Anforderungen der Industrie an die Carbon Management Strategie
Notwendige Weichenstellungen für einen erfolgreichen CCS/U-Hochlauf
Zusammenfassung
▪ Der BDI ist – ebenso wie der Intergovernmental Panel on Climate Change und zahlreiche wissenschaftliche Studien – fest davon überzeugt, dass eine Strategie zur Abscheidung, Speicherung und Nutzung von CO2 ein unverzichtbares Element einer umfassenden Klimastrategie sein muss. Dabei unterstützt der BDI den Grundsatz CO2-Vermeidung vor Abscheidung.
▪ Die Carbon Management Strategie muss bereits jetzt den notwendigen regulatorischen und ökonomischen Rahmen setzen, um CCS/U vorrangig für die prozessbedingte CO2-Entstehung in der Industrie sowie in der thermischen Abfallverwertung zu ermöglichen und anzureizen. Nur so werden die Technologien rechtzeitig und in ausreichendem Maße zur Anwendung kommen, um unsere Klimaziele zu erreichen.
▪ Neben einem klaren politischen Bekenntnis und entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen braucht es zudem den raschen Aufbau einer CO2-Infrastruktur sowie Investitionsanreize, um den CCS/U-Hochlauf voranzubringen und Negativemissionen zu ermöglichen. Zugleich muss gesellschaftliche Akzeptanz für CCS/U-Technologien gewährleistet sein.
▪ CCS/U-Technologien sind energieintensiv und daher abhängig von ausreichend verfügbaren Mengen an erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen. Sehr rasch müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass CCS/U-Technologien zumindest mittelfristig wirtschaftlich eingesetzt werden können.
▪ Bereits identifizierte regulatorische Hürden (z. B. Ratifizierung des Londoner Protokolls, Überarbeitung des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes) sollten kurzfristig als No-regret-Maßnahmen überwunden werden, um den Aufbau einer CCS/U-Wirtschaft nach Erarbeitung der Carbon Management Strategie nicht weiter zu verzögern.
▪ Aufgrund von Wechselwirkungen entlang der CCS/U-Wertschöpfungskette steht Carbon Management nicht zuletzt in engem Zusammenhang u. a. mit dem Hochlauf der Wasserstoff- und Kreislaufwirtschaft. Dies gilt es bei der Erarbeitung der verschiedenen Strategien durch die Bundesregierung (v. a. im Hinblick auf den Infrastrukturaufbau) zu berücksichtigen.
Einleitung
Die Bundesregierung hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden. Die Europäische Union (EU) will das Neutralitätsziel 2050 erreichen. Damit die deutschen und europäischen Klimaziele umsetzbar werden, muss die Nutzung von Carbon Capture and Storage (CCS) und Carbon Capture and Utilisation (CCU) als Teil einer Gesamtstrategie rasch ermöglicht werden.
Die Erkenntnis, dass der Einsatz von CCS/U ein wichtiger Baustein zur Erreichung der Klimaziele ist, wird durch einen breiten wissenschaftlichen Konsens getragen. Sowohl die internationale Energieagentur (IEA) als auch der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) betonen die Notwendigkeit von CCS/U für den Klimaschutz.1
Der Befürchtung, dass konventionelle Klimaschutzmaßnahmen durch den Einsatz von Carbon Capture Technologien in Frage gestellt werden, muss klar entgegnet werden, dass die direkte Vermeidung von Treibhausgasen weiterhin im Mittelpunkt der anstehenden Transformation steht. Zusätzlich zum Ausbau erneuerbarer Energien, zum Einsatz von klimaneutralem Wasserstoff, zu einer Erhöhung der Energieeffizienz und anderen Maßnahmen, braucht es jedoch bereits heute den rechtlichen und politischen Rahmen zur Abscheidung, Entnahme, Nutzung und Speicherung von Kohlendioxid (CO2), um Klimaneutralität und perspektivisch erforderliche Netto-Negativ-Emissionen zu erreichen
Denn das Neutralitätsziel macht CCS/U in Industriezweigen notwendig, für die noch keine Alternativen zur CO2-Vermeidung existieren sowie zum Ausgleich von Residualemissionen v. a. aus der Landwirtschaft. Zusätzlich wird eine CO2-Entnahme notwendig sein, um im Sinne des Pariser Klimaabkommens nach Erreichen des Neutralitätsziels auch Netto-Negativ-Emissionen zu erzielen sowie als Kohlenstoffquelle für die Industrie zu dienen. Für Deutschland ist CCS/U somit nicht nur von großer Bedeutung für den Erhalt des Industriestandortes, sondern ebenso eine Chance, international klimapolitische Verantwortung zu übernehmen.
