BIORMA 74 – DEUTSCHLANDAUSGABE

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AUSGABE 74 — AUGUST / SEPTEMBER 2021. WWW.BIORAMA.EU — DEUTSCHLANDAUSGABE

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DIE 7 LEBEN DES HEIZKÖRPERS

Postfossil: Wie wir raus aus Öl kommen. Soziale Kälte: Wer sagt, was wohltemperiert ist? Goldene Käfige: Ein Katzenleben im Komfort. Kühle Köpfe: Die Erderwärmung braucht ein Gesprächsklima.

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M I T I M K LI M A SC H U T Z PAK E T: GESUNDER BODEN Dem Boden nicht mit Gewalt mehr abringen, als er bereit ist zu geben. Ihm in Form von Kompost samt Regenwürmern das zurückzugeben, was er braucht, um wieder Gutes hervorzubringen. So wird der Boden zum CO 2-Speicher und damit zum Klimaschützer. Und ganz sicher keine chemisch-synthetischen Spritzmittel, wo es doch gegen jeden Schädling einen Nützling gibt. Danke, sagt der Boden im Namen der Artenvielfalt. Aus unseren gesunden, lebendigen Bio-Böden ernten wir unsere Produkte und das schmeckt man. So beginnt Klimaschutz bereits auf dem Teller.

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E D I T O R IA L , IM P R E SSU M

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BITTE WENDEN!

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ür alle österreichischen Haushalte, die ­zwischen 2009 und 2019 noch eine der 50.000 von der GmbH »Heizen mit Öl« vergebenen Förderungen für den Tausch einer alten auf eine neue Ölheizung in Anspruch nehmen wollten, lieferte die bis 2019 maßgeblich von der OMV finanzierte Initiative eine beruhigende Perspektive zur künftigen Weiternutzung der neuen Kessel: »Die Zukunft für ­fossiles Heizöl ist daher Heizöl aus alternativen Quellen.« (Geschäftsführer der Heizen mit Öl GmbH auf iwo-austria.at) Ab 2022 ist der Einbau von Ölheizungen im Neubau und bei Sanierungen in Österreich verboten, in Deutschland ab 2026. Ab 2035 soll auch der Betrieb solcher in österreichischen Ein- und Mehrfamilienhäusern verboten sein, ab 2040 dort auch der für Gasheizungen. Ausnahmen bestätigen in beiden Staaten die Regeln.

BILD  BIORAMA /MI CHAEL MICKL

Eine Industrie wird nicht müde, uns mit ­hilfreichen Fragen und Antworten zu einem relevanten Posten in den CO2-Budgets und zunehmend auch in Haushaltsbudgets vieler zu versorgen: »Erdgas ist im Vergleich zu Öl deutlich umweltschonender« (der staatliche schwedischen Energiekonzern Vattenfall auf vattenfall.de). Oder mit großräumigen Ablenkungsversuchen wie: »Auch energieeffizient sanierter Wohnraum muss bezahlbar bleiben. Ein geeigneter Maßstab, um die Handlungs­ optionen zu bewerten, sind daher die technologieneutralen CO2-Vermeidungskosten. Dafür werden die Modernisierungsausgaben und die dadurch vermiedenen Treibhausgasemissionen zueinander ins Verhältnis gesetzt.« (Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e. V. auf bdew.de) Unser aller Zielsetzung einer Dekarbonisierung des Energiesektors lässt sich nicht mit Neutralität gegenüber Technologien zur Verbrennung auch künftig vor allem fossiler Energieträger erreichen.

Die Heizung verbraucht die meiste Energie in einem Haushalt und verursacht so am meisten CO2-Emissionen. Wir können die Klimaziele nicht erreichen, ohne unsere Energiequellen für Heizung und Warmwasser zu verändern und unserem Energieverbrauch gleichzeitig auch maßgeblich zu verringern. Wir wünschen gute Lektüre!

Irina Zelewitz, Chefredakteurin zelewitz@biorama.eu

Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber

IMPRESSUM HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Andrea Heistinger, Florian Jauk, Ursel N­ endzig, M ­ artin Mühl, Jürgen Schmücking, Werner Sturmberger, Alex Syen, T­ homas Weber GESTALTUNG Nanna P­rieler, Selina Schobel L­EKTORAT ­Mattias Feldner COVER Nanna ­Prieler ANZEIGENVERKAUF ­Tanja Grossauer-Ristl, ­Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIEN­ INHABERIN Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@ biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT www.biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE biorama ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. biorama erscheint sechs Mal im Jahr.


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AU F TAK T

74 INHALT

03 Editorial 06 Street Talk 10 Richtig gut heizen »Raus aus Öl« – aber wohin? Was für Wärmepumpen, Pellets oder Fernwärme spricht; und was dagegen. 17

Wie die Wärmewende gelingt Elisabeth Dütschke vom Fraunhofer ivv über Innovationen und Irrationalitäten.

21 Heizungstausch Eine Einzelerfahrung. 23 Wann ist wem kalt? Temperaturempfinden ist individuell, aber trainierbar. 26 Was Wohnungskatzen wollen Lässt sich eine Katze artgerecht ausschließlich drinnen halten?

EIN GEFÜHL VON WÄRME

Elisabeth Dütschke vom Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme weiß, dass Wissen allein für eine Transformation nicht reichen wird.

34 Lösungen – am Markt

finanziert

Unternehmen gegen ein gesellschaftliches Problem. 38 Buch- und Filmtipps Empfehlungen, Warnungen. 42 Neue Wiener Heurigenkultur Wo Stadtlandwirtschaft gedeiht, aber vom Flächenverbrauch bedroht ist. 46 Tierisch schlecht Aufblasbares Wasserspielzeug ist kaum frei von Problemstoffen. 53 Capsule Wardrobe – Project 333 Reduktion im Kleiderschrank. Ein Selbstbeschränkungsversuch. 58 »Magic Fermentation« Zwei Rezepte und ein Buchtipp mehr, um endlich mit dem Fermentieren zu beginnen.

MARKTPLATZ

23 WANN IST WEM KALT?

Wohlfühlzone: Im Schnitt verfügen Männer über mehr Muskelmasse, ein günstigeres Verhältnis von Hautflächen zu Volumen und eine dickere Haut.

56 Marktplatz Kosmetik Bevor es kalt wird, hat sich unsere Versuchs-Redaktion testweise noch schnell die Hände eingeschmiert. 62 Marktplatz Food Woraus und wozu Gewürzmischungen sind.

KOLUMNEN 45 Mischkultur 64 Aus dem Verlag 66 Elternalltag

BILD ISTOCK/SO LOV YOVA – BE ARBE ITUNG: S ELI NA SCHOB EL, S CREE NS HOT, YOU TUBE .CO M/COLLEGEH UMO R, BIORAMA/JAUK, ISTOCK/BEYHANYAZAR

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30 Klimakultur braucht Orte Kühlraum: Eine Waldoase auf versiegelter Fläche.


Lassen Sie sich den Kultursommer 2021 nicht entgehen!

30 KLIMAKULTUR

53 MINIMALISTiNNENSCHRANK

33 Teile für drei Monate. Das Project 333 ist eine Spielart der Capsule Wardrobe.

Tausende Menschen haben beim Kultursommer 2021 schon das Comeback der Lebensfreude in Wien genossen. Noch bis 15. August erwartet das Publikum ein Programm, das an Vielfalt nicht zu überbieten ist: Musik aus allen Stilrichtungen, Theater, Literatur, Performance, Kabarett und vieles mehr bei freiem Eintritt. Neu ist heuer der Bank Austria Kultursommer-Club bei der Donaustadtbrücke, wo bei wummernden Bässen so richtig gefeiert werden kann. Und wer Stempel von verschiedenen Locations im Kultursommer-Pass sammelt, kann Kultur-Gutscheine für den Herbst gewinnen. Infos: 01 34 35 814 oder www.kultursommerwien.at

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Das Breathe Earth Collective sucht und schafft kühle Orte, an denen der Klimakrise kreativ und positiv entgegengetreten (3-G-Regel) wird.

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GASSE N G E SP R ÄCH

STREET TALK WIR FRAGEN, 9 ERWÄRMENDE ANTWORTEN.

»WANN DREHST DU DIE HEIZUNG AUF – UND WANN AB?« INTERVIEW UND BILD FLORIAN JAUK

FANNY,

41, Hausfrau Ich versuche, relativ wenig zu heizen. Auch aus Gesundheitsgründen, weil man besser schläft und seltener krank wird, aber auch um Ressourcen zu sparen. Ich glaube, dass ständiges H ­ eizen im Winter nicht dem Biorhythmus entspricht. Im Sommer ist es heiß, da isst man weniger und trinkt mehr, im Winter isst und schläft man mehr. Ich stelle die Gasheizung im November an und im März wieder aus. Wenn es außerhalb dieses Zeitraums nicht mehrere Tage in Folge kalt ist, schalte ich sie nicht ein und ziehe mir ­warme Kleidung an, besonders an den Füßen. Ich denke, es ist Gewöhnungssache, wie komfortabel man das findet.

FLORIAN,

41, Angestellter Ich mag es gerne kalt, in der Wohnung habe ich eine Temperatur von 19 Grad. Normalerweise schalte ich die Heizung erst im November ein und im ­Februar oder März wieder ab. Ich heize kurz und bekomme jedes Jahr Geld zurück. Ich wohne in einem Altbau und bekomme von unten auch ein wenig Wärme. Bevor ich die Heizung einschalte, beiße ich durch, ziehe mich wärmer an und meine Kinder haben sich auch daran gewöhnt, dass die Heizung auf relativ niedriger Temperatur läuft. Die Nachbarn kommen irgendwann im ­Oktober und sagen, wir sollen doch bitte die Gastherme einschalten, die­in meiner Wohnung steht und für Wärme in der gesamten E ­ tage sorgt.

und ich habe elektrische Zusatz-­ fußbodenheizungen im Bad, in ­der Küche und im Schlafzimmer, die ich bei B ­ edarf einschalte. ­­Ich ­heize sehr umweltfreundlich und verwende für meinen Kachelofen nur Buchenholz. Wann ich mit dem Heizen beginne, ist ­unterschiedlich. Ein Haus kühlt ja schneller ab als eine Wohnung. Dieses Jahr habe ich sogar bis ­Anfang Juni geheizt. In der Küche und im Badezimmer habe ich die B ­ odenheizung im Winter immer ein wenig temperiert, im Schlafzimmer nur, wenn es sehr kalt ist. Im Frühling, im März oder April, schalte ich als Erstes die elektrische Heizung ab, mit dem K ­ achelofen heize ich länger. ­Er braucht zwar lange, bis er die Wärme abgibt, aber er hat die ideale Wärme für mich. Ich habe ein kleines Bankerl neben diesem Ofen, auf das ich mich gerne setze.

ALEXANDRA,

HELGA,

81, Pensionistin Ich habe einen wunderschönen alten Kachelofen. Ich heize fast nur mit diesem Kachelofen

48, Sonderschullehrerin Ende Oktober stelle ich sie an, aus stelle ich sie meistens im März. Wir haben eine Gas-Zentralheizung. Manchmal verkürzen wir die Heizdauer, denn wir sind mitten in einem Mehrparteienhaus, und ganz ehrlich, wenn die Nachbarn mehr heizen, heizen wir oft weniger. Ich bin ein totaler Frischluft-Junkie, ich brauche ganz viel Licht und frische Luft. Viel kürzer heizen, als wir das tun, wäre nicht möglich.


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GASSE N G E SP R ÄCH

STREET TALK WIR FRAGEN, 9 ERWÄRMENDE ANTWORTEN.

HERMANN,

81, Pensionist Bei mir ist die Heizung, die ich einschalten kann, zweitrangig. Denn ich habe zwei Kachelöfen im Haus. Zuerst kommt der Kachelofen Ende September, die Elektroheizung schalte ich nie vor Mitte Oktober ein. Heuer habe ich bis in den Mai geheizt. Für den Kachelofen brauche ich zirka vier Raummeter Buchenholz. Mein Tipp: Zuerst warm anziehen und erst wenn es richtig kalt ist, einheizen.

lassen, weil wir über Erdwärme dem Boden die Energie nehmen. Auf unserem Grundstück liegen in eineinhalb Metern Tiefe Heizschläuche, die, sobald die Heizung eingeschaltet ist, Energie aus der Umgebung nehmen. Im Sommer regeneriert sich der Boden ­wieder, die Temperatur steigt und ­­ im Winter nimmt man sie wieder aus dem Boden. Wir nutzen diese Heiztechnik seit dem Bau unseres Hauses vor ungefähr 15 Jahren. Die Kosten sind niedrig, die Anschaffung ist einmal relativ aufwendig, da man rund um den Grund die Heizschlange verlegen muss. Danach halten sich die ­Kosten in Grenzen. Zusätzlich ­haben wir auch einen Kamin, der separat für eine angenehme Wärme am Abend sorgen kann.«

THOMAS,

47, arbeitet im Sozialwesen Immer wenn es kalt ist, schalte ich die Heizung ein, und wenn es warm genug ist, wieder aus, oft auch kurzfristig. Meistens beginne ich im November und heize bis in den April hinein. Wir haben einen Fernwärme-Anschluss.

KLAUS, GABI,

TOBIAS,

25, Trailbuilder für Freeski– und Mountainbike-Strecken »Im Sommer dreh ich sie nur auf, wenn ersichtlich ist, dass eine lange Periode kommt, wo es kalt ist. Und sonst im Winter. Ich lebe in Tirol, da geht das Heizen natürlich recht früh los, also Ende Oktober, Anfang November. Aber wir schauen, dass wir das so lange wie möglich hinauszögern, weil wir auch unseren Boden regenerieren

53, Flugbegleiterin Wir fangen frühestens im Oktober zu heizen an, im März schalten wir die Gastherme wieder aus, dazwischen ist sie immer auf 20 Grad eingestellt. Wenn wir wegfahren, schalten wir sie auf 1­ 8 Grad zurück. Wir haben außerdem einen Holzofen im Wohnzimmer. Wir versuchen, das Heizen mit Gas so lange wie möglich hinauszuzögern, unter anderem, indem wir uns eine Schicht mehr anziehen. An alternativen Heizformen wäre ich sehr interessiert, Erdwärme etwa, aber es ist schwierig, das nachträglich bei einem Haus einzubauen.

53, Technischer Angestellter Ich habe eine Fernwärmeheizung vom Vermieter. Ich habe in dem Sinne keinen Heizkessel, keinen Brennstoff, keinen Ofen und keinen Kamin. Irgendwann im Oktober stecke ich den Stecker der Heizung an und irgendwann im Mai stecke ich ihn wieder aus. Ich muss mir so keine Sorgen um Holz, Öl und dessen Preis machen. Die Großheizung des Vermieters wird mit Hackschnitzeln betrieben. Mir ist aufgefallen, dass es in jedem Dorf diese kleinen Heizkraftwerke mit Hackschnitzeln gibt. Ich würde mich ehrlich gesagt nicht extra mit der Decke ins Wohnzimmer legen, damit ich mein Heizsystem später einschalte und Kosten spare.


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RICHTIG GUT HEIZEN TEXT Thomas Weber

»Da kannst du tausend Jahre den Deckel beim Wasserkochen auf den Topf draufgeben«, sagt Horst Danner, »der größte Beitrag der und des Einzelnen im Kampf gegen den Klimawandel ist es, die eigene Ölheizung und andere fossile Energieträger auszutauschen.« Wahrscheinlich würde nicht einmal m ­ ehr die Ölindustrie dem Sprecher von Holz ­die Sonne (hsh), einem Zusammenschluss von 100 Installations- und Dienstleistungs­ unternehmen, die sich ganz der Nutzung erneuerbarer Energien verschrieben haben, öffentlich widersprechen. Die »Wärmewende« hat längst begonnen. Die perfekte Lösung und pauschale Empfehlungen auf dem Weg ins postfossile Zeitalter gibt es allerdings nicht. Schließlich lässt sich ein im Nachkriegschaos eilig aus dem Boden

gestampftes Mehrparteienhaus energetisch nicht mit einer Altbauwohnung im denkmalgeschützten Biedermeierbau vergleichen. Und ein frei stehendes Gehöft hat andere Anforderungen als eine in die Jahre gekommene Reihenhaussiedlung. Alle eint einzig, dass es die darin Wohnenden gerne behaglich haben, also: warm. »Entscheidend für eine erfolgreiche Wärmewende sind Energieeinsparungen und Energieeffizienz«, sagt Julia Verlinden, bei den Grünen in Deutschland für Energie­ politik zuständig: »Mit moderner, nachhaltiger Bauweise bzw. Sanierung kann der Energiebedarf zum Beheizen der Gebäude erheblich verringert werden. Dann wird es umso leichter, die Wärme zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu gewinnen.«

BILD  ISTOC K. COM/ STUARTBUR, LU KBAR, PAL AU83, TE TIA NA MYKHAILY K

Spät, aber doch hat die Politik die Parole »Raus aus Öl« ausgegeben. Die Gesellschaft versucht, sich vom Verbrennen fossiler Gase und von Erdöl zu verabschieden. Welche Alternativen sind wirklich gut?


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STROM-INFRAROTHEIZUNG

PELLETS

Am Plafond oder an Zimmerdecken angebrachte Infrarotpaneele erwärmen nicht die Luft, sondern Wände und Möbel.

Holzreste und Sägespäne werden zu Pellets gepresst, verbrannt und erzeugen so Wärme aus Industrieabfällen.

So funktioniert’s: während Heizsysteme üblicherweise darauf abzielen, die Luft in Räumen zu erwärmen, senden strombetriebene, als Spiegel oder Bilder getarnte Infrarotheizungen ausschließlich Infrarotwellen aus. Diese erwärmen Menschen, Wände und Möbel, die selbst Wärme speichern.

So funktioniert’s: über ein Fördersystem gelangen Pellets aus einem Lagerraum in den Heizkessel. Dort werden sie verbrannt. Die dabei entstehende Energie gelangt über einen Wärmetauscher ins Heizwasser. Dieses zirkuliert über eine Umwälzpumpe im Haus (Heizkörper).

Großer Vorteil: in der Anschaffung günstig und leicht einzubauen.

Großer Vorteil: Pelletskessel heizen vollautomatisch und ersetzen oft Ölkessel. Auch geeignet für Bauten, die nicht gut gedämmt werden können (Denkmalschutz).

Geeignet für: sehr gut gedämmte Häuser (Passivhäuser), Ferienhäuser, die nur kurz geheizt werden müssen, oder als »räumliche Insellösung« zum Beispiel zum Heizen eines Hobbyraums oder um es im Badezimmer kurz wärmer zu haben.

Geeignet für: Gebäude mit hohem Wärmebedarf und Platz. Voraussetzung: Der Lagerraum für einen Pelletsjahresvorrat muss trocken sein. Klarer Nachteil: Platzbedarf.

Klarer Nachteil: »Eine Infrarotheizung ist immer an das Medium Strom gebunden und damit eins zu eins an den Strompreis gekoppelt«, so Andrea Kraft von der niederösterreichischen Energie- und Umweltagentur. Ein gleichmäßiges Raumklima lässt sich schwer erreichen. »Die Behaglichkeit, die versprochen wird, gibt es oft nicht«, sagt Horst Danner (hsh), der auch selbst Infrarotheizungen anbietet. Potenziell problematisch: wird kein Ökostrom verwendet, handelt es sich derzeit oft um eine fossile oder mit Atomstrom betriebene Heizform. Außerdem rechnet Andrea Kraft infolge des Booms der Elektromobilität mit »deutlich steigenden Strompreisen und einem Verdrängungswettbewerb um Strom«. Wie klima- und umweltfreundlich ist sie? Zentrale Frage bleibt: Welcher Strom wird in Wärme umgewandelt? Außerdem: Womit wird das Haus gedämmt? Mit ökologischen Materialien oder mit Polystyrol?

