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16 Experten-Insight
inside corporates
ILEKTRA PAPADAKI POLICY OFFICER, EUROPEAN COMMISSION, UNIT C1
» Das Ziel der EU lautet: BIM für alle
Öffentliche Einrichtungen besitzen und verwalten viele gebaute Vermögenswerte. Investitionen in BIM im öffentlichen Beschaffungswesen sparen nicht nur Ressourcen während der Planungs- und Bauphase, sondern können auch über die gesamte Lebensdauer von Gebäuden und Infrastrukturen von Vorteil sein. Über 30 Prozent der im Baugewerbe ausgegebenen Gelder sind öffentlich und es bleibt eine Herausforderung, die richtigen Bedingungen zu schaffen, unter denen die Innovationen und Investitionen des Bausektors in BIM von öffentlichen Kunden anerkannt und angefordert werden. In der europäischen Richtlinie über das öffentliche Beschaffungswesen von 2014 wurde empfohlen, bei der Beschaffung von Bauprojekten digitale Werkzeuge zu verwenden. Die Kommission hat Maßnahmen ergriffen, um die EU-Staaten bei der Umsetzung der Empfehlung zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit der EU-BIM-Arbeitsgruppe wurde das „Handbuch zur Einführung von BIM durch den europäischen öffentlichen Sektor“ herausgegeben. Ebenso unterstützt die Kommission die Mitgliedstaaten durch die Strukturreformfonds. So finanzierte die EU die Einrichtung einer nationalen Strategie für digitales Bauen in einem Land mit geringer digitaler Reife, während sie in einem Land mit hoher digitaler Reife die Einrichtung von BIM-fähigen automatischen Überprüfungen für digitale Baugenehmigungen finanzierte. Die Kommission arbeitet auch an der Schaffung eines Modells für die Durchführung einer Kosten-Nutzen-Analyse für die Verwendung von BIM durch die öffentlichen Auftraggeber. Langfristiges Ziel ist es, dass BIM in allen Mitgliedstaaten zur Norm wird.
» Gemeinsam mehr erreichen
Welche Vorteile hat BIM für Architekten? Frisch: Das beginnt beim Entwerfen und endet bei der Übergabe an den Nutzer. In der Entwurfs- und Vorentwurfsphase ist zum Beispiel sehr schnell eine qualifizierte Prüfung des Baukörpers, des Städtebaus und der innenräumlichen Gegebenheiten möglich. Der Bauherr erhält frühzeitig ein räumliches Abbild. In der Leistungsphase dient das Gebäudemodell als Grundlage für die Kosten-, Termin- und Qualitätsbeschreibung und wird zum digitalen Zwilling des Projektes angereichert. In Deutschland gibt es aber bei der Honorierung von Architekten Hürden.
Was meinen Sie?
ERIC FRISCH, ARCHITEKT UND VORSTAND BEI DÖMGES ARCHITEKTEN AG, REGENSBURG
Aufträge werden oft stufenweise honoriert – das bedeutet eine Unsicherheit, ob der Architekt auch in späteren Projektphasen beauftragt wird. Die Zerstückelung von Planungsleistungen läuft aber dem ganzheitlichen Planen am Modell zuwider. Die HOAI und alle an ihr angelehnten Honorierungen gehen noch von der stufenweisen Detaillierung und Präzisierung des Projektes aus. Dementsprechend ist auch die Honorierung der ersten Leistungsphase geringer, weil der zeichnerische Aufwand und Detaillierungsgrad geringer war.
Das ist bei der Arbeit mit BIM anders? Bei BIM ist schon früh ein viel größerer Aufwand zu bewältigen. Denn jedes Bauelement muss von Anfang an erfasst werden. Bei einem Wechsel in der Bearbeitung gehen Informationen verloren oder müssen erneut erstellt werden. Die Idee ist ein ganzheitlicher Ansatz, der in den frühen Planungsphasen einen Austausch zwischen Planern und Bauherr verlangt, um das Projekt und die Projektziele möglichst vollständig zu erfassen. Das Projekt wird am Anfang in seiner Struktur angelegt und im Laufe der Planung mit Informationen angereichert.
PETER HÜBNER, PRÄSIDENT DES HAUPTVERBANDES DER DEUTSCHEN BAUINDUSTRIE
» Digitalisie-
rung bringt viele Vorteile
Digitalisierung, Globalisierung, Vernetzung, Mobilität und zunehmende Komplexität verändern die Planungs- und Baubranche mit hoher Geschwindigkeit. Auf das Planen, Erstellen und Betreiben von Bauwerken kommen neue An- und Herausforderungen zu. Die digitale Vernetzung wird eine frühzeitige, parallele Zusammenarbeit und verbesserte Kommunikation der Akteure untereinander fordern, aber auch erleichtern. Ziel des Planens und Bauens ist die Erstellung qualitätsvoller Bauwerke für Wohnen, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Handel, Kultur oder Verkehr – flexibel, sozial, bezahlbar, energieeffizient und langfristig nutzbar. Lebenszyklusbetrachtungen haben schon in der Planungsphase Auswirkungen auf Materialauswahl, Konstruktionsweise, Nutzungs- und Gestaltqualität. Dazu kommen Anforderungen an digitalisiertes Bauantragswesen, vernetzte Bauabläufe sowie die handwerkliche Umsetzung. So kann eine effizientere Bauausführung erreicht und damit zugleich kostengünstiger und termingerechter gebaut werden. Die Digitalisierung leistet dazu einen wesentlichen Beitrag: Denn Digitalisierung und Prozessoptimierung in Planung und Bauwesen sind mehr als Building Information Modeling (BIM). AIterative, modellbasierte Arbeitsweisen liefern Informationen und Werkzeuge für effiziente Planung, Entwurf, Konstruktion, Nutzung, Betrieb und Verwaltung von Gebäuden. Digitale Modelle müssen den Anforderungen aus einer Lebenszyklusbetrachtung genügen und von allen Projektbeteiligten zur Mehrwertsteigerung nutzbar sein. Die Digitalisierung schafft bei richtiger Nutzung Bauwerke mit hoher Wertschöpfung zu tragbaren Kosten.