Reformvorschläge zur deutschen
Quellenbesteuerung
Vorschläge zum Abbau unverhältnismäßiger Bürokratie bei dem Freistellungsverfahren (§ 50c EStG)
Quellensteuerabzugsverfahren umfassend vereinfachen
Das Steuerabzugsverfahren gemäß § 50a EStG hat für die deutsche Wirtschaft eine hohe Bedeutung, insbesondere bei Lizenzvereinbarungen mit ausländischen Tochtergesellschaften Dieses Verfahren verursacht jedoch unverhältnismäßigen Aufwand in der Unternehmenspraxis, der in keinem Verhältnis zu dem hiermit verbundenen Steueraufkommen steht. Der BDI legt grundlegende Vorschläge zu einer Reform des Erstattungs- und Freistellungsverfahrens beim Quellensteuerabzug vor, um dieses aufwendige Verfahren für die Unternehmen und für die Finanzverwaltung zu vereinfachen
Digitalisierung für Bürokratieabbau nutzen
Neben einer grundlegenden Reform muss die Digitalisierung des Verfahrens dringend vorangetrieben werden, um Effizienzgewinne für alle Beteiligten zu erzielen Nach derzeitiger Rechtslage muss jedes Mal, wenn eine deutsche Gesellschaft Lizenznehmerin von ihren Tochtergesellschaften oder von Dritten im Ausland wird, ein Erstattungs- bzw. Freistellungsverfahren beim BZSt erfolgen.
Zur Vereinfachung und zum Bürokratieabbau wären ein Identifikationsverfahren und eine digitale Plattform wünschenswert, auf welche sowohl der ausländische und inländische Vertragspartner sowie die deutsche Finanzverwaltung Zugriff haben, um bei der Erteilung und Prüfung der Freistellungsbescheinigungen zusammenzuwirken.
Antragsflut für deutsche Unternehmen reduzieren
Für die deutsche Industrie, die tausende Patente jährlich in Deutschland neu registriert, stellt dieser Prozess eine enorme administrative Herausforderung dar. Insgesamt sind in Deutschland fast 900.000 Patente registriert, neben einer Vielzahl an Marken, Mustern und anderen geschützten Werken Daneben gewinnt die Lizenzierung von Software zur wirtschaftlichen Verwertung aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung zunehmend an Bedeutung.
1. Status Quo: Praxisschwierigkeiten beim Steuerabzugsverfahren
Das Steuerabzugsverfahren (§ 50a EStG) ist unnötig komplex und verursacht unverhältnismäßigen Aufwand in der Unternehmenspraxis. Unternehmen müssen selbst dann ein Freistellungsverfahren beim BZSt beantragen, wenn ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Der Antrag erfordert zahlreiche Nachweise, darunter umfangreiche Vertragsübersetzungen und zusätzliche Unterlagen für die teils sehr umfangreiche Missbrauchsprüfung. Die Bearbeitungszeiten sind lang und jeder Lizenzpartner muss einen separaten Antrag stellen, bei dem seine Entlastungsberechtigung in einem zeitaufwendigen Verfahren geprüft wird. Die Nachweisanforderungen sind zudem uneinheitlich und erschweren den Prozess zusätzlich. Die Bearbeitungsdauer von Freistellungsanträgen ist zwar gesetzlich kodifiziert und soll nicht länger als drei Monate nach vollständigem Antragseingang in Anspruch nehmen. In der Realität wird diese Frist nur in den seltensten Fällen eingehalten. Hierbei sind Verfahren bekannt, die über neun oder gar über zwölf Monate hinaus nicht beschieden wurden. Eine schnelle und reibungslose Abwicklung ist entscheidend, da die Freistellungsbescheinigung erst ab Antragstellung gilt. Die Gültigkeitsdauer von drei Jahren liegt im Ermessen des BZSt, während die frühere Mindestgültigkeitsdauer von einem Jahr entfallen ist. Diese Umstände führen zu erheblichen Verzögerungen und Unsicherheiten für Unternehmen und belasten deren Geschäftsabläufe. Für die ausländischen Lizenzgeber ist das deutsche Freistellungsverfahren unverständlich und nur schwer vermittelbar. Die Hürde für eine Freistellung vom Quellensteuerabzug ist im internationalen Vergleich in Deutschland überaus hoch und unverhältnismäßig komplex. Dies stößt zunehmend auf Unverständnis bei den ausländischen Lizenzgebern, die bei entsprechender Verhandlungsmacht deshalb versuchen, die Quellensteuer vertraglich auf den inländischen Lizenznehmer abzuwälzen. Hieraus ergibt sich ein Wettbewerbsnachteil für die deutschen Unternehmen.