Der BDI begrüßt daher ausdrücklich, dass eine neue, konstruktive Diskussion um die Rolle von CCS/UTechnologien in Deutschland angestoßen wurde. Die Bundesregierung hat nach Vorlage des Evaluierungsberichtes zum Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) eine Carbon Management Strategie (CMS) für 2023 angekündigt. Hierin sollen mögliche Einsatzgebiete für CCU und CCS benannt sowie die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf identifiziert werden. Damit die CMS ihren Anforderungen gerecht wird, muss sie aus Sicht des BDI folgende Punkte adressieren.
Quantifizierbare Ziele für technische CO2-Senken und Einsatzgebiete für CCS/U
Die Carbon Management Strategie sollte möglichst konkrete Mindest-Mengenziele für technische CO2-Senken für 2030 und darüber hinaus festlegen, um Investitionssicherheit zu schaffen. Dabei sollte klargestellt werden, dass CCS/U vorrangig für prozessbedingte CO2-Entstehung in der Industrie sowie in der thermischen Abfallverwertung benötigt wird. Eine verlängerte Nutzung der Kohlekraft über die CCS-Technologien – wie vor rund zehn Jahren diskutiert – ist zu Recht nicht länger Teil der
Debatte. Doch es gibt verschiedene industrielle Prozesse, in denen noch keine Alternativen zu CCS existieren, um CO2-Emissionen dauerhaft zu vermeiden.
Der initiale Einsatz sollte aufgrund des hohen Anteils an prozessbedingten Emissionen in der Baustoffbranche sowie bei der thermischen Abfallbehandlung erfolgen. Um die nötigen Vorbereitungen für einen großflächigen Einsatz von Carbon-Capture-Technologien in der Zement-, Kalk- und Glasindustrie sowie der Abfallwirtschaft bis 2045 zu treffen, müssen hier bereits vor 2030 erste Anlagen in Deutschland in Betrieb gehen – mit einer Abscheidung und Speicherung von mindestens zwei Megatonnen CO2 im Jahr 2030.2 Gleichzeitig dürfen andere Industriezweige neben der Baustoffbranche durch die Carbon Management Strategie nicht voreilig als Anwendungsgebiete von Carbon-CaptureTechnologien ausgeschlossen werden.
Denn um unsere Klimaziele zu erreichen, werden neben CCS/U ebenso größere Mengen an Carbon Dioxide Removals (CDR) notwendig sein, die u. a. auf CCS- und CCU-Technologien basieren. So müssen laut BDI-Klimapfadstudie in 2045 elf Megatonnen CO2 über CCS/U gemindert und weitere 59 Megatonnen Negativemissionen erreicht werden, um verbleibende Residualemissionen aus der Landwirtschaft (48 Mt) und Industrie (21 Mt) auszugleichen. Dies erfolgt neben Maßnahmen im LULUCFSektor überwiegend durch technische Lösungen wie DACCS/U (Direct Air Capture and Storage beziehungsweise Utilization) und BECCS/U (Bioenergy with Carbon Capture and Storage beziehngsweise Utilization).
Die in Deutschland nachhaltig verfügbare feste Biomasse ist begrenzt und sollte deshalb grundsätzlich systemdienlich zum Einsatz kommen. Sie kann neben der stofflichen Nutzung (für die Herstellung von Chemikalien, Papier etc.) für die Erzeugung von Prozesswärme in Hoch- und Mitteltemperaturprozessen mit geringeren Umwandlungsverlusten eingesetzt werden. Zudem wird bei zentraler Verbrennung in großen Anlagen unter Einhaltung der Luftqualitätsgrenzwerte BECCS ermöglicht, wodurch Biomasse einen systemischen Wert erfüllt.
