wird.“ Von den 65 Händler:innen und Gastronom:innen jedenfalls sind die meisten seit zwei Jahrzehnten dabei. Dazu
zählen Flagshipstores bekannter Unternehmen, die unbedingt nach München wollten und dazu dezidiert die FÜNF HÖFE aussuchten, ebenso wie Bars und Cafés, die es nur hier gibt. Das Quartier hat einen ganz eigenen Charme. „Wir sind eine Gemeinschaft und leben wie in einer großen Familie. Jeder kennt jeden“, sagt die Centermanagerin. Nicht unbedeutend für den Erfolg der FÜNF HÖFE ist auch ihre Größe. Nicht zu klein, nicht zu weitläufig. Vor allem aber: bunt gemischt und auf einer Ebene. Hier könne niemand verlorengehen, sagt Katja Köpf. „Es ist auch nicht verschachtelt oder nur mit Rolltreppen erreichbar, sondern angenehm übersichtlich.“
Gestaltung erleben
„Glitzerkabinett“ nannte die „Süddeutsche Zeitung“ einmal das Ensemble zwischen Maffeiund Theatinerstraße. Tatsächlich leuchtet das Quartier im Herzen der Stadt nicht nur bei Nacht. Hier wurde Shopping schon inszeniert, als die wenigsten noch
an eine Konkurrenz durch Internet und Lieferservices dachten. Die FÜNF HÖFE verbinden minimalistische Gestaltung mit opulenter Prachtentfaltung. Durch die verschiedenen Atmosphären der Höfe und Passagen wandelt sich das Ensemble auf Schritt und Tritt. Der abgeschiedene Amirahof mit seiner Baumgruppe steht im Kontrast zum belebten Viscardihof, kleine Gassen wechseln mit breiten Passagen. Die beinahe 100 Meter lange Salvatorpassage, grünes Zentrum der FÜNF HÖFE, bringt mit ihren natürlichen Hängenden Gärten das Gefühl von oben und unten, Natur und Architektur gekonnt in die Schwebe, während der Viscardihof Zuschauer:innen und Flaneur:innen lockt. Suggestiv führt sein spitzer Eingang hinein in die Passagenwelt der FÜNF HÖFE. Im Fünfeckhof selbst schwebt die große „Sphere“, eine zehn Tonnen schwere Kugel aus Edelstahlgeflecht von Ólafur Elíasson. Denn Kunst gehört hier einfach mit dazu. Welches Einkaufscenter kann das schon von sich behaupten? Zumal mit der Kunsthalle obendrein ein veritables Ausstellungshaus lockt, das
Katja Köpf, Centermanagerin der FÜNF HÖFE
Die
mit seinen Themen den feinen Grat zwischen Geheimtipp, internationalem Publikumsmagneten und Blockbuster immer wieder neu bespielt. Auch Exklusivität gehört in den FÜNF HÖFEN mit zum Inventar. Katja Köpf zählt auf: „Shoppingerlebnis mit allen Sinnen, individuelle Betreuung und Stylingberatung in den Stores, Kooperationen mit den umliegenden Hotels und ganz viel Service – das unterscheidet uns schließlich vom Onlinehandel.“ Doch auch hier kommt es auf die Dosis an. Und die Tonalität. „Je außergewöhnlicher ich ein Erlebnis gestalte, das ich zu Hause in der Form einfach nicht kreieren kann, desto mehr binde ich Kund:innen und mache Lust und Laune auf mehr“, sagt die Quartiersmanagerin. „Dazu zählen unsere regelmäßigen Open-Piano-Tage oder Tangoabende ebenso wie Aktionen zum Filmfest München oder unsere Kooperation mit der Bayerischen Staatsoper – und natürlich der Selfiepoint mit Engelsflügeln zur Weihnachtszeit.“ Immer geht es um „Spannungsmomente“. Die einzig privat bespielbare Plaza der Stadt weiß offenbar, was von ihr erwartet
wird. Nicht zu vergessen die wechselnden Ausstellungen wie der aktuelle Publikumsmagnet „Viktor&Rolf Fashion Statements“ in der international renommierten Kunsthalle München.
Natur genießen
Die Hängenden Gärten sind zu einem ikonischen Bild der FÜNF HÖFE geworden. „Unsere Pflanzen in der Passage springen sofort ins Auge, sie sind sehr präsent, und wir bringen den Naturaspekt auch immer wieder in unsere Aktionen ein“, sagt Katja Köpf. Das war überdeutlich in der Partnerschaft der FÜNF HÖFE mit dem münchenweiten „Flower Power Festival“ 2023, initiiert von der Kunsthalle mit ihrer Ausstellung „Flowers Forever“ und zieht sich weiter über begrünte Innenhöfe und bepflanzte Dachterrassen. „Eine weitere Besonderheit“, ergänzt Katja Köpf: „Die meisten Center sind nur zu den Geschäftszeiten zugänglich, bei uns ist das anders: Wo vor 20 Jahren noch ein geschlossenes Banken-Ensemble war, sind unse -
re Durchgangspassagen heute 24/7 geöffnet und werden von vielen Münchnern ganz selbstverständlich auf ihren täglichen Wegen durch die Innenstadt genutzt.“ Und so bindet sich das Myzel der Passagen und Höfe ungezwungen ein in das Netz der Stadt. Um dorthin zu gelangen, nutzen mehr und mehr Menschen U-Bahn, Trambahn und Busse. Katja Köpf: „Es gibt natürlich immer noch die, die keine Tüten schleppen wollen und mit dem Auto fahren. Aber überwiegend werden öffentliche Verkehrsmittel genutzt – und im Sommer das Fahrrad.“
In 20 Jahren haben sich in den FÜNF HÖFEN Kultur und Kommerz, Leben und Lifestyle zu einer besonderen Erlebniswelt zusammengefunden. Fotokunst auf dem Boden und Konzepttexte an den Wänden konkurrieren mit den Claims der Labels, brechen und bestätigen sie wechselnd. Und über allem thront die Architektur des Schweizer Duos Jacques Herzog und Pierre de Meuron und führt gekonnt Regie. Oder ist es vielleicht doch die Schumann’s Tagesbar mit ihren Gästen?
natürlichen Hängenden Gärten von Tita Giese in der Salvatorpassage – eine Ikone der FÜNF HÖFE
Kunst am Bau
... ist nur eines unserer Highlights. Wir setzen Statements in Mode, Lifestyle & Genuss, Architektur & bildender Kunst.
Designlösungen in Kollaboration mit der Natur
WORK! CO-
WENN DER ROBOTERARM MIT DEM SEIDENSPINNER TANZT
Vertikale Gärten und mehr ...
Umweltschutz ist wie Abnehmen: Gute Vorsätze allein bringen wenig, wenn sie nicht begleitet werden von Durchhaltevermögen und langfristigen Zielen. So banal es auch klingen mag: Produkte und Services müssen künftig zusammen mit der Natur entstehen und nicht mehr gegen sie, wie es die Moderne tat. Was aber bedeutet das konkret für Unternehmen und Designer:innen? Müssen sie jetzt Spezialist:innen werden für natürliche Rohstoffe wie Wolle, Harz oder Lignin? Und wie steht die Designforschung zu
Biodesign und Biotechnologie, wenn wir die Natur als Co-Designerin ernst nehmen wollen? Dieser Ansatz geht jedenfalls weit über das hinaus, was bislang als „Ökodesign“ bezeichnet wird, als „systematischer und umfassender Gestaltungsansatz für Produkte, um durch verbessertes Produktdesign Umweltbelastungen über den gesamten Lebensweg zu mindern“, wie es etwa das Umweltbundesamt definiert. Es geht um eine neue Form der Wertschöpfung, die vor allem auf Wertschätzung beruht.
Grüne Wände
Der Wandel beginnt vor der Haustür. 2023 markierte wohl den Wendepunkt für die Art, wie wir siedeln und weiter Flächen versiegeln. Ein Hitzerekord jagte den nächsten – und wer nicht Richtung Baggersee verschwand, spürte förmlich, wie sich die Stadt mit Wärme auflud und der Asphalt unter den Füßen kochte. Jeder Baum und jeder Busch, der etwas Schatten bot, wurde wertvoll. Ähnlich kühlen bepflanzte Dächer und Fassaden. Grüne Wände binden zudem Schadstoffe und bieten Insekten, Vögeln und Kleinsäugern Heimat. Durch geschickte Zusammenstellung der Arten entsteht ein stabiles Ökosystem. Weltweit boomen Gründächer und bepflanzte Fassaden, und das nicht seit gestern. Allein in Nordamerika wuchs die Fläche begrünter Dächer zwischen 2004 und 2011 um das 16-Fache, Tendenz: stark steigend. Die Mutter aller grünen Fassaden wuchs 2008, als die Stararchitekten Herzog & de Meuron das CaixaForum in Madrid realisierten und es Patrick Blanc in einen vertikalen Garten mit 15.000 Gewächsen verwandelte, einen Teppich aus 250 Arten, getragen von fünf Rohrstrukturen, die alles zugleich bewässern. Seither wurden etwa der Frankfurter Eden Tower, das Rosewood in Sāo Paulo, das Easyhome in Huanggang sowie – natürlich – Stefano Boeris Bosco Verticale in Mailand zu grünen
Leuchttürmen. Stadtbegrünung sei die „essenzielle Zutat für die zukunftsfähige Stadt“, heißt es von Expert:innen und immer mehr Stadtplaner:innen setzen das konsequent um (siehe Interview mit Stadtbaurätin Prof. Dr. Elisabeth Merk).
Pflanzliche Pelze
Grüne Städte brauchen grüne Produkte, gerade weil täglich immer noch rund 770 Tonnen Wegwerfverpackungen von To-go-Lebensmitteln und -Getränken im Müll landen, wie Greenpeace Deutschland meldete. An den Materialien selbst kann es nicht mehr liegen. Inzwischen ist nämlich so mancher Behälter wiederverwendbar und vermeintliches Einwegbesteck sogar essbar. Die Idee dahinter ist immer gleich: Schadstofffreie Produkte ersetzen Materialien, die auf Basis von Erdöl gewonnen wurden. Einen Kunstpelz aus Mais entwickelte beispielsweise die amerikanische Firma Covation Biomaterials: Sorona ®, ein fermentiertes Polymer, das als Kragen bei Jacken oder Futter von Winterschuhen zum Einsatz kommt. Mit ähnlicher Absicht schufen die niederländischen Designer Eric Klarenbeek und Maartje Dros einen Biokunststoff aus Algen. Dieser wurde sozusagen gezüchtet, getrocknet und gemahlen. Das Granulat diente wiederum als Basis für 3D-gedruckte Objekte wie
Mülleimer oder Shampoo-Flaschen, die so in Zukunft umweltfreundlich gewonnen werden könnten. Auf der gleichen Ebene spielen klimapositive Baustoffe, die mehr CO 2 binden, als bei ihrer Herstellung entsteht.
Seidener Pavillon
Lassen sich diese Materialexperimente noch steigern, etwa durch Bakterien oder Insekten, die direkt in Projekte eingebunden werden? Mit Abstrichen: ja. Designerin Neri Oxman spannt einen großen Bogen zwischen Architektur, Biologie, Computerwissenschaften und Materialwissenschaften. Ihre „Materialökologie“ experimentiert mit Ameisen, Bienen und Seidenspinnern; zwei Seidenpavillons verwoben sogar digitale Konstruktion und biologische Herstellung. Neri Oxman ließ sich von der Fähigkeit der Insekten inspirieren, aus einem einzigen Seidenfaden einen dreidimensionalen Kokon zu erzeugen. 2013 schuf sie den ersten Silk Pavilion, eine Kuppel von drei Metern Durchmesser, die 6.500 Seidenraupen innerhalb von drei Wochen mithilfe eines Roboterarms sponnen, ein ephemeres Gebilde an der Grenze von Design, Innenarchitektur und Kunst und zugleich ein hochästhetischer Ausblick auf eine mögliche Zusammenarbeit von Mensch und Natur. Kritiker:innen mögen ein -
wenden, auch hier werde die Natur dem Menschen untertan gemacht, und die Seidenraupen seien nichts anderes als Kühe oder Schafe, aber Oxman will vor allem eines: Perspektiven öffnen und uns aus unseren Denkgefängnissen befreien. Sie steht nicht allein. Gerade das Spekulative ihres Ansatzes teilt sie mit einer ganzen Reihe von Designer:innen wie Formafantasma oder den Niederländerinnen Laura Luchtman und Ilfa Siebenhaar, die Stoffe mithilfe von Bakterien färben, genauer: Bakterien Schallfrequenzen aussetzen, damit sie Muster auf dem jeweiligen Stoff erzeugen. Noch fehlen die großen Vorhaben, die im industriellen Maßstab Materialexperimente erschwinglich machen. Doch oft sind es gerade avantgardistische Ausstellungsprojekte, die unseren Blick auf die Welt verschieben und so für Veränderung erst empfänglich machen.
Es ist kein Zufall, dass sich gerade an der Schnittstelle von Biologie, Design und Technologie etwas tut. Bio-Materialien sind schon seit anderthalb Jahrzehnten weit fortgeschritten. Zusammen mit 3DDruckverfahren ergeben sich neue Spielräume für Gestalter:innen beim Übergang von der fossilen Energiewirtschaft zur Solarenergiewirtschaft: Denkbar sind sogar Bio-Batterien oder Stoffe, die völlig auf Umweltgifte verzichten und bedenkenlos auf den Kompost geworfen werden können, damit aus ihnen Neues entsteht.
