Aufbau eines Dateninstituts für Deutschland
Handlungsempfehlungen zur inhaltlichen und strukturellen Ausgestaltung
15. November 2022
Einführung
Die digitale Transformation der deutschen Industrie kann nur dann zu einem Erfolgsmodell werden, wenn das Wertschöpfungspotenzial der Datenwirtschaft gehoben wird. Wie die Bundesregierung in ihrer Digitalstrategie vom 31. August 20221 richtigerweise betont, wurden in den vergangenen Jahren hinsichtlich der Datennutzung in Deutschland zwar deutliche Fortschritte erzielt, dennoch besteht in Bezug auf die umfangreiche Nutzung von Datenbeständen weiterhin eine gewisse Zurückhaltung Im aktuellen europäischen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI Bericht 20222) rangiert Deutschland auf Platz 13 in Bezug auf die digitale Durchdringung von Unternehmen („Integration der Datentechnik“) und bei digitalen öffentlichen Diensten sogar unter dem EU Durchschnitt auf den Plätzen 16 und 18. Vor diesem Hintergrund ist ein noch stärkeres Umdenken auf die Chancen einer intensiveren Datennutzung in Wirtschaft und Gesellschaft erforderlich.
Stattdessen wird die Diskussion derzeit jedoch vielfach von bestehenden Hemmnissen und Bedenken überlagert. Dies haben auch die Ergebnisse einer vom BDI beauftragten IW Studie “Datenwirtschaft in Deutschland”, in der über 500 Unternehmen im Rahmen einer repräsentativen Studie befragt wurden, deutlich gemacht: 91 Prozent der befragten Unternehmen sehen die „Sorge vor einem unautorisierten Zugriff Dritter“ und über 85 Prozent „datenschutzrechtliche Grauzonen“ als zentrale Hemmnisfaktoren für eine stärkere wirtschaftliche Datennutzung an.3 Zugleich wurde deutlich, dass es im Umgang mit Daten noch erheblichen Nachholbedarf gibt: Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage von über 500 Unternehmen konnten nur 28 Prozent der befragten Unternehmen als digital in Bezug auf das eigene Datenmanagement klassifiziert werden. Dabei gab nicht einmal jedes vierte Unternehmen an, dass es im Rahmen eines strategischen Prozesses regelmäßig nach neuen Datenquellen und
1 Digitalstrategie der Bundesregierung, abrufbar unter: https://digitalstrategie deutschland.de/static/1a7bee26afd1570d3f0e5950b215abac/220830_Digitalstrategie_fin barrierefrei.pdf.
2 Digital Economy and Society Index (DESI) 2022, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/newsroom/dae/redirection/document/88764.
3 „Datenwirtschaft in Deutschland Wo stehen die Unternehmen in derDatennutzung und wassind ihre größten Hemmnisse?“, IW Studie im Auftrag des BDI, Februar 2021, abrufbar unter https://bdi.eu/media/publikationen/?publicationtype=Studien#/publikation/news/datenwirtschaft in deutschland/
Dr.Michael Dose | Digitalisierungund Innovation | T:+49 30 2028 1560 | m.dose@bdi.eu |www.bdi.eu
Einsatzmöglichkeiten sucht (23 Prozent) oder staatliche Open Data Angebote für relevant hält (22 Prozent). 75 Prozent der befragten Unternehmen wollen unter gar keiner Bedingung Daten mit anderen teilen.
Dabei hat jedoch nicht zuletzt die anhaltende Covid 19 Pandemie sehr deutlich gemacht, welche Chancen und Vorteile eine effiziente Datennutzung für Wirtschaft undGesellschaft gleichermaßen bieten Um diese Potenziale der Datenwirtschaft in Staat, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft freizusetzen, muss der Umgang mit Datenbeständen ihre Verfügbarkeit, ihre Aufbereitung, ihre Nutzung und ihre Teilung verbessert werden. Gleichzeitig erleben wir beim Umgang mit Daten eine große Heterogenität in verschiedenen Sektoren
Der BDI unterstützt deshalb den Aufbau eines Dateninstituts für Deutschland, um die einfachere Nutzung von Daten ins Zentrum der datenpolitischen Diskussion zu rücken und die mit der Datennutzung verbundenen Chancen stärker herauszuarbeiten In ihrer Digitalstrategie hat die Bundesregierung die Zielsetzung dahingehend präzisiert, dass mit dem Dateninstitut die Datenverfügbarkeit und standardisierung vorangetrieben und Datentreuhändermodelle und Lizenzen etabliert werden sollen. Auf diesem Wege solle die Datenverfügbarkeit und eine datenbasierte Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Gesellschaft und Verwaltung gestärkt werden. Dabei sollte das Dateninstitut als unabhängige Beratungs und Koordinationsstelle ausgestaltet werden, um bestehende Defizite im Dialog mit verschiedenen Stakeholdergruppen zu adressieren.
