Factsheet: USA nach den Wahlen

Page 1

SACHSTAND I AUßENWIRTSCHAFT I US-WAHLEN

Factsheet: USA nach den Wahlen

13. November 2020

Joe Biden hat nach aktuellem Auszählungsstand die Wahl zum künftigen Präsidenten der 23.inOktober 2017 Vereinigten Staaten gewonnen. Mit der Aussicht auf eine neue Administration den Vereinigten Staaten wünscht sich die deutsche Industrie einen Neustart auf Augenhöhe in den transatlantischen Beziehungen. Unsere Partnerschaft ist in den vergangenen vier Jahren in schwieriges Fahrwasser geraten. Es muss jetzt nach der Trump-Ära darum gehen, unsere Beziehungen wiederzubeleben und das beschädigte Vertrauen neu aufzubauen. Bei den großen Herausforderungen in der internationalen Sicherheit, im Klimaschutz, bei der Digitalisierung, die alle durch die Corona Krise noch verschärft werden, müssen die EU und die USA an einem Strang ziehen.

Wir erwarten von einem zukünftigen US-Präsidenten Joe Biden, dass er das riesige Potenzial ernst nimmt, welches der transatlantische Markt bietet. EU- und US-Unternehmen handeln Tag für Tag miteinander Waren im Wert von rund 1,7 Milliarden Euro. Ein Industriegüterabkommen und stärkere Zusammenarbeit in Regulierungsfragen würden beiden Seiten dringend benötigte Wachstumsimpulse geben. Die Zeit ist reif, dass die EU und die USA starke gemeinsame Standards bei künstlicher Intelligenz oder auch bei der internationalen Datennutzung setzen.

Die deutsche Industrie begrüßt es, dass Joe Biden und seine zukünftige Vizepräsidentin Kamala Harris mit viel Elan und Veränderungsbereitschaft in die Woche gestartet sind. Erste Gespräche mit europäischen Regierungschefs zeigen, dass Biden eine verbesserte Zusammenarbeit mit den europäischen Verbündeten an den Anfang seiner Arbeit setzen will.

Nur zusammen können die EU und die USA eine Zukunft gestalten, die auf den gemeinsamen Werten Demokratie, Freiheit und Eigenverantwortung basiert. Wir brauchen eine starke Welthandelsordnung, die zur Lösung der zahlreichen Handelskonflikte beiträgt. Die USA sollten jetzt ihre Blockadehaltung bei der Besetzung des Berufungsgremiums der WTO aufgeben und sich konstruktiv am Auswahlprozess für den Generaldirektorposten beteiligen.

Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Abteilung Außenwirtschaftspolitik


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Inhaltsverzeichnis Wahlausgang ....................................................................................................................................... 3 Auswertung der US-Wahl 2020 .......................................................................................................... 3 Wählergruppen Biden ............................................................................................................................ 3 Wählergruppen Trump .......................................................................................................................... 4 Gründe für die hohen Zustimmungswerte Trumps................................................................................ 4 Wahlentscheidende Themen................................................................................................................. 6 Die Wahlen zum Kongress .................................................................................................................... 6 Ausblick: Die USA in den nächsten Wochen ................................................................................... 7 Wichtige Daten für die nächsten Wochen ............................................................................................. 8 Politische Übergangsphase: Lame-Duck Periode ........................................................................... 9 Wichtige Daten ...................................................................................................................................... 9 Anstehende Entscheidungen ................................................................................................................ 9 Das Biden-Harris Transition Team .................................................................................................. 10 Mitglieder des Transition Teams ......................................................................................................... 10 Erste Maßnahmen Bidens ................................................................................................................... 11 Korrespondenz mit europäischen Regierungschefs ........................................................................... 11 Wirtschaftspolitik unter einer Präsidentschaft Bidens (Harris) ................................................... 12 Impressum ......................................................................................................................................... 13

2


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Wahlausgang

Präsidentschaftswahl (Wahlmänner)

Wahl zum Senat (Sitzverteilung)

Wahl zum Repräsentantenhaus (Sitzverteilung)

Mehrheit: 270

Mehrheit: 51

Mehrheit: 218

Trump

Biden

Anmerkung

217

290

Noch offen: North Carolina, Georgia

Republicans

Democrats

Anmerkung

50

48

Republicans

Democrats

Anmerkung

202

218

15 Sitze noch offen

Stichwahlen in Georgia

Quelle: New York Times, Presidential Election Results, <https://www.nytimes.com/interactive/2020/11/03/us/elections/resultspresident.html?action=click&pgtype=Article&state=default&module=styln-elections-2020&region=TOP_BANNER &context=election_recirc> (eingesehen am 13. November 2020).

Auswertung der US-Wahl 2020 Wählergruppen Biden ▪

Ethnische Minderheiten: Traditionell haben Afroamerikaner und Hispanics mehrheitlich für den demokratischen Präsidentschaftskandidaten gestimmt. In diesen Minderheiten konnte Biden prozentual ähnlich viele Stimmen wie Clinton im Jahr 2016 für sich gewinnen.

Junge Wählerinnen und Wähler: Insgesamt gilt, je jünger, desto mehr Zustimmung für Biden. 67 Prozent der 18- bis 24-Jährigen wählten Biden, für Clinton stimmten 2016 nur 56 Prozent. Von den 25- bis 29-Jährigen entfielen 55 Prozent der Stimmen auf Biden. Die über 65-Jährigen wählten zu 48 Prozent den demokratischen Präsidentschaftskandidaten.

