Unitopia Eine Publikation des Bildungsprotests
Januar 2014
Kompakt
Unitopia
Die Unitopia ist ein eine hochschulpolitische Zeitschrift, die kritisch die Vorgänge an der „F“U und den Berliner Hochschulen begleitet, die gesellschaftlichen Folgen und Funktionen des Bildungssystems analysiert und Alternativen aufzeigt. Die Unitopia findet ihr in den ASten von „F“U und TU, in studentischen Cafés oder digital auf der Website des Bildugnsprotests. Die Unitopia wird geschrieben, illustriert, gelayoutet und herausgegeben von Aktivist_innen des Bildungsprotests. Die Illustration in dieser Ausgabe stammt von Sqrl.
In dieser Ausgabe...
...beschäftigen wir uns mal wieder mit den aktuellen hochschulpolitischen Widrigkeiten. Dabei geht es überwiegend um Geld, aber auch um die nächste drohende Welle von Zwangsexmatrikulationen. „Unitopischer“ soll es dann wieder in der nächsten regulären Ausgabe zugehen, die im April erscheinen soll.
Hartz IV für Unis? Letztmalige Hochschulverträge Prüfungstermine Die neu abgeschlossenen Berliner Hochschulverträge führen zu weiteren Finanzierungsengpässen. Der Druck wird insbesondere auf die Studierenden weitergegeben: Die öffentliche Finanzierung der Uni hängt jetzt maßgeblich vom Durchschleusen der Studierenden in Regelstudienzeit ab. Für viele Beschäftigte sieht es nicht weniger finster aus. In Dahlem vergammeln derweil die Gebäude. Selbst die „F“U-Leitung räumt ein, dass die Lage prekär ist. Artikel auf Seite 2
Noch in diesem Semester sollen an der ganzen „F“U letztmalige Prüfungstermine für Studierenden in den auslaufende Magister- und Diplomstudiengängen festgelegt werden. Teilweise soll schon nächstes Jahr Schluss sein – ungeachtet der Tatsache, dass das selbst bei größter Anstrengung für viele nicht zu schaffen ist. Betroffen sind über 1.000 Studierende. Widerstand formiert sich. Bedeutend sind die Möglichkeiten zur Härtefallbehandlung. Artikel auf Seite 4
Lizenz Die Unitopia erscheint unter der CreativeCommons BY-NC-SA Lizenz. Alle Inhalte dürfen unter Nennung der Quelle für unkommerzielle Zwecke und unter den gleichen Lizenzbedingungen weiterverwendet werden. Mitstreiter_innen gesucht Für die nunmehr dritte Printausgabe, an der zur Zeit gearbeitet wird, suchen wir weiter interessierte Mitschreiber_ innen. Wenn ihr Lust habt oder erst einmal einfach nur vorbeischnuppern wollt, schreibt uns einfach eine Mail. Ein Projekt des Bildungsprotests
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Unitopia Kompakt #2 - HartzIV für Unis
Hartz IV für Unis? Alles zu den Hochschulverträgen
Die neu abgeschlossenen Berliner Hochschulverträge führen zu weiteren Finanzierungsengpässen. Der Druck wird insbesondere auf die Studierenden weitergegeben: Die öffentliche Finanzierung der Uni hängt jetzt maßgeblich vom Durchschleusen der Studierenden in Regelstudienzeit ab. Für viele Beschäftigte sieht es nicht weniger finster aus. In Dahlem vergammeln derweil die Gebäude. Selbst die „F“U-Leitung räumt ein, dass die Lage prekär ist. Am 10. Januar 2014 wurden nach einem ebenso langen wie intransparenten Verhandlungsprozess die Hochschulverträge für die Jahre 2014-17 zwischen dem Land Berlin und den Universitätsleitungen unterzeichnet.