DIE FARBE LILA
STADT MÜNCHEN
REFERAT
Stadtbaurätin
Prof. Dr. Elisabeth Merk wirbt für die umweltbewusste Stadt der Zukunft.
Prof. Dr. Elisabeth Merk leitet das Referat für Stadtplanung und Bauordnung in München
OLIVER HERWIG
Wenn du einen Baum in der Stadt umarmen und ihm danke sagen würdest, welcher Baum wäre das – und wo stünde er?
PROF. DR. ELISABETH MERK
Das wäre eine Kastanie, und sie stünde wahrscheinlich am Übergang eines Biergartens zu einer Freifläche.
Erholung wäre also das Thema?
Ja, und zwar nicht irgendwo im Wald oder in den Isarauen, sondern am Übergang zum Wohnumfeld, wo man sich trifft, daher der Biergarten, ein klassischer Freiraum, eine kleine grüne Oase, wie es sie in München viele gibt, Begegnungsorte mit etwas Urbanität und Infrastruktur. Ein Stück Natur in der Stadt.
OH
Bürger:innen wollen Natur auch in der Stadt und fordern mehr Grünflächen. Wie hat das die Stadtplanung in den letzten Jahren verändert?
EM
Frischluftschneise, das andere, Prozesse an neue Anforderungen anzupassen.
Das ist ja ein ganz alter Wunsch, der immer dann aufkam, wenn die Stadt ein Stück wuchs. Da ging es darum, wo man wieder eine „grüne Lunge“ in der sich weiterentwickelnden Stadt organisiert. Jetzt merken wir, dass wir Parkmeilen schaffen müssen, um größere Grünflächen zusammenzubringen. Pocket-Parks, die zwei verschiedene, vielleicht ganz gut funktionierende Freiflächen verknüpfen. Es ist eine wichtige Zukunftsaufgabe, das Mikroklima der Stadtquartiere mit dem Stadtentwicklungsplan 2040 zu verbinden. Das eine ist, einen Park zu planen oder eine EM
OH
Der Stadtentwicklungsplan 2040 ...
EM
... ist digital und damit in der Lage, dynamische Elemente der Stadtentwicklung abzubilden, zu vernetzen und Szenarien zu ermöglichen. Immobilien sind ja per se nicht dynamisch, auch wenn sie sich verändern. Erstmals werden Klima, Energielandschaft und Freiraum nicht nur als Fachkapitel abgehandelt. Sie bilden neben dem Status quo auch Potenziale und Risiken ab. In gewisser Weise ist unser Stadtentwicklungsplan ein Transformationsbarometer. Wenn wir Gebäude und Entwicklungen so setzen, dass es mehr Luftstrom gibt und weniger Versiegelung, dann ist es besser.
OH
Wie sieht das konkret aus?
EM
Mein Lieblingsbeispiel ist das Gewerbeband von Steinhausen, also die Verlängerung der Prinzregentenstraße zur Messestadt Riem. Die Farbe Lila zeigt an: Es ist relativ heiß und trocken mit vielen befestigten Flächen. Es ist aber auch ein wichtiger Frischluftkorridor. Mit dem Rahmenplan Steinhausen können wir mit Projektentwickler:innen, Eigentümer:innen und auch Bürger:innen der anliegenden Viertel in den Dialog gehen. Ähnlich war es beim Wettbewerb Frankfurter Ring. Da schauen wir ganz konkret: Was können wir machen? Wahrscheinlich können wir die Welt nicht auf einen Schlag retten, aber man kann sie an diesen Orten eindeutig verbessern.
OH
Wie lassen sich Natur und Nachhaltigkeit konkret mit Gebäuden verbinden?
Wir wissen ja schon ziemlich gut, wie wir so was entwickeln können. Das zeigen Pilotprojekte. Aber wir brauchen etwas, das wir für große Stadtquartiere wie für kleine Kommunen durchgängig umsetzen können, Pilotprojekt zur Alltagspraxis könnte man das nennen. Zudem müssen wir unterscheiden zwischen Bestand und Neubau. Im Neubau kann ich ja fast alles machen, und mittlerweile haben wir auch ganz interessante Konzepte für den Bestand. Aber reicht eine begrünte Fassade, um das Haus ökologisch zu machen? Und wie kriegen wir die CO 2- und Hitzekurve nach unten? Das sind wichtige Themen für das Mikroklima und nicht nur gefühlte Wahrheiten. Die große Kastanie spendet Schatten. Ihre Verdunstung lässt sich gut berechnen, auch die Wassermenge, die sie aufsaugt. Aber es geht ja auch ums Wohlfühlen, dazu kann schon eine Fassadenbegrünung, ein kleiner grüner Platz oder ein neuer Baum im Viertel beitragen, auch wenn das unsere Klimabilanz nicht sofort verändert. Aber immer besser einer mehr als einer weniger.
OH
Warum ist das so schwer umzusetzen?
EM
Weil die Kosten weniger die Investitionen ausmachen, sondern die Kümmerer danach. Und ehrlich gesagt, da sind Bürgerinnen und Bürger auch nicht gerade vorbildlich. Denken Sie etwa an die beliebten Schottergärten, bei denen man sich wirklich fragt: Was sind das für herzlose Menschen, die so etwas anlegen? Insofern ist es nicht nur eine Frage, wie wir das in unseren großen Planungen und Liegenschaften umsetzen oder dort, wo wir über Bebauungspläne und Satzungen wirklich etwas erzwingen können, sondern wir brauchen auch die Bereitschaft der Menschen, denen Grün wichtig ist.
RAHMENPLAN - Schritt 1
MOBILITÄT & INFRASTRUKTUR
T Tram Station (in Abstimmung)
Rufbus Linie Slowmobility Verbindung
RAHMENPLANUNG
& FREIRÄUME
Einzugsgebiet Mobility Hubs Einzugsgebiet Tram
Das 250 bis 320 Meter breite Gewerbeband Steinhausen südlich der A 94 ist eines der großen Gewerbegebiete in München. Das stark v ersiegelte Gewerbegebiet soll langfristig für Industrie und Gewerbe erhalten b leiben. Da dort auch ein wichtiger Frischluftkorridor liegt, sucht die Stadt nach Möglichkeiten, wie beides in Einklang gebracht werden kann.
Die Parkmeile Trudering-Neuperlach ist eine von elf Parkmeilen in M ünchen. Bei den Parkmeilen handelt es sich um lang gestreckte Grünzüge, die innerstädtische Freiflächen mit dem Grüngürtel am Stadtrand v erbindet. Dort können sich Münchener:innen wohnungsnah erholen, die P arkmeilen dienen aber auch als Rückzugsraum für Tiere und Pflanzen.
WAHRSCHEINLICH KÖNNEN WIR DIE WELT NICHT
AUF EINEN SCHLAG RETTEN, ABER
MAN KANN
SIE AN DIESEN ORTEN EINDEUTIG VERBESSERN
Die Renaturierung der innerstädtischen Isar war jahrelang das Vorzeigeprojekt in Sachen nachhaltige Entwicklung in München. Expert:innen aus aller Welt strömten nach München, um sich den Prozess erklären und das Ergebnis ansehen zu können.
OH Da hat sich aber viel getan.
EM
Stimmt. Was auf Balkonen oder Rest-Grünstreifen inzwischen blüht, wäre vor zehn Jahren nicht möglich gewesen. Ich bin da gar nicht so pessimistisch. Mein Paradebeispiel ist die Isar-Renaturierung: gemeinsam mit der Natur, für die Natur und die Menschen. Wir wollen das in ähnlicher Form wieder demonstrieren – diese Vereinbarkeit von Natur-
schutz, Renaturierung mit Erholungsaspekten und Hochwasserschutz.
OH
Große grüne Strukturen ...
EM ... sind nicht nur in der Stadt, sondern auf einer regionalen Ebene nötig. Die Landwirtschaft spielt eine große Rolle, dazu kommen Anforderungen der Infrastruktur. Wir wollen keine Tiefgaragen mehr bauen, damit
die Höfe besser bepflanzt werden können. Da haben wir schon viel auf den Weg gebracht. Im großen Stil geht es vielmehr um Fragen der Infrastruktur, etwa der Energieinfrastruktur, die uns extrem belasten wird. Unter Stromleitungen lassen sich keine Bäume pflanzen. Gehen wir besser zentral oder dezentral mit diesen großen Fragen um? Das erscheint mir ähnlich zukunftsweisend wie die Renaturierung in den 1980er und 1990er Jahren.
3 FRAGEN
AN
IMKE GRIMMER
REFERENTIN IM GOETHE-INSTITUT, KULTURABTEILUNG DER ZENTRALE MÜNCHEN
Was müssen wir lernen, wenn wir mit der Natur zusammenarbeiten wollen?
Wir müssen lernen, dass nicht alles zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar ist. Wir müssen uns vom Produktions- und Wachstumswahn verabschieden und uns darüber bewusst werden, was wirklich notwendig ist. Wir müssen lernen, dass Phänomene der Natur oftmals unvorhersehbar und immer vergänglich sind. Der Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy zeigt es auf wundervolle Art und Weise: „Nur mit dem zu gestalten, was vorhanden ist, ist möglich.”
Müssen wir „Natur“ neu definieren?
Wenn wir uns selbst als Teil der Natur sehen und nicht als getrennt von ihr, gehen wir respektvoller mit ihr wie uns um. Natürliche Ressourcen sind begrenzt. Wir gehen schon zu lange über die Grenzen der Natur hinaus, weil es technisch möglich ist und weil wir uns nicht als Teil der Natur verstehen. Wir sägen den Ast ab, auf dem wir sitzen. Betrachten wir uns lieber selbst als einen Ast. Nicht alles, was möglich ist, ist auch n otwendig.
Wie verändert sich das Design, wenn wir künftig verstärkt in Materialkreisläufen denken?
Natürliche Materialien, die ohne menschliches Zutun wachsen, sind Teil eines Kreislaufes, in dem es keinen Abfall gibt. Dieser Kreislauf kann Vorbild sein für ein verantwortungsvolles Design von Produkten, bei dem das E nde eines Produktes den Anfang von etwas Neuem darstellt. Im Gestaltungsprozess sollten Langlebigkeit, Wiederverwertbarkeit und Recyclingfähigkeit der verwendeten Materialien Grundprinzipien sein.
ANNETTE SCHORR
DESIGN DIRECTOR INTERIOR & EXHIBITION
DREES & SOMMER
Was müssen wir lernen, wenn wir mit der Natur zusammenarbeiten wollen?
Wir wollen uns gar nicht außerhalb der Natur positionieren, sondern verstehen uns selbst als Teil der Natur – und zwar den mit der größten Verantwortung. Für uns ist der Kirschbaum zum Best Practice des Kreislaufgedankens geworden: An ausgewählten Stellen können wir, vergleichbar der überschwänglichen Blütezeit, weiterhin aus dem Vollen schöpfen. Aber jeder noch so kleine Bestandteil soll Sinn stiften und einen positiven Impact haben.
Hat traditionelles Handwerk einen besseren Zugang zur Natur?
Wenn man Handwerk mit Einfachheit und geringerer Komplexität, kurzen Wegen und regionalen Quellen assoziiert, dann ist es definitiv der richtige Weg zu mehr Nachhaltigkeit und Naturnähe. Wir schätzen die individuellen Lösungen sehr, die aus guten Partnerschaften auf Augenhöhe entstehen und unseren Projekten eine ganz eigene Handschrift verleihen, wie die Haptik von natürlichen Materialien und langlebige, da reparaturfähige Konstruktionen.
Worin liegt die Herausforderung, wenn wir zusammen mit der Natur Projekte und Prozesse entwickeln?
Am liebsten lösen wir Grenzen auf, holen das Draußen nach drinnen und schaffen Bezüge von innen nach außen. Wenn es das Projekt erlaubt, gestalten wir den Außenraum als gleichberechtigte Räume mit – nur eben outdoor. Überall sonst integrieren wir Pocket-Parks und große Pflanzen in einer von uns entworfenen Möbelserie: Die trapezförmigen, mobilen Tische und Tröge sind maximal flexibel, verbessern die Luftqualität und das persönliche Wohlbefinden. Denn wer arbeitet nicht gerne im Grünen?
AN 3 FRAGEN
DREES & SOMMER
WENN DAS PAPIER NACH SCHOKO
LADE DUFTET
Greenfibra Labs entwickelt individuelle Papiere –und das ausgesprochen nachhaltig.
