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Porträt: The Landscape of Music

Fein gezogene Grenzen, und die Schöngeister sind auf den Inseln zu Hause: Die „Landkarte der Musik“ unterscheidet sich gar nicht so sehr von geografischen.

The Landscape of Music

Ein Land aus Musik as Internet schwappt fast über vor mehr oder minder sinnvollen Projekten, die irgendwo zwischen HTML, CSS und Flash die wundervollsten Möglichkeiten des gepflegten Zeitvertreibs entstehen lassen. Und mal ehrlich: Hat nicht schon jeder einmal davon geträumt, in einem Land aus Musik zu leben? „The Landscape of Music“ lässt genau diesen Traum zumindest virtuell Wirklichkeit werden: Die Webseite stellt die stilistischen Beziehungen zwischen Musikern und Bands innerhalb einer Landkarte dar und lässt ihren Besucher ganz ohne Visa Stunden im eigenen Reich herumstöbern. Die Regenten der einzelnen Länder beziehungsweise Stile sind bereits verzeichnet, nahezu jeder bekanntere Künstler kann per Suchfunktion aufgefunden werden – Überraschungen bezüglich seiner „Nationalität“ inklusive. Eine Zoomfunktion oder ein einfaches Spielen am Mausrad blendet Details ein und aus. Und wer sich weiter über einen Künstler informieren oder sogar einige seiner Stücke gleich anhören will, klickt einfach auf dessen Namen, um dezent zum entsprechenden Eintrag bei Last.fm weitergeleitet zu werden – noch nie war das Netzwerk aus Musik so anschaulich.

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www2.research.att.com/~yifanhu/MusicMap/

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Porträt: Guy-Vincent Ricketti

Guy-Vincent Ricketti

TwitterArt

Minimalistische Kunst in 140 Zeichen: Guy-Vincent Ricketti nutzt den Microblogging-Dienst Twitter für ANSI-Kunstwerke.

ass der Microblogging-Dienst Twitter mittlerweile mindestens die Welt des Internets nachhaltig auf den Kopf gestellt hat, dürfte sich herumgesprochen haben. In den auf 140 Zeichen beschränkten Kurznachrichten geben Millionen „Tweeples“ mehr oder minder sinnvoll Auskunft über ihr aktuelles seelisches Befinden, erzählen weltbekannte Musiker über ihren gar nicht so aufregenden Rock-‘n‘-Roll-Lifestyle oder teilen soeben glücklich notgelandete Fluggäste ihr Überleben mit der ganzen Welt. Dass Twitter auch als Leinwand für Kunst fungieren kann, beweist hingegen der Amerikaner Guy-Vincent Ricketti, der als einer der Gründer der sogenannten TwitterArt gilt. Sein Rezept hört sich simpel an: Ricketti strickt aus ANSI-Zeichen und -Symbolen Textgrafiken, die erst komplett betrachtet einen Zusammenhang ergeben – der Betrachter muss – wie bei so vielen grafischen Kunstformen – oft erst einen Schritt zurücktreten, um das Bild erfassen zu können. TwitterArt ist dabei praktisch eine Unterdisziplin der ANSI- oder ASCII-Art, die in den Pionierzeiten der Online-Bewegung von Mailbox-Betrei-

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www.twitter.com/guy_vincent | www.guyvincent.net

bern und -Besuchern eingesetzt wurde, um das damalige Fehlen von Bilddarstellungen zu kompensieren. Doch was motiviert Ricketti als erfahrenen Künstler zu einer derart minimalistischen Kunstform? „Als interdisziplinärer Künstler interessieren mich die verschiedensten Formen der Kommunikation, Technologie und Kunst als potenzielle Inspirationsquelle“, erzählt er, „und Twitter ist ein sehr effektives Werkzeug zur Kommunikation mit Menschen in der ganzen Welt. Normalerweise folgt der konzeptuelle Inhalt meiner Tweets den spezifischen Thematiken der Arbeit, mit der ich mich aktuell beschäftige. Einige meiner liebsten TwitterArtWerke beinhalten daher sowohl Wörter als auch Symbole.“ Die Begrenzungen des UTF-8-Codes sieht er dabei eher als kreativen Gestaltungsrahmen denn als Begrenzung: „Meiner Erfahrung nach beschleunigen Grenzen den kreativen, intellektuellen und evolutionären Prozess eines Mediums. Als Multimediakünstler bin ich daher glücklich darüber, ein Teil der kreativen, diversifizierten und globalen Twitter-Familie zu sein.“ 

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BEATPERSONALITY Portr채t: Nest

Mit ihrem gemeinsamen Projekt Nest widmen sich Huw Roberts (im Bild) und Otto Totland dem Grenzland zwischen Ambient und Klassik.

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BEATPERSONALITY

Porträt: Nest

Nest

„Wir führen unsere Hörer gern in die Irre!“ „Retold“, das Debütalbum von Nest, widerspricht jeglicher Geschäftslogik: So besteht die gesamte erste Hälfte des Werks aus bereits veröffentlichtem Material, das zudem seit zwei Jahren kostenlos im Netz verfügbar ist. Trotzdem können sich die beiden Soundbastler und Pianisten Huw Roberts und Otto Totland vor Vorbestellungen kaum retten. Die neuen Stücke der zweiten Hälfte verbinden sich vollkommen organisch mit den alten zu einem gleitenden Erzählfaden, der von flirrenden filmmusikalischen Passagen, dezenten Klassik-Tupfern und zerbrechlichen Ambient-Atmosphären zusammengehalten wird. Doch verbirgt sich hinter der scheinbar so klaren von Tobias Fischer Oberfläche stets ein doppelter Boden. uw Roberts konnte den 31. Januar kaum erwarten. An diesem Tag nämlich erschien „Retold“ offiziell, und er kann der Welt das Album präsentieren, an dem er und sein langjähriger musikalischer Partner Otto Totland so lang gearbeitet haben. In den zwei Jahren zwischen der frei erhältlichen „Nest EP“ und dem ergänzenden Material haben die beiden immer wieder Dateien ausgetauscht, Ideen vorgeschlagen und verworfen, jeden einzelnen Ton überdacht und das Gesamtwerk schließlich noch einmal komplett neu mastern lassen. Für Roberts steht dabei mehr auf dem Spiel als nur sein Ruf als Musiker, schließlich ist Retold auch die erste AudioCD seines nicht nur in der Netaudio-Szene hoch angesehenen Labels Serein – nach immerhin achtzehn digitalen CC-lizenzierten EPs und Alben. Vielleicht auch deswegen lässt ihm Totland beim Interview den Vortritt.

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Beat / Warum habt ihr euch für Retold als erste CD-Veröffentlichung auf Serein entschieden? Huw / Ich habe niemals etwas anderes als ein Nest-Album in Erwägung gezogen. Die Nest-EP war mit über 20.000 Downloads über zwei Jahre die beliebteste Veröffentlichung auf Serein und vorher nur in einer limitierten Auflage von fünfzig Stück als physische CD-R erhältlich. Welches andere Stück Musik hätte uns jemals einen besseren Start bescheren könne als dieses? Außerdem wollte ich diese Tracks „richtig“, also geschmackvoll präsentiert und verpackt, veröffentlichen. Ursprünglich hatten wir vor, eine einfache Wiederveröffentlichung der EP machen. Aber je mehr Otto und ich uns darüber unterhielten, umso klarer wurde uns, dass wir deren Länge problemlos verdoppeln könnten. In dem Augenblick begannen wir sofort damit, neues Material zu schreiben. Obwohl es also eine lange Unterbrechung gab, fühlte sich die Fortsetzung für uns sehr natürlich an. Wir schmeißen unser unvollendetes Material nie weg, also konnten wir zu unseren Skizzen und Ideen zurückkehren und uns der Vergangenheit mit frischen Ohren und neuer Motivation widmen. Beat / Wieso habt ihr das Album eigentlich neu mastern lassen? Huw / Einerseits waren wir beide sehr zufrieden damit, wie die alten Tracks klangen. Andererseits gab es da dieses lange zeitliche Loch zwischen der ersten und der zweiten Hälfte des Albums. Wir wollten

sicher gehen, dass die Balance zwischen beiden stimmte. Obwohl unsere neue Musik im Grunde genommen den Faden dort wieder aufnimmt, wo wir ihn in 2007 liegengelassen haben, hat sich unsere Einstellung in Sachen Mixing und Produktion doch recht einschneidend geändert. Das Mastern hat die verschiedenen Stränge dann miteinander verknüpft. Es hat außerdem dafür gesorgt, dass die Dynamik durchweg gut austariert ist. Unser Audioingenieur Donal Whelan besitzt ein beeindruckendes Studio voller analoger Mastering-Geräte, und der Tag, den wir mit ihm verbracht haben, hat uns großen Spaß gemacht. Nebenbei gesagt sind wir auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Beat / Man kann am Artwork erkennen, wie wichtig es euch auch die optische Präsentation ist … Huw / Das stimmt. Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht, verschiedene Ideen für die Verpackung zu diskutieren, und es hat dementsprechend lange gebraucht, bis wir eine Lösung fanden, die stimmig ist. Wir wollten, dass das Cover den Charakter und den Geist unserer Musik einfängt. Unser Sound ist geprägt von einer gewissen Offenheit, sogar Kargheit, wenn man so möchte, und wir wollten das auch visuell vermitteln. Dieses Bild vom Ozean sprach uns sofort an, vor allem, weil einige unserer aktuellen Stücke nautische Themen erforschen. Beat / Was hat es mit dem Albumtitel auf sich? Huw / Es war schwierig, einen passenden Titel für das Album zu finden, weil es ja zur Hälfte eine Wiederveröffentlichung ist und zur anderen Hälfte aus neuem Material besteht. Für uns stand fest, dass der Name sowohl Kontinuität als auch das Aufschlagen eines neuen Kapitels symbolisieren sollte. Obwohl wir uns musikalisch auf bekanntem Boden bewegen, stellen das Physische sowie die damit verbundenen kommerziellen Aspekte der Veröffentlichung eine neue Richtung für uns dar. Uns hat auch die Vorstellung gefallen, dass wir mit unserer Musik eine Geschichte erzählen. „Retold“ schien uns all diese Gedanken sehr einprägsam auf den Punkt zu bringen.

Keine musikalischen Gespräche Beat / Wie kam es eigentlich ursprünglich dazu, dass ihr als Pianisten an einem Elektronikprojekt gearbeitet habt?  beat 03 | 2010

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Diskografie: 2007 | Nest EP 2009 | Retold


BEATPERSONALITY Porträt: Nest

die uns interessiert, mit unserer Musik ausdrücken zu können. Auch Filme sind auf jeden Fall eine große Inspirationsquelle für uns, sowohl in visueller als auch musikalischer Hinsicht. Unsere Musik ist sehr exakt choreographiert – vielleicht ein weiterer Grund, weswegen wir uns so stark mit dem Kino identifizieren. Es gibt da auf jeden Fall ein Gefühl, für eine ganz bestimmte Zeit und einen spezifischen Ort in der Vorstellung zu komponieren, auch wenn wir diese Ideen nicht immer verbal kommunizieren. Ich glaube jedoch nicht, dass Komponisten wie Satie, Mahler und Strauss einen direkten Einfluss auf unsere Arbeit haben. Aber es gibt auf jeden Fall Aspekte klassischer Musik im Allgemeinen, die uns sehr gefallen, wie zum Beispiel die deren sehr breite Dynamik sowie die Tonalität und das Timbre einiger Orchesterinstrumente.

Die Vorstellung von Hintergrundmusik in Filmen ist eine der wichtigsten Ideen, die Nest mit ihrer Musik einzufangen versuchen.

Huw / Das Projekt hat sich ziemlich organisch während eines längeren Zeitraums entwickelt. Wir schlossen als Mitglieder des ehemaligen Miasmah-Labels Freundschaft, das war vor ungefähr zehn Jahren. Wir fingen an, im Internet Musik auszutauschen, aber wir haben uns nie über musikalische Stile unterhalten. Auch heute reden wir nie darüber. Man kann auf jeden Fall sagen, dass wir sehr ähnliche Hintergründe teilen und dass wir beide Klavier spielen, obwohl Otto sich dies selbst beigebracht hat, und dass wir in unseren prägenden Jahren sehr ähnliche Musik gehört haben. Beat / Habt ihr eine feste Methode, wie ihr eure Songs schreibt? Huw / Wir sammeln beide recht obsessiv Samples – sowohl Fieldrecordings als auch „Found Sounds“. Das ist ein sehr wichtiger Aspekt unserer gemeinsamen Arbeit. Selbst wenn wir nicht zusammen komponieren, tauschen wir Klänge und Skizzen untereinander aus. Irgendwann springt dabei der Funke über, und die Inspiration entwickelt sich zu einem Katalysator für ein Stück Musik. Das Gleiche gilt auch für Melodien und musikalische Phrasen, manche nur wenige Sekunden kurz, andere mehrere Minuten lang. Selbst wenn wir ein Stück schon ziemlich detailliert ausgearbeitet haben, ist es durchaus nicht untypisch, dass einer von uns es wieder komplett auseinandernimmt und es als Ausgangspunkt für neue Inspiration verwendet. So entsteht auf keinen Fall das Gefühl, als hätte einer von uns eine festgelegte Rolle im kreativen Prozess. Wir erarbeiten jeden einzelnen Aspekt unserer Stücke gemeinsam.