[1] Diese regeln die Finanzierung der Hochschulen aus Landesmitteln. Die knappen Mittelzuwächse, die in den Verträgen vereinbart wurden, reichen nach Aussagen der „F“U-Leitung „bestenfalls“ dazu, den prekären Status Quo im laufenden Betrieb aufrechtzuerhalten. Zur Größenordnung: Die „F“U soll über ihren Hochschulvertrag im Jahr 2014 insgesamt maximal etwa 308 Mio. EUR - größtenteils an Leistungen gebundene Mittel - bekommen, davon etwa 273 Mio. Landes- und 35 Mio. Bundesmittel - wenn alle geforderten „Leistungen“ erbracht werden; 2017 können es maximal 330 Mio. insgesamt werden. Zusätzlich werden an der „F“U etwa 120 Mio Drittmittel eingeworben. Als wichtig erachtete Infrastrukturprojekte können damit nicht in Angriff genommen werden, von neuen Stellen ganz zu schweigen. Wie üblich schlägt sich die quer durchs parteipolitische Spektrum beliebte „Mehr Investitionen in Bildung“-Rhetorik nicht in tatsächlicher Ausfinanzierung der Unis nieder. Stattdessen fasst sogar das selten kritische „F“U-Präsidium die nun fortgeführte Logik der Hochschulverträge mit Verweis auf die jüngsten Erfahrungen pointiert so zusammen: „Die Universitäten mussten also in den vergangen [sic] Jahren mit real weniger Mitteln eine gleichbleibende Struktur finanzieren, welche wachsende Leistungen erbringen musste, um das Maximum der real geringeren Mittel erreichen zu können.” [2]
Hochschulverträge: Was wurde vereinbart, was bedeutet das?
Nach mündlich und auf Powerpoint-Präsentationen in mehreren Gremiensitzungen wiederholten Angaben der „F“U-Leitung hängen künftig 27 % der Landesmittel - also fast der gesamte von LehrLeistungskriterien abhängige Anteil von 34 % - von der Anzahl der Studierenden innerhalb der Regelstudienzeit ab. Im Bachelor beispielsweise bedeutet dies, dass jede_r Studierende, die oder der in einem auf 6 Semester angelegten Studiengang mehr als zwei Semester überzieht, der Uni zumindest kein Geld mehr bringt. Ungleich geringer veranschlagt ist gleichzeitig der gegenläufige Anreiz für die Unis, über das Leistungskriterium Studienabschlüsse (ca. 5 %) auch Studierende nach Ablauf der Regelstudienzeit noch in Richtung eines erfolgreichen Abschlusses zu fördern. [3] Hierbei ist zu bedenken, dass die gerne hieraus gestrickte Sachzwanglogik („Wir müssen euch in Regelstudienzeit durchbringen, da ihr uns sonst Geld kostet“) auf dem „Kopfpauschalenprinzip“ der berlinweiten Kapazitätsverordnung beruht. Danach werden für die Berechnung von anzubietenden Studienplätzen auch die pro Semester offenbar weniger Lehrveranstaltungen „nachfragenden“ länger Studierenden den „Regelstudis“ gleich einberechnet. Erstere würden somit den für die Uni finanziell attraktiveren Studieninteressierten rein rechnerisch Studienplätze „wegnehmen“ - was eben nur an der wenig plausiblen Rechenweise liegt und eher vorgeschoben ist. Durch die schon praktizierte „Überbuchung“ von Studienplatz-Kapazitäten beim Zulassungsverfahren unter Berücksichtigung der tatsächlichen Auslastung lässt sich dieses Hindernis leicht umgehen.
