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Gibt es Green Cruising?

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Elternalltag

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TEXT Bettina Landl

Abhängig davon, in welcher »Bubble« man lebt, kann einen die Nachricht überraschen: Die Kreuzfahrt ist in Mode. Im Hinblick auf deren Klimabilanz könnte man meinen, dieser Wirtschaftszweig würde derzeit durch Auflagen und Druck von KonsumentInnen zum Einlenken gezwungen, doch nur ein kleiner Teil der Schiffsflotte wird sauberer. Das Gros der Branche setzt weiterhin auf Schweröl und verzichtet auf den Einsatz von Abgastechnik. Mit dem Pariser Klimaabkommen hat sich die Weltgemeinschaft auf Klimaschutzziele verständigt, wonach bis 2050 fossile Energie durch regenerative ersetzt werden soll. Seit vielen Jahren wird versucht, einen Kraftstoff zu entwickeln, der sauber verbrennt, bezahlbar ist und klimaneutral hergestellt wird, um nachhaltige Schifffahrt möglich zu machen, auch im Hinblick auf den weltweit beliebten Kreuzfahrttourismus.

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GEGENSTEUERN »Die 15 größten Seeschiffe der Welt stoßen jährlich mehr schädliche Schwefeloxide aus als alle 760 Millionen Autos weltweit«, heißt es in der »Zeit« Nr. 36/2017. Die Behauptung geht

Machen die neuen Antriebstechnologien die Kreuzfahrtbranche umweltschonender?

auf die Kampagne »Mir stinkt’s – für eine saubere Kreuzschifffahrt« des Naturschutzbunds Deutschland (nabu) aus dem Jahr 2012 zurück, in der eine umgehende und strenge Begrenzung des Ausstoßes von Luftschadstoffen gefordert wird, so wie es an Land zumindest Fortschritte im Bezug auf die Grenzwerte für den Straßenverkehr gibt. Allerdings wurde der NABU für die der Rechnung zugrunde liegende Annahme der weltweit in Verwendung befindlichen Pkw kritisiert – es waren damals und sind auch heute wohl deutlich über eine Milliarde. Doch erst im Sommer 2019 hat wieder eine Studie – diesmal des Thinktanks Transport & Environment – diese Grundaussage bestätigt und mit einem ähnlichen Beispiel für Europa illustriert: Allein die Schiffe des Kreuzfahrtanbieters Carnival haben in Europa mehr Schwefeldioxid emittiert als alle Personenkraftfahrzeuge (d. h. nicht nur Autos, sondern etwa auch Busse) auf dem Kontinent. Schiffe sind tatsächlich für einen größeren Teil der Schwefeloxidemissionen verantwortlich als Autos. In den sozialen Medien bezieht man sich aktuell wieder auf diesen Vergleich, angeheizt von der Debatte um schmutzige Dieselautos und deren Einfluss Cruise Lines International Association (CLIA), der weltweit größte Handelsverband der Kreuzfahrtbranche, hat im April 2019 seine neueste Statistik vorgelegt: Ein Plus von fast sieben Prozent von 2017 bis 2018 und insgesamt 28,5 Millionen Passagiere zeigen, dass die Kreuzfahrt im internationalen Tourismus eine wichtige Rolle spielt und weltweit wächst.

auf die Luftqualität. Und schon in wenigen Jahren werden Schwefeloxide aufgrund schärferer Umweltgesetze im Straßenverkehr praktisch keine Rolle mehr spielen, denn seit geraumer Zeit wird an Tankstellen zunehmend schwefelarmer, seit 2008 in der EU, den usa und Japan nur noch schwefelfreier Treibstoff angeboten. In China und Indien läuft die Umstellung derzeit. Nur bei Seeschiffen verläuft die Abkehr vom Schwefel deutlich langsamer. Mindestens so schädlich für Umwelt und Gesundheit sind außerdem auch andere Schadstoffe. Neben dem Treibhausgas CO 2 sind das vor allem Stickoxide und Feinstaub. Auch dabei schneiden Seeschiffe schlecht ab. Sowohl an Bord als auch in den Häfen erzeugen sie gesundheitsschädliche Feinstaub- und Stickoxidemissionen, die weit über jenen Grenzwerten liegen, die im Straßenverkehr gelten. Schiffe stoßen sowohl an Bord als auch in den Häfen gesundheitsschädliche Feinstaubund Stickoxidemissionen aus, Angetrieben werden sie meist mit Schweröl, einer drecki»Trotz des großen Handlungsdrucks angesichts der Klimakrise bringen die AnbieterInnen noch immer weitere Riesenschiffe auf den Markt, die mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden.« Spanien, Italien, Griechenland, Frankreich und Norwegen sind jene EU-Staaten, die am stärksten von den durch Kreuzfahrtschiffe ausgestoßenen Luftschadstoffen betroffen sind. Mehr Informationen dazu im Bericht »One corporation to pollute them all« des Thinktanks transportenvironment.org. LNG steht für liquefied natural gas; Methangas