Wählerinnen und Wähler mit höherem Bildungsabschluss: College-Absolventen stimmten zu 55 Prozent für Biden. Besonders deutlich wird diese Tendenz unter weißen Wählern. Weiße Männer mit College-Abschluss wählten zu 50 Prozent Biden. Unter den weißen Männern ohne College-Abschluss waren es nur noch 30 Prozent. Ähnlich ist die Differenz bei weißen Wählerinnen, von denen 49 Prozent Biden wählten, wenn ein College-Abschluss vorlag, und nur 39 Prozent der weißen Wählerinnen ohne College-Abschluss für den demokratischen Kandidaten stimmten.

Großstädter und mehr Wählerinnen und Wähler aus ländlichen Regionen: Es gilt, je näher Wählerinnen und Wähler an Großstädten wohnen, desto eher wählten sie Biden.

3


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Insgesamt stimmten 60 Prozent der US-Bürger in Großstädten für Biden. Im Vergleich zu 2016 konnte Biden aber auch auf dem Land prozentual mehr Wähler für sich mobilisieren. Stimmten 2016 nur 34 Prozent der Wählerinnen und Wähler auf dem Land für die demokratische Präsidentschaftskandidatin Clinton, so waren es 2020 45 Prozent der Landbevölkerung, die Biden wählten. ▪

Zunahme unter männlichen weißen Wählern: Unter weißen Wählern konnte Biden insbesondere bei den weißen Männern punkten. Stimmten diese 2016 nur mit 31 Prozent für Clinton, so fielen in dieser Wahl 40 Prozent der Stimmen weißer Männer auf Biden. Von weißen Wählerinnen erhielt Biden 44 Prozent der Stimmen, zwei Prozentpunkte mehr als Clinton 2016.

Wählergruppen Trump ▪

Wer 2016 für Trump stimmte, wählte ihn auch in dieser Wahl: Erste Auswertungen der Wählerstimmen zeigen, dass sich die Wählerschaft Trumps kaum verändert hat. Zu Trumps treuen Wählern gehören insbesondere weiße Wähler, Wählerinnen und Wähler mit geringem Bildungsstand, evangelikale Christen und Wähler aus den oberen Einkommensschichten. Außerdem findet Trump mehr Unterstützung unter älteren Wählern und Wählern aus ländlichen Regionen. Trumps Wählerschaft im ländlichen Raum hat sich jedoch im Vergleich zu 2016 prozentual verkleinert.

Zugewinne bei oberen Einkommensschichten, Afroamerikanern und Hispanics: Im Vergleich zur Wahl 2016 konnte Trump noch stärker Wähler aus den oberen Einkommensschichten für sich gewinnen. Dies ist vermutlich auf seine Steuerpolitik der letzten vier Jahre zurückzuführen, von der vor allem obere Einkommensschichten profitieren konnten. Auch in den Minderheiten der Afroamerikaner und Hispanics konnte Trump seine Wählerschaft überraschenderweise weiter ausbauen. Dies ist besonders auffällig in Florida. Dort hat seine Strategie, bei einer möglichen Präsidentschaft Bidens vor einem ersten Schritt in Richtung Sozialismus zu warnen, vermutlich vor allem bei Exilkubanern gewirkt. Der Anteil von hispanischen Männern, die Trump wählten, stieg von 32 Prozent auf 39 Prozent an. Hispanische Frauen wählten Trump mit 29 Prozent, 2016 waren es nur 25 Prozent. Interessant ist, dass Trump in der weißen männlichen Wählerschaft Stimmen verloren hat. Während 2016 noch 62 Prozent für Trump stimmten, waren es in dieser Wahl nur noch 57 Prozent.

Gründe für die hohen Zustimmungswerte Trumps Die US-Wahlnacht hat gezeigt: Präsident Trump hat mehr Rückhalt in der Bevölkerung als viele im Voraus für möglich gehalten hätten. ▪

Fokus auf konservative Themen: Ein möglicher Erklärungsversuch liegt darin, dass sich USamerikanische Wähler in ihrer Wahlentscheidung oft auf wenige Themen fokussieren. Dazu gehört oft die Steuerpolitik des Kandidaten oder auch seine Einstellung zu kontroversen Themen wie dem Recht auf Abtreibung. Durch seine klare Positionierung in bestimmten konservativen Themen konnte Trump für ihn wichtige Wählergruppen halten. Hinzu kommt, dass es Trump gelungen ist, noch kurz vor der Wahl die konservative Richterin Barrett für den Supreme Court zu bestätigen. Auf konservative Themen bedachte Wähler dankten es nun offensichtlich Trump, dass somit eine starke konservative Mehrheit im Supreme Court auf Jahre gesichert ist.