Papier ist nicht nur geduldig, Papier ist längst Hightech. Grünes Hightech, das nachwachsende Rohstoffe zu immer neuen, immer überraschenderen Kombinationen verbindet. Plötzlich duftet Papier nach Kakao oder Tee und die Fingerkuppen fahren über Einsprengsel und Erhebungen, Papier ist essbar und voller Blüten, und Etiketten sind aus besonderem Graspapier. Der Ort, an dem diese neue Papierwelt Gestalt annimmt, nennt sich Greenfibra Labs, Teil der Papierfabrik Gmund. Projektleiterin Dr. Katrin KlothEverding entwickelt im Auftrag besondere Papiere. Das ist besonders nachhaltig. Und besonders vielseitig: „Wir fertigen stän -
dig neue Produkte für Kund:innen, alternative Papiere. Das ist herausfordernd und spannend.“ Kein Wunder, schließlich hat die promovierte Chemikerin den vielleicht aufregendsten Beruf der Papierbranche: Sie ist Forscherin, Gestalterin und Entdeckerin in einer Person. Zusammen mit ihren Kolleg:innen im Labor und der Produktion von Gmund beschreitet sie Neuland. Gleich ob es um schnell wachsende Einjahrespflanzen wie Hanf oder um Produktionsabfälle geht, stellt sie eine entscheidende Frage: „Wie können wir daraus Papiere machen für Kommunikation oder Verpackungen?“ Aktueller Liebling ist ein Schokoladenpapier, das sie hier bereits zum
Standort von Gmund Papier
Verschiedene Faserproben im Labor
Fasermaterial für die Forschung
dritten Mal produzieren. Die ganze Herstellung riecht intensiv nach Schokolade, weil das Papier Produktionsreste enthält, kleine Einschlüsse von Kakaoschalen. Es ist eine wahre Kunst, aus den verschiedenen Zutaten das richtige Verhältnis für ein gutes Papier zu entwickeln. Der Clou in diesem Fall: recycelter Zellstoff, der etwas dunkler ist und so den Schokoladencharakter unterstreicht. Alles entsteht direkt mit Kund:innen, die ein spezielles Papier wünschen, einerseits, um wirklich alles auszuloten, was überhaupt geht, andererseits, um zusammen noch nachhaltiger zu werden. Denn die Kund:innen beauftragen nicht einfach ein Sonderpapier, sie müssen auch dafür sorgen, dass die Grundlage – in diesem Fall: Reste der Schokoladenproduktion – in ausreichender Menge beim Traditionshersteller Gmund Papier am Tegernsee landet. Aus scheinbarem Abfall entstehen nun erlesene Verpackungen und Papiere. Nachhaltiger geht es kaum mehr.
Gewänder aus Papier
Kaffee, Schokolade, Kräuter, Gewürze und Tees sind gerade angesagt, und bei Greenfibra Labs entsteht das passende Gewand aus Papier. „Ich sehe keine Grenzen, das Feld ist riesig“, sagt Kloth-Everding und erinnert an Kosmetik, die ja auch aus Pflanzen oder Blüten besteht und geradezu prädestiniert ist für besondere Verpackungen. Nase, Augen und Fingerkuppen springen sofort darauf an. Diese Papiere sind pure Emotion, sie vermitteln sinnliche Werte. Und jeder spürt sofort, dass hier viel Wert gelegt wurde auf Material und Gestaltung. Umweltschutz in seiner schönsten Form.
Es ist ja nicht so, dass Gmund seinen Kund:innen keine Wahl lassen würde. Allein im Standardsortiment gibt es über 100.000 verschiedene Varianten für Papiere, eine jeweils besondere Mischung aus Farbe, Grammatur und Oberflächenbeschaf -
fenheit. In der Regel kommen ein bis zwei neue Kollektionen pro Jahr heraus, die alle dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet sind, FSC-zertifiziert und nachhaltig produziert. Mit der Gmund Bio Cycle-Kollektion gelang es, die Hälfte des Holzzellstoffes zu ersetzen, zum Teil mit Blattgrün, also Chlorophyll oder Stroh, oder auch mit Hanf. Immer mehr Kollektionen sind Cradle-to-Cradle-zertifiziert. Der Aufwand lohnt sich. Denn Kund:innen verlangen Umweltzertifikate und -siegel und fragen nach, ob auch in Deutschland produziert wird. Ein Umdenken hat begonnen. Aber Nachhaltigkeit ist nichts, was einmal zum Stillstand kommen würde. Immer wieder finden sich Stellschrauben und Verbesserungsmöglichkeiten. Auch bei Gmund Papier. Die zugekaufte Energie stammt zu 100 Prozent aus Wasserkraft. Dazu kommen eigene Solarpanels und eine Ozonreinigungsanlage. Besonderes Augenmerk legt Gmund auf das Abwasser über die strengen gesetzlichen Bestimmungen hinaus. „Wir brauchen viel Wasser“, sagt Katrin Kloth-Everding. „Und wir wollen wenig Feinstoffe ins Abwasser geben, um es nicht zu verunreinigen.“ Jedes neue Papier entsteht in einem Abwägungsprozess. Hat es denn wirklich eine bessere Umweltverträglichkeit? Wo kommt der Faserstoff her? Wie müssen wir es verarbeiten? Welcher Energieaufwand ist nötig? Und wie ist die Recyclingfähigkeit dieses Papiers oder Stoffs?
Grundlagenforschung inklusive
Rund zwei Wochen dauert die erste Begutachtung, da geht es neben Produktionsfragen auch um scheinbare Kleinigkeiten wie Trocknungs- und Zerkleinerungsprozesse. Ab zwei Tonnen können Kund:innen ohnehin ein individuelles Papier herstellen
lassen. Vor allem nutzen das Unternehmen und punkten mit eigener Farbe und einer eigenen Oberfläche. Bei Greenfibra Labs kommen jeden Monat zwei, drei Produkte oder Materialien zur Laboranalyse hinzu. Ein aktuelles Forschungsthema sind Produkte aus Moorfasern wie unter anderem Schilf, die vor allem für dickeres Papier taugen, Wellpappe und Eierkartons zum Beispiel.
Kloth-Everding leistet Grundlagenforschung. Ihr geht es darum, grundsätzlich herauszufinden, welche Stoffe wie zu Papieren werden. Sie prüft Fasereigen -
MAMA, KANN MAN DARAUS AUCH PAPIER MACHEN?
schaften und stellt Papiermuster her, um ein Gefühl dafür zu erhalten, was überhaupt möglich ist. Am Anfang testet die Chemikerin mit allen Sinnen. „Ich nehme das Material in die Hand, schaue es mir an. Wie feinkörnig ist es? Ein feines Material wird auch ein feines Papier geben. Gibt es Einschlüsse?“ Dann schießt ihr durch den Kopf: „Wie kann ich es kombinieren, mit welcher Faser?“ Das gibt dem Papier Festigkeit. Und wenn alles optisch und haptisch passt, dann geht es so richtig los mit der angewandten Faserforschung. Das Musterpapier muss mit der Produktion abgestimmt werden. Könnte es mit der Maschine Probleme geben? Und wie dürfte dann die Testproduktion aussehen? So viel Engagement steckt an: Inzwischen sammeln ihre Kinder Holzstiftreste beziehungsweise Abfälle vom Anspitzen oder kommen mit irgendwelchen Pflanzen aus dem Garten und fragen: „Mama, kann man daraus auch Papier machen?“ Ganz kleine Schritte aus unserem Alltag. Und doch ein deutlicher Schwenk zu mehr Nachhaltigkeit im Leben.
SEPTEMBER 19, 2024
3 FRAGEN
AN
CAROLIN PAULY
GESCHÄFTSFÜHRERIN
IUD INSTITUT FÜR UNIVERSAL DESIGN
THOMAS
GRÜNDER
BADE
IUD INSTITUT FÜR UNIVERSAL DESIGN
Universal Design – was ist das eigentlich und wohin entwickelt es sich gerade?
Wir definieren Universal Design als verantwortliche Gestaltung für die Vielfalt der Gesellschaft. Sie ermöglicht dadurch Zugang, Selbstbestimmung und Teilhabe. Universal Design hat somit hohe gesellschaftliche Relevanz.
Das Universal Design Forum e. V. rückt konsequent die Unterschiedlichkeit der Menschen ins Zentrum. Wir sind überzeugt, dass die Stärke unserer Gesellschaft in der Individualität und Vielfalt der Menschen liegt. Damit kann und muss Universal Design in allen Lebensbereichen wirksam werden. Ein aktueller Fokus liegt sicherlich auf der Gestaltung von universellen A rbeitsplätzen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, und auf der Bildung.
Gibt es Schnittmengen zur Nachhaltigkeit?
Das beinhaltet sowohl die soziale wie die ökologische Nachhaltigkeit. Produkte, Dienstleistungen und Umwelten, die universell gestaltet sind, sorgen für soziale Gerechtigkeit. Die ökologische Komponente liegt in der längeren und effektiveren Nutzung beispielsweise von Gebäuden, wenn diese die Bedürfnisse verschiedenster Nutzer:innen berücksichtigen.
Inspirieren dabei Vorbilder aus der Natur?
Bei der Gestaltung nach den Universal-Design-Kriterien ist die Natur oft Vorbild. Der Klettverschluss wurde von Haken und Schleifen an Pflanzen inspiriert. Mit seiner Hilfe können sich auch Menschen mit e ingeschränkter Motorik selbstständig an- und ausziehen. Ein weiteres Beispiel ist die c ircadiane Beleuchtung, die sich am Schlaf- und Wachrhythmus orientiert. In der stationären Pflege sorgt sie erwiesenermaßen für erholsamere Nächte für Bewohner:innen und Personal und für mehr soziale Interaktion am Tag.
THORSTEN HABERMANN
FOUNDER UND MANAGING DIRECTOR PRETTYGOODIDEAS
Werden wir in Zukunft mehr zusammen mit der Natur entwickeln?
Es wäre wünschenswert! In jüngster Zeit wird der Trend, mehr Zeit in der Natur zu verbringen, beliebter. Dieser Trend spiegelt den Wunsch nach Verbundenheit, Selbstreflexion und Authentizität wider. In Zukunft wird diese Verbindung noch intensiver gesucht, insbesondere an Orten, die weniger urbanisiert sind. Diese Entwicklung birgt Chancen für die Berufswelt, indem sie Potenziale für mehr Wohlbefinden und Produktivität erschließt.
Haben Sie bereits Projekte in Kollaboration mit der Natur durchgeführt?
Im Rahmen des Flower Power Festivals in München haben wir den Einfluss von Blumen im Digitalen untersucht. In Studien, Tests und Expert:innenGesprächen fanden wir heraus, dass mit Blumen verknüpfte Inhalte signifikant positiver wahrgenommen werden und uns z. B . bei der Orientierung und bei Lernerfahrungen helfen. Dies zeigt den Einfluss der Natur im Digitalen und eröffnet neue Wege, natürliche Elemente in digitale Medien zu integrieren.
Worin liegt die Herausforderung, wenn wir zusammen mit der Natur P rojekte / Prozesse entwickeln / verändern?
Die Herausforderung bei Projekten, die die Natur miteinbeziehen, besteht darin, einen spielerischen Ansatz zu verfolgen und die Natur als integralen Partner in einem Co-Creation-Prozess zu sehen. Eine solche Herangehensweise ermöglicht es uns, mit der Natur zu arbeiten, anstatt gegen sie, und eröffnet kreative Wege im gemeinsamen Handeln. Dies beinhaltet auch, dass wir der Natur etwas zurückgeben, um ein echtes und ernsthaftes CoWorking zu schaffen.
3 FRAGEN
AN
JEDER AUFTRAG
EINE BEZIEHUNG
Deutsche Finance Group, 2023
Inhorgenta, 2020
Warum ARNO Design keine Spanplatten quer durch die Republik kutschiert und mit modularer Prebuilt-Messearchitektur sehr
nachhaltig arbeitet.
Messebau: Das klingt fast wie Fast Fashion: schnell und spektakulär, aber eben auch garantiert nicht nachhaltig. ARNO Design geht einen anderen Weg, ohne Abstriche beim Auftritt hinzunehmen. „Wegwerfmessen haben wir immer vermieden“, sagt Mirka Nassiri, CEO Strategic Project Development. „Ich wurde dazu erzogen, Energie zu sparen und pfleglich mit Dingen umzugehen.“ Der Geschäftsbereich ARNO Expo Development steht für modulare Messekonzepte, hochwertige Materialien und digitale Lösungen, die sich sofort individualisieren lassen.
Fast Fashion sei ein gutes Stichwort, meint CEO und Creative Director Claus Neuleib. „Wir kommen vom hochwertigen Messebau und haben lange für die
Modebranche gearbeitet, die uns ganz schön gefordert hat. Das war High-End-Designarbeit. Alles musste passen, sehr gut organisiert sein und gut kommuniziert werden.“ Seit 15 Jahren hat das Unternehmen mit ARNO Expo Development ein zweites Standbein. „Neben klassischem Messebau ist Prebuilt-Architektur unsere Stärke.“ Manche Aussteller mussten sich erst daran gewöhnen, nicht zu sägen und zu bohren. Denn nach der Veranstaltung werden ganze Messestände abgebaut und eingelagert. „Manche stehen auf der Messe und können kaum glauben, dass jetzt schon Übergabe ist. Sie fragen: ‚Wo bleiben denn die Laster?‘“ Bei ARNO Design aber wird keine einzige Spanplatte von Berlin nach München gekarrt oder von Nürnberg nach Düsseldorf. Das 23-köpfige
Team arbeitet mit lokalem Material und Partnern vor Ort. „Wir versuchen, unter anderem ohne Folien auszukommen und auf nachhaltigem Papier zu drucken. Eine Selbstverständlichkeit, die wir nie an die große Glocke gehängt haben.“ Das Modulsystem lässt sich fast beliebig individualisieren mit Add-ons, Grafiken oder Logos. Sonderwünsche sind der Alltag. Jede Änderung wird in der Datenbank und dem Prebuilt-System verknüpft. Das spart Zeit, besonders bei den Ausstellern, die sonst eigens Mitarbeiter:innen für den Messestand abstellen müssten. „Das alles nehmen wir ab“, sagt Nassiri, „deswegen kommen unsere Partner:innen auch gerne wieder zurück.“
Die Zahlen sprechen für modulare Messestände. Messegesell -
schaften und Aussteller sparen rund die Hälfte des Budgets –und das bei höchster Qualität. ARNO Design braucht keine Rie -
GESTALTUNG IST IMMER EINE ZIEMLICH PERSÖNLICHE GESCHICHTE UND JEDER AUFTRAG
senwerkstätten und kommt mit wenig Material aus. Dazu kommen digitale Planung und Kommunikation, sagt Mirka Nassiri: „Wir überzeugen Aussteller, weil wir die Ergebnisse von Besprechungen mit bis zu 80 Teilnehmer:innen sofort transparent machen.“
Geschäftsführung: Peter Haberlander, Claus Neuleib, Mirka Nassiri (v.l.n.r.)