gen Pampe, die auf dem Boden der Raffinerien zurückbleibt und (derzeit noch) bis zu 3,5 Prozent Schwefel enthalten darf. Ausnahme: In seca-Gebieten (Schwefelemissionsüberwachungsgebieten) darf nur noch Treibstoff verwendet werden, der bis zu 0,1 Prozent Schwefel enthält. Ab 2020 will die Internationale Schifffahrtsorganisation imo den Schwefelausstoß auch auf hoher See – außerhalb der seca-Zonen – reduzieren: von früher 3,5 auf 0,5 Prozent Schwefel. Schiffsreeder sind (dann erst) aufgefordert, den Schiffsantrieb umzustellen und schwefelfreien Treibstoff, Katalysatoren und Abgasfilter zum Einsatz zu bringen. An fehlender Technik liegt es nicht. Dass sich die Schifffahrt so lange gegen Umweltauflagen wehren konnte, liegt auch an ihrer Internationalität, denn Grenzwerte können nur global durchgesetzt werden.

NEUE TRIEBKRÄFTE MOBILISIEREN Seit Dezember 2018 setzt die aidanova, ein Kreuzfahrtschiff der Marke aida Cruises, das 2019 als erstes Kreuzfahrtschiff mit dem Blauen Engel für ein umweltfreundliches Schiffsdesign ausgezeichnet wurde, auf Flüssiggasantrieb. Damit macht aidanova den Anfang im Hinblick auf eine zu erwartende Umrüstung der Flotte. Der Haken dabei: Auch das verwendete Flüssiggas (lng) ist weiterhin ein vollständig fossiler Brennstoff, der teilweise mit erheblichen Eingriffen in die Umwelt gewonnen wird. Für gewöhnlich wird das Erdgas in Rohrleitungen von einer Erdgasförderstätte zu einem lng-Terminal in einem Hafen transportiert, wo es gespeichert, aufbereitet und durch Herunterkühlen verflüssigt wird. Erdgas enthält in der Regel eine Mischung aus Methan und schwereren Kohlenwasserstoffen sowie Stickstoff, Kohlendioxid, Wasser und weitere Bestandteile wie Schwefelverbindungen. In lng-Terminals wird das Flüssigerdgas im tiefkalten Zustand in isolierten Lagertanks (meist zylindrische Flachbodentanks) und unter atmosphärischem Druck bis zum weiteren Transport zwischengespeichert. Das lng wird danach durch Umladen auf kleinere Tanker oder nach einer Umwandlung in den gasförmigen Zustand in

Auch das in der AIDAnova verwendete Flüssiggas (LNG) ist ein vollständig fossiler Brennstoff, der teilweise mit erheblichen Eingriffen in die Umwelt gewonnen wird. LNG gilt daher als Übergangstechnologie.

Rohrleitungen zu einem weiteren Verteiler (Hub) oder direkt zu Ferngasgesellschaften weitertransportiert und findet so unter anderem in der Schifffahrt Abnehmer. Problematisch ist also nicht nur dessen Gewinnung, sondern auch dessen Einsatz, denn hinzu kommt der sogenannte Methanschlupf, bei dem das hochpotente Klimagas Methan in die Atmosphäre entweicht. Somit bietet der Gasantrieb zwar in puncto Luftschadstoffminderung unbestreitbare Vorteile gegenüber Marinediesel und Schweröl, nicht jedoch in Hinblick auf die Klimabilanz der Flotte. lng gilt eher als mittelfristige Übergangstechnik. Nach aktuellem Stand reduziert lng den für die Klimaerwärmung problematischen Ausstoß von klimawirksamen Gasen (insbesondere CO 2 und Methan) um sechs bis im Idealfall maximal 20 Prozent. Die Hybridtechnik schafft nach Angaben der Betreiber 14 Prozent.

