Position
Informationsanforderungen für den Digitalen Produktpass (DPP)
im Rahmen der EU-Ökodesign Verordnung flexibel, innovativ und zielgerecht gestalten
Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.
Stand: 15.02.2023
Der Digitale Produktpass als zentrales Element der geplanten Ökodesign Verordnung
Am 30. März 2022 hat die Europäische Kommission im Rahmen ihrer Sustainable Product Initiative (SPI) den Entwurf für eine neue ÖkodesignVerordnung vorgelegt. Diese soll die geltende Ökodesign-Richtlinie (2009/125/EG) ersetzen. Der BDI hat den Verordnungsentwurf mit einer Stellungnahme vom 22. Juni 2022 kommentiert. Die neue Ökodesign-Verordnung zielt darauf ab, im EU-Binnenmarkt künftig nur noch Produkte zuzulassen, die ökologischen Mindeststandards entsprechen, die durch diese Verordnung und den daraus folgenden delegierten Rechtsakten festgelegt werden.Die SchließungvonStoffkreisläufen unddamitdie Etablierungeiner effektiven zirkulären Wirtschaft gehört zu den Kernzielen der Verordnung. Umdieszu unterstützen,soll eindigitaler Produktpass(DPP) eingeführt werden, der für alle Produkte verpflichtend sein wird, die in den Geltungsbereich der Ökodesign-Verordnung fallen.
Anforderungen und Ziele des Digitalen Produktpasses aus Sicht der EU-Kommission
Im Verordnungstext finden sich die Regelungen zum Digitalen Produktpass insbesondere im Kapitel III (Artikel 8 bis 13) sowie im Anhang III.
Mit dem digitalen Produktpass sollen produktbezogene Informationen elektronisch registriert, verarbeitet und zwischen Unternehmen der Lieferkette, BehördenundVerbrauchernausgetauschtwerdenkönnen.Dies solldazubeitragen, die Transparenz sowohl für die Unternehmen der Lieferkette als auch für die breite Öffentlichkeit zu erhöhen und die Effizienz der Informationsübermittlung zu steigern. Insbesondere soll mithilfe des DPP die ÜberwachungundDurchsetzungderVerordnungdurchdieBehördenderEUunddie Mitgliedstaaten erleichtert und strukturiert werden. Außerdem sieht die Ökodesign-Verordnung den DPP als ein Instrument zur Marktbeobachtung, das in Zukunft zur Überprüfung und Präzisierung der Verpflichtungen genutzt werden kann.
Nutzungsmöglichkeiten des Digitalen Produktpasses
In den Artikeln 7 und 8 sowie in Anhang III des Entwurfes für eine Ökodesign-Verordnung sind die Informationen aufgeführt, die in den Produktpass aufgenommenwerden müssenundsolche,dieaufgenommenwerden können
Zu letzteren zählen zum Beispiel Informationen der Hersteller für die Endnutzer wie beispielsweise Gebrauchsanleitungen, Nutzungshandbücher etc.
Vor allem aber wird festgelegt, welche Informationsanforderungen die
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Digitaler Produktpass (DPP): flexibel, innovativ, pass- und zielgerecht
Europäische Kommission in Bezug auf den digitalen Produktpass festlegen muss, und wer Zugang zu welchen Informationen haben soll.
Aus Sicht der Industrie können digitale Produktpässe bei zielführender Ausgestaltung wichtige Wegbereiter für eine nachhaltigere Wirtschaft sein. Sie müssen dabei praxisorientiert erstellt und gehandhabt werden können. Die Anforderungen an den DPP müssen für die Industrie umsetzbar sein. Die Daten müssen einen Mehrwert aufweisen und in der Lieferkette tatsächlich verfügbar sein. Weitere wichtige Aspekte für eine Umsetzung aus Sicht der Industrie sind in den nachfolgenden Punkten beschrieben.
Anforderungen an den digitalen Produktpass DPP aus Sicht der Industrie
1. Sicherheit der Daten gewährleisten
Einen sinnvoll und entlang der Lieferketten nutzbaren DPP zu erstellen wird eine große Herausforderung sein. Unabhängig von der finalen Lösung muss zu jedem Zeitpunkt sichergestellt werden, dass vertrauliche Informationen zumBeispielüberInhaltsstoffe etc.als solchegehandhabt werden Die Informationspreisgabe darf somit nur auf Basis des Prinzips „Need-to-Know“ erfolgen. Das gilt auch für Metadaten zu Lieferketten Informationen hierzu können Wertschöpfungsnetzwerke offenlegen und vonWettbewerbernoderstaatlichenAkteurenmissbräuchlich verwendet werden. Deshalb ist erforderlich, dass technisch sichere, dezentrale Lösungen zum Datenmanagement gewählt werden.
