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W. Grander

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B. Schwarz

B. Schwarz

Wilhelm Grander

Akuter ST-Streckenhebungsinfarkt im Gebirge –Thrombolyse versus Primär-PTCA

Acute ST- Elevation Myocardial Infarction in Mountainous Terrain – Thrombolysis Versus Primary PTCA

SUMMARY

Mountain sports and mountain tourism is world wide increasing. 15 % of all the people who reflect the known epidemic cardiovascular burden, will account for the older population. Therefore sudden cardiac death and acute coronary syndromes are frequently recognized in the mountains. One third of all deaths in the mountains is caused by sudden cardiac death. Therefore it is an important question how to treat acute myocardial infarction in mountain areas. The potential value of prehospital thrombolysis is well documented by the results of a meta-analysis of six randomized trials involving 6434 patients. Three significant benefits were noted with prehospital compared to in-hospital thrombolysis: First a shorter time to thrombolysis (104 versus 162 minutes). Second a reduced all-cause hospital mortality (odds ratio 0.83, 95 percent CI 0.70 to 0.98) and third an absolute risk reduction of almost 2 percent translated into one life saved for every 62 patients treated with prehospital thrombolysis. Initial studies suggested no benefit and possible harm from early percutaneous coronary intervention (PCI) if thrombolytic therapy were given first. However, PCI techniques have been improved and recent trials demonstrate a wider role for thrombolysis combined with PCI as a form of rescue PCI, if thrombolysis suggests a not optimal result. Therefore even when PCI is the more successful approach in opening the vessel, thrombolysis has still its value in an optimal time setting. If the marker of early reperfusion by thrombolysis are not fulfilled rescue PCI should be attempted within 2 hours. Keywords: Acute Myocardial Infarction, STEMI, prehospital thrombolysis, PTCA

ZUSAMMENFASSUNG

Sport und Tourismus in den Bergen ist weltweit zunehmend. 15% der Menschen, die das epidemiologische Spektrum der kardo-vaskulären Krankheiten widerspiegeln, sind der älteren Population zuzuordnen. Entsprechend ist der plötzliche Herztod oder das akute koronare Syndrom in den Bergen keine Seltenheit. Ein Drittel aller Todesfälle in den Bergen werden dem plötzlichen Herztod zugeordnet. Die Frage nach adäquater Therapie des akuten Myokardinfarktes im Gebirge ist daher nicht unbedeutend. Die Wirksamkeit der prähospitalen Thrombolyse ist durch eine Metanaylse von 6 randomisierten Studien mit 6.434 Patienten gut untermauert. Dabei stellten sich drei signifikante Vorteile für die prähospitale gegenüber der inhospitalen Lysetherapie heraus. 1. Eine kürzere Zeit bis zum Thrombolysebeginn (104 versus 162 Minuten). 2. Eine reduzierte Gesamtmortalität nach Aufnahme ins Krankenhaus (odds 0.83, 95 % CI 0.70 – 0.98). 3. Eine absolute Risikoreduzierung von fast 2 % resultierend in ein gerettetes Leben pro 62 mit prähospitaler Lyse behandelten Patienten. Frühere Studien ließen keinen Benefit, ja sogar ein möglicherweise schlechteres Abschneiden der frühen PTCA nach Thrombolysetherapie vermuten. In letzer Zeit haben sich aber die Techniken der PTCA verbessert und einige Studien zeigen, dass nach durchgeführter Thrombolyse, die kein optimales Ergebnis brachte, eine anschließende PTCA eine weitere Verbesserung ohne Risikoerhöhung bringt. Somit hat die prähospitale Lysetherapie auch heute noch ihre Bedeutung wenn man die verschiedenen Zeitfenster in Betracht zieht. Die Primär PTCA ist das Verfahren der Wahl, da es per se eine höhere Wiedereröffnungsrate des verschlossenen Gefäßes vorweisen kann. Jedenfalls sollte nach nicht optimalem Erfolg nach Lysetherapie und Ausbleiben sicherer Reperfusionsmarker innerhalb zweier Stunden eine Rescue PTCA angestrebt werden. Schlüsselwörter: Akuter Myocardinfarkt, STEMI, prähospitale Thrombolyse, PTCA

EINLEITUNG

Weltweit begeben sich ca 100 Millionen Menschen jährlich ins Gebirge. Davon sind ca 15 % ältere Menschen, die naturgemäß ein erhöhtes cardiovasculäres Risiko haben. Ein Drittel aller Menschen, die in den Bergen sterben, erleiden einen plötzlichen Herztod. Somit ist der Herzinfarkt die häufigste nicht unfallbedingte Todesursache in den Bergen. Dabei scheint gerade der Hypertonus für Bergwanderer und Bergsteiger ein besonders prädiktiver Risikofaktor für das Erle-

ben eines Herzinfarktes zu sein. Die epidemiologischen Zusammenhänge kardiovaskulärer Risikofaktoren (immer mehr Menschen sind davon betroffen) sowie der wieder zunehmende Tourismus in den Bergen zwingen somit zu einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Reperfusionstherapie im Gebirge im Rahmen eines Notarzteinsatzes sinnvoll ist oder nicht.

