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Gegen die Gigantonomie

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Elternalltag

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TEXT UND BILD Valentina Dirmaier

Expeditionsreisen auf Minikreuzfahrtschiffen liegen als Alternative zu Urlauben auf Riesenschiffen im Trend. Auch im Kleinformat kann der Massentourismus zur Gefahr für Natur und Tier werden – wie ein Blick auf die Galápagos-Inseln zeigt.

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6800 Gäste passen auf die »Symphony of the Seas« – aktuell das größte Kreuzfahrtschiff der Welt.

Mehr Menschen, mehr Laufmeter und größere Flotten. Der Massentourismus auf dem Meer wächst sich in immer neue Sphären aus. Etwas mehr als 28 Millionen PassagierInnen wurden weltweit im Segment Schiffsreisetourismus im vergangenen Jahr gezählt. 30 Millionen sollen es 2019 werden, prognostiziert der Weltverband der Kreuzfahrt-Reedereien (clia). Pauschalurlaub auf Wasser floriert.

Abseits von Andrang und Auswüchsen treibt die Industrie neue Blüten: Expeditionsreisen. Beispielsweise zur Antarktis. Das Konzept: weniger Gäste, exklusive Destinationen, gehaltvolleres Programm und intimeres Umfeld. Mehr Tiefgang in der Unterhaltung. Mitunter schweift das Programm auf den eigens dafür gebauten Yachten, Minikreuzfahrtschiffen und Segelbooten in die Wissenschaft ab: MeeresforscherInnen referieren.

Nachhaltigkeit wird versprochen. Oder gepredigt. Danach treten Stars aus der Unterhaltungsbranche auf. Den Gästen wird vieles geboten. Auch sagenhaft schöne Natur. Leckerbissen, die exklusiv nur einem bestimmten, zahlungskräftigen Publikum vorbehalten sind. Die Branche richte sich und ihr Angebot bereits danach aus, sagt clia-Deutschland-Sprecherin Caroline Schröder.

UNBERÜHRTE NATUR Szenenwechsel auf die Galápagos-Inseln. 3488 EinwohnerInnen wurden im Jahr 1972 auf den fünf Inseln des Archipels dokumentiert. 40 Jahre später waren es mehr als 25.000. Die Folgen des rasanten Wachstums: Infrastrukturprobleme, Umweltverschmutzung, Konflikte. Expeditionsreisen gibt es hier längst. Um die Archipele mit ihren Riesenschildkröten, Leguanen, Pinguinen, Robben machen die klassischen KreuzfahrerInnen einen großen Bogen. Gigantisch dürfen nur Tiere und Natur sein – nicht die Boote und Yachten, die zwischen den Eilanden verkehren. Sie sind streng limitiert – 80 Bootslizenzen gibt es. Sie werden unter strengen Richtlinien vergeben und unter

FLORA UND FAUNA AUF GALÁPAGOS 40 Prozent der Pflanzen und 80 Prozent der Tiere sind endemisch. Sie kommen nur auf Galápagos vor, so auch der Darwinfink.

NATIONALPARK GEBÜHR 100 US-Dollar (der Preis gilt für TouristInnen, nicht wohnhaft in Ecuador, über zwölf Jahre) müssen TouristInnen bei ihrer Einreise auf einem der beiden Flughäfen auf den Galápagos-Inseln bezahlen. Von dort aus geht es mit den Expeditionsschiffen weiter. liegen den Vorgaben der Nationalparkbehörde: So dürfen die von Satelliten überwachten Boote innerhalb von 14 Tagen ein Ziel nur einmal ansteuern.

Eine notwendige Maßnahme in einem höchst fragilen Ökosystem, das immer wieder auf der Kippe steht: Nach einem Tankerunglück 2001, bei dem ein Frachtschiff 250 Tonnen Öl verlor, rief die unesco den Notstand aus. Erst Anfang November 2019 lief vor den Galápagos-Inseln wieder ein TouristenInnenschiff auf Grund. Ob die Umwelt Schaden genommen hat, ist noch unklar. Auch wenn es sich um Wasserfahrzeuge im Kleinformat handelt – intensiver Waren- und Personenverkehr sind Gift für sensible Ökosysteme. Durch Tourismus und Transport eingeschleppte Parasiten, Tier- und Pflanzenarten richten enorme Schäden an, wie Sabine Tebbich und Birgit Feßl bestätigen. Die Biologinnen der Veterinärmedizinischen Universität Wien forschen auf den Galápagos-Inseln im Landvogelschutzprogramm und beobachten die Veränderungen durch den Massentourismus.

50 Prozent betrug der BesucherInnenanstieg innerhalb von zehn Jahren: 2017 wurden 241.800 Gäste gezählt. »Das größte Problem

Strenge Regeln: Nur kleine, meist sehr luxuriöse Kreuzfahrtschiffe mit Lizenz sind auf den Galápagos zugelassen.

sind die erhöhte Mobilität von Leuten und Gütern und die Gefahr, neue Arten und Krankheiten in ein bestehendes System einzubringen. Je mehr Boote, desto höher das Risiko«, sagt Birgit Feßl. Der Anstieg der BesucherInnenzahlen bleibt nicht ohne Folgen: Tierarten, die es nur auf den Galápagos-Inseln gibt, sterben aus. Der Rubintyrann, ein Verwandter des Darwinfinken, könnte bald durch die Philornis-Krankheit ausgerottet werden. Alarmzeichen, auf die die Regierenden in Quito mit strengeren Regelungen für den Tourismus reagierten.

Die Schiffe werden von naturfreundlicheren Motoren angetrieben und vor der Jungfernfahrt generalgereinigt. Die Maßnahmen reichen bis hin zur Bewusstseinsbildung der PassagierInnen. Nach jedem Landgang auf einer Insel müssen die Schuhe gewaschen werden, damit keine Samen oder Erde verschleppt werden. Dann, nach den Ausflügen, werden die zur Umsicht getrimmten UrlauberInnen zum allabendlichen Vortrag in Kamingesprächsatmosphäre geladen. Offen ist aber auch hier, ob das Ökosystem mit den 80 Booten pro Tag in einer Zieldestination umgehen kann.

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