Individuell gestaltet
ARNO Design ist seit 30 J ahren am Markt. Für Messegesellschaften und Veranstalter konzipieren sie komplette atmosphärische Hallenkonzepte. „Das ist spannend, weil das Erlebnis stark vom Ganzen abhängt. Flächenkonzepte bis hin zu Catering und Chill-out, wie zum Beispiel eine Orient-Bar, ein Venice-Restaurant oder die Buddha-Bar, lassen die Messe zu einem einzigartigen Erlebnis werden. Entscheidend ist der Gesamteindruck der Halle.“
Messegestaltung ist wie ein Katalysator, immer geht es um Gefühle, jenes schwer zu beschreibende Etwas, das in der Luft liegt und eine Begegnung zu etwas
Besonderem macht. Messen, die nicht emotional zünden, haben Probleme. Wie also gelingt ein Messestand, der Menschen berührt? „Gestaltung ist immer eine ziemlich persönliche Geschichte.Und jeder Auftrag gleicht einer Beziehung“, sagt Peter Haberlander. „So etwas läuft ja nie nach Standard ab, sondern dreht sich um Eigenheiten und das Besondere, das wir herauskitzeln. Es braucht einfach Verständnis für die Firma. Und Mut. Wir trauen uns, sehr proaktiv und konsequent zu sein.“ Sein Kollege Claus Neuleib geht noch einen Schritt weiter: Ein guter Messeauftritt müsse polarisieren, sich kraftvoll vom Umfeld abheben, „auffallen“. Solle statt „weichgespülter Kompromisse“ lieber eine „Design-Diktatur“ anstreben.
Die Kunst bestehe eben auch darin, zu machbaren Budgets eine überzeugende Gestaltung zu erzielen. Die verschiedenen Kompetenzen und Charaktere bei ARNO Design helfen dabei. Aber es gibt auch Grenzen. „Nein, wir wollen nicht alles machen“, sagt Haberlander, „das ist der Vorteil, wenn man länger im Geschäft ist. Klar, ein Start-up hat auch Charme. Aber wir haben Erfahrung und in unserem Team eine gute Mischung Jüngerer und Älterer. Da können wir schon mal nein sagen zu manchen Wünschen. Und wenn die Messe dann rum ist, sind alle froh, dass sie es riskiert haben.“ So arbeitet ARNO Design am liebsten mit langfristigen Partnern. „Je länger wir sie kennen und gemeinsam zusammenarbeiten, desto mehr vertrauen uns die Kunden und lassen uns freie Hand bei der Wahl der Materialien und im Design.“
len hier keine Spanplatten, um sie zu recyceln, sondern nutzen existierende Module“, antwortet Mirka Nassiri. „Nachhaltigkeit ist einfach viel zu komplex, es geht nicht nur um Materialität, gefahrene Distanzen und lokale Aufbauleistungen.“ Daher lässt sich das Münchner Unternehmen gerade zertifizieren, auch weil immer mehr Aussteller gewährleisten wollen, dass sie auf der richtigen Seite stehen. Niemand will sich als „Billig und One-way“-Aussteller outen. Zusammen mit dem Kooperationsprojekt der Landeshauptstadt München „ÖKOPROFIT (ÖKOlogisches PROjekt Für Integrierte UmweltTechnik)“ durchleuchten sie alle Schritte. Nachhaltigkeit brauche Expert:innen, ergänzt Haberlander. Nachhaltigkeit ist aber auch eine Sache der Einstellung und der richtigen Stellschrauben. Sabrina Brückner, Head of Marketing & Communications, öffnet eine riesige Checkliste, von der Materialauswahl und Energieeffizienz über reduzierte Transportkosten, weil lokale Lieferanten und Hersteller bevorzugt werden, hin zu wiederverwendbaren Modulen („Wir entwerfen den Messestand so, dass er leicht zerlegt und wiederverwendet werden kann“), über das Abfallmanagement und digitale Lösungen bis zur sozialen Verantwortung: „Wir stellen ethische Arbeitspraktiken sicher.“
Nachhaltig zertifiziert
Wie aber lässt sich Nachhaltigkeit festmachen? „Wir zermah -
ARNO Design arbeitet inzwischen in vier Welten: am Messestand selbst, der Hallen-Choreografie, Outdoor und im virtuellen Raum. „Wenn wir Projekte planen, gibt es automatisch eine digitale Version dazu. Wir haben sämtliche Stände in 3D“, sagt Nassiri, die bei reinen OnlineAuftritten skeptisch bleibt. Mit einem Standardpaket für alle funktioniere es einfach nicht. Und dann lacht sie: „Der Wein schmeckt digital einfach nicht so gut. Es geht doch immer um persönliche Begegnungen.“
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FLORIAN BAILEY
GESCHÄFTSFÜHRER
WLADISLAW SOKOLOWSKIJ
GESCHÄFTSFÜHRER KREATION
Müssen wir „Natur“ neu definieren?
Ja, wir stehen an einem Wendepunkt, an dem wir nicht nur Natur, sondern auch Konzepte wie Menschlichkeit und Intelligenz neu definieren müssen. Die Frage nach der Natur stellt sich in vielen Bereichen neu. Allerdings geht es weniger um die Definition selbst, sondern vielmehr um die kontinuierliche Auseinandersetzung mit den Aspekten der Natur. In einer Welt (un)begrenzter Möglichkeiten ist es entscheidend, unsere Beziehung zu allem immer wieder neu zu bewerten und zu definieren.
Was müssen wir verändern, wenn wir mit der Natur zusammenarbeiten wollen?
Um mit der Natur zusammenzuarbeiten, müssen wir lernen, uns selbst Grenzen zu setzen beziehungsweise zu akzeptieren. Bei der Entwicklung und Gestaltung des Restaurants „etz“ mit Felix Schneider war die Beschränkung auf selbst gesetzte Regeln – nachhaltig, regional und saisonal – der Anker. Limitierung zwingt jedes Team, egal ob im Design oder in der Küche, intensiver mit der Natur zu interagieren und ihre Rhythmen und Ressourcen besser zu verstehen. Es ist ein Prozess des Umdenkens: Die Limitierung eröffnet neue Perspektiven.
Und worin liegt die Herausforderung, zusammen mit der Natur zu entwickeln?
Sich auf die Beschränkung wirklich einzulassen und nicht zu versuchen, sie irgendwie zu umgehen, denn durch sie ändert sich unsere Sichtweise grundlegend, und das Neue erhält eine Chance. In einer Welt, in der Unbegrenztheit oft zu Gleichförmigkeit führt, kann die bewusste Limitierung eine Quelle der Innovation sein. Diese Herangehensweise ist besonders im KI-Zeitalter von Bedeutung, da sie uns hilft, Einzigartigkeit zu bewahren und Austauschbarkeit zu vermeiden.
AN 3 FRAGEN
UNLIMIT!
Designlösungen, die Natur und Technologie verschränken
DIE SCHLANGE IM DATENGARTEN
Wird Online zu unserer zweiten Natur?
Was ist schon real? Früher konnten Menschen, in Bücher vertieft, den Bus schon mal an der falschen Haltestelle verlassen und für Augenblicke völlig desorientiert wirken. Heute wischen wir täglich durch mehr Bilder, als unsere Großeltern in einem Jahr knipsten, wir sind multitaskingfähig bis effektresilient. Der schnelle Wechsel zwischen Bewegtbildern auf dem Smartphone, Tweets und Reels gehört dazu. Es braucht mittlerweile fast ein Stück Mut, Medienprofis wie uns den Boden unter den Füßen entziehen zu wollen, und zwar wortwörtlich: In „Richie’s Plank Experience“ geht es einen virtuellen Wolkenkratzer nach oben und dann auf eine Holzplanke über den Abgrund. Es fehlt eigentlich nur noch ein Windstoß um die Nase, so verdammt real fühlt sich
das Experiment an, ungemütlich, trotz pixeliger Darstellung der VR-Brille.
Im Datenzeitalter nimmt Technologie selbst naturhafte Züge an. Sie ist komplex und ubiquitär. Sie umgibt uns vom Aufstehen bis zum Zubettgehen und rückt an uns heran, physisch wie gedanklich. Durch Virtual Reality, Metaverse und künstliche Intelligenz eröffnen sich völlig neue Dimensionen „naturnaher“ Erfahrungen. Kein Wunder, dass die aktuelle Kunstszene das Verschmelzen von Technologie und Natur in totaler Immersion längst thematisiert.
Künstliche Natur
Was ist das eigentlich für ein Gefühl, Welten zu schaffen, in denen sich Besucher:innen frei bewegen, künstliche Natur inklusive? Tamiko Thiel, 2018 ausgezeichnet mit dem iX Visionary Pioneer Award für ihr Lebenswerk als Digitalkünstlerin, hat ein Faible für Naturdarstellungen. Ihre Arbeit markiert eine Schwelle der Aug -
mented Reality, an der schlagartig die totale Immersion stattfindet. Den Anfang machte 2012 „Transformation Lehel“, eine interaktive Installation, die Münchens kanalisierte Stadtbäche wieder zutage förderte. Auf dem Smartphone drehten sich virtuelle Mühlräder. In der letztjährigen Ausstellung „Flowers Forever“ der Kunsthalle München schickten Thiel und ihr Mitkünstler "/p" Besucher:innen einige Jahre in die Zukunft, zwischen die Zweige und Äste eines Waldes, wie er sich bald in Bayern ausbreiten könnte. Auf dem Smartphone wuchsen mit kegelförmigen Blüten übersäte Fichten, eingehüllt in Pollenwolken, eine hochästhetische Stressreaktion der Bäume, die in einer Art Überlebensinstinkt versuchen, in der von uns geschaffenen trockeneren und heißeren Umgebung zu bestehen. Schnell wurde aus der harmlosen Blütenschau eine „immersive Begegnung mit den Folgen des Klimawandels“. Mit jeder Drehung des Smartphones wurden die Besucher:innen tiefer hineingezogen in die blühende Dystopie. In den neuen Wäldern blüht die Elsbeere, umschwirrt
von grünschillernden Rosenkäfern. Sie ist Teil des künftigen Klimawalds, liefert Europas wertvollstes Hartholz und bietet mit ihren Früchten ein Biotop für Insekten, Vögel und Kleintiere. Tamiko Thiel öffnete Einblicke in eine blühende Digitalwelt. Und das absolut Artifizielle fühlte sich plötzlich stimmig an, fast schon normal.
Naturhaft gestalten hat natürlich einen Dreh: Woher stammt die Energie der Installation, was für Auswirkungen hat die Simulation einer (unerwünschten) Zukunft – und befördert das aufklärerische Projekt nicht paradoxerweise gerade diese Zukunft? Die Diskussion um den Energiehunger von Kryptowährungen und NFTs ist noch nicht abgeschlossen. Laut dem Electricity Consumption Index des Cambridge Center für Alternative Finanzen verbraucht allein Bitcoin rund 94 Terawattstunden und Ethereum bis zu 80 Terawattstunden pro Jahr. 2012 war das Internet für 4,6 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich, seither ist der Energiehunger drastisch gewachsen. 2020 verbrauchten allein deutsche Rechenzentren 16 Milliarden Kilowattstunden.
Hybride Technik
Wir steuern auf eine Zeit des „Data Warming“ zu, warnt ein YouTube-Video von GYOC (Grow Your Own Cloud). Daher müssen wir handeln: Daten werden nicht mehr in Serverfarmen gespeichert, die Energie fressen, sondern in die DNA von Pflanzen eingeschrieben, die CO 2 binden. In der Installation wird das Genom der Pflanzen durch modernste Se -
quenzierungstechnologien in „Echtzeit entschlüsselt und im Raum dargestellt, wobei versteckte Botschaften sichtbar werden“. Eine Fiktion? GYOC präsentiert den Datengarten als Erweiterung der Natur, als wirklich grünen Datenspeicher und als „öffentlich zugängliche Ressource, die von den Gemeinschaften gemeinsam genutzt werden kann“.