Potenziell problematisch: bei allen holzbasierten Heizsystemen entsteht – vielfach allerdings nicht messbar – Feinstaub. Der Streit darüber, wie klimafreundlich Pellets sind, wird zum Richtungsstreit in der Wärmewende: Während HerstellerInnen und Politik mit einem »klimaneutralen Heizstoff« werben, forderte der prominente Förster Peter Wohlleben zuletzt: »Wir sollten die CO2-Steuer dringend auf Holz ausdehnen.« Im Spiegel-Interview nannte er die »Holzverbrennung zur Energieerzeugung (...) eine Umweltsünde«. Wie klima- und umweltfreundlich sind sie? Entscheidende Frage: Woher kommt die pelletierte Biomasse? Werden wirklich Abfall und Schadholz verbrannt oder importiertes Holz von Kahlschlägen? »Es gibt überall regionale PelletslieferantInnen und man kann gut regional kaufen«, meint Horst Danner (hsh), und: »Internationale Holzgeschäftemacher beschmutzen die Branche.«

Gut gedämmt? Die Gesetzgebung verpflichtet BauherrInnen bei Neubauten zum Dämmen. Auch Altbauten müssen beim EigentümerInnenwechsel gedämmt werden. Wärmebildkameras zeigen, wo Energie verloren geht. Bei einer Energieberatung wird individuell ermittelt, welche Maßnahmen effizient sind und wie sich der U-Wert (Wärmedurchgangskoeffizient) zum Beispiel durch ­dickere, dichtere Außenwände oder neue Fenster und Türen verringern lässt.


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Holzscheiter ermöglichen es, sehr effizient und unabhängig zu heizen, müssen aber händisch nachgelegt werden. So funktioniert’s: wie eine klassische Holzheizung mit Ofen, nur bei modernen Stückholzheizungen mittlerweile hocheffizient. Händisch nachgelegtes Holz verbrennt und gibt über einen Wärmetauscher Energie ans Wasser im Heizungssystem ab. Großer Vorteil: Holz ist ein effizienter Brennstoff. Er lässt sich gut lagern und garantiert Versorgungssicherheit und größtmögliche Unabhängigkeit. Weitgehend regionale Wertschöpfung (von der Heizungstechnik über Holz aus der unmittelbaren Umgebung) ist möglich. Geeignet für:»Personen, die gerne mit Holz hantieren und das Feeling des Holzes und einer Flamme haben«, benennt Andrea Kraft (Energie- und Umweltagentur Niederösterreich) die Zielgruppe. Kein Nachteil beim Heizen mit Holz: einen eigenen Wald zu besitzen. Klarer Nachteil: eine Stückholzheizung lässt sich – durch Wärmespeicherung – höchstens »halbautomatisieren«. Zwei Mal täglich muss händisch nachgelegt werden. Es fällt Asche an.

HACKSCHNITZEL Klein gehacktes Holz heizt Höfe, Hotels und Gewerbebetriebe – und im lokalen Wärmenetzwerk oft auch benachbarte Gebäude. So funktioniert’s: Eine Transportschnecke versorgt einen Heizkessel mit Hackschnitzeln aus dem Lagerraum (im Keller, im Erdreich oder in Silos und Nebengebäuden). Hohe Brenntemperaturen werden über Wärmetauscher ans Heizsystem weitergegeben. Großer Vorteil: »Ein gutes Heizsystem für Gegenden mit viel Wald«, meint Andrea Kraft von der Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich. Geeignet für: Landwirtschaftliche Betriebe und alle, die über viel Platz und einen eigenen Wald verfügen. Ermöglicht auch das Heizen von Ställen und Nebengebäuden. Günstig, wenn die Hackschnitzel selbst hergestellt werden oder ganz regional gekauft werden können. Klarer Nachteil: Großer Lagerraum erforderlich. Asche muss entsorgt werden.

Potenziell problematisch: oft sind die Herkunft des Holzes und die Wirtschaftsweise im Wald unklar. Regionale Herkunft bedeutet nicht zwingend nachhaltig. Billiges Brennholz aus Osteuropa ist mitverantwortlich, dass dort Europas letzte Urwälder gerodet werden.

Potenziell problematisch: Abgase lassen sich durch moderne Filteranlagen mittlerweile gut beherrschen. Um zu vermeiden, dass Holz importiert wird, meint Julia Verlinden, Energiepolitik-Sprecherin der Grünen in Berlin, dass »für Holzpellets und Hackschnitzel in erster Linie Alt- und Resthölzer möglichst aus der Region verwendet werden sollten«.

Wie klima- und umweltfreundlich ist sie? Ansichtssache. Einerseits ist Holz ein nachwachsender Rohstoff. »Holzverbrennung ist sogar klimaschädlicher als Kohleverbrennung«, meint hingegen Förster Peter Wohlleben: »Ein 50 oder 100 Jahre alter Baum, der abgehackt wird, hätte sein eingelagertes CO2 gehalten und laufend neues CO2 eingelagert, vielleicht noch 300 Jahre lang.«

Wie klima- und umweltfreundlich sind sie? Darüber wird heftig gestritten. Es steht die Aussage der CO2-Neutralität – weil nur verbrannt werde, was der Baum aus der Luft gespeichert habe – gegen die Aussage einiger AktivistInnen, die das – wie Förster Peter Wohlleben – für »einen weitverbreiteten Irrglauben« halten, weil jeder nicht gefällte Baum weiterhin CO2 gespeichert hätte.

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STÜCKHOLZHEIZUNG


WÄRMEPUMPE Wärmepumpen nutzen die Wärme von Grundwasser, Erdreich oder Außenluft. Voraussetzung: gute Gebäudedämmung. So funktioniert’s: im Erdreich vergrabene oder ins Grundwasser reichende Kollektoren mit Kühlflüssigkeit bzw. im Garten zum Luftansaugen aufgestellte Außeneinheiten leiten Umweltwärme ins Haus. Während die Kühle des Bodens und des Grundwassers im Sommer eins zu eins als »Natural Cooling« verwendet werden kann, muss die Wärme in der Heizperiode mit einem Kompressor durch Verdichtung auf ein höheres Temperaturniveau gebracht werden. Dafür werden für 100% Wärmeleistung etwa 25% aus Strom gewonnen. Wärme wird über Wände und Fußboden im Haus verteilt.

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Großer Vorteil: »Eine Wärmepumpe ist ein automatisiertes Heizsystem«, erläutert Andrea Kraft, Leiterin der Energieberatung der Energie- und Umweltagentur des Landes Niederösterreich. Zwar braucht sie Strom, doch vor Ort entstehen keinerlei Emissionen. Und: »Wenn sie mit Ökostrom betrieben werden, sind sie klimaneutral«, so Julia Verlinden, die Energiepolitik-Sprecherin der deutschen Grünen. Auch von Vorteil: Sie kann auch zum Kühlen genutzt werden (und lagert damit Sonnenwärme in der Erde ein). Geeignet für: Neubauten und gut gedämmte Einfamilienhäuser (mit Wand- oder Fußbodenheizung); als Großwärmepumpe auch für Industrieanwendungen oder Wärmenetze. Klarer Nachteil: bei nachträglichem Einbau weniger effizient. Brauchen Strom. Potenziell problematisch: die verwendeten Kühlmittel sind – derzeit – Treibhausgase. An Alternativen wird geforscht. »Manchmal sorgen im Siedlungsgebiet die Außeneinheiten von Luftwärmepumpen für Lautstärkeprobleme«, weiß Andrea Kraft. Auch relevant: Ist das Dämmmaterial eines Gebäudes ökologisch und kreislaufwirtschaftsfähig? Wird die Wärmepumpe mit Ökostrom betrieben? Wie klima- und umweltfreundlich ist sie?»Das A und O bei Wärmepumpen ist die Planung«, erläutert Horst Danner (hsh). Um effizient zu arbeiten, brauchen zum Beispiel Erdkollektoren genau die richtige Größe.

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NAHWÄRME / FERNWÄRME

Sonnenkollektoren am Dach oder auf der Fassade sorgen für Warmwasser und unterstützen ein Hauptheizsystem So funktioniert’s: wie das Wasser in einem in der Sonne liegenden Gartenschlauch erwärmt die Sonne die Trägerflüssigkeit in flachen oder röhrenförmigen Kollektoren. Über einen Wärmetauscher geben diese die Wärme an das Wasser in einem Wärmespeicher ab. Es kann direkt als Warmwasser verwendet werden – oder unterstützt eine Heizung. Großer Vorteil: Sonnenkollektoren nutzen effizient die Sonnenenergie vor Ort. Die Paneele stammen meist aus Mitteleuropa, sind langlebig, lowtech und wenig fehleranfällig. Für Warmwasser reichen bei einem Einfamilienhaus 5 m2 Fläche, zum Heizen braucht es bis zu 20 m2. Geeignet für: Einfamilienhäuser, aber auch größere Wohngebäude (sofern sich die EigentümerInnen beim nachträglichen Einbau einig werden). Klarer Nachteil: Solarthermie funktioniert – außer bei sogenannten Sonnenhäusern – nur ergänzend zu einem anderen Hauptheizsystem. In Schattenlagen oder nebelreichen Gegenden ist sie weniger gut geeignet. Energieüberschüsse (Sommer) lassen sich schlecht nutzen. Potenziell problematisch: nichts. Als frostsichere Trägerflüssigkeit kursiert ein lebensmittelechtes Glykolgemisch. Die Recyclingquote ist hoch. Selbst viel Schnee lässt sich durch spezielle Konstruktionen bewältigen. Wie klima- und umweltfreundlich ist sie?Wahrscheinlich die umweltfreundlichste Technik durch geringen technischen Aufwand, wenig graue Energie (für Herstellung, Transport etc.), keine Abgase und keine seltenen Erden in der Technologie.

So funktioniert’s: im Fern- oder Nahwärmewerk werden zentral Biomasse, Müll oder andere Brennstoffe verbrannt. Die gewonnene Energie zirkuliert im Heizwasser zwischen Werk und Haushalten, die keinen eigenen Heizkessel oder Schornstein brauchen. Großer Vorteil: Wärme wird einfach geliefert. Das ist komfortabel und weitestgehend ohne Gerätewartung möglich. Praktisch: Beim Verlegen von Nahwärmeinfrastruktur im ländlichen Raum werden parallel oft Glasfaserleitungen für schnelles Internet verlegt. Das ermöglichteffiziente Nutzung von Ressourcen. Geeignet für: Wohnungen und Einfamilienhäuser ebenso wie für Industrieanlagen, Schulen und Krankenhäuser. Klarer Nachteil: egal ob Nah- oder Fernwärme: Mit beiden Versorgungsformen geht in den allermeisten Fällen eine Fixbindung an ein einziges lieferndes Unternehmen einher. Und auch wenn Biomasse zum Einsatz kommt: »Nicht alle Heizwerke stehen wirklich dort, wo es auch Holz gibt«, bedauert Horst Danner (hsh). Potenziell problematisch: welche Brennstoffe die Wärme liefern, wird oft nicht kommuniziert. Das lässt sich beim anbietenden Unternehmen oder der Genossenschaft zwar erfragen (um Interesse und Bewusstsein zu signalisieren), wirklich ändern lässt sich daran von Einzelpersonen wenig. Fest steht: Der von der Politik forcierte Ausbau der Fernwärme ist für den Klimaschutz nur dann von Vorteil, wenn die Wärme dabei aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen wird. Wie klima- und umweltfreundlich ist sie? Die Bandbreite reicht von postfossil und weitgehend unbedenklich bis zu schwer problematisch. Womöglich tröstlich: Wärmenetzwerke sind meistens effizient.

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»MAN KANN VIEL ENERGIE BEIM ERKLÄREN SPAREN«

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Wenn wir eine Wärmewende wollen, müssen wir auch unsere Irrationalität einkalkulieren, meint die Psychologin und Expertin für Energietechnologien und Energiesysteme, Elisabeth Dütschke. BIORAMA: Was ist der verbreitetste Irrtum über unseren Energieverbrauch zur Wärmeerzeugung? Elisabeth Dütschke: Die Leute wissen sicher zu wenig über ihren Energieverbrauch, und was davon auf das Heizen zurückfällt. Was uns immer wieder in Befragungen auffällt, ist, dass viele Leute sehr akribisch ihren Müll trennen – was richtig und wichtig ist –, dass aber Mobilität und Raumheizung als ökologische Problemursachen eher unterschätzt werden. Mich ärgert, dass wir immer noch versuchen, so vieles technisch und ökonomisch zu lösen. Die Debatte um den Wasserstoff etwa ist für mich eine schwierige, denn sie lenkt ab. Wir überschätzen die Kraft vieler technischer Innovationen, zu viele einflussreiche Berechnungen gehen von rationalen Systemen aus und ignorieren, dass menschliche Entscheidungen, weder individuelle noch kollektive, niemals so ablaufen. Es ist ein technokratisches Verständnis. Ein verbreiteter Irrtum ist auch, dass der Weg zur Änderung nur daraus bestehe, die Leute bes-

ser zu informieren. Es hat nicht jeder für jedes Thema gleich viel Zeit und Lust und möchte hier ExpertIn werden. Wir sollten nicht so viel Vernunft voraussetzen. Man kann viel Energie beim Erklären sparen. Kann ich mich mit dem Wärmesektor beschäftigen, ohne mich zwangsläufig mit dem Energiesektor zu beschäftigen? Ja. Die erste große Frage sollte auf jeder Ebene sein: Wo können wir einsparen? Die Motive und Lösungen sind hier – leider – sehr individuell. Sie sind häufig auch nicht konsistent. In einer kürzlich durchgeführten Befragung von SolaranlagenbesitzerInnen hatten wir Leute, die die Anlage angeschafft haben, um ein Solarium damit zu betreiben, in das sie sich dann legen, wenn draußen die Sonne scheint. Andere nehmen die bauliche Änderung am Haus gleich zum Anlass, auch den ganzen Garten umzugraben und insektenfreundlicher zu gestalten. Der Mensch ist vernunftbegabt und andererseits so flexibel drin, die Welt zu deuten, wie es grade

INTERVIEW Irina Zelewitz


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reinpasst. Wir müssen aufpassen, wenn wir meinen, es gibt Einheitslösungen. Wir haben festgestellt, dass der Wärmesektor fragmentiert ist: Anbieter von nachhaltigen Heizungstechnologien und von Isolierungen sind wenig vernetzt. Das führt dazu, dass sie nicht gemeinsam die Wärmewende vorantreiben. Der Stromsektor ist anders organisiert und stark reglementiert, das hat es ermöglicht, die Erzeugung schon stärker umzubauen. Hier habe ich als KonsumentIn auch einen Hebel. Im Wärmesektor ist jede Veränderung der und des Einzelnen schnell von mehreren anderen AkteurInnen abhängig. Die vielen Einzelentscheidungen machen die Wärmewende so kompliziert.

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Wo soll man denn als Erstes schrauben? Am Gebäudestandard – hier kann man gar nicht zu gut werden. Überall, wo das möglich ist – und das sind viel mehr Gebäudetypen, als wir meinen –, sollten wir gar nicht mehr heizen und kühlen. Auch wenn einem das anders vorkommt: Die Sanierungsraten sind insgesamt niedrig. Wir müssen an die VermieterInnen rankommen und dafür sorgen, dass schneller saniert wird. Hierbei müssen wir Klimaschutz wieder in Einklang mit Umwelt und Nachhaltigkeit bringen. Umweltschutz, Klimaschutz und Klimagerechtigkeit können einzeln betrachtet schnell in unterschiedliche Richtungen weisen. Balancierte Antworten auf ­solche Zielkonflikte müssen auf gesellschaftlicher Ebene verhandelt und ­entschieden werden? Ja. Die Abwägung zwischen diesen Zielen braucht eine Koordinierung. Auch dass wir anderswo auf der Welt, aber auch etwa in Osteuropa, einen aus energetischer Sicht schlechteren Gebäudebestand haben, sollte uns in Deutschland und Österreich nicht von der Gebäudesanierung abhalten. Wenn nur Einzelaspekte betrachtet werden, werden wir zu langsam vorankommen. Zudem müssen wir weiterdenken: Gas etwa kann im unmittelbaren Vergleich ökologischer sein als eine Ölheizung, aber das kann kein Beitrag zur Klimawende sein. Glaubt denn noch jemand, dass ein Ausbau von Gas in der Versorgung von

19 Privathaushalten eine Ökologisierung bedeutet? Nein, vermutlich nicht. Aber Deutschland tut sich ja schwer damit, wie es in manchen Infrastrukturprojekten weitergehen soll. Wir brauchen nicht so zu tun, als bräuchten wir nur die richtige Option wählen. Wir sollten Optionen in einem sozialverträglichen Modell bekommen. Der Ausstieg aus Kohle, Gas »Wärmeversorgung ist kein und Ölheizungen Teil der Stadtplanung, und ein Umbau des Mobilitätssystems sie ist im Grunde sind die VoraussetPrivatsache.« zungen für gute Entscheidungen für eine — Elisabeth Dütschke relevante Menge von Menschen. Wie frei sind wir in den Richtungsentscheidungen zu unserer Wärme- und Energieversorgung – als Staaten(gemeinschaften) und als BürgerInnen? Wir haben etablierte Systeme, die stabil funktionieren, die dazu führen, dass Strom aus der Steckdose kommt und viele Autos produziert und wir mit Wärme versorgt werden. Diese Systeme spiegeln sich in der Politik wider, und es ist normal, dass sie Widerstand leisten gegen Veränderungen. Und anders geht es uns als Privathaushalten auch nicht. Was Menschen sehr gut können: sich an Veränderungen anpassen, wenn sie unter Druck geraten. Wir haben ja in der Pandemie zum Beispiel gesehen, was auf einmal möglich wird. Die Notwendigkeit einer Wärmewende und der Klimawandeldruck sind hoch, aber die Wirkung ist nicht so unmittelbar und kommt nicht so direkt dem zugute, der die Handlung tätigt, wie jemandem, der sich gegen Corona impfen lässt. Der Druck wird jetzt deutlich spürbar, doch wir zahlen mit Veränderungen auf ein Konto in der Zukunft ein. Sie leiten das Geschäftsfeld »Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems«. Wer sind denn diese AkteurInnen und ist ihnen die Zukunft egal? Diese AkteurInnen sind wir alle. Ich bin Akteurin als Wissenschafterin, Sie als Journalistin, die für Nachhaltigkeit arbeitet, und beide sind wir KonsumentInnen und WählerIn-

Elisabeth Dütschke leitet am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) das Geschäftsfeld Akteure und Akzeptanz in der Transformation des Energiesystems.


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nen. Es gibt auch noch PolitikerInnen und UnternehmerInnen usw. Verkürzt muss man ehrlich sagen: Als Menschheit überfordert es uns, langfristig geplant vorzugehen. Wir brauchen eigentlich auch unmittelbare Erfolge, sie sind beim Thema Wärmewende zu indirekt. Das Thema überfordert individuell und kollektiv. Die Waldbrände in Südeuropa hören nicht auf, wenn ich lerne, mit meiner Heizung bzw. meinem Thermostat umzugehen, mich gegen eine Klimaanlage entscheide oder Energieeffizienz in meiner Wohnungssuche stark berücksichtige. Das heißt, alle AkteurInnen müssen damit umgehen lernen, dass sie für viele Handlungen gute Gründe, aber keine unmittelbar sichtbare Belohnung haben können? Sobald man weiß, was einem wichtig ist, kann man einfach da anfangen, wo man die ersten Anknüpfungspunkte findet. Individuell bedeutet das: Auch wenn wir jeden Tag noch viele andere Dinge zu tun haben, haben wir doch immer wieder Gelegenheiten, uns einzubringen, einerseits bei Wahlen, andererseits am Tisch mit FreundInnen und Familie. Was spricht gegen das Thema: Hast du schon mal überlegt, die Heizung auszutauschen? Oder zu fragen, wer schon Erfahrungen gemacht hat und deswegen Tipps geben kann. Das ist die Stelle, wo die Veränderung letztlich passieren muss. Wir machen das für uns als Menschen und könnten offener sein, für Verbesserungen, die dort auftauchen, wo wir sie vielleicht gar nicht vorder-

gründig erzielen wollten. Wo weniger mit Kohle geheizt wird, wird unmittelbar die Luft besser. Durch weniger Autoverkehr hat man mehr Platz in den Städten. Das Raumklima wird durch moderne Heizungen auch besser. Gesellschaftlich müssen wir zumindest die Voraussetzungen schaffen, damit diesen Veränderungen im Denken auch Taten folgen können. Wie können Veränderungen erleichtert werden? Damit diese entstehen, müssen wir Strukturen ändern. Das bedeutet einerseits, dass es nicht für jedeN ImmobilienbesitzerIn zur Pionierarbeit werden darf, bauliche Veränderungen Richtung Nachhaltigkeit vorzunehmen oder diese bei Neubauten von Grund auf mitzudenken. Andererseits sollte Wärmeversorgung in kommunalen Entscheidungsfindungen anders mitgedacht werden. Derzeit ist Wärmeplanung im Regelfall kein Teil der Stadtplanung. Wo bietet sich Geothermie an, wo können wir Abwärme aus der Industrie nutzen? In der Kommunalplanung werden Mobilitätskonzepte und Kanalanschluss vom ersten Moment an mitgedacht, Wärmeversorgung ist kein Teil der Stadtplanung, sie ist im Grunde Privatsache. Das sollte in diesem Ausmaß nicht weiter so praktiziert werden, wenn wir in Richtung Klimaschutz schnell vorankommen wollen. Wollte schon mal jemand einen Tipp von Ihnen, was sie oder er privat besser machen kann? Ja, schon öfter. Wenn ich als MieterIn was für die Umwelt tun will, kann ich überschaubar viel machen, weil ich am Gebäude nichts verändern kann. Die Antwort lautet daher: die VermieterInnen regelmäßig anrufen. Fenster in der Heizsaison nicht gekippt halten, sondern lüften. Die Heizung abdrehen, wenn man nicht da ist. Und bei der Wohnungssuche schon viel Wert auf Energieeffizienz legen und so die Nachfrage danach treiben.

