Klimawandel, Otter, Reiher: Wer sind des Karpfens größte Feinde?
RÄUBERJAGD: Wird dem Reiher sein mieser Ruf zum Verhängnis?
SCHUTZGELD: Was ist uns der Erhalt von Karpfenteich und Artenvielfalt wert?
RISIKOGESCHÄFT: Wie nachhaltig lassen sich Pionierleistungen zu Papier bringen?
DIE NIEDERÖSTERREICH AUSGABE #12 #14
AND THE WINNER IS …
Bis so eine Ausgabe fertig für den Druck ist, dauert es. Zu Recherchebeginn formulierte Thesen werden verworfen, es wird nach Detailinformationen gesucht, die zum Großteil dann Kürzungen geopfert werden, um Bilder zu zeichnen – dafür nicht zuletzt auch Fotos gefunden, oft genug bemühen wir uns aber auch vergeblich. Für die aktuelle Story über den Karpfen und die Teichwirtschaft in Niederösterreich hätten wir zum Beispiel gerne ein Making-of-Foto vom Filmset von »Des Teufels Bad« (2024) gezeigt. Auch wenn die Handlung des Films von Veronika Franz und Severin Fiala offiziell im Mühlviertel angesiedelt ist und die Hauptfigur Agnes (Anja Plaschg) an die historische Figur der 1762 hingerichteten Oberösterreicherin Eva Lizlfellnerin (ca. 1736–1762) angelehnt ist: Gedreht wurde ein Teil der Szenen über das Landleben im 18. Jahrhundert im nördlichen Niederösterreich. Da schaffen es die historische Teichwirtschaft und Abfischszenen aus dem Waldviertel zu einer Oscarnominierung, denn »Des Teufels Bad« wurde als österreichischer Beitrag für den Auslandsoscar vorgeschlagen. Gerne hätten wir deshalb die SchauspielerInnen am Set beim Abfischen gezeigt. Zu einem Artikel über die traditionelle Teichwirtschaft und ihre Transformation in die Zukunft hätte so ein Foto gut gepasst. Ausgerechnet dieser Dreh wurde nicht entsprechend dokumentiert. Es gibt keine Fotos. Für Set-JägerInnen vielleicht trotzdem interessant: Gedreht wurden die entsprechenden Szenen an den Teichen der Schlossfischerei Litschau, einer nicht biozertifizierten, aber naturnahen Fischzucht nahe der tschechischen Grenze.
Fast immer ergibt so ein Magazin auch Gesamtbilder, im konkreten Fall auch das eines Konflikts, in dem die Verlierer unsichtbar sind. Im Spannungsfeld Lebensmittelproduktion, Umweltschutz und Nachhaltigkeit und im Wettbewerb um
Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu @th_weber
Nahrung und Ressourcen verschwinden Natur- wie Kulturlandschaften, Unternehmen und Bräuche –im konkreten Fall aber verschwinden vor allem die Vögel und ihr Lebensraum. Es ist ein Artensterben im großen Stil, auch wenn nicht alle Arten im selben Ausmaß betroffen sind. Auch davon haben wir kein Bild gefunden. Aber versucht dazu beizutragen, dass ihr euch gleich mehrere machen könnt – von Geschichten, die am Ende nicht nur VerliererInnen haben!
Wir wünschen gute Lektüre!
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN Irina Zelewitz AUTORINNEN Simon Loidl, Hanna Stummer, Thomas Weber GESTALTUNG Ulrike Dorner, Stefan Staller LEKTORAT Barbara Ottawa ANZEIGENVERKAUF Herwig Bauer, Thomas Weber DRUCK Walstead NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTION & MEDIENINHABERIN Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT Biorama GmbH, Windmühlgasse 9/14, 1060 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu BANKVERBINDUNG Biorama GmbH, Bank Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNEMENT biorama.eu/abo ERSCHEINUNGSWEISE BIORAMA NIEDERÖSTERREICH 2 Ausgaben pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien. BLATTLINIE BIORAMA ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen, Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde. Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. BIORAMA erscheint sechs Mal im Jahr. Zusätzlich erscheinen wechselnde BIORAMA-Line-Extentions.
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NÖ INHALT
VON VÖGELN UND FISCHEN
Wie geht es dem Reiher in Niederösterreich?
Ist er bedroht oder ein lästiger Fischräuber?
03 Editorial
06 Bild der Ausgabe
08 Street Talk
10 LeserInnenmeinung
12 Splitter
17 Von Vögeln und Fischen Wie geht es dem Reiher in Niederösterreich?
18 Der Karpfen, der Öko und der Otter Klimawandel und Artenschutz verändern die Bedingungen der Karpfenzucht.
33 Wie gedruckt? Der ehemalige Druckereibetreiber Ernst Gugler im Interview
38 Kochbuchempfehlung Drei »Rezeptschätze der österreichischen Knödelkultur« aus »Knödelreich«.
Karpfen gilt als gesund und nachhaltig. In dessen Lebensraum kommt durch den Fischotter Bewegung, der Klimawandel bringt Fische wie den Hecht in Bedrängnis. Ein Besuch am Karpfenteich beim Pionier der ökologischen Teichwirtschaft.
MARKTPLATZ NATURKOSMETIK
Regionale Reinigung.
NEU ODER NOCH GUT
Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen.