Der hybride Spanische EXPO- P avillon Dubai gab einen Einblick, wie eine solche Zukunft aussehen könnte, als Mischung aus Hightech, altem Wissen und nachhaltigen Material-Konzepten. Die kegelförmigen Gebäude aus wiederverwendetem Holz und Stahl nutzten den Kamineffekt und kühlten so mit traditioneller Technik. Der unterirdische Hightech-Ausstellungsbereich hingegen war voller „atmender Materialien“ einer interaktiven Inszenierung. 3D-gedruckte Bäume aus Maisdextrose und „PURE. T ECH“ sollten Luftschadstoffe binden. Für Sauerstoff sorgten Photobioreaktoren mit Mikroalgen. Der Auftritt entstand als Gemeinschaftswerk der Architekten Amann-Canovas-Maruri mit den Büros External Reference und Onionlab. Ziel war ein „immersives Erlebnis“, partizipativ und pädagogisch, spielerisch und erkenntnisreich.
Die Lage ist paradox: Während wir immer mehr Zeit vor Bildschirmen verbringen und eine zweite, digitale Welt aufbauen, in der wir uns ganz selbstverständlich einrichten, bauen wir an einem Habitat, das in Konkurrenz steht zur Ökosphäre. Die Kunst wird darin bestehen, beide Welten koexistieren zu lassen. Wie es scheint, hält Design dafür den Schlüssel bereit.
A KUPUNKTURN ADELN & S CHMETTERLINGSF LÜGEL
Wie sich Immobilien beleben lassen und zum Startplatz für Kreative werden, erklärt Marco Eisenack, Agenturinhaber der Munich Innovation Crew, Herausgeber des MUCBOOK und Gründer von MUCBOOK CLUBHAUS.
Event in der FRANZI – ein MUCBOOK CLUBHAUS
OLIVER HERWIG
Warum seid ihr Teil der mcbw?
MARCO
EISENACK
Ich glaube fest an die Idee der mcbw, Kreativwirtschaft, Wirtschaft, Kreative und Unternehmen zusammenzubringen. München ist ein toller Standort mit einer starken Hochschullandschaft, Weltkonzernen und einer lebendigen Kreativwirtschaft. Wir wollen diese Welten besser verzahnen, weil in München jeder noch zu sehr in seiner jeweiligen Blase steckt.
OH
Das neue MUCBOOK CLUBHAUS in Giesing eröffnet diese Chance, es soll ein Ökosystem der Kreativen werden.
ME
Genau. Wir bieten das ganze Jahr über einen Nährboden für Innovation. So etwas muss wachsen. Menschen brauchen erstaunlich lange, um Vertrauen aufzubauen und in Bewegung zu kommen, damit wirklicher Austausch und gemeinsam Neues entsteht. Das war bei all unseren Häusern so. Erst nach einem Jahr kommen erste Kollaborationsideen in die Umsetzung.
OH
Wie sieht so eine Zusammenarbeit aus?
ME
Im KICKOFF im Westend arbeitet beispielsweise ein 3D-Druck-Experte mit einer Künstlerin zusammen, die töpfert – g emeinsam haben sie eine Lampe entworfen.
Marco Eisenack
Kollaboration braucht nicht nur einen gemeinsamen Raum, sondern auch Zeit, das hätte ich mir viel einfacher und schneller vorgestellt. Man sieht, wir sind Teil der Natur, da schwingt viel Zwischenmenschliches mit. Und deshalb ist unsere große Vision, mit diesen Clubhäusern ein dauerhaftes Ökosystem zu schaffen.
OH
Das MUCBOOK CLUBHAUS im Westend ist nicht das erste …
ME
... inzwischen haben wir die dreiundzwanzigste Zwischennutzung eröffnet – seit 2019. Die Idee entstand aus dem Stadtmagazin MUCBOOK heraus. Wir wollten die guten Geschichten über die Pioniere mit ihren Ideen dreidimensional erlebbar machen. So entstanden Räume für kreatives Arbeiten, inspirierenden Austausch und kulturelle Interventionen. Wir haben zwar wechselnde Standorte, aber der MUCBOOK-Kosmos bleibt bestehen und wächst.
OH
Sind die Clubhäuser so was wie Akupunkturnadeln im räumlichen Kontext der Stadt, dort gesetzt, wo sie etwas verändern sollen?
ME
Ein schönes Bild, weil wir natürlich im Verhältnis zur Stadt mikroskopische Größe haben. Aber wie man weiß, kann auch ein Schmetterlingsflügel große Dinge in Bewegung bringen: Wir möchten mit unseren Impulsen spannende Menschen zusammenbringen und die Stadt mit guten Ideen besser machen. Das ist ja auch unser Motto: „We make Munich a better place for good people.“
OH
Was bringt Menschen heute noch dazu, ins Büro zu gehen?
ME Ganz klar: das Zusammentreffen mit anderen Menschen. Wir versuchen, Gemeinschaft zu fördern, indem wir Menschen zusammenbringen, die ähnliche Werte und Ziele haben.
OH
Was brauchen Kreative in diesem Ökosystem?
ME
In Kreativprozessen entstehen oft Selbstzweifel und Se lbstkritik. Da braucht es jemanden, der / die
IM
GRUNDE SIND WIR DAS WÄRMENDE NEST, ABER AUCH DER RAKETEN-STARTPLATZ
Ideen spiegelt. Das Clubhaus bietet eine tolle Möglichkeit, sich gegenseitig über die Schulter zu blicken und sich auch mal an die Hand nehmen zu lassen. Im Grunde sind wir das wärmende Nest, aber auch der RaketenStartplatz: Einerseits bieten wir einen geschützten Raum, wo Menschen Kraft tanken, andererseits bringen wir sie ins Licht der Öffentlichkeit, damit sie starten können. Quasi vom Start-up zum Scale-up.
Es geht vor allem um den richtigen Rahmen.
ME
Genau. Das Problem in München ist, dass viele Büroflächen nur auf große Firmen ausgerichtet sind und sich bisher kaum ein Eigentümer kleinteilige Mieter ins Haus holen möchte, wie Start-ups, die keine Mietverträge unterzeichnen wollen, die sie zehn Jahre binden. OH
Und die Lösung dafür?
ME
Das MUCBOOK CLUBHAUS schafft als Ankermieter einen inspirierenden Rahmen und kuratiert einen Mix aus Kreativen, Start-ups und etablierten Unternehmen, die sich gegenseitig befruchten und auch mal Platz parallel nutzen. Der effizientere Umgang mit Flächen ist ein großer Hebel, um die Mieten bezahlbar zu halten.
OH
Hat sich durch Corona und Homeoffice die Lage etwas entspannt?
ME
Die Mieten auf dem klassischen Büromarkt werden in den guten Lagen nicht sinken. Das liegt schon allein daran, dass die Qualität der Flächen stetig steigt. Aber Bürohäuser in B-Lagen haben es zunehmend schwer, große Mieter zu finden. Hier kann das MUCBOOK CLUBHAUS seine Rolle als Placemaker einbringen und aus einem Leerstand einen Creative-Hub machen, der
aus sich heraus eine anziehende Wirkung entfaltet und mehr bietet als nur Büroräume.
OH
Also eine Mischung aus Café ...
ME
... und Workshop-Fläche, abends vielleicht kleine Vorträge und dazu noch ein Pop-up-Store eines lokalen Labels, also Raum für Überraschungen und Impulse. Das ist Co-Creation, wie wir es gerade im CANDY in Giesing machen: morgens Yogastudio, tagsüber Co-Working, abends Events im Club und am Wochenende noch Ausstellungen und Debatten, sozusagen ein Stadtteiltreff 2.0. Dafür braucht es aber Gebäude, die viel flexibler sind und Nutzungen nicht in getrennte Räume unterteilen, sondern mischen. Hier stoßen wir an die Realitäten des Baugesetzbuchs.
OH
Immobilen werden immer noch recht einseitig entwickelt.
ME
Das wird sich ändern, Gebäude werden künftig ganz anders belebt, kuratiert und bespielt werden. Auch Büroimmobilien werden keine toten Klötze mehr sein, sondern attraktive Orte. Mitarbeiter:innen wünschen sich einen Raum, in dem Dinge passieren, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Diese Dritten Orte liegen im Erdgeschoss und sie werden parallel genutzt.
OH
Macht da das Planungsrecht mit?
ME
Alle wollen absolute Planungssicherheit, insbesondere natürlich Eigentümer:innen von Immobilien. Auf der anderen Seite stehen rund 3500 DIN-Normen. Einfach unfassbar, dass noch immer jedes Jahr weitere hinzukommen. Im Grunde brauchen wir mehr Mut. Ohne Mut kein Wachstum. Und das muss ja nicht jetzt im klassischen Sinne von „weiter, höher, schneller“ sein, sondern ich denke eher an Wachstum, das aus Netzwerken und Symbiosen besteht.
OH
Ist München nicht ein denkbar schlechter Ort für Experimente?
ME
Im Gegenteil: München ist ideal, um Neues zu wagen. Hier stimmt die Mentalität und es gibt viele Macher:innen. Die Münchner Biergartenkultur ist eigentlich ein Sinnbild dafür, wie unterschiedlichste Milieus gemeinsam eine gute Zeit haben. Das lässt sich übertragen auf andere Themen, auf die Transformationen von Städten, auf Geschäftsmodelle und alles, wo Menschen aus ihrer Schublade springen müssen. München ist da vorurteilsfreier als Berlin oder Hamburg, wo die Städte viel konfrontativer aufgebaut sind. „Leben und leben lassen“ – dieser Geist gefällt mir in München besonders gut.
MUCBOOK CLUBHAUS AMORE, Schillerstraße
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SEBASTIAN GIER
HOST OF DDX DIGITAL INNOVATION & UX CONFERENCE
Wie nah wird uns Technik kommen – körperlich wie geistig?
Die technischen Fortschritte lassen Mensch und Technologie stärker miteinander verschmelzen, sowohl körperlich also auch geistig. Die Technik verbessert unsere Fähigkeiten. Wichtig ist, dass wir Menschen dabei die Zügel fest in der Hand behalten. Das setzt Transparenz und Vertrauen voraus, was wiederum die zunehmende Bedeutung von Designer:innen unterstreicht. Sie müssen sich in diesem Prozess für die menschlichen Faktoren einsetzen. Nie war es so wichtig wie heute, in der technischen Entwicklung Menschen körperlich wie geistig in den Mittelpunkt zu stellen.
Wie bleiben wir Menschen in einer virtuellen Zukunft?
In einer virtuellen Zukunft müssen wir unbedingt unserer menschlichen Natur treu bleiben. Daher ist es entscheidend, Technik an den Bedürfnissen von Menschen auszurichten. Für uns Menschen ist Technik stets ein Werkzeug, selbst im heutigen digitalen Zeitalter. Wir müssen sicherstellen, dass dies auch so bleibt. Bei virtuellen Technologien und Themen wie KI tragen Designer:innen auch maßgeblich zur Gestaltung von Regelwerken bei, die Menschen schützen und Innovationen in die richtige Richtung lenken.
Auf welche Innovationen sollten wir uns heute schon einstellen?
Um bei Innovationen die Nase vorn zu behalten, sollten wir uns mit „Augmented Innovation & Creativity“ anfreunden. Dazu müssen wir uns Technologien öffnen, die unsere schöpferische Kraft steigern und verbessern. Wenn wir uns auf Fortschritte in KI, kollaborative Werkzeuge und neue Kreativplattformen einstellen, können wir uns in der sich rasant entwickelnden Innovationslandschaft behaupten. Innovationen werden „generativ“. Designer:innen entwickeln ihre Artefakte digital und physisch zunehmend auf „indirekten“ Wegen. Durch diese Verlagerung gewinnen auch Methoden und Verfahren an Wert, die gegensätzliche Ansätze verfolgen.
AN 3 FRAGEN
KREATIVE GESCHÄFTE
UND ANDREAS HARTING
AM LIEBSTEN ZUM WOHLE
Kommt es hart auf hart, ist Kreativität im Geschäftsleben nicht unbedingt positiv belegt. Kreative Buchführung etwa kann sogar mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden. Doch es geht auch anders. Ganz anders. Kreativität ist für die Digitaleinheit von Deloitte ein Werkzeug und Design das Medium, das Verbindungen auftut und Energie freisetzt. „Als ich dazukam, vor gut neun Jahren, galten die Kreativen und Designer sowieso als die Verrückten“, erinnert sich Andreas Harting und macht klar, was sich seither verändert hat bei der Unternehmensberatung: Teams sind gemischt und divers, ideal sind Gruppen, in denen sich Fähigkeiten und Charaktere ergänzen. Design gehört selbstverständlich dazu. „Von der User-Experience bis zum Produktdesign sind immer Leute dabei, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.“ Lösungen wofür? „Erst mal bauen wir wertstiftende Lösungen für die Kund:innen unserer Kund:innen, Services und ganze Plattformen mit Ökosystemen“, sagt der Partner und Managing Director von Deloitte Digital. Zu diesen Plattformen zählt auch Bildung, die sich durch das Digitale demokratisieren ließe: immersiver Geschichtsunterricht beispielsweise oder Sprachenlernen mit Gleichaltrigen aus anderen Ländern.
Synergie wie nie
Für Deloitte Digital ist der inklusive Zugang zu Leistungen von Ämtern und Behörden entscheidend. Für das Land NRW entstand ein niederschwelliges Infoportal für Menschen, die Unterstützung benötigen beim Umgang mit Anträgen, Bescheinigungen und Formularen. UserExperience-Designer:innen führten zuerst Interviews mit Nutzer:innen, um deren Bedürfnisse zu erkennen und entwickelten daraus eine inklusive und
barrierefreie digitale Plattform – in Deutsch und verschiedenen anderen Sprachen.