THERAPIEKONZEPTE

Die Konzepte „stay and play or scope and go“ werden durch terrestrische sowie witterungsbedingte Umstände und durch die nahezu ausschließlich luftgebundenen Rettungsmittel noch mehr strapaziert. Die Therapieentscheidungen werden damit weit und wohl kaum widersprochen in den subjektiven Bereich des verantwortlichen Notarztes verschoben. Ist daher eine prähospitale Lyse im Sinne einer „evidence based medicine“ bei einem akuten transmuralen Myokardinfarkt (ST-Streckenhebungsinfarkt/STEMI) im Gebirgseinsatz überhaupt anwendbar?

Eigentlich ja, wenn die Therapie sicher verabreicht und die so wichtigen Fragen bezüglich der Zeitfenster entsprechend beantwortet sind. Um dies zu ermöglichen braucht es aber die Kenntnis der Eckpfeiler heutiger moderner Therapieentscheidungen beim STEMI.

Das mechanische Reperfusionsverfahren mittels Primär PTCA gilt derzeit als Goldstandart in der Therapie des Akuten Myocardinfarktes. Die Komplexizität der PTCA macht diese aber zentrumsabhängig und zeitkonsumierend, mit einer durchschnittlichen Zeitverzögerung von ca 1 Stunde (1) gegenüber der Thrombolysetherapie. Trotz des hohen Stellenwertes der Primär PTCA spielt daher die Thrombolyse beim akuten STEMI noch immer eine wichtige Rolle. Sie ist praktisch überall, zu jeder Zeit und zudem relativ einfach anzuwenden. Die Einmal - Bolus-Gabe von Tenekteplase (Metalyse ®) hat die pharmakologische Reperfusionstherapie weiterhin vereinfacht. Ein direkter Vergleich Thrombolyse gegenüber Primär PTCA ist aber nur unter den verschiedenen Zeitfenstern und einer strengen Beobachtung der Reperfusionsmarker nach Lysetherapie möglich. Bei sehr früher Thrombolyse (innerhalb 2 Stunden Schmerz-Delay) ist dieses Therapieverfahren zumindest nicht schlechter, möglicherweise sogar besser als die Primär PTCA betreffend Schockentwicklung (1.3 % vs. .4 %) und 30 Tage Mortalität. (2)

Allerdings muss erwähnt werden, das die Prähospitale Lyse in ca 30% einer sogenannten Rescue PTCA bedarf, wenn die Reperfusionsparameter (rascher ST-Rückgang, Schmerzfreiheit, Myoglobinanstieg) nach Lysetherapie nicht erreicht werden. Auf diese Therapieoption ist aber insbesondere in den weiterbehandelnden Kliniken zu achten.

THERAPIEENTSCHEIDUNG

Die Entscheidungsprinzipien beruhen daher auf, „time is muscle“ and „only optimal reperfusion keeps muscle“. Diese Entscheidungsprinzipien sollten grundsätzlich auch in einem Gebirgseinsatz zur Anwendung kommen.

Die Abwägung von Vor- und Nachteilen beider Reperfusionsstrategien könnte daher zu folgendem Vorgehen anleiten: Ableitend aus der „time efficacy curve“ (3) (Abb 1) sollte die Lysetherapie verwendet werden, a)wenn ein kurzes Schmerzdelay besteht (bis ca. 2-3 Stunden) b)wenn das Delay bis zur mechanischen Eröffnung des Gefäßes erwartungsgemäß länger als 90 min beträgt

Abbildung 1

c)und das Hirn-Blutungsrisiko nach Lyse (vor allem alte Patienten) niedrig bleibt.

Zeichnet sich innerhalb von 90 min nicht ein klarer und ausreichender Therapieerfolg durch die Thrombolyse ab, so muß eine Rescue PTCA angestrebt werden, die heute durch die verbesserten Techniken zu keiner wesentlich erhöhten Komplikationsrate mehr führt und dadurch prinzipiell die Entscheidung zu einer Lysetherapie leichter macht.

In den ersten zwei Stunden besteht eine sehr hohe Wirksamkeit der Thrombolyse. Ist das Zentrum sehr nahe, dann PTCA sonst eher Lyse. Zwischen 2 und 3–4 Stunden stellt sich die Frage, wie lange ist die „Transport to Baloon Time“ (wenn > 90 min eher Thrombolyse) Nach 4 Stunden sollte nahezu immer die Primär-PTCA angestrebt werden (in diesem Fenster ist das Nutzen-Risiko Verhältnis für die Lysetherapie eher ungünstig.

LITERATUR

(1) Morrison L. J., Verbeek P. R., McDonald A. C., Sawadsky B. V., Cook

D. J. Mortality and prehospital thrombolysis for acute myocardial infarction: A meta-analysis. JAMA 283(20):2686-92 (2000) (2) Steg P. G., Bonnefoy E., Chabaud S., Lapostolle F., Dubien P. Y., Cristofini P., Leizorovicz A., Touboul P. Impact of time to treatment on mortality after prehospital fibrinolysis or primary angioplasty: data from the

CAPTIM randomized clinical trial. Circulation 108(23):2851-6. (2003) (3) Boersma E., Maas A. C., Deckers J. W., Simoons M. L. Early thrombolytic treatment in acute myocardial infarction: reappraisal of the golden hour. Lancet 348(9030):771-5. (1996)

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