INSPIRATION FÜR DIE ERSTEN TRÄUME
Umstritten waren die Pläne, in den St. Pöltner Altoonapark ein Museum zu bauen, genauer gesagt, irgendetwas dorthinzubauen. In den Augen einer BürgerInneninitiative waren die Grünflächen in zentraler Lage zu wertvoll und der Baumbestand erhaltenswert. Nun wurde so geplant, dass der Mammutbaum im Park stehen bleiben konnte und der Holzbau des Architekturbüros Schenker Salvi Weber sich minimalinvasiv an den Parkrand schmiegt. In dem im Juni 2024 eröffneten Kinderkunstlabor für zeitgenössische Kunst ist seit Ende September die erste Ausstellung zu erleben: Das Dream.lab der brasilianischen Künstlerin Rivane Neuenschwander hat sich der frühkindlichen kulturellen Bildung verschrieben. Konkret wird installativ und experimentell zum Thema Träumen gearbeitet. Für Kinder und mit ihnen. Das Bild oben zeigt ein Filmstill aus »Enedo« (2016) von Rivane und Sérgio Neuenschwander, der als einer von mehreren Kurzfilmen im Dream.lab zu sehen ist.
Für Kinder bis 1 ist der Eintritt generell frei, für solche bis 18 von Dienstag–Freitag nachmittags. Es werden regelmäßig Workshops und Rundgänge angeboten. kinderkunstlabor.at
8 STREET TALK TULLN UND AMSTETTEN
WIR FRAGEN,
8 GEWALTIGE ANTWORTEN.
SCHÜTZEN ODER SCHIESSEN?
WAS TUN GEGEN TIERE, DIE SICH AN FISCHTEICHEN BEDIENEN UND DÄMME IN FLÜSSE BAUEN?
INTERVIEW UND BILD
HANNA STUMMER
JOSEF
65, Pensionist
Ich bin generell für Schützen. Das gilt auch für Tiere wie Wölfe. Die haben genauso ein Existenzrecht wie wir Menschen. Natürlich ist es so, dass wir uns als Menschen und Tiere ein Gebiet teilen müssen und ich nehme an, die Landwirtinnen und Landwirte haben da sicher eine andere Meinung als ich.
JOHANNA
29, Bilanzbuchhalterin
Eindeutig schützen. Ich habe selbst keinen Fischteich oder Ähnliches, also betrifft mich das wenig, wenn Tiere daraus Fische stehlen.
PHILIP
25, Koch
Ich denke, das kommt auf das Tier an. Wenn man am Land lebt und keine Konsequenzen zu erwarten hat, kann man vermutlich ein Auge zudrücken. Aber grundsätzlich sollte man sie natürlich schützen.
MARKUS
57, im Sozialbereich tätig
Ich bin eher dafür, sie zu schützen. Ich halte generell nichts davon, Tiere einfach abzuknallen, auch wenn man zum Beispiel an Wölfe denkt. Ich denke, man muss eine Möglichkeit finden, mit den Tieren zusammenzuleben und glaube auch, dass das möglich ist.
ANDREA
38, Landwirtin
Sie gehören einerseits natürlich geschützt, aber wenn diese Populationen ausarten, hat dann niemand mehr einen Fischteich, denn das geht ja auf die Kosten dieser Leute. Ich denke, das gehört dann je nach Art spezifisch eruiert, ob es notwendig ist, einzugreifen.
MONIKA
19, Schülerin
Man sollte sie, auch wenn sie solche Dinge tun, schützen. Ich finde, auch Tiere haben ein Recht zu leben.
ERWIN
67, Pensionist
Schützen. Auch diese Tiere haben ihren Lebenszweck, vielleicht sind sie Nahrung für andere Tiere, vielleicht fressen sie Schädlinge – ich denke also, die Natur weiß schon, was sie tut.
ADISA
62, Pensionistin
Auf jeden Fall sollte man diese Tiere schützen. Jedes Lebewesen hat es verdient zu leben. Wenn sie jemandem die Fische wegessen, dann ist das dessen Problem.
STILLE NACHT ERWACHT BIO
ALLES GLÄNZT IN NATÜRLICHER PRACHT UNTERM BAUM SO LIEBEVOLL FEIN SOLL AUCH BIO
EIN TEIL DAVON SEIN
FESTLICH, FRIEDVOLL & KLAR BIO MIT ADAMAH
WIR MÜSSEN REDEN …
LeserInnen an und über uns –Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten.
BETRIFFT:
»FIKTION GANZ NAH
AM ECHTEN«
»in BIORAMA NOE#13 (Juni 2024)
Liebes Biorama-Team!
Vielen Dank an Ulrike Potmesil für den ausgezeichneten Beitrag! Ich möchte den Beitrag weiterleiten. Darf ich um den Link ersuchen?
– JOHANNES RIEDER, per Mail
Lieber Johannes Rieder!
