#PowerUpEurope: Prioritäten zur Steuerpolitik in Europa
Wettbewerbsfähige steuerliche Rahmenbedingungen in Europa
Juli 2024
Aufbruch zu einer wettbewerbsfähigen Steuerpolitik in Europa
Steuerliche Rahmenbedingungen sind ein wesentlicher Standortfaktor für wirtschaftliche Aktivitäten und Investitionen in Europa. Im Vergleich zu anderen wichtigen Industriestaaten haben zahlreiche Staaten der EU massiv an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Gerade für Deutschland gilt, dass unzureichende steuerliche Rahmenbedingungen – neben hohen Energiepreisen, bürokratischen Hürden und dem Fachkräftemangel – Wirtschaftswachstum und Investitionen der Unternehmen behindern. Für die neue EU-Kommission muss daher der wirtschaftliche Aufbruch in der EU und die Stärkung des EU-Binnenmarkts im Mittelpunkt stehen. Wettbewerbsfähige steuerliche Regelungen für die Unternehmen sind dafür essenziell.
Bürokratieabbau entschlossen voranbringen
In den letzten zehn Jahren wurde eine Vielzahl von steuerlichen Transparenz- und Berichtspflichten geschaffen, welche die Unternehmen mit hohem Bürokratieaufwand umsetzen. Diese Transparenzund Berichtspflichten müssen weiter evaluiert und der bürokratische Aufwand der Unternehmen reduziert werden. Die Vielzahl hochkomplexer Vorschriften schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa gegenüber anderen Staaten und bindet Ressourcen, die besser für Innovationen genutzt werden könnten.
Energiesteuerrichtlinie verabschieden und Klimaschutzziele flankieren
Eine Reform der Energiesteuerrichtlinie (ETD) ist überfällig und für die Transformation der Wirtschaft dringend erforderlich. Zum Erreichen der ehrgeizigen Klimaschutzziele der EU muss die Besteuerung von Energieerzeugnissen mit der Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik der EU durch eine gezielte Förderung erneuerbarer und insbesondere CO2-neutraler Energieträger in Einklang gebracht werden.
Mobiles Arbeiten im Ausland erleichtern
Mobiles Arbeiten im Ausland ist weit verbreitet, unterliegt jedoch hohen steuerlichen Hürden. Es bedarf einer internationalen Koordination und Vereinfachung der Besteuerung des mobilen Arbeitens im Ausland. Die deutschen Unternehmen benötigen hierbei zeitnah Rechtssicherheit, um die aktuellen Herausforderungen des Fachkräftemangels zu bewältigen.
Prioritäten der deutschen Wirtschaft zur EU-Steuerpolitik
Zur neuen Legislaturperiode in Europa sind auch neue Weichenstellungen in der europäischen Steuerpolitik notwendig. Das Unionsrecht wird in seiner praktischen Bedeutung immer wichtiger und beeinflusst zunehmend die deutsche Steuergesetzgebung. Im Fokus der europäischen Steuergesetzgebung des letzten Jahrzehnts stand die Ausweitung von Anti-Missbrauchsregelungen. Angesichts des zunehmenden globalen Wettbewerbs und des rückläufigen Wachstums des Wirtschaftsstandorts Europa ist nun ein Aufbruch in der europäischen Steuerpolitik notwendig, um die Ziele des europäischen Binnenmarkts zu unterstützen und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen zu stärken.
1. Bürokratie im Steuerbereich abbauen
Eine zentrale Aufgabe muss der Bürokratieabbau im Bereich des Steuerrechts sein. Vor allem in den letzten zehn Jahren wurde – sowohl national als auch auf internationaler und EU-Ebene – eine Vielzahl von steuerlichen Berichts- und Compliancepflichten eingeführt, um mehr Transparenz über die Steuerzahlungen der Unternehmen zu schaffen und als schädlich wahrgenommene Steuervermeidung und -gestaltung zu begrenzen. Die Vielzahl hochkomplexer Vorschriften führt zu erheblichem Zusatzaufwand der Unternehmen, schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa gegenüber anderen Staaten und bindet Ressourcen, die besser für Innovationen genutzt werden könnten.