Einflüsse aus Filmmusik und Klassik Beat / Wie wichtig waren Einflüsse aus der Klassik auf das Album? Huw / Ich glaube, uns beiden sagt die Freiheit zu, jede Richtung,

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Beat / Immerhin habt ihr auf „Far from Land“ und „The Twelve“ Bläser und Chöre eingesetzt … Huw / Wir finden es ehrlich gesagt amüsant, wenn man uns fragt, wie wir eine bestimmte Bläser- oder Klavierstelle produziert haben oder in was für einem Raum wir sie aufgenommen haben. Das passiert oft, aber andererseits fragt uns niemand, wie wir zum Beispiel die Zuggeräusche in dem Track „Trans Siberian“ erstellt haben. Die Leute versuchen herauszufinden, welche Teile unserer Musik von Samples stammen oder von Found Sounds und welche wir selbst aufgenommen haben. Aber diese Annahmen sind oft falsch. Es ist immer wieder interessant zu hören, was für Eindrücke sich unsere Hörer selbst bilden. Wir führen sie gern in die Irre. Ich habe das Zugsample als ein Beispiel genannt, weil viele Leute darüber erstaunt sind, dass sich der sich nähernde Zug fast ausschließlich aus bearbeiteten Snaredrums zusammensetzt und das Zugsignal ein Ausschnitt aus einer Aufnahme von zwei Mädchen ist, die ein Duett singen. Aber um nicht zu viel zu verraten, werde ich jetzt nicht mehr weiter reden (lacht) … Beat / Bei so viel Detailarbeit kann man den Eindruck gewinnen, als sei die Produktion genauso wichtig für euch wie die Komposition … Huw / Ich glaube, Otto und ich sehen uns zunächst als Produzenten und erst in zweiter Linie als Komponisten. Weil wir uns mit äußerst minimalen Kompositionen und einer gewissen Kargheit auseinandersetzen, werden die Eigenheiten und Nuancen unseres Klangs ungemein wichtig. Die Produktion ist also ein Teil unseres kreativen Prozesses. Wir versuchen, sie ständig zu verbessern und zu verfeinern. 

Nest … … ist das gemeinsame musikalische Projekt von Huw Roberts und Otto Totland. Während der eher scheue Norweger Totland ungern im Mittelpunkt steht und sich vor allem in einer Vielzahl von Kollaborationen ausdrückt, baute Roberts das 2005 gegründete Netlabel Serein zu einer Kreativzelle für einige der aktuell begabtesten Klangkünstler aus. 2009 verschwand Serein kurz von der Bildfläche, um sich kurz darauf mit neuem Look und Ansatz eindrucksvoll zurückzumelden. Das Konzept umfasst nun neben den gewohnten digitalen Veröffentlichungen auch liebevoll gestaltete physische Tonträger – darunter auch „Retold“ von Nest. www.nest-music.com | www.serein.co.uk


BEATPERSONALITY Porträt: CitySounds.fm

Im Gespräch: CitySounds.fm

Die musikalische Skyline CitySounds.fm ist weit mehr als nur ein weiterer Online-Radiosender: Der schwedische Anbieter fängt den Klang verschiedener Städte ein und erschafft so ihre musikalische Skyline. Die weltweite Jukebox ist dadurch Wirklichkeit geworden – Grund genug, die Ideengeber kennenzulernen: Wir unterhielten uns mit dem Gründer Henrik Berggren. von Thomas L. Raukamp

Beat / CitySounds.fm ist einer der authentischsten Internetradiosender überhaupt. Erzähl uns bitte etwas mehr über die Idee dahinter. Henrik / Die Idee stammt ursprünglich von einem Soundcloud-Mitarbeiter, der mithilfe einiger simpler Google-Maps-Montagen Songs anhand ihrer Herkunft darstellte. Ich war schon immer der Meinung, dass Musik und ihr Ursprung eine interessante Kombination darstellen, und die Montage bewies, dass besonders die großen Städte dieser Welt so etwas wie einen wiedererkennbaren Soundtrack oder ihre eigene „musikalische Skyline“ aufweisen. Wir nahmen dann im vergangenen Sommer am „Music Hack Day“ [1] in London teil, einem Event, bei dem Hacker, Kreative und Musikverrückte zusammenkamen, um Applikationen rund um die Themen Sound und Musik zu schreiben – und wir hatten natürlich den Plan, Städte und ihre Musik zusammenzubringen. 24 Stunden später war CitySounds.fm geboren. Beat / Wer gehört zum Team? Henrik / CitySounds.fm wurde von David Kjelkerud und mir aus der Taufe gehoben. David zeichnet sich auch für die Benutzeroberfläche verantwortlich, die die Seite so einfach macht. Seit ein paar Monaten ist auch Joakim Bergman mit an Bord, den wir schon seit unserer Schulzeit kennen.

Henrik Berggren entwickelte CitySounds.fm zusammen mit David Kjelkerud innerhalb von nur 24 Stunden.

Beat / Wie viele Städte werden derzeit auf CitySounds.fm gelistet? Henrik / Zurzeit streamen wir Musik aus viertausend Städten auf unserer Webseite. Wir sind aber recht anspruchsvoll, was die Qualität der Musik anbelangt – den Rattenschwanz zeigen wir also erst gar nicht. Wir denken aber ständig darüber nach, wie wir noch mehr Städte übersichtlich darstellen können. 94

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Beat / Nach welchen Kriterien entsteht die Städteliste? Henrik / Die Musik von CitySounds.fm wird komplett von dem Online-Anbieter Soundcloud gespeist. Auf Soundcloud veröffentlichen die erstaunlichsten Musiker und Produzenten aus der ganzen Welt ihre Arbeit. Alles, was man als Musiker tun muss, ist also die eigenen Tracks hochzuladen und sicherzustellen, dass man den eigenen Standort angibt – unser Spider verknüpft die Musik dann mit anderen Stücken von diesem Standort. Wenn du deine eigene Stadt unterstützen willst, verbreitest du ihren Link einfach bei Twitter oder Facebook. Kommen genug Stimmen zusammen, erscheint sie in unseren Charts. Beat / Einige Ergebnisse sind recht überraschend – so scheint Berlin musikalisch weitaus aktiver zu sein als zum Beispiel New York City … Henrik / Das stimmt, aber so ein Ergebnis hängt natürlich auch immer davon ab, wie genau die Standortangaben bei Soundcloud eingegeben wurden. Wir zeichnen sicherlich noch kein gänzlich unverfälschtes Bild der weltweiten musikalischen Aktivitäten, aber wir sind nah dran. Beat / Mittlerweile habt ihr CitySounds.fm sogar mit einer eigenen App auf das iPhone portiert … Henrik / Auf unsere iPhone-App sind wir derzeit ganz besonders stolz: Sie stößt die Tür zu einer ganz neuen Dimension auf, denn sie enthält eine GPS-Komponente, die feststellt, in welcher Stadt du dich gerade befindest, um dir dann Musik vorzuschlagen, die vielleicht gerade „um die Ecke“ produziert wurde. Das ist unglaublich cool! Und seien wir ehrlich: Niemand entdeckt gern Musik, wenn er dabei vor dem Computer herumsitzen muss.

Es freut uns natürlich sehr, dass unsere App so gut ankommt: Der Musikdienst „The Hype Machine“ ernannte sie kürzlich zur „Freshest Music App Out There“! Beat / In welche Richtung wollt ihr CitySounds.fm weiterentwickeln? Henrik / Derzeit eröffnet sich uns eine Vielzahl von Wegen, aber der nächste Schritt wird sicher eine Optimierung der Dynamik sein – so sollen sich die Charts noch häufiger aktualisieren. Außerdem reizt uns die Idee, weitere Musikquellen anzuzapfen, um noch mehr Genres abzudecken. Wir werden aber auch die iPhone-App weiter verbessern, um dem Anwender mehr Möglichkeiten zur musikalischen Erkundung von Städten an die Hand zu geben. Beat / Die Musikdistribution emanzipiert sich immer weiter von den Mainstreammedien wie dem traditionellen Radio oder großen Plattenfirmen. Wie schätzt du die weitere Entwicklung des Marktes ein? Henrik / Man muss sicherlich zwischen dem unterscheiden, was wir bei CitySounds.fm tun und was zum Beispiel ein Dienst wie Spotify erreichen möchte. Spotify, aber auch iTunes und einige andere Dienste konzentrieren sich auf die konkrete Distribution von Musik – und sie machen das sehr gut. Wir gebrauchen hingegen Musik, die sich bereits in neuen Distributionskanälen befindet, und versuchen potenziellen Hörern zu helfen, sie zu entdecken. Die Zukunft der Musik findet also bereits statt: Wir sind von CDs über MP3s zu Streaming-Links gekommen – der nächste Schritt wird einfach nur noch darin bestehen, Wege zu erschaffen, auf denen die Leute neue und aufregende Musik finden können. www.citysounds.fm [1] www.musichackday.org


BEATREPORTAGE

Ist ein Hit planbar? Auf den Spuren der Musik-DNA

Ist ein Hit planbar?

Auf den Spuren der Musik-DNA In Anlehnung an das menschliche GenomProjekt versuchen immer mehr Forscher, dem Code der Musik auf die Schliche zu kommen. Das, was Komponisten und Produzenten gern unter vagen Begriffen wie Kreativität und Intuition mystifizieren, soll dabei greif- und nutzbar gemacht werden. Von vielen Künstlern zunächst beschmunzelt, gewinnen die persönliche Radiostation Pandora und das Hitprognose-Werkzeug uPlaya immer mehr professionelle Anhänger. Ist Musik dabei, ihre Magie zu verlieren?

Neue „genetische“ Software soll Nutzern maßgeschneiderte Musik vorstellen und die Erfolgschancen von Musikern steigern.

von Tobias Fischer uf den ersten Blick hat ein Job bei Pandora viel mit dem eines Callcenter-Agenten gemein: Man trägt den ganzen Tag Kopfhörer, man starrt auf einen Bildschirm und tippt Zahlen ein, man hört zu. Was aber unter den Muscheln stattfindet, hat rein gar nichts mit der allseits um sich greifenden Fließbandtelefonie zu tun: Einen Song nach dem anderen nehmen sich die Mitarbeiter vor, kämpfen sich durch ein Portfolio aus Millionen von Titeln und analysieren deren Eigenschaften nach einem streng vorgegebenen Kriterienkatalog. Mit der Akribie eines Buchhalters klassifizieren sie so die größten Hits aus mehreren Chart-Jahrzehnten sowie Spannendes aus dem Untergrund. Sobald ein Track analysiert worden ist, wandert er in die Datenbank. Das bedeutet, dass er in einer von hundert personalisierten Radiostationen auftauchen könnte, die der Online-Streamer seinen Nutzern zur Verfügung stellt. Und mit jedem neuen Song kommt Tim Westergren seinem Traum einen Schritt näher: die DNA der Musik zu entschlüsseln.

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Zielgruppen erreichen Diese Neugier geht auf eine Frage zurück, die Westergren bereits in seiner Zeit als Musiker und Komponist verfolgte: Wie kann man als Songwriter in einer Welt des kreativen Überflusses seine Zielgruppe errei-

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chen? Als klassisches Push-Medium, das Hörern keinerlei Einfluss auf die vorgefertigten Inhalte bietet, ist traditionelles Radio immer nur für eine kleine Zahl an Musikern eine wirkliche Hilfe. Printmedien müssen sich seit jeher vornehmlich dem Diktum des Massengeschmacks und dem Druck ihrer Werbekunden beugen oder sich auf reine Nischenprodukte richten. Das Internet verwirrt wiederum mit seiner unüberschaubaren Vielfalt und der nahezu vollständigen Abwesenheit von Filtern. Was fehlte, so Westergren, war eine Software, die wie ein guter Freund den eigenen Geschmack kennt und seinem Nutzer sinnvolle Empfehlungen geben kann. Zwar verwenden Online-Händler wie Amazon kollaborative Modelle, die durchaus imstande sind, gelegentlich einen Treffer zu landen, doch hält sich ihr praktischer Nutzen ganz offensichtlich in Grenzen. Worauf sollte sich also ein solches System stützen? Bei der Beantwortung dieser Frage kommen schließlich rund vierhundert Kriterien zusammen. Jedes einzelne Element eines Songs wird auseinander genommen, erforscht und eingestuft. Gibt es Synkopen im Beat? Einen Swing? Singt ein Mann oder eine Frau? Verwendet sie oder er Vibrato? Liegen bestimmte Effekte auf der E-Gitarre? Neben diesen eher auf Rock und Pop ausgerichteten Faktoren gibt es für andere Stilrichtun-

gen zusätzliche Einstufungen: Beim Jazz gilt es wegen der ausgefeilten Solotechniken beispielsweise noch bedeutend mehr Punkte zu berücksichtigen. „Musikalisches Genom Projekt“ nennt sich das in Anlehnung an das „Humangenomprojekt“, welches sich 1990 zum Ziel setzte, das Genom des Menschen vollständig zu entschlüsseln. Das musikalische Äquivalent beschäftigt inzwischen mehr als fünfzig Angestellte, die sich täglich darum kümmern, die Datenbank von Pandora mit neuen Einträgen zu füttern. Dabei sorgt ein penibles Qualitätssicherungssystem sowie die musiktheoretische Ausbildung der Mitarbeiter dafür, dass niemand einen Song anders bewertet als der Kollege.