Wir freuen uns über das Lob – zum Nachlesen für alle, die keine Printausgabe erwischt haben:
Der Beitrag »Fiktion ganz nah am Echten« in der Onlineversion BIORAMA.EU/
AUTHENTISCHER-TOURISMUS-IN-NOE
BETRIFFT:
»DER WOLF, DAS PONY UND DER EUROPÄISCHE RECHTSRAHMEN«
in biorama 92 (August/September 2024)
Zum Thema Muffelwild kann ich sagen, dass diese wilden Bergschafe bei uns vor allem im Flachland keinerlei Verteidigungsstrategie dem Wolf entgegensetzen können. Muffelpopulationen in den Westalpen und dem Apennin wurden zwar auch vom Wolf reduziert, aber nicht ausge -
rottet, da sie dort ihr natürliches Fluchtverhalten im riskanten, felsigen Gelände zeigen konnten und, wie es ein Wolfsforscher treffend formuliert hat, geht es dem Wolf um eine Jausn und dem Muffel ums Leben.
Schweden wurde nicht nur wegen seiner Vorgehensweise vor dem EuGH verklagt, zudem schlagen vermehrt Wissenschaftler Alarm, dass die dortige Population derart genetisch verarmt ist, dass der Wolf durch die Jagd in Schweden vor der Wiederausrottung steht. In Österreich wurden die meisten Wölfe als sogenannte Risikowölfe abgeschossen.
Als Risikowolf gilt ein Wolf in Österreich bereits, wenn er in der Nacht 200 Meter vor einem Haus außerhalb einer Ortschaft steht. Experten (Wolfsforscher) in Österreich sehen darin keine ausreichende Begründung für einen Abschuss. Als Schadwolf wird allgemein ein Wolf definiert, der gelernt hat, Herdenschutz zu überwinden.
Da in Österreich de facto kein Herdenschutz betrieben wird, gibt es auch keine Problembzw. Schadwölfe. Quasi alle Almen als nicht schützbar einzustufen, ohne dass dazu ExpertInnen, wie die von Lifestockprotect, je zu Rate gezogen wurden, und die Tatsache, dass in anderen Ländern wie der Schweiz genau solche Gebiete nachweislich geschützt werden, zeigen, dass auch dieses Vorgehen nicht rechtskonform sein kann. Und das nur am Rande: Circa 40 % der Risse in Österreich fanden nicht auf schwer zu schützenden Almen, sondern auf bereits gezäunten Weiden statt.
Worauf endlich gesetzt werden muss, ist die geführte Weidehaltung mit HirtInnen, zertifizierten Herdenschutzhunden und Nachtpferch. Doch solange Bauern und Bäuerinnen, die erfolgreich und wie im Falle von Kärnten auf eigene Kosten Herdenschutz betreiben, als VerräterInnen beschimpft werden, scheint die Umsetzung in weiter Ferne. Die Population der
Wölfe ist in ganz Europa noch im Anstieg begriffen. Solange in diese ansteigende Population hineingeschossen wird, die Habitate nicht durch Rudel besetzt sind und noch kein Herdenschutz etabliert ist, hält man das selbst geschaffene Problem auf unbestimmte Zeit am Laufen. Das weiß auch ein Herr Mayr-Melnhof, der in einem Interview gesagt hat: »Da gebe ich Ihnen recht, ein Rudel lässt sich leichter managen als herumziehende Einzelwölfe.« Und zuletzt noch ein Satz zum Pony von Frau von der Leyen. Besagtes Pony war jedenfalls nicht durch entsprechende Maßnahmen geschützt, welche sich Frau von der Leyen, anders als ein Kärntner Bergbauer, sicher leicht aus eigener Tasche hätte zahlen können.«
– EIN LESER, der aufgrund von Drohungen, die er bisher wegen Veröffentlichungen zum Thema Wolf erhalten hat, anonym bleiben möchte (Name der Redaktion bekannt)und über youtube.com/@wolfeinosterreich4127 weiter Beiträge publiziert, per Mail
Lieber Leser!
Wir danken für Ihre geschätzte Meinung und die Ergänzungen! Wir sind stets bemüht, in der Behandlung der angesprochenen Fragen etwas mehr Raum zur Differenzierung zu geben, als in Ihren Anmerkungen nun möglich war – mitunter widmen wir uns zu diesem Zweck in einem Beitrag nur einzelnen Aspekten.
Gesammelte Beiträge zur Rückkehr des Wolfes finden sich u. a. auf
BIORAMA.EU/WOLF und auf der in entgeltlicher Kooperation mit dem WWF gestalteten Themenseite
BIORAMA.EU/ MIT-DEM-WOLF-LEBEN-LERNEN
Wenn Sie aufgrund von Äußerungen zum Thema angefeindet und bedroht werden, möchten wir Ihnen besonders dafür danken, dass Sie sich trotzdem an uns wenden und das erstens zum Anlass nehmen, ein Mal mehr zu sachlichen Debatten aufzurufen. Und zweitens als Motivation nehmen, weiterhin unterschiedliche Stimmen zum kontroversen Thema zu versammeln. BIORAMA bleibt jedenfalls weiter am Thema dran!
Unberührte Landschaften –Stille, die man spüren kann.
Inspirationen für deine Winterauszeit: naturparke-niederösterreich.at
WEINVIERTEL
SPINNE, ABER KEIN FEIND
Die vom Aussterben bedrohte Südrussische Tarantel ist für Menschen ungefährlich.
FEUCHTGEBIETE
RAUM FÜR SCHNEPFEN
An mehreren Standorten werden Lebensräume für feuchtgebietliebende Vogelarten wiederhergestellt.
