A Suit goes Hollywood von xxxxxxxxx / Fotos Dan Zoubek
Nicht jeder Hersteller kann sich eines eigenen Satzes von Salvador Dali rühmen: „Schöne Kleidung ist nie feminin.“ Als er das sagte, war er gerade dabei Lithografien anzufertigen, die seit 1971 in der Eingangshalle der Brüsseler Zentrale von Scabal hängen. Sie zeigen die Visionen eines Genies, wie sich der Mann von Welt im Jahre 2000 kleidet. Die Vision hat sich überholt, die Anzüge nicht. von Harald Nicolas Stazol
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W enn es einen Tempel der feinen Stoffe gibt, der Bespoken Suits, des Maßanzugs schlechthin, einen Fixpunkt für Gentlemen aus aller Welt, dann steht er in der Savile Row 12 in London, wo die edelsten Schneider arbeiten: bei Scabal. An keinem anderen Ort gibt es mehr Stoffballen allerbester Qualität. An keinem anderen Ort werden Anzüge und ganze Garderoben derart perfekt auf den Leib geschneidert. Und an keinem anderen Ort wird sich der Mann von Welt wohler fühlen, wenn nach der dritten Anprobe – es sind immer drei, das bitten sich die Herrenschneider hier aus – höchste Eleganz erreicht ist. Dazu das in unserer Zeit der Billigwaren immer seltenere Gefühl, dass der eigene Körper in bestes Tuch und besten Sitz gehüllt ist, wie in eine zweite Haut. Um dieses einzigartige Erlebnis zu gewährleisten, arbeiten im Lager gegenüber zwei Männer, von tausenden Stoffballen in alten Holzregalen umgeben, denen nichts entgeht. Mit kritischem Auge überprüfen sie auf das Genaueste jede Bahn eines 120er Wollstoffes. Finden sie auch nur die geringste Nuance einer Farbabweichung, ein winziges Webfehlerchen, einen noch so geringen Makel, geht der Ballen zurück. Aber das kommt eher selten vor. Die „Société Commercial Anglaise, Belge, Allemande et Luxemborgeoise“, kurz Scabal, 1938 in Brüssel vom Deutschen Otto Hertz begründet, gilt als einer der besten Herrenausstatter der Welt. Der Sultan von Brunei gehört zu den Kunden ebenso wie der König von Marokko, der amerikanische Ex-Präsident Bill Clinton oder Basketballlegende Michael Jordan. Die Herren können sich sicher sein: Egal welchen der weltweit 200 Sales Points sie mit ihrer Order betrauen, Scabal wird in einem Monat dieses rare Gut des perfekten Anzugs ausliefern. Die Kunden können aus 400 bis 600 neuen Webmustern wählen – jede Saison wohlgemerkt.
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nd bei Scabal verweist man nicht ohne Stolz auf das Gewebe Super 120, das im eigenen Haus entwickelt wurde. Ein Stoff in einer 16,5 Microfaser, der im Winter wärmt und im Sommer kühlt. Ein Umstand, den der ständig reisende Jet Set aufs Trefflichste schätzt. „Unsere Anzüge haben immer noch den klassischen englischen Schnitt, auch wenn wir italienische Einflüsse berücksichtigen“, betont Peter Thissen, der zusammen mit seinem Sohn Gregor das Haus leitet. Deshalb wurden die Herrenschneider, allesamt Engländer, in Italien ausgebildet. Sechs Jahre lernt ein Schneider bevor er in der Savile Row sein Handwerk ausüben darf. So verlangen es die Regeln. Wer den Flagship Store gleich neben der Regent Street betritt – bitte mit Vorsicht, denn der Pitch-Pine-Boden ist so blank gewienert, dass man sich darin spiegeln kann, als reichten die mannshohen Spiegel an der Wand nicht schon aus – wird zu einem der LeCorbusier-Sessel geleitet. Es dauert, wenn auch nicht lange, bis ein freundlicher Herr, natürlich im hauseigenen Anzug gekleidet, die Gunst gewährt Maß zu nehmen. Schon dieser Vorgang ist ein kleines Erlebnis und Stunde der Wahrheit zugleich. Soll doch eine „elegante Silhouette erreicht werden“, mittels „einer geformten Schulterpartie und einer gut sitzenden Taille“, wie es für die Linie Nummer 12 heißt. Glücklich darf sich schätzen, wer eine solche mitbringt. Das Warten ersparen die Schneider der Savile Row übrigens niemandem, aus Prinzip nicht.
Jedes Teil wird bei Scabal von Hand gefertigt. Das gilt auch für die nicht sichtbaren Partien. Um es zu einer solchen Perfektion zu bringen, lernen die Schneider der Savile Row sechs Jahre lang. Scabal schickt sie außerdem nach Italien.