Seit 2011: Hohe Anzahl neuer bürokratischer Hürden im Steuerrecht
2011 Elektronische Übermittlung der Unternehmensbilanz
2014 Austausch von Finanzkonteninformationen in Steuersachen
2015/16 Bericht über länderbezogene Ertragsteuern (CbCR)
2016 Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD I)
2016 Maßnahmen gegen Gewinnkürzung und -verlagerung (MLI)
2017 Hybride Gestaltungen mit Drittländern (ATAD II)
2018 Anzeigepflicht von grenzüberschreitenden Steuergestaltungen (DAC 6)
2021 Offenlegung von Ertragsteuerinformationen (pCbCR)
2023 Mindeststeuer für Unternehmensgewinne
Folge der zahlreichen Maßnahmen des Unionsrechts ist nun ein Steuerrecht, das aus verschiedenen, hochkomplexen Regelungen besteht und ähnliche Zielsetzungen verfolgt. Sowohl für international tätige Steuerpflichtige als auch für die Finanzverwaltung bedeutet dies einen sehr hohen Complianceund Prüfungsaufwand. Die Komplexität erhöht sich zusätzlich dadurch, dass die Rechtsfolgen von Gesetzen teilweise voneinander abhängig sind und Rechtssicherheit oft erst sehr spät eintritt, insbesondere bei grenzüberschreitenden Betriebsprüfungen.
Für eine sinnvolle Anpassung des europäischen Steuerrechts ist nun eine Analyse der bestehenden Regelungen anhand ihrer Zielsetzungen notwendig. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Steuerkomplexität zeigen, dass Ausnahmen und vermeintliche Vereinfachungen innerhalb von Regelungen dabei nicht zu einer Reduktion der Komplexität beitragen, sondern erst die vollständige Abschaffung einer Regelung1 Dies bestärkt den Ansatz, vollständig abschaffbare Regelungen zu identifizieren, anstatt Verbesserungen und Ausnahmen innerhalb bestehender Regelungen anzustreben.
BDI-Forderung
Die EU muss konkrete Maßnahmen ergreifen, um den bürokratischen Aufwand der Unternehmen bei den steuerlichen Compliance-Pflichten zu reduzieren. Eine Evaluation und ein Decluttering von steuerlichen Compliancepflichten muss eine prioritäre Rolle der EU-Kommission in den nächsten Jahren einnehmen. Im Fokus sollten hierbei insbesondere Regelungen mit derselben Zielsetzung stehen, die eine mögliche Doppelbesteuerung und vermeidbaren Compliance-Aufwand verursachen.
2. Unternehmensteuern zum Standortvorteil für Europa machen
Attraktive Unternehmensteuern und gezielte Investitionsanreize sind wesentliche Voraussetzungen für den Binnenmarkt in Europa. Die EU-Kommission hat die Aufgabe, bei der Umsetzung der globalen Besteuerungsregeln die Ansprüche des Binnenmarkts und die Grundgedanken einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung in den Blick zu nehmen. Mit den europäischen Gesetzgebungsmaßnahmen der letzten zehn Jahre wurden die liberalen Ziele der Binnenmarktgesetzgebung, wie sie noch in den Richtlinien der 90er Jahre und der „Nullerjahre“ verfolgt wurden, jedoch in den Hintergrund gestellt.2
Das steuerliche Sekundärrecht dient in erster Linie der Missbrauchsvermeidung und nicht mehr dem Abbau steuerlicher Beschränkungen im Binnenmarkt. Der Unionsgesetzgeber schafft insofern steuerliche Eingriffstatbestände, womit sich immer drängender die Frage stellt, welchen Grenzen der Unionsgesetzgeber im steuerrechtlichen Bereich unterliegt. Insbesondere mit der Einführung der globalen Mindeststeuer3 verändert sich die Unternehmensbesteuerung grundlegend. Auch die Richtlinie zur
1 Vgl. Schanz/vbw (2023), Deutsche Unternehmen aus den Weltmärkten – Steuerliche Hemmnisse 2023.
2 Vgl. Schön (2022), IStR, 181.
3 COM (2021) 823: Proposal for a COUNCIL DIRECTIVE on ensuring a global minimum level of taxation for multinational groups in the Union.
Bekämpfung von Briefkastenfirmen4, mit welcher weitgehend substanzlosen Kapitalgesellschaften in den Mitgliedstaaten der EU die steuerliche „Anerkennung“ verweigert wird, schafft starke Eingriffsrechte.