Um den Weg für die zukünftige Erzeugung negativer Emissionen mittels BECCS zu bereiten, sollte verfügbare nachhaltige Biomasse (sofern nicht als Rohstoff genutzt) also vorwiegend in Industriezweigen zur Anwendung kommen, in denen Biomasse in großen Wärmeerzeugern über viele Stunden pro Jahr verbrannt werden kann. Die systemdienlichen Vorteile der Nutzung von heimischer Biomasse und deren Potentiale für CCS/U können umfassend genutzt werden, wenn die Bedarfe an Biomasse in anderen Sektoren wie Verkehr und Gebäude durch einen verstärkten Hochlauf von strombasierten Kraft-/ Brennstoffen kompensiert werden beziehungsweise begrenzt ausfallen. Die Erfüllung europäischer Quoten für nachhaltige Kraftstoffe im Luft-, See-, und Straßenverkehr ist sicherzustellen.
Darüber hinaus ist langfristig auch das Abscheiden von Emissionen direkt aus der Atmosphäre (DACCS/U) nötig. Aufgrund der erheblich niedrigeren CO2-Konzentration in der Luft ist DACCS/U technologisch herausfordernder und energieintensiver als herkömmliches CCS/U. Ein skalierter Einsatz ist daher erst ab 2035 im Zielpfad der BDI-Klimapfadstudie vorgesehen. Dennoch wird DACCS/U in Abhängigkeit von den tatsächlichen Residualemissionen aus der Landwirtschaft und dem Beitrag von LULUCF eine Rolle spielen müssen. Daher sollten CCS/U-Technologien auch bezogen auf den direkten CO2-Entzug aus der Luft im Rahmen der Carbon Management Strategie grundsätzlich zugelassen werden und die zukünftige Erzeugung negativer Emissionen v. a. im Hinblick auf den Aufbau einer CO2-Infrastruktur nicht ausgeklammert werden.
Aufgrund der inhärenten Wechselwirkungen in der Gestaltung von CCS/U-Wertschöpfungsketten sollte die Carbon Management Strategie in enger Abstimmung mit der vom BMWK angekündigten Langfriststrategie Negativemissionen erarbeitet werden. Auch mit der Nationalen Wasserstoffstrategie, Kreislaufwirtschaftsstrategie, Nationalen Biomassestrategie, Importstrategie für Wasserstoff sowie der Nationalen Bioökonomiestrategie muss eine enge Verzahnung erfolgen, ohne dass es dadurch zu Verzögerungen kommen darf. Unter anderem wird die Verknüpfung dieser Strategien notwendig sein, um sinnvolle Infrastrukturbedarfe identifizieren und deren Realisierung effizient bewältigen zu können. Schließlich braucht es ebenso eine Abstimmung zwischen nationaler und europäischer Ebene. So plant die EU-Kommission bis Ende 2023 eine EU-Strategie zur Schaffung eines Binnenmarktes für CO2-Transport- und -Speicherdienste bis 2030.
CCU auf dem Weg zur Klimaneutralität
CO2 wird oftmals ausschließlich als zu vermeidender Abfall verstanden, dabei ist der darin enthaltene Kohlenstoff ein wichtiger Rohstoff für die Industrie. Insbesondere in der chemischen Industrie ist Kohlenstoff z. B. für die Produktion verschiedener Basischemikalien unabdingbare Grundlage. Doch auch in der Keramik-, Metall- und Lebensmittelindustrie sowie zur Produktion von Power-to-X-Kraft/Brennstoffen wird CO2 benötigt. Deshalb sollte die Carbon Management Strategie im Sinne der zirkulären Wirtschaft die Nachfrage nach Kohlenstoff und somit CCU in Relation zu CCS als gleichberechtigte Technologie betrachten.