Ein praktischer Test Obwohl man Pandora inzwischen aufgrund von Lizenzbeschränkungen nicht mehr außerhalb der USA verwenden kann, hatten wir bereits vor einigen Jahren die Gelegenheit, das Prinzip selbst zu testen. Der Nutzer beginnt zunächst damit, dem System einen Song zu nennen, der ihm selbst selbst besonders gut gefällt. Dieser liefert Pandora sozusagen einen sonogenetischen Fingerabdruck und dient als Basis für eine Playliste. Als Reaktion bietet Pandora einen Titel an, der möglichst nahe an diesen Fingerabdruck heranreicht.

[1] www.dailyfinance.com/2009/10/28/founder-of-internet-radios-pandora-we-can-make-the-business-w/ [2] siehe auch Beat 01|2010, nachzubestellen im falkemedia-shop.de


BEATREPORTAGE

Ist ein Hit planbar? Auf den Spuren der Musik-DNA

»Viele der Künstler, die uPlaya verwenden, erzählen uns, dass ihnen die Software dabei geholfen hat, in Sachen Songwriting mehr Experimente einzugehen.« Durch einen Mausklick kann man entscheiden, ob diese Wahl treffend war oder nicht und somit das eigene Geschmacksprofil genauer umreißen. Nach nur wenigen Klicks und einer Handvoll Songs spuckt das Programm einen immer genauer dem eigenen Geschmack entsprechenden, spannenden und maßgeschneiderten Track nach dem anderen aus, darunter sowohl unbekannte Titel von bekannten Stars als auch unglaubliche Musik von Künstlern, deren Namen man noch nie gehört haben mag. Plötzlich öffnen sich ganze Welten aus Möglichkeiten, und man stellt verblüfft fest, wie viele Musiker es da draußen noch zu entdecken gilt. Dank dieser hohen Trefferquote kann Westergren auch ganz cool Vorwürfe kontern, sein Dienst kannibalisiere die Musikindustrie: „Unsere Statistiken sagen aus, dass 45 Prozent unserer Hörer mehr Musik kaufen als vorher. Nur ein Prozent kauft weniger. Wir setzen monatlich eine Million US-Dollar durch iTunes, Amazon und andere Seiten um – und diese Zahl wächst.“ [1] Dass man mit dem Großhandel derart auf einer Wellenlänge liegt, mag auch daran liegen, dass Westergren bereits in den frühesten Tagen seines Projekts Kontakt zu ihm aufgebaut hat. Denn obwohl Pandora heute gerne als visionäre Erfindung gehandelt wird, hat der sympathische Musikmanager immer ehrlich zugegeben, dass er das Potenzial für seine Idee zunächst vor allem in einem einfachen Empfehlungssystem für Mailorder sah. 2004 erlebte die Firma die erste von inzwischen mehreren lebensbedrohlichen Krisen und wandelte sich eher notgedrungen in eine Internetradio-Plattform. Nachdem man nun einen neuen Tarif für die Nutzung lizenzgeschützter Musik ausgehandelt hat, stehen Westergren und seinem Team alle Türen offen. Als Google seine neue Suchfunktion für Musik ankündigte, war Pandora einer der ersten und wichtigsten Partner, die man sich mit ins Boot holte.

Internationaler Besuch Obwohl Pandora auf wissenschaftlichen Kriterien aufbaut, verlässt es sich noch immer maßgeblich auf menschliche Fähigkeiten: „Computer sind immer noch nicht zufrieden stellend in der Lage, Attribute von Musik zu erkennen und einzuordnen“, so Westergren. Das sieht David Meredith von Music Intelligence Solutions ganz anders. Das von ihm und seinem Team vertriebene Produkt uPlaya [2] soll imstande sein, auf der Basis statistischer Methoden und eines genau ausgeklügelten Algorithmus das Hitpotenzial von Songs zu ermitteln. Der spanische Physiker Toni Trios lieferte die Idee für den Dienst, der heute bereits in einschlägigen Branchenbüchern wie „Masters of Songwriting“ als wichtige Erfindung gehandelt wird. Bei Meredith sind täglich internationale Delegationen von Labeln und Künstlern zu Besuch, hungrig, mehr über die Software zu erfahren – inzwischen hat er bereits Gäste aus 170 Ländern empfangen. Bereitwillig erklärt Meredith die Methode von uPlaya: „Pandora ist ein toller Service, der bei seinen Fans sehr beliebt ist. Der Ansatz ähnelt den frühen Tagen des Internets, als Menschen versuchten, jede Webseite manuell zu katalogisieren. Später jedoch waren Firmen wie Google imstande, dies automatisiert sowohl anspruchsvoller als auch in größerem Maßstab durchzuführen. Uplaya trainiert unsere patentierte Künstliche-Intelligenz-Plattform, um Musik auf der gleichen Wahrnehmungsebene zu analysieren wie das menschliche Gehirn. Diese KI vergleicht den Song mit Millionen anderer im Musikuniversum, um zum einen sein kommerzielles Potenzial zu ermitteln und zum anderen neue, ähnliche Musik zu entdecken. Vor allem kann unser Ansatz jeden Song in allen Sprachen und allen Genres einstufen – vor allem dort, wo man auf dem menschlichen Weg aufgrund der Masse an Material an die eigenen Grenzen stößt. Uplaya aktualisiert zudem wöchentlich seine Datenbank; somit wird das System im Laufe der Zeit immer schlauer.“

Die genauen Erfolgsfaktoren eines Hits verrät Meredith zwar nicht, teilt aber bereitwillig mit, dass es zwar durchaus regionale Unterschiede in der Hörerakzeptanz gibt, aber ebenso viele erstaunliche Übereinstimmungen. Gerade noch war die große koreanische Sendeanstalt SBS Network bei ihm, um eine einstündige Dokumentation über das Projekt zu drehen. Um das System zu testen, hatten die Koreaner verschiedene Songs mitgebracht. Man speiste also die Datenbank mit ihrer Musik und wartete auf die Ergebnisse. Als diese dann vorlagen, waren die Koreaner perplex: Die Genauigkeit der uPlaya-Software war beeindruckend, tatsächlich konnte sie perfekt vorhersagen, welche Tracks ein Hit waren und welche nicht.

Das Ende der Musik? Läuten diese Meldungen also das Ende der Musik als kreative menschliche Ausdrucksform ein? Wohl eher nicht, denn bemerkenswerterweise scheint ein gewisser Grad an Unvorhersehbarkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor zu sein. David Meredith betrachtet seine Software somit weder als Ersatz für menschliche Kreativität noch als einen Faktor, der zu einer Vereinheitlichung der Charts beitragen wird: „Viele der Künstler, die uPlaya verwenden, erzählen uns, dass ihnen die Software dabei geholfen hat, in Sachen Songwriting mehr Experimente einzugehen.“  Genau wie beim Humangenomprojekt hat das Ergebnis also womöglich mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet: „Wenn du einen Hitsong haben willst, musst du immer noch damit anfangen, tolle Musik zu machen“, so Meredith. Da würde sicher auch Tim Westergren nicht widersprechen. www.pandora.com w ww.uplaya.com

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BEATPERSONALITY Labelporträt: Pueblo Nuevo

von Tobias Fischer

EIGENSINNIGES BAKTERIUM Das chilenische Netlabel „Pueblo Nuevo“ feiert sein fünfjähriges Bestehen. Der ideale Anlass für einen Rückblick auf eine bewegte Zeit: darauf, wie die Gründer sich zunächst als Musiker durchzuschlagen versuchten. Wie sie schließlich zueinanderfanden und ein Manifest aufstellten, in dem die Einheit Südamerikas unter der Flagge der Musik beschworen wurde. Und wie die Gewaltdiktatur Pinochets trotz aller Versuche auf Versöhnung und Aufarbeitung noch immer ihre Arbeit beeinflusst. beat 03 | 2010

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BEATPORTRÄT Labelporträt: Pueblo Nuevo

m Jahr 1967 wurde Chile in eine der schwersten Krisen seiner Geschichte gestürzt: Die Republik, Ende des neunzehnten Jahrhunderts aus den Nachwehen des Freiheitskampfes gegen die Besatzermacht Spanien und eines blutigen Bürgerkriegs geboren, hatte zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere gefährliche Gewässer durchsegelt. Doch als der ursprünglich mit absoluter Mehrheit zum Präsidenten gewählte Eduardo Frei Montalva 1970 das Schicksal des Landes in die Hände seines Nachfolgers Salvador Allende übergab, standen Arbeitslosigkeit und Produktionsrückgang zweifelsohne im Zenit. Der marxistisch angehauchte Allende, Mitglied der Partei „Unidad Popular“, war zudem eine polarisierende Figur, und seine extrem linke Wirtschaftspolitik, die weitgehende Verstaatlichungen und die gezielte Erweiterung von Arbeiterrechten beinhaltete, verschlimmerte die bereits unter Frei einsetzende Kapitalflucht ausländischer Finanzinstitute. Als 1973 General Pinochet unter dem Vorwand der Stabilität mit einem Coup die Macht übernahm, verstanden dies manche Beobachter fälschlicherweise als bitteren, aber notwendigen Befreiungsschlag aus den Fängen von Anarchie und Chaos. Doch mussten sie schon bald umdenken: Die brutale Gewaltdiktatur Pinochets sollte bis 1988 andauern und einen grausamen Tribut zollen: Tausende starben, die erkämpfte Meinungsfreiheit wurde komplett entzogen und nur scheibchenweise wieder zugestanden.

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Diktatur und Verantwortung Sogar heute, in einer Zeit, in der Chile überall auf der Welt Zuspruch und Anerkennung für seinen Weg zurück zu Demokratie und Bürgerrechten erfährt, sind diese Jahre prägend geblieben: „Wir alle wurden kurz vor oder während der Unidad-Popular-Phase geboren und haben unsere Kindheit unter der Diktatur Pinochets verlebt“, so Pueblo-Nuevo-Mitglied Gerardo Figueroa Rodríguez. Und weiter: „Das Gefühl, als seien wir dabei aus einem historischen Kontinuum herausgeschnitten worden, fühlen wir selbst heute noch, und es ist sehr schmerzhaft. Einerseits gab es damals direkte Angriffe auf Kreative, wie zum Beispiel

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den Mord an dem Poeten, Sänger und Freiheitskämpfer Victor Jara sowie Folter und Exil als gängige Praktiken. Andererseits gab es in den Achtzigern auch eine gewisse Entspannung in Bezug auf diese Themen. Ich denke, dass die Bilder, die immer wieder in Filmen und Dokumentationen über Pinochet gezeigt werden, eine Art Verantwortungsgefühl für uns selbst als historische Persönlichkeiten erzeugt haben. So gesehen sind unsere kreativen Unternehmungen eine Art Manifest für diesen Willen.“ Tatsächlich geht der revolutionäre Anstrich von Pueblo Nuevo weit über das übliche Maß eines Netlabels hinaus: So erschien es den Gründern nicht nur als angemessen, dass eine Non-Profit-Organisation ihre Musik auch kostenlos zur Verfügung stellt. Die Gründung eines Online-Labels implizierte gleichzeitig ganz natürlich einen freieren, direkteren

Mika Martini ist das mediale Aushängeschild von Pueblo Nuevo – und selbst ein äußerst aktiver Musiker.

