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Rechtsrahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte schaffen
5. Innovationsfreundlichen und europaweit einheitlichen Rechtsrahmen zur Bekämpfung illegaler Inhalte schaffen
Mit der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (E-Commerce-Richtlinie) aus dem Jahr 2000 wurde das Fundament für die erfolgreiche Entwicklung des Online-Handels und der Plattformwirtschaft in Europa gelegt und die Meinungsfreiheit im Internet sichergestellt. Die nunmehr seit 20 Jahren geltenden europaweiten Grundregeln der ECommerce-Richtlinie haben Unternehmen zu starkem Wachstum verholfen, neue Geschäftsfelder im Internet entstehen lassen und Verbrauchern eine größere Auswahl ermöglicht. Dies hat folglich einen großen Beitrag zur europäischen Wirtschaftstätigkeit geleistet. Damit der stark zunehmenden gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Bedeutung von Internet-diensten weiterhin begegnet werden kann, gilt es, bei der geplanten Gesetzesnovelle mit Blick auf die Haftungsfragen, den Rechtsrahmen für die Bekämpfung illegaler als auch schädlicher Inhalte innovationsfreundlich und europaweit einheitlich weiterzuentwickeln, sodass eine echte Harmonisierung ohne Parallelentwicklungen erreicht wird. Wir unterstützen daher den Plan der EUKommission, eine Nachbesserung und begriffliche Aktualisierung in Bereichen vorzunehmen, in denen die E-Commerce-Richtlinie nicht mehr mit den neuen technischen Entwicklungen Schritt halten kann und dementsprechend auch das Notice-and-take-down-Verfahren zu verbessern. Gleichzeitig gilt es aber auch, an den bewährten Regulierungsprinzipien der E-Commerce-Richtlinie festzuhalten.
5.1. Allgemeine Regulierungsprinzipien beibehalten
Die Haftung von Online-Vermittlern ist ein besonders wichtiger Bereich des Internetrechts weltweit. Ohne harmonisierte Haftungsausschlüsse –das sog. Haftungsprivileg, das Herkunftslandprinzip und das Verbot einer allgemeinen Überwachungspflicht –die für Online-Vermittler im Binnenmarkt gelten, hätte sich die Internetwirtschaft mit großer Wahrscheinlichkeit nicht so entwickeln und etablieren können, wie wir es heute erleben. Auch künftig werden diese Grundprinzipien zum Erfolg des Internets und seiner digitalen Dienste beitragen. Daher ist an diesen Regulierungsprinzipen trotz und gerade wegen der neuen politischen Herausforderungen, die mit der gestiegenen Rolle und Verantwortung von Diensten der Informationsgesellschaft einhergehen, festzuhalten.
5.1.1. Angemessenheit der Haftungsausschlüsse (Haftungsprivileg)
Die Haftungsausschlüsse, die die E-Commerce-Richtlinie für die verschiedenen Dienste der Informationsgesellschaft festschreibt (Art. 12-14 E-Commerce-Richtlinie), insbesondere das sog. Haftungsprivileg, sind zwar angemessen, im Ergebnis ist das aktuelle freiwillige und aktive Bemühen der Plattformbetreiber gegen illegale Aktivitäten vorzugehen, derzeit jedoch nicht immer ausreichend. Unter Beibehaltung des allgemeinen Haftungsprivilegs der E-Commerce-Richtlinie sollten vielmehr Möglichkeiten der Verantwortungsübernahme, abhängig von und differenziert nach der Art des Diensteanbieters und des Inhalts sowie mit Blick auf die Handlungs- und Meinungsfreiheit, diskutiert werden. Mithin sind mit dem derzeitigen Rechtsrahmen die Anreize der Dienstanbieter zur aktiven Suche nach Rechtsverletzungen, auch im Bereich des geistigen Eigentums, zu intensivieren.
5.1.2. Allgemeine Überwachungspflichten
Da die absolute Überwachung von Angeboten auf den Plattformen für die Betreiber nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist, sollte generell am Verbot der Auferlegung einer allgemeinen Überwachungspflicht für alle Dienste der Informationsgesellschaft (Art. 15 E-CommerceRichtlinie) ein weiterer Grundbaustein der Internetregulierung, festgehalten werden. Dennoch sollten aber Anreize geschaffen werden, die Plattformen vermehrt dazu bewegen sollen, ihre Plattformen auf freiwilliger Basis auf rechtswidrige Inhalte zu durchsuchen. Dabei wäre vorstellbar, dass im Allgemeinen die Rechteinhaber die Überwachung und Benachrichtigung übernehmen, und Vermittler sollten dann als Reaktion auf diese tatsächliche Benachrichtigung über einen Verstoß zügig handeln. Dies würde ein gutes Gleichgewicht auf dem Online-Markt schaffen.