So oder so führen „Minderleistungen“ hier noch nicht zum totalen Kollaps, da die maximalen Kürzungen des Landes hierdurch auf 5 % der Maximalsumme gedeckelt sind. Bei rund 300 Millionen Euro Landesmitteln pro Jahr bedeutet das aber bis zu 15 Millionen Euro im Jahr, die plötzlich wegfallen können. Durch Übererfüllung der
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Leistungsvorgaben können einzelne Unis nur dann Boni gewinnen, wenn gleichzeitig bei anderen durch Leistungs-“Defizite“ Mittel gekürzt werden. [4]
Zudem haben die Berliner Hochschulen jedoch eine „Halteverpflichtung“ für die derzeitigen Studienplatzkapazitäten und deren tatsächliche Auslastung (!) unterzeichnet. [5] Damit sind Kürzungen über die 5 % hinaus bzw. unabhängig von den sonstigen Leistungskriterien nicht nur möglich, sondern auch sehr wahrscheinlich. Dass einem direkten Studienplatzabbau ein Riegel vorgeschoben wird, ist aus Studierendensicht zunächst natürlich vorteilhaft; verbunden ist dies aber durch den zweiten Teil der Verpflichtung damit, dass jeder - aus welchem Grund auch immer - unbesetzt bleibende Studienplatz direkt zu Mittelkürzungen für die Universität führt. Auch unvermeidliche natürliche Schwankungen in der Nachfrage nach Studienplätzen reißen somit sofort Löcher in den Etat und gefährden somit den laufenden Unibetrieb. Mehrere Tausend Studienplätze hängen außerdem von zeitlich begrenzten Bundesgeldern im Rahmen des Hochschulpakts ab - diese könnten in wenigen Jahren wegfallen. Überhaupt wird durch diese Mittel derzeit ein wesentlicher Teil der eigentlich in Länderverantwortung liegenden Grundfinanzierung gedeckt. Sollte das Programm nicht verlängert werden, sieht es mittelfristig düster aus für das chronisch klamme Land Berlin und seine Unis. Über diese knappe Überlebensration hinaus sollen weitere Gelder in Form von Drittmitteln durch öffentliche (DFG, Bundesministerien, Exzellenzinitiative) oder private Investor_innen vor allem in „Leuchtturmprojekte“ an ausgewählte Universitäten fließen. Dementsprechend wurden nach Präsidiumsangaben weitere 20 % der Landesmittel an die Drittmitteleinwerbung der Universitäten gekoppelt. „Regelstudienzeit“-Faktor und Drittmittel-Einwerbung machen so zusammen bereits 47 % der eigenen Berliner Landesmittel für die Hochschulen aus. Auch im Lehrbereich ist eine ganz bestimmte Leistungslogik vorgesehen. Dabei ist das zentrale Kriterium der „Regelstudienzeit“ schon an sich ein problematisches - nicht nur, dass faktisch eine Mindeststudienzeit zugrunde gelegt und zur Norm erklärt wird, sondern dass das Studium hiermit vorwiegend Zeiteffizienzkriterien unterworfen werden soll. Im Zweifelsfall soll eher schnell als gründlich studiert werden; der schnelle Abschluss wird dem Erkenntnisgewinn als Studienziel übergeordnet. Dies liegt schon in der Grundlogik der Finanzierungsbemessung nach Leistungskriterien: Nur direkt messbare, also quantifizierbare Kriterien können hierfür zur Rate gezogen werden. Qualität der erlangten Bildung ist statistisch schließlich nicht feststellbar. Bemühungen um ein freieres und selbstbestimmteres Studium wird hier ein strukturelles Hindernis entgegengestellt. Rücksicht auf diejenigen, die etwas länger brauchen, wird gleichzeitig zu einem vorgeblich nicht mehr leistbaren „Luxus“.
Die politische Logik der Hochschulfinanzierung
Das Grundprinzip, auf dem die Verträge fußen, ist ein Leistungsfetisch: Die öffentliche Grundfinanzierung für die Unis wird - bei „Topleistungen“ nach ökonomischen Kriterien zur Optimierung für den „Weltmarkt“ - auf bescheidenem Niveau bestenfalls stabil gehalten oder - andernfalls - zusammengekürzt. Die Hochschule landet im besten Fall genau am Existenzminimum, andernfalls darunter.
Hartz IV für Unis - Unitopia Kompakt #2 Zum alternativlosen „Sachzwang“ erhoben, führt das zu einem immer weiter beschleunigten Hamsterrad für alle Hochschulangehörigen, das inzwischen auch jedes kritische und demokratische Leben in den Hochschulen und die Mitbestimmung nahezu abtötet. Die Sanktionen sind etwas sanfter als die im Rahmen von Hartz IV für Erwerbslose angesetzten und verursachen nicht direkt phyischen Hunger, folgen aber ansonsten einer ähnlichen Logik: Leiste oder darbe. Dass die gestellten Leistungsanforderungen schon strukturell nicht ständig von allen erfüllt werden können und es somit ungeachtet aller Anstrengungen Verlierer_innen geben muss, ist dort wie hier Teil des Systems, wird jedoch selten betont.