Offenbar hat sich für Deloitte das Wagnis gelohnt, zwei Schulen zusammenzubringen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Zahlen und Bilder. In der Schnitt-
WIE KÖNNEN WIR MIT
UNSEREN PRODUKTEN ZU EINER BESSEREN
ZUKUNFT
FÜR DIE
MENSCHEN UND DEN PLANETEN BEITRAGEN?
menge aus materieller Welt, Welt der Ideen und digitaler Welt kommen Business, Technologie und Menschen zusammen. Und plötzlich passt, was sonst nicht so einfach zusammenkommen will: die Beraterwelt im dunklen Anzug vermischt sich mit der Kreativszene auf Turnschuhen. „Wir haben Teams an Bord geholt und Themen langsam entwickelt“, erinnert sich Harting, „im Sinne einer kulturellen Assimilation.“ Diese kollaborative Kultur schätzt auch Neil Edion, Senior Manager & Market Offering Lead / Customer Experience & Applied Design. Beide Seiten profitieren voneinander. Klassische Beratungsleistungen, tiefes Industrieverständnis und Kreativität arbeiten zusammen, um das beste Ergebnis für die Kund:innen zu erzielen.
Und wofür das Ganze?
Natürlich geht es um Wachstum. Deloitte wächst und wächst. Waren es vor neun Jahren noch rund 32 Milliarden Euro Umsatz, stand das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen zuletzt bei fast 65 Milliarden Euro und über 400.000 Mitarbeiter:innen
weltweit. „Wir leisten aber auch zigtausende Pro-bono-Stunden im Sozialbereich weltweit und gucken, wie wir etwas Positives in die Gesellschaft zurückgeben können“, sagt Harting. Und Neil Edion ergänzt: „Das hat den richtigen Twist gekriegt, dass wir uns regelmäßig fragen: Wie können wir Dinge jetzt nachhaltig machen oder umgestalten?“ Für Kundinnen und Kunden heißt das beispielsweise, Transparenz zu schaffen bei Lieferketten. „Gleichzeitig müssen wir Geschäftsmodelle zirkulär aufstellen und das Ganze noch effizienter hinkriegen.“ Harting pausiert einen Augenblick: „Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das Virtuelle ist effizient, verbraucht aber unfassbar viel Rechenleistung – und wird weiter exponentiell ansteigen. Das hat mit Nachhaltigkeit zunächst nicht viel zu tun, da der Ressourcenaufwand entsprechend steigt. Wir müssen uns deshalb jetzt immer fragen: Bringt das den Menschen auch etwas?“
Bei den Online Marketing Rockstars 2023 ließ sich auf dem Deloitte-Digital-Stand eine virtuelle Autofahrt im Metaverse erleben
Edion sieht Chancen: „Bei der digitalen Transformation gibt es keinen Anfang oder Endpunkt, aber eine neue Fähigkeit zur kontinuierlichen Innovation. Wir müssen Dinge immer wieder anpassen, damit das Leben wieder nachhaltiger wird.“ Die Mission der Digital Unit von Deloitte ist einfach: „Die Grundbedürfnisse der Menschen im Arbeitskontext, im Zusammenspiel mit Marken, Services und Produkten zu erfüllen.“ Statt aber zu fragen, wie die Welt digitaler wird, fragen die Teams: „Wie machen wir sie mit digitalen Tools und digitalen Themen besser für die Menschen, die in ihr leben?“ Hier geht es darum, etwas Natürliches, Selbstverständliches zu erschaffen und nicht Technologie als Selbstzweck zu feiern.
Veränderung ist ungleich
Veränderung ist überall. Aber die wenigsten Menschen sind scharf darauf. Das weiß auch Deloitte Digital: „Wenn wir unseren Job gut machen, helfen wir den Kund:innen, diese Hürde zu überspringen, Veränderungswillen zu entwickeln und mit dem Veränderungsschmerz klarzukommen.“ Dabei hilft Transparenz. Und die Fähigkeit, komplexe Dinge verständlich zu machen, weil Komplexität nicht verschwinden wird. Mit einem Wort: Design. Inzwischen arbeiten bei Deloitte Deutschland 12.500 Menschen aus 104 Nationen. Im Customer Experience Team sind es knapp 30. Ein ziemlich wilder Haufen, den eines zusammen -
hält: Der Wunsch, die „Welt neu zu entdecken und mitgestalten zu wollen, daher ist bei uns tatsächlich kein Tag wie der andere“, sagt Neil Edion, dessen Team immer wieder eine Brücke schlägt zwischen Technologie, Kreativität und Geschäftsstrategie. Das Jahresmotto der mcbw, „How to co-create with nature“,
NATÜRLICH VERBRAUCHEN WIR RESSOURCEN – ABER WIR
WOLLEN AUCH ETWAS
ZURÜCKGEBEN
passt für ihn. „Mir wäre der Nachhaltigkeitsgedanke ein bisschen zu kurz gesprungen“, frotzelt Edion, „denn alles, was uns umgibt, ist die Natur. Und ich finde, das ist auch ehrlicherweise unser Ansatz im Business. Wir schauen: Was hilft den Menschen und der Welt, in der wir leben? Und das ist komplementär und nicht konträr im besten Fall.“ Die großen Themen Bildung, Teilhabe und Chancengleichheit sind daher auch keine Füller, sondern eher Knüller. „Diese Projekte machen unsere Mitarbeiter:innen sehr glücklich“, sagt Harting: „Sie sind heiß begehrt, da hat wirklich jeder und jede Lust drauf.“ Es geht um holistische Lösungen. „Unser Anspruch ist, dass Geschäft, Natur und Mensch zusammenkommen. Natürlich verbrauchen wir Ressourcen. Aber wir wollen weitergehen, gemeinsam mit der Natur. Etwas zurückgeben. Die Natur bekommt etwas von uns – und wir etwas von ihr.“
3 FRAGEN
AN
TIMM WILKS
CREATIVE DIRECTOR & PARTNER
SCHMIDHUBER BRAND EXPERIENCE
Wie nah wird uns Technik kommen – körperlich wie geistig?
Technologische Entwicklungen sind von und für Menschen gemacht. So ist es nur logisch, dass uns Technologie näherkommt. Ob Digitalisierung, KI, Robotik oder Orthopädie – das menschliche Bedürfnis prägt die Technik und die technischen Möglichkeiten wiederum den Menschen. In der Orthopädie wird dies deutlich: Wir wollen Prothesen, die sich intuitiv und als Teil des Körpers anfühlen, je menschlicher, desto besser. Gleichzeitig gilt es im Bereich der Nachhaltigkeit Technologien zu entwickeln, die u nsere Umwelt in den Mittelpunkt stellen. Diese Art des Altruismus müssen wir entwickeln und fördern.
Was können wir von aktueller Digitalkunst lernen?
Den unmittelbaren Zugang der Kunst zu neuen Technologien, um neue Ausdrucksweisen in Semantik, Symbolik oder auch der kritischen Betrachtung zu finden. Kunst überwindet Grenzen, fügt zusammen, was vermeintlich nicht zusammengehört oder erfindet etwas Neues. Konventionelle Denkmuster zu verlassen, inspiriert auch uns ebenso wie die neuen Horizonte, die Tiefgründigkeit und Sinnlichkeit der Werke. Von Kunst zu lernen b edeutet: nicht stehen zu bleiben. Sondern weiterzugehen, kritisch zu hinterfragen, den Status quo zu durchbrechen, zu überraschen und letztlich Technologien für Dinge zu nutzen, für die sie genau nicht erfunden wurden.
Auf welche Innovationen sollten wir uns heute schon einstellen?
Zuletzt hat KI den Markt rasant aufgemischt und als Meilenstein sicherlich vielen Innovationen den Weg geebnet. Quantencomputing beschleunigt Berechnungen, personalisierte Medizin und Genom-Editierung transformieren die Gesundheitsbranche. Erneuerbare Energien und nachhaltige Technologien weisen Wege in eine umweltfreundlichere Ära. Artificial und Virtual Reality versprechen Neues in Unterhaltung und Bildung. Die Liste an Innovationen ist lang. Umso wichtiger ist ein politisches Regelwerk, um die Neuerungen in die richtigen Bahnen zu lenken.
ESSENZIELL FÜR DEN WANDEL
Dr. Olaf Kranz über die Rolle der Kunst- und Kreativwirtschaft inmitten der gesellschaftlichen Transformation.
OLIVER
HERWIG
Wo steht die Münchner Kulturund Kreativwirtschaft Anfang 2024?
DR. OLAF
KRANZ
Die wirtschaftlichen Bedingungen in einer Rezession stehen nicht zum Besten. Aber es gibt natürlich, wie immer und überall, Gewinner und Verlierer. Den großen, etablierten Unternehmen geht es nach wie vor gut. Schwere Bedingungen haben insbesondere die Kleinen, die Jungen und Newcomer. Prinzipiell hat aber in der Kultur- und Kreativwirtschaft jede neue ästhetische Handschrift zu jeder Zeit eine Chance auf Erfolg, weil sich unsere Gesellschaft stark nach der ästhetischen Überraschung sehnt. Das ist gewissermaßen die Geschäftsgrundlage unserer Branche. In einer Rezession ist das nicht anders. Aber hier schlägt schon so was wie die Maslowsche Bedürfnispyramide
zu: An Kulturgütern wird in Krisenzeiten zuerst gespart.
OH
Also Kaufzurückhaltung gerade im Bereich Kultur und Kreativwirtschaft?
OK
Andererseits erlebe ich, dass sich die Kinos erholt haben und die Theater zu erholen scheinen. Und dass die Leute endlich wieder Gemeinschaftskulturerlebnisse in hoher Qualität suchen. Streaming reicht einfach nicht. Das gibt mir Hoffnung, dass sich unsere Branche auch aus dieser Krise befreit.
OH
Und wie wirkt sich die Digitalisierung aus in einem Bereich, der bislang glaubte, vor ihren Auswirkungen sicher zu sein?
OK
Auf einmal steht die große Frage im Raum: Was ist Kreativität? Wer ist Autor:in, und was heißt
es, wenn der Generator auf Prompt kreative Werke erschafft, die sonst nur Menschen zugeschrieben wurden? Wir stehen mitten in einem massiven Umbruch. Die Frage ist, wie sich die Kultur- und Kreativwirtschaft und mit ihr und in ihr die einzelnen Unternehmen positionieren, Chancen ergreifen und Nischen nutzen.
OH
Eigentlich eine großartige Zeit für Künstler:innen und Kulturschaffende, den Umbruch zu thematisieren.
OK
Ja, absolut. Das ist natürlich eine tolle Zeit, aber mit Herausforderungen. Wir haben als Branche eine unglaublich wichtige Funktion für die Innovation der Innovationssysteme. Meine Hoffnung ist, dass wir nun mit einer größeren Kreativität an diese gesellschaftlichen Herausforderungen herangehen und mit neuen Methoden versuchen,
Dr. Olaf Kranz – Leiter des Kompetenzteams Kultur- und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München
Lösungen zu finden, die bisher nicht gefunden worden sind.
Kreative schaffen
Werte
OH
Sie leiten seit August 2022 das Kompetenzteam Kultur und Kreativwirtschaft der Landeshauptstadt München. Was hat sich seither getan?
OK
Die Zeit rennt. Abgesehen von neuen inhaltlichen Impulsen, die ich setze, ist das Team von 6 auf 14 Personen gewachsen. Wir sind umgezogen, haben neue Räume gestaltet. Und sind viele neue Projekte eingegangen. Zudem sieht die Politik in zunehmendem Maße, dass die Kulturund Kreativwirtschaft eine strategische Rolle für die Bewältigung der anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen hat, nämlich bei der digitalen und grünen Transformation, die alle mitnimmt. Wir wollen unsere Branche auf Ebene der Stadtgesellschaft unterstützen, diese Rolle auszufüllen.
OH
Die Kulturschaffenden befördern den Wandel?
OK
Die von der Europäischen Kommission benannte strategische Funktion der Branche liegt darin, dass mit und in ihr viele Neuentwicklungen entstanden sind: zum Beispiel die Form, wie wir heute arbeiten in Co-WorkingOffices oder in offenen Arbeitsumwelten – all das entstand in kreativen Firmen. Die Art, wie wir heute innovieren, ist in künstlerischen und Designpraktiken erfunden worden und greift jetzt aus. Begriffe wie „Design Thinking“ tragen das in andere Bereiche, um dort eine größere Kreativität zu ermöglichen und agiler zu entwickeln.
OH
Kern der Wertschöpfung in dieser Branche ist …
OK
. .. nicht die technische, sondern die ästhetische Innovation, die Menschen erstaunt, irritiert und zum Nachdenken bringt, die überrascht, unterhält, berührt und in andere Zustände versetzt. Diese Art der Innovation beruht immer auf unterschiedlichen Weisen des Umgangs mit einem bestimmten Ausdrucksmedium. Games-Designer:innen drücken sich im digitalen Medium aus, wo sie ästhetische Innovationen einführen in Design und Storytelling. Dichterinnen und Dichter drücken sich im Medium der Sprache aus. Und Designer:innen in den unterschiedlichen Materialqualitäten ihrer jeweiligen Ausdrucksmedien. Immer versuchen Menschen, über ästhetische Innovationen die Welt zu irritieren und dabei auch ein akzeptables Auskommen zu er-
NICHT
DIE TECHNISCHE, SONDERN DIE ÄSTHETISCHE INNOVATION ERSTAUNT
DIE MENSCHEN UND BRINGT SIE ZUM NACHDENKEN
wirtschaften. Zahlreiche Forschungen zeigen, dass wir diese Design-Mentalitäten stärker in Führungspositionen bringen sollten, weil sie Eigenschaften mit sich bringen, die wir in der neuen Unternehmensumwelt brauchen.