Bereits auf dem Weg hin zur Klimaneutralität sollte die Möglichkeit geschaffen werden, mittels CCU herkömmliche fossile Kohlenstoffquellen durch industrielle Punktquellen zu ersetzen. Erdöl etc. wird so in den Lagerstätten belassen und somit CO2 eingespart. Hiermit kann außerdem die wirtschaftliche Attraktivität von Carbon-Capture-Technologien erhöht und deren Ausbau angereizt werden. Hierzu sollte die Carbon Management Strategie in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und den Ländern regionale Cluster identifizieren, in denen über eine Art Matchmaking CO2-intensive Industrie mit potenziellen CO2-Abnehmern verknüpft werden können. So erleichtern regionale Cluster die integrierte Infrastrukturplanung.
Darüber hinaus ist sich die Industrie ihrer Verantwortung bewusst, dass der noch bestehende Kohlenstoffbedarf der Industrie, z. B. der chemischen Industrie3, zukünftig treibhausgasneutral gedeckt werden sollte. Für den Teil, der nicht über Recycling und geschlossene CO2-Kreisläufe bereitgestellt werden kann, muss daher über das CCU-Verfahren CO2 aus der Atmosphäre – entweder über Direct Air Capture oder indirekt über nachhaltige Biomasse – als Kohlenstoffquelle zum Einsatz kommen.
Auch der Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft und das Thema Carbon Management benötigen eine integrierte Betrachtung. Zum einen kann über die CCU-Technologie CO2 perspektivisch in Kombination mit grünem Wasserstoff für Power-to-X-Kraftstoffe (z. B. Methanol, Ammoniak) beziehungsweise Brennstoffe verfügbar gemacht werden. Auch hier sollte die Carbon Management Strategie die Nutzung industrieller Punktquellen zur PtX-Produktion in einer Übergangsphase ermöglichen. Zum anderen gilt es, ergänzend zu grünem Wasserstoff, Alternativen zu ermöglichen, solange grüner Wasserstoff auf Basis erneuerbaren Stroms noch nicht in ausreichendem Maße und zu wettbewerbsfähigen Kosten vorhanden ist – darunter blauer Wasserstoff durch Erdgasreformierung mit CCS/U.
Bislang behindert das legislative Umfeld sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene die Nutzung von CO2. Auf nationaler Ebene gilt es den CO2-Transport zu CCU-Zwecken durch eine Aktualisierung des KSpG zu ermöglichen.4 Hierfür muss u. a. die Definition von Kohlendioxidleitungen im KSpG als „dem Transport des Kohlendioxidstroms zu einem Kohlendioxidspeicher“ dienende Leitungen überarbeitet werden.
Gleichzeitig sollten die Anrechnung von CCU im EU-Emissionshandelssystems (EU-ETS) zugelassen und der multimodale CO2-Transport unabhängig von dessen Bestimmung (zu CCU- oder CCSZwecken) durch die Aufnahme in Anhang I der ETS-Richtlinie ermöglicht werden. Entsprechend der novellierten ETS-Richtlinie ist eine Anrechnung von CCU im EU-ETS bereits geplant, sofern die dauerhafte chemische Bindung des CO2 gewährleistet ist. Die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit der Speicherung, der eine zentrale Rolle zukommt, sollen jedoch erst nachgelagert in einem delegierten Rechtsakt adressiert werden. Die Bundesregierung sollte bei der EU-Kommission auf die zeitnahe Vorlage eines pragmatischen Vorschlags hinwirken, um diese rechtlichen Unsicherheiten schnellstmöglich zu beseitigen.