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»Die vielen Einzelentscheidungen machen die Wärmewende so kompliziert.« — Elisabeth Dütschke


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HEIZUNGSTAUSCH IM EIGENHEIM Von Ölkessel auf Luftwärmepumpe – Ulli Prieler hat die Heizung im Einfamilienhaus ausgetauscht und ihre durchwegs guten Erfahrungen dazu geteilt. BIORAMA: Was war schlecht an der alten

Heizung? ULLI PRIELER: Unsere Ölheizung war über ­30 Jahre alt und hat nach wie vor gut funktioniert. Nachdem wir vor zehn Jahren eine Photovoltaikanlage mit zehn Kilowatt Leistung auf dem Dach installiert haben, war es meine Traumvorstellung, selbst Strom herzustellen und ­damit auch zu heizen. Jetzt speisen wir alles, was wir produzieren, über einen geförderten Tarif ins Netz ein, ­bekommen eine Gutschrift und können damit fast alles, was wir das Jahr über aus dem Netz brauchen, »bezahlen«.

War die Entscheidung für die neue eine schwierige? Wir hatten ein bisschen Geld gespart und wollten es auch angesichts der Inflation investieren. Unser Plan ist entstanden, als wir in unserer Lkw-Werkstatt modernisiert haben und uns unser junger Installateur dazu damals eine Wärmepumpe empfohlen hat: Das hat dort so gut funktioniert, dass wir uns das seither auch für unser Wohnhaus gewünscht haben. Was hat’s gekostet und gab’s eine Förderung? Wir haben uns für die größere von zwei infrage kommenden Wärmepumpen entschieden, weil wir nicht wissen, wie sich die Gewohnheiten zur Nutzung des Hauses durch die jüngeren

Familienmitglieder künftig entwickeln ­werden. Vom Preis von 24.000 Euro für Gerät und Einbau wurden 4000 Euro gefördert, das war mitausschlaggebend für die Entscheidung, den Tausch durchzuführen. Wir verbrauchten zuvor 3500–4000 Liter Öl im Jahr. Die Investition in die Wärmepumpe rechnet sich schneller, als ich zuvor vermutet hätte. In unserem Fall sind die laufenden Kosten noch mal überschaubarer, weil wir den Strom ja auch selbst gewinnen. War der Umbau aufwendig und langwierig? Wir waren anfangs skeptisch, ob mit dem Heizungstausch größere Umbaumaßnahmen notwendig werden. Wir hatten schon Luftschächte zum Keller und haben dort ­ den Heizkessel gegen eine Luftwärmepumpe ­getauscht, doch wir konnten die vorhandenen Leitungen, Heizkörper und Fußbodenheizungsschlangen belassen und weiternutzen. Die Installation war nach zehn Tagen erledigt und unkompliziert. Wir haben durch die neue Heizung auch unsere Heizgewohnheiten verändert und dadurch eine gleichmäßigere Wärme im Haus: Einerseits sind wir vielleicht ein bisschen weniger sparsam geworden, andererseits werden die Heizkörper nicht mehr so heiß, auch nicht mehr zwischendurch stark abgesenkt, sondern laufen in allen Räumen auf konstanter Temperatur den Winter über durch. Es ist ein Traum.

INTERVIEW Irina Zelewitz BILD Nanna Prieler


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Temperaturempfinden ist individuell, tendenziell frieren Frauen schneller als Männer. 2016 skizzierte der Youtube-Clip »Why Summer is Women’s Winter« ein Bild eines klimatisierten Büros im Sommer mit eher auf die anwesenden Männer zugeschnittenen Temperaturen.

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Temperaturempfinden ist individuell, aber trainierbar.

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er nächste Winter kommt bestimmt. Was die einen heiß ersehnen, lässt andere völlig kalt – häufig sogar wortwörtlich. Am Arbeitsplatz lässt das Stimmung und Konzentration oftmals gen Nullpunkt sinken. Denn selbst wenn es rechtlich betrachtet warm ­genug wäre, muss man das noch lange nicht so empfinden: In Deutschland liegen die Untergrenzen bei geringer körperlicher B ­ elastung bei 20 und in Österreich bei 19 Grad. Nicht einmal bei einer laut der Universität Helsinki ­produktivitätsfördernden Raumtemperatur von 22 Grad wird allen gleichermaßen warm

ums Herz werden. Eher nur Männern: Laut e­ iner US-Studie bevorzugen Männer Temperaturen um 22, Frauen dagegen 25 Grad. Gerade rund um das Jahr vollklimatisierte US-Büros sind mit 20 bis 23 Grad häufig zu kalt – vor allem für Frauen: 40% aller Frauen frieren im Büro, dagegen nur 18% aller Männer, so eine US-Studie. Schuld daran ist ein 40-jähriger, 70 Kilogramm schwerer w ­ eißer Anzugträger aus den 1960er-Jahren. Er d ­ iente als Referenzmodell für die Einstellung von Klimaanlagen und bildet auch heute noch ­einen weitgehend unhinterfragten Standard,

TEXT Werner Sturmberger

Der als Gänsehaut bekannte Mechanismus diente ursprünglich dazu, die Körperbehaarung, als sie noch Fell war, aufzurichten. Das vergrößerte den Luftpolster unter dem Fell und sorgte damit für bessere Isolation.


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Legal warm genug In Deutschland liegen die Raumtemperatur-Untergrenzen für Arbeiten ­­mit körperlich geringer Belastung bei 20 und bei mittlerer ­Belastung bei 19 Grad. In Österreich jeweils ein Grad niedriger. Bei schweren Arbeiten dürfen 1­ 2 Grad ­­nicht unterschritten werden. ­Damit ergibt ­sich ein ge­ setzlich zulässiges Temperaturfenster von 19 ­bis 26 Grad für Arbeitsstätten ­in Deutschland.

der auch noch im 21. Jahrhundert für »Gänsehaut« sorgt. Die beiden Studien verdeutlichen zudem, dass es beim Thema Temperatur stark unterschiedliche Präferenzen gibt. Denn ­während die Körpertemperatur über 8 Milliarden Menschen hinweg mit 36 bis 37 Grad beeindruckend stabil ist, sind die Schwankungen im Temperaturempfinden deutlich größer. ­Verantwortlich dafür sind die jeweils individuellen körperlichen Eigenschaften hinsichtlich Wärmeproduktion, -speicherung und -empfinden.

TEMPERATUREMPFINDEN LÄSST SICH TRAINIEREN? Wärme entsteht als Nebenprodukt der ­Muskelaktivität. Die Muskelmasse wiederum ist vom persönlichen Trainingszustand abhängig. Geschätzt mehr als zehn Prozent der Bevölkerung schummeln aber bei der Wärmeproduktion: Sie verfügen über braunes Fett­gewebe, das Energie direkt in ­Wärme umwandeln kann. Das schützt Neugeborene vor Auskühlung, verschwindet aber bei den meisten Menschen in den ersten Lebensjahren. Die Fähigkeit zur Wärmespeicherung hängt dagegen vor allem vom Verhältnis von Volumen zu Hautoberfläche, Fettpolstern und Dicke der Haut ab. Wärmeproduktion und -speicherung bilden die Grundlagen für das System der Thermore-

gulation. Dieses baut auf über 300.000 Kälteund etwa 30.000 Wärmerezeptoren auf durchschnittlich 1,5 bis 2 Quadratmeter Hautfläche – besonders viele im Bereich des Gesichts. Über Nervenbahnen laufen diese Informationen im Hypothalamus zusammen. D ­ ieser arbeitet wie ein Thermostat und vergleicht beständig die Soll- mit der Ist-Temperatur und aktiviert entsprechende Regelkreisläufe – Zittern, um die Temperatur zu erhöhen, Weitung der Gefäße, Erhöhung der Durchblutung und Schwitzen zum Kühlen. Dieses System der Thermoregulation ist aber nicht erfahrungsresistent – wer lange in kalten Breiten lebt, passt sich besser an die niedrigen Temperaturen an – und lässt sich durch regelmäßigen Aufenthalt in kalter Umgebung trainieren. Wechselbäder, kalt-warmes Duschen, Saunabesuche und auch Kneippen verbessern zudem die Kapazität der Blutgefäße zur Wärmeregulation. Das Kälteempfinden ist aber auch von der Tagesverfassung ­abhängig: Wer müde ist, friert schneller, weil sich die Blutgefäße erweitern und in Folge die Körpertemperatur sinkt.

FRIEREN FRAUEN LEICHTER? Während das individuell durchaus anders sein kann, gelten Frauen als kälteempfindlicher. Im Schnitt verfügen Männer über mehr Muskelmasse, ein günstigeres Verhältnis v­ on Hautflä-

Legal warm genug In Deutschland liegen die Raumtemperatur-Untergrenzen für Arbeiten mit körperlich geringer Belastung bei 20 und bei mittlerer Belastung bei 19 Grad. In Österreich jeweils ein Grad niedriger. Bei schweren Arbeiten dürfen 12 Grad nicht unterschritten werden. Damit ergibt sich ein gesetzlich zulässiges Temperaturfenster von 19 bis 26 Grad für Arbeitsstätten in Deutschland.

Alkohol wärmt nicht! Alkohol weitet die Gefäße, wodurch mehr Blut an die Hautoberfläche fließt. Das sorgt vorübergehend für ein Gefühl der Wärme, während der Körper aber tatsächlich auskühlt.


chen zu Volumen und eine dickere Haut – selbst wenn das im Arbeitsalltag nicht immer augenscheinlich sein sollte. Die Kälterezeptoren sitzen bei Frauen näher an der ­Oberfläche und sind somit exponierter. Die weibliche T ­ hermoregulation begünstigt die Erhaltung der Kerntemperatur auf Kosten von Händen und F ­ üßen, was als Schutzfunktion für ungeborene Kinder gedeutet wird. Ähnlich verhält es sich mit der durch das Hormon Östrogen begünstigten ­höheren Fettproduktion: Diese dient der besseren Isolation, zugleich aber auch als Nährstoffspeicher. Zumindest in der Theorie: Ein entsprechend hoher Körperfettanteil wird durch sozial vorherrschende Körperideale ausgebremst. Wer schön sein ­will, muss frieren. Auch ältere Menschen frösteln schneller: ­Die Muskelmasse nimmt im Alter ab und die Haut wird dünner. Damit wird es schwieriger, die Körpertemperatur zu regulieren. Verstärkt wird dies oftmals durch einen krankheitsbedingt gedrosselten ­energetischen Grundumsatz.

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Die zwei offensichtlichsten Möglichkeiten, ­für Wärme zu sorgen, sind physikalische Maßnahmen wie das Zuführen von Hitze (mittels Heißgetränken) und die Optimierung der Isolationskapazität (Kleidung). Wer einen Heizstrahler oder ­Ähnliches am Arbeitsplatz aufstellen möchte, sollte das ­unbedingt mit den Vorgesetzten abklären. Nicht nur verbraucht der Strom, den das Unternehmen bezahlt, es knüpfen sich auch ­versicherungsrechtliche Fragen daran: Wer haftet bei ­einem etwaigen Brandfall oder bei unsachgemäßer Bedienung? Eine andere Möglichkeit, es sich erträglicher zu machen, ist die Senkung des Kälteempfindens durch Abhärtung oder die Erhöhung des Energiedurchsatzes durch Morgensport – zumindest ­in der Theorie möglich. Auf ausreichend Schlaf zu achten ist ebenso hilfreich, wenngleich nicht ­immer leicht mit dem vorhergehenden Vorschlag zu kombinieren. Letztlich führt kein Weg daran vorbei, sich g­ emeinsam auf eine Raumtemperatur zu ­einigen, mit der alle MitarbeiterInnen am Arbeitsplatz leben können und die nicht wahlweise zu ­Frostbeulen oder Hitzewallungen führt. Die Erfahrung zeigt, dass die Frage der richtigen Raumtemperatur oftmals ein ausgezeichneter Reibungspunkt ist und für hitzige Debatten sorgen kann, ­die die Kälte zumindest kurzfristig vergessen machen.

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WAS WOHNUNGSKATZEN WIRKLICH WOLLEN Lässt sich eine Katze artgerecht ausschließlich drinnen halten? Tierpsychologin Heike Grotegut über gefährdete Freigänger, Pet Sharing und das perfekte Beuteschema für Spielzeug. BIORAMA: Viele KatzenhalterInnen plagt ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Katze ausschließlich indoor halten. Fehlt Wohnungskatzen verglichen mit Freigängerkatzen etwas? HEIKE GROTEGUT: Viele sehen in Wohnungskatzen bemitleidenswerte Kreaturen. Aber wenn wir uns an der Natur ein Beispiel nehmen und ihnen alles, was sie nach heutigem Kenntnisstand draußen zum Leben brauchen, auch drinnen bieten – also vor allem Beschäftigung und eine katzengerechte Einrichtung –, dann sollte kein Mangel vorliegen. Wichtig zu wissen ist nur, dass ich mir bei einer Wohnungskatze mehr Gedanken machen muss als bei einem Freigänger. Sonst tritt drinnen problematisches Verhalten klarer und deutlicher auf als draußen. Freigängerkatzen suchen sich, das ist ja bekannt, teil-

weise einfach ein neues Zuhause. Wohnungskatzen haben keine Wahl. Aber es kommt immer sehr auf das einzelne Tier an. Freilauf ist gar nicht für jedes geeignet. Für manche ist es im Streifrevier einfach zu stressig. Es gibt die weitverbreitete Vorstellung, Wohnungskatzen seien bemitleidenswerte Geschöpfe, die wie der Panther in Rilkes berühmtem Großkatzen-Gedicht abgestumpft hinter Gitterstäben von der Freiheit träumen … … eines meiner Lieblingsgedichte! Aber es wird fälschlicherweise immer angenommen, dass Katzen mit Freilauf viel Raum zur Verfügung steht. Die Realität sieht aber oft ganz anders aus. Gut gefütterte und kastrierte Tiere bleiben oft relativ nah am Haus; weil weder eine Partnersu-

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INTERVIEW Thomas Weber


27 hoher sozialer Intelligenz. Die Beobachtung der Umgebung hat allerhöchste Priorität; man weiß ja nie, wann die nächste Beute kommt. Deshalb kennen sie den typischen Tagesablauf ihrer HalterInnen in der Regel sehr schnell. Peu à peu passt sich die Katze dann diesem Rhythmus an: Sie ruht, wenn sie allein ist, und wartet oft schon im Flur, weil sie die Fahrradkette klimpern oder das Auto gehört hat. Die Tiere wissen: Wenn der Mensch da ist, passiert am meisten, dem passen sie sich an. Mit Webcams lässt sich das auch gut beobachten. Da herrscht vor allem Ruhe. Das ist tagsüber auch sehr natürlich; die Tiere sind ja perfekt für die Jagd auf dämmerungsaktive Beutetiere ausgestattet.

Weiß man, was Katzen machen, wenn sie allein zu Hause sind? Katzen sind Lauer- und Schleichjäger mit

Lässt sich auch eine Freigängerkatze OH gut an ein Dasein als Wohnungskatze gewöhnen? Ehrlich gesagt eher nicht. In vielen Fälle entwickeln sie dabei Stressverhalten. Katzen sind extreme Gewohnheitstiere. Ich kenne persönlich nur eine einzige Ausnahme: Einem entzüYEAH ckenden Paar aus Bonn ist ein Kater zugelaufen. Die beiden hatten bereits mehrere Katzen in der Wohnung – nur der Kater wollte absolut nie hinein. Aber als er 16 Jahre alt war, ist er dann plötzlich ins Haus gekommen und nur noch dringeblieben.

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, wie gut, wenn eine Tasse Tee die Knochen wärmt. Dieser hier heizt mit Ingwer, Kardamom, Sternanis und Pfeffer richtig ein.

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Ich nehme an, zwei Katzen langweilen sich in einer Wohnung weniger als ein allein gehaltenes Tier. Eine Katze allein – das ist aus meiner Sicht

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Was spricht denn alles dafür, eine Katze dauerhaft drin zu behalten? Viele haben gar keine Möglichkeit, Katzen rauszulassen. Man sollte Katzen auch auf gar keinen Fall rauszwingen. Aber viele Menschen haben den Sicherheitsaspekt im Blick, wenn sie ihre Tiere ganz drin behalten. Hund und Katze werden ja immer öfter als Familienmitglied gesehen. Da sorgt man sich dann, wenn die Katze mal eine Nacht wegbleibt. Und: Katzen mit Freilauf haben eine drastisch verkürzte Lebenserwartung. Im Schnitt werden sie nur fünf Jahre alt, drinnen 14 – und mittlerweile auch schon einmal 18 oder 20 Jahre.

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che noch – zumindest zum Überleben – Jagd nötig ist. Manche wollen auch gar nicht raus. Wenn ein Tier alles hat, was es braucht, gibt es keine Notwendigkeit rumzustreunen. Das erzählen mir auch KatzenhalterInnen, die ihre Tiere mit GPS-Sendern ausgestattet haben. Die sind oft überrascht, weil ihre Tiere zwar stundenlang weg sind, aber nur irgendwo im Garten nebenan schlafen. Aber natürlich gibt es auch bemitleidenswerte Geschöpfe in absolut nicht artgerechter Haltung: die allein gehaltene Katze bei Berufstätigen, die nicht im Homeoffice arbeiten, da blutet mir manchmal das Herz.

Sogar gut gefütterte Freigängerkatzen gehen täglich drei Stunden auf die Jagd. Hungrige Freigängerkatzen jagen bis zu elf Stunden täglich. Lässt sich dieser Jagdtrieb drinnen artgerecht ausleben? Der Jagdtrieb der Katze ist enorm. Doch wer elf Stunden täglich jagt, der muss jagen. Diese Not fällt bei gut gefütterten Wohnungskatzen ja hoffentlich weg. Tagsüber ist die Katze im Stand-by-Modus. Das heißt: sofort da, wenn Beute vorbeikommt, aber eigentlich eher ruhend. Wer mehrere kleinere Spieleinheiten über den Tag ansetzt – morgens, nachmittags, abends und noch einmal kurz vor dem Zubettgehen –, liegt sicher nicht falsch. Es braucht angepasste Denkspiele und Abwechslung beim Futtersuchen, dann ist das sehr artgerecht.