Modernisierung der Unternehmensteuern in Europa und Abschaffung von Redundanzen
Redundante Regelungen führen zu überbordendem Compliance-Aufwand der Wirtschaft und müssen evaluiert und abgeschafft werden. Hierbei sollten vorwiegend Regelungen überprüft werden, die der grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung und Vermeidung von Gewinnverlagerung dienen. Hierzu zählen insbesondere folgende Regelungen5:
▪ Hinzurechnungsbesteuerung: Die parallele Anwendung der Mindeststeuer und Hinzurechnungsbesteuerung führt zu einem erhöhten Risiko der Doppelbesteuerung und steigert den Compliance-Aufwand für Unternehmen erheblich. Eine Abschaffung der Hinzurechnungsbesteuerung für Unternehmen, die der globalen Mindeststeuer unterliegen sollte durch ein einheitliches Vorgehen auf EU-Ebene mittels einer Änderungsrichtlinie zur ATAD erreicht werden.
▪ Lizenzschranke: Die Anpassung der Lizenzschranke im Einklang mit dem globalen Mindeststeuersatz von 15 Prozent macht diese Regelung für Unternehmen, die der Mindeststeuer unterliegen, vollständig überflüssig, da die globale Mindeststeuer eine weltweite Besteuerung deutscher Konzerneinheiten in Höhe von 15 Prozent sicherstellt. Die Zinsschranke führt zu einem hohen zusätzlichen Bürokratieaufwand bei der Dokumentation der Prüfung.
▪ Zinsschranke: Die Zielsetzung der Zinsschranke überschneidet sich mit der der globalen Mindeststeuer, da sie das inländische Steuersubstrat sichert und Anreize zur Gewinnverlagerung ins Inland schafft. Mit der Einführung der globalen Mindeststeuer sinkt der Anreiz zur Gewinnverlagerung ins Ausland, sodass die Abschaffung der Zinsschranke für die Unternehmen, die der Mindeststeuer unterliegen, in Betracht gezogen und durch eine Änderungsrichtlinie zur ATAD umgesetzt werden sollte.
▪ Steueroasenabwehr: Das Steueroasen-Abwehrgesetz zielt mittelbar ebenfalls auf niedrig besteuerte Einkünfte ab. Durch die Einführung der globalen Mindeststeuer wird eine niedrige effektive Besteuerung jedoch verhindert, wodurch das Steueroasen-Abwehrgesetz weitgehend für der Mindeststeuer unterliegende Unternehmen redundant wird und seine Abschaffung diskutiert werden sollte.
Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (BEFIT)
Mit dem Richtlinien-Vorschlag BEFIT („Business in Europe: Framework for Income Taxation“) strebt die EU-Kommission eine einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für große multinationale Konzerne in der EU an, um steuerlichen Bürokratieaufwand der Unternehmen zu reduzieren. Dieser Schritt soll grenzüberschreitende unternehmerische Tätigkeiten unterstützen und steuerliche Befolgungskosten senken.
4 COM (2021) 565 final, Vorschlag für eine RICHTLINIE DES RATES zur Festlegung von Vorschriften zur Verhinderung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für Steuerzwecke und zur Änderung der Richtlinie 2011/16/EU.
5 Vgl. Schanz/vbw (2023), Deutsche Unternehmen aus den Weltmärkten – Steuerliche Hemmnisse 2023.
Der Vorschlag zu einer einheitlichen Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage scheitert aber an den hohen zusätzlichen Bürokratieanforderungen der einzelstaatlichen Hinzurechnungsmöglichkeiten zur Bemessungsgrundlage. Zudem baut BEFIT auf einer konsolidierten Bemessungsgrundlage auf, die nicht mit den Regelungen zur Mindeststeuer vereinbar ist. Eine Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage darf nur unter der Voraussetzung einer deutlichen Vereinfachung und Harmonisierung der Unternehmensteuern erfolgen.
Vereinfachung der Quellensteuerverfahren in der EU
Der Abzug von Quellensteuern auf Lizenzeinnahmen verursacht hohen Aufwand der deutschen Unternehmen. Mit der EU-Richtlinie „FASTER“ hat die Kommission bereits einen ersten Schritt zu schnelleren und bürokratieärmeren Quellensteuerverfahren für Kapitalerträge gemacht. Dies sollte sich die Kommission zum Anlass nehmen, um auch die EU-weiten Quellensteuerverfahren auf Lizenzeinkünfte zu vereinheitlichen.