Im Rahmen des EU-ETS werden aufgrund des weiter sinkenden Caps (vgl. Richtlinie (EU) 2023/959) nach heutigem Stand bereits vor 2040 keine Zertifikate mehr versteigert oder frei zugeteilt werden können. Es muss diskutiert werden, ob und wie eine CO2-Entnahme im Zusammenhang mit dem EUETS steht und wie dies mit dem Vorschlag der EU-Kommission zur Zertifizierung von Negativemissionen (Carbon Removal Certification Framework) zu verzahnen ist. Emissionen aus der Verbrennung von nachhaltiger Biomasse werden mit dem Emissionsfaktor Null fakturiert. So können Betreiber unter bestimmten Voraussetzungen schon heute ihre Abgabepflicht im EU-ETS reduzieren. Unabhängig von der Diskussion, um eine mögliche Einbindung der CO2-Entnahme in den EU-ETS, gilt es den Umgang mit Emissionsströmen aus gemischten fossilen und biogenen Brennstoffen zu regeln. Es sollte geprüft werden, wie beispielsweise die Monoverbrennung von industriellem und kommunalem Klärschlamm oder die Altholzverbrennung bezogen auf den biogenen Anteil in Kombination mit CCS zu zertifizierten Negativemissionen führen kann. Die EU-Kommission plant bis 31. Juli 2026 einen Bericht vorzulegen, wie Negativemissionen durch den EU-ETS abgedeckt werden könnten. Auch hier wäre es zu begrüßen, wenn die EU-Kommission diesen Bericht möglichst früher vorstellt.
Durch den Einsatz von CO2-Abscheidungstechnologien – sei es für CCU- oder CCS-Zwecke – wird auf nationaler Ebene außerdem eine Anpassung der Grenzwertsystematik in der TA Luft notwendig sein. Die bisherige Methodik zieht zur Definition von Schadstoffgrenzwerten i. d. R. das Abgasvolumen sowie den Sauerstoffgehalt als Bezugsgröße heran. Die Konzentrations-Grenzwerte dürften so in Folge der CO2-Abscheidung rechnerisch deutlich überschritten werden, obwohl die absolute Schadstoffmenge (Fracht) in der Regel verringert wurde oder zumindest unverändert bleibt. Hier sollte für entsprechende Anlagen auf die Schadstofffrachten im Abgas abstellt oder die Systematik der Konzentrationsgrenzwerte überarbeitet werden. Auch die 17. BImSchV wird voraussichtlich angepasst werden müssen.
Aufbau einer grenzübergreifenden CO2-Infrastruktur
Der schnelle Ausbau einer CO2-Transport- und -Speicherinfrastruktur ist für den Hochlauf der CCS/U-Technologien von entscheidender Bedeutung. Abgeschiedenes CO2 muss in ansteigenden
4 Aktuell ist der CO2-Transport zu CCU-Zwecken nur in Einzelfällen (Beispiel Chemie- und Lebensmittelindustrie) möglich.
Mengen von den emittierenden Anlagen abtransportiert werden. Dafür werden Emittenten je nach Standort voraussichtlich auch auf den Transport per Bahn, Schiff oder Lkw angewiesen sein.
Mittelfristig erfordert der Transport größerer Mengen CO2 jedoch die gezielte Errichtung eines Pipeline-Netzes, ergänzend zu multimodalen Transportoptionen in Abhängigkeit von regionalen Gegebenheiten. Die Carbon Management Strategie muss deshalb bereits jetzt den Grundstein für ein international anschlussfähiges CO2-Netz mit Anbindung an weit verteilte Quellen und Langzeitspeicher sowie ausreichender Kapazität legen. Dabei ist es sinnvoll, auch CO2-Hubs an den Küsten (z. B. für den Export) sowie innerhalb Deutschlands (z. B. als Sammelpunkte des CO2 von mehreren, auch kleineren Emittenten) vorausschauend in die Planung einzubeziehen.
Für den Aufbau einer solchen Infrastruktur muss auch diskutiert und festgelegt werden, wie die entsprechenden Investitionen generiert werden können und nach welchen Regelungen diese Infrastruktur betrieben werden soll (u a. Regelungen zum Netzzugang und gegebenenfalls zur Erhebung von Nutzungsentgelten). Die Regulierung und Finanzierung könnte in Anlehnung an die bestehenden Mechanismen der Gasnetze erfolgen und sollte Erkenntnisse aus dem Aufbau der Wasserstoffinfrastruktur berücksichtigen.
Die CO2-Infrastrukturplanung sollte zudem eng mit dem Ausbau der Wasserstoffinfrastruktur verzahnt werden, um gesamtheitlich die Umwidmung von bestehender Gasinfrastruktur und den Leitungsneubau für Wasserstoff und CO2 ökonomisch sinnvoll zu realisieren. Daher ist eine möglichst integrierte Planung von Erdgas-, CO2- und Wasserstoff-Netzen in Abstimmung mit den Gas- und Stromnetzbetreibern erforderlich. Bis 2030 sollten bei der Planung und beim CO2-Leitungsausbau die oben genannten initialen Einsatzgebiete von CCS/U prioritär berücksichtigt werden.