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die absolut anspruchsvollste drastisch verkürzte LebenserwarHaltung überhaupt. Ein Einzeltung. Im Schnitt werden sie nur tier braucht deutlich mehr Beschäftigung als zwei Katzen, die fünf Jahre alt, drinnen 14. sich verstehen. Katzen sind ja —  Heike Grotegut, Tierpsychologin soziale Einzelgänger. Die Beutetiere der Katze sind klein, desmit Schwerpunkt Katze halb wäre es ineffektiv, im Rudel werden oft angeboten, sind aber nicht geeignet: zu jagen. Aber wenn es die UmSie ähneln zwar Insekten, bringen aber keinen stände zulassen, haben sie Kontakt zu anderen Beuteerfolg, was ein frustriertes Tier und AgKatzen. Dass Tiere miteinander kuscheln, ist gression zur Folge hat. Es ist sinnvoll und günszwar nicht so weit verbreitet, wie man annehtig, selbst kreatives Spielzeug z. B. mit Fransen men würde. Wie sehr sie aneinander hängen, erund Knoten zu basteln. Kratzbäume wiederum kennt man aber oft erst an der Trauer, wenn ein stehen häufig einfach an der falschen Stelle. Nur Tier stirbt. weil wo im Eck Platz ist, bedeutet das nicht, dass das ein für die Katze interessanter Ort ist. In den usa sorgte vor einigen Jahren das Buch »Your Home, Their Territory« des Zuletzt ist auch der CO2-PfotenabVeterinärmediziners Tony Buffington für Diskussionen. Wie sehr muss ich meine druck des Fleischfressers Hauskatze ins Wohnung, in der ich mich letztlich nur Bewusstsein gerückt. Spricht aus Sicht Teilzeit aufhalte, an ein Tier anpassen, das der Tierpsychologin etwas dagegen, sich darin seinen ausschließlichen Lebensraum Katzen – Stichwort Pet Sharing – z. B. über hat? eine sichere Verbindung von Balkon zu Artgerechte Haltung bedeutet: den BedürfnisBalkon mit den WohnungsnachbarInnen zu sen des Tieres nach aktuellem Kenntnisstand teilen? gerecht zu werden. Wer über eine erhöhte SitzEine gute Frage und es ist wichtig, dass das möglichkeit für Katzen nachdenkt, weil Katzen Bewusstsein diesbezüglich wächst. Immer mehr gerne auch von oben herabblicken, muss aber meiner KlientInnen denken sich: ›Ich ernähre nicht gleich in jeden Raum drei Ebenen hohe mich selbst biologisch und regional – und dann Kratzbäume stellen. Ein Schrank, der mit einkauf ich meiner Katze den Thunfisch?‹ Pet Shafachsten Mitteln und einer Katzentreppe rauf ring hört sich erst mal skurril an. Aber wenn die und einer runter erreicht werden kann, tut es Katze den/die NachbarIn mag, warum sollte da auch. Ich rate: einfach die Wohnung mit ofman sich nicht auch über den Balkon gemeinfenen Augen anschauen! sam um ein Tier kümmern! Gerade bei einzeln gehaltenen Tieren ist es bei Berufstätigen artViele KatzenbesitzerInnen klagen, dass gerecht, wenn sich Menschen aus der Nachbarihr Tier das teure Spielzeug und die Kratzschaft gemeinsam einer Katze widmen. bäume nicht annimmt. Gibt es etwas, das alles gerne angenommene Katzenspielzeug Haben Sie schon einmal überlegt, mit gemeinsam hat? Ihren Katzen an der Leine rauszugehen, wie Das Problem hab ich ganz häufig in der Praxis. es in Nordamerika immer öfter üblich ist? Bei kleinen Katzen hat Spielen ja eine ganz anIch kenne mittlerweile auch in Deutschland dere Funktion, weil Katzen im Spiel lernen. Aber einige, die ihre Katzen ans Geschirr gewöhnen, irgendwann ist das Studium abgeschlossen. Bei und mehr und mehr Katzen, die gemeinsam mit erwachsenen Katzen ist Spielverhalten ein geisHund und HalterIn spazieren gehen. Ich selbst tiges und körperliches Training, um fit für die wohne zwar um die Ecke eines Parks, aber der Jagd zu sein. Was man ihnen anbietet, muss also ist mittlerweile so beliebt und bevölkert – auch ihrem Beuteschema entsprechen. Gehen Sie von bei Menschen mit Hund –, das wären für meine Ihrem Daumen aus – ungefähr so groß ist eine Katzen, und sicher für die allermeisten Katzen, Maus. Manche Tiere jagen aber lieber Vögel, zu viele Eindrücke. Es gibt ja auch Hunde, die Frösche, Eidechsen oder Insekten. Laserpointer gerne Katzen jagen.


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KLIMAKULTUR BRAUCHT ORTE

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Der Klimakulturpavillon ist eine 100 Quadratmeter große Waldoase, umgeben von einer Holzkonstruktion.

TEXT Florian Jauk

Mehr Referenzen der Green4Cities GmbH – etwa auch die Begrünung der 38 Kegel des aktuellen, von Querkraft entworfenen Beitrags Österreichs zur Expo in Dubai – unter green4cities.com

Urbane Räume verwandeln sich zuallererst wegen ihres hohen Versiegelungsgrades an heißen Sommertagen zu sogenannten Urban Heat Islands (uhi): zu Orten, an denen aufgrund menschlichen Einflusses eine wesentlich höhere Temperatur herrscht als in der direkten Umgebung. Wissenschaftlich dokumentiert ist das vielerorts schon seit dem 19. Jahrhundert und als Ursachen gelten neben der Bebauungsdichte vor allem Quellen anthropogener Wärme, Verkehrsaufkommen sowie das Ausmaß von Grünflächen und Wasserbecken. Begrünung ist daher eine der einfachsten Möglichkeiten, nachträglich Hitzeinseln zu mildern. Sie kann diesem Effekt schon auf kleiner Fläche erstaunlich stark entgegenwirken. Durch das Speichern von CO2, die Produktion von O2, das Binden von Feinstaub und das Spenden von Schatten bieten grüne Oasen den BewohnerInnen einer Stadt aber nicht nur kühlere, sondern auch sauberere Luft. Wie können nun Zukunftsmodelle zur natürlichen Kühlung von Städten aussehen? Ein Team

aus ArchitektInnen, LandschaftsplanerInnen und KünstlerInnen hat 2015 schon den Österreich-Pavillon für die Expo in ­Mailand, »breathe. austria«, als 90 Meter langes Gebäude in einem 560 Quadratmeter großen Wald gestaltet, um zu zeigen, wie stark Bäume und Architektur, die Luftströmungen und -feuchtigkeit mitdenkt, die gefühlte und auch die messbare Temperatur beeinflussen. Bis zu acht Grad Unterschied zwischen dem Gelände des Pavillons und der Umgebung konnten dort gemessen werden. Teile dieses Teams – Karlheinz Boiger, Lisa Maria Enzenhofer, Bernhard König, Andreas Goritschnig und Markus Jeschaunig – haben sich in der Folge zum Breathe Earth Collective zusammengeschlossen. Sie setzen international Projekte zur Luft- und Klimaverbesserung um – innerhalb des Kollektivs, aber auch in anderen Konstellationen. Enzenhofer und König etwa als Teil der Green4Cities GmbH, die unter anderem das Dach- und Fassadenbegrünungskonzept des Ikea-Neubaus am Wiener ­Westbahnhof beigesteuert haben.

BILD  BREATHE EA RTH C OLLE CTIVE , BI ORAMA/JAU K

Mit dem Klimakulturpavillon inmitten der Grazer Altstadt hat das Breathe Earth Collective eine Waldoase auf versiegelter Fläche geschaffen.


31 Bei diversen Projekten mussten sie laut Künstler Markus Jeschaunig feststellen: »Die Menschen, die die begrünten Orte betreten, haben nachher Fragen. Man merkt, wie viel die Leute in einer Stadt über das Klima nachdenken, aber dass es zu wenige Orte gibt, wo das besprochen wird.« Das Kollektiv verortet eine noch unzureichend bestehende Klimakultur und hat das Grazer Kulturjahr 2020 (das pandemiebedingt größtenteils auf 2021 verschoben wurde) und dessen Motto »Wie wir leben wollen« zum Anlass genommen, einen »Klimakulturpavillon« im Zentrum der steirischen Landeshauptstadt aufzubauen. Das Zentrum des 159 Quadratmeter großen Pavillons bildet eine rund 100 Quadratmeter umfassende Waldoase, die zeigt, wie viel Bäume zu einem kühlen und gesunden Mikroklima beitragen können. Schon in diesem »Instant Forest« war die Luft bis zu sechs Grad kühler als in der Umgebung. Wenn man es mit dem Mikroklima Wald ernst meint, braucht es für einen Stadtwald mehr als nur Topfbäume. Ziegelsplittsubstrat, ein Recyclingmaterial aus gebrochenen Tondachziegeln, bietet nährstoffreichen Untergrund und statische Grundlage für die Pflanzen und wurde als hügelige Landschaft im Herzen des Pavillons aufgeschüttet. Nach dem Vorbild des »idealen Ökosystems« Wald gesellen sich neben hitzefesten Bäumen wie Sommereichen, Rotbuchen und Föhren auch Fichten in den Klimakulturpavil-

lon, die vom Verband mit den anderen Pflanzen in Form eines Mischwaldes profitieren. Sträucher und blühende Stauden komplettieren diese kleine Imitation eines Waldökosystems. Insgesamt fanden rund 600 Stauden, Gräser, Farne und Moose eine Instant-Heimat unter den großen Bäumen. Alle Gehölze inmitten des Pavillons stammen übrigens aus österreichischen Baumschulen.

AUCH BÄUME KÖNNEN SCHWITZEN Bäume schwitzen. Dieser Vorgang wird Evapotranspiration genannt, wodurch der Umgebung Wärme entzogen wird. Anders gesagt: ein Kühlungseffekt eintritt. Markus Jeschaunig erklärt dieses Prinzip der adiabaten Kühlung kindgerecht: »Wenn’s heiß ist, schwitzt der Baum, und wenn man sich unter dem Blätterdach befindet, hat man automatisch dieses Wasser in der Luft. Deswegen sitzt du unter einem Baum angenehmer als unter einem Sonnenschirm.« Der Miniwald im Pavillon wird durch ein sensorgesteuertes Bewässerungssystem versorgt: Durch die Hochdrucknebeltechnik am Dach und am Boden des Pavillons, die wassersparend kleine Tröpfchen versprüht, können die Blätter der Pflanzen Wasser aufnehmen, was sie an warmen Tagen zum Schwitzen bringt. Die so messbar gesenkte Temperatur ist nicht der einzige Faktor, der maßgeblich zur gefühlten Temperatur beiträgt. Die Luftfeuchtigkeit spielt auch

Hochdrucknebeltechnik verstärkt den Kühlungseffekt innerhalb des Klimakulturpavillons.

Breathe Earth Collective Mehr Ideen zu Stadtbegrünung und Luft- und Klimaverbesserung in small, ­medium und large gibts ­unter breatheearth.net


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»Wir sind nur die DesignerInnen, die räumliche Lösungen dazu zeigen, wie wir uns nicht selbst die Luft abschnüren.« — Markus Jeschaunig, Breathe Earth Collective

direkt eine Rolle für das menschliche Temperaturemp finden – wie auch Luftbewegung. »Dazu kommt der psychologische Effekt Phytophilie, dass es uns evolutionsbedingt wortwörtlich im Grünen besser geht als in einer grauen Umgebung«, erläutert Jeschaunig eindringlich. »Wir sind inzwischen Profis für die Frage geworden, wie man grüne Lösungen in die Stadt bekommt«, erklärt Jeschaunig. »Wir machen nicht nur Renderings, sondern wir setzen die Sachen auch um und bauen Prototypen, die man sich ansehen und begehen kann.« Nicht nur die Möglichkeiten grüner Architektur sollten sinnlich erlebt werden, vor allem sollte der Klimakulturpavillon mit Vorträgen und Veranstaltungen einen Rahmen für die Konkretisierung des Wandels bieten: hin zu einer klimapositiven Gesellschaft, die die ökologische Krise als gesamtgesellschaftliche Gestaltungsaufgabe versteht und dieser Aufgabe mutig und kreativ entgegentritt.

PROAKTIV STATT REAKTIV »Irgendwie denken wir, glaube ich, ein w ­ enig anders.« Der Klimakulturpavillon ist laut Andreas Goritschnig keine Reaktion auf den Klimawandel, die die Menschen sowieso liefern müssten,

sondern ein Bote eines gesellschaftlichen Wandels, der sich proaktiv und kreativ dem Problem entgegenstellt. Der Klimakulturpavillon soll diesem Wandel den Raum und die Zeit geben, die er braucht. Deswegen sei das Projekt nicht nur eine sinnlich und räumlich erlebbare Zukunftsvision, sondern biete auch einen öffentlichen Ort, um sich über Klimakultur auszutauschen. In einem Open Call konnte das Breathe Earth Collective über 30 Initiativen mobilisieren, die ihre Zukunftsvisionen im Klimakulturpavillon vorgestellt haben. »Wir hatten bis zu drei Veranstaltungen am Tag: L ­ esungen, Theateraufführungen, Diskursformate, und wir haben das Gefühl, dass die Bubbles wie die der Freien Schreibwerkstattgruppe und die institutioneller Organisationen wie etwa des Klimaschutzbeirats einer Stadt aufgebrochen sind«, blickt Markus Jeschaunig im August auf das Sommerprogramm zurück und freut sich über den jüngsten prominenten B ­ esuch: »Gerade hat Katharina Rogenhofer ihr Buch bei uns präsentiert. Wir brauchen uns gegenseitig. Wir gehen nicht auf die Straße, um zu demonstrieren, wir sind nur die DesignerInnen, die räumliche Lösungen dazu zeigen, wie wir uns nicht selbst die Luft abschnüren.« Rund um das Waldstück ist ein Pavillion aus Lärchen- und Fichtenholz errichtet und mit einer textilen Hülle ummantelt, um das kühle Mikroklima im Inneren des Pavillons zu halten. Die vorgefertigte Holzkonstruktion des Pavillons wird wiederverwendet und soll an einem nächsten Standort wiederaufgebaut werden. Die Bäume und Pflanzen werden versteigert und so an unterschiedlichsten Orten wieder eingepflanzt.

WIE WEITER?

Das Breathe Earth Collective (Karlheinz Boiger, Bernhard König, Markus Jeschaunig, Lisa Maria Enzenhofer und Andreas Goritschnig v. l. n. r.).

Was den Pavillon angeht, lautet das Ziel Lisa Maria Enzenhofer zufolge, in jedem Grazer Bezirk einen zu haben. Das Kollektiv wünscht sich aber vor allem, dass seine Ideen auch von anderen umgesetzt werden, in temporären, aber auch in dauerhaften Gebäuden. »Wir wollen atmende Städte, die nicht nur konsumieren, sondern die sogar saubere Luft produzieren und Wasser reinigen statt verschmutzen«, betont Jeschaunig. »Grüne Architektur ist leistbar, Bäume sind günstig, binden CO2 und filtern Feinstaub. Sie liefern uns ganz einfach saubere Luft. Wir wollen Pflanzen in die Städte bringen. Wir wollen ein Biorama in die Stadt bringen.«

BILD BIORA MA /JAUK

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K L I MAK U LTU R


brandnamic.com | Fotos: Tobias Köhler, Marion Lafogler, Theiner’s Garten (Archiv)

DEN GESCHMACK DER SONNE KOSTEN

In theiner’s garten leben und arbeiten wir nach dem biodynamischen Konzept. Dafür wurden wir als erstes Hotel Italiens von Demeter zertifiziert. Spüre die Kraft der Südtiroler Natur mit allen Sinnen in theiner’s garten.

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LÖSUNGEN – AM MARKT FINANZIERT Die Anzahl an Unternehmen, die gegründet werden, um ein gesellschaftliches Problem mit den Mitteln des Unternehmertums zu adressieren, wächst. Sie haben eigene Bedürfnisse. TEXT Martin Mühl

SEND Das Social Entrepreneurship Network Deutschland hat aktuell rund 700 Mitglieder, davon sind 450 Unternehmen aus dem Bereich Social Entrepreneurship, darüber hinaus gibt fördernde Mitglieder, UnterstützerInnen, aber auch klassische Unternehmen, die diesen Weg unterstützen wollen, und Sponsoren.

G

utes tun – und damit Geld verdienen. Diese Formel erscheint nicht nur allzu einfach, sie ist es auch. Das bedeutet aber nicht, dass nicht rein auf Profit ausgerichtete Formen des Wirtschaftens nicht doch möglich sind. Die Idee, als UnternehmerIn gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen, ist noch viel älter. Aber auch seit der Begriff des Social Entrepreneurship vor mehr als 20 Jahren aufgetaucht ist, hat sich viel verändert, in erster Linie professionalisiert. Gerade der Bereich des Social Entrepreneurship ist aber nach wie vor tendenziell wild wuchernd und mitunter angetrieben von einem geradezu jugendlichen Enthusiasmus, der davon lebt, sich eben nicht von starren Kategorien und Denkweisen eingrenzen zu lassen. Im Mittelpunkt des Interesses von Unternehmen, die dem Social Entrepreneurship zuge-

rechnet werden, steht die Lösung einer gesellschaftlichen Herausforderung, oft, aber nicht immer mit innovativen Konzepten. Die Kosten dafür werden aus Markteinkünften durch den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen gedeckt. Das unternehmerische Geschäftsmodell ist der Mittel zum Zweck, aber nicht der Zweck selbst. Social Entrepreneurship will eine Wirkung erzielen und den dafür nötigen Aufwand möglichst selbst decken. Lassen sich darüber hinaus Gewinne erzielen, werden diese oftmals größtenteils reinvestiert und nicht entnommen, um so die Wirkung weiter zu erhöhen. InvestorInnen und KapitalgeberInnen müssen damit leben, dass die finanzielle Rendite meist kleiner bleiben wird. Die Beispiele sind vielfältig und machen schnell deutlich, dass klare Grenzziehungen hier schwierig sind: Die Vollpension in Wien ermöglicht es Pensi-


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onistInnen, in den Kaffeehäusern Kuchen zu backen, der verkauft wird. Recup und Rebowl wollen in ganz Deutschland recycelbare Mehrwegpfandsysteme anbieten. Im Grätzl lädt ein zum Kooperieren, Sharen und Tauschen und will neue Formen der Zusammenarbeit und Gemeinschaft unterstützen.

BILD  ISTOCK.CO M/IWAT1929, PINTER, MARK GLAS SNE R

STARTNACHTEIL Markus Sauerhammer, 1. Vorstand von send, dem 2016 gegründeten Social Entrepreneur­ ship Netzwerk Deutschland e. V., hat viele Jahre im deutschen Kammersystem gearbeitet. Heute setzt er sein dort gelerntes Wissen über Lobbyarbeit für das Thema Social Entrepreneurship ein. Für Sauerhammer ist einer der größten Unterschiede zwischen klassischen Unternehmen und denen der Social-EntrepreneurInnen, dass Erstere vielfach Kosten externalisieren und der Allgemeinheit übertragen. So, wie wir generell die Kosten für unsere Lebensweise – gerade was Umweltfragen angeht – in andere Länder, meist im globalen Süden, auslagern und in eine Zukunft, deren Teil wir nicht mehr sein werden. Soziale Unternehmen internalisieren diese zu einem überdurchschnittlich hohen Teil: »Dies führt auf dem Markt zu einer Verzerrung und zu einem Startnachteil für soziale Unternehmen«, sagt Sauerhammer. Wird über sdgs und ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit (esg) gesprochen, so lassen sich diese Bereiche trennen. Spricht man von Social Entrepreneurship, müssen und können diese nicht getrennt betrachtet werden, sondern es geht eben darum, diese zu verbinden. »›Social‹ kommt aus dem Englischen und meint hier allgemein ›im gesellschaftlichen Interesse‹«, erklärt Sauerhammer. Constanze Stockhammer, Geschäftsführerin von sena, dem Social Entrepreneurship Network Austria, ergänzt: »Das deutsche ›sozial‹ lässt mitunter schnell an Fürsorge und Wohlfahrt denken, doch darum geht es nicht.« »Social Entrepreneurship ist nicht non-profit«, steht einleitend auf dem Social Entrepreneurship Monitor Österreich 2020, den sena im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaftsstandort und Digitalisierung erstellt hat. SENA wurde 2018 als Verein – durchaus nach

In der Vollpension in Wien backen PensionistInnen Kuchen, der dann im Kaffeehaus verkauft wird. Sie können sich damit die Pension aufbessern – und regen sozialen Austausch pflegen.

dem Vorbild von send – gegründet. Es versteht sich als Interessensvertretung und Vernetzungsplattform, deren Mitglieder selbst Social-EntrepreneurInnen sind, und darüber hinaus gibt es ein PartnerInnennetzwerk und UnterstützerInnen. Für sena-Geschäftsfüh-

»Laut einer EU-weiten Studie ist jedes vierte neu gegründete Start-up ein Social Business.« — Constanze Stockhammer, sena rerin Constanze Stockhammer gehört zu den Kernzielen des Verbands die Vernetzung und Unterstützung – auch mit StakeholderInnen und anderen Playern. Besonders wichtig sei es in Österreich auch, mit dem Thema außerhalb Wiens – hier gibt es mit dem globalen Social-Entrepreneurship-Netzwerk Ashoka oder auch dem Impact Hub schon länger Anlaufstellen – Service und Unterstützung in den Bundesländern zu bieten. Besonders erfreut ist sie, dass es gelungen ist, das Thema auch im Programm der aktuellen Regierung zu verankern.