Kritisch ist auch, dass Freistellungsbescheinigungen (§ 50c EStG) seit dem Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz (AbzStEntModG) im Jahr 2021 mit Nebenbedingungen versehen sind: So muss der Inländer auch bei Vorliegen einer amtlichen Freistellungsbescheinigung fortlaufend und eigenständig prüfen, ob der Vertragspartner weiterhin alle Voraussetzungen erfüllt, im Zweifel haftet der Inländer für den Steuerabzug – ein untragbarer Zustand.
Auch die Steueranmeldungen führen zu administrativen Belastungen Sie sind 10 Tage nach jedem Kalendervierteljahr zur Abgabe fällig. Gerade im Zusammenhang mit den bestehenden Monats-/Quartalsabschlussprozessen in den Unternehmen führt diese Frist zu Problemen bzw. Engpässen in der Informationsbeschaffung und Durchführung. Die Gewährung einer Dauerfristverlängerung wie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung wäre eine deutliche Entlastung der Unternehmen
2. BDI-Vorschläge für ein unbürokratisches Quellensteuerabzugsverfahren
Die Freistellungsbescheinigung muss ihren Wert als rechtssicheres Instrument für die deutschen Unternehmen wiedererlangen. Es sollte wie vor der Novelle durch das AbzStEntModG für den Verzicht auf den Quellensteuereinbehalt ausreichend sein, dass das BZSt den Antrag prüft und die Freistellungsbescheinigung ausstellt. Die den Unternehmen vorgelegte Freistellungsbescheinigung muss ausreichend sein für die Frage, ob ein rechtssicherer Verzicht auf den Steuereinbehalt vorgenommen werden kann.
Durch kürzere Bearbeitungszeiten und ein vereinfachtes Verfahren können Ressourcen eingespart und sowohl Unternehmen als auch die Finanzverwaltung administrativ entlastet werden. Eine Begrenzung der Meldung auf tatsächliche Korrekturen bei zu berichtigenden Steueranmeldungen würde zu
einer erheblichen administrativen Entlastung führen. Bislang ist, auch bei Korrektur einer einzigen Position, eine erneute vollständige Abgabe der ursprünglichen Anmeldung nebst Korrekturen erforderlich.
Das Erstattungs- und Freistellungsverfahren (§§ 50a, 50c EStG) ist nicht praktikabel, zu komplex und sollte umfassend reformiert werden:
• Umfassenden Haftungsschutz der Freistellungsbescheinigung schaffen
Eine vorgelegte Freistellungsbescheinigung muss umfassenden Haftungsschutz bieten und grundsätzlich als wirksam angesehen werden, es sei denn, es liegt eine offensichtliche Unrichtigkeit vor.
• Nachweispflichten reduzieren
Die Nachweispflichten sollten reduziert werden und eine einmal ausgestellte Freistellungsbescheinigung sollte für alle Verträge mit dem Unternehmen gelten, ohne dass Nachweise erneut eingereicht werden müssen, die in früheren Prozessen vorgelegt wurden.
• Identifikationsverfahren einführen
Der BDI schlägt ein Verfahren zur Identifikation vor, ähnlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Jeder ausländische Lizenzgeber sollte eine eindeutige Identifikationsnummer erhalten, die belegt, dass das Unternehmen die Voraussetzungen für eine Freistellung der Lizenzzahlungen erfüllt und von der Finanzverwaltung geprüft wurde. Dies würde erneute und übermäßige Prüfungen reduzieren und eine generelle Freistellung des gleichen Lizenzgebers ermöglichen. Die Identifikationsnummer würde die Verfahren beschleunigen und sowohl die Finanzverwaltung als auch die Unternehmen administrativ erheblich entlasten. Die Gültigkeit sollte gesetzlich auf mindestens drei Jahre festgelegt werden. Eine Identifikationsnummer würde auch die regelmäßige Überprüfung der Freistellungsvoraussetzungen, zum Beispiel auf der Internetseite des BZSt, ermöglichen und das Haftungsrisiko des inländischen Lizenznehmers reduzieren.
Übergangsweise erleichtert eine Positivliste von geprüften Unternehmen der Finanzverwaltung die erneute Prüfung gleicher Sachverhalte, z. B. gemäß § 50d Abs. 3 EStG. Ein detaillierter Substanztest mit umfangreichen Dokumentationsanforderungen sollte nur in begründeten Ausnahmefällen oder bei Verdacht auf Missbrauch durchgeführt werden. Zudem sollte der ausländische Lizenzgeber eine Musterfreistellungsbescheinigung beantragen können, die für alle inländischen Lizenznehmer gilt. Dies reduziert die Anzahl der Anträge und beschleunigt den Prozess für Unternehmen als auch für das BZSt.