und gemeinschaftlicheren Ansatz als die klar gezeichneten Hierarchien einer üblichen Plattenfirma. Der Weg der Distribution im Internet ermöglichte außerdem ein spontanes, intuitives Vorgehen ohne starr festgelegte Ziele oder gar einen „Masterplan“: „Wir wollten es einfach ausprobieren, und zwar sofort – und erst später sehen, was passiert“, erinnert sich das mediale Aushängeschild des Labels Mika Martini an die frühe Phase von Pueblo Nuevo, die er zusammen mit seinem Freund Daniel Jeffs vorantrieb. „Wir hatten unsere Vorgaben und die Überzeugung, dass wir ein richtiges, hingebungsvolles und professionell geführtes unabhängiges Label gegründet hatten – auch wenn es ‚nur‘ virtuell war.“ Dieser gegen gängige Marktmechanismen gewandte Ansatz äußerte sich in einem Grundsatzpro-

gramm, das poetisch-engagiert den künstlerischen Zusammenhalt des südamerikanischen Kontinents beschwört und die Vergangenheit als eine treibende Kraft für die Zukunft betrachtet. Daniel Jeffs: „Es gibt einen ganz eindeutigen politischen Inhalt bei Pueblo Nuevo, aber er bezieht sich nicht auf politische Parteien. Als Mika und ich das Label gründeten, interessierten wir uns ebenso für Musik wie für Politik und haben unsere Ästhetik gezielt darauf ausgerichtet: rote Flaggen, ein schwarzer Hintergrund sowie Symbole verschiedener revolutionärer Bewegungen in Lateinamerika, die mit Anarchie und artverwandten Bewegungen verbunden sind. Manche unserer Veröffentlichungen nähern sich politischen Themen ganz explizit. Doch äußert sich unsere Perspektive bei Pueblo Nuevo auch in anderen Bereichen: Die Inhalte dürfen von jedem, der interessiert ist, frei heruntergeladen und geteilt

»Supermächte sind nicht besonders aufgeschlossen gegenüber Freiheit.« werden. Damit kreuzen wir die festgetretenen Pfade der derzeitigen Machthaber: der kommerziellen Musikindustrie, der Massenkommunikationsmedien, der Mainstream-Musikszene sowie der Verwertungsgesellschaften. Unsere Hauptbotschaft lautet, dass Copyrights nicht die einzige Lösung sind.“ Selbstbewusst fügt er hinzu: „Das kann ein sehr starkes Statement sein – Supermächte sind nicht besonders aufgeschlossen gegenüber Freiheit.“

Abseits von Subventionen In Sachen Freiheit mag sich in Chile inzwischen zwar eine Menge zum Besseren gewandt haben, doch operieren Jeffs und Martini noch immer abseits aller Subventionen und Unterstützungsstrukturen. Wäh-


BEATPORTRÄT

Labelporträt: Pueblo Nuevo

»Das Gefühl, als seien wir durch die Diktatur Pinochets aus einem historischen Kontinuum herausgeschnitten wurden, fühlen wir selbst heute noch – und es ist sehr schmerzhaft.« rend Venezuela sich mit dem auf klassische Musik ausgerichteten Fesnojiv-Programm ein internationales Aushängeschild geschaffen hat, kommt Pueblo Nuevo ohne externe Finanzierung aus: Bewusst verzichtet man auf Gelder aus dem ohnehin nicht üppigen „Fondo de Fomento de la Música Nacional“ (FONMUS), der von Chiles nationalem Kultur- und Kunstkommittee vergeben wird – auch wenn manche der bei Pueblo Nuevo veröffentlichenden Musiker von FONMUS unterstützt werden und der Meisterstreich des Labels, die 3-CD-Box „50 años de Música Electroacústica en Chile“ (50 Jahre elektroakustische Musik in Chile), auf indirektem Wege aus dessen Topf gespeist wurde. Doch erstreckt sich diese so essenzielle Unabhängigkeit nicht nur aufs Monetäre: Mit seinem Fokus auf akademischer Klangkunst und Musikrichtungen, die in den Medien oft nicht mehr als ein Nischendasein fristen, ist Pueblo Nuevo auch als kulturelle Gegenbewegung zu verstehen, als Versuch herauszufinden, wie weit man kommen kann, wenn man sich ganz allein eine eigene Infrastruktur schaffen muss: „Vor Pueblo Nuevo machten Daniel und ich unabhängig voneinander elektronische Musik: Daniel als

DJ und ich als Mitglied einer Band namens ‚Usted No!‘, die noch immer aktiv ist“, so Martini. „Wir erfuhren somit, wie es ist, als unabhängige Musiker zu arbeiten, CDs zu veröffentlichen und zu versuchen, sie zu verkaufen, live zu spielen und so weiter. Als wir uns bei einem Workshop von Federico Schumacher während des Ai-Maako-Festivals in Santiago trafen, beschlossen wir, der ‚dunklen Seite der Macht‘ beizutreten und uns nicht mehr nur auf Raves und Clubs als einzige Orte zu konzentrieren, an denen man auftreten kann.“ Wie schon im Star-Wars-Epos erwies sich die dunkle Seite der Macht als ungemein effektiv: 2005 gegründet, wuchs der Katalog des Labels in nur vier Jahren auf mehr als fünfzig Titel an und umfasst heute Alben von einigen namhaften Künstlern, darunter die komplette Werkschau des legendären und inzwischen in Deutschland wohnenden Gustavo Becerra-Schmidt, dessen mal düstere, mal verspielte Klangwelten einen neuen Blick auf die Rolle Südamerikas in der elektronischen Musik gewähren. Dieser Aspekt ist ganz besonders wichtig geworden, da sich die Fühler des Labels inzwischen auf den gesamten Kontinent erstrecken – ein wichtiger Punkt des Manifests, auf

Der Name „Pueblo Nuevo“ … … bedeutet „Neues Dorf“, und für das hinter dem Label stehende Team ist dies weit mehr als eine direkte Übertragung des Gedankens eines „Global Village“. Tatsächlich ist die chilenische Organisation eingebunden in ein über den ganzen Kontinent verteiltes Netzwerk aus „kleinen, aber begeisterten und miteinander verbundenen Gruppen oder Kollektiven, die jeweils eigene Ziele und Projekte verfolgen und die lateinamerikanische Realität mit Musik hinterfragen“. In dieser engen Gemeinschaft nimmt Pueblo Nuevo eine zentrale Rolle ein, verknüpft damit die verschiedenen Gruppierungen und Szenen und veröffentlicht nebenbei noch ganz fantastische Musik aus den Bereichen Klangkunst, Techno, Ambient und moderner Folklore. www.pueblonuevo.cl

das man sich immer noch beruft. Gerardo Figueroa Rodríguez: „Südamerika und die südliche Hemisphäre sind offenbar durch sehr ähnliche historische Prozesse gegangen. Bei uns wurde die Unabhängigkeit von der spanischen Krone von der Bewegung ‚Ejército Libertador‘ angeführt, und ihre Mitglieder stellten sich Amerika als ein einziges, geeintes Land vor. Es ist eine Vision, die von Charakteren wie dem Argentinier José de San Martín und dem Venezuelaner Simón Bolívar vertreten wird.“ Unter der Schirmherrschaft dieser Persönlichkeiten liegt der Schwerpunkt des Repertoires eindeutig auf lokalen Künstlern, auch wenn dies zumindest teilweise auch auf den Wunsch zurückgeht, dass eher persönliche Kontakte und weniger virtuelle Freundschaften die Basis der Plattform bilden sollen. Vor allem dank dieser Utopie hat es Pueblo Nuevo nach ganz oben geschafft und wurden Veröffentlichungen der Plattenfirma bereits ganze dreimal für den berühmten Qwartz-Award in Paris nominiert – eine Ehrung, die Martini und Jeffs noch heute eine wohlige Gänsehaut beschert. Doch wollen sie die Bedeutung dieser Preise nicht überbewerten: „Wir sind extrem dankbar für die Aufmerksamkeit, die die Jury diesem kleinen, eigensinnigen Bakterium namens Pueblo Nuevo zuteilwerden lässt“, schmunzeln sie. Immerhin sind im Laufe der Evolution auch aus den kleinsten Bakterien einmal kreative Wesen hervorgegangen. Zumindest für den Augenblick weist das chilenische Label mit seiner engagierten und vielseitig ausgerichteten Arbeit einen Weg heraus aus der langen Krise Chiles. 

Diskografie (Auswahl) 2006 /// V.A. /// 50 Años de Música Electroacústica en Chile 2007 /// Pirata /// Minimental 2008 /// Gustaco BecerraSchmidt /// Obra Electroacustica 2009 /// Mika Martini y amigos /// Mestizo Retocado 2009 /// lluvia ácida & Úrsula Calderón /// Kuluana 2009 /// Daniel Jeffs /// El poder corrompe


Foto: Reuters/Eduardo Munoz, courtesy www.alertnet.org

ERDBEBEN IN HAITI TAUSENDE MENSCHEN BRAUCHEN HILFE JEDER EURO ZÄHLT Bitte spenden Sie – Stichwort: Nothilfe Haiti Welthungerhilfe Konto 1115 Sparkasse KölnBonn BLZ 370 501 98 www.welthungerhilfe.de Welthungerhilfe – Der Anfang einer guten Entwicklung

Schnelle Hilfe mit einer SMS: Senden Sie eine SMS mit dem Stichwort SOFORT an 81190 und unterstützen Sie die Erdbebenopfer mit 5,– Euro* * Von Ihrer nächsten Telefonrechnung wird der Betrag von 5,00 Euro zuzüglich der normalen SMS-Transportgebühr Ihres Anbieters abgezogen. Davon gehen 4,83 Euro an die Welthungerhilfe.


NEWSBEAT

NAMM-News: Highlights der Show

NAMM-Talk: Teenage Engineering

Das Gespräch führte Thomas L. Raukamp

OP-1: The Next Big Thing?

Über den Minisynthesizer OP-1 der jungen schwedischen Hardwareschmiede Teenage Engineering wird seit Monaten geredet. Auf der NAMM-Show in Anaheim wurde nun ein bereits weit entwickelter Prototyp gezeigt – Grund genug für einen Messeplausch mit Jens Rudberg, einem der Köpfe hinter dem Instrument. DJ-Anwendungen zu interessanten Ergebnissen. Du kannst auch die Tonhöhe verändern, während das Tempo bestehen bleibt. Diese „Bandmaschine“ arbeitet im Großen und Ganzen wie ein alter Vierspurrekorder – du kannst zum Beispiel mit verschiedenen Geschwindigkeiten oder sogar rückwärts aufnehmen. Wir haben einige Echtzeit-Performance-Möglichkeiten integriert – so kann die Aufnahme „zurückgespult“, einzelne Spuren können stummgeschaltet oder solo abgespielt werden. Das gibt dir eine ganze Menge kreativer Ausdrucksmöglichkeiten auf der Bühne an die Hand …

Eckdaten: ɜ portabler Synthesizer und MIDI-Controller ɜ acht verschiedene Synthengines ɜ integrierter Sampler mit automatischem Mapping ɜ integrierter Sequenzer mit verschiedenen Modi ɜ Arpeggiator ɜ Tape-Modus simuliert Vierspurrekorder ɜ integrierter FM-Radioempfänger ɜ Bewegungssensor zur Echtzeitmanipulation von Klängen ɜ hochauflösendes Farbdisplay mit 320 x 160 Pixeln ɜ Audioengine mit 96 kHz bei 24 Bit ɜ integriertes Mikrofon ɜ Datenaustausch per USB 2.0 ɜ Audioein- und -ausgänge im 3,5-Zoll-Klinkenformat ɜ Akku mit langer Lebensdauer

Das Team von Teenage Engineering arbeitet seit knapp zwei Jahren am OP-1.

Beat / Jens, ihr arbeitet schon seit einer recht langen Zeit am OP-1 … Jens / Die Entwicklung begann vor etwa zwei Jahren. Wir haben etwas holprig angefangen, aber seit knapp einem Jahr geht es wirklich schnell voran.

(lacht)! Der OP-1 soll einfach und direkt bedienbar sein – insofern ist es gar nicht schlecht, dass er aussieht wie ein Spielzeug. Du kannst dir aber sicher sein, dass eine ganze Menge Ideen in der kleinen Kiste stecken.

Beat / Vielen Lesern wird Teenage Engineering ein gänzlich neuer Begriff sein. Gibt es bereits Audiohardware von euch? Jens / Nein, der OP-1 ist unser erstes Produkt in diesem Markt. Aber viele unserer Entwickler haben vorher für andere schwedische Audiohersteller gearbeitet. Zu Teenage Engineering gehören zurzeit vier feste Mitarbeiter, insgesamt arbeiten jedoch sieben Leute für die Firma.