WEITERBILDUNG IN BERATUNGSSTELLEN Stockhammer setzt dabei unter anderem auch auf eine Zusammenarbeit mit der Wirtschaftskammer. Als Unternehmen sind Social-Entre-


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Statistik Österreich Für das Jahr 2019 wird in Österreich von rund 2240 Social Enterprises ausgegangen. Die Zahl der Neugründungen unter den Social Enterprises steigt prinzipiell – allerdings mit hohen Schwankungen.

preneurInnen meist zwangsweise Mitglieder der Wirtschaftskammer, können von dieser aber nicht unterstützt werden, wenn sie mit ihren Anfragen und Ideen, etwa bei den regionalen Gründerservices, in erster Linie auf Unverständnis stoßen. Hier braucht es Aus- und Weiterbildung im Personal der Wirtschaftskammer: »Laut einer EU-weiten Studie ist jedes vierte neu gegründete Start-up ein Social Business«, weiß Stockhammer. Der Bedarf ist also da. Dass gerade in Österreich rund ein Viertel der Social Business als Vereine organisiert sind, dafür gibt es gute Gründe: So ist der Verein zum Teil die erste Organisationsform, bevor später etwa eine GmbH gegründet wird. Diese hat Vorteile, wenn es etwa darum geht, MitarbeiterInnen auch im Sinne des eigenen Impacts ordentlich anzustellen oder regional Teil von Wertschöpfungsketten zu werden. Zum anderen liegt es aber auch an Regulierungen, die etwa vorsehen, dass bestimmte Leistungen von der öffentlichen Hand nur von Vereinen zugekauft werden dürfen und nicht von Unternehmen – zum Beispiel, wenn Bildungsdirektionen externe Vorträge in Auftrag geben wollen. »Aber auch das Stiftungsrecht ist, anders als in Deutschland, in Österreich sehr restriktiv und bedarf einer Reform«, so Stockhammer: »Hier liegt Geld brach, mit dem in Deutschland ­Social Business unterstützt werden.«

REGELN AUS EINER ANDEREN ZEIT Strukturen, die überdacht werden können, gibt es viele. Markus Sauerhammer: »Man muss stolz auf die soziale Markwirtschaft sein, denn der Markt regelt eben nicht alles, sondern es braucht Eingriff und Transfer. Die Regelungen, die wir hier heute haben, kommen aber aus einer anderen Zeit und Struktur und die Frage ist, wie wir die aktuellen Herausforderungen anpacken können.« Deswegen braucht es das Mitziehen der Politik, die die Regelungen festlegt. Dazu gehören für ihn auch Länder, die das Gemeinwohl in ihre Statistiken aufnehmen, und Kommunen, die einen Jahreswohlstandsbericht einführen. Er stellt sich dabei durchaus die Frage: »Wie sehr darf ich Stachel im Fleisch sein?« Denn es gibt sowohl klassische Unternehmen, die

eine Transformation anstreben, wie auch solche, wo das nur schwer möglich ist, etwa wenn in ihrem Geschäftsmodell die Schädigung der Natur verankert ist. Markus Sauerhammer ist die Rolle im Verband zwar angetreten, um aktiv für eine Veränderung zu kämpfen und Lobbyismus zu betreiben, er sieht seine Aufgabe aber auch darin, Brücken zu bauen und etablierten Unternehmen einen Weg zur Transformation zu zeigen: »Wir sind in einer Umbruchphase, es geht darum, Menschen für die Gestaltung dieser zu begeistern und mitzunehmen. Es gibt auch in der klassischen Wirtschaft viele, die sich auf den Weg machen und eine Verbesserung anstreben.« Social Entrepreneurship braucht aber auch die EndverbraucherInnen: »Ich bin selbst Teil des Problems und nicht der Lösung und habe im globalen Vergleich einen Riesenfußabdruck«, sagt Sauerhammer. Aktuell entschei-


den Banken darüber, welche Unternehmen Kredite bekommen und finanziert werden. Über Modelle wie Crowdfunding können KonsumentInnen neue Projekte ermöglichen. In der Beobachtung von Sauerhammer tun sie das auch bereits über Konsumentscheidungen – noch nimmt die öffentliche Hand aber diese Entscheidungen zu wenig auf.

EINE ALTE IDEE, ABER JETZT DIGITAL UND ÜBERREGIONAL

B ILD  ISTOC K.C OM/IWAT1929, KRISTO FFER S CHWETJE

Dass Social Entrepreneurship sich schwer in klassischen Wirtschaftsregelungen und Sichtweisen abbilden lässt, macht die Idee naheliegend, für diesen Bereich eine eigene Rechtsform zu entwickeln. Eine, in der ShareholderInnen wenig bis keinen Einfluss haben und nur ihren Kapitaleinsatz verzinst bekommen. Genannt wird hier oft der ursprüngliche Genossenschaftsgedanke, der ins digitale Zeitalter transferiert werden muss. Die Digitalisierung kann helfen, die Modelle überregional aufzusetzen. Anders als klassische Start-ups skalieren Social Business nämlich nicht – nicht finanziell. Und deswegen greifen oft die bestehenden Förderungen nicht, die sich an Werten wie schnellem Wachstum und Profit orientieren. Im klas-

»Wir sind in einer Umbruchphase, es geht darum, Menschen zu begeistern und mitzunehmen.« — Markus Sauerhammer, send sischen Bild erwirtschaften Unternehmen Gewinne, zahlen Steuern und finanzieren so die Allgemeinkosten. Social-EntrepreneurInnen adressieren selbst die Probleme, suchen Lösungen und versuchen diese zu skalieren. Vorschläge für die Verbesserung der Situation von Social Business gibt es viele. Dazu gehören steuerliche Incentives für InvestorInnen, die Forcierung nachhaltiger öffentlicher Beschaffung oder auch die Erhöhung der betriebswirtschaftlichen Kompetenz unter den Social-EntrepreneurInnen. Zentral für So­ cial-EntrepreneurInnen ist es, ihre Sichtbarkeit zu erhöhen und Identität zu schaffen – für Stockhammer nicht durch eine neue Rechtsform, sondern durch ein öffentliches Register, in das jene Unternehmen aufgenommen werden, die die zentralen Kriterien eines Social Enterprise erfüllen. Und diese zentralen Kriterien sind eben die unternehmerische Ausrichtung (dokumentiert etwa durch einen Gewerbeschein oder Umsatzsteuerpflicht) und inhaltlich die Fokussierung auf die Lösung eines gesellschaftlichen Problems, die über entsprechende Wirkungsberichte nachgewiesen wird. Hier gebe es bereits durchaus brauchbare Social-­ Reporting-Standards. Darüber hinaus kann in den Statuten oder Gesellschaftsverträgen eine nachprüfbare Selbstverpflichtung verankert werden – die die Gewinnorientierung nachreiht. ­» Social-EntrepreneurInnen sind gekommen, um zu bleiben«, ist Constanze Stockhammer überzeugt: »Das Thema ist kein Hype, sondern die notwendige Antwort auf ­viele Herausforderungen unserer Gesellschaft.«

Studienergebnisse Österreich 2020 Der überwiegende Teil der Social-EntrepreneurInnen ist im Dienstleistungssektor tätig, 51% in Teilzeitbeschäftigung, sie sind stark eigenfinanziert und knapp die Hälfte der GründerInnen ist weiblich.

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NEU ODER NOCH GUT

Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns Weghören und -sehen vergeht.

THERESA MAI / »WIE WIR LEBEN KÖNNTEN.«/ Löwenzahn, 2021.

Inspiration und zum Vermitteln eines Grundgefühls reicht es. Ein »Schlaues Büchlein« eben. »Wie wir leben könnten« ist ein wirklich schön gestaltetes Sammelsurium der postmateriellen Lebensweisen, grundsympathisch trotz der Überdosis an Ökoklischees. Bleibt einzig die Frage, ob so ein Wohnwagon geräumig genug ist, dass darin alternative Coffee Table Books rumliegen. THOMAS WEBER

WAUTER MANNAERT / »YASMINA UND DIE KARTOFFELKRISE«/Reprodukt, 2021. Vorgelesen für alle, die zwar nicht aussteigen wollen, aber Inspiration suchen, wie sie zumindest etwas Autarkie in ihren Alltag bringen. Autarkie mag überbewertet sein, als Ideal gewinnt sie nachvollziehbar an Reiz, wenn diffus alles mit allem zusammenhängt – und damit gefühlt auch: voneinander abhängt. Mit dem von ihr entwickelten »Wohnwagon«, einem mobilen Tiny House, das weitestgehend autark betrieben werden kann, erfüllt die Niederösterreicherin Theresa Mai das Bedürfnis vieler nach Unabhängigkeit und Freiheit; einer Reduktion aufs Wesentliche. Das vorliegende Buch bietet erwartungsgemäß mehr als bloß die Erfolgsgeschichte einer zum Gründungszeitpunkt erst 22-jährigen Öko-Unternehmerin, die mittlerweile 30 MitarbeiterInnen führt. Wenig überraschend geht es ums Weniger, das zum Mehr wird. Wie das »Schlaue Büchlein« der Fähnlein Fieselschweif liefert es eine Formelsammlung (auch im Wortsinn) für Selbstversorgung. Es werden Fragen beantwortet, etwa /Wie funktioniert ein wassergeführtes Zentralheizungssystem? Wie wird der Urin aus dem Bioklosett zum Dünger?/. Es gibt Interviews, eine kommentierte Leseliste und Anregungen zur Finanzierung von Bauprojekten oder zur Entscheidungsfindung in Gruppen (Soziokratie). Und es gibt ganz konkrete Stromspartipps, etwa die Zeitschaltuhr fürs wlan oder ein Waschmaschinen-Vorschaltgerät, um die Waschmaschine direkt ans Warmwasser anzuschließen. Vieles wird angerissen und exemplarisch oder anekdotisch aufbereitet, für Tiefe fehlt der Platz, doch zur

Vorgelesen für alle, die keine Angst vor bunten Übertreibungen haben, die einer Geschichte etwas Tempo verleihen. Der belgische Zeichner und Autor Wauter Mannaert erzählt in seinem Graphic Novel »Yasmina und die Kartoffelkrise« vom Kampf der jungen Yasmina gegen einen Lebensmittelkonzern. Die Schülerin ist begeisterte Köchin und hat es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur ihren Vater mit gesundem Gemüse, das richtig gut schmeckt, zu ernähren. Ihr Umfeld sind zwei Gemüsebauern zwischen konventioneller Landwirtschaft und Öko-Aktivismus. Als ein Konzern die Felder beider zerstört und mit gentechnisch veränderten Kartoffeln überzieht, die die Gesellschaft verändern, schließen sich die drei zusammen und werden aktiv. Das Buch nutzt sein Tempo, Übertreibung und Klischees für eine flotte Erzählung, der kleine Kinder wahrscheinlich schwer folgen können. Sonst: kurzweilig und mit Leidenschaft am Thema – so wie die junge Heldin. MARTIN MÜHL

B ILD  NAUTILU SFILM / POLY BA ND MEDIE N G MBH, LÖ WENZAHN, RE PRODUKT

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R E ZE NSIO N E N


Es geht auch anders! JAN HAFT / »HEIMAT NATUR« / Produktion Melanie Haft, 2020. UNSERE HEIMISCHEN LEBENSRÄUME VON DEN BERGEN BIS ZUM MEER

ERZÄHLT VON

JAN HAFT

BENNO FÜRMANN

FILMPÄDAGOGISCHES BEGLEITMATERIAL

Unsere Arbeit ist eine Sinn-Win Situation Im Verleih der polyband Medien GmbH

Vorab gesehen für alle Naturbegeisterten, die neben opulenten Aufnahmen auch wirklich etwas über die Natur Deutschlands erfahren wollen. Naturfilme und Dokus bleiben oft an der Oberfläche und begnügen sich mit technischem Firlefanz und dem durch Zeitraffer oder Drohnenaufnahmen hervorgerufenen Staunen über die Schönheit der Natur. Auch Jan Haft zeigt in »Heimat Natur« schöne Bilder, doch er beschönigt nichts. Seine Reise durch Deutschland beginnt im alpinen Süden – mit einem kurzen Schielen nach Österreich, wo wieder Bartgeier kreisen und das Aas von den Almen entsorgen – und führt über Wald und Flur an die Nord- und Ostsee. Eigentlich fehlen als Lebensräume im Film nur Städte, Gärten und Gewässer. Forschungsnah stellt Jan Haft auch Fragen und vermittelt, was Landwirtschaft und Ökologie gerade erst zu klären versuchen. Er vereinfacht nicht und zeigt, welche Fehler in der Landnutzung schon lange vor der Massentierhaltung durch die Landreform des 19. Jahrhunderts passierten, die es verbot, das Vieh in Wäldern weiden zu lassen. Haft pflegt einen Blick auf wesentliche Details. Das kann schon einmal Wisentkot als Lebensraum auf der Brandenburger Heide sein. Mit viel Gespür zeigt er auch Ambivalentes. Etwa, dass das schwere Gerät der Waldwirtschaft zwar den Boden verdichtet, dass dadurch auf Waldwegen aber auch Pfützen entstehen, ohne die die urtümliche Gelbbauchunke längst verschwunden wäre. Schulfernsehen im allerallerbesten Sinn. THOMAS WEBER

Ich hatte schon immer eine Vision, was mir im Arbeitsalltag wichtig ist: gesund bleiben, Freude haben und mit Menschen zusammenarbeiten, die meine Werte teilen. Als ich gesehen habe, dass es bei mir funktioniert, habe ich gewusst, so wie es mir geht, geht es auch anderen. Viele möchten etwas bewegen. Ich finde bis heute immer wieder Menschen, die sich nicht verbiegen möchten, die selbst in die Gestaltung bzw. in die Kreativität gehen wollen. Sie machen mit und bringen ihre Ideen ein. Erst durch die vielen helfenden Hände und großen Freiraum ist bei SONNENTOR dieses Vertrauensverhältnis gewachsen. Aus Mitarbeitenden wurden MitunternehmerInnen. Gemeinsam schauen wir aufs Klima in unserem Arbeitsumfeld und aufs Weltklima. Nachhaltigkeit liegt einfach in unserer DNA. Ein SONNENTOR Projekt ist etwa der FreiHof. Hier teilen wir unser Wissen rund um Landwirtschaft im Kreislauf der Natur mit unseren BesucherInnen. Das klappt sogar im Kleinen, z. B. auf dem Balkon. Wir haben aber noch viele andere Spinnereien geplant. Da machen sogar unsere Fans mit. Gemeinsam mit ihnen haben wir bereits unsere Photovoltaikanlagen erweitert und schaffen aktuell nachhaltige Übernachtungsmöglichkeiten in Zwettl. www.sonnentor.com/esgehtauchanders

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG VON SONNENTOR

EIN FILM VON

Johannes Gutmann, SONNENTOR Gründer


DAS WASSER IM HINTERGRUND: VIRTUELLES WASSER Nur ein geringer Anteil des täglichen Wasserverbrauchs kommt aus dem Wasserhahn. Der größte Teil fällt als virtuelles Wasser an. Tipps zum Wassersparen für Fortgeschrittene.

Rund 4700 Liter – so viel Wasser gebraucht jede Person in Österreich durchschnittlich pro Tag. Ja, richtig gelesen. Pro Tag. Zwar ist der direkte Wasserverbrauch wesentlich geringer – rund 130 Liter Wasser fließen im Schnitt pro Person und Tag in Österreichs Haushalten durch die Wasserleitung – dazu kommt aber der indirekte Wasserverbrauch, der durch den Konsum von Produkten und Lebensmitteln anfällt.

VIRTUELLES WASSER

1000 LITER VIRTUELLES WASSER = 10 Tassen Espresso

9 kg Paradeiser

1/3 eines Baumwollshirts

Den virtuellen Wasserfußabdruck kann man ganz einfach reduzieren: Nur einkaufen was benötigt wird, regionale und saisonale Lebensmittel kaufen und Lebensmittelabfälle vermeiden. Allein durch die Reduktion von Lebensmittelabfällen im Haushalt können täglich bis zu 280 Liter pro Person virtuelles Wasser gespart werden!

INF OGRAF IK: B MLRT/ MIRA ZENZ ; BI LD  ANDRE AS SCHÖNHE RR , FREEEP IK , IL LUSTRATION: WASS ERAK TIV. AT

Virtuelles Wasser ist jenes Wasser, das zur Herstellung von Lebensmitteln und Waren benötigt wird. Es »versteckt« sich also in unseren Produkten und beeinflusst unseren persönlichen Wasserfußabdruck. Die Art des Konsums und der Ernährung spielen eine große Rolle an der Größe des persönlichen Wasserfußabdrucks.


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WASSERAKTIV FOTOWETTBEWERB 2021

FOTOWETTBEWERB

1. – 31. AUGUST 2021 ALLE INFOS AUF: WASSERAKTIV.AT

DER WASSER-WEGE-PLANER

AN WILDEN WASSERN WANDERN Der WildeWasserWeg ist ein landschaftlich beeindruckender Themenweg durch das Stubaital in Tirol. Hier erleben BesucherInnen die formende Kraft des Wassers in allen Erscheinungsformen und spüren die wohltuende Wirkung von Wasser für Körper und Geist. Der Themenweg besteht seit 2014 und lockt jährlich hunderttausende BesucherInnen an. Er wurde beim Neptun Wasserpreis 2021 in der Kategorie WasserpreisGEMEINDE ausgezeichnet.

Abenteuer und Naturerlebnis, Bewusstsein und Erholung – was sind die zentralen Aufgaben des WildeWasserWeges? Am WildeWasserWeg kann man das Element Wasser und seine Kraft unmittelbar erleben. Hier sieht man, wie der Ruetzbach das Tal geformt hat und immer noch formt: Als Bach, Gletscher, Mure oder Lawine. Außerdem wird erlebbar, wie sich der Aufenthalt in der Nähe des Wassers oder der Wasserfälle schon nach kurzer Zeit positiv auf die Gesundheit auswirkt. Eine Stunde beim Grawa Wasserfall verbessert die Reinigungsrate der oberen Atemwege und die subjektive Beurteilung der Atemqualität nachweislich. Warum ist es so wichtig, spannende Wege für BesucherInnen in der Natur zu schaffen? Wenn es keine Wege gibt, dann gibt es auch keine Möglichkeit diese beeindruckende Landschaft zu erleben. In enger Abstimmung mit dem Naturschutz wurden alle Brücken, Plattformen und Weg möglichst naturnah gestaltet. Ein weiteres zentrales Element bei der Gestaltung des WildeWasserWeges war die Barrierefreiheit, da wir sehr viele Familien, ältere Personen und nicht so fitte Gäste haben. Was bedeutet der Neptun WasserpreisGEMEINDE für den WildeWasserWeg und für Themenwege am Wasser insgesamt? Wir freuen uns natürlich sehr, dass der WildeWasserWeg ausgezeichnet wurde! Die Auszeichnung ist eine Bestätigung, dass wir mit unserer Vision, einen Weg zu gestalten, der alle Formen des Wassers mittels naturnaher und reduzierter Inszenierung erlebbar macht, richtig gelegen haben.

ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG DES BMLRT

David Wallner ist im Tourismusverband Stubai Tirol für die Realisierung von Infrastrukturprojekten zuständig und war bei der Konzeption und Realisierung des WildeWasserWeges involviert.


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STAD T L A N DWIR TSCH A F T

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Bringen erstmals »heurige« Bioerdäpfel aus Wien in den Handel: Klaudia Atzmüller, Geschäftsführerin von Ja! Natürlich, und Karl Mayer, Gutsverwalter des Bio-Zentrums Lobau.