Zudem eignet sich auch hier – wie im Wasserstoff-Bereich – ein Clusteransatz, der zu Beginn des Infrastrukturaufbaus mit industrieintensiven Konzentrationsregionen beginnt. Da potenzielle Speicher und Industrieanlagen jedoch dezentral situiert sind, ist die Industrie auf einen raschen Ausbau dieser Cluster zu einem bedarfsgerechten CO2-Infrastruktursystem angewiesen.
Bei der Planung der CO2-Infrastruktur müssen auch die raschen Entwicklungen in unseren Nachbar- und Partnerländern berücksichtigt werden. Zum einen nehmen Länder wie Norwegen, die Niederlande und Dänemark im CCS-Bereich eine Vorreiterrolle ein und öffnen ihre Speicher auch für CO2 aus Deutschland. Um den grenzüberschreitenden Transport zu geeigneten geologischen Speicherstätten anderer Länder zu ermöglichen, muss die Bundesregierung nun kurzfristig die Ergänzung des London-Protokolls ratifizieren sowie auf bilaterale Verträge mit möglichen CO2-Empfängerländern hinarbeiten. Zum anderen gilt es bei der Dimensionierung des CO2-Netzes auch Transitmengen aus Nachbarländern zu berücksichtigen.
In Deutschland ist die CO2-Speicherung im KSpG geregelt. Es ist wichtig, dass die Carbon Management Strategie Klarheit bezüglich der Frage der CO2-Speicherung in Deutschland schafft, auch vor dem Hintergrund des Net-Zero Industrial Act auf EU-Ebene, der die Schaffung jährlicher Injektionskapazitäten von 50 Millionen Tonnen bis 2030 vorsieht. Anträge auf Speicherzulassung konnten im Rahmen des KSpG jedoch nur bis zum 31. Dezember 2016 gestellt werden, weshalb das Gesetz die Anwendung von CCS in Deutschland praktisch ausschließt. Zudem sind laut KSpG nur Anlagen zur Erprobung und Demonstration genehmigungsfähig, wobei dies auch den Transport einschließt. Damit es zu einer Erkundung neuer potenzieller Speicherstätten und zur kommerziellen Anwendung von CCU/S-Technologien kommen kann, müssen die Frist- und Zweckbindung aufgehoben werden. Diese Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen CCS/U-Hochlauf können bereits geschaffen
werden, bevor in einer Carbon Management Strategie die Ambitionen der Bundesregierung insgesamt festgelegt werden. Zudem muss das KSpG im Rahmen der FF55-Umsetzung ohnehin angepasst werden.
Förderregime für einen CCS/U-Hochlauf
Trotz Weiterentwicklung der Technologien, ist die Anwendung von CCS/U-Verfahren auch heute noch sehr teuer. Dabei hängen die CO2-Vermeidungskosten durch CCU/S-Technologien von einer Vielzahl von Faktoren ab, darunter zum Beispiel die Art der CO2-Abscheidung, die notwendige Transportinfrastruktur, die Entwicklung der Energiekosten und die Art der CO2-Nutzung beziehungsweise der verfügbaren Speicheroptionen.
Solange noch keine umfassende grenzübergreifende CO2-Infrastruktur und kein Markt für die Abnahme, Nutzung und Speicherung von CO2 besteht, sehen sich Unternehmen zudem mit hohen Investitionsunsicherheiten konfrontiert. Ohne klares Bekenntnis zu CCS/U mit konkreten Handlungsschritten wird auch der zu erwartende CO2-Preisanstieg im EU-ETS in absehbarer Zukunft nicht ausreichen, um genügend wirtschaftliche Anreize für Investitionen in den CCS/U-Hochlauf zu setzen.