Was genau wäre das?
Wir müssen stärker fähig sein, mit Unsicherheit umzugehen, Ambivalenzen und Ambiguität zu ertragen und Konflikte auszuhalten. Das sind Eigenschaften, die
in der künstlerisch-kreativen Auseinandersetzung mit ästhetischen Medien gewonnen wurden und die jetzt dafür prädestiniert sind, sich in den neuen Umwelten zu bewähren.
Kreative brauchen Raum
OH
Sie sprachen von der Vernetzung unterschiedlicher Felder. Das geschieht ja auch, indem Sie Raum schaffen.
OK
Die Kultur- und Kreativschaffenden bei der Suche nach langfristig leistbaren Arbeits- und Präsentationsräumen sowie bei der Suche nach kurzfristigen Experimentierräumen zu unterstützen, war für mein Team von Anfang an eine wichtige Aufgabe, weil München eine unglaublich teure Stadt ist, mit knappen Flächen und hoher Nutzungskonkurrenz. Es gibt einen riesigen Bedarf in zentralen Lagen. Die Leute wollen in urbanen, kreativitätsförderlichen, inspirierenden Umgebungen arbeiten. Aber gerade dort sind die Mieten so hoch, dass sie es sich nicht mehr leisten können. Hier versuchen wir, deren Sichtbarkeit zu erhöhen sowie Verständnis für deren Arbeitsweisen und Bedeutung zu schaffen, augenscheinlich wird dies in unserem speziell für die Kultur- und Kreativwirtschaft entwickelten Inkubator: dem Ruffinihaus Creative Hub im Herzen der Stadt.
OH
Daher engagieren Sie sich für intelligente Zwischennutzungen.
OK
In der Tat. Hier haben wir bereits viel Kompetenz erworben und gute Ergebnisse erzielt. Zwischennutzung beginnt beim Pop-up-Konzept für ein Wochenende inklusive Festival und
reicht bis zu längeren Lösungen. Wir haben mit dem Pop-up-Konzept in einem Laden im Ruffinihaus erst im November 2023 begonnen. Das läuft sensationell gut, schon jetzt ist 2024 komplett ausgebucht. Zudem hatten wir eine Reihe von neuen Initiativen im letzten Jahr, bei denen wir versuchen, Zwischennutzung in der Innenstadt, aber auch in Stadtteilzentren in Kooperation mit der privaten Immobilienwirtschaft zu initiieren, was kein Selbstläufer ist. Was aber neu ist und immer wichtiger werden wird: Wir arbeiten nun verstärkt an Instrumenten, um für die Szene langfristig leistbare Flächen zu organisieren.
OH Eröffnet die Benko-Pleite neue Räume?
OK
Sicher. Wir sehen, dass viele monofunktional geplante und gebaute Großarchitekturen der Zweiten Moderne ihre Funktion verlieren. Bis für diese Gebäude Lösungen gefunden werden, können hier durchaus Zwischennutzungen erfolgen.
OH
Wie wichtig ist das New-European-Bauhaus-Pilotprojekt Creating NEBourhoods together in Neuperlach?
OK
Sehr wichtig. Wir hatten ja einen Anteil daran, dass das Projekt nach München kam. Dem Gesamtprojekt liegt die Idee zugrunde, bei der Revitalisierung des ehemals größten bundesdeutschen Stadterweiterungsgebiets Neuperlach nicht nur Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung, sondern auch die Zivilgesellschaft einzubeziehen. Das historische Bauhaus hat sich immer auch um die Bewältigung sozialer Herausforderungen gekümmert und nicht allein um eine neue Designsprache. Wir sollten uns auf diese Tradi -
tion besinnen und die heutigen Herausforderungen, also Digitalisierung und grüne Transformation, in einer sozial inklusiven Gesellschaft insbesondere auch dadurch angehen, dass wir das Innovationspotenzial der Kulturund Kreativwirtschaft aktivieren und mit reinnehmen.
OH
In Neuperlach gibt es Reallabore der Stadtentwicklung ...
OK
... in denen die vier Stakeholder von Innovationsprozessen –Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft –zusammenkommen. Und zwar anhand von Methoden der Kooperation, die aus der Kulturund Kreativwirtschaft stammen. Zudem kuratieren wir einen Pool von 30 Kreativen, die ihre spezifische künstlerische oder gestalterische Perspektive einbringen, um eine gesteigerte kreative Flughöhe der Innovation zu erzeugen, die aber sozial inklusiv ist und deren Legitimität vor Ort auch durch die Zivilgesellschaft anerkannt wird, sodass diese Innovationen auch übernommen und mit nachhaltiger Wirkung implementiert werden.
OH
Wird die Kultur- und Kreativwirtschaft eigentlich auf Augenhöhe wahrgenommen?
OK
In der Kultur- und Kreativwirtschaft gibt es immer beides: viele kleinteilige Unternehmen und Freiberufler, aber auch große Unternehmen und Selbstständige sowie Unternehmen in der Nische und Stars. Oft wird in Politik und Öffentlichkeit die Bedeutung der kleinteiligen Unternehmen und Selbstständigen in der Nische nicht gesehen. Hier versuchen wir, deren Sichtbarkeit zu erhöhen sowie Verständnis für deren Arbeitsweisen und Bedeutung zu schaffen.
MAXIMILIAN MAIER
DIRECTOR OF PROGRAMMING AND PUBLIC RELATIONS BERGSON KUNSTKRAFTWERK
Wie naturhaft ist Technik heute?
Im Konzertsaal des Bergson Kunstkraftwerk kann Technik mithilfe eines Nachhallsystems Akustik so perfekt nachbilden, dass das Publikum keinen Unterschied merkt. So ein Nachhallsystem kann sogar ein kompositorisches Werkzeug sein. Alle großen Komponisten haben die technischen Möglichkeiten ihrer Zeit ausgeschöpft, teilweise neue entwickelt. So verschwimmen die G renzen zwischen Technik und Natur, denn die Emotionswelt des Publikums ist immer natürlich und echt.
Wie nah wird uns Technik kommen – körperlich wie geistig?
Keine KI kann bisher die kreative, schöpferische Person ersetzen. Sicher wird auch sie dazulernen und kann in extremer Geschwindigkeit Rechenleistungen erbringen – wie Genies. Technik sollte generell immer als bewusstes Werkzeug genutzt werden, um Kunst auf der Höhe der Zeit zu schaffen. Nähe zur Technik ist dann gut, wenn sie vor allem geistig bewusst wahrgenommen und gesteuert wird. Dafür braucht es Orte, kreative Hubs, an denen dieses Bewusstsein gemeinsam entwickelt werden kann, Orte wie das Bergson Kunstkraftwerk.
Wie bleiben wir Menschen in einer virtuellen Zukunft?
Automatisch, weil wir nach Aristoteles ein „zoon politikon“ sind, ein Herdentier, das von der Gemeinschaft lebt. Diese kann zwar virtuell nachgebildet werden, was Chance und Gefahr zugleich ist. Aber der zwischenmenschliche Kontakt, das gemeinschaftliche Erlebnis live vor Ort, wird in seiner Unmittelbarkeit, ja physischen Wirkmacht immer einzigartig bleiben und in einer noch virtuelleren, digitalisierteren Welt umso gefragter w erden. Dies zu ermöglichen, wird eine zentrale Aufgabe des Bergson Kunstkraftwerk sein, der wir uns mit großem Enthusiasmus widmen.
3 FRAGEN
AN
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BAYERN DESIGN –WIR MACHEN DIE
Hinter der munich creative business week, kurz mcbw, steht bayern design. Seit 2012 organisieren wir jährlich die Münchner Designwoche – Deutschlands größten Designevent. Wir sind das internationale Kompetenzzentrum für Wissenstransfer und Kollaborationen rund um das Thema Gestaltung in Bayern. Was man sich darunter vorstellen kann? Wir machen Kommunikation und Events zu designrelevanten Themen von AI über Markenbildung bis zur Zirkulärwirtschaft, in Form von Ausstellungen, Messeauftritten, über Podiumsdiskussionen bis hin zu Workshops. An unseren beiden Standorten in München und Nürnberg engagiert sich unser interdisziplinäres Team mit Leidenschaft dafür, Design in Bayern zu fördern und sichtbarer zu machen. Wir sorgen für Inspiration und Vernetzung, bieten eine Plattform für Designer:innen, Unternehmer:innen und die interessierte Öffentlichkeit.
Unser Ziel ist es, dass Bayern als Standort für Innovation aus dem Design international anerkannt wird. Wie wir das machen? Wir bringen Design und Architektur, Wirtschaft und Politik zusammen. Wir pflegen und moderieren fachübergreifende Netzwerke, organisieren Veranstaltungen, Ausstellungen und Messeauftritte. Wir unterstützen Bildung und Forschung in Sachen Gestaltung und wir koordinieren staatlich geförderte Designprojekte. Gefördert wird das Kompetenzzentrum vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landes e ntwicklung und Energie und vom bayern design forum e. V., dem 1987 gegründeten Trägerverein aus designaffinen Unternehmen, Designagenturen, Industrie und Handelskammern sowie Hochschulen und Universitäten. Was uns alle eint, ist die Überzeugung, dass Design eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung des wirtschaftlichen, technologischen, gesellschaftlichen Wandels für eine nachhaltige Zukunft spielt. Was unsere Arbeit in der Praxis bedeutet, stellen wir auf den kommenden Seiten vor.
BAYERN DESIGN IN ZAHLEN
Standorte
Mitarbeiter:innen
für Design Jahre Erfahrung Events jährlich über bis zu rund
Kooperationspartner:innen
Was macht bayern design alles?
Ausstellungen, Events, Workshops oder Studien – bayern design ist immer dort unterwegs, wo es um Design geht. Hier sind einige Highlights aus dem Jahr 2023.
Kollaboration mit der Natur
Unsere Messebeitrag beim IAA Mo bility Summit 2023 in München zeigte wegweisendes und nachhaltiges Design. So wird das ausgestellte Leichtbaumaterial „ karuun ® “ aus der Rattanpalme gewonnen. Als innovatives und nachhaltiges Nature Tech Material schafft es neue Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten unter anderem im Interieur. Rattan ist auf Biodiversität angewiesen, weshalb die Kultivierung von Rattan zum Erhalt von Tropenwäldern beiträgt und einen wesentlichen Beitrag für eine moderne Kreislaufwirtschaft leistet. Die ausgestellten Design -
Social Design Days Nürnberg
Open house bei Katja Reiter Interiør
Auftakt der Social Design Days Nürnberg
studien und Komponenten von Fahrzeuginnenausstattungen zeigen die vielfältige Nutzbarkeit und ästhetische Bandbreite des nachhaltigen Materials.
Social Design Days
Design ist mehr als nur die Gestaltung von schönen Alltagsgegenständen – es ist auch eine Methode, um das Zusammenleben besser zu gestalten. Deutlich wurde das bei den ersten Social Design Days in Nürnberg, wo wir uns alltäglichen Sorgen aus der Arbeitswelt angenommen haben. In gemeinsamen Workshops sind vielversprechende Konzepte für Berufseinsteiger:innen, Jung- und Familienunternehmer:innen entstanden. Design als Methode für konstruktiven und gemeinschaftlichen Dialog – das kam auch unter den Teilnehmenden sehr gut an. Eine Fortsetzung des Formats ist für Herbst 2024 geplant.
Können wir Designmanagement?
Wie sehen sich eigentlich unsere Unternehmen in Sachen Designmanagement aufgestellt? Dieser Frage ging Professor Jan-Erik Baars von der Hochschule Luzern in einer umfassenden Studie für bayern design nach. Das Ergebnis: Die Fähigkeiten im Bereich Designmanagement werden als unzureichend bewertet. Baars rät den Unternehmen zur Selbsthilfe, denn Fachleute und Ausbildungsangebote sind rar. Das Ergebnis zeigt aber auch, dass hier Aufklärungsarbeit dringend notwendig ist – und gerade hier bietet bayern design einen Anlaufpunkt. Die vollständige Studie „Designfähigkeit“ steht online auf der bayern design Website bereit: www.bayern-design.de
Dort finden sich außerdem auch weitere Informationen zu unseren Aktivitäten und Kontaktmöglichkeiten.
Messeauftritt auf der IAA
DESIGN IST SICHTBARMACHEN VON HALTUNG
Seit April 2021 ist Nadine Vicentini Geschäftsführerin bei bayern design. Nadine kennt die Bedürf nisse der Wirtschaft und kann sich bei ihrer Arbeit auf Erfahrungen aus 20 Jahren in der (inter-) nationalen Kreativbranche stützen. S ie ist mit Leidenschaft dabei, wann immer es darum geht, Zukunft kreativ und nachhaltig mitzugestalten. Hier verrät sie uns, was sie antreibt.