NEUE WIENER HEURIGENKULTUR Neben »heurigen« Erdäpfeln gedeihen in den Wiener Außenbezirken auch ­ Tofu-Soja, Braugerste und Fenchel. TEXT Thomas Weber

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ass Wien die einzige Weltstadt ist, auf deren Hängen Wein wächst, wird von der Tourismuswerbung wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Was aber selbst alteingesessene WienerInnen oft überrascht: Es werden da draußen, wo sich die Reihenhäuser ins Ackerland fressen und mittlerweile U-Bahnen in Stadterweiterungsgebiete führen, auch allerlei Feldfrüchte, Erdäpfel und Glashausgemüse angebaut. Schon seit Jahrhunderten. Zum Lokalkolorit der Vorstadt tragen also nicht nur Weingärten und Heurigenkultur bei, sondern auch die Äcker, aus denen im Hochsommer die ersten »Heurigen« gegraben

werden. So heißt hier im Osten Österreichs die erste Erdäpfelausbeute einer Erntesaison: eher kleine, besonders aromatische Kartoffeln, die ungeschält gegessen werden können. Einziger Nachteil: Sie sind deshalb nicht lange lagerfähig und sollten bald verarbeitet werden. Auch sonst blüht und gedeiht die Vielfalt auf Wiens Feldern. Im äußersten Favoriten, dem südlichsten Stadtteil, wächst Fenchel im Vertragsanbau für Sonnentor ebenso wie Braugerste für Ottakringer oder Soja. Gleich auf ganzen 30 Hektar wachsen 2021 Sojabohnen, die im Spätherbst für einen großen Vermarkter erstmals zu Tofu aus der Großstadt ­verarbeitet


BILD  STEFAN ZAMIS CH

werden sollen. Arbeitstitel des stolz von der Landwirtschaftskammer angekündigten Projekts »Wiener Bio-Soja«. Bioanbau ist in Wien weiter verbreitet als in den meisten anderen Bundesländern. Bereits mehr als 35 Prozent der Anbauflächen sind biozertifiziert. Einer der ersten Betriebe, die im Stadtgebiet mit Bio experimentiert haben, ist das Bio-Zentrum Lobau der Stadt Wien. Es bewirtschaftet insgesamt weit verstreut liegende 900 Hektar Ackerland und hat sich bereits 1978 der ökologischen Landwirtschaft verschrieben. Gedacht wird in Kreisläufen (hier landet als Dünger auch der Kompost, den die WienerInnen in ihren Tonnen sammeln); geerntet werden vor allem Getreide, aber auch Erdäpfel. Bis in die Sechzigerjahre wurden auf dem Gelände des Hauptstandorts, einer ehemaligen k. u. k. Kaserne, mehrere Hundert Milchkühe gehalten. Doch Viehhaltung gehört in Wien weitgehend der Vergangenheit an. Wobei in Floridsdorf, im transdanubischen Norden der Stadt, ein Biobetrieb sogar einen Stallneubau gewagt hat. Der Biohof Maurer setzt künftig – durchaus konfliktträchtig im Stadtgebiet – auf Schweinehaltung. »Von der Zucht über die Mast bis zur Schlachtung und Direktvermarktung werden wir alles vor Ort haben«, sagt Andreas Maurer. »Auch das Futter wird so weit wie möglich aus Wien stammen.« Erste Ferkel gibt es bereits in Floridsdorf, bis die Herde groß genug zur Zucht ist und im größeren Stil Sauen schlachtreif sind, dauert es aber mindestens noch bis 2022. Besonders aktiv bei der Vermarktung unveredelter Produkte der städtischen Landwirtschaft tut sich Ja! Natürlich, hervor, die Premiummarke der Rewe-Gruppe für Bioprodukte. Mitten im Sommer brachte man erstmals »Heurige« direkt aus Wien in den Handel. Auf 15 Hektar hat das Bio-Zentrum Lobau auf den fruchtbaren Auböden, die zum Teil bereits im Nationalpark Donau-Auen liegen, frühreife Erdäpfel für Ja! Natürlich angebaut. 300 bis 400 Tonnen Erdäpfel dürften dort bis Spätsommer

»Durch die Frostschäden im Frühling fällt die Erdäpfelernte etwas geringer aus als ursprünglich erwartet.« — Klaudia Atzmüller, Geschäftsführerin von Ja! Natürlich


STAD T L A N DWIR TSCH A F T

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Stadternte Weil auch viele WienerInnen nicht wissen, dass es in Wien noch Landwirtschaft gibt, hat die Branchenvertretung der Bäuerinnen und Bauern zur Bewusstseinsbildung eine eigene Wortbildmarke zur Direktvermarktung geschaffen. stadtlandwirtschaft.wien

geerntet werden. »Durch die Frostschäden im Frühling fällt die Erdäpfelernte etwas geringer aus als ursprünglich erwartet«, bedauert Klaudia Atzmüller, die Geschäftsführerin von Ja! Natürlich. Doch auch wenn es Bewässerung brauche: »Die Wiener Auböden sind ideal für den Anbau von Erdäpfeln«, sagt Karl Mayer, der Gutsverwalter des Bio-Zentrums Lobau. Dass Bioerdäpfel in Wien angebaut werden, ist nichts grundsätzlich Neues. Bislang landeten sie vor allem anonym in den Küchen der kommunalen PensionistInnenheime. Klaudia Atzmüller sieht mit dem neuen Angebot »das in Pandemiezeiten noch einmal gewachsene Bedürfnis der KonsumentInnen nach hochwertigen regionalen und saisonalen Bioprodukten« befriedigt. Wenn bis zu 150.000 Verpackungseinheiten frischer Früherdäpfel aus Wien in den Supermärkten landen, dann trägt das außerdem massiv zur Bewusstseinsbildung bei. Denn aus Gesichtspunkten der Raumplanung ist Urban Farming in einer wachsenden Weltstadt längst keine Selbstverständlichkeit mehr. »Der Druck auf die Flächen ist enorm«, sagt Franz Windisch, Präsident der lokalen Landwirtschaftskammer. Er weiß von ImmobilienentwicklerInnen, die regelmäßig bei Bäuerinnen und Bauern anrufen – und ganze Höfe kaufen und in Siedlungsgebiet umwandeln wollen. Um auf Produkten

Auch das kommunale Weingut Cobenzl produziert seit einiger Zeit nach strengen Biokriterien.

»Die Wiener Auböden sind ideal für den Anbau von Erdäpfeln. Ohne Bewässerung wäre hier heuer aber nichts gewachsen.« — Karl Mayer, Gutsverwalter des Bio-Zentrums Lobau und im Handel Sichtbarkeit für die Erzeugnisse der 645 landwirtschaftlichen Betriebe der Stadt zu schaffen, hat seine Standesvertretung mit »Stadternte« vor Kurzem auch eine eigene Marke geschaffen. Sie wird vor allem in der Direktvermarktung verwendet, von konventionellen wie von Biobetrieben. Der Gedanke dahinter: Nur wenn KonsumentInnen bei vollem Bewusstsein zu lokalen Erzeugnissen aus Wien greifen, werden sich die für eine Stadtlandwirtschaft nötigen Ackerflächen auch für die Zukunft erhalten lassen. Damit nicht nur Wien wächst und gedeiht, sondern am Stadtrand auch künftig Platz für Wein, Braugerste und Erdäpfel bleibt. Und vielleicht wird auch die neue Wiener Heurigen-Kultur irgendwann vom Tourismus entdeckt.

BILD  RAIMO RUDI RUMPLER

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GAR T E NW ISSEN

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MISCHKULTUR

Teilselbstversorgung mit Plan: Eigenes Herbst- und Wintergemüse als Abwechslung zur (Super)marktware.

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s gibt keinen Grund, mit den letzten Tomaten die Erntesaison zu beenden. Die Spätsommertage lassen sich perfekt nutzen, um einer neu gefundenen Gartenliebe weitere Pflanzflächen zu verschaffen. Die Möglichkeiten sind größer, als man vielleicht meinen würde. Das könnte auch daran liegen, dass die Farbpalette dessen, was im Winter wächst, nicht ganz so breit und prächtig ist. Das bedeutet kulinarisch und in Fragen der Vitaminversorgung aber keineswegs Eintönigkeit.

BILD  ISTO CK. COM/S URREAL66/ RRAYA, RU PERT PE SSL

KNACKIG DURCH DEN WINTER Erste HobbygärtnerInnenfrage in diesem Kontext: Brauche ich dazu ein Hochbeet? Die Antwort ist einfach: Hochbeete sind perfekt überall dort, wo der Boden versiegelt und wenig Platz ist. Überall anders eignen sich Rahmenbeete viel besser, um den Gemüsepflanzen Lebensraum und uns Ernte zu beschaffen. Das geht in vielen Hinterhöfen genauso wie in Kleingärten: Rasen mit einem scharfen Spaten flach abstechen, Boden lockern, 15–20 Zentimeter hohe Rahmen aus unbehandeltem Lärchenholz aufsetzen – in 120 Zentimeter Breite und gewünschter Länge. Mit Biogartenerde

auffüllen. That’s it! Nun kann es losgehen mit der zweiten Gartensaison des Jahres.

TEXT Andrea Heistinger

FRISCHE VITAMINE BEI MINUSGRADEN Denn was der Sommerernte die Frühlingsaussaat ist, ist der Winterernte die Septembersaat. Diese bringt knackige, frisch gepflückte Salatgemüse auf die Jausenbrote und in die Mixed Vegetable Bowl. Erbsensprossen, dicht (also im Abstand 2 x 2 Zentimeter) gesät und 15 ­Zentimeter hoch geerntet, lassen jede Dosenerbse alt aussehen. Asia-Salate, in Reihen gesät – mit wunderbaren Namen wie »Namenia«, »Mizuna« oder »Mibuna« –, schmecken, zehn Zentimeter hoch geerntet, erfrischend und leicht scharf. Und: Sie überstehen Wintertemperaturen bis minus 15 Grad locker, sofern sie mit einer Abdeckung versehen wurden. Am überdachten Balkon ist selbst das nicht nötig.

Andrea Heistinger Was Gärten brauchen und worauf es beim Fensterbank-Garteln ankommt, weiß Agrarwissenschafterin und Gartenbuchautorin Andrea Heistinger. andrea-heistinger.at.


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TIERISCH SCHLECHT Auf der Suche nach dem Einhorn: Aufblasbares Wasserspielzeug ohne PVC und frei von anderen Problemstoffen. TEXT Alex Syen und Irina Zelewitz

V

om Freibad bis zum Malibu Beach sind die quietschbunten Schwimmreittiere Symbol für Badespaß. Und zwar längst nicht nur mehr für den von Kindern. Doch die, wie Untersuchungen nahelegen, wiederholt die Grenzwerte überschreitenden Mengen enthaltener Problemstoffe können nicht nur störend und reizend wirken, sondern durchaus bedenklich sein – für Mensch und Umwelt. Material, Beschichtung und Stärke von Schwimmtieren variieren, doch häufig kommt der Kunststoff Polyvinylchlorid, also pvc, zum Einsatz. Seltener ist die Haut der aufblasbaren Wassertiere aus thermoplastischem Polyurethan (tpu). Generell können Kunststoffprodukte aus einer Vielzahl von Substanzen zusammengesetzt sein, damit sie ihre Funktionalität, aber auch Designansprüche erfüllen, darunter Farben, Kleber und unzählige weitere Additive. Nicht selten etwa Phthalat-Weichmacher und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, kurz pak. Auch ohne vertiefte Chemiekennt-

nisse schrillen da inzwischen schon die Alarmglocken. Einige Substanzen wie beispielsweise Weichmacher können durch Speichel oder engen Hautkontakt aufgenommen und möglicherweise hormonähnlich wirken, viele der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe gelten als krebserregend. »Ein Kind in der oralen Phase, das seine Umwelt gerade so kennenlernt, kann ich schwer davon abhalten, in alles Mögliche reinzubeißen«, mahnt die Lebensmittelchemikerin Andrea Büttner und ruft entsprechend vor allem Eltern kleiner Kinder zu reflektiertem Konsumverhalten auf. Sie ist Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (ivv), auf Geruchs- und Sinnesforschung spezialisiert und forscht seit einigen Jahren zu Kontaminanten und Begleitstoffen in Kinderprodukten, unter anderem in Wasserspielzeug. Nicht alles, was möglicherweise gesundheitsschädlich ist, wird erfasst – gleichzeitig tauchen immer wieder Produkte mit Schad-


47 stoffbelastungen weit jenseits der Grenzwerte auf dem Markt auf. Grundsätzlich erfolgen Prüfungen aufgrund der Masse und der ständigen Variation der Produkte nur durch Stichproben oder wenn EndverbraucherInnen etwas auffällt und sie ein Produkt zur Überprüfung melden – das landet dann womöglich im Institut von Andrea Büttner, die zu bedenken gibt: »Wir wissen gar nicht wirklich umfassend, wie der Markt für diese Produkte zusammengesetzt ist.« Es handle sich um schnelllebige Saisonware in einem ständig wechselnden Angebot. Der Ablauf bei Kontrollmechanismen könne deshalb derzeit nur »eher anekdotisch« ausfallen: »Wenn einmal etwas aus dem Verkehr gezogen wird, dann betrifft das Verbot nur dieses konkrete Produkt. Wir erleben aber, dass dasselbe Unternehmen aus denselben Materialien ein Produkt mit anderem Design auf den Markt bringt.«

BILD  ISTOCK.CO M/ANDRE Y DANIL OVICH

IMMER DER NASE NACH? Wer ein Kunststoffprodukt vor sich hat, sollte Intensität und Art dessen Geruchs durchaus Aufmerksamkeit schenken. Das, was wir als typischen Kunststoffgeruch von Schwimmtieren oder auch Schwimmflügeln zu kennen glauben, ist vor allem der von enthaltenen Lösungsmitteln. Das hat zumindest 2018 eine Studie, an der auch Andrea Büttner mitarbeitete, ergeben, bei der systematisch an aufblasbarem Wasserspielzeug gerochen wurde. Tatsächlich konnten in den auffällig riechenden Proben auch erhöhte Lösungsmittelgehalte festgestellt werden. So konnten ForscherInnen in neun von 20 getesteten Proben relevante Mengen an Cyclohexanon nachweisen, das zu jenen Stoffen zählt, die beim Einatmen reizend wirken. Außerdem enthielten acht Proben höhere und zwei Proben besonders hohe Gehalte des Stoffs Isophoron, der als potenziell krebserregend eingestuft wurde. Und in 14 Proben wurde das giftige Phenol in erhöhter Konzentration nachgewiesen, es steht im Verdacht, beim Verschlucken, aber auch bei Aufnahme über die Atemwege oder die Haut erbgutverändernd zu wirken. Woran erkennt man nun »auffälligen Geruch«? Büttner klingt heute noch ein wenig erstaunt, wenn sie die Ergebnisse der bisherigen Studien zusammenfasst: »Unser evolutionär so alter Sinn funktioniert offenbar sogar bei so

komplexen modernen Produkten: Kunststoff, der für uns untypisch intensiv, stechend unangenehm, mitunter süßlich riecht – manche beschreiben es als amarettoähnlich – oder brennend oder in der Nase reizend wirkt, kann oft auch schädliche Inhaltsstoffe enthalten.« So zuverlässig der Geruchssinn in den Untersuchungsreihen in die richtige Richtung gelenkt hat, so ist er doch, wie die ForscherInnen betonen, kein Garant dafür, ein unbedenkliches Produkt vor der Nase zu haben. Manche Giftstoffe sind schlicht geruchlos, und viele Gifte schmeckt man auch nicht.

ANSCHAFFUNG UND HANDHABUNG Wer unbedenkliche Schwimmtiere sucht, hat es also nicht einfach. Nur manche HerstellerInnen in diesem bunten globalen Markt kennzeichnen ihre Produkte mit Angaben zu Material und Inhaltsstoffen – hier kann bei aufblasbarem Wasserspielzeug nach dem Hinweis »pvc-frei« Ausschau gehalten werden und wo pvc verwendet wurde, zumindest nach Produkten mit dem Hinweis »bpa-frei«. Schwimmtiere und auch Planschbecken bestehen oft nicht aus einem Stück Folie, sondern aus mehreren miteinander verschweißten Streifen davon. Diese Schweißnähte sind die Stellen, an denen die Schwimmfiguren gerne ein- und aufreißen. Die Maximalbelastbarkeit kann als Hinweis darauf dienen, wie gut die Schweißnähte verarbeitet sind. Wer nicht nur etwas für sich tun will, sondern auch den Weg zu mehr Transparenz ebnen möchte: Eine Anfrage zum Material beim Hersteller muss von diesem beantwortet werden, falls bestimmte Phthalate oder einer der anderen Stoffe, die als besonders besorgniserregend unter der EU-Verordnung reach identifiziert sind, ab einer Konzentration von 0,1 Prozent des Gesamtgewichts enthalten sind. »Das ist zugegebenermaßen gar nicht so wenig, aber absichtlich zugesetzte Stoffe kann man so erfassen«, betont Eva Becker vom deutschen Umweltbundesamt, Sektion für Chemikalien.

WIE ERKENNE ICH EIN BESSERES PRODUKT? »Was wir empfehlen, ist, eine Anfrage über die App ›Scan for Chem‹ des deutschen Umweltbundesamtes zu machen«, betont Becker. Die kann an den Hersteller, aber auch jeden, der mit dem Produkt handelt, gestellt werden

Die App »Scan4Chem« ­ ist kostenlos im App ­Store ­und Google Play Store ­erhältlich und greift auf die Datenbank des EU-Projekts AskRE­ACH ­zu. Derzeit wird zusätzlich auch an einer Web-App gearbeitet, über die man zwar keine Anfragen stellen, aber die vorhandenen Informationen wird auslesen können. askreach.eu scan4chem.eu


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Seit Jänner 2021 müssen alle Unternehmen, die in einem Produkt über 0,1 Prozent eines als besonders problematisch klassifizierten Stoffes verarbeiten, das in die Datenbank SCIP der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) melden. Die EU listet derzeit 211 dieser besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC) auf. Die dort gelisteten Produkte sollen öffentlich einsehbar werden und die I­nformationen sollen ab 2022 auch über die App Scan4Chem zugänglich sein.

und muss von diesem auch beantwortet werden, sofern die gelisteten Substanzen in einer Konzentration über 0,1 Prozent enthalten sind. Die App ist für alle Arten von Gebrauchsgegenständen eingerichtet – von Luftmatratzen bis zu Sportschuhen – und dafür gedacht, dass man im Geschäft vor dem Kauf den Barcode scannt und dann ein Ergebnis bekommt. Für 37.500 Gebrauchsgegenstände sind schon Daten in der Datenbank hinterlegt, für alle weiteren muss man noch – auch das geht über die App – bei der Firma oder dem Händler anfragen und die Antwort abwarten. Damit die Zahl der Produkte steigt, braucht es viele solcher Anfragen, die bei den Unternehmen einlangen. Denn statt diese einzeln zu beantworten, können die herstellenden Unternehmen in der Datenbank Profile anlegen und so den KonsumentInnen die Informationen zur Verfügung stellen. Die App gibt es in den Sprachen von 15 EU-Ländern. »Wir brauchen aber die VerbraucherInnen, damit es laufend mehr Informationen werden. Wir kriegen von den Unternehmen immer die Antwort: Wenn wir drei Anfragen pro Jahr bekommen, machen wir uns nicht die Mühe, dort die Informationen einzutragen«, erklärt Becker.

AM TAG NACH DER REGULIERUNG »Einige Weichmacher und Phthalate, die in Weich-pvc eingesetzt werden, wurden vergangenes Jahr EU-weit verboten«, weiß Becker.

»Es ist möglich, dass derzeit über Abverkaufsware noch Produkte mit diesen Stoffen erhältlich sind.« Prinzipiell sei hier aber zumindest eine Reihe von Problemstoffen aus dem europäischen Angebot verschwunden. Es kommt mitunter vor, dass ein verbotener Stoff durch einen noch nicht verbotenen ersetzt wird, der noch weniger bekannt ist, sich aber als mindestens genauso schädlich herausstellt. Die Gefahr einer solchen in der Europäischen Union als »Regrettable Substitution« bekannten »Problemlösung« besteht prinzipiell. Doch die EU habe das erkannt und versuche nun, ganze Problemstoffgruppen gleichzeitig zu regeln, erläutert Becker. »Im Einzelfall ist es natürlich trotzdem möglich, dass es vorkommt.« Wie häufig diese Fälle auftreten, ist allerdings schwer zu sagen, denn eine systematische, umfassende Probenentnahme ist mit heutigen Verfahren nicht realisierbar, bedauert Andrea Büttner: »Ich habe mich vor Kurzem erst wieder vergeblich um eine Forschungsfinanzierung dazu bemüht.« Am Fraunhofer ivv möchte man ein Verfahren für ein schnelleres Screening solcher Produkte auf Gefahrenstoffe entwickeln. Denn es gebe ausreichend Indizien, dass es zahlreiche Produktgruppen gibt, die regelmäßigen Kontrollen unterzogen werden müssen. »Wir brauchen dafür neue Tools für schnellere dezentrale Screenings auf verdächtige Produkte, am besten, bevor sie auf den Markt kommen.«

BILDER  ISTOCK.CO M/NIKO LA STOJADINOVI C

Vor allem bei nicht sachgemäßer Entsorgung zahlen auch die Gewässer einen hohen Preis für den farbenfrohen Wasserspaß.