4


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Gute wirtschaftliche Entwicklung vor der Pandemie: Ein weiterer Grund liegt in der wirtschaftlichen Entwicklung der USA vor den Wahlen. Im Februar verzeichneten die USA fast eine Vollbeschäftigung. Trump war es gelungen, die Arbeitslosenzahlen vor der Coronakrise deutlich zu senken. Für den Wiederaufbau der USA nach der wirtschaftlichen Rezession aufgrund der Pandemie vertraut ein bedeutender Teil der US-Wähler eher auf Trump als auf Biden. Dies gilt insbesondere für die blue collar workers, die dem republikanischen Präsidentschaftskandidaten in wirtschaftlichen Fragen offenbar oft mehr zutrauen als seinem demokratischen Herausforderer. Letzteres ist ein wenig überraschend, da Landwirte und Industriearbeiter von der Politik Trumps während der letzten Jahre nur wenig profitierten. Insbesondere der sich weiter zuspitzende Handelskonflikt mit China belastet die Lage der blue collar workers massiv, was die Trump-Administration bisher nur teilweise mit Subventionen auffangen konnte. Das Narrativ, dass Trump der Kandidat für einen erfolgreichen Wiederaufbau der Wirtschaft ist, wurde von Trump selbst mit seinem „Make America Great Again“-Slogan auch bewusst in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt. Das große Vertrauen in Trumps wirtschaftliche Kompetenz wirft auch Fragen auf, wie sein demokratischer Kontrahent Biden gesellschaftlich wahrgenommen wurde. Trump hat mit seiner Rhetorik bewusst dazu beigetragen, Biden als schläfrigen, alten Kandidaten zu degradieren. Offenbar ist es ihm gelungen, dass Wählerinnen und Wähler an der Kompetenz und Vitalität Bidens zweifelten.

Trump als Kandidat des Anti-Establishments: Eine weitere Wählergruppe, deren Unterstützung Trump erneut sichern konnte, sind Wähler in stark industriell geprägten Bundesstaaten, die sich seit Jahrzehnten von der politischen und wirtschaftlichen Elite des Landes missverstanden und abgehängt fühlen. Trump präsentiert sich als Kandidat des AntiEstablishments, der die angebliche Ignoranz in Washington für die tatsächlichen Probleme amerikanischer Arbeiter kritisiert. Dass diese Strategie wirkt, zeigt sich besonders am Beispiel West Virginias: ein traditioneller Gewerkschaftsstaat, der über viele Jahre demokratisch regiert worden war. Dort wurde Trump erneut mit 68,6 Prozent wiedergewählt. 2016 waren in West Virginia ebenfalls 68,6 Prozent für Trump.

Zunehmende gesellschaftliche Polarisierung: Studien zeigen, dass die US-Gesellschaft noch polarisierter ist als 2016. Der unter der Präsidentschaft Trumps stärker gewordenen „Black Lives Matter“-Bewegung zeigte Trump von Anfang an keine Empathie. Stattdessen legte er den Fokus auf Teile der Proteste, die in Gewalt ausbrachen, kritisierte linke Radikale und verteidigte die Arbeit der Polizei. Bei der konservativen weißen Wählerschaft, die angeblich in immer größerer Angst lebt, gegenüber Hispanics und anderen Bevölkerungsgruppen in die Minderheit zu geraten, fanden Trumps „Law and Order“-Rufe große Zustimmung. Aus dem Gefühl heraus, Trump sorge für Sicherheit auf den Straßen, gaben viele Wähler Trump ihre Stimme.

Minderheiten sind keine homogene Bevölkerungsgruppe: Trump erhielt in dieser Wahl die größte Unterstützung afroamerikanischer und hispanischer Minderheiten für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten seit 1960. Das heißt, seit 1960 war der prozentuale Anteil an Wählerstimmen von nicht weißen Wählern für einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten nicht mehr so hoch. Diese Tatsache ist angesichts Trumps Antimigrationsrhetorik zwar überraschend, sie zeigt aber auch, dass diese Minderheiten nicht als homogene Bevölkerungsgruppe gesehen werden dürfen. Trumps Warnung vor einem ersten Schritt in Richtung Sozialismus, sollte Biden die Wahl gewinnen, hat vermutlich vor allem Exilkubaner in Florida von einer Wahl für Biden abgehalten. Insgesamt ist jedoch festzustellen, dass Trump offenbar in eine politische Lücke gestoßen ist, die eine liberale Elite

5


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

rund um die Demokraten hinterlässt. Der Vorwurf lautet, dass sich Demokraten statt auf sozioökonomische Fragen zu sehr auf kulturelle Fragen (Antirassismus und gesellschaftliche Vielfalt) konzentrierten. Die Demokraten, die sich offenbar zu selbstverständlich auf Wählerstimmen von Afroamerikanern und Hispanics verlassen, werden diesen Umstand analysieren müssen. Wahlentscheidende Themen Themen, die laut einer Umfrage der Washington Post /Edison Research for the National Election Pool die Wahlentscheidung maßgeblich beeinflusst haben: Trump-Wähler

Biden-Wähler

81% Wirtschaft

91% Struktureller Rassismus

70% Kriminalität und öffentl. Sicherheit

82% Corona Pandemie

36% Gesundheitswesen

63% Gesundheitswesen

14% Corona-Pandemie

28% Kriminalität und öffentl. Sicherheit

8%

17% Wirtschaft

Struktureller Rassismus

Quelle: The Washington Post, Exit Poll Results and Analysis for the 2020 Presidential Election, <https://www.washingtonpost.com/> (eingesehen am 12. November 2020).

Die Wahlen zum Kongress ▪

Die Wahl zum Senat: Ob es den Republikanern gelingt, den Senat zu kontrollieren, ist noch nicht abzusehen. In den Wahlen um zwei Senatssitze aus dem Staat Georgia ist eine Stichwahl am 5. Januar 2021 notwendig. Die Demokraten hoffen jetzt darauf, beide Stichwahlen in Georgia zu gewinnen. Dann würde es im Senat einen Gleichstand von 50 zu 50 geben. In diesem Fall würde bei einem Patt die Vizepräsidentin Kamala Harris (D) entscheiden.