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nd sie lassen jeden auflaufen, wenn sie wollen. Als der Prince of Wales, der spätere König Edward VII., seinen Schneider zur Eile anzutreiben versuchte mit den Worten: „Wissen Sie nicht, dass ich bald ihr nächster König sein werde?“, entgegnete der cool: „Und Sie werden bald mein nächster Kunde sein“. Auch die unsichtbaren Teile werden von Hand gefertigt. Die Unterware aus Kamel- und Pferdehaar ist selbstverständlich vorgewaschen, die Knopflöcher werden doppelt genäht, erst mit Baumwollgarn, dann mit Seide. Wahrscheinlich würde man bei Scabal schlichtweg in Ohnmacht fallen, wenn sich ein Knopf löste und zu Boden ginge.. Oder wenigstens höchst indigniert die Stirn runzeln. Vielleicht auch in schallendes Gelächter ausbrechen bei so einer unmöglichen Annahme, einer Undenkbarkeit, schlicht unmöglich. Die Einsätze von Schultern und Ärmeln werden von Hand genäht und geformt, sodass der Anzug an den Schulterund Brustpartien garantiert bequem sitzt. Die Auswahl an Futter und Knöpfen ist beinahe grenzenlos. Das garantiert noch größere Individualität. Natürlich wird auf Wunsch auch der werte Name in das Innenfutter einge-
Als Gott das Pferd erschaffen hatte, sprach er zu dem prächtigen Geschöpf: Dich habe ich gemacht ohnegleichen. stickt. Es versteht sich von selbst, dass das gute Stück in einer eigenen Hülle und an einem edlen Holzbügel übergeben wird, was die Wartezeit von ausnahmsweise sechs Wochen noch einmal versüßt. Gut Ding will Weile haben, so ist es nun mal. Weltweit 600 Mitarbeiter zählt das Unternehmen, etwa 100.000 Anzüge im Jahr werden bei Scabal hergestellt. Die Stoffe werden in Huddersfield, West Yorkshire, gefertigt und auch in Saarbrücken für Marken wie Brioni, Lanvin, Francesco Smalto, Oxford, Prada und Gucci, nur die großen Namen versteht sich. 5
aus dem Koran
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Zur Zeit der Inkas durfte nur der Herrscher Kleidung aus diesem „Gewebe der Götter” tragen.
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ie Liste der Hollywoodstars, die in Filmen Gewebe und Kleidung von Scabal tragen, kann sich ebenfalls sehen lassen: Marlon Brandos Eleganz als Pate, Michael Douglas in Wall Street, Robert de Niro flaniert darin durch sein Casino und Leonardo di Caprio geht in Titanic wenn schon nicht darin unter, dann doch zumindest zum Dinner in der ersten Klasse. James Bond rettet die Welt ausschließlich in einem maßgefertigten Scabal, die „Men in Black“ ebenso. Aber nichts passt besser als der „Schneider von Panama“. Etwa 200 Filme stattete Scabal aus. In der Zentrale in Brüssel sind etwa 5.000 Dessins vorrätig. Alle Stoffbahnen aneinandergereiht ergäben eintausend Kilometer Länge. „Wir sind Weltmarktführer und wollen es bleiben.“, sagt Georg Thissen dazu und begeistert sich noch einmal für die einzigartigen Gewebe: „Unsere Spezialität ist die 180er Qualität aus Wolle und Kaschmir oder Merinowolle.“ Der Herr spielt übrigens gerne Hallenfussball, kann eine Cessna fliegen, mag Golf und hasst Fragen zu seinem Privatleben. Er verrät in ruhigem Ton nur, dass er sein Familienleben mag, vor allem als usgleich zur konkurrenzgetriebenen Geschäftswelt.
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nd dass Scabal „keine Revolution auslösen wird“, führt er ruhig aus. Das passt. Also im Einreiher sich einreihen in die Liste der Connaisseurs, wenn man dafür ziemlich tief in die Tasche greifen muss. Etwa 6.000 Euro kostet so ein Kleidungsstück fürs Leben. Die Ready-to-Wear-Linie erfordert eine niedrigere Investition. Aber der Hauptkundenstamm, Männer um die 40, bringt das nötige Kleingeld mit. Für einen Stoff, in den Lapis-Lazuli-Staub untergewebt ist, oder die Linie „Golden Treasure“, in der 22karätiger Goldfaden Verwendung findet, oder das edelste aller Materialien, Vicuna, steigt die Rechnung schon eher auf 20.000 Euro. In dieser Kategorie werden vielfach gleich 20 Exemplare bestellt. Doch der Superlative genug. Man darf ja ein wenig träumen, sich wenigstens ein Einstecktuch von Scabal leisten oder eine Krawatte und sich daran erinnern, was der französische Springreiter Gilles Bertrán de Balanda seinem Landsmann und Kollegen Kevin Staut auf den Weg gab:
„Man kann gewinnen, ohne elegant zu sein, aber bewundert wird man nie werden.“ 7
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