PERSPEKTIVENWECHSEL Weder Urwaldrodungen zur Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen noch die Verknappung der Verfügbarkeit dieser Rohstoffe als Lebensmittel können die Antwort auf den hohen Verbrauch von fossilen Energieträgern sein. Die zentralen Kritikpunkte an der Verbrennung von Agrosprit – also von Kraftstoffen aus landwirtschaftlichen Erzeugnissen wie Mais, Raps, Weizen und Palmöl für Ottound Dieselmotoren – würden auch für deren Einsatz in der (Kreuz-)Schifffahrt gelten. Nach wenig erfolgversprechenden Versuchen auch mit Kraftstoffgewinnung aus Abfall, Reststoffen oder auch Algen wird nun mit synthetischen Kraftstoffen experimentiert, die auf Wasserstoff als Grundprodukt setzen. Die Wasserstoff- und Brennstoff

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Die leuchtend rote Tomaten-Polpa grüßt Dich dampfend aus dem Kochtopf. Ihr süßer Duft entfaltet sich. Ein wenig Salz nach Bedarf. Wenn überhaupt. Der fruchtige Geschmack der Bio-Tomate erzählt vom Hochsommer auf dem toskanischen Landgut LaSelva und auf den Feldern der 13 Anbaupartner aus der Region. Die Feldfrüchte kommen als Passata, Polpa oder geschält ins Glas. Sie verwandeln sich zur würzigen Basis für Salsa-Kreationen mit Artischocken, Basilikum und Oliven. Auch für Pesto, Tomatensaft oder Ketchup mit Balsamico wird das Fruchtfleisch vorbereitet. Der intensive, natürliche Tomaten-Geschmack ohne Zusätze ist bis heute die Besonderheit in der Verarbeitung bei LaSelva. LaSelva Bio-Feinkost verlost 10 x 30 Euro–Gutscheine für den Onlineshop.

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DAS PARISER KLIMASCHUTZABKOMMEN 2015 einigten sich 196 Staaten darauf, die Erderwärmung bis 2100 auf »deutlich unter zwei Grad« gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Laut einer Analyse des Climate Action Trackers (CAT) aus dem Dezember 2018 ergreifen davon jedoch nur sieben Staaten ausreichende Maßnahmen: Marokko, Gambia, Bhutan, Costa Rica, Äthiopien, Indien und die Philippinen.

zellentechnologie entwickelt sich zu einer echten Alternative für die spezifischen Bedürfnisse der Schifffahrt. Grundlage bilden standardisierte Einheiten, die modular aufgebaut sind und durch Zusammenschalten zu beliebigen Leistungsgrößen skaliert werden können. Die so entstehenden Energiemodule sollen künftig die Grundlage eines dezentralen Netzes an Bord bilden. Die Brennstoffzelle ist ein elektrochemischer Energiewandler. Es wird chemische Energie direkt, ohne Umweg über mechanische Energie, in elektrische Energie umgewandelt. Darüber hinaus hat Wasserstoff den entscheidenden Vorteil, in der Natur nahezu unendlich vorhanden zu sein und außerdem klimaneutral hergestellt werden zu können. Und da Wasserstoff per Elektrolyse von Wasser mithilfe von regenerativem Strom freigesetzt wird, reden WissenschaftlerInnen hier von »strombasierten Kraftstoffen« bzw. von E-Fuels oder Power-to-X.

KLIMANEUTRALE VERBRENNUNGSMOTOREN Zunächst braucht man regenerativen Strom – am besten überschüssigen Wind- oder Solarstrom, den das Netz nicht aufnehmen kann. Damit wird Wasser per Elektrolyse in Sauerstoff (O 2 ) und Wasserstoff (H 2 ) gespalten – das ergibt als ersten Grundstoff Wasserstoff. Im zweiten Arbeitsschritt wird dieser Wasserstoff mit Kohlendioxid (CO 2 ) verbunden, das zum Beispiel als Abfallprodukt aus anderen industriellen Prozessen entstanden ist oder aus der Umgebungsluft extrahiert wird. Mögliche Endprodukte sind synthetischer Diesel, synthetisches Benzin und synthetisches Gas. Die Herstellung erfolgt derzeit noch in geringen Mengen, etwa in Forschungs- und Pilotprojekten. Die bekannteste Anlage steht im norddeutschen Werlte, wo Audi mit Industriepartnern klimaneutrales, synthetisches E-Gas produziert.