Die Wahl zum Repräsentantenhaus: Im Repräsentantenhaus haben die Demokraten nach aktuellem Stand bereits eine knappe Mehrheit. Es wird jedoch erwartet, dass ihre Mehrheit im Vergleich zu den Midterm-Elections 2018 schrumpfen wird.

Erste Abstimmungen: Der Senat hat am 9. November seine Arbeit wieder aufgenommen. Demokraten und Republikaner haben bereits in ihren Fraktionen über den zukünftigen Mehrheits- und Minderheitsführer während des 117. Kongresses abgestimmt. In beiden Parteien wurden die Amtsinhaber wiedergewählt: Senator Mitch McConnell (R-KY) und Senator Chuck Schumer (D-NY). Darüber hinaus hat Nancy Pelosi (D-CA) bereits angekündigt, dass sie sich für weitere zwei Jahre als Sprecherin des Repräsentantenhauses bewerben werde.

Sollten die Ergebnisse zu einer Spaltung des Kongresses führen, hätte es jeder Präsident schwer zu regieren. Trump hat dies bereits mit der langwierigen Ratifizierung des USMCA erlebt. Die potenzielle Biden-Administration hätte die zusätzliche Herausforderung, Nominierungen durch den von den Republikanern kontrollierten Senat zu bringen. Es

6


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

erscheint daher plausibel, dass Biden gemäßigtere Kandidaten für seine Regierung nominieren würde, um die Bestätigung sicherzustellen.

Ausblick: Die USA in den nächsten Wochen ▪

Letzte Auszählungen: Zunächst stehen noch die letzten Auszählungen in Arizona, North Carolina, Georgia und Alaska aus. In North Carolina (15 Wahlmänner) und Alaska (3 Wahlmänner) führt Trump aktuell, in Georgia (16 Wahlmänner) und Arizona (11 Wahlmänner) führt Biden. In North Carolina werden eintreffende Briefwahlstimmen, die den Poststempel vom 3. November 2020 tragen, noch bis zum 12. November 2020 gewertet.

Entscheidungen von Gerichten und Supreme Court: Grundsätzlich steht es US-Präsident Trump und den Republikanern zu, Unstimmigkeiten juristisch klären zu lassen oder in besonders knapp ausgegangenen Abstimmungen auf eine Neuauszählung zu hoffen. Trump und seine Anwälte haben bereits in mehreren Staaten verschiedene Klagen wegen Unregelmäßigkeiten bei der Stimmabgabe eingereicht, bisher jedoch keine wesentlichen Fortschritte im Rechtsstreit erzielt. Trump und sein Wahlkampfteam können nicht die Wahl als Ganzes vor dem Supreme Court anfechten, sondern nur spezifische Umstände an spezifischen Orten – so wie 2000 (Bush vs. Gore) in Florida. Damals ging es um die Auszählung der Stimmen in Palm Beach County und vier weiteren Wahlkreisen. Der Vorsprung für Bush in Palm Beach County war so knapp, dass der demokratische Kandidat Gore forderte, in vier weiteren Landkreisen Handauszählungen vorzunehmen. Sein endgültiges Urteil fällte der Supreme Court am 12. Dezember 2000. Der Supreme Court hatte 2000 in seinem Urteil deutlich gemacht, dass seine Entscheidung keine Präzedenz schaffe: „Our consideration is limited to the present circumstances, for the problem of equal protection in election processes generally presents many complexities.” Es ist nicht sicher, dass der Supreme Court die Klage Trumps annehmen wird. Er könnte die Klage auch an die Gerichte in den Bundesstaaten weitergeben / zurückweisen mit der Begründung, dass diese besser geeignet sind, ihre eigenen Gesetze und Verfassungen zu interpretieren. Beim Supreme Court ist bereits ein Fall zu Pennsylvania anhängig: Dort wird gegen die Entscheidung des Supreme Court von Pennsylvania geklagt, welcher im September entschieden hatte, dass Briefwahlstimmen gezählt werden (mit Poststempel spätestens vom 3.11.2020), die bis Freitag, 6. November 2020, eintreffen. Die Republikaner forderten den Supreme Court zunächst auf, dieses Urteil auszusetzen, was der Supreme Court ablehnte (mit 4:4 Stimmen). Dann legten sie Berufung gegen das Urteil des Pennsylvania Supreme Court ein und forderten den Supreme Court auf, diesen Fall sofort zu verhandeln – auch das lehnte der Supreme Court ab. Der Supreme Court hat noch nicht abschließend entschieden, ob er sich mit der Berufungsklage befassen wird. Für Biden wäre der Fall Pennsylvania besonders heikel, da er in dem größten umstrittenen Bundesstaat 20 Wahlmänner für sich gewinnen konnte. Trumps Anwälte dürften sich daher besonders um diesen Staat bemühen. Bisher fehlt es Trump hierzu jedoch an Argumenten, Belegen und der Perspektive, dass ein Erfolg in einzelnen Verfahren den Wahlausgang noch ändern könnte. In der Streitigkeit um die verlängerte Frist für Briefwahlstimmen geht es im Fall Pennsylvanias um wenige Tausend Stimmen, die kaum einen Unterschied machen dürften.