Die EU sollte die Verfahren zur Quellensteuer auf Lizenzeinkünfte vereinheitlichen und bürokratieärmer gestalten. Eine zentrale Identifikationsnummer könnte dazu beitragen, doppelte Verfahren zu vermeiden und die Prozesse zu vereinfachen. Die neue EU-Kommission muss in diesen Bereichen nachbessern, um echte Erleichterungen zu schaffen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU sicherzustellen.
BDI-Forderung
Die EU sollte ihre Vorschriften entsprechend anpassen und ihren Rahmen für die Unternehmensbesteuerung optimieren, um Rechtsunsicherheit und hohe Befolgungskosten zu vermeiden. Hierzu zählen insbesondere eine Evaluierung und Modernisierung der Unternehmensteuern, eine Harmonisierung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage sowie eine Vereinheitlichung des Quellensteuerverfahrens auf Lizenzeinkünfte.
3. Neue Energiesteuerrichtlinie verabschieden und Klimaziele flankieren
Eine Modernisierung der Energiesteuern und zeitnahe Verabschiedung der neuen europäischen Energiesteuerrichtlinie (ETD) ist überfällig. Ohne die Anpassung der ETD können keine reduzierten Steuersätze für CO2-neutrale Energieprodukte, die als Heiz- und Kraftstoffe eingesetzt werden, angewandt werden. Dies gilt insbesondere für sogenannte eFuels und auch grünen Wasserstoff.
Der BDI unterstützt die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen der Energiesteuerrichtlinie mit Blick auf die Einführung einer neuen Steuerbemessungsgrundlage nach Energiegehalt der Energieprodukte sowie die Gruppierung und Einstufung der Energieprodukte und Elektrizität in die neuen Steuertarife nach deren Umweltverträglichkeit. Damit wird die Grundlage zum Markthochlauf CO2-neutraler Energieprodukte und klimaneutraler Produktionsprozesse gelegt. Eine nationale oder europäische Besteuerung von Kraftstoffen für den Luft- und Seeverkehr lehnt der BDI ab, da diese systemimmanent zu Nachteilen für europäische Unternehmen im internationalen Wettbewerb führt.
Verpflichtende Niedrigbesteuerung von Strom
Für einen rechtssicheren Rahmen der energieintensiven deutschen Wirtschaft ist eine langfristige Niedrigbesteuerung von Strom notwendig. Eine verpflichtende Niedrigbesteuerung von Strom für die gewerbliche Verwendung bzw. ein Erhalt der reduzierten Steuertarife muss einheitlich auf europäischer Ebene geregelt werden.
Steuerbefreiung CO2-neutralen Energieträgern
Die neue ETD muss für einen bestimmten Zeitraum (Transformationsphase) europaweit verpflichtend CO2-neutrale Energieträger (z. B. strombasierte Kraft-/Heizstoffe wie eFuels und Wasserstoff, fortschrittliche Biokraftstoffe) von der Mindestbesteuerung ausnehmen, um mit einem angemessenen Preissignal Investitionen in CO2-neutrale Energieprodukte zu fördern. Für CO2-neutrale Energieträger, insbesondere strombasierte Kraft- und Heizstoffe inklusive Wasserstoff, sollte nach der Transformationsphase nur ein Steuertarif analog zur Elektrizität eingeführt werden.
Potenziale komponentenbasierter Besteuerung nutzen
Der BDI unterstützt den Ansatz der komponentenbasierten Besteuerung. Dieser ermöglicht es den Mitgliedstaaten, verschiedene Komponenten eines Energieerzeugnisses getrennt zu besteuern.
Wettbewerbsfähige Energiepreise für Übergangstechnologien
In der Transformationsphase müssen zwingend wettbewerbsfähige Energiepreise für Übergangstechnologien erhalten bleiben. Insbesondere für Erdgas muss ein moderater Anpassungspfad vorgesehen werden. In Hinblick auf bestehende Innovationszyklen sollte die vorgesehene zehnjährige Transformationsphase verlängert werden.