Die natürlichen Lebensräume der Bekassine, auch bekannt als Sumpfschnepfe (Gallinago gallinago), die in Mooren und Feuchtgebieten brütet, wurden in Europa seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weitestgehend zerstört.
Sie gilt in Österreich als vom Aussterben bedroht und in ganz Europa als gefährdet. Aktuell gibt es in Niederösterreich nur mehr punktuelle Vorkommen in den MarchThaya-Auen, im Waldviertel und in der »Feuchten Ebene – Leithaauen«. Am Truppenübungsplatz Allentsteig ist sie laut Bernadette Strohmaier von der Vogelschutzorganisation Birdlife Austria normalerweise auch aufzufinden, durch zu wenige Niederschläge und Überschwemmungsphasen im Frühjahr 2024 war das allerdings nicht der Fall.
HANNA STUMMER
Im Herbst häufen sich in Österreich Sichtungen der Südrussischen Tarantel, der mit bis zu dreieinhalb Zentimetern Länge größten Spinne Mitteleuropas. Die für Menschen völlig ungefährliche, zur Familie der Wolfsspinnen gehörende Spinnenart ist in weiten Teilen der eurasischen Steppe, in vielen osteuropäischen Ländern und in Österreich, etwa im Burgenland, in Wien und im Weinviertel, beheimatet. In den Herbstmonaten befinden sich Männchen auf Partnerinnenund Weibchen auf Winterquartiersuche. Die Spinnen halten sich dann gerne in Gärten, aber auch in Garagen oder Häusern auf. Im Winter sterben die Männchen, und die Weibchen ziehen sich in ihre Wohnröhren, die sie in sandigen Böden bauen, zurück und verschließen sie. Die Südrussische Tarantel ist vom Aussterben bedroht. Der Naturschutzbund Österreich bittet daher darum, ihr Vorkommen zu dokumentieren. Läuft einem das Tier zu Hause über den Weg, wird man gebeten, sie in einem Glas wieder nach draußen zu bringen – im Freien sollte man die Spinne in Ruhe lassen. Um die gefährdete Art besser schützen zu können, ersucht der Naturschutzbund, Sichtungen auf der Onlineplattform oder der App naturbeobachtung.at zu melden. Seit dem ersten Aufruf zur Beobachtung 2016 wurden knapp 200 Spinnensichtungen gemeldet – 140 davon allein im Jahr 2024, erklärt Peter Lengauer vom Naturschutzbund. Bitte weiter so!
naturbeobachtung.at
Das von EU und Land Niederösterreich geförderte Projekt »Feuchtgebiete in Niederösterreich: Artenschutzmaßnahmen für Bekassine und Tüpfelsumpfhuhn« von Birdlife Austria und der Liechtenstein Stiftung, einer Unternehmensgruppe in Besitz der Stiftung Fürst Liechtenstein, widmet sich nun der Wiederherstellung dieser speziellen Ökosysteme. Dabei werden Feuchtflächen an unterschiedlichen Standorten wieder an die ursprünglichen Nahrungs- und Lebensräume der beiden Vogelarten angenähert. Dazu werden etwa Flächen, die kaum bewirtschaftet werden und darum zuwachsen, entbuscht, wodurch die beiden Offenlandarten dort wieder bessere Lebensbedingungen vorfinden. HANNA STUMMER
birdlife.at
WEINVIERTEL
MEHR SÜMPFE FÜR DIE HÜHNER
Der Lebensraum des Tüpfelsumpfhuhns ist stark bedroht.
Das Tüpfelsumpfhuhn ist eine Rallenart, die Sümpfe oder andere Feuchtgebiete wie Überschwemmungsflächen von Flüssen als Lebensraum bevorzugt. Durch Flussregulierungen und Zerstörung naturnaher Teichufer wurden diese Flächen jedoch stark dezimiert. Zwischen 1990 und 2015 ging der Bestand der Tüpfelsumpfhuhnpopulation in Österreich um 70 Prozent zurück, bis auf wenige Ausnahmen trifft dieser Rückgang auch für den Rest Europas zu. In Niederösterreich blieben bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts viele der natürlichen Lebensräume der Vogelart lange Zeit erhalten, in den vergangenen Jahren gibt es jedoch auch hier dramatisch rückgängige Zahlen. Heute ist der Bestand des in Afrika und Indien überwinternden Tüpfelsumpfhuhns vor allem auf die March-Thaya-Auen beschränkt. Für den in Österreich bedrohten Vogel wird (in einem gemeinsamen Projekt zur Verbesserung der Bedingungen auch für die Bekassine, siehe Beitrag links) an mehreren Standorten Niederösterreichs an der Wiederherstellung von Lebensraum gearbeitet.
WALD UND WIESEN
KEIN JAGATEE AUF DER PIRSCH
»Tierschutz Austria« fordert gesetzliches Alkoholverbot während der Jagd.
HANNA STUMMER
Durch Meldungen auf der Plattform ornitho.at und Beobachtungen, die im Falle dieser Vogelart auch durch Hinhören erfolgen können, weiß man aktuell nur von zwei Revieren. Der Ruf »huitt« ist markant und laut hörbar – vor allem, wenn er von den Männchen in der Balzzeit von Ende April bis in den Mai ausgeht.