Inhaltliche Aufgaben des Dateninstituts
Um die mit der Nutzung von Daten verbundenen Wertschöpfungspotenziale tatsächlich zu heben, müssen die Chancen einer verstärkten Datennutzung für Wirtschaft und Gesellschaft in den Mittelpunkt der Diskussion rücken. Aufgrund der Heterogenität zwischen verschiedenen Sektoren sollte das Dateninstitut als übergeordnete Institution etabliert werden und sich auf folgende wesentliche Aufgaben fokussieren:
Zentrale Koordinationsstelle für Open Data
Im Rahmen der IW Studie „Datenwirtschaft in Deutschland“ geben nur knapp 22 Prozent der befragten Unternehmen an, derzeit staatliche Open Data Angebote zu nutzen. Dies dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass aufgrund der föderalen Struktur eine Vielzahl unterschiedlicher Open Data Angebote existieren. Zudem ist auch mit der Umsetzung der PSI Richtlinie in das Datennutzungsgesetz (DNG) kein Rechtsanspruch auf Open Data vorgesehen worden Gleichwohl ist es zu begrüßen, dass die neue Bundesregierung einen solchen Rechtsanspruch in der laufenden Legislaturperiode einführen will Für einen effektiven Zugang zu staatlichen Open Data Angeboten ist die Implementierung eines Rechtsanspruchs notwendig, jedoch für sich genommen nicht hinreichend. Daneben bedarf es gleichermaßen Investitionen in die technische Bereitstellungspraxis (Aufbereitung und Bereitstellung der Daten) und in die entsprechenden Bereitstellungskompetenzen.
Vor diesem Hintergrund sollte es ein primäres Ziel des Dateninstituts sein, die derzeitige Zersplitterung der Open Government Data Landschaft in Deutschland abzubauen und das nicht ausgeschöpfte Innovationspotenzial von öffentlichen Daten zu heben. Das Dateninstitut sollte dabei kein eigenes Open Data Angebot schaffen, sondern vielmehr als zentrale Beratungs und Koordinationsstelle für Länder und deren jeweiligen Open Data Beauftragten nach dem DNG fungieren
Beratungsstelle für übergeordnete Fragen der Datennutzung
Damit Deutschland die in der Datenwirtschaft liegenden Potenziale wirklich ausschöpfen kann, ist ein Umdenken beim Umgang mit Daten notwendig. Viel zu häufig nehmen Unternehmen derzeit allein aufgrund großer Rechtsunsicherheiten von den Möglichkeiten einer verstärkten Datennutzung und eines regulierten Datenzugriffs Abstand. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die nicht ohne Weiteres auf die mitunter notwendige juristische Expertise zurückgreifen können. Darüber hinaus sollte das Dateninstitut zentraler Ansprechpartner für wirtschaftliche und gesellschaftliche Akteure sein, um über die Potenziale und dem Mehrwert einer verstärkten Nutzung (öffentlicher) Daten zu beraten. Es ist wichtig, dass das Dateninstitut einen Bündelungskanal für die Maßnahmen bildet, die derzeit zum Aufbau einer Datenwirtschaft beitragen. Ziel muss es dabei sein, gegenseitige Mehrwerte herauszustellen und der Befürchtung vieler Akteure entgegenzutreten, dass mit unterschiedlichen Datenteilungsmöglichkeiten ein Kontrollverlust über die eigenen Daten einhergeht Schließlich sehen rund 91 Prozent der befragten Unternehmen in der IW Studie die Sorge vor unautorisiertem Zugriff Dritter auf die Daten als wesentliches Hemmnis einer verstärktenwirtschaftlichen Datennutzung an.