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Unter anderem zur Verbesserung der chemischen Bewertung und Weiterentwicklung von Kunststoffprodukten, aber auch von Kunststoffabfällen läuft auch deshalb derzeit ein EU-finanziertes Forschungsprojekt, an dem 28 europäische Forschungseinrichtungen mitarbeiten – solche der Kunststoffindustrie wie auch der Universitäten. Darunter die Montanuniversität Leoben und auch wieder das Fraunhofer IVV und die Friedrich-Alexander- Universität Erlangen-Nürnberg, wo Büttner als Projektverantwortliche die dringende Notwendigkeit betont, eine neue Sensorik und Diagnostik zu entwickeln, um sowohl bekannte Stoffe als auch Abweichungen von diesen zu erkennen: »Durch die wilden Mischungen von Komponenten, die eingesetzt werden, bilden sich mitunter ohne Absicht des Herstellers neue Substanzen.« Diese sogenannten nias – non-intentionally added substances – entziehen sich also weitgehend der Möglichkeit, durch Verbotslisten geregelt zu werden. Das Unwissen darüber, woraus unsere Kunststoffprodukte bestehen, behindert auch den Weg zur Circular Economy. Büttner ergänzt: »Spätestens bei Plastikmüll aus dem Meer sind wir damit konfrontiert, wenn wir versuchen, die Materialien wieder einzusammeln und zu recyceln. Eine Sisyphosarbeit, gerade wenn man bedenkt, welche Substanzen noch unter Witterungseinflüssen gebildet oder auch aus der Umwelt über andere Kontaminationswege aufgenommen werden können.« Die Expertin spricht sich klar für eine Umkehrung des Prinzips aus: »Eigentlich braucht es zertifizierte Inhaltsstoffe und Zulassungsprozesse und erstklassige Wiederverwertung von Kunststoffen. Denn eigentlich wären sie dann nicht Müll, sondern Roh- und Wertstoffe.« Sowohl Büttner als auch Becker geben sich hörbar Mühe, Verständnis für die rege Nachfrage nach den recht problematischen Spaßprodukten aufzubringen, weisen aber doch darauf hin, dass es sich hierbei um eines der ersten Produkte handeln könnte, bei denen eine reflektierte Konsumentscheidung in Verzicht bestehen könnte. Becker appelliert: »Wenn Sie meine ganz persönliche Meinung hören wollen: Unser Konsum kann einfach so nicht weiterge-

hen, weil wir dabei sind, die Erde zu vernichten. Deswegen würde ich mir wirklich überlegen, ob ich das brauche. Und sonst drauf verzichten. Wir haben ein Mikroplastikproblem und die enthaltenen Chemikalien führen zu weiteren Problemen bei Mensch und Umwelt.«

FLOAT ON! Eine Verringerung der Kontaminierung der Umwelt könnten wir nicht nur durch Verzicht, sondern auch schon durch längeren Gebrauch der Produkte erreichen. Viele der Wasserreittiere, -reifen und -inseln verenden nach ein paar Einsätzen defekt schon im Müll, wenn sie nicht gar am Unfallort zurückgelassen w ­ erden. Manche Schwimmtierliebe geht womöglich trotz voller Funktionsfähigkeit schon nach einem Urlaubsflirt den Weg vieler Saisonware, die keinen Platz im Rückreisegepäck mehr hat. Liebe zu den lebenden Meeres- und See­bewohnern lässt sich allerdings hervorragend leben, indem man besonders am ­Urlaubsort wenig vermeidbaren Müll verursacht und zurücklässt. Und um gerade den Dingen, für die es noch keine umweltverträglicheren Alternativen gibt, ein möglichst langes Leben zu garantieren, wäre ein achtsamer Umgang umso w ­ ichtiger. Schwimmtiere und Luftmatratzen quer über den Kiesstrand hinter sich herzuziehen ist also auch der Umwelt zuliebe zu vermeiden. Wenn möglich, sollte bei Ausflügen Auf­blasbares ­außerdem im Schatten auf seinen nächsten Einsatz warten. Auch eine Aufbewahrung ­im sauberen und trockenen Zustand verlängert die Lebensdauer.

WER TEILT SEIN ZIMMER MIT DEM STINKTIER? Von einigen Stellen­– etwa vom Chemical Sensitivity Network – wird außerdem tatsächlich ­davon abgeraten, mit seinem Schwimm­spielzeug im selben Raum zu schlafen. Das Verstauen in Kinder- und Schlafzimmer ist nicht ratsam. Gilt auch für Hotelzimmer und Zelt. ­Wovon man laut Büttner jedenfalls absehen sollte: »Immer wieder erzählen Leute, dass sie e­ in Produkt gekauft haben, das so gestunken hat, dass sie es für ein paar Tage in den Garten ­gelegt h ­ aben, bis es erträglich wurde. Solche Produkte ­gehören gemeldet, sonst ändert s­ ich nichts.«

Im Forschungsprojekt ­»Circular Plastics ­Network for Training« wird EU-­finanziert zur Wiederverwertung und ­Optimierung von Kunststoffen, auch von Postconsumer-­Kunststoffmüll aus dem Meer, geforscht. c-planet.eu/partners


PLASTIKMÄRCHEN

„VERPACKUNGEN AUS KUNSTSTOFF SCHADEN DEM KLIMA. GLAS ODER PAPIER SIND BESSER FÜR DIE UMWELT.“

TATSACHE IST: DIE MEISTEN VERPACKUNGEN AUS KUNSTSTOFF HABEN GERINGERE AUSWIRKUNGEN AUF DAS KLIMA ALS DIE ALTERNATIVEN AUS GLAS ODER METALL.

Klima- und Umweltschutz sind

ven zu Kunststoff häufig einen

bei allen Verarbeitungs- und Lo-

gleichermaßen wichtig, sollten

höheren CO2 -Ausstoß.

gistikschritten bis hin zum Recycling einen weit größeren CO 2 -

aber nicht ständig in einen Topf geworfen werden. Denn dann

Wie lässt sich das erklären?

kann jeder Konsument jene Maß-

Kunststoff wird bei viel niedrige-

nahmen unterstützen, die wirk-

ren Temperaturen verarbeitet und

Insgesamt liegt der Anteil von

lich etwas für unser Klima brin-

ist sehr leicht. Verpackungen aus

Verpackungen am Klimafußab-

gen. Tatsächlich verursachen die

Glas oder Metall wiegen bis zu

druck eines Menschen bei nur

vermeintlich „besseren“ Alternati-

zehnmal mehr und haben daher

einem Prozent. Verkehr, Heizung

Wien

25 14

km

25 14

km

Fußabdruck.

VERBRAUCH VON VERPACKUNGEN Eine Flugreise von Wien nach Mallorca und zurück entspricht dem Klimafußabdruck des Verpackungsverbrauchs einer Person in elf Jahren.

» 11 JAHRE

Verpackungsverbrauch

Palma de Mallorca


Öffentliche Infrastruktur

11 % 14 %

Autofahren

15 %

Ernährung

18 % Q u e l l e:

25 %

de

Konsum

nk st at

t

und Konsum sind hingegen für

stoff, darf in der Natur entsorgt

knapp 60 Prozent verantwortlich.

werden. Mit richtiger Mülltren-

Wer also wirklich etwas für das

nung kann jeder von uns Recyc-

Klima tun will, sollte seine Mobili-

ling unterstützen und aktiv zum

täts- und Konsumgewohnheiten

Umweltschutz beitragen.

Flugreisen

8% 7% 1% 1%

Strom (Haushalte) Öffentlicher Verkehr Verpackungen

Heizung (Haushalte)

EN UNTERSTÜTZ G SIE RECYCLIN SI E ENTSORGEN FF O ST KUNST GEN VERPACKUN RICHTIG IM CK GELBEN SA

überdenken. Ganz klar ist: Keine Verpackung,

Noch mehr Fakten

ob aus Glas, Metall oder Kunst-

HABEN SIE GEWUSST, DASS ... ... Kunststoffverpackungen

... Kunststoff bei rund 260 °C

... recyceltes PET bis zu

seit 1991 um durchschnitt-

verarbeitet wird und Glas

90 Prozent weniger Treib-

lich 25 Prozent leichter

erst bei rund 1500 °C

hausgas verursacht als Neu-

geworden sind? Das geringe

schmilzt? Dieser deutliche

ware? Wer zu Produkten in

Gewicht reduziert die

Unterschied spielt für die

Verpackungen aus Recyc-

Emissionen beim Transport

Ökobilanz von Verpackun-

lingmaterialien greift, fördert

von Produkten.

gen eine große Rolle.

die Kreislaufwirtschaft und schützt das Klima!

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MI NI MAL I STiN N EN SCH R A N K

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33 UND KEINES MEHR Die Kleiderschränke sind zu prall gefüllt. Project 333 ist ein Lösungsansatz für mehr Effizienz im Kleiderschrank.

Das Project 333 soll durch Güterreduzierung zu mehr Übersicht im Kleiderschrank verhelfen. Ein Selbstbeschränkungsversuch.

B ILD  ISTOCK.CO M/ KUBKO O

M

an merkt mitunter erst, wie viel unbenutzte Kleidung man besitzt, wenn man den Inhalt seines gesamten Kleiderschranks vor sich sieht. Im Durchschnitt besitzt ein Mensch in Österreich 85 Kleidungsstücke, in Deutschland sogar 95. Das besagen von Greenpeace Österreich und Deutschland in Auftrag gegebene Studien aus den Jahren 2019 und 2015. Dass die Anzahl an Kleidung nicht nur viel Platz benötigt, sondern auch ressourcenineffizient ist, liegt auf der Hand. Eine Capsule Wardrobe, zu Deutsch Kapselgarderobe, besteht aus gut kombinierbaren Stücken und ermöglicht so eine Reduktion auf wenige Stücke. Der Name stammt aus

den 1940ern und soll Kompaktheit zum Ausdruck bringen, der Trend zum Minimalismus der vergangenen Jahre hat ihn wiederbelebt, die kompakte Garderobe spart Zeit- und Umweltressourcen..

33 TEILE FÜR DREI MONATE Project 333 ist eine Spielart der Capsule Wardrobe, die 2010 von der Amerikanerin Courtney Carver auf ihrem Blog bemorewithless.com gestartet wurde und sich auf 33 farblich und stiltechnisch miteinander abgestimmte Kleidungsstücke beschränkt. Das Besondere an dem Projekt: Alle drei Monate – zu Beginn einer Saison – können die Kleidungsstücke aus

TEXT Florian Jauk


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MI NI MAL ISTi N N E N SCH R A N K

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EIN MINIMALISTISCHER KLEIDERSCHRANKT Um die eigene Capsule Wardrobe zu gestalten, bedarf es ein wenig Zeit und ein paar gut überlegter Entscheidungen. Zum Start empfiehlt es sich, alle Kleidungsstücke aus dem Kleiderschrank zu nehmen und übersichtlich aufzulegen. Vor dem Aussortieren sollte man sich drei Farbschemata für die Outfits der nächsten drei Monate überlegen: eine Basisfarbe, die sich besonders gut kombinieren lässt, beispielsweise Schwarz, neutrale Farben wie Weiß oder Grau und Akzentfarben, die Farbe in die Outfits bringen. Beispiele hierfür sind Rot oder Grün. Hat man sich für seine Farbschemata entschieden, kann mit dem Aussortieren begonnen werden. Hier stellen sich Fragen wie »Wie oft trage ich das Kleidungsstück?«, »Kann ich es gut mit anderen Teilen kombinieren?« und »Würde ich es mir jetzt noch einmal kaufen?«.

KATEGORIEN FÜR MEHR ÜBERSICHT Anhand dieser Fragen können drei Kategorien mit den Titeln »Behalten«, »Verstauen« und »Weggeben oder Spenden« geschaffen werden, in die die Kleidungsstücke gut überlegt einge-

ordnet werden. In die erste Kategorie sollen 33 Kleidungsstücke fallen. Aber Achtung bei der Einordnung in Kategorie drei! Unüberlegtes Weggeben von Kleidung kann zu Unzufriedenheit und Impulskäufen führen, die einerseits ressourcenineffizient sind und andererseits am Sinn der Capsule Wardrobe vorbeigehen. Ist man sich bei einem Kleidungsstück unsicher, kann man es in die Kategorie »Verstauen« und in eine Box geben, die auf jeden Fall außerhalb der Sichtweite liegen sollte. Vermisst man das verstaute Kleidungsstück nach drei Monaten, wandert es in die Kategorie »Behalten«. Das Schema wiederholt sich so lange, bis am Ende nur noch Lieblingskleidungsstücke für jede Saison übrig bleiben.

WENIGER IST WIRKLICH MEHR Der schwierigste, zugleich aber auch spannendste Teil einer Capsule Wardrobe ist das Aussortieren. Monatelang nur aus 33 Teilen wählen zu können klingt nach einer starken Einschränkung. Aber: Nur Mut, die Vorteile und die Learnings für die kommende Saison stellen sich sehr schnell ein! Gedanken, etwas zu oft oder zu selten zu tragen, hat man fast nie, allerdings Vorfreude auf die nächste Saison und die neuen alten Kleidungsstücke. Die Übergangszeiten Frühling und Herbstsind definitiv am schwierigsten zu planen, hier braucht man entweder gute Funktionskleidung oder die Gesamtauswahl, die fürs ganze Jahr zur Verfügung steht, sie muss eine recht große Auswahl an gut kombinierbaren Stücken fürs Zwiebelprinzip bie-

BILD  ISTOCK.CO M/ KU BKOO

getauscht werden, wobei Unterwäsche, Schlafund Hausgewand sowie Sportkleidung nicht »zählen«. Die restlichen Teile – wozu ebenso Schuhe, Jacken und Taschen, also alles, wasman außer Haus bei sich hat, zählen – werden verstaut und außer Sichtweite gebracht. Mit der zeitlichen Beschränkung soll auch Vorfreude auf neue Teile am Ende einer Saison aufkommen.


Sonett recycelt selbst! Die ersten Flaschen mit 50% Sonett-Recycling-PE sind am Markt

ten. Erste Erkenntnis am Ende der Saison für den nächsten Frühling: mehr Pullover, weniger Hosen. Weniger als die in der Challenge vorgegebene Anzahl an Kleidungsstücken im Kleiderschrank zu haben ist sicherlich schwierig, so hat sich die Zahl 33 bewährt. Auch wenn man sich im Detail verkalkuliert und dazulernt, man haut mit ein wenig Gefühl kaum vollkommen daneben. Das Project 333 zeigt, dass es möglich ist, mit weniger Kleidung auszukommen, nur noch seine Lieblingsteile zu tragen und beim Zusammenstellen seines Outfits Zeit zu sparen. Aus Dauergästen im Kleiderschrank werden wieder Lieblingsstücke – man lebt mit weniger Auswahl, diese wird aber mehr geschätzt als zuvor.

Florian Jauk hat das Project 333 sechs Monate lang getestet und wird seine Capsule Wardrobe weiterführen. Sein Tipp: Kleidungsstücke, bei denen man sich unsicher ist, ob man sie behalten will, vor Start des Project 333 weglegen, um zu sehen, ob man sie wirklich vermisst. Wer das Projekt erweitern will, um noch mehr Platz im Kleiderschrank zu haben, kann Sportgewand bei den 33 Teilen miteinrechnen. Will man Unterwäsche auch dazuzählen, wird es mit 33 Kleidungsstücken allerdings knapp.

Die ersten Sonett-RecyclingFlaschen Leichte Schlieren und kleine Verfärbungen sind ein Qualitätsmerkmal der neuen Sonett Recycling-Flaschen.

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weil PE-Recyclat deshalb für Lebensmittel nicht zugelassen ist,

weil wir nur dann wissen, was wirklich in unseren Flaschen drin ist,

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HANDCREME

Die Hands-on-Mentalität im BIORAMA-Team wird unter anderem von innen durch Biolebensmittel und von außen durch zertifizierte Naturkosmetik genährt. Bevor der Herbst und Winter kommen, haben wir uns noch schnell die Hände eingeschmiert.

Biomohn Handcreme Styx Selina hat eher trockene Hände. Das Ziel … sind zarte Hände. Beim ersten Anwenden fällt ein starker Duft auf. Man sollte also sparsam dosieren. Mit Konsistenz und ­dem Fettgehalt befindet sich die Creme auch auf der schwereren Seite – kleine Portionen reichen vollkommen aus. Das Ergebnis … sind wirklich weiche Hände. Diese Handcreme wird für mich ein langfristiger Begleiter – auch da ich nicht viel verwenden muss, um sanfte Hände zu bekommen. shop.styx.at

The Softy Hand Cream Cactus Hej Organic Nanna möchte Pflege für vom vielen Fahrradfahren strapazierte Hände. Der Wunsch … sanfte Erholung für Zwischendurch. Für mich muss sich die Haut nach einer guten Handcreme genährt und ­gestärkt anfühlen. Das Ergebnis … ist sehr angenehm auf der Haut, aber zu wenig ergiebig für ­einen echten Notfall. Dem »Feigenkaktus« konnte ich vorerst keinen bestimmen Geruch zuordnen, inzwischen bin ich ein bisschen süchtig nach dem neuen, ­ungewohnten Duft. Vielleicht aber auch nach dem ansprechenden Produktdesign. hejorganic.com

Sei:Mei Bioemsan Martin hat lieber raue Hände als Geduld, bis die cremigen Hände ­wieder benützbar sind. Das Ziel ist … Haut und Hände funktionstauglich zu h ­ alten. ­»Bürotauglich« schreibt Bioemsan gleich selbst in die ­Beschreibung und weiß damit um die vielleicht wichtigste ­Eigenschaft der Handcreme: Sie zieht schnell ein. Das Ergebnis … erfüllt dieses Versprechen tatsächlich. Die auch sonst eher als Business Class unter den Handcremen zu b ­ ezeichnende »Sei:Mei« überzeugt durch die eben nicht zu ­fette ­Cremigkeit und den durchaus erfrischenden Ton in der Nase: Salz, Orange, kostbare Öle wie Leindotter, durchaus eigen abgerundet mit ­einer Bienenwachsnote. multikraft.com

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VE R SU CH SR E DA KTIO N


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Handcreme Express Santé Thomas greift als Handcreme-Muffel meist nur dann zur Tube, wenn die Haut schon richtig trocken ist – und braucht wohl auch weiterhin härtere Handcreme-Bandagen. Das Ziel … war, auszuprobieren, ob sich meine von Gartenarbeit und ­Geschirrspülen beanspruchten Hände auch mit einer weniger intensiven Creme – also mit Pflegeintensität 2 – »reparieren« lassen. Erst zu Weihnachten hat mir meine Tochter die Intensive Repair Creme mit Pflegeintensität 4 von Sante – Natrue-zertifiziert – geschenkt. ­Sie weiß, ich habe oft richtig trockene Hände. Das Ergebnis … halbzarte Hände, die eher ungewöhnlich und süß nach Marzipan duften. Nicht schlecht, aber ich bleib’ bei Stufe 4. sante.de

Basis Sensitiv Handcreme Lavera Alex hat jetzt dank Basis Sensitiv Handcreme zarte Hände aber ein paar Abdrücke auf ihrer Tastatur. Der Wunsch … Bürohände trotz Gartenarbeit. Weil das stellt man sich ja so romantisch vor: In der Pause ein Blumerl umtopfen und dann zurück zum Homeoffice. Die Wahrheit sind raue Arbeitshände. Die Wirklichkeit … Gutes Gefühl. Frischer Geruch. Und ja, die Creme zieht schnell ein. Bloss nicht schnell genug, um umgehend wieder loszutippen – also sind ein, zwei Fetttapser mehr am Laptop. lavera.de

Hand Cream Wild Lemon Grass Ur tekram Irina hat von schwerer Computerarbeit gezeichnete Hände, nützt H ­ andcreme am liebsten als Pausenvorwand und hat daher, seit sie sich erinnern kann, immer eine eingesteckt. Das Ziel … ist Durst und stetig wechselnde Muster feiner Linien zu ­versorgen, die Jahre und pandemisches Händewaschen einzeichnen. U ­ nd dabei gefälligst gefällig zu duften. Das Ergebnis … sind auch Dank der enthaltenen Shea-Butter schon durch erbsengroße Menge reichhaltig versorgte, ein bisschen nach ­Gummi ­und stark nach Zitronengras duftende, erholte, Hände. Wer beim ­Geruch ­von Gummisüßigkeiten in Versuchung gerät, soll wissen: die I­ nhalte sind b ­ iozertifiziert nach COSMOS-Organic-Standard und sämtlich natürlichen Ursprungs. urtekram.de


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KO C H BUCH EM P F E H L U N G

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KONTROLLIERTER ZERFALL Was Bakterien wollen. TEXT Irina Zelewitz

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o groß der anhaltende Fermentiertrend auf Foodblogs und in der Spitzengastronomie war und ist, das Alltagsküchenverhalten und -wissen der meisten von uns hat das mutmaßlich bisher noch nicht stark verändert. Zäh hält sich der Respekt vor Bakterien und deren Eigenleben. Manche hält vielleicht auch die Scheu vor der nicht nur olfaktorischen Sprengkraft von Experimenten dieser Art ab. Wem bisher aber einfach nur

der letzte Schubser und die einfache Anleitung zum Sauerkraut-Selbermachen gefehlt haben, kriegt hier die nächste Chance. Einmal in Gang gesetzt, können viele gar nicht mehr aufhören mit dem Fermentieren. Die finden in »Magic Fermentation« von Marcel Kruse und Geru Pulsinger Anregungen und Anleitungen auf verschiedenen Eskalationsstufen des Fermentierens. Und Erklärungen dazu, in welchen Milieus welche Voraussetzungen zu erfüllen sind.