Seit 2023 droht JägerInnen, die sich in Frankreich angetrunken auf die Jagd machen, ein Bußgeld von bis zu 1500 Euro. In Österreich, wo das Jagdgesetz Ländersache ist, ist Alkohol bei der Jagd nicht explizit verboten. »Weder im Waffengesetz noch im Jagdgesetz wird eine Promillegrenze erwähnt. Klargestellt wird, dass die Verlässlichkeit beim Führen einer Waffe gegeben sein muss. Aus den bereits vor Gericht getroffenen Entscheidungen ergibt sich ganz klar Null-Komma-Null«, erklärt Sylvia Metzler, Juristin und ehemalige Generalsekretärin des NÖ Landesjagdverbands. In der Praxis werde das nicht immer eingehalten, sagt Tierschutz Austria – ihn hätten in den ersten Novemberwochen vier Meldungen von Jägern wie besorgten BürgerInnen über Treibjagden unter Alkoholeinfluss erreicht, gibt dessen Sprecher Martin Aschauer gegenüber BIORAMA an. Es brauche Regelungen, Kontrollen und Sanktionen, denn »wenn jemand mit 0,8 Promille kein Auto fahren darf, sollte diese Person auch keine Waffe bedienen dürfen«. Im von Tierschutz Austria mitinitiierten Volksbegehren für ein Bundesjagdgesetz (knapp 25.000 Unterschriften zu Redaktionsschluss) finden sich dazu allerdings keine Forderungen –beworben wird das Volksbegehren trotzdem auch durch die Veröffentlichung genannter »Hinweise aus der Bevölkerung« auf alkoholisierte Jagdgesellschaften. In den Forderungen des Volksbegehrens enthalten ist allerdings beispielsweise ein Verbot des Einsatzes bleihaltiger Munition. HANNA STUMMER bundesjagdgesetz.at
HIMMEL ÜBER AMSTETTEN METEORITEN GESUCHT!
Auf der Erde der Gemeinde Haag sind im Oktober Meteoritenstücke niedergegangen.
Ende Oktober, genauer gesagt am 24. Oktober um 21.30, ist über Niederösterreich ein Feuerball explodiert und als Meteoritenschwarm niedergegangen. Die Bruchstücke (ein oder zwei faustgroße Stücke; alle anderen eher kleiner) landeten zwischen Lembach und Bachlerboden (Gemeinde Haag).
Citizen Scientists sind nun aufgerufen, zu sammeln und ihre Arbeit wie auch die Beute in den Dienst der Wissenschaft zu stellen – sprich die Funde im Naturhistorischen Museum Wien (NHM) abzuliefern. Da die meisten Meteorite Steinmeteorite sind und bis zu 20% Eisen enthalten, sind sie vergleichsweise schwer und können eine bräunliche Farbe durch den Oxidationsprozess annehmen. Zu Beginn ihrer Zeit auf Erden allerdings erkennt man sie an ihrer matten, glatten schwarzen Oberfläche.
Schwer, nicht glänzend, schwarz oder rostbraun, schwach magnetisch, kompakt und massiv (nicht porös): So kann ein Objekt als Meteorit identifiziert werden. Falls das Fundstück an einer Ecke abgebrochen ist, können metallische Einschlüsse oder kleine kreisförmige Strukturen erkannt werden und: Das Innere eines Meteoriten ist immer heller als die Oberfläche. Bei verdächtigen Fundstücken aber am besten schon vor dem ersten Aufheben (idealerweise mit Alufolie oder einem Plastiksackerl) Fotos machen, dann die GPS-Koordinaten des Fundorts notieren und der Kuratorin der Meteroritensammlung des NHM melden – etwa bis Jahresende erhofft man sich dort laufende Meldungen und Einsendungen von Fundstücken, die die drittgrößte Meteoritensammlung der Welt mit über 10.300 Objekten ergänzen sollen: IRINA ZELEWITZ nhm.at/meteorite
MOSTVIERTEL
WIND- UND WASSERFÄNGER
Die begehbare Skulptur »Windfänger« soll einen kühlen Rückzugsort am wichtigen Verkehrsknotenpunkt bieten.
Seit Ende August 2024 ziert ein spezielles Kunstwerk die Grünfläche am Europaplatz in St. Pölten: Der »Windfänger« besteht aus 16.000 Ziegeln, hat einen Durchmesser von 13 Metern und ist knapp vier Meter hoch. Das Kollektiv gewann damit den Wettbewerb zur Gestaltung eines neuen Kunstwerkes an der besonders stark befahrenen Kreuzung, an der starker Südwestwind weht. Der Platz für die kleine Grünfläche und das Kunstwerk wurde der Verkehrsfläche abgetrotzt – und beides soll so dauerhaft erhalten bleiben – »bis in 50 Jahren, wenn wir dann keine Autos mehr haben, steht es vielleicht mitten in einem größer gewordenen Park«, schätzt Bernhard König, der beim Grazer Breath Earth Collective für den Entwurf des Windfängers verantwortlich zeichnet.