Carbon Leakage-Schutz für energieintensive Produktionsprozesse sowie Luft- und Seeverkehr
Die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie muss gesichert werden und energieintensive Produktionsprozesse sowie Luft- und Seeverkehr müssen vor Carbon Leakage weiterhin geschützt werden. Mineralogische wie metallurgische Produktionsprozesse dürfen daher auch zukünftig nicht in den Anwendungsbereich der ETD fallen. Die Steuerbefreiung für Kraftstoffe für den Luft- und Seeverkehr muss erhalten bleiben. Darüber hinaus müssen zum Schutz der Industrie die dauerhafte Differenzierung der Steuersätze für gewerbliche Unternehmen und Haushalte in der ETD aufrechterhalten werden
BDI-Forderung
Die neue Energiesteuerrichtlinie muss zeitnah verabschiedet werden, um erneuerbare sowie insbesondere CO2-neutrale Energieträger und die notwendige Transformation der Wirtschaft zu unterstützen. Hierzu sollte insbesondere eine dauerhafte verpflichtende Niedrigbesteuerung von Strom und eine verpflichtende Steuerbefreiung von CO2-neutralen Energieträgern während einer Transformationsphase erfolgen.
4. Mobiles Arbeiten im Ausland erleichtern
Mobiles Arbeiten hat in der Arbeitswelt erheblich an Bedeutung gewonnen und in der betrieblichen Praxis spielt auch das grenzüberschreitende mobile Arbeiten in einem vereinten Europa eine zunehmende Rolle. Mobiles Arbeiten führt jedoch zu verschiedenen steuerlichen Fragen und diese stellen eine Hürde für die Arbeitgeber dar, insbesondere mit Blick auf die Gewinnung internationaler Fachkräfte
Klarstellung offener Fragen der Arbeitnehmerbesteuerung
Es bedarf einer Klarstellung von verschiedenen steuerrechtlichen Fragen hinsichtlich des mobilen Arbeitens im Ausland. Dazu gehören mögliche Registrierungs- und Deklarationspflichten im Ausland sowie die Vermeidung von Doppelbesteuerung. Um Unternehmen und Beschäftigten Rechtssicherheit zu bieten, sind EU-weit abgestimmte und unbürokratische Lösungen erforderlich. In einem zweiten Schritt sollte ein internationaler Konsens auf OECD-Ebene angestrebt werden.
Hierbei sind Verfahrenserleichterungen bei der Lohnsteuer notwendig: Es sollte klargestellt werden, dass keine Lohnsteuerverpflichtungen des Arbeitgebers im anderen Staat entstehen, solange eine bestimmte Anzahl an mobilen Arbeitstagen nicht überschritten wird.
Abgestimmte Kriterien zur Begründung von Betriebsstätten
Der BDI schlägt außerdem vor, nachvollziehbare Kriterien für die Begründung von Betriebsstätten festzulegen:
▪ Einfache Grundregel für kurze Tätigkeiten im Ausland: Keine Betriebsstätte im Ausland bei bis zu 120 Tätigkeitstagen bzw. 183 Aufenthaltstagen im Ausland
▪ International abgestimmte Kriterien für langfristige Tätigkeiten: Festlegung nachvollziehbarer Kriterien zur Entscheidung über die Begründung von Betriebsstätten (zeitliche, qualitative und rechtliche Kriterien)
Diese Vorschläge sollen dazu beitragen, steuerliche Risiken zu minimieren und klare Regelungen für das grenzüberschreitende mobile Arbeiten zu schaffen. Für die betriebliche Praxis sind nachvollziehbare einheitliche Regelungen notwendig, die Rechtssicherheit schaffen.6
BDI-Forderung
Hinsichtlich des mobilen Arbeitens im Ausland ist ein international abgestimmtes Verständnis der EU-Mitgliedsstaaten notwendig. In einem zweiten Schritt sollte ein internationaler Konsens auf OECD-Ebene angestrebt werden. Hierzu sind Vereinfachungsregeln und nachvollziehbare Kriterien für die Begründung von Betriebsstätten erforderlich, die Rechtssicherheit für die Unternehmen schaffen.
6 BDI-Positionspapier Mobiles Arbeiten im Ausland, Februar 2022
5. Mehrwertsteuersystem in Europa reformieren
Unternehmen, die in der EU grenzüberschreitend tätig sind, sind hinsichtlich der Mehrwertsteuer mit einem hohen Befolgungs- und Kostenaufwand konfrontiert, verstärkt durch die in den letzten Jahren erfolgte Etablierung von unterschiedlichen nationalen elektronischen transaktionalen Meldesystemen. Mit der VIDA-Initiative der Kommission soll eine Anpassung des Mehrwertsteuerrechts erfolgen, um die Unternehmen von Registrierungs- und Meldepflichten auf Grundlage eines einheitlichen, grenzüberschreitenden Meldesystems für elektronische Rechnungen zu entlasten.