Trump gesteht Wahlniederlage ein: Das Eingeständnis Trumps hinsichtlich seiner Wahlniederlage ist zunächst für den gesellschaftlichen Zusammenhalt wichtig. Trumps Anhängern muss so deutlich gemacht werden, dass die Wahl Bidens zum zukünftigen USPräsidenten legitim ist. So wäre eine friedliche Amtsübergabe gewährleistet. Aus dem Umkreis des Präsidenten ist zu hören, dass Trump die Niederlage nicht in der herkömmlichen Form

7


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

durch eine Konzessionsrede und einen Anruf beim Wahlsieger einräumen werde. Angaben der Washington Post zufolge haben sich Trumps engste Berater in zwei Gruppen gespalten – eine Gruppe, die wie Trump weiter auf einen Sieg hofft und dafür vor Gerichten kämpfen will; und eine Gruppe von teilweise republikanischen Vertretern, die Trump dazu raten, Biden als Wahlsieger anzuerkennen. Das Eingeständnis Trumps ist aber auch wichtig, um weitere Maßnahmen für den Regierungswechsel einzuleiten. ▪

Vollzug des Regierungswechsels: Unabhängig davon, ob es einen Wechsel im Präsidentenamt gibt, legt das Bundesgesetz einen umfassenden Übergangsplan für alle Behörden fest, der bereits vor vielen Monaten begonnen hat und in diesem Moment weitergeführt werden müsste. Die Übergangsbemühungen konzentrieren sich auf beide Szenarien: die Vorbereitung auf eine zweite Trump-Administration oder die Begrüßung einer neuen Biden-Administration. Für das in der jetzigen Situation zu erwartende zweite Szenario gibt es etwa 4.000 politische Positionen, die von der neuen Regierung besetzt werden müssen. Etwa ein Viertel dieser Positionen muss sogar vom Senat bestätigt werden. Da vom Wahltag bis zur Amtseinführung weniger als drei Monate vergehen, ist es unwahrscheinlich, dass alle politisch ernannten Positionen benannt werden, sodass der Übergang weit über die Amtseinführung hinaus andauern könnte.

Erklärung über den „anscheinenden Sieger“: Ein erster Schritt für die jetzt anstehenden weiteren Maßnahmen für einen friedlichen Regierungswechsel ist eine Erklärung über den „anscheinenden Sieger“ der Präsidentschaftswahl durch die Verwaltungsbehörde der Bundesgebäude (General Services Administration). Mit dieser Erklärung werden dem Team des Wahlsiegers Zugänge zu Regierungsgebäuden, E-Mails, Regierungsbeamten und Computersystemen gewährt, zuvor genehmigte Gelder freigegeben und Räume in jeder USBehörde geschaffen. In diesem Jahr wurde die Summe für den Aufbau einer neuen Regierung auf 9,9 Millionen US-Dollar veranschlagt. Bisher wurde diese formelle Erklärung durch die Leiterin der Verwaltungsbehörde nicht aufgesetzt. Somit bleibt weiter unklar, wann die weiteren Maßnahmen für die Machtübergabe eingeleitet werden können. Eine Bestätigung vor Freitag, 13. November 2020, wird jedoch nicht erwartet.

Wichtige Daten für die nächsten Wochen 8. Dezember 2020: Bis zu diesem Datum, der so genannten „Safe-Harbor“-Frist nach Bundesrecht, haben die Bundesstaaten die Möglichkeit, Streitigkeiten über ihre Stimmzahlen beizulegen und den Gewinner zu bestätigen. Wenn ein Staat bis dahin seine Stimmenauszählung nicht abgeschlossen hat, kann der Kongress am 6. Januar entscheiden, welche Wahlstimmen akzeptiert werden. Sollten Streitigkeiten in einzelnen Staaten also weiter bestehen, könnte es sein, dass am Ende der Kongress über den Sieger einzelner Bundesstaaten entscheidet. 14. Dezember 2020: Die Mitglieder des Electoral College geben ihre Stimme für den Präsidenten ab. Der Kandidat, der mindestens 270 der 538 verfügbaren Wahlstimmen erhält, gewinnt das Präsidentenamt. In allen Bundesstaaten mit Ausnahme von Maine und Nebraska erhält der Gewinner der Volksabstimmung alle seine Stimmen, die nach der Bevölkerung aufgeteilt werden. 23. Dezember 2020: Bis zu diesem Datum müssen die Urkunden über die Wahlstimmen den zuständigen Beamten ausgehändigt werden. 3. Januar 2021: Der 117. Kongress wird vereidigt.

8


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

6. Januar 2021: Eine gemeinsame Sitzung des neuen Kongresses tritt zusammen, um die Wahlmänner Stimmen zu zählen. Der Sieger der US-Wahl 2020 wird dann offiziell verkündet. Der Vizepräsident führt den Vorsitz bei den Beratungen. Es gibt ein Einspruchsverfahren, das jedoch nur selten angewandt wurde. 20. Januar 2021: Tag der Amtseinführung.