2. Digitaler Zwilling für Business-to Business (B2B) und DPP für Business-to-Consumer (B2C) Informationen zu Grundstoffen und Zwischenprodukten, die nur innerhalb der Wertschöpfungskette, das heißt, im B2B-Bereich weitergegeben beziehungsweise gehandelt werden, sollten in Form eines digitalen Zwillings abgebildet werden, um den Informationsfluss und die Transparenz innerhalb der Wertschöpfungslette zu erhöhen. Erste Ansätze dazu sind zum Beispiel „Together for Sustainability“ für die Chemieindustrie oder „Catena X“, das erste kollaborative, offene Datenökosysteme für die Chemieindustrie und die Automobilindustrie der Zukunft.
Für den B2C-Bereich können die Informationen aus der Wertschöpfungskette im DPP zusammenfließen. Da einzelne Vorprodukte in der Regel mehrere Wertschöpfungsketten bedienen, müssen Informationen wie zum Beispiel Einheiten oder Definitionen von Sachverhalten
sektorübergreifend und möglichst global standardisiert werden sowie leicht erweiterbar für neue Anwendungen sein Diese Aufgabe kann durch Gesetzgebung und Normierungsinstitutionen unter Einbeziehung der Industrie geleistet werden.
3. DPP muss handhabbar sein
DPP und digitale Zwillinge müssen so gestaltet werden, dass alle Wirtschaftsakteure, vor allem auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ohne viel Aufwand mittels Standards damit umgehen können. Abhängigkeiten in Bezug auf IT-Tools sollten vermieden werden. Es ist in vielen Fällen schwierig, die notwendigen Daten von den zahlreichen Zulieferern zu erhalten. Um das System effizient zu gestalten und gleichzeitig die Kosten zu begrenzen, sollte auf bestehenden Datenbanken und Datensammlungen aufgebautwerden undnursovieleDatenwietatsächlich erforderlich erhoben werden.
4. Kongruenz zu anderen Rechtsakten und Normen sicherstellen
Die Kongruenz zu anderen Rechtsakten und bereits bestehenden Initiativen der EU-Kommission muss sichergestellt werden. Ziel sollte sein, bereits bestehende Datenbanken zu nutzen und Daten nicht doppelt abzulegen zum Beispiel mit Blick auf die Sicherheitsdatenblätter im Kontext der REACH-Verordnung. Die Beschreibung der erforderlichen Daten für einen produktspezifischen DPP sollte durch Normen erfolgen. Dadurch kann die Durchgängigkeit an internationale Normen sowie an Mechanismen des industriellen Datenaustauschs erreicht werden.
5. Die Sicherheit und Verantwortung für die Richtigkeit von Daten muss klar sein
Für den Zugang und die Nutzung von Daten sowie zur Verantwortung für die Richtigkeit der Daten bedarf es klarer Regelungen. Insbesondere ist sicherzustellen, dass produktbezogene Angaben nur vom jeweiligen Hersteller geändert werden können. Die Verantwortlichkeiten für die Richtigkeit von Daten müssen auch über den „point of sale“ hinaus geklärt sein, zum Beispiel wenn sich die Zusammensetzung eines Produktes während seiner Nutzungsdauer ändert etc. Dabei ist zu beachten, dass im Zuge der digitalen und zirkulären Transformation Endprodukte zunehmend von einer Vielzahl von Akteuren in Kooperation erstellt werden. Aus Wertschöpfungsketten werden Wertschöpfungsnetzwerke, was auch bedeutet, dass der Datenlieferant nicht zwangsläufig auch der Eigentümer der Daten sein muss. Die Berücksichtigung relevanter produkt- und materialspezifischer Label und Produktkennzeichnungen mit
Informationen zur Umweltrelevanz sollte gewährleistet werden, um bereits verifizierte Informationen einheitlich abzubilden.