Notwendige Verabschiedung der VIDA-Richtlinie („VAT in the digital Age“)
Der BDI unterstützt den Vorschlag der Europäischen Kommission zur "Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter" (VIDA) Die Maßnahmen für ein europäisches Meldesystem müssen noch in diesem Jahr durch eine Einigung der EU-Mitgliedsstaaten zur VIDA-Richtlinie verabschiedet werden. Die Einführung einer obligatorischen elektronischen Rechnung auf Grundlage der bereits bestehenden, aber für den B2B-Bereich weiterzuentwickelnden CEN-Norm EN 16931 für innergemeinschaftliche Umsätze ist Voraussetzung für die Schaffung einer EU-weiten Interoperabilität der nationalen Rechnungs- und Meldesysteme sowie der bestehenden Rechnungsdatenaustauschsysteme mit dem europäischen Meldesystem.
Effiziente Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in Europa
Der Mehrwertsteuerbetrug in der EU nimmt nach wie vor einen hohen Umfang ein und zahlreiche Neuregelungen sind mit der VIDA-Initiative verbunden. Das Meldesystem muss mit der rechtsicheren Verwendung der USt-ID-Nummer verbunden werden, deren Voraussetzungen erst noch geschaffen werden müssen. Für eine effiziente Betrugsbekämpfung sollte die EU jedoch weitere Maßnahmen diskutieren, um bestimmte betrügerische Verhaltensweisen zügig und zielgenau zu unterbinden. Die Verbindung der Meldepflichten mit den statistischen Intrastat-Meldepflichten zu Aus- und Einfuhren sollte erwogen werden.
Finales Mehrwertsteuersystem schaffen
Um die Befolgungskosten der Wirtschaft im grenzüberschreitenden Warenverkehr zu reduzieren, ist eine weitere Diskussion über ein finales Mehrwertsteuersystem notwendig. Da die Gleichstellung innergemeinschaftlicher Umsätze mit Inlandsumsätzen nach dem bisherigen Vorschlag der Kommission nicht konsensfähig war, sollten weitergehende Lösungen wie die Einführung eines generellen Reverse-Charge-Verfahren diskutiert werden.
BDI-Forderung
Eine durchgreifende Reform des europäischen Mehrwertsteuersystems mit dem Ziel einer Senkung der Befolgungskosten der Wirtschaft muss weiterhin auf der Agenda der EU- Kommission bleiben. Ebenso sollte eine weitere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in Europa erfolgen und geeignete Maßnahmen hierfür erarbeitet werden.
Zusammenfassung
Prioritäten der deutschen Wirtschaft zur Steuerpolitik in Europa
1. Bürokratie im Steuerbereich abbauen und Compliance-Pflichten reduzieren
▪ Dringend notwendiger Abbau von Bürokratie
▪ Evaluierung und Streichung nicht notwendiger Berichts- und Compliancepflichten
2. Unternehmensteuern als Standortvorteil in Europa nutzen
▪ Modernisierung der Unternehmensteuern in Europa und Abschaffung von Redundanzen
▪ Einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und Koordination mit der Mindeststeuer
▪ Vereinfachung des Quellensteuerverfahrens bei Lizenzverträgen
3. Neue Energiesteuerrichtlinie verabschieden und Klimaziele flankieren
▪ Verabschiedung der neuen Energiesteuerrichtlinie
▪ Dauerhafte Niedrigbesteuerung von Strom
▪ Steuerbefreiung von CO2-neutralen Energieträgern (eFuels, Wasserstoff)
4. Mobiles Arbeiten im Ausland vereinfachen
▪ Verfahrenserleichterungen bei der Lohnsteuer einführen
▪ Nachvollziehbare Kriterien zur Begründung von Betriebsstätten abstimmen
5. Mehrwertsteuersystem weiter reformieren und Befolgungskosten der Wirtschaft reduzieren
▪ Weitere Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs in Europa
▪ Finales Mehrwertsteuersystem schaffen (Umstellung auf Reverse-ChargeVerfahren)
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