Beat / Erkläre uns den OP-1 bitte genauer … Jens / Der OP-1 ist extrem portabel und besitzt einen Hochleistungsakku, der per USB aufgeladen wird. Er bietet vier verschiedene Betriebsmodi, von denen die Synthesizer-Sektion natürlich der wichtigste ist. Diese bietet verschiedene Synthese-Engines, sodass die Klangerzeugung wirklich außerordentlich flexibel ist. Ferner gibt es einen integrierten Drumcomputer, der samplebasiert arbeitet. Diese Samples kann man auch selbst aufnehmen – der OP-1 hat einen Audioeingang und sogar ein integriertes Mikrofon. Jedes einzelne Sample darf dabei bis zu acht Sekunden lang sein. Ein weiteres wichtiges Feature des Instruments ist seine Tape-Sektion, die zur Aufnahme von Audiodaten dient. Das „Tape“ kannst du dann mit dem integrierten Sequenzer synchronisieren – wenn du zum Beispiel die Geschwindigkeit des Tapes verminderst, reduziert sich auch die des Sequenzers. Das führt auch bei

Beat / Was ist die Idee hinter dem OP-1? Jens / Wir wollen einen wirklich kleinen, portablen und batteriebetriebenen Synthesizer anbieten – und trotzdem so viele gute und vor allem neue Ideen wie irgend möglich hinein packen. Beat / Auf den ersten Blick sieht der OP-1 wie ein nano-Controller oder sogar ein CasioSpielzeug aus … Jens / Stimmt, aber das ist er wirklich nicht

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Beat / Arbeitet der Sequenzer strikt im Stepmodus? Jens / Wenn der OP-1 ausgeliefert wird, werden noch weitere Sequenzermodi integriert sein – diese sind aber noch in der Entwicklung, weshalb ich noch nicht allzu viel dazu sagen kann. Sie sind noch geheim, werden aber viele Leute überraschen. Beat / Besonders auffällig ist das kleine, aber absolut klare LE-Display mit seinen hervorragenden Grafiken … Jens / Ja, wir haben eine Menge Arbeit in das Display gesteckt, damit die Bedienung des OP-1 weiter vereinfacht wird: Was auf dem Screen zum Beispiel blau dargestellt ist, wird auch mit einem blauen Poti bedient, grüne Anzeigen finden ihr Äquivalent in grünen Reglern u.s.w. Mit einem Kontrast von 10.000:1 ist das Display übrigens auch bei Sonneneinstrahlung noch gut ablesbar! Beat / Ich hörte, ihr habt sogar einen UKWEmpfänger in den OP-1 integriert. Einfach nur als lustiges Gimmick? Jens / Ja, irgendwie schon. Aber auf diesem Weg kann man auch auf die Schnelle nach einem Sample suchen, vielleicht einen Teil eines aktuellen Songs in Echtzeit in eine Liveperformance einbinden. Dies ist sicherlich nicht eines der wichtigsten Features des OP-1, aber es macht eine Menge Spaß!


NEWSBEAT

NAMM-News: Highlights der Show

Beat / Was besagt der COM-Button auf der Oberfläche? Kann man mit dem OP-1 etwa auch im Internet surfen? Jens / Nein, das nun wirklich nicht (lacht)! Der COM-Button verwandelt den OP-1 in einen portablen DJ-Controller, der via USB beliebige Programme und Plug-ins steuern kann. AuĂ&#x;erdem kĂśnnen auf diesem Wege Teile der Tape-Aufnahmen gespeichert und neue Sampledaten in den OP-1 geladen werden. Beat / Kann der OP-1 auch als VST-Plug-in von einer Hostsoftware wie Ableton Live angesteuert werden? Jens / Noch nicht, bisher arbeitet der OP-1 wirklich „nur“ als reiner MIDI-Controller. Einen Soundeditor gibt es ebenfalls noch nicht – dafĂźr kann man neue Klänge direkt in das Instrument ziehen: Der OP-1 meldet sich auf dem Win- oder Mac-Desktop wie eine externe Festplatte an, sodass man die Sounds per Drag & Drop austauschen kann. Beat / Mit wie vielen Presets wird der Synthesizer denn ausgeliefert? Jens / Das haben wir noch nicht entschieden. Wir haben aber acht verschiedene Pre-

set-Buttons integriert, sodass Musiker auf der BĂźhne sehr schnell ihre Klänge wechseln kĂśnnen. Wir werden das Gerät also nicht Ăźberladen. Beat / Besonders cool ist auch die Tatsache, dass sich Echtzeitveränderungen erzielen lassen, indem man den OP-1 bewegt ‌ Jens / Ja, der OP-1 besitzt einen Bewegungssensor. Wenn du zum Beispiel einen Klang auf dem Synthesizer spielst, kannst ihn modulieren, indem du das Instrument während des Spiels bewegst. Das erĂśffnet ganz neue Performance-MĂśglichkeiten. Beat / Wann wird der OP-1 nun endlich erhältlich sein? Jens / Er wird noch in diesem Jahr erhältlich sein. Wir werden schon sehr bald die ersten Testmuster rausschicken kĂśnnen, sodass wir schon bald mit der offiziellen Produktion beginnen kĂśnnen. Beat / Wo wird der OP-1 preislich liegen? Jens / Bisher haben wir noch keine finale Preisempfehlung festgelegt, aber er wird unter 1000 US-Dollar liegen. 

Sieht aus wie ein Spielzeug, beinhaltet aber mehr Ideen als so mancher „groĂ&#x;er“ Synthesizer: Der OP-1 kĂśnnte schon bald eine feste Fanschar aufbauen.

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WORKBEAT Workshop: Twitter DJ

Digital-DJing für Profis

Begleitmaterial

Twitter DJ

auf der Heft-DVD

Das Web 2.0 und die damit verbundenen sozialen Netzwerke machen auch vor Musikern und DJs nicht halt: So ist zum Beispiel Twitter derzeit in aller Munde – genauso wie Top-DJ Richie Hawtin, der den Microblogging-Dienst durch das kleine Zusatzprogramm „Twitter DJ“ seines Labels Minus dazu einsetzt, die Playliste seiner Sets aus Traktor heraus in Echtzeit in die Welt zu tweeten [1]. Und genau das können von Boris Pipiorke-Arndt Sie auch – wir zeigen Ihnen die notwendigen Schritte.

1

Xcode installieren

Damit Twitter DJ einwandfrei funktioniert, sollten sie die Mac-OS-X-Entwicklungsumgebung Xcode installieren. Sie finden diese als zusätzliche Komponente auf Ihrer Mac-Installations-DVD oder in einer aktualisierten Version im Entwicklerbereich der AppleWebseite. Die Integration in das Betriebssystem findet nach dem Starten der Datei Xcode.mpkg weitgehend selbsttätig statt.

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Icecast-Server installieren

Lassen Sie das Terminalfenster geöffnet und geben Sie zum Herunterladen des Icecast-Servers bitte Folgendes ein: sudo port install icecast2. Alle zum Betrieb des Servers notwendigen Dateien werden daraufhin aus dem Internet geladen und eingerichtet. Um den Konfigurationsaufwand zu minimieren, belassen wir die Passwörter des Icecast-Servers in der Standardeinstellung. Dieses lautet für alle Instanzen hackme. 56

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MacPorts installieren

Nun bedarf es der Installation von MacPorts, einer frei nutzbaren Paketverwaltung für den Mac, die die Installation und Verwaltung ergänzender Open-Source-Software vereinfacht. Die entsprechenden Dateien für Mac OS 10.5 und 10.6 sind auf der aktuellen Beat-Heft-DVD enthalten und werden durch einen automatisch ablaufenden Prozess auf Ihrer Festplatte installiert.

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Verzeichnisse erstellen

Damit der Icecast-Server ohne Probleme funktioniert, bedarf es der Erzeugung eines Verzeichnisses für die Log-Dateien. Geben Sie dazu im Terminalfenster sudo mkdir /opt/local/var/log und danach sudo mkdir /opt/local/var/log/icecast ein. Wenn keine Fehlermeldung erscheint, wurden die Befehle wunschgemäß ausgeführt.

[1] www.twitter.com/rhawtin

Projektinfos Voraussetzungen: Mac OS X 10.5 oder höher, Xcode 3.1 oder 3.2, MacPorts, Icecast, Twitter DJ, Twitter-Account, NI Traktor Pro Inhalte: Installation und Konfiguration, Einrichten eines Twitter-Accounts Zeitaufwand: knapp 60 Minuten Schwierigkeit: Fortgeschrittene

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Hardcore-Unix-Hacking

Auch Mac OS X verfügt über ein Terminalfenster. Sie finden es im Ordner Dienstprogramme, der sich wiederum im Verzeichnis Programme befindet. Geben Sie im geöffneten Terminal bitte unter Mac OS X 10.6 folgende Befehlszeile ein: sudo port -v selfupdate. OS X 10.5 verlangt hingegen die Eingabe sudo port -d selfupdate. Ihr Computer aktualisiert auf diesem Weg die zuvor installierten Ports.

6

Schreibrechte erteilen

Zum Abschluss der Icecast-Serverkonfiguration erstellen Sie bitte noch die beiden Dateien access.log und error.log mit den Befehlen sudo touch / opt/local/var/log/icecast/access.log sowie sudo touch /opt/local/var/log/icecast/error.log. Erteilen Sie dem Server die Schreibrechte mit sudo chmod -R 775 /opt/ local/var/log/icecast, damit er Einträge in diesen beiden Dateien hinterlassen kann.


WORKBEAT Workshop: Twitter DJ

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Twitter DJ installieren

Installieren Sie die Software Twitter DJ nun bitte auf Ihrem Rechner. Dieses Programm dient als Schnittstelle zwischen Traktor und Twitter und wird in der späteren Anwendung im Hintergrund ohne weiteres Zutun ausgeführt. Es empfängt die Songnamen aus Traktor und lädt sie automatisch als Statusmeldung in Ihren Twitter-Account.

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Twitter DJ konfigurieren

Starten Sie Twitter DJ und öffnen Sie das Menü Preferences. Selektieren Sie hier den Bereich Icecast und aktivieren Sie den Eintrag Autostart Local Server. Der Icecast-Server wird durch diese Option durch den Aufruf von Twitter DJ aktiviert. Tragen Sie bitte für den Server die Adresse 127.0.0.1 und für den Port 8000 ein. Den Wert für die Aktualisierung des Servers können Sie bei den voreingestellten fünf Sekunden belassen.

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Twitter-Account anlegen

Sollten Sie noch keinen eigenen TwitterAccount haben, öffnen Sie bitte Ihren Internetbrowser und begeben Sie sich auf die Seite www.twitter.com. Hier angekommen, klicken Sie auf Sign up now. Die Registrierung ist mit wenigen Angaben abgeschlossen und Ihr Zugang ist sofort einsatzbereit.

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1

10

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13

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Twitter-Account freigeben

Wählen Sie in Twitter DJ den Bereich Twitter und fordern Sie durch Eingabe Ihrer Zugangsdaten eine Pinnummer zur Autorisierung an. Damit erlauben Sie, dass Twitter DJ Nachrichten zu Ihrem Twitter-Account sendet. Wenn Sie möchten, können Sie diese Freigabe jederzeit widerrufen. Schließen Sie jetzt aber zunächst Twitter DJ wieder.

In the Mix

Laden und mixen Sie jetzt wie gewohnt Songs in Traktor. Dem Twitter-DJ-Fenster brauchen Sie dabei keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken, denn ein grünes Symbol in der Menüzeile von Mac OS X informiert Sie über den aktiven Status des Programms. Die Übermittlung eines neuen Songnamens erfolgt wenige Sekunden, nachdem Sie einen Titel gestartet haben, ohne manuelle Eingriffe.

Traktor einrichten

Starten Sie Traktor Pro und konsultieren Sie dessen Preferences. Wählen Sie das Menü Broadcasting und aktivieren Sie unter Proxy Settings den Eintrag Use direct connection (no proxy). Vergeben Sie unter Server Settings bitte folgende Werte: Address: 127.0.0.1, Port: 8000, Mouth path: stream. ogg, Password: hackme. Wählen Sie unter Format die „schlechteste“ Qualität aus, da nur Songnamen und keine Musikdaten übertragen werden.

Twitter aufrufen

Öffnen Sie erneut Ihren Internetbrowser und begeben Sie sich nochmals auf die Webseite von Twitter. Loggen Sie sich mit Ihren Zugangsdaten in Ihren Account ein und überprüfen Sie, ob die Übertragung der Songnamen erfolgreich war. Das Ergebnis sollte in etwa so aussehen, wie auf dem obigen Screenshot zu sehen ist.

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Streaming aktivieren

Starten Sie nun Twitter DJ und laden Sie einen Song in ein Traktor-Deck. Drücken Sie den Wiedergabe-Knopf  und starten Sie danach das Streaming der Songnamen durch die Aktivierung des Broadcast-Buttons . Tragen Sie in Twitter DJ unter Location den Ort ein, an dem Sie sich befinden, und klicken Sie auf Start. Nach wenigen Augenblicken sollte der Künstlerund Songname unter Track Info erscheinen.

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Gesprächig sein

Twitter DJ erlaubt neben dem automatischen Übermitteln von Songnamen auch das manuelle Publizieren beliebiger Texte. Sie können damit beispielsweise Ihre Zuhörer vom Beginn oder dem Ende eines DJ-Sets in Kenntnis setzen. Wir wünschen Ihnen nun viel Spaß bei dieser sehr eleganten Art des weltweiten Zwitscherns!