Gegen eine baldige Markteinführung auf breiter Front sprechen der schlechte Wirkungsgrad, die aufwendige, also teure Herstellung und fehlende Industrieanlagen. ExpertInnen sehen das Einsatzgebiet von E-Fuels aufgrund des schlechten Wirkungsgrads nicht im Pkw, sondern in Transportbereichen, wo weder ein Elektro- noch ein Brennstoffzellenantrieb infrage kommen. Das wäre vor allem in Flugzeugen und Schiffen der Fall. Der Grund: In Flugzeugen oder Schiffen müsste man so extrem große Batterien oder Wasserstofftanks mitführen, dass vom Transportvolumen zu wenig übrig bliebe. Synthetische Kraftstoffe hingegen beanspruchen wegen ihrer hohen Energiedichte nicht mehr Raum als Kerosin oder Diesel und wiegen auch nicht mehr.

WICHTIGE REGULATOREN IM UMWELTSCHUTZ Der nabu erfasste dieses Jahr erstmalig Technologien zum Klimaschutz im Bereich der Antriebe und der Energieversorgung. Einzig zwei Segelschiffe sowie jene Schiffe, die über einen Landstromanschluss verfügen und über diesen ihren Energiebedarf während der Liegezeit im Hafen mit Strom aus erneuerbaren Quellen speisen, schneiden hier besser ab. Zu bedenken ist bei derartigen Rankings aber, dass die Zahlen nicht immer einem Faktencheck standhalten (siehe oben).

Die »Roald Amundsen« der Reederei Hurtigruten AS fährt seit Juli 2019 und ist das weltweit erste Kreuzfahrtschiff, das mit einer Kombination aus Batterien und Marinedieselöl als Treibstoff unterwegs ist. Mit einem Hybridantrieb, einer Kombination aus dieselelektrischem und reinem Elektroantrieb, gespeist aus Akkumulatoren – ein Schiff, das zumindest auf kurzen Strecken emissionsfrei übers Meer fährt. Dafür müssen die vier Schiffsschrauben zunächst Strom erzeugen, der in 120 Lithium-Ionen-Akkus unter Deck gespeichert wird. Sobald

genug Energie verfügbar ist, fährt der Computer die Leistung der Dieselmotoren zurück. Dafür sorgt das sogenannte Power Management System, das steuert, wie viel Energie erzeugt und wieder verbraucht wird. Die Werte sind im späteren Betrieb steigerbar: Derzeit sind weniger als 20 Prozent des für Akkus vorgesehen Platzes tatsächlich bereits bestückt. Damit ist ein Fahrbetrieb im reinen Elektromodus für 20 bis maximal 30 Minuten möglich. Wegen der derzeit enorm schnellen Entwicklung in der Akkutechnik sind leistungsfähigere Generationen in Aussicht, aber vermutlich in vielerlei Hinsicht ähnlich kritisch zu sehen wie die Vorgängermodelle, denn (Hochleistungs-)Akkus stellen wiederum für sich ein Umweltproblem dar.

Vor allem beim Bau der Batterie können große Mengen an Energie verbraucht und CO 2 ausgestoßen werden. Zudem gelangen Umweltgifte bei der Produktion in die Natur und die nötigen Metalle werden bekanntlich häufig unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen abgebaut.

Die neue Gesamtedition

KEINE KREUZFAHRT OHNE UMWELTVERSCHMUTZUNG Dem Traum von einer umweltschonenden Kreuzfahrt sind Grenzen gesetzt. Trotz des großen Handlungsdrucks, unter dem die Weltgemeinschaft angesichts der Klimakrise steht, bringen die AnbieterInnen noch immer weitere Riesenschiffe auf den Markt, die allesamt mit fossilen Kraftstoffen betrieben werden. Die Branche handelt (noch) unzeitgemäß und verantwortungslos, auch sind viele Schiffe heute mit jahrzehntealtem technischen Standard unterwegs.

Eine umfassende Reduktion von Luftschadstoffen ist heute technisch möglich. Es ist höchste Zeit, saubere Abgastechnik auf allen Schiffen zu verbauen und zur gesetzlichen Vorschrift für das Einlaufen in Häfen zu machen. Die Steuerbefreiung mariner Kraftstoffe muss dringend beendet, die Anforderungen an Energieeffizienz der Schiffe angehoben werden. Nur so können die Entwicklung und der flächendeckende Einsatz emissionsfreier Antriebstechnologien auch in der Schifffahrt vorangetrieben werden. Schlussendlich liegt die Wirkungsmacht auch in diesem Fall bei den VerbraucherInnen. Mit Sicherheit ist die Reduktion von Schadstoffemissionen ein notwendiger Schritt in Richtung nachhaltige Schifffahrt, aber ein Konzept, das sich den Namen »Green Cruising« verdient, ist umfassender angelegt.

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