Bei der Installation handelt es sich um eine nach oben offene Brunnenskulptur, die an drei Stellen von oben bewässert wird. Sie soll einen Rückzugsort mit Sitzgelegenheiten bieten und ist so gestaltet, dass Licht und Luft durchgelassen werden. Durch das Fließen des Wassers und natürliche Verdunstungsprozesse wird die Luft in der Skulptur abgekühlt. Das herabfließende Wasser wird in einer unter der Installation liegenden Zisterne aufgefangen, gefiltert und wieder in den Kreislauf eingebracht, wobei eingebaute Sensoren unterschiedliche Tageszeiten, Wetterlagen und Sonnenstände erkennen können und damit sicherstellen, dass die Menge Wasser im System konstant gehalten wird. So fließt etwa an heißen Tagen mehr und bei Regen oder an Tagesrandzeiten ist der Wasserfluss im Windfänger ausgeschaltet. HANNA STUMMER
breatheearth.net/windfanger-st-polten
MARCHFELD
VERWECHSELBAR
Fotografien des Ortskerns von Weikendorf stehen sinnbildlich für Veränderungen im ländlichen Raum.
Ausgestorbene Dorfzentren, verschwindende Ladenlokale und Höfe, viel Platz, aber wenig los – dieses Szenario trifft auf zahlreiche ländliche Ortschaften in Österreich zu. Dazu gehört auch die 2062-Seelen-Gemeinde Weikendorf im Weinviertel. Seit den 1970er-Jahren haben sich die Strukturen des täglichen Lebens dort maßgeblich verändert.
ST. PÖLTEN KINDER AN DER MACHT
Der Altoonapark in St. Pölten wird mit Skulpturen bestückt, deren Gestaltung zunehmend von Kindern mitbestimmt wird.
Mit eben diesem Wandel beschäftigt sich die Künstlerin Julia Gaisbacher in ihrem fotografischen Projekt »Weikendorf«, das seit Oktober 2024 im Kunstraum Weikendorf ausgestellt wird. Dabei verarbeitet sie die Veränderungen des Ortszentrums in den vergangenen Jahrzehnten mit verschiedenen Momentaufnahmen, die ausgehend von historischem Bildmaterial aus dem Weikendorfer Archiv und Gesprächen im Ort auf zahlreichen Spaziergängen entstanden. Dazu zählen etwa Bilder von Häusern, Durchblicken, ausgeblichenen Schriftzügen oder Hinweise auf bauliche Veränderungen. Die Fotografien sind in SchwarzWeiß gehalten und zeigen keine Menschen, bewirken somit eine gewisse Ungenauigkeit hinsichtlich Zeit und Ort. Besonders aus diesem Grund ergeben sich aus dem Projekt Bilder, die auch aus so manch anderer Ortschaft in (Nieder-)Österreich stammen könnten.
juliagaisbacher.com/weikendorf-2024
HANNA STUMMER
Im Park vor dem heuer in St. Pölten eröffneten Kinderkunstlabor wurden im Herbst mehrere besondere Außenraumskulpturen präsentiert. Bereits 2022 waren 75 Kinder zwischen fünf und 13 Jahren an der Entwurfsauswahl von zwei der Kunstobjekte beteiligt, unter anderem stellten sie einen Teil der Jury. Den zusammen mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich (Koernoe) ausgetragenen Wettbewerb gewannen damals die Arbeiten »Buchstabentheater« von Andrea Maurer und »Coco« von Christine und Irene Hohenbüchler. Nun wurde die Umsetzung fertiggestellt und die Skulpturen aufgestellt: Bei der begehbaren und von allen Seiten offenen Skulptur »Buchstabentheater« bildet ein liegendes A das Dach und ein daran gelehntes J ist gleichzeitig Stütze und Sitzgelegenheit. »Coco« wurde von den beiden Künstlerinnen ausgehend von Ideen und Wünschen von Kindern in der Kunstideenwerkstatt des Kinderkunstlabors entworfen. »Coco« besteht aus Beton und ist wie eine Höhle begehbar, erinnert aber auch an ein tierhaftes Wesen. Darüber hinaus fand auch die 2001 für den Kindergarten Großmugl entwickelte »Spiel-Skulptur« von Regina Maria Möller einen neuen Platz im Außenraum des Kinderkunstlabors. Ein weiteres Objekt ist in Zusammenarbeit mit dem Designstudio Mischer Traxler in Planung. HANNA STUMMER
koernoe.at
Naturwärme für die Nestwärme.
Auf die Zukunft schauen.
VON VÖGELN UND FISCHEN
Fisch ist eines der Hauptnahrungsmittel des Graureihers
Wie geht es dem Reiher in Niederösterreich? Ist er bedroht oder ein lästiger Fischräuber?
Die »Fischfresserdebatte« ist wohl so alt wie die Teichwirtschaft. Beantwortet ist die grundlegende Frage bis heute nicht: Fressen Reiher die Teiche leer? Sprich: Wie groß ist der Schaden, der durch Reiher dort angerichtet wird und wie weit sollen, wie weit dürfen die Maßnahmen gehen, die von Men-
schen dagegen ergriffen werden? Fest steht, dass Fische zu den Hauptnahrungsmitteln von Graureihern zählen. Sind Fische in großer Zahl in einfach zugänglichen Gewässern vorhanden, dann sind auch Reiher nicht weit. Sofern es in der jeweiligen Region noch Exemplare gibt. Denn die jahrzehntelange unkontrollierte Be-
TEXT
Simon Loidl
SCHONUNG
Laut der Niederösterreichischen Kormoranund Graureiherverordnung dürfen die Tiere nicht bejagt werden, sie sind »geschont«. Allerdings gibt es Ausnahmen, die der »Abwendung erheblicher Schäden am Fischbestand und zum Schutz der wildlebenden heimischen Tierwelt« dienen sollen.