Mit „design connects“ hast du ein übergeordnetes Leitmotiv eingeführt. Was hat es damit auf sich?
Herausforderungen anpacken durch Gestaltung – darin habe ich meine Berufung gefunden. Inspirierend finde ich den Ansatz, Design als eine ganzheitliche und verbindende Disziplin zu betrachten. Daher auch unser Konzept für das Leitmotiv „design connects“.
Warum ist dieses Verständnis von Design gerade jetzt so wichtig?
In Zeiten des Umbruchs braucht es kreative Ideen, eine verständliche Kommunikation und einen emotionalen Zugang zur Technologie. Und genau hier kommt Design zum Tragen: Ich bin überzeugt, dass Design zahlreiche Entwicklungen jenseits einzelner Sparten vorantreiben kann. Darüber will ich informieren und vor allem eines – inspirieren.
Offenheit
Mit großer Neugier nehmen wir bei bayern design neue Trends, Themen, Entwicklungen und Kooperationen, die relevante Schnittstellen zur Gestaltung aufweisen, auf und treiben diese aktiv und moderierend im Netzwerk gemeinschaftlich voran.
Optimismus
Wir glauben an die transformative Kraft von Design im gesellschaftlichen Wandel. Es ist imstande, wesentliche Impulse für eine nachhaltige Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft zu leisten.
Verantwortung
Verantwortungsvolles Handeln gegenüber Gesellschaft und Klima zeichnet uns aus. Hand in Hand mit unseren Partner:innen und im Team treiben wir bei bayern design relevante Themen voran.
Welche Werte verkörpert „design connects“ für dich?
NV
Für mich bedeutet Design, Haltung sichtbar zu machen. Offenheit, Optimismus und Verantwortung, diesen Werten haben wir uns bei bayern design verpflichtet und sehen darin unseren Kompass für kommende Herausforderungen. Diese Haltung wird unsere Welt von morgen prägen.
Apropos Herausforderung: Die aktuelle mcbw nimmt sich des Themas „How to co-create with nature“ an. Hast du ein Beispiel, was das für euch bedeutet?
NV
Wir müssen lernen, gemeinsam mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen sie.
Für den Designprozess bedeutet das, interdisziplinär und offen zu denken sowie Verantwortung für die Umwelt zu übernehmen. Da haben wir es wieder: Design als grenzüberschreitende Disziplin, als gemeinschaftsstiftendes Element von Natur und Mensch, Mensch und Technik –Design verbindet, design connects.
Unsere Expertenrunde diskutiert das diesjährige Motto „How to co-create with nature“.
Welche Natur? Doch nicht etwa das grüne Zeug, das uns draußen umgibt und eigentlich ganz gut ist zum Ausspannen und Abschalten, Birdwatching und Waldbaden? Oder etwa unsere menschliche
Natur, die zu oft zu vergessen scheint, dass auch wir ein Teil des Ökosystems sind, zugegeben ein ziemlich privilegierter an der Spitze der Nahrungskette, aber keineswegs jenseits anderer Spezies. Diese schizophrene Haltung ist nicht neu. Besonders die Moderne sah in der Natur eher eine billige Rohstofflieferantin und bequeme Müllkippe, doch wir können uns nicht mehr herausreden, nichts gewusst zu haben von den katastrophalen Folgen des Raubbaus. Spätestens Corona machte deutlich, dass auch wir nicht abgekoppelt vom Rest der Welt leben. Was aber heißt nun Gestaltung im Anthropozän, dem Zeitalter des Menschen mit seinen weltweit dramatisch steigenden Durchschnittstemperaturen? Werden wir es schaffen, das Ruder herumzureißen und in Zukunft zusammen mit und als Teil der Natur zu entwerfen und zu produzieren? Müssen wir uns dafür beschränken? Oder kön -
nen wir gar die Prozesse der Natur kopieren und keinen Abfall mehr entstehen lassen, sondern nur Produkte, die jederzeit repariert werden können und irgendwann wieder Material darstellen für neue Produkte? Diese Fragen stellte sich eine Expert:innenrunde aus Forschung, Wirtschaft und Verbänden. Hier einige Einschätzungen.
Es ging um eine grundlegende Einschätzung: Sind Natur und Kultur tatsächlich (noch) widerstreitende Felder – und Design damit eine Disziplin, die als Teil der Kultur eigentlich per Definition im Gegensatz zur Natur steht? Jede Auseinandersetzung mit der Natur wird so auch zu einer mit unserer eigenen Rolle. Jahrtausende kämpfte die Menschheit darum, Ernten zu sichern, Wege anzulegen und Ströme zu überbrücken, kurz: die Natur untertan zu machen. Die Moderne führte das konsequent zu Ende. Angesichts von Artensterben, Klimawandel und Ressourcenmangel setzt ein Umdenken ein. Human-centered Design war gestern. Heute heißt es: Planet-centered Design.
Arbeiten mit der Natur
Dieser Perspektivenwechsel verändert Unternehmen. Geschieht die Gestaltung von Produkten und Services im Einklang mit der Natur, verschiebt sich der Fokus von Funktionalität über Joy of Use zur Analyse des gesamten Lebenszyklus. Wir müssen die Prozesse dahinter so gestalten, dass wir wissen: Woher kommen eigentlich die Komponenten? Und was wird aus ihnen? Die Prozesskette beginnt bei den Rohmaterialien und der Frage, wie Elemente zu einem Produkt zusammenkommen. Sie geht über die geplante Lebensspanne der Dinge hinaus: Was passiert danach? Lassen sie sich recyclieren? Oder haben sie sogar ein zweites Leben? Und welche Services sind damit verbunden? Werden Autos oder Möbel in Zukunft geleast oder gekauft? Viele dieser Überlegungen fließen gerade in die ESGStrategien vieler Unternehmen ein. Das Kürzel steht für Environmental, Social und Governance und beschreibt damit das gesellschaftliche Engagement von Firmen. Dazu zählt ein aktiver Klimaschutz ebenso wie Maßnahmen gegen Korruption. Es wäre zu wünschen, dass ESG nicht bald das Schicksal von „nachhaltig“ erfährt: in aller Munde, aber oft nur eine Vokabel im Verkaufsprospekt. Ist es ein Schlagwort, ein Abziehbild –oder doch gelebtes Neudenken von Prozessen innerhalb der Unternehmen? Das bedeutet nämlich, Dinge womöglich komplett neu zu denken und diese Rolle mit einer gewissen Demut anzunehmen.
Waldbaden im Büro
Wohlbefinden wird bald einen höheren Stellenwert einnehmen, auf Augenhöhe mit Funktionalität oder Effizienz: Im Wohnbereich wie im Büro zeichnet sich bereits ab, dass Wohlbefinden und Achtsamkeit höher gewertet werden als etwa Flächeneffizienz. Wachsen aber die Ansprüche an den Raum, an Vielfalt und Haptik, steht dahinter oft eine Sehnsucht nach intakter Natur. Moderne Arbeitsplätze nutzen Natur daher von gezielter Pflanzenliebe (Biophilia) bis zur Verschmelzung von innen und außen. Analogien zur Natur sind gefragt, dazu Naturmaterialien, Naturfasern, natürliche Formen und Farbwelten, welche die Atmosphäre des Raums verändern können und aus Büros inspirierendere Arbeitsumgebungen machen. Parallel dürfte sich der Charakter hochtechnischer Produkte verändern. In Zukunft werden Produkte wesentlich selbstverständlicher und natürlicher mit uns interagieren, während ihre Materialien zugleich Patina entwickeln.
Design als Haltung
Gleich, ob wir daran gehen, die funktionale Trennung der städtischen Nutzungsflächen nach Wohnen, Arbeiten, Erholen und Verkehr zu überwinden, oder Gestaltungsprinzipien aus der Natur zu nutzen, um mit möglichst wenig Material auszukommen, es geht um die richtige Haltung
RESPEKT VOR DER NATUR BEDEUTET LÄNGST
AUCH GESELLSCHAFTLICHE
TRANSPARENZ
von Designer:innen gegenüber unser sich rasch wandelnden Welt. Sie können Entscheidungen beeinflussen, ähnlich wie Unternehmen als Ganzes. Daher ist auch Druck von der Straße legitim. Es geht um bessere Lösungen, nicht nur andere Lösungen. Gleich, ob Produkt- oder Automobildesign, Architektur oder Kommunikationsdesign: Es reicht nicht mehr, nur die besten Produkte anzubieten, Design hat fortan auch eine aufklärerische Rolle. Es soll Nutzer:innen informieren und sie zu einer Haltung anregen. So gehe es gar nicht unbedingt um Verzicht, sondern um neue kulturelle Muster, beispielsweise nicht mehr einfach einen Flieger zu nehmen oder Dinge zu reparieren oder Second Hand zu kaufen. Dazu kommt eine sich ändernde Ästhetik der Nachhaltigkeit. Viele derart gestaltete Dinge sehen heute einfach nicht mehr nach „öko“ aus – und sind es doch.
Druck von der Straße
Design hatte schon immer die Rolle als große Vermittlerin von Produkten, Codes, Einstellungen und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erwartungen. Daran wird sich nichts ändern. Design ist an der Schnittstelle, Dinge zu verändern und Prozesse zu gestalten, die wiederum unser Bewusstsein prägen. Es geht darum, ein neues Verständnis von Natur zu schaffen, das sie nicht als Feindin begreift, sondern als Partnerin. Respekt vor der Natur bedeutet letztlich auch Respekt vor Menschen. Respekt vor der Natur bedeutet längst auch gesellschaftliche Transparenz. Das aber verlangt Mut, und zwar auf politischer, gesellschaftlicher, unternehmerischer wie persönlicher Ebene. Mut bei Entscheidungen in Unternehmen und Gesellschaften. Wir stecken mitten im Prozess. Mitten in Widersprüchen. Und auch das braucht Mut, andere Meinungen auszuhalten. Denn es gibt kein Schwarzweiß mehr, wir leben in einem Graubereich, in dem wir täglich trotzdem Entscheidungen treffen müssen, die nicht nur uns selbst betreffen, sondern alle Generationen nach uns.
Gesprächsrunde des mcbw Beirats mit Professor
Markus Frenzl, Boris Kochan, Dr. Angelika Nollert, Dr. Dewi Schönbeck und Hannes Ziesler
IMPRESSUM
Veranstalter
Veranstalter der munich creative business week (mcbw) ist die bayern design GmbH. Die bayern design GmbH ist das Kompetenzzentrum für Wissenstransfer und Kollaborationen rund um das Thema Design in Bayern. Mit einer Vielzahl unterschiedlicher Projekte unterstreicht sie die Bed e utung von Design und die Schlüsselrolle, die es bei der Bewältigung wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und nachhaltiger Veränderungen spielt. Sie unterstützt bei der Umsetzung der Designförderung des Freistaats Bayern und fördert die Vernetzung von Designer:innen und Interessensgruppen aus allen Disziplinen, Unternehmen, Hochschulen, Institutionen und Verbänden. Gefördert werden die Programme der bayern design GmbH vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie. Die mcbw wird zusätzlich durch die Landeshauptstadt München gefördert. Die BMW Group, Steelcase, Ströer sowie Gmund unterstützen die mcbw maßgeblich. Herausgeber
Nadine Vicentini
Geschäftsführung von bayern design GmbH
Autoren
Oliver Herwig, www.oliver-herwig.de bayern design hw.design, Frank Wagner und Sigmund Perner
Konzept, Redaktion und Gestaltung hw.design
Türkenstraße 55 – 57 80799 München www.hwdesign.de
Artwork und Lithografie
Oliver F. Meier
Produktion
Katja Knahn, www.paperkate.de
Papier
Umschlag: Lakepaper white matt, 300g/m²
Innenteil: 135g/m²
Druck und Bindung
Gotteswinter und FIBO Druck- und Verlags GmbH München
Alle Bildrechte verbleiben bei den entsprechenden Partnern, außer: S. 4 – 5: mcbw / LÉROT; S. 10: Stefano Boeri / Giovanni Gastel, S. 13: Giovanni Nardi, S. 14: PaoloRosselli; S. 2 0: Fraunhofer Netzwerk „Wissenschaft, Kunst und Design “/ YDROPONDESK , Katrin Petroschkat 2023; S. 2 2: BHB Unternehmensgruppe / DAS KLEINOD; S. 28 – 32: S tröer Media / Ströer Media Creation; S. 4 2: Ho chschule München Fakultät für Design / J ana Schwerdtfeger, S. 4 4: Sue Barr, S. 4 5: Angela Stellmacher, S. 4 6: A ngelika Bals, Finja Beck; S. 4 8 – 5 2: BMW AG; S. 5 6: Steelcase / E ye am Chris; S. 74: Stadt München Referat für Stadtplanung und Bauordnung / Michael Nagy; S. 77 oben: allmannwappner / Studio Vulkan / Urban Standards, S. 77 unten: airgonautics gbr; S. 7 8: Burkhard Mücke; S. 8 0: Goethe-Institut: Nadine Abdallah; S. 8 2: Drees & Sommer: Peter Neusser; S. 9 0: IUD Institut für Universal Design / Daniel George; S. 92: prettygoodideas / Julia Romeiß; S. 100: Latent / Cristopher Civitillo; S. 106 – 107: MUCBOOK / Ramon
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