• Freigrenze in § 50c Abs. 2 EStG für alle DBA-Fälle einführen
Als weitere Maßnahme zum Bürokratieabbau schlagen wir vor, dass in allen DBA-Fällen bis zu einer bestimmten Vergütungsgrenze (von z. B. 100 TEUR pro Jahr) die Vorlage einer Ansässigkeitsbescheinigung beim inländischen Lizenznehmer als Nachweis für die Abkommensberechtigung (wie in anderen Ländern der Regelfall) genügen soll, um den Quellensteuersatz nach DBA auch ohne Erteilung einer Freistellungsbescheinigung zur Anwendung bringen zu können. Hierdurch könnte die Anzahl der Freistellungsverfahren auf gewichtige Fälle reduziert und die derzeit unverhältnismäßig lange Bearbeitungsdauer deutlich verkürzt werden.
• Rückwirkung und Mindestgeltungsdauer von drei Jahren einführen
Die rückwirkende Erteilung von Freistellungsbescheinigungen sollte ermöglicht werden. Zudem ist eine gesetzliche Mindestgültigkeitsdauer von Freistellungsbescheinigungen für Unternehmen von
mindestens drei Jahren erforderlich. Die Möglichkeit der Rückwirkung und die einjährige Mindestgültigkeit in der Vergangenheit wurden ohne Begründung gestrichen.
• Dauerfristverlängerung
ermöglichen
Die vierteljährlichen Steueranmeldungen führen zu hohen administrativen Belastungen. Die Gewährung einer Dauerfristverlängerung wie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung wäre eine deutliche Entlastung der Unternehmen.
• Prozesse durch Digitalisierung verbessern
Zur Prozessverbesserung und Effizienzgewinnen sollte das Freistellungsverfahren digitalisiert werden. Die Einführung einfacher digitaler Schnittstellen oder cloudbasierter Datenaustauschmöglichkeiten erleichtert und beschleunigt Prozesse. Schnittstellen sollten nicht nur zwischen Unternehmen und dem BZSt, sondern auch zwischen Betriebsstättenfinanzämtern und dem BZSt vorhanden sein. Dadurch wird ein schneller und automatischer Datenaustausch ermöglicht, um langwierige Rückfragen häufig bereits vorliegender Daten zu vermeiden. Eine digitale Plattform, auf die alle Vertragspartner und die Finanzverwaltung zugreifen können, wäre wünschenswert, um bei der Erstellung und Prüfung von Freistellungsbescheinigungen zusammenzuarbeiten.
• Reform zur Vermeidung von Doppelbesteuerung nutzen
Neben dem notwendigen Bürokratieabbau sollten auch Maßnahmen zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern erfolgen. Nach geltendem Recht können ausländische Steuern grundsätzlich nur auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden, jedoch nicht auf die Gewerbesteuer. Es besteht auch keine Möglichkeit, Anrechnungsüberhänge vorzutragen und die Unternehmen unterliegen damit einer Doppelbesteuerung, so dass sie im internationalen Wettbewerb benachteiligt sind. Es sollte daher die Möglichkeit einer Anrechnung von Quellensteuer-Überhängen eingeführt werden, ähnlich wie es im US-Steuerrecht der Fall ist. Alternativ könnte eine gesetzliche Regelung zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer geschaffen werden.
Zusammenfassung
▪ Quellensteuerabzugsverfahren reformieren: Das Erstattungs- und Freistellungsverfahren muss vereinfacht und der Prüfungs- sowie Bürokratieaufwand reduziert werden
▪ Nachweispflichten reduzieren: Ausgestellte Freistellungsbescheinigung sollten ohne erneute Nachweispflichten für alle Verträge mit dem Unternehmen gelten
▪ Mehrfachprüfungen durch Einführung von Identifikationsnummern vermeiden: Eine mehrfache Prüfung derselben Vertragspartner und gleicher Sachverhalte sollte durch die Vergabe von Identifikationsnummern, wie bei der Umsatzsteuer, verhindert werden
▪ Rückwirkung und Mindestgeltungsdauer von drei Jahren einführen: Freistellungsbescheinigungen sollten rückwirkend möglich sein und mindestens drei Jahre gültig sein
▪ Dauerfristverlängerung ermöglichen: Zur Entlastung bei den vierteljährlichen Steueranmeldungen sollte eine Dauerfristverlängerung wie bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung ermöglicht werden.
▪ Digitale Schnittstellen beim BZSt: Das Freistellungsverfahren sollte durch die Einführung einfacher digitaler Schnittstellen digitalisiert und Prozesse hiermit beschleunigt werden.
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