Graureiher dürfen aus »fischökologisch besonders sensiblen Gewässerabschnitten und von fischereiwirtschaftlich bedeutsamen Anlagen« vertrieben werden.
Wenn diese laut Verordnung »vorrangige« Maßnahme nicht wirkt, ist die »nachrangige« Maßnahme der Bejagung erlaubt.
Allerdings: Graureiher dürfen »nur im notwendigen Ausmaß bejagt werden, wobei der Fang nicht gestattet ist«. Zudem ist dies nur »im unmittelbaren Bereich von Fischteichen und sonstigen Fischzuchtanlagen sowie von Bächen, die der Aufzucht von Brütlingen und Jungfischen dienen, vom 16. August bis 31. Jänner« erlaubt. Jeder Abschuss muss dem Landesjagdverband gemeldet werden. noejagdverband.at
stark bejagt, was zu einem starken Rückgang der Art führte. Durch Jagdverbote erholte sich der Bestand. Dennoch wurde er auf der Liste bedrohter Vögel des Bundesumweltamts zuletzt weiterhin in der Kategorie »potenziell gefährdet« eingestuft. Insbesondere die illegale Bejagung des ganzjährig geschonten Tiers setzt diesem zu.
Der Österreichische Brutvogelatlas (2. Auflage 2018) weist für das Bundesgebiet 1150 bis 1250 Brutpaare des Graureihers aus. Gabor Wichmann (Birdlife Österreich) vermutet, dass der Bestand seither abgenommen hat. Die Tendenzen der Brutpaare seien beispielswei-
»Im Nationalpark dürfen die natürlichen Beziehungen im Nahrungsnetz stattfinden.« Stefan Schneeweihs,
Gewässerökologe
jagung der Vögel hat dazu geführt, dass einige Arten immer wieder vom Aussterben bedroht sind oder nur mehr in geringer Zahl existieren. In Niederösterreich finden sich nur wenige der insgesamt mehreren Dutzend Reiherarten. Am häufigsten ist hier der Graureiher anzutreffen. Bis in die 1970er-Jahre wurde der Graureiher
se In Salzburg und Kärnten negativ, »auch aufgrund der letalen Verfolgung«, sagt Wichmann. In Niederösterreich ist der Bestand an Brutpaaren seit Beginn des Monitorings 2004 von 700 im Jahr 2010 auf zuletzt etwa 450 gesunken. Am häufigsten ist der Graureiher in Österreich im Nationalpark Donau-Auen und in Flusstälern wie jenen der March und der Mur zu finden. In alpinen Lagen sowie an Gewässern im Waldviertel trifft man die Großvögel ebenfalls an, allerdings weit seltener. Generell ist der Bestand hierzulande vergleichsweise kleiner als in den Nachbarländern. Noch seltener sind andere Vertreter der Gattung. Den Silberreiher kann man mit etwas Glück ebenfalls im Nationalpark oder im Burgenland beobachten, aber selbst in diesen von Vögeln dicht besiedelten Gebieten ist er nicht häufig anzutreffen. Sehr viel Glück braucht man hingegen, um den Purpurreiher zu beobachten – Einzelexemplare werden hin und wieder an der Donau oder rund um den Neusiedlersee gesichtet.
In Österreich ist der Silberreiher derzeit als »nicht gefährdet« eingestuft, der Purpurreiher aber als »gefährdet«. Österreich gilt als nördliches Ende des Verbreitungsgebiets dieser Arten. Andere Vertreter der Gattung – weltweit gibt es
ingesamt über 60 Arten – sind in ganz Österreich selten bis nie zu finden.
REIHER ALS SÜNDENBÖCKE
Wie verhält es sich nun mit den Fischgelüsten des Graureihers? Der Vogel ernährt sich vorwiegend von Fischen und Amphibien, erklärt Stefan Schneeweihs vom Nationalpark Donau-Auen. Im Nationalpark ist der Reiher selbstverständlich gern gesehener Bewohner. Einen »Konflikt« zwischen verschiedenen Tierarten gibt es nicht. »Im Nationalpark dürfen die natürlichen Beziehungen im Nahrungsnetz stattfinden«, sagt Schneeweihs. Sprich: Reiher fressen Fische – und diese wiederum andere Lebewesen. Die »Fischfresserdebatte« will Schneeweihs nicht direkt kommentieren. Aber fest steht für ihn, dass die größte Bedrohung für Fische nicht höhere Beutegreifer darstellen, sondern die Einschränkung natürlicher Lebensräume. Diese Einschränkung in Gestalt von Verbauung oder Regulierung von Fließgewässern aber hat niemand anderer als der Mensch zu verantworten. »Wir sollten keine Sündenböcke suchen«, so der Gewässerökologe. Denn letztlich sei immer der Mensch mit seinem Eingreifen in die Lebensräume verantwortlich für das Bestehen oder Verschwinden von Tierarten.