Politische Übergangsphase: Lame-Duck Periode Die sogenannte „Lame-Duck Period“ zwischen US-Wahl und Inauguration des künftigen USPräsidenten am 20. Januar 2021 könnte viele Risiken bergen. So könnte Trump vor dem Ausscheiden noch weitere Dekrete erlassen. Wichtige Daten 9. November 2020: Senat hat die Arbeit wieder aufgenommen 16. November 2020: Repräsentantenhaus nimmt Arbeit wieder auf 21./22. November 2020: G20-Gipfel in Riad 11. Dezember 2020: Stichtag, an dem der Überbrückungsetat für das Fiskaljahr 2021 ausläuft 3. Januar 2021: 116. Kongress endet und der neue 117. Kongress konstituiert sich Anstehende Entscheidungen ▪

Haushaltsstreit: Der Kongress wird während der diesjährigen Lame-Duck Periode wahrscheinlich sehr beschäftigt sein. Der dringendste Punkt auf der Tagesordnung ist die Verabschiedung eines Haushalts, um einen Shutdown zu vermeiden. Der Haushalt umfasst viele Gesetzesentwürfe. Dazu gehören zusätzliche Nord Stream 2-Sanktionen und mehrere Bestimmungen in Bezug auf China, wie z. B. die Finanzierung der 5G-Entwicklung, Anreize für die heimische Halbleiterproduktion und Beschränkungen des akademischen Austauschs zwischen China und den USA.

Einigung auf Corona-Hilfspaket: Darüber hinaus könnten Nancy Pelosi und Finanzminister Steven Mnuchin versuchen, die festgefahrenen Verhandlungen über ein weiteres CoronaKonjunkturpaket wieder in Gang zu bringen. Seit Beginn der Pandemie haben der USKongress und die Trump-Administration vier Notfall-Pakete mit einem Gesamtvolumen von 2,4 bis 2,7 Billionen US-Dollar auf den Weg gebracht, um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu mildern. Trotz des Auslaufens dieser Corona-bedingten fiskalischen Maßnahmen im August konnten sich Demokraten und Republikaner bis dato auf kein weiteres Fiskalpaket einigen. US-Präsident Trump erließ daraufhin am 8. August drei Memoranden und eine Durchführungsverordnung, die juristisch umstritten sind, da er hiermit das ausschließliche Haushaltsrecht des US-Kongresses umgangen hat. Umstritten ist ebenso, ob diese Dekrete in der jetzigen Form von Bundesstaaten und den jeweiligen Behörden erfüllt werden können. Ende September legten die Demokraten in einem letzten Versuch, noch ein Corona-Hilfspaket vor der Wahl zu verabschieden, mit dem 2,2 Billionen US-Dollar umfassenden HEROES Act eine reduzierte Form ihres bereits im Frühjahr verabschiedeten Konjunkturpakets vor. Der Vorschlag wurde von den Republikanern im Kongress abgelehnt. Die jüngste

9


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Diskussionsrunde zu einem weiteren Konjunkturpaket scheiterte kurz vor der Wahl, und die beiden Seiten sind in vielen entscheidenden Fragen wie Corona-Tests, Haftungsfragen für Unternehmen, staatliche und lokale Hilfe, Arbeitslosenversicherung und anderen Themen nach wie vor weit voneinander entfernt. Es ist möglich, dass die Gespräche bis Anfang 2021 fortgesetzt werden könnten. ▪

Auslaufen von Gesetzesvorhaben: Schließlich ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass jede Rechtsvorschrift, die nicht vor dem Ende der Lame-Duck Periode in Kraft gesetzt wird, effektiv abgeschlossen ist und nicht auf den neuen Kongress übergeht. Sie muss also erneut eingereicht werden. Dazu gehören die mehr als 380 China-bezogenen Gesetze und einige der Sanktionsgesetze wie DASKA (Defending American Security from Kremlin Aggression Act) und DETER (Defending Elections against Trolls from Enemy Regimes Act).

Das Biden-Harris Transition Team „America is back“ – unter diesem Motto sind der künftige US-Präsident Joe Biden und seine designierte Vizepräsidentin Kamala Harris in die Woche nach der Wahl gestartet. Während einer Veranstaltung am Dienstag in Delaware erklärte Biden: „Ich lasse Sie wissen, dass Amerika wieder da ist. Wir werden wieder im Spiel sein“. Nach vier Jahren Trump und einer USA-zentrierten Außen- und Handelspolitik sind die Hoffnungen auf einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen groß. Biden und Harris treiben den Übergang mit knapp 70 Tagen bis zum Tag der Amtseinführung entschlossen voran, trotz der Weigerung der Trump-Administration, die für einen reibungslosen Regierungswechsel notwendigen formalen Schritte zu unternehmen. Mitglieder des Transition Teams Biden hat bereits die Mitglieder seines Übergangsteams vorgestellt. Diese bereiten den Übergang in den obersten Bundesbehörden vor. Die meisten Mitglieder sind als Freiwillige aufgeführt, nur einzelne wenige werden als Vollzeit-Übergangsmitarbeiter genannt. Auf der Website des Biden-Harris Transition Teams heißt es, dass die Teams so zusammengestellt wurden, dass sie nicht nur die Werte und Prioritäten der neuen Regierung widerspiegeln, sondern auch die Vielfalt an Perspektiven, die für die Bewältigung der dringendsten und komplexesten Herausforderungen Amerikas entscheidend sind. Im Bereich Handel finden sich viele Arbeitsrecht-Experten, die bereits an den Verhandlungen um das Abkommen zwischen den USA, Mexiko und Kanada – teilweise bei NAFTA, teilweise bei USMCA – beteiligt waren. Jason Miller, ehemaliger stellvertretender Direktor beim Nationalen Wirtschaftsrat unter Obama, wird den Übergang des USTR (Amt des Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten) hauptverantwortlich koordinieren. Während seiner Zeit unter Obama hatte er sich insbesondere durch seine Bemühungen für mehr heimische Produktion und das Re-shoring von Produktion und Arbeitsplätzen verdient gemacht. Weitere Mitglieder im Transition Team für das Büro des USHandelsbeauftragten sind die AFL-CIO-Kampagnenleiterin Julie Greene und die ehemalige AFL-CIOHandelsbeauftragte Celeste Drake. Beide Kandidatinnen vertreten starke Gewerkschaftsinteressen. Drake beriet den USTR bereits während der Neuverhandlungen von NAFTA unter Trump. Ein weiteres Mitglied im Transition Team für das USTR-Büro ist Riley Ohlson, Leiter für Bundesangelegenheiten bei der Alliance for American Manufacturing, einer Allianz von US-Industrien, die von den United Steelworkers angeführt werden. Geovette Washington, ehemalige General Counsel im Office of Management and Budget unter Obama, ist mit der Transition im Handelsministerium beauftragt. Bereits im Voraus hatten Tech-Unternehmen versucht, ihre Beziehungen zu einer möglichen BidenRegierung zu verstärken. Die Liste der Mitglieder im Transition Team zeigt, dass sich darin viel mehr