In diesem Rahmen sollten auch bereits in der Industrie erfolgreich implementierte Datenteilungsmöglichkeiten herangezogen werden, die neben den klassischen individual und konsortialvertraglichen Vereinbarungen existieren. Im Rahmen ihrer Digitalstrategie sieht die Bundesregierung für das Dateninstitut die Aufgabe, die Etablierung von Datentreuhändermodelle voranzutreiben Der BDI begrüßt dieses Vorhaben, da ein sektorspezifischer Einsatz von Datentreuhändern einen maßgeblichen Beitrag dazu leisten kann, Vertrauen herzustellen oder anderweitige Hürden beim Datenaustausch zwischen unterschiedlichen Marktakteuren abzubauen. Allerdings ist der Einsatz von Datentreuhändern nur eine von mehreren Möglichkeiten, den Austausch von Daten in der Industrie zu organisieren. Es sollte daher keine Verpflichtung bestehen, Daten ausschließlich über Datentreuhänder auszutauschen Vielmehr müssen Datentreuhänderstrukturen auch in Zukunft markt- und bedarfsgetrieben entstehen und eine auf Vertragsfreiheit und Freiwilligkeit basierende Option sein.
Datenanonymisierung vorantreiben
Eine verstärkte innovative und zugleich verantwortungsvolle Datennutzung erfordert einheitliche und rechtssichere Standards für eine wirksame Anonymisierung personenbezogener Daten. Die rechtssichere Anonymisierung personenbezogener Daten ist eine Kernvoraussetzung für branchenübergreifende, datengetriebene Geschäftsmodelle und für die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Daten. Zugleich werden hierdurch ein hohes Datenschutzniveau und das Vertrauen der Betroffenen in den Schutz ihrer personenbezogenen Daten gewährleistet Obwohl in den jüngsten europäischen Legislativverfahren immer wieder von einer Anonymisierung personenbezogener Daten die Rede ist, stehen Unternehmen in der Praxis vor der Herausforderung, dass weder klare rechtliche Vorgaben noch einheitliche technische Standards und Methoden für eine De Personalisierung von Daten existieren, was eine Vielzahl als Hürde für die wirtschaftliche Datennutzung identifiziert4 .
Um eine rechtssichere Anonymisierung sicherzustellen, müssen den Unternehmen auf der Anwendungsebene zusätzlich einheitliche und praktikable Leitlinien beziehungsweise Orientierungshilfen für technische Standards und Methoden zur De Personalisierung von Daten an die Hand gegeben werden. Der BDI hat im Rahmen eines Praxisleitfadens „Anonymisierung personenbezogener Daten“ eine 4 73 Prozentderbefragten Unternehmen bezeichnen Rechtsunsicherheitbei Datenanonymisierung alsHemmnisfürwirtschaftliche Datennutzung,IW Studie imAuftrag desBDI,a.a.O.
Übersicht über Best Practice Beispiele aus der Industrie zur Datenanonymisierung erstellt5 und unterstützt die im Koalitionsvertrag 2021 vereinbarten Maßnahmen, mehr Rechtssicherheit bei der Anonymisierung personenbezogener Daten zu erzielen. Das Dateninstitut kann hierbei einen wertvollen Beitrag leisten, indem es Politik, Wirtschaft und Datenschutzaufsichtsbehörden bei der rechtssicheren Ausgestaltung unterstützt.
Struktur des Dateninstituts
Eine Datenökonomie kann nur dann erfolgreich sein, wenn sie interdisziplinär gedacht und auf Basis evidenzbasierter Analysen fortentwickelt wird. Deshalb müssen in einem Dateninstitut sowohl technische, rechtliche als auch ökonomische Expertise zusammengebracht und verbunden werden. Gleichzeitig sollte das Institut mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik besetzt sein. Das Beispiel der datenschutzkonformen Anonymisierung personenbezogener Daten zeigt deutlich, dass eine rein juristische Betrachtungsweise zu keinen zielführenden Ergebnissen kommt, sondern vielmehr nur im Zusammenspiel mit technischen Anonymisierungsverfahren
Die interdisziplinären Kompetenzbündelungen sollten dafür genutzt werden, eine stärker evidenzbasierte Grundlage für die Datenwirtschaft als solche zu schaffen. Neben der Einbeziehung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sollten dabei etwa mittels regelmäßiger Umfragen die aktuellen Probleme und Herausforderungen beim Umgang mit Daten erforscht und herausgearbeitet werden. Klar abzulehnen sind hingegen Überlegungen, wonach das Dateninstitut behördliche Aufsichtsaufgaben übertragen werden sollen. Das Dateninstitut sollte grundsätzlich öffentlich finanziert werden und durch einzelne Public Private Partnership Initiativen ergänzt werden.
5 Vgl. BDI Leitfaden „Anonymisierung personenbezogener Daten“, abrufbar unter https://bdi.eu/media/publikationen/?publicationtype=Themenpapiere#/publikation/news/anonymisierung personenbezogener daten/
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