Leidtragende der Entwicklung sind nicht zuletzt auch die prekär Beschäftigten an der „F“U: Weiterhin werden viele Dienstleistungen an private Firmen mit mäßig bezahltem Personal „outgesourct“. Erhebliche Teile des Lehrbetriebs werden durch Lehrbeauftragte und Privatdozierende fast oder völlig zum Nulltarif geleistet. Im akademischen Mittelbau gibt es fast keine „regulären“, entfristeten Arbeitsverträge mehr - gerechtfertigt wird dies stets mit Verweis auf die finanziellen Sachzwänge. Die Betroffenen müssen teils tatsächlich mit Hartz-IV-Mitteln „aufstocken“ oder gar überhaupt davon leben. Für sie ist die Metapher in der Überschrift dieses Artikels unmittelbare Realität.
Durch die Wettbewerbslogik werden eine ungleiche Entwicklung, mitunter immer ungleichere Startvoraussetzungen festgeschrieben: Wer einmal im Drittmittelrennen ins Hintertreffen gerät, bekommt anschließend auch zusätzlich die öffentliche Finanzierung gekürzt, kann möglicherweise kaum noch den Betrieb aufrechterhalten und hat infolgedessen auch bei weiteren Drittmittelanträgen einen „Standortnachteil“. Dementsprechend gab Kanzler Lange unlängst zu verstehen, dass die „F“U sich auch in ihrer Selbstdarstellung dieser Logik unterwirft und im Zweifelsfall lieber geschönte Zahlen präsentiert als eigene „Schwäche“ einzugestehen. Der Öffentlichkeit wird damit suggeriert, die finanzielle Lage der Uni sei schon in Ordnung - und die Politik kann sich auf die Schulter klopfen.
Der Widerspruch wird auch von anderer Seite verdeutlicht: So beklagen sich Uni-Leitung und Professor_innen etwa im Akademischen Senat einerseits regelmäßig darüber, dass sich die „F“U anders als andere Berliner Unis „am Ende“ immer selbst habe helfen müssen oder geholfen habe (ein „hochschulpatriotischer“ Neu-GründungsMythos im Rahmen des letztlich erlangten „Exzellenz“-Titels der „F“U). Denn: Sie sei vom Land Berlin im Wettbewerb mit den anderen immer (zusätzlich) benachteiligt worden und habe selbst zusätzliche Anstrengungen - wie die Erlangung des „Exzellenz“-Titels - unternehmen müssen, um sich über Wasser zu halten. Andererseits bemerken auch sie, dass dadurch der Berliner Politik in quasi selbst erfüllender Prophezeiung zusätzlich der Eindruck vermittelt wird, dass die „F“U gar keine (zusätzliche) Hilfe benötige und noch mehr im Wettbewerb um Landesmittel benachteiligt werden könne. [6] Ob sich die „F“U ihrer eigenen Verantwortung hierfür noch bewusst ist, wenn sie dennoch geradezu sklavisch und mehr als die anderen Hochschulen die „Unternehmisierung“ ihrer selbst bis zur Selbstaufgabe bis zum Ende geht und all ihren Mitgliedern auf Gedeih und Verderb auferlegt, sei dahin gestellt.
Die „F“U-Leitung verhandelt lieber allein
An einer Stelle im Verhandlungsprozess lagen dann selbst im „F“UPräsidium die Nerven blank: Im Sommer wurden eilig die Mitglieder des Akademischen Senats zu einer Sonderveranstaltung zusammengetrommelt, deren letztlich erreichtes Hauptziel die Verabschiedung einer Resolution bzw. eines Appells an den Berliner Senat war. [7] Darin ging es vorrangig um die überfällige Sanierung eines Chemiegebäudes in der Takustr. - einziger großer Artikel auf der „Wunschliste“, die die „F“U eingebracht hatte -, für die mittlerweile eine Art „Anschubfinanzierung“ erreicht wurde, mehr bisher nicht.