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SOFTBEAT

Aktuelle Free- und Shareware

Free- und Shareware 03 /

von Mario Schumacher

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EMPFEHLUNG der Redaktion

de la Mancha

FMMF Die Plug-ins aus dem Hause de la Mancha konnten sich dank ihrer frischen Herangehensweise einen festen Platz in unserem Freeware-Ordner sichern. Als wäre dies nicht schon Grund genug, das neueste Erzeugnis der umtriebigen Softwarebastler unter die Lupe zu nehmen, gewann der Synthesizer FMMF nun auch noch den dritten Platz des renommierten „KVR Developer Challenge 2009“. Der bis zu 16-fach polyphone FM-Synthesizer wartet mit vier Operatoren und 17 Algorithmen auf. Pro Operator stehen dabei elf verschiedene Wellenformen zur Auswahl. Während die meisten klassischen FM-Synthesizer ohne Filter auskommen, muss man bei aktuellen Instrumenten nicht auf entsprechende Module verzichten. So findet man auch in FMMF ein resonantes Tiefpassfilter vor, das mit der Tonhöhe und Anschlagstärke gesteuert werden kann. In puncto Modulationen kann sich das Plug-in mit seinen sieben Multisegmenthüllkurven ebenfalls sehen lassen, die wie die Operatorwellenformen und der angewählte Algorithmus grafisch dargestellt werden. Alle Hüllkurven bieten jeweils bis zu 32 Stufen und können die Operatorlautstärken und -tonhöhen sowie verschiedene Effektparameter steuern. Außerdem können sie zum Hosttempo synchronisiert werden, wobei sich die Kurvenform jeder Hüllkurvenphase einstellen lässt. Drei LFOs stehen zudem zur Beeinflussung der Lautstärke und der Effekte bereit. Komplettiert wird der Funktionsumfang des Synthesizers durch einen Arpeggiator mit sechs Modi, einen Verzerrer mit 18 verschiedenen Betriebsarten sowie ein flexibles Delay, mit dem auch Kammfiltereffekte möglich sind.

1

Vorbereitungen

Die Spezialität des FMMF sind rhythmisch zerhackte Klänge. Um diese auszuprobieren, laden wir den Synthesizer als VST-Instrument und wählen das Preset LEAD Late Night Lead3 an. Bei diesem soll nun die Lautstärke des zweiten Operators rhythmisch moduliert werden. Klicken Sie auf den OP2-Schalter, um die gewünschte Lautstärkehüllkurve anzuzeigen.

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Hüllkurvenverläufe

Durch das vertikale Verschieben der Hüllkurvenpunkte können Sie deren jeweiligen Pegel bestimmen. Durch Anklicken eines Hüllkurvensegments kann zudem dessen Kontur verändert werden. So sind nicht nur lineare, sondern auch exponentielle und S-förmige Verläufe möglich. Alternativ können Sie die gewünschte Kontur auch im Aufklappmenü Shape selektieren.

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Hüllkurven

Zunächst ist dafür zu sorgen, dass die Länge der Hüllkurvensegmente zum Hosttempo synchronisiert wird. Klicken Sie dazu bitte auf den Schalter Tempo in dem schwarz hinterlegten Fenster. Im Aufklappmenü Stages können Sie die Anzahl der Hüllkurvensegmente festlegen. Wir haben uns für den Wert 8 entschieden. Stellen Sie außerdem bitte den Sustain-Parameter auf den Wert 7.

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Wiederholungen

Selbstverständlich können Sie bei einer Hüllkurve auch verschiedene Kurvenformen kombinieren. Nach dem siebten Segment geht die eingestellte Hüllkurve in die Sustainphase über. Alternativ können Sie auch verschiedene Segmente wiederholen. Dazu muss nur im Aufklappmenü Repeat die Position definiert werden, an der der Loop beginnt.

Fazit FMMF leistet sich keine Schwäche: So weiß der leistungsfähige Synthesizer nicht nur durch seinen tollen Klang zu überzeugen, sondern macht zudem die FMSynthese kinderleicht bedienbar. Dank seiner umfangreichen Modulationsmöglichkeiten deckt er eine große Klangpalette ab.

FMMF intuitiv bedienbarer und sehr flexibler FM-Synthesizer Entwickler: de la Mancha Web: www.delamancha.co.uk

Lizenz: Freeware Format: Win-VST

Bewertung: 70

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Mehr Tempo!

Da FMMF es erlaubt, das Tempo zu bestimmen, mit dem die Hüllkurvensegmente durchfahren werden, sind auch wesentlich schnellere oder langsamere Modulationen möglich. Probieren Sie doch einmal verschiedene Werte für Beats aus. Besonders hohe Werte eignen sich hervorragend, um Klänge aufzurauen. Wenn Sie mehrere Operatoren einsetzen, können Sie für jeden eine eigene Hüllkurvenverläufe einstellen.

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Komplexe Rhythmen

Besonders interessant wird es, wenn Sie unterschiedliche Werte für Beats und Stages einstellen. Wir haben für die Lautstärkehüllkurve von Operator 2 eine Geschwindigkeit von 1/4 Beats sowie eine Länge von acht Segmenten eingestellt, während die sechs Segmente lange OP4-Hüllkurve in einem halben Takt durchfahren wird. Damit der Effekt besser hörbar ist, haben wir für Operator 4 eine andere Wellenform ausgewählt.


SOFTBEAT

Aktuelle Free- und Shareware

Free- und Shareware AudioSpillage

Sonicase

Minispillage

Transistorhead

Allzu oft haben Mac-Benutzer Anlass, auf das enorme frei erhältliche Plug-in-Angebot für die Windows-Plattform neidisch zu sein. Allerdings gibt es auch einige Audio-Unit-Perlen, die Apple-Anwendern vorbehalten bleiben. Eine davon ist der auf die Erzeugung von Drumsounds spezialisierte Synthesizer Minispillage. Bereits ein erster Blick auf die aufgeräumt und edel wirkende Benutzeroberfläche lässt die Leistungsfähigkeit des Plug-ins erahnen: Drei Drumpads warten nur darauf, mit eigenen Klangkreationen belegt zu werden. Die Pads, die das Triggern der drei Sounds gestatten, können dabei individuell benannt werden und besitzen jeweils eine eigene Pegelanzeige. Selbstverständlich ist jeder der drei Klänge mit einem individuell einstellbaren MIDI-Notenwert spielbar. Darüber hinaus kann man pro Pad die Stimmung, Lautstärke und Panoramaposition einstellen. Ein Klick auf den Edit-Knopf öffnet den zugewiesenen Sound im sogenannten ModelEditor. Dem Benutzer stehen mit Bass- und Wooddrum sowie einer Electro-Hi-Hat drei Klangmodelle mit flexiblen Einstellmöglichkeiten zur Auswahl. Das resonanzfähige Multifilter sowie ein Distortion-Effekt mit zwei Algorithmen erlauben eine flexible Klangbearbeitung. Auch die Modulationsmöglichkeiten von Minispillage können sich sehen lassen: So stehen jeweils eine Hüllkurve zur Steuerung der Lautstärke, der Filterfrequenz sowie der Tonhöhe zur Auswahl. Alle drei Hüllkurven können wahlweise linear oder exponentiell verlaufen. Abgerundet wird der Funktionsumfang durch zwei schnelle LFOs mit verschiedenen Wellenformen und einer Fade-Option.

Die britische Band Radiohead ist für ihre komplexen Klangwelten bekannt, in denen auch synthetische Effektklänge eine wichtige Rolle einnehmen. Unter dem artverwandten Namen Transistorhead präsentiert Sonicase einen von dieser Ästhetik inspirierten Klangerzeuger. Der bis zu 32-fach polyphone VST-Synthesizer kommt lediglich mit einem Oszillator aus, der die Wellenformen Sinus, Sägezahn, Dreieck, Rechteck und Rauschen beherrscht und über eine eigene ADSRLautstärkehüllkurve verfügt. Dies klingt bisher noch recht unspektakulär – bis der integrierte Stepsequenzer ins Spiel kommt, der es erlaubt, die Phase des Oszillatorsignals zu beeinflussen. So lassen sich dem Signal mit wenigen Handgriffen abgefahrene Modulationen mit einstellbarer Frequenz und in regelbarer Geschwindigkeit hinzufügen. Zur weiteren Klangformung steht ein resonanzfähiges Tiefpassfilter mit eigener ADSRHüllkurve bereit. Das flexible Delay der SynthMaker-Kreation ist auf Feedback- und Tape-Delay-Effekte spezialisiert und besitzt ein eigenes resonanzfähiges Multifilter. Die Filter des Klangerzeugers können bis zur Selbstoszillation getrieben werden, wobei der Transistorkopf bei Extremwerten an seine Grenzen stößt, sodass digitale Artefakte auftreten. Obwohl man es dem Plug-in nicht unbedingt ansieht, kann es ordentlich kreischen und somit auch ohne Verzerrer erfrischend dreckige Sounds erzeugen. In Anbetracht der vielen Parameter des Effekts vermisst man allerdings die Möglichkeit, das Modulationsrad zur Parametersteuerung zu nutzen.

Fazit Mit seiner eigenständigen Architektur setzt sich Minispillage positiv von anderen freien Mitbewerbern ab. Dabei bietet das Plug-in alles, was man von einem guten Drumsynthesizer erwarten darf: einen tollen Klang, intuitive Bedienbarkeit und dank der leistungsfähigen Modelle auch eine enorme Flexibilität.

Das größte Manko von Transistorhead sind seine zum Teil recht kleinen Bedienelemente und das Fehlen einer Anleitung, sodass der Benutzer sich erst durch eigene Experimente einarbeiten muss. Abgesehen von diesen Mängeln ist Sonicase mit Transistorhead jedoch ein sehr eigenständiger Klangerzeuger gelungen, mit dem man auf einfache Weise organische, dissonante und dreckige Klänge erstellen kann. Dabei brilliert das inspirierende Plug-in vor allem bei Effektklängen.

Transistorhead

Drumsynthesizer mit drei Klangmodellen

Synthesizer für organische, dissonante und dreckige Klänge

Entwickler: Audiospillage Web: www.audiospillage.com

Entwickler: Sonicase Web: cjcity.ru/soft/761-4.html

Bewertung:

Bewertung: 72

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Der Oszillator

Laden Sie Transistorhead bitte als VSTInstrument in Ihren Sequenzer. Um einen neuen Klang zu erstellen, wählen wir Presets Program 27 an. Noch ist nichts zu hören – einDrehen an den Cutoff- und dem Volume-Reglern in der Filtersektion schaff t hier schnelle Abhilfe. Stellen Sie außerdem den Mix-Regler in der rechten unteren Ecke auf seine Minimalstellung.

2

Phasenmodulation

In der Oszillatorsektion können Sie nun in einem Aufklappmenü die Grundwellenform festlegen und den Lautstärkeverlauf mithilfe der ADSR-Hüllkurve bestimmen. Um ein wenig Leben in die Bude zu bringen, aktivieren wir den Phase-Pattern-Sequenzer. Zeichnen Sie in diesem bitte eine beliebige Kurve ein und drehen Sie den PatternModMix-Regler auf.

Fazit

Minispillage Lizenz: Freeware Format: Mac-AU

von Mario Schumacher

Lizenz: Freeware Format: Win-VST

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Geordnetes Chaos

Um etwas Ordnung in das Chaos zu bringen, stellen wir das Tempo der Sequenz auf den Wert 1/2 und reduzieren die Modulationsfrequenz (Freq). Mit dem Smooth-Regler können Sie den eingestellten Verlauf glätten. Falls Ihnen der Klang noch nicht lebendig genug erscheint, sollten Sie einmal mit dem Delayeffekt experimentieren, der sich dem Signal mit dem Mix-Regler beimischen lässt.


HARDBEAT Test: Icon Logicon 5 Air

Test: Icon Logicon 5 Air von Alexander Weber

Stolperfallen und Kabelchaos waren gestern. Drahtlos heißt die Zukunftstechnologie für Bühne und Studio. Ganze vorn dabei: das neue Logicon mit modularem Konzept und AirMIDI-Technik.

Eckdaten: ɜ 49 halbgewichtete, anschlagdynamische Tasten ɜ Aftertouch ɜ acht anschlagdynamische Triggerpads ɜ je vier Fader und Endlosregler ɜ Pitch- und Mod-Joystick ɜ Transport- und Oktavtaster ɜ integriertes AirMIDI-Modul ɜ MIDI-Schnittstelle ɜ Fußtaster- und Pedalanschluss ɜ Synth- und Interface-Slot ɜ USB-Schnittstelle ɜ LC-Display

Logicon 5 Air Hersteller: Icon Web: www.icon-global.com Vertrieb: www.sound-service.eu Preise: Logicon 5 Air: 249 Euro Logicon 6 Air: 273 Euro Logicon 8 Air: 356 Euro G-Synth: 70 Euro X-Synth: 356 Euro AirMIDI RX: 47 Euro FireXon Satellite: 142 Euro  gute Triggerpads  einfache Bedienung und    

Programmierung sehr gute Verarbeitung Erweiterungsslots offene Architektur (X-Synth) fehlende Dateninfrastruktur zwischen den Modulen

Bewertung:

Alternativen: Akai MPK 49 479 Euro www.akaipro.de

Mit der Air-Serie präsentiert Icon die neue Drahtlos-Generation seiner MIDI-Keyboards.

er asiatische Hersteller Icon legt mit der neuen Air-Serie nicht nur die nächste Generation seiner MIDI-Controller vor, sondern startet gleichzeitig auch eine Qualitätsoffensive. Denn – und soviel sei vorab verraten – während wir uns bei den alten Logicons noch über hängende Taster, billige Drehpotis und klapprige Fader ärgerten, gibt es in puncto Verarbeitung am neuen Fünfer nichts zum Meckern. Doch ob auch die Technik überzeugen kann?