6. DPP-Pflichtdaten müssen Beitrag zur Circular Economy leisten Es muss sichergestellt werden, dass nur diejenigen Informationen in einem DPP aufgenommen werden, die aus heutigem Stand der Kenntnis zum gewünschten Ziel beitragen. Folglich sind selektiv die Informationen zu erfassen, die eine Steigerung der Kreislaufwirtschaft ermöglichen. Die Europäische Kommission sollte daher die betroffenen Interessenvertreter entlang der jeweiligen Wertschöpfungsketten frühzeitig in die Konzeptarbeit zu den produktspezifischen delegierten Rechtsakten einbinden, um den Informationsbedarf möglichst genau ermitteln zu können. Abschließend wäre ein Datenkatalog mit den Sektoren der Industrie zu konsultieren und als Datengrundlage für einen DPP zu etablieren. Eine Wiederholung des Negativbeispiels SCIP-Datenbank muss unter allen Umständen vermieden werden. Eine dezentrale Bereitstellung der Daten fürden Digitalen Produktpassinklusiveeiner dezentralen Registrierung und einer dezentralen Sicherung sind zwingend notwendig, um neben der technischen Machbarkeit und der geringeren Kosten vor allem auch die Sicherheit der Datenzu gewährleisten. Bei einer zentralenSpeicherungallerDateneinerWertschöpfungskette wären dieAuswirkungen bei einem Cyberangriff (Blackout oder Manipulation der Daten) auf alle Teilnehmer verheerend.
7. Bedenkliche Stoffe nur bei Relevanz auswählen
Die Rückverfolgung besorgniserregender Stoffe mit einem Gefährdungspotenzial zum Beispiel für Recycler kann wertvoll sein, wenn es darum geht, Betreiber von Abfallbehandlungs- und Recyclinganlagen darüber zu informieren, wie ein Produkt am Ende seiner Lebensdauer demontiert oder seine Bestandteile für eine andere Verwendung recycelt werden können. Bei komplexen Produkten ist es allerdings sehr schwierig und aufwändig, eine vollständige Liste von Materialien und Stoffen zu erstellen. Die in einem DPP enthaltenen und kommunizierten Informationen müssen deshalb einen ausheutigerSichteindeutigenMehrwert für die Maximierung und Optimierung der Kreislaufwirtschaft aufweisen. Bedenkliche Stoffe sollten daher nur auf der Grundlage wissenschaftlich fundierten Wissens hinsichtlich ihrer Relevanz, des Nutzens der Informationen und des Informationsbedarfs in der Wertschöpfungskette ausgewählt und ausgewiesen werden.
8. Mehrfachregulierungen vermeiden – insbesondere bei Inhaltsstoffen
Die Anforderungen an den DPP müssen mit bestehenden Regulierungen abgeglichen werden. Es darf keine Mehrfachregulierungen, Überschneidungen oder Rechtsunsicherheiten geben. Für stoffrechtliche Anforderungen bedeutet dies zum Beispiel, dass die Informationsanforderungen für Stoffe auf der REACH-Kandidatenliste ausschließlich in der REACH-Verordnung festgelegt werden sollten
9. DPP auf etablierten Industrielösungen und standardisierten Formaten aufbauen
Das Konzept des DPP muss aufetablierten Industrie-Lösungen und standardisierten Formaten wie zum Beispiel dem Identification Link (IEC 61406-series) und der Verwaltungsschale basieren, um eine Umsetzung für die Industrie sicherzustellen. Der ZVEI hat hierzu beispielhaft eine dezentrale Lösung für einen digitalen Produktpass für industrielle Anwendungen im Business-to-Business -Bereich (B2B) auf der Basis von so genannten Teilmodellen der Anlagenverwaltungsschale (IEC 632781) entwickelt und die Anwendbarkeit im Rahmen eines Pilotprojektes zum "digitalen Typenschild" erfolgreich demonstriert.
Über den BDI
Der BDI transportiert die Interessen der deutschen Industrie an die politisch Verantwortlichen. Damit unterstützt er die Unternehmen im globalen Wettbewerb. Er verfügt über ein weit verzweigtes Netzwerk in Deutschland und Europa, auf allen wichtigen Märkten und in internationalen Organisationen. Der BDI sorgt für die politische Flankierung internationaler Markterschließung.UnderbietetInformationenundwirtschaftspolitischeBeratungfür alle industrierelevanten Themen. Der BDI ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für 40 Branchenverbände und mehr als 100.000 Unternehmen mit rund acht Mio. Beschäftigten. Die Mitgliedschaft ist freiwillig. 15 Landesvertretungen vertreten die Interessen der Wirtschaft auf regionaler Ebene.
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