Ansonsten wurde die Hochschulöffentlichkeit einschließlich der gewählten Gremien konsequent vom Verhandlungsprozess ausgeschlossen und auch auf wiederholte Nachfragen bestenfalls in Form von nebulösen Wasserstandsmeldungen von Präsident Alt und Kanzler Lange „informiert“. Die Geheimniskrämerei sollte verhindern, dass durch öffentliche Debatten die „starke“ Verhandlungsposition des Präsidiums unterlaufen wird. Damit wurde auch darauf verzichtet, öffentliche Unterstützung für eine Ausfinanzierung der Unis zu mobilisieren. Wie so oft scheint die Strategie am Ende gescheitert: Das Präsidium nahm eine schwache Verhandlungsposition gegenüber dem Berliner Senat zum Nachteil der „F“U und insbesondere der Studierenden in Kauf, um seine starke alleinige Stellung innerhalb der „F“U nicht aufgeben zu müssen. Es hatte den Sparambitionen des Senats so offenbar wenig entgegenzusetzen.
Was kommt auf uns zu?
Das Ergebnis muss nun die ganze Universität ausbaden. Aktuell arbeitet schon eine mehrheitlich professoral zusammen gesetzte Entwicklungs- und Planungskommission (EPK) an der „F“U, die ausloten soll, wo die nächsten Kürzungen vorgenommen werden. Denn dass der „beste Fall“ einer Aufrechterhaltung des Status Quo eintreten wird, halten nach eigenen Aussagen nicht mal Kanzler Lange oder Präsident Alt für wahrscheinlich. Lange rechnet bereits mit einem Millionendefizit. Ob hierfür doch noch öffentliche Stellen einspringen, ist offenbar unklar. Vor der Kommission werden seit dem letzten Jahr alle Fachbereiche und Zentralinstitute zum Verhör geladen; dieser Prozess wird demnächst abgeschlossen. Falls ihr davon noch nichts mitbekommen habt, liegt das nicht an euch: Die Kommission tagt unter Ausschluss der Öffentlichkeit und soll möglichst wenig Aufsehen erregen. Ob bei euch demnächst wieder eine Professur oder andere Stellen eingespart werden sollten oder doch eher im Fachbereich nebenan, wird dort lieber ohne euch erörtert.
Wer mehr wissen will
[1] http://www.berlin.de/sen/bjw/presse/archiv/20140110.1145.393354.html
[2]zitiert nach der vom Präsidium erstellten Begründung einer Kuratoriums-Beschlussvorlage im August 2013: http://fuwatch.de/wp-content/uploads/2013/08/ Kurat.-Beschlu%C3%9Fvl.-P-23.08.13-Stand-der-Hochschulvertragsverhandlungen. pdf
[3] Aufgrund der auch später in diesem Artikel thematisierten Intransparenz und mangelhaften Informationspolitik der „F“U können wir diese Zahlen leider nicht verifizieren; das relative Gewicht der verschiedenen Kriterien wird auch aus den veröffentlichen Vertragsdokumenten (Beschlussvorlage für das Abgeordnetenhaus: http://www. parlament-berlin.de/ados/17/Haupt/vorgang/h17-0926-v.pdf) nicht ersichtlich, wir können uns hier nur auf mündliche Auskünfte und in Gremiensitzungen gezeigte Powerpoints des Präsidiums, darunter Peter-André Alt und Kanzler Peter Lange, zu verschiedenen Zeitpunkten des Verhandlungsprozesses beziehen. [4] Beschlussvorlage (s. Fußnote 2), S. 175
[5] siehe Seite 23 der Beschlussvorlage (§ 5, Abs. 1+2)
[6] vgl. Äußerungen von Vizepräsidentin Schäfer-Korting, die sich sogar zur Aussage verstieg: „Wir sind perfekt. Und ein perfektes Kind bekommt eben keine Zuwendung mehr.“ (http://www.tagesspiegel.de/wissen/hochschulvertraege-fu-berlin-fordertchemie-bau/8500466.html) [7] Der Resolutionstext ist unter http://www.fu-berlin.de/presse/informationen/ fup/2013/fup_13_212/index.html zu finden; für eine zusätzliche studentische Version, die sich stärker auf die politische Bedeutung der Verträge bezieht, siehe: http:// www.astafu.de/content/studentische-stellungnahme-zu-den-hochschulvertragsverhandlungen-f%C3%BCr-die-jahre-2014-%E2%80%93-2017
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Betriebsbedingte Kündigung für Studis - Unitopia Kompakt #2
Betriebsbedingte Kündigung für Studis – Letztmalige Prüfungstermine für „alte“ Studiengänge Im 2011 novellierten Berliner Hochschulgesetz sieht ein Passus die Festlegung von letztmaligen Prüfungsterminen für auslaufende Magister- und Diplomstudiengänge durch die Hochschulen vor, nach denen diese endgültig aufgehoben werden sollen. [1] Auf ein Schreiben des Präsidiums, welches sich auf die Berliner Senatsverwaltung beruft, sollen diese Termine nun noch in diesem Semester dezentral von den Fachbereichen für ihre jeweiligen Studiengänge festgelegt werden.