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Konzept Wie schon die drahtgebundenen MIDI-Controller, stecken auch die neuen Logicons in einem extrem soliden und uneingeschränkt livetauglichen Metallgehäuse, das nicht nur einer halbgewichteten, anschlagdynamischen Tastatur mit 49, 61 oder 88 Tasten Schutz bietet, sondern auch alle relevanten Steuerelemente für Bühne und Studio mitbringt. Dabei setzt der Hersteller auf eine bewährte Kombination aus acht anschlagdynamischen Triggerpads im Stile der Akai MPC und je vier Triggerpads und Endlosreglern plus Datenrad, Cursor- und Transporttaster. Dabei können sowohl Keyboard als auch die Pads durch exakten Anschlag, individuelle Velocitykurven und präzise vermitteltes Spielgefühl überzeugen. Wer das eher

Novation Nocturn 49 299 Euro www.novationmusic.de CME UF50 319 Euro www.hyperactive.de

Die Verbindung zum Rechner erfolgt im 2,4-GHzBand mithilfe des AirMIDI-Empfängers.

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schwammige Keyboard des Vorgängers noch in Erinnerung hat, wird von der Air-Serie definitiv angenehm überrascht. Fader, Pads und Endlosregler lassen sich frei mit beliebigen MIDI-Continuous-Controllern belegen, und auch die sechs Transporttaster, die Funktionen wie Start, Stopp, Aufnahme, Loop oder Vor- und Rücklauf steuern, sind zu allen gängigen DAWs kompatibel.

Anschlüsse Für die Arbeit im Studio oder auf der Bühne besitzt das Logicon 5 Air neben einer USBSchnittstelle zur Kommunikation mit Windows-PC und Mac lediglich ein MIDI-Duo sowie Buchsen für den Anschluss des externen Netzteils und von Fußtaster und Pedal. Die Besonderheit aber ist das integrierte AirMIDI-Modul, mit dem sich MIDI- und Steuerdaten drahtlos vom oder zum angeschlossenen Rechner übertragen lassen. Voraussetzung dafür ist der Einsatz des zugehörigen AirMIDI-Receivers, der bis zu 64 Kanäle (vier Ports) im 2,4-GHz-Band senden und empfangen kann. Der Sender hat die Größe eines Datensticks und wird ohne Treiberinstallation an die USB-Schnittstelle des anzusteuernden Rechners angeschlossen.

Optionale Expander Oberflächlich betrachtet wären die drei Logicons wenig mehr als hervorragend verarbeitete und vollwertig ausgestattete MIDI-Controller. Erst auf den zweiten Blick fallen die beiden Erweiterungsslots auf der Rückseite auf, von denen einer wahlweise die hauseigenen, optionalen Synthexpander „G-Synth“ oder „X-Synth“, der andere ein Audiointerface der Xon-Serie schluckt. Doch der Reihe nach …

Beim G-Synth handelt es sich um ein Klangmodul mit 64 MB Pianosounds, eingebautem Hall- und Choruseffekt, Stereo- und Kopfhörerausgang sowie 64 Stimmen Polyphonie. Für den X-Synth hat Icon die DSPTechnologie von Use Audio lizenziert, wie sie beispielsweise auch im Plugiator zum Einsatz kommt. In den Shark-DSP der Karte lässt sich einer von insgesamt acht virtuellen Synthesizern laden, die einige Anwender noch von Creamwares Scope-Plattform kennen dürften. Zur Auswahl stehen neben den Analogemulationen „Prodyssey“, „Pro-12“ und „Minimax“ auch die Hammond-Orgel „B4000“, der Wavetablesynth „Lightwave“ sowie der FM-Synthesizer „FMagia“. Hinzu kommen ein Drumkit mit Basssynth sowie ein Vocoder. Gerade Livemusiker werden hier die Möglichkeit schätzen, das Controllerkeyboard mit einer extrem flexiblen Klangerzeugung nachrüsten zu können.

Audiointerface Mithilfe des ebenfalls optionales Audiointerface „Sattelite“ kann man alle drei Logicons zu vollwertigen Produktionsmaschinen ausbauen. Wie bereits die Synthexpander verschwindet auch die Audiokarte vollständig im Gehäuse des Controllers und stellt zwei analoge Ein- und Ausgänge, Mikrofonvorverstärker, zwei Kopfhörerbuchsen, einen Hi-Z-Eingang sowie hochauflösende 192-kHz-Wandler zur Verfügung. Beachten muss man jedoch, dass alle Logicons für die Hardwareexpander lediglich eine „Hülle“ darstellen, denn sowohl die Synthesizer als auch das Audiointerface müssen separat verdrahtet werden.

Fazit Behoben sind die Verarbeitungsmängel des Vorgängers, sodass sich das Logicon 5 Air nun als sehr gut ausgestattetes, solides MIDI-Keyboard für Bühne und Studio präsentiert. Geblieben aber ist das zerstückelte Konzept aus eigenständigen Modulen, Expandern und Interfaces, das auch in der neuen Generation nicht zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen möchte. Dessen ungeachtet erhält man ein zuverlässiges, flexibles Masterkeyboard mit hohem Zukunftspotenzial und – im Vollausbau – eine leistungsfähige Produktionszentrale für das Computerstudio zum fairen Preis. 


HARDBEAT

Test: American Audio Q-SD Record

Test: Q-SD Record

Kompakte Mischpulte, die praktischerweise in einem Transport-Rack Platz finden, werden vor allem von mobilen DJs sehr geschätzt. Wenn Sie zudem auch noch weitere Geräte einsparen, steigern sie ihre Attraktivität noch einmal erheblich. Mit dem Q-SD Record zeigt American Audio einen DJ-Mixer mit umfangreicher Zusatzausstattung. Schauen wir im Detail, was das Gerät zu bieten hat … er Q-SD Record ist ein Vierkanalmischpult, das trotz seiner kompakten Abmessungen mit zahlreichen Anschlüssen aufwarten kann. Mühelos können zwei Plattenspieler, vier Line-Pegelquellen und zwei Mikrofone zu Gehör gebracht werden. Darüber hinaus sind vier Aux-Eingänge sowie Anschlussbuchsen zum Senden von Fader-Startkommandos an CD-Player desselben Herstellers vorhanden. Praktisch gelöst ist die Positionierung eines zusätzlichen Miniklinkeneingangs auf der Oberseite des Q-SD Record, da hier beispielsweise MP3-Player spontan als weitere Musikquelle eingebunden werden können. Zur Integration in eine professionelle Beschallungsumgebung ist das Gerät mit symmetrischen Ausgangsbuchsen im XLR-Format versehen. Alternativ triff t man auch eine unsymmetrische Variante und weitere Anschlüsse, die zum analogen Aufzeichnen eines Mixes oder für eine Monitoringanlage nutzbar sind, an. Die Kanäle des Mischpults sind zur Frequenzbearbeitung der eingehenden Musiksignale mit Dreibandequalizern ausgestattet, die sich mit den gummierten Drehreglern gut steuern lassen. Klassische Fader dienen der Justierung der Lautstärke. Auf Wunsch kann jeder Kanal mittels austauschbarem Crossfader bearbeitet werden.

von Boris Pipiorke-Arndt

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Exploration: SD-Player-Bereich Auf der rechten Seite des ganz aus Metall gefertigten Gehäuses wurde der SD-Kartenleser beziehungsweise -player untergebracht. In seinem Kartenslot dürfen SD- und SDHCKarten mit bis zu 1000 Songs und einer Größe von 32 Gigabyte verschwinden, von denen allerdings nur 4 Gigabyte nutzbar sind. Zwei Potis mit Druckfunktion erlauben die Navigation in Ordnern und ermöglich das Laden

Eckdaten: ɜ Vierkanalmixer mit Dreibandequalizer ɜ zwei Phono- und vier Lineeingänge ɜ zwei Aux- und Mikrofoneingänge ɜ symmetrische XLR-Ausgänge integrierter SD-Karten-Player und -Rekorder ɜ Loopfunktion und Tonhöhenkorrektur

Der Q-SD Record nutzt unempfindliche SD- beziehungsweise SDHC-Karten als Wiedergabe- und Speichermedium.

von Musikstücken. Der Q-SD Record liest die Namen der Tracks anhand ihrer ID3-Tag-Angaben aus und stellt diese auf dem blau leuchtenden Display dar. Eine Suchfunktion, die gerade bei umfangreichen Musiksammlungen sehr nützlich wäre, gibt es leider nicht. Um den Überblick zu wahren, muss sich der Anwender also mit sinnvollen Sortierungen und Ordnerstrukturen selbst helfen. Die Player-Einheit ist ähnlich aufgebaut wie die eines Doppel-CD-Players. So gibt es Tasten zum Starten und Stoppen sowie zum Spulen von Songs und zum Abrufen vorübergehender Tempoänderungen. Die absolute Geschwindigkeit wird – bei Bedarf auch inklusive Tonhöhenkorrektur – mit einem Pitchfader eingestellt. Zur Auswahl stehen dabei die drei Pitchbereiche 4, 8 und 16 Prozent. Eine kleine Kreativabteilung hat das Gerät in Form einer Loopfunktion sowie eines speicherbaren Cue-Punkts ebenfalls zu bieten. Neben der Wiedergabefunktion beherrscht der Q-SD Record auch das direkte Mitschneiden von bis zu vier Stunden langen Mixen auf einer eingelegten Speicherkarte. Einzelne Kanäle, aber auch das komplette Summensignal, können in drei wählbaren Qualitätsstufen aufgenommen werden.

Praxis Dass American Audio schon lange Produkte für DJs entwickelt, macht sich auch beim Q-SD Record bemerkbar: Der Einstig in die Arbeit mit dem Gerät sollte auch ohne einen Blick ins Handbuch gelingen. Alle Funktionen lassen sich wie erwartet abrufen und erlauben das Anfertigen der ersten Mixe nach Anschluss der Musikquellen und Lautsprecheranlage. Befindet sich eine formatierte SD-Karte im Kartenslot, genügt die Auswahl des aufzunehmenden Kanals und das Drücken der Aufnahmetaste, um die Musikwiedergabe digital festzuhalten. Wurden Musikstücke im MP3-Format von einem Computer auf die Speicherkarte kopiert, können sie selektiert und in jedem der vier Kanäle des Mixers hörbar gemacht werden. Während der Wiedergabe eines Songs erfolgt mit der Funktion „Advanced Track“ die Auswahl eines nachfolgenden Musikstücks. Das Display des Mixers ist großzügig bemessen und präsentiert dem Anwender viele mixrelevante Informationen wie beispielsweise die aktuelle Geschwindigkeit und den Pitchwert. Die klangliche Qualität des Q-SD Record ist ordentlich und die robuste Verarbeitung lässt das Gerät zu einem verlässlichen Begleiter für mobile DJs avancieren.

Fazit American Audio hat mit dem Q-SD Record ein weiteres interessantes Produkt in seinem Portfolio, das klassische Mixaufgaben genauso gut erledigt wie das Zuspielen digitaler Musikstücke. Der Preis für das Gebotene geht mehr als in Ordnung und bewegt sich wie immer bei diesem Hersteller in einem sehr kundenfreundlichen Rahmen.  beat 03 | 2010

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Q-SD Record Hersteller: American Audio Web: www.americandj.eu Vertrieb: Fachhandel Preise: 539 Euro robuster Vierkanalmixer kompaktes Gehäuse einfache Bedienung günstiger Anschaffungspreis keine Suchfunktion für Musik-

stücke nur 4 GB einer SD- oder SDHC-

Karte nutzbar Bewertung:

Alternativen: American Audio Q-Record 329 Euro www.americandj.eu American Audio Q-SD 519 Euro www.americandj.eu


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BEATGAMER Social Gaming

Social Gaming

Ein Strauß virtueller Blumen

Bei Social Games geht es weniger um eine ausgefallene Grafik, sondern vielmehr darum, mit Freunden gemeinsam etwas zu erleben.