Außerhalb des Nationalparks sehen manche Menschen die Dinge wohl anders. Denn auch wo kein Sündenbock gesucht wird, werden mitunter Lösungen für Beeinträchtigung des menschlichen Wirtschaftens gebraucht, etwa die der Teichwirtschaft. Reiher haben eine große Reichweite, und so finden sie natürlich auch ihren Weg zu kommerziellen Fischteichen. Diese stellen für die Vögel besonders geeignete Jagdreviere dar. Flache, stehende Gewässer, in denen sich ungewöhnlich viele Fische tummeln – bessere Fangbedingungen sind für fischfressende Vögel kaum denkbar. Derart ideale Voraussetzungen für die Nahrungsmittelbeschaffung können sogar zu einem veränderten Sozialverhalten der Reiher führen: Ist genügend Nahrung für alle vorhanden, dann verzichten die Vögel auf Revierkämpfe, wie ForscherInnen beobachten konnten.
Über das Gesamtausmaß von Schäden durch fischfressende Vögel gibt es keine belastbaren Zahlen. Wollen FischzüchterInnen fliegenden Fischräubern dennoch vorbeugen, können sie dies etwa bei der Gestaltung von Teichen tun. Je tiefer ein Gewässer, desto schwieriger ist es
Der Purpurreiher ist an seiner rötlich-braunen Färbung zu erkennen.
für Reiher, in diesem watend zu fischen. Auch hohe Teichränder sind für die Vögel nachteilig. Bei bestehenden Gewässern installieren manche ZüchterInnen Netze zur Abwehr unerwünschter Fresser. Als Lösungsstrategie allein auf den Abschuss zu setzen, steht jedenfalls nicht mehr zur Diskussion.
DER KARPFEN, DER ÖKO UND DER OTTER
Thomas Weber Der Fischotter bringt Bewegung in den Lebensraum des Karpfens, der Klimawandel Fische wie den Hecht in Bedrängnis.
TEXT
Der ganze Stolz dieses Karpfenzüchters sind seine Barsche. Lange freute sich Marc Mössmer, dass sich die anspruchsvollen Raubfische in seinem Teich so wohlfühlen. Das zarte, helle Fleisch der Barsche ist eine gute Ergänzung zum leicht süßlichen, doch etwas gehaltvolleren Karpfen -
fleisch, Mössmers Haupteinnahmequelle. »Mittlerweile sind sie leider selten geworden«, sagt er vom Beifahrersitz, während er über einen ruckeligen Weg durch den Wald weist. Im Sommer wird das Wasser zu warm, der Sauerstoff in den verhältnismäßig seichten Teichen manchmal knapp. Für die genügsamen Kar-
pfen ist das – noch – kein Problem. Nötigenfalls können sie auch eine Zeit lang an der Wasseroberfläche Luft schnappen. Auch der Hecht hält einiges aus. Für Barsch oder Zander, die mehr Sauerstoff brauchen, bedeutet das mitunter bereits den Tod durch Ersticken. Schon als wir zwischen den beiden kleinen Zuchtteichen zufahren, in denen Mössmers einsömmerige und zweisömmerige Jungkarpfen heranwachsen, ist der niedrige Wasserstand zu sehen. Die Luft ist heiß für Anfang September, noch kein Hauch von Herbst. Früher hat es hier in Heidenreichstein um diese Jahreszeit nachts manchmal schon gefroren. Mittlerweile bietet zwei Ortschaften weiter am Straßenrand ein Biobauer seine Wassermelonen zum Verkauf an. Manches mag im Waldviertel langsamer ankommen als anderswo. Der Klimawandel nicht.
WARMES WASSER
Als ich die Autotüre zuschmeiße, erhebt sich in Ufernähe eine Silhouette gegen die Sonne. Ein Graureiher sucht das Weite. Fliegt dorthin, wo hinter dem Schilf, leicht unterhalb der beiden Zuchtgewässer, der große Teich liegt: gewaltige 47 Hektar Wasserfläche, die Mössmer seit dem Jahr 2000 gepachtet hat. Darin tummeln sich Karpfen ab ihrem dritten Sommer, Schleien, Welse, Weißfische, Hechte, Zander und auch noch der eine oder andere Barsch. Marc Mössmer stapft wortlos durchs hohe Gras, bückt sich zum Wasser, streckt mir ein tropfendes Thermometer entgegen. 24 Grad. Das ist ziemlich viel, nicht nur für September. Die ideale Wohlfühltemperatur für den Karpfen liegt bei 20 Grad. Bei 24 Grad geht es ihm immer noch prächtig, solange genügend Sauerstoff vorhanden ist und es in tieferen Regionen kühlere Schichten gibt. Wobei der Eindruck der Tiefe vom Ufer aus täuscht. In den kleinen Zuchtteichen misst das Wasser einen knappen Meter, im großen Haslauerteich höchstens zweieinhalb. Flache Gewässer werden schnell richtig warm. »Vor vier Jahren«, sagt Mössmer, »da hatten wir aber schon einmal 27 Grad entlang
der gesamten Wassersäule«. Beim Schwimmen habe man gemerkt, dass es auch am Grund bei den Zehen nicht mehr kühler war. In wirklich heißen Sommerwochen belüftet er notfalls die Teiche. »Das ist eine mobile Anlage, die ist schnell aufgebaut«, sagt er, »aber alles Aufwand«. Die Teiche einfach nur tiefer zu baggern, um weiter unten kühlere Temperaturen zu