Das Präsidium rechnet dabei mit der Formel „letztes Immatrikulationsdatum plus doppelte Regelstudienzeit plus zwei Semester“ [2]: eine Frist, die bei einigen Studiengängen schon abgelaufen wäre, weswegen hier eine Mindestfrist von drei Semestern ab Beschlussfassung vorgesehen wird. Damit lägen die meisten vom Präsidium an die Fachbereiche vorgeschlagenen Deadlines im September 2015. Dies ist eine nicht bindende Vorgabe, von der die Fachbereiche auch abweichen können. Betroffen sind davon noch über 1.000 Studierende.
Knüppel zwischen die Beine der Studierenden
Dies erscheint nicht zuletzt als bequeme Möglichkeit, sich eines Teils der gerne unter dem abwertend gemeinten Begriff „Langzeitstudierende“ zusammengefassten Studierenden mit verschiedensten Lebensumständen und Lebensentwürfen zu entledigen, die ihre „Regelstudienzeit“ bereits überschritten haben und für die die Universitäten kein Geld mehr bekommen. Die betreffenden Diplomund Magisterstudiengänge werden allerdings nicht mehr - wie BA/ MA und „fortbestehende Staatsexamens- und Diplomstudiengänge“ - in den Berechnungen der neuen Hochschulverträge für Leistungskriterien erfasst, sorgen hier also auch nicht für Verluste. [3] Übersehen wird dabei ebenfalls gern, dass die Hochschulen das Geld für das Studium der betreffenden Studierenden längst mit den vorherigen Hochschulverträgen bis 2013 erhalten haben. Letztere nehmen zudem die gleichen Lehr- und Betreuungsleistungen eben über einen längeren Zeitraum verteilt statt auf wenige Semester konzentriert in Anspruch. [4] Um dieser studentischen Lebensrealität zu entsprechen, wurde 2011 im Berliner Hochschulgesetz auch die Möglichkeit zum Teilzeitstudium eingeführt [5], dessen Umsetzung die „F“U-Leitung bisher zum Nachteil aller Studierenden verhindert. Die plötzlich geplanten kurzen Fristen an der „F“U bilden erhebliche Hürden zum Studienabschluss. Zur Veranschaulichung: Das Abschlussverfahren etwa in einem Magisterstudiengang beansprucht schon im besten Fall und in der schnellsten Verfahrensvariante regulär zwei Semester; entsprechende Klausurtermine werden nur in großen Zeitabständen angeboten, erfordern also längerfristige Planung. Wer sich aufgrund anderer Verpflichtungen nicht über Nacht auf ein Vollzeitstudium einstellen kann, wird entsprechend länger brauchen. Wer etwa eine (Teil-) Prüfung nicht besteht, kann in diesem engen Zeitrahmen kaum das in der Magisterprüfungsordnung verbriefte Recht auf eine Prüfungswiederholung wahrnehmen. Und für alle, die derzeit noch nicht scheinfrei sind, also vor der Abschlussprüfung noch einige Lehrveranstaltungen oder Seminararbeiten absolvieren müssen, bedeutet eine Drei-Semester-Frist schlicht: Pech gehabt, du bist raus. Möglich ist in dem Fall bestenfalls noch die Bewerbung auf einen Bachelor-Studienplatz – womit diejenigen, die fast alle Diplom- oder Magisterscheine beisammen hatten, nun einen kaum halb so hoch gewerteten Abschluss anstreben könnten, für den sie in der Regel wiederum einige Jahre stu-
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dieren müssten, da beim „kompetenzorientierten Lernen“ in den neuen Studiengängen häufig andere Qualifikationen gefragt sind, für die keine Leistungen aus dem vorherigen Studium anrechenbar wären.