10


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Führungskräfte aus Tech-Unternehmen wiederfinden als ausgesprochene Tech-Kritiker. So wird Tom Sullivan, ein leitender Mitarbeiter des Public Policy-Teams bei Amazon, Teil des Übergangsteams für das Außenministerium. Ähnlich wird Mark Schwartz aus dem Cloud-Computing Bereich bei Amazon den Übergang des Office of Management and Budget mit begleiten. Nicole Isaac, leitende Direktorin für Nordamerika-Politik bei LinkedIn, wird Teil des Transition Teams sein, das sich um das Finanzministerium kümmert. Des Weiteren finden sich Führungskräfte von Google, AirBnB und Uber in anderen Übergangsteams. Am Abend des 11. November wurde ebenfalls bekannt, dass Biden seinen langjährigen Vertrauten Ronald Klain zum Stabschef im Weißen Haus machen will. Zwischen 2009 und 2011 war Klain bereits Bidens Stabschef und arbeitete zuvor auch schon für den Demokraten, als dieser im US-Senat saß. Unter Obama war Klain ab 2014 Koordinator der Maßnahmen der US-Regierung in der EbolaEpidemie. Klain ist ein entschlossener Kritiker von Trumps Krisenmanagement der Corona-Pandemie. Erste Maßnahmen Bidens Biden und Harris treten ein schweres Erbe an: Da ist die Pandemie, die Wirtschaftskrise und eine USGesellschaft, die während der letzten vier Jahre unter Trump noch tiefer gespalten wurde. Auf ihrer Internetseite „Build back better“ werden die vier Prioritäten der neuen Präsidentschaft, wie sie ab Tag eins gelten sollen, aufgelistet: Kampf gegen Covid-19, wirtschaftliche Erholung, Kampf gegen Rassismus und Kampf gegen den Klimawandel. Am Montag, 9. November, hat Biden direkt eine Corona-Taskforce ins Leben gerufen. Dies ist ein Signal dafür, dass die Bekämpfung der Pandemie oberste Priorität hat. Zu den Prioritäten der Taskforce gehören unter anderem das Senken der aktuellen Infektionszahlen und die Sicherstellung eines transparenten und umfassenden Genehmigungsprozesses bei der Bereitstellung eines Impfstoffes sowie ein effizienter Verteilungsplan. Darüber hinaus will Biden mit Demokraten und Republikanern Gespräche über das nächste Konjunkturpaket führen. Des Weiteren bereitet Biden bereits eine Reihe an wirtschafts- und umweltpolitischen Dekreten vor, die möglichst schnell nach seiner Vereidigung im Januar umgesetzt werden sollen. So sollen verschiedene Wahlversprechen gleich in den ersten Tagen erfüllt werden: So verspricht Biden, gleich am ersten Tag den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation rückgängig machen zu wollen und dem Pariser Klimavertrag wieder beitreten zu wollen. Auch das Atomabkommen mit dem Iran soll wieder aktiviert werden. Korrespondenz mit europäischen Regierungschefs Der designierte US-Präsident Joe Biden reagierte bereits auf Anrufe internationaler Regierungschefs, die ihm zu seinem voraussichtlichen Sieg bei den Präsidentschaftswahlen gratulierten. Dies zeigt, dass sich die wichtigsten Verbündeten der USA intensiv auf eine neue US-Regierung vorbereiten, auch wenn Trump seine Niederlage bisher nicht eingeräumt hat. Angaben des Biden-Übergangsbüros zufolge sprach der zukünftige Präsident bereits am Dienstag, 10. November 2020, unter anderem mit dem irischen Premierminister Micheál Martin, dem britischen Premierminister Boris Johnson, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Angaben der Bundesregierung zufolge waren sich Bundeskanzlerin Merkel und der designierte Präsident Biden einig, dass der transatlantischen Zusammenarbeit angesichts der Vielzahl globaler Herausforderungen eine hohe Bedeutung zukommt. Der Elysee-Palast in Paris erklärte, Macron habe Biden eine enge Zusammenarbeit in der Klima- und Gesundheitspolitik sowie in der Terrorismusbekämpfung angeboten. Am Montag, 9. November 2020, hatte Biden bereits mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau Kontakt. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schlug Biden in einer Rede in Brüssel einen „umfassenden Neustart“ der transatlantischen Beziehungen vor. Dies betreffe unter anderem die Sicherheits- und Handelspolitik, so von der Leyen.