Deshalb sollte die Carbon Management Strategie neben den entsprechenden Rahmenbedingungen ebenso Konzepte für eine öffentliche Förderung von Carbon-Capture-Anlagen sowie den Transport und die Speicherung von CO2 entwickeln, um Projekte noch in dieser Dekade anzureizen. Um die hohen Mehrbelastungen sowohl bei Betriebskosten (OPEX) wie auch Investitionskosten (CAPEX) zu adressieren, eignen sich z. B. Klimaschutzverträge im Sinne der Förderrichtlinie, deren Vorverfahren kürzlich startete. Es ist wichtig, dass nicht nur erste Leuchtturmprojekte, sondern ein möglichst breiter Hochlauf finanziell unterstützt wird. Der BDI begrüßt daher die geplante Ergänzung des CAPEX-basierten Förderprogramms „Dekarbonisierung in der Industrie“ um ein Modul für CCS/U. Wichtig ist auch der rasche Erhalt der beihilferechtlichen Genehmigung seitens der EU-Kommission sowie eine Ausgestaltung von Förderprogrammen, sodass möglichst wenig zeitaufwändige Einzelnotifizierungen erforderlich werden.
Grundsätzlich setzt sich der BDI für unbürokratische Förderprogramme ein, die gesamte CO2Wertschöpfungsketten in den Blick nehmen, mit ausreichend Mitteln ausgestatten und eng miteinander verzahnt werden. Für eine hohe Wirksamkeit sollten sich Förderkriterien für CCS/U-Projekte in einem technologieoffenen Ansatz vorrangig an den Kriterien CO2-Vermeidungspotential und CO2-Vermeidungskosten orientieren, ohne dabei bestimmte Industriestandorte in Deutschland zu benachteiligen.
Sehr rasch müssen die Rahmenbedingungen nun so gesetzt werden, dass die CCS/U-Technologien zumindest mittelfristig wirtschaftlich eingesetzt werden können. Zeitnah muss zudem ein Markt für negative Emissionen kreiert werden. Die kurzfristige Schaffung von grünen Leitmärkten ist ein weiteres wichtiges Instrument, um den Hochlauf von klimaneutralen oder klimanegativen Märkten zu unterstützen. So erhöhen „grüne Leitmärkte“, beispielsweise durch öffentliche Beschaffung, die Nachfrage nach klimafreundlichen Technologien und Produkten.
Fazit
Es gilt der Grundsatz, dass CCS/U nicht zu verringerten THG-Minderungsanstrengungen führen darf. Deshalb unterstützt der BDI das Prinzip CO2-Vermeidung vor Abscheidung, wobei hierunter eine
Prioritätensetzung und keine zeitliche Abfolge zu verstehen ist. Wenn die Abscheidung, Entnahme, Nutzung und Speicherung von CO2 nicht jetzt ermöglicht und angereizt wird, werden diese Technologien nicht rechtzeitig in ausreichendem Maße zur Anwendung kommen, um unsere Klimaziele zu erreichen.
CCS-, aber insbesondere CCU-Technologien sind energieintensiv und daher abhängig von ausreichend verfügbaren Mengen an erneuerbarer Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen. Auch deshalb sind CCS/U und der zügige Ausbau erneuerbarer Energien als Partner und nicht als Gegensätze zu sehen, während zugleich konventioneller Klimaschutz und CCS/U zur Erreichung unserer Klimaziele erforderlich sind. Die Anwendung dieser Technologien steht und fällt nicht zuletzt mit der gesellschaftlichen Akzeptanz, die durch eine aktive Beteiligung und im Austausch mit der Bevölkerung gefördert werden muss.
Die Carbon Management Strategie muss Planungssicherheit für die Anwendung von CCS/U-Technologien und gleichzeitig die notwendigen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen für einen erfolgreichen Hochlauf schaffen. Nur so kann die Investitionsbereitschaft erhöht werden. Bereits identifizierte regulatorische Hürden auf nationaler und europäischer Ebene – wie beispielsweise im Evaluierungsbericht des KSpG festgehalten – können schon jetzt und nicht erst nachgelagert behoben werden, um den Aufbau einer CCS/U-Wirtschaft rasch voranzubringen.
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