Wichtig zu wissen: Anspruch besteht gemäß Gesetz auf eine Härtefallregelung, die Rücksicht auf die individuellen Lebensumstände von Betroffenen nimmt. Doch eine klare Regelung hierzu auf Fachbereichsebene ist in den bisher bekannt gewordenen Beschlussentwürfen im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften und Mathe/Informatik nicht vorgesehen. Da damit zu rechnen ist, dass die meisten jetzt noch verbliebenen Studierenden auf die eine oder andere Weise (Berufstätigkeit, Kindererziehung, Pflegetätigkeit, chronische Krankheit oder Behinderung, hochschulpolitisches Engagement etc.) besondere Härte geltend machen können, gibt es für viele theoretisch noch Hoffnung. Gleichzeitig legt diese Diagnose einen Grund dafür dar, die pauschalen Fristen nach hinten zu verschieben: Wem nützt es, sich überall auf aufwändige Einzelverfahren einzulassen, wenn der Härtefall eigentlich der Regelfall ist?
Organisation und Vernetzung für Betroffene
Widerstand regt sich nun auf der Ebene der Fachbereiche. Im Fachbereichsrat Wirtschaftswissenschaften etwa, wo die Frist in vier Semestern ablaufen soll, legten die Studierenden am 15.01.14 ein suspensives Gruppenveto gegen den entsprechenden Satzungsbeschluss ein, weil die professorale Gremien-Mehrheit dort Argumenten wie üblich nicht zugänglich war. Ohne hinreichende Diskussion, Beteiligung der Studierenden und Einbezug der Ausbildungs-Kommission wollte sie einen Eilbeschluss für letztmalige Prüfungstermine durchsetzen. [6] Ein Spiel, das sich an anderen Fachbereichen wiederholen dürfte. Im Fachbereich Mathe/Informatik wurde der Beschluss am 15.01.14 zunächst vertragt. Betroffenen möchten wir zunächst Folgendes raten: Vernetzt euch mit anderen in eurem jeweiligen Studiengang und kontaktiert eure Vertreter_innen im jeweiligen Fachbereichsrat (bzw. in den Zentralinstituten mit dem Institutsrat). Findet raus, wann Beschlüsse anstehen und besucht die betreffenden Sitzungen. Diese sind prinzipiell öffentlich. Versucht, neben einer entsprechend späteren Deadline-Festlegung auch eine angemessene Härtefallregelung zu erreichen. Macht den Fachbereichen klar, dass auch für sie kostspielige Klagewellen wesentlich mehr Ärger bedeuten als eine großzügigere Fristsetzung. Es gibt keinerlei Not für eine frühe Festlegung „letztmaliger“ Prüfungen. Wendet euch für Unterstützung an die Hochschul- und die Rechtsberatung des AStA (siehe www. astafu.de). Gerne könnt ihr zwecks politischer Organisation auch uns kontaktieren unter Bildungsprotest.FU@riseup.net.
Wer mehr wissen will
[1] siehe BerlHG § 126 Abs. 5 Satz 4 und 5 (http://gesetze.berlin.de/?vpath=bibdata% 2Fges%2FBlnHG%2Fcont%2FBlnHG.P126.htm) [2] mündliche Auskunft von Vizepräsident Bongardt in der Kommission für Lehrangelegenheiten, 14 Januar 2014 [3] S. Hochschulverträge Seite 173 - 178: http://www.parlament-berlin.de/ados/17/Haupt/vorgang/h17-0926-v.pdf Siehe auch vorheriger Artikel über die Hochschulverträge. [4] So auch längst belegt in der Diskussion um Studiengebühren und „Langzeit“-Gebühren: http://www.abs-bund.de/argumente [5] § 22 Abs. 4 BerlHG: http://gesetze.berlin.de/default.aspx?vpath=bibdata%2Fges% 2FBlnHG%2Fcont%2FBlnHG.P22.htm [6] Siehe http://www.fsiwiwiss.de/blog/2014/01/15/fsi-wiwiss-legt-veto-gegenletztmalige-pruefungstermine-fuer-diplommagister-im-fbr-ein/