Hape Kerkeling wusste es schon immer: Dass ganze Leben ist ein Spiel. Nun weiß es die ganze Welt: Mehrere Hundert Millionen Facebook-Nutzer vertreiben sich allmonatlich die Zeit mit sogenannten „Social Games“ – und ihre Zahl steigt kontinuierlich an. Während sich Spieleentwickler im Schatten dieser Explosion bereits einen erbitterten Kampf auf Messers Schneide liefern, entdecken Benutzer die Möglichkeit, persönlich Einfluss auf ein Spiel zu nehmen. von Tobias Fischer er bemerkenswerte Erfolg des Social Gaming hat selbst Insider vollkommen überrascht: Als Facebook 2007 seinen Code für Entwickler öffnete, ahnte nicht einmal intern jemand damit, dass ausgerechnet die Spieleindustrie davon profitieren würde. Schließlich widersprachen diese zumeist unscheinbar wirkenden Applikationen mit ihren simplen Konzepten, eher unspektakulären Themen und vor allem mit ihrer kindlich-naiven Grafik so ungefähr in sämtlichen Punkten den üblichen Erfolgsfaktoren eines Konsolentitels. Statt sich durch apokalyptische Welten zu ballern und dabei die Welt zu retten, geht es bei Angeboten wie „Farmville“ um so handgreifliche Dinge wie den Aufbau eines Bauernhofs, bei „Packrat“ hingegen um das zwanghafte Horten virtueller Karten. Was auf dem Papier so spannend klingt wie ein trockenes Brötchen hat sich inzwischen als absolutes Massenphänomen entpuppt: Ungefähr 100 Millionen FacebookNutzer besuchen monatlich allein die Seiten des Branchenprimus Zynga.

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Die Riesen staunen Bei solchen Zahlen kommen selbst die derzeit führenden traditionellen Gamestudios ins Staunen und versuchen, so schnell wie möglich nachzuziehen: Im November verkündete Electronic Arts kurzentschlossen die Übernahme des Zynga-Mitbewerbers Playfish für die stolze Summe von 300 Millionen US-Dollar. Laut dem Investmentexperten Jeremy Liew liegen die Vorteile von Social Games für eine Firma wie EA auf der Hand [1]: Zum einen sind diese Spiele zunächst einmal umsonst, weswegen sich in sehr kurzer Zeit eine beträchtliche Community aufbauen lässt. Des Weiteren liegt der Schwerpunkt

im Marketing auf viralen Ansätzen und Mund-zu-Mund-Propaganda, was billig ist und zudem für eine persönlichere Bindung sorgt. Vor allem aber liegen die Entwicklungskosten für ein soziales Spiel deutlich unter denen eines handelsüblichen Titels. Während EA und Konkurrenten für ihre aktuellen Konsolen-Hits Budgets wie für einen Hollywood-Film aufbringen müssen, lassen sich Facebook-Applikationen zunächst als Beta antesten und genaustens auf ihre Publikumswirksamkeit untersuchen. Zusammengefasst bedeutet das: Weniger Risiko, geringere Ausgaben, ein größeres Publikum. Kein Wunder, dass bereits mit harten Bandagen um Marktanteile gekämpft wird. Denn trotz der stolzen Spielerzahlen ist das Geschäftsmodell von Social Games noch keineswegs ausgereift. Da keine Nutzungsgebühr anfällt, müssen Einkünfte aus anderen Quellen fließen. Hier bieten sich vor allem zwei Gebiete an: Werbung und Transaktionen. Der zweite Punkt bedeutet übersetzt, dass Spieler Einheiten einer virtuellen Währung erwerben, mit der sie im Spiel Kleidung oder andere „nützliche“ Gegenstände kaufen können. Klingt unwahrscheinlich? Durchaus nicht: Am Valentinstag verkaufte Playfish vier Millionen virtuelle Blumensträuße durch sein Netzwerk [2] und auch für die Avatare der neuen Xbox-Oberfläche werden in regelmäßigen Abständen neue Modelinien herausgebracht. Ob diese Einkommensquellen reichen werden, um die astronomischen Umsatzzahlen der traditionellen Videospielindustrie zu überbieten, darf indes angezweifelt werden. Immerhin bietet die offene FacebookPlattform auch vormals völlig unbekannten Programmierern die Chance zum großen Durchbruch. Dabei werden auch schon

mal die Grenzen zwischen legalen und illegalen Methoden überschritten: Beinahe die gesamte Social-Gaming-Industrie ist derzeit von Copyright-Verletzungsklagen gebeutelt, einschließlich des Hits Scrabulous, der – wie der Name bereits andeutet – auf dem beliebten Brettspiel Scrabble aufbaut.

Gemeinsames Erleben Was aber treibt so viele Nutzer überhaupt in diese Spielewelten? Vor allem eines: der Wunsch, mit „real existierenden“ Freunden gemeinsam etwas zu erleben. Schon bei Nintendos Wii-Konsole, die von Hardcore-Gamern gern mit Missachtung gestraft wird, haben die sogenannten Experten die Bedeutung gerade dieses Faktors schmerzhaft übersehen. Tatsächlich spielt weniger eine Rolle, was man gerade genau spielt, sondern vielmehr mit wem man es spielt. Social Games sind also in gewisser Hinsicht eine Erweiterung der Facebook-Plattform um eine soziale Komponente, eine verspielte Version des Chats und funktionieren getreu dem Motto: Wenn man sich schon nicht jeden Tag in der Realität treffen kann, dann wenigstens bei „Texas Hold‘em Poker“ oder „Pet Society“. Kommunikation steht demzufolge im Vordergrund – und zwar nicht nur unter den Teilnehmern, sondern auch gegenüber dem Entwickler: Im Gegensatz zum alten Modell darf man Social-Gaming-Applikationen als ZweiRichtungs-Ansätze sehen, bei denen Spieler mit ganz konkreten Vorschlägen an die Programmierer herantreten. Entscheidend ist das Gefühl, ständig etwas Neues zu entdecken sowie die Verschmelzung von virtueller und realer Welt. Spätestens, wenn der letztgenannte Punkt eintritt, ist tatsächlich die ganze Welt ein Spiel.  beat 03 | 2010

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[1] paidcontent.org/article/419why-the-economics-of-socialgaming-are-so-attractive-toinvestors/ [2] www.dose.ca/games/Playfi sh+sees+social+games+indus try+driver/2183782/story.html www.zynga.com www.playfish.com


BEATREPORT Musik im Web

Musik im Web: MP3-Tipps des Monats zusammengetragen von Tobias Fischer und Thomas L. Raukamp V.A.: Kontor: The Classics

Errnois: The Winter Season

Für die Lordsiegelbewahrer der reinen HouseLehre sind die „Kontor Top of the Clubs“-Sampler natürlich ein rotes Tuch: Während es Puristen kaum hart und obskur genug sein kann, war kommerzieller Erfolg für die Hamburger schon immer ein Gütesiegel. Seit elf Jahren bereits bündelt man in regelmäßigen Abständen die größten Dancefloor-Hits zu geschmeidig fließenden Sets und hat damit die erfolgreichste DJ-Mix-CompilationReihe des Landes erschaffen. Auf „The Classics“ gibt es jetzt das Beste auf drei golden glänzende CDs gepackt – und bei so viel geballter Energie dürfte selbst so mancher Lordsiegelbewahrer schwach werden.

Marcello Spolverato aka Errnois entzieht sich auf seinem Debütalbum jeglichen musikalischen Schubladen: Mal lässt er mit minimalen Beatstrukturen und charmanten Melodien die Zeit an sich vorbeiziehen, ein anderes Mal flechtet er akustische Gitarren ein, um lupenreinen LoFi-Indie-Pop abzuliefern, wobei er die eigene Stimme rauschend in Hintergrund legt. Eine Momentaufnahme, bei der man im genau richtigen Augenblick den Auslöser betätigt hat. „The Winter Season“ funktioniert auch noch im Frühling und in warmen Sommernächten, versprochen!

Release: Kontor: The Classics | Artist: V.A. | Stil: Dance | Label: www.kontor.tv | Format: CD, MP3 | Lizenz: kommerziell

Release: The Winter Season | Artist: Errnois | Stil: Glitch, Electronica, Ambient, Lo-Fi, Indie | Label: www.51beats.net | Format: MP3 | Lizenz: Creative Commons

Craque: Wind Space Compost Seit Jahren schon geht der Trend in der sogenannten „Intelligenten Tanzmusik“ (IDM) in Richtung eines undifferenzierten „Höher, Härter, Schneller, Weiter“. Da kommt „Return to Childhood“ gerade recht: Statt neuen Rekorden nachzueifern, feilt Maciej Paszkiewicz alias Undermathic in liebevoller Detailarbeit an einem schillernden Klangbild aus unwirklichen Samples, futuristischem Electro, verschachtelten Beats und hymnisch-romantischen Klavierund Streichermelodien. Gerade in seiner scheinbaren Zerrissenheit ein mitreißendes, ergreifendes, mutiges Werk.

Auf den Spuren der Improvisation hat der Kalifornier Matt CookeDavis drei wenig eingängige, jedoch erfrischend gegensätzliche Stücke zusammengetragen: „Santa Ana“ besteht aus nicht mehr als einem dumpfen Dönern und ein paar kosmischen Effekten. „Butterfly Bush“ klingt wie ein Duett für Klarinette und Tropfsteinhöhle. Und auf dem abschließenden „Copper Doors“ scheint alles rückwärts zu laufen. Manchmal ist das etwas anstrengend, doch immer, wenn sich durch die düstere Klangwolke sanfte Lichtstreifen schieben, kippt „Wind Space Compost“ in faszinierend-unwirkliche Poesie um.

Release: Return to Childhood | Artist: Undermathic | Stil: IDM | Label: www.tympanikaudio.com | Format: CD, MP3 | Lizenz: kommerziell

Release: Wind Space Compost | Artist: Craque | Stil: Electronica | Label: www.stasisfield.com | Format: MP3 | Lizenz: Creative Commons

Werken: Sum

Rurihiko Rura: Arabesque Pond

Dass Tilman Ehrhorn früher bei Mille Plateaux veröffentlicht hat, hört man „Sum“ an: Diese elf Titel rauschen, knistern, surren, schnurren und stottern, dass es eine wahre Wonne ist, während glasig-glitchige sowie trocken ploppende Mikrotöne sich im Hintergrund zu zerbrechlichen Grooves verbinden. Auf „C & P“ gesellt sich noch ein einschmeichelnder Orgelloop dazu, und wäre da noch ein warmer Dubbass im Mix, man wähnte sich bereits wieder im Berlin Anfang des Jahrtausends und bei den ersten, sensationellen Pole-Scheiben. So klingt „Sum“ hingegen stets angenehm offen und schwebend – und gerät niemals zur reinen Retroangelegenheit.

Die japanische Legende Ryuichi Sakomoto ist bereits von dem jungen Klangkünstler Rurihiko Rura begeistert und spielt die Musik seines Landsmanns regelmäßig in seiner Radioshow. Ganz klar gibt es offensichtliche Gemeinsamkeiten: Beide verlassen sich vornehmlich auf das Klavier als Klangquelle, zerlegen es in seine Bestandteile und bauen daraus eine faszinierend-atmosphärische Gegenwelt. „Arabesque Ponds“ klingt ungemütlich, beunruhigend, schräg und so gar nicht nach dem, was man gemeinhin unter Ambient versteht – und offenbart gerade deswegen eine eigene Handschrift.

Release: Sum | Artist: Werken | Stil: Electronica, Sound Art | Label: www.zymogen.net | Format: MP3 | Lizenz: Creative Commons

Release: Arabesque Pond | Artist: Rurihiko Rura | Stil: Ambient, Drones | Label: www.naturalmedia. com.ar | Format: MP3 | Lizenz: Creative Commons

Undermathic: Return to Childhood

Cory Allen: Hearing is Forgetting the Name of the Thing One Hears Lange schon war scheinbar lupenreiner Ambient nicht mehr so aufregend wie hier: Einer Lavalampe nicht unähnlich, fließen schwerelose Klangtupfer, zuckerwatteweiche Glockentöne und ein feines Surrgeräusch in- und auseinander, verbinden sich kurzzeitig zu wolkigen Gebilden und fantasievoll-naiven Formen. Auf der Basis eines geheimnisvollen Systems hat Allen fünfmal das gleiche Stück aufgenommen – und jedes Mal klingt es frisch und neu. Nach und nach stellt sich ein Gefühl tiefer Stille und Geborgenheit ein: Wäre doch nur die reale Welt auch gelegentlich so friedvoll und unkompliziert wie diese!

Release: Hearing is Forgetting the Name of the Thing One Hears | Artist: Cory Allen | Stil: Ambient | Label: www.quietdesign.us | Format: CD, MP3 | Lizenz: kommerziell

Allan Shotter: Fallen Fleet EP „Winter-Musik“ ist ein ziemlich abgedroschener Begriff – trotzdem triff t er auf Allan Shotters „Fallen Fleet EP“ hervorragend zu: Wankende Drumkonstruktionen wurden in wohlige Watte gepackt und klingen fortan, als wenn man frühmorgens durch frischen Neuschnee stapft. Damit das Ganze nicht zu kalt wird, hat Shotter über diesem dumpfen Rhythmusapparat Schicht um Schicht wohliger Lagen butterweicher Flächen und Melodien gelegt. Ein Überraschungswerk, das Ambient zwar nicht neu erfindet, es aber erfolgreich wieder aus allzu experimentell-verkopften Nischen herausführt, ohne es in Zuckerguss zu ertränken.

Release: Fallen Fleet EP | Artist: Allan Shotter | Stil: Ambient, Electronica | Label: www.xynthetic. com | Format: MP3 | Lizenz: Creative Commons

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