11


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Wirtschaftspolitik unter einer Präsidentschaft Bidens (Harris) Joe Biden stellte im Juli 2020 seinen Wirtschaftsplan „Build Back Better“ vor. Absoluter Fokus liegt auf der Überwindung der Corona-Krise. Der Plan hat einen Umfang von insgesamt 700 Milliarden US-Dollar: 400 Milliarden, um die Nachfrage nach heimischen Produkten anzukurbeln; 300 Milliarden Investitionen in Forschung und Entwicklung. Insgesamt sollen drei Millionen Jobs geschaffen werden. ▪

Re-Shoring: Auch Biden setzt eher auf innenpolitische und binnenwirtschaftliche Themen. Die Förderung inländischer Produktion („Buy America(n)“) und die Stärkung der amerikanischen Mittelschicht haben Priorität. US-Firmen sollen mit Strafsteuern davon abgehalten werden, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Dieses Vorhaben bekräftigte Biden diese Woche auch nochmals in seiner Rede vor der Gewerkschaft United Auto Workers. Auch Staatsaufträge sollen prioritär an US-Firmen gehen. Für Unternehmen, die in den USA investieren, solle es dagegen Steuererleichterungen geben. Biden plant außerdem größere Investitionen in Elektrofahrzeuge, um über eine Million Arbeitsplätze in der heimischen Automobilindustrie zu schaffen. Insbesondere bei kritischen Gütern wie Pharmazeutika und medizinischer Schutzausrüstung setzt er auf mehr Unabhängigkeit von globalen Lieferketten und stattdessen auf lokale Beschaffungsmärkte.

Handelspolitik: Entsprechend seines Fokus auf die Stärkung der heimischen Wirtschaft wird die Umsetzung neuer Handelsabkommen als zweitrangig eingestuft. Zukünftige Handelsabkommen sollen, so Biden, auf höheren Umwelt- und Arbeitsschutzstandards basieren. Biden spricht sich deutlich gegen die Möglichkeit von Investor-State Dispute Settlements (ISDS) für Unternehmen aus und ist auch gegen deren Aufnahme in zukünftige Handelsabkommen.

Zölle: Biden plant eine kritische Prüfung bestehender Zölle. Wo für den Aufbau der Wirtschaft nötig, will auch Biden auf Zölle setzen. Anders als Trump wolle er deren Nutzen jedoch genau prüfen und sie nicht einsetzen, „um Härte vorzutäuschen“ („to fake toughness“).

China: Auch unter Biden wird das Vorgehen gegen illegale Handelspraktiken Chinas eine Priorität sein. Hierfür will Biden alte Bündnisse wieder stärken, um gemeinsam gegen China vorzugehen.

Sanktionspolitik: Auch unter Biden wird die US-amerikanische Sanktionspolitik – wenn auch in voraussichtlich abgemilderter Form – in Teilen fortgesetzt. In seinem Townhall Meeting bezeichnete Biden Russland als einen „Gegner“ und versicherte, Russland müsse unter seiner Präsidentschaft für die illegale Einmischung in US-Angelegenheiten zahlen. Trotz Nachfrage machte Biden bisher jedoch keine Angabe, wie er Russland bestrafen wolle. Hinsichtlich Nord Stream 2 vertritt Biden die Auffassung, dass die Errichtung der Pipeline ein „grundsätzlich schlechter Deal“ sei. Vielmehr müsse die Unabhängigkeit Europas im Energiesektor gestärkt werden. Zu betonen ist jedoch, dass Biden in seinem Positionspapier keine Handelsstrafen im Zusammenhang mit Nord Stream 2 erwähnt. Mit Blick auf den Iran fordert Biden eine Lockerung der Sanktionen und eine Rückkehr zur internationalen Diplomatie.

Multilateralismus: Biden zeigt sich offener für multilaterale Organisationen und Verhandlungslösungen und plant, dem Pariser Klimaabkommen beizutreten. Bei der WTO sieht Biden großen Reformbedarf, erkennt aber an, diese könne unter Mitwirkung der USA ein „effective tool“ sein. Darüber hinaus betont Biden die Wichtigkeit der westlichen Wertegemeinschaft und lässt hoffen, dass die transatlantische Zusammenarbeit intensiviert werden kann. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass das transatlantische Verhältnis nie ganz frei von Konflikten war und dies auch nicht unter Biden wäre.

12


Factsheet: USA nach den Wahlen 11/2020

Impressum Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) Breite StraĂ&#x;e 29, 10178 Berlin www.bdi.eu T: +49 30 2028-0

Autoren Dr. Stormy-Annika Mildner T: +493020281582 S.Mildner@bdi.eu Elisabeth Allmendinger T : +493020281496 E.Allmendinger@bdi.eu Valerie Ross T : +493020281623 V.Ross@bdi.eu Julia Howald T : +493020281483 J.Howald@bdi.eu Dokumentennummer: D 1268

13


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.