5.1.3. Herkunftslandprinzip
Mit Blick auf die Haftungsregeln und insgesamt die Regulierungsprinzipen der E-Commerce-Richtlinie ist das Herkunftslandprinzip (Art. 3 Abs. 1 und 2 der E-Commerce-Richtlinie) –insbesondere für die Zukunft –zu stärken. Eine Abkehr vom Herkunftslandprinzip, eine Grundvoraussetzung für die freie Wahl des Niederlassungsortes von Anbietern und den freien Verkehr von digitalen Diensten im Digitalen Binnenmarkt, wäre ein falsches Signal.
5.2. Definition von Intermediären an neue technische Gegebenheiten anpassen
Da sich das Internet seit Inkrafttreten der E-Commerce-Richtlinie rasant weiterentwickelt hat, lassen sich eine Reihe von heute gebräuchlichen Intermediären nicht mehr unter die ursprünglich vorgesehenen Definitionen –Bereitstellung von Zugang, Caching und Hosting –subsumieren. Um dieser technischen Entwicklung rund um Plattformen entsprechend begegnen zu können und Unsicherheiten auszuräumen, bedarf es zunächst einer eindeutigen rechtlichen Definition der Intermediäre und einer dementsprechenden Anpassung der Begriffe „reine Durchleitungen“, „Caching-Dienste“ und „HostingDienste“. Zwar lassen sich gewisse etablierte Dienste, wie z. B. ein Onlineshop, einfach unter den Begriff des Hostproviders subsumieren, neuere Technologien, wie z. B. das Keyword-Advertising für Marken, lassen sich allerdings nicht ohne Schwierigkeiten dem Begriff des Hostproviders zuordnen. Ähnliches gilt für die anderen genannten Begriffe, die nicht nur sprachlich aus der Zeit gefallen sind.
Darüber hinaus sind die im 42. Erwägungsgrund der E-Commerce-Richtlinie genannten Begriffe „rein technischer, automatischer und passiver Art“ zu überholen. Während diese Begriffe auf manche Dienste, wie zum Beispiel Cloud-Infrastruktur Dienste, weiterhin zutreffe, so sind sie für andere Dienste nicht mehr geeignet. So hat sogar der EuGH immer wieder allergrößte Schwierigkeiten, neue Technologien als „rein technischer, automatischer und passiver Art“ einzustufen. Deutlich wird dies an der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seiner Entscheidung L’Oréal vs. eBay, in der er ein „Neutralitätsgebot“ für Hostprovider einführte, welches sich dem Wortlaut des 42. Erwägungsgrundes nicht entnehmen lässt und daher zurecht im Schrifttum heftig kritisiert wurde.
5.3. Einstufung digitaler Dienste: Verschiedenheiten berücksichtigen
Bei der Einstufung digitaler Dienste müssen Verschiedenheiten anhand festgelegter Kriterien berücksichtigt werden. Die Kriterien für eine unterschiedliche Behandlung der Plattformbetreiber sollten sich weniger an den verschiedenen Branchen als vielmehr an den Inhalten orientieren. So wäre beispielweise eine Streaming-Plattform von einem Online-Marktplatz mit physischen Produkten voneinander abzugrenzen, während Letztere wiederum auch in verschiedenen Branchen grundsätzlich rechtlich gleichbehandelt werden können. Anhand dieser Kriterien sollte sich auch die Kodifizierung von Plattform an eigenen Notice-and-take-down-Verfahren orientieren.