SALZKUNDE UND REZEPTE AUS:

SALZ UND SALZLAKE Das Lebenselixier aller Fermentistas: das Salz. Ohne geht nicht, so viel ist klar. Bei der Fermentierung von Lebensmitteln fungiert es als »Schützenhilfe« für die von uns gewünschten Mikroorganismen. Kolibakterien, Kahmhefe und Schimmelpilze vertragen kein Salz und werden somit gleich eliminiert. So können z. B. Milchsäure- und Essigsäurebakterien ungestört mit der Fermentierung beginnen. » MAGIC FERMENTATION« ­von Marcel Kruse und Geru Pulsinger, Löwenzahn, 2021.

Denk immer daran: Qualitativ hochwertiges Salz ist unbehandeltes Salz. Damit es die empfindlichen Mikroorganismen und natürlichen Enzyme nicht stört oder gar tötet, muss es unbedingt frei von Zusatzstoffen sein. Es dürfen keine chemischen Verfahren zum Bleichen des Salzes durchgeführt worden sein (damit es schön weiß ist). Auch dürfen keine Rieselhilfen beigemengt sein, in Form von chemischen Zusätzen oder Mikroplastik. Die meisten Bakterienstämme vertragen außerdem kein Jod, was überdies das Gemüse weich werden lässt. Welches Salz eignet sich also am besten? Die Antwort ist

ganz klar: unbehandeltes Steinsalz oder aus der Tiefe gefördertes Urmeersalz.

DIE MENGE MACHT’S: SALZVOLUMEN Für die Kraut-Technik gilt als Faustregel: 2–3 Prozent Salz im Verhältnis zum Gesamtgewicht des zu fermentierenden Gemüses oder Obsts sorgen in der Regel für das gewünschte Ergebnis. Als kleines Rechenbeispiel: Wenn du 1 Kilogramm Kohl zu Sauerkraut verarbeiten möchtest, benötigst du rund 20–30 Gramm Salz. Dasselbe gilt für in Lake eingelegtes Gemüse. Hierbei rechnest du die Salzmenge im Verhältnis zur verwendeten Wassermenge. Für eine 2-prozentige Salzlake mischst du also 20 Gramm Salz auf 1 Liter Wasser, 40 Gramm auf 2 Liter usw. Die Unterschiede ergeben sich dabei je nach Konsistenz deiner Zutaten: Für festes Gemüse wie Karotten brauchst du nur ca. 2 Prozent Salz. Weichere Gemüse wie Zucchini oder Bohnen benötigen dagegen eine 2,5- bis 3-prozentige Lake. Tomaten bleiben knackig in 5-prozentiger Salzlake.

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KLEINES KORN MIT GROSSER WIRKUNG: SALZ


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SAUERKRAUT Ein beliebter Klassiker, den es Überlieferungen zufolge schon seit Jahrtausenden gibt. Besonders für den Winter wurden seit jeher gigantische Mengen an Kohl zu Sauerkraut fermentiert. Denn das Powerkraut liefert massig Nährstoffe und Vitamine für karge Zeiten. Heute landet Sauerkraut bei uns auf dem Teller, weil es einfach fantastisch schmeckt, leicht zuzubereiten und eine wunderbare Beilage ist.

ZUTATEN • 1 kg Weißkohl • 22 g Salz • 1 TL Kreuzkümmel • 1/2 TL Wacholderbeeren • 3 Lorbeerblätter

• 1 Drahtbügelglas (2l) • nach Bedarf: Holzlöffel oder Stampfer zum Einfüllen, Gewicht zum Beschweren

FERMENTATIONSZEIT

HALTBARKEIT

2–3 Wochen

mind. 6 Monate

ZUBEREITUNG 1. Die äußeren 1–3 Kohlblätter entfernen, waschen, mit Salz einreiben und beiseitelegen. Diese brauchst du später zum Abdecken des Krauts. 2. Den Kohlkopf vierteln, den Strunk aber nur halb herausschneiden, damit die einzelnen Blätter noch zusammenhängen. 3. Den Kohl in ca. 3–5 mm dünne Streifen schneiden oder hobeln. Dickere Streifen lassen sich mühsamer kneten. 4. In einer Schüssel den geschnittenen Kohl und das Salz 2 Minuten mit den Händen kräftig durchmischen, anschließend 30 Minuten ziehen lassen. 5. Dann geht’s ans Kneten. Das Salz und das Kneten lösen den Zellsaft aus dem Kohl, der den 6. Milchsäurebakterien als Nahrung dient. Wir brauchen viel von diesem Saft; also lange kneten, bis der Kohl schön weich wird. Das kann schon einmal 20 Minuten in Anspruch nehmen. Zum Schluss soll der Kohl im eigenen Saft schwimmen. Entwickelt sich dabei bereits ein leichter weißer Schaum, so ist das ein Anzeichen dafür, dass die Bakterien mit der Spaltung des im Zellsaft vorhandenen Zuckers gestar-


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KO C H BUCH EM P F E H L U N G

60 Auch direkt nach dem Kneten schmeckt das Kraut schon richtig gut, wie ein gut gezogener frischer Krautsalat. Nach 3 Tagen merkst du eine leichte Säure und nach 10 Tagen hast du bereits ein mildes Sauerkraut vor dir. Ein ideales ausgewogenes Aroma und eine herzhafte Säure entfalten sich nach 4–6 Wochen.

KAFFEE-KRAUT-KUCHEN Na endlich: Nachtisch! Wenn’s nach uns ginge, sollte Essen ja immer mit etwas Süßem beginnen. Aber als echte Fermentistas sind wir natürlich pflichtbewusst sehr koreanisch unterwegs und starten immer mit einem Häppchen Saures. So weit, so gut. Aber Moment mal! Kraut-Kuchen? Gemischt mit Kaffee? Klingt seltsam, schmeckt genial!

ZUTATEN • 500 g Sauerkraut • 150 g Butter • 320 g Rohrohrzucker • 3 große Eier • 2–3 TL Vanilleextrakt • 220 g Weizenmehl Type 480

(D: 405) • 100 g Rohkakaopulver • 1 TL Natron • 1 TL Backpulver • 1 Prise Salz • 250 ml kalter Kaffee

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tet haben. Kraut und Saft kosten, es sollte leicht salzig schmecken. 7. Das Kraut portionsweise ins Glas geben und mit jedem Mal fest nach unten drücken, damit der Saft hochsteigt. Das funktioniert am besten mit der Faust, mit einem Holzlöffel oder Stampfer. Es dürfen keine Luftblasen zwischen dem Kraut bleiben, denn darin könnten sich ungewollte Schimmelpilze breitmachen. 8. Die Gewürze nach und nach mit den einzelnen Portionen zugeben. Das Glas bis maximal 4/5 seiner Füllmenge befüllen, denn die während der Fermentation entstehenden Gase drücken das Kraut etwas nach oben. Befüllst du das Glas zu weit, wird es überlaufen. Vorsichtshalber einen Teller oder eine Schüssel unter das Glas stellen. 9. Zum Schluss den Knetsaft aus der Schüssel in das Glas leeren. Bis zum Glasrand aber unbedingt ca. 4 cm Luft lassen. 10. Mit den beiseitegelegten Blättern festklemmen, sodass das gesamte Kraut inkl. Deckel komplett vom Saft bedeckt ist. Sollte die Gärung alles weit nach oben schieben, so kommt nur der Krautdeckel aus dem Saft hoch. Der könnte an der Luft oxidieren, das Kraut darunter bleibt aber verschont. Zusätzlich oder stattdessen kannst du ein Gewicht zum Beschweren verwenden. 11. Sollte nicht genügend Knetflüssigkeit vorhanden sein, um Kraut und Deckel zu bedecken, mit 2-prozentiger Salzlake aufgießen. Das Glas verschließen.


ZUBEREITUNG 1. Das Sauerkraut über einem Küchensieb ausdrücken. Mit klarem Wasser ausspülen, nochmals auspressen und gut abtropfen lassen. Anschließend klein schneiden. 2. Die Butter in einer großen Schüssel erwärmen, bis sie beginnt, flüssig zu werden. Mit dem Zucker schaumig rühren. 3. Das zerkleinerte Sauerkraut, Eier und Vanille einrühren. 4. Das Mehl in eine zweite Schüssel sieben und mit Kakao, Natron, Backpulver und Salz vermengen. 5. Portionsweise die Mehlmischung in die Krautmischung rühren und dazwischen immer wieder einen Schluck Kaffee hineingeben. Alles zu einem glatten Teig verrühren. 6. Den Teig in eine mit Backpapier ausgelegte große Kuchenform gießen und im vorgeheizten Backofen bei 180 °C Heißluft ca. 30 Minuten backen, bis die Oberseite bei Druckprobe zurückspringt. 7. Den Kuchen aus der Form nehmen und auf einem Drahtgitter vollständig abkühlen lassen.

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NINJA-TIPP Für ein zuckerfreies Icing 80 g Puder-Erythrit mit 1 TL flüssigem Stevia, 1 TL Zitronensaft und etwas Wasser verrühren. Zu flüssig? Gib mehr Puder-Erythrit dazu. Zu klumpig? Füll Wasser nach. Für eine hübsche Farbe sorgen ein paar Tropfen Rote-Bete-Kwass (Ein Rezept dazu gibt’s im Buch »Magic Fermentation«).

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MISCHEN IMPOSSIBLE Woraus und wozu Gewürzmischungen sind.

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s ist irgendwie paradox. Auf der einen Seite sind sie verpönt und übel beleumundet, auf der anderen Seite sind sie Klassiker und haben dort, wo sie herkommen, ihren fixen Platz in der kulinarischen Kulturgeschichte. Genau dieser Widerspruch macht auch deutlich, warum der Begriff »Gewürzmischung« nicht unbedingt prädestiniert ist, Exoten wie Dukkah, Ras el-Hanout oder Curry zu beschreiben. Aber es gibt dafür nun einmal keinen anderen. Den schlechten Ruf haben Gewürzmischungen eher bei ambitionierten KöchInnen und bei echten GewürzpuristInnen. Ihnen gelten sie, speziell wenn sie pro-

RAS EL HANOUT, SONNENTOR

Ras el Hanout ist ein Gewürz, mit dem man sich den Maghreb auf den Teller zaubert. Übersetzt heißt es so viel wie »Der Chef des Ladens«. In den Gewürzläden Marokkos hatte jeder Ladenbesitzer eine »Hausmischung« aus seinen Lieblingsgewürzen. Fix dabei sind Kurkuma, Piment, Zimt und Kreuzkümmel. Meist auch Sternanis und Bockshornklee. Die von Sonnentor ist hier vergleichsweise klassisch und intensiv. Verfeinert Couscous, Shakshukas und gehört in jede Tajine. sonnentor.com

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fane Namen wie »Fleischgewürz«, »Fischgewürzzubereitung« oder »Zaubergewürz« haben, als Convenience-Food. Als vorgefertigte Zutat, mit der der Köchin oder dem Koch alles genommen wird, was den Beruf ausmacht: Freiheit, Kreativität, sensorisches Feingefühl. Trotzdem haben es manche Mischungen geschafft, zum Klassiker zu werden. Ihre Rezeptur ist in Stein gemeißelt. Die Kompositionen sind teils Jahrhunderte alt, und an ihnen herumzudoktern hat, zumindest aus kulinarischer Sicht, oft keinen Sinn. Hier ein paar Beispiele für empfehlenswerte Biogewürzmischungen.

DUKKAH, BABETTE’S

Keine Gewürzmischungsempfehlung ohne Dukkah. Auch Duqqa oder du’ah. Eine orientalische Mischung von der östlichen Seite Nordafrikas. Basis der Komposition sind Nüsse (hauptsächlich Haselund Cashewnüsse) und Pinienkerne. Dazu noch Pfeffer, Sesam, Kreuzkümmel und etwas Salz. Bei Babette kommen noch Pistazien und Minze dazu. Mit Joghurt ein echter Dip-Tipp. babettes.at

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BIO CURRY, PROBIO

Curry ist ebenfalls ein Klassiker aus mindestens Kurkuma, Koriander und Ingwer, der mittlerweile aus den heimischen Küchen nicht mehr wegzudenken ist. Stichwort Currywurst (bei der es auf genau zwei Aspekte ankommt: die Fleisch­ qualität bei der Wurstproduktion und die Harmonie des Currys). Oder Curry-Huhn (für das genau dasselbe gilt). Das Biocurry von Probio enthält für die Schärfe Chili, weißen Pfeffer, Paprika und gelbe Senfsaat, für die Milde und Harmonie auch noch Nelken und Muskatnuss. michelsen-versand.de

BILD  FREEPI K.C OM/MACRO VECTO R, SONNENTO R, BABETTE ’S , PROBI O-ONLINE. D E, MI LL & MO RTA R, FO OD WITH LOVE, HERBARIA

TEXT Jürgen Schmücking


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ROSE HARISSA, MILL & MORTAR

Wieder Nordafrika. Diesmal hauptsächlich Tunesien. Harissa ist eine – idealerweise – scharfe Paste mit verschiedenen Chili-Sorten, Zimt und Koriander, um dem Ganzen ein wenig Substanz und Harmonie zu geben. Bei Mill & Mortar kommen noch ein paar Rosenblätter dazu. Am besten zur geschmorten Lamm­ schulter, zum gebratenen Ziegenkäse oder einfach aufs geröstete Brot. millmortar.com

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GYROS, FOOD WITH LOVE

Food with Love ist ein kleines Start-up von zwei Düssel­ dorfer Foodbloggerinnen (Mutter und Tochter), das neben Blogs und Büchern auch ein paar handfeste Produkte im Sortiment hat. Die Gyros- Gewürzmischung wurde gemeinsam mit dem Gewürzprofi Azafran entwickelt. Mit Oregano, Thymian, Rosmarin und Chili ist die Gyros-Mischung schon recht nah am griechischen Original. Und schwups, werden aus dem Fleischpflanzerl Bifteki. foodwithlove.de

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BBQ CAJUN SPICES, HERBARIA

Sprung über den Ozean. Cajun ist eine Mischung für außergewöhnliche Grill-Erlebnisse. Dort, wo es herkommt, heißt Grillen bbq und ist beeinflusst von der französischen Tradition der Karibik. Zutaten sind neben Oregano, geröstetem Knoblauch und Thymian auch noch geräuchertes Salz (genauer gesagt Hickory-Rauchsalz), diverse Pfeffersorten und Paprika. Klar kann man auch das blutige T-Bone-Steak mit Cajun ver­ feinern. Richtig spannend wird es aber, wenn man einfach eine Melanzani damit einreibt und auf den Grill legt. herbaria.com


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1,5 Jahre konnte unser Craft Bier Fest nun nicht stattfinden – im Herbst geht es hoffentlich wieder los. Nicht nur zur Einstimmung haben wir unser Magazin BIER wieder einmal einer Generalüberholung unterzogen und im Frühsommer eine neue Ausgabe herausgebracht. Darin geht es um neue Unternehmungen der BrauerInnen, Erinnerungen an das erste Bier, alkoholfreies Bier, Bier zur Jause oder auch Bier auf Tiroler Berghütten. Ende September wird die zweite Ausgabe von BIER erscheinen. craftbierfest.at

Die achte BIORAMA-NiederösterreichRegionalausgabe kommt. OUT SOON: Im Herbst erscheint die s­ iebte Regionalausgabe von BIORAMA NIEDERÖSTERREICH. Das Bundesland umgibt die österreichische Bundeshauptstadt Wien, enthält Berge, Seen, die eine oder andere Barockstadt, recht viel Gegend, einiges an Suburbia und knapp 1,7 Millionen ­EinwohnerInnen. Natürlich tut sich hier einiges, das aus BIORAMA-Perspektive ­berichtenswert ist. Wir berichten.

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ich denke, Urlaub und Auszeit sind wichtig für uns alle. Dazu muss ich aber nicht immer weit wegfahren. Die perfekten Pläne sind überbewertet. Nach der unfreiwilligen Reisepause des letzten Jahres hoffe ich, dass wir uns als Gesellschaft etwas mehr Zeit für die Dinge nehmen. Im Moment fühlt es sich aber so an, als würde sich das Rad im gleichen Tempo weiterdrehen wie noch vor der Covid-Krise. ich bin gern unter vielen Menschen und genieße als Abwechslung die ­Leere der Stadt in den heißen Sommermonaten, auch wenn ich auf dem Weg zur Arbeit bin, bedeutet diese Zeit für mich Entschleunigung. – Nanna Prieler, Grafik


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SAME, SAME BUT DIFFERENT Zwei Mal gleicher Genpool, zwei Mal unterschiedlicher Output. Witzig, dass sich die Geister der Söhne ausgerechnet beim Geld scheiden.

Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.

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mmer wieder stelle ich staunend fest, wie unter­ schiedlich die beiden sind. Obwohl sie sich einen ne in die Sparbüchse und läuft der Genpool teilen, haben sie, als es an die Vergabe der Große damit in den nächsten Laden, Eigenschaften ging, offenbar zu völlig unterschiedwo er sich irgendetwas kauft, was er lichen Zeiten aufgezeigt. Innerfamiliär schieben un-be-dingt braucht, objektiv betrachwir das (selbstverständlich nur scherzhaft!) auf die tet aber Mist ist. Einen gigantischen Rieunterschiedliche Staatsbürgerschaft der beiden. Ja, senradiergummi etwa, auf dem »For big richtig gelesen: Weil Kindesvater und -mutter zum mistakes« steht. Oder das dreihundertsZeitpunkt der Geburt nicht verheiratet waren, te Matchboxauto, das er seiner Sammlung bekam das erste Kind automatisch die Staatszuführt, mit der er aber nicht mehr spielt. bürgerschaft der Mutter. Seit ein paar Jahren ist Der kleine Sohn hingegen ist ein das anders, vor elf Jahren gab es keine Wahl: Er echter Dagobert. Das letzte Geburtstagswurde – wie ich – Deutscher. Weil die schlampigen geld vom Opa hat er in eine rote Handkassa Verhältnisse bis zur Geburt des zweiten mit Schlüssel investiert, sein wichtigster und Sohnes aufgeräumt wurden, bekam dieser die liebster Besitz. Darin sammelt er seit zwei österreichische Staatsbürgerschaft. Wir hätten Sommern im Urlaub in Kroatien das Pfanddas längst per Amtsweg vereinheitlichen köngeld. Während alle im Schatten dösen oder im nen, aber aus Nostalgie, Faulheit oder einer Meer dümpeln, zieht er, mit einem Müllsack Mischung daraus haben wir die Pässe einfach immer wieder erneuert. Jedenfalls: Wir führen manche Unterschiede »In seiner kleinen roten Kassa auf die Nationalitäten zurück, etwa, dass der Große beim Fußball mehr hortet er um­gerechnet 25 Tore schießt als der Kleine oder Euro – und denkt nicht dran, »die Cola« sagt. Am deutlichsten unterscheiden sie auszugeben. Überraschend sie sich aber bei zwei Dingen: vernünftig.« erstens beim Essen von Palatschinken bzw. Pfannkuchen. Der bewaffnet, los und sammelt die PET-Flaschen aus den deutsche Sohn isst sie als Frittaten Mistkübeln, um sie dann zum nächsten Supermarkt zu (Flädle) in der Suppe. So und nicht tragen, wo er sie gegen die Landeswährung eintauscht, anders. Während der Kleine sich umgerechnet 7 Cent pro Flasche. In seiner kleinen fingerdick Nuss-Nougat-Creme oder roten Kassa hortet er inzwischen umgerechnet 25 Euro Marmelade draufschmiert. Und – und denkt nicht dran, sie auszugeben. Überraschend zweitens unterscheiden sie sich vernünftig. Möchte fast sagen, dass es sich in seiner massiv im Umgang mit Geld. Kaum Tugendhaftigkeit eigentlich deutsch anfühlt. Ich schätze, wir bekommen sie ihr Taschengeld überdenken das mit der Staatsbürgerschaft in seinem Fall in die Finger (10 Euro der Große, noch mal. Oder beantragen gleich die Entenhausener. 8 der Kleine), steckt es der Klei-

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