5.4. Notice-and-take-down-Verfahren müssen weitergehender kodifiziert werden
Das Notice-and-take-down-Verfahren, einhergehend mit dem Haftungsprivileg, sollte innerhalb des bestehenden Rechtsrahmens und innerhalb des technisch Machbaren weitergehender kodifiziert werden. Es muss Klarheit bestehen, welche Inhalte tatsächlich illegal sind und von welchen Diensten sie entfernt werden müssen. Dabei sollte der Kontrolleinfluss, den Online-Vermittler über Inhalte haben, berücksichtigt werden. Neue Verpflichtungen sollten nur für solche Online-Vermittler gelten, die tatsächlich in der Lage sind, Inhalte, die an die Öffentlichkeit verbreitet werden, zu bearbeiten und moderieren. Nur dann können bestehende Rechtsunsicherheiten beseitigt und somit Online-Vermittlern mehr Verantwortung übertragen werden.
Anhand von differenzierten Leitlinien sollten die Bedingungen vorgegeben werden, die Mitteilungen, bzw. Äußerungen erfüllen müssen, um gültig zu sein, sowie was geboten ist, um rechtswidrige Mitteilungen, Fehler und Missbrauch zu verhindern. Je deutlicher die Bedingungen für rechtswidrige Inhalte sind, umso besser und schneller kann reagiert werden. Plattformbetreiber nutzen entsprechende Verfahren teilweise jetzt schon (z. B. Google-Markenbeschwerde), um kanalisiert und umfassend über Rechtsverletzungen auf Ihren Plattformen informiert zu werden. Zu beachten gilt dabei aber, dass diese Verfahren auf jeder Plattform unterschiedlich ausgestaltet sind, für gleiche Rechtsverletzungen auf verschiedenen Plattformen teils unterschiedliche Informationen abgefragt, die Bearbeitungen unterschiedlich lang dauern können und es für unberechtigte Löschungen keine unabhängige Beschwerdestelle gibt. Hilfreich wären daher EU-weite Vorgaben, wie Notice-and-takedown-Verfahren im Einzelnen inhaltlich auszusehen haben, dass diese unbürokratisch und einfach gestaltet werden müssen und mit wenigen Klicks gefunden und ausgefüllt werden können. Vorstellbar wäre das auch zusammen mit einem harmonisierten, vertrauenswürdigen Kennzeichnungssystem („flagging“).
Zudem sollte, was im strittigen Fall eines Notice-and-take-down-Verfahrens zu tun ist, unter Berücksichtigung der Spezifika der jeweiligen Branchen und Sektoren und messbar am Prinzip der Verhältnismäßigkeit geregelt werden und dementsprechend unterschiedlich ausgestaltet sein, denn verschiedene Anbieter sind aufgrund ihres unterschiedlichen Angebots an Dienstleistungen und Inhalten mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Mit anderen Worten, sie haben auch verschiedene Ansprüche an das Verfahren.
Hat allerdings ein Notice-and-take-down-Verfahren bezüglich unstrittig illegaler Inhalte und Waren stattgefunden, sollte das Auftauchen solcher Inhalte und Waren, die zuvor gemeldet und überprüft wurden, auch proaktiv nach bestem Bemühen („best efforts“) verhindert werden (Stay-down).
Außerdem könnte einheitlich geregelt werden, dass Inhalte, die mit der rechtswidrigen Äußerung wörtlich identisch sind, zu löschen sind (EuGH Urt. v. 04.10.2019, Az. C-18/18).
5.5. Verbesserte Rechtsdurchsetzung durch Einführung einer Überwachungsbehörde sicherstellen
Die Verbesserung der Rechtsdurchsetzung, einhergehend mit einem neuen Ansatz von Verpflichtungen, wird eine angemessene Aufsicht bzw. Überwachung erfordern, um eine einheitliche Anwendung und Durchsetzung der europaweit geltenden Vorschriften sicherzustellen und Konsistenz für alle Parteien zu gewährleisten. Der Nutzen einer Überwachungsbehörde liegt darin, den Online-Vermittlern Hilfestellung zur Einhaltung ihrer Verantwortung zu geben und einen Kontrollmechanismus zur Ergreifung von verhältnismäßigen Maßnahmen sicherzustellen. Entscheidend ist, dass der Schwerpunkt der Arbeit der Überwachungsbehörde auf die Kontrolle der Maßnahmen von Dienste45anbietern beschränkt ist. Sie könnte darüber hinaus als Beschwerdestelle, ähnlich der Online-Streitbeilegungsplattform der Europäischen Union, für streitige Löschungen auf Online-Plattformen dienen, um rechtliche Streitigkeiten auf Online-Plattformen diskret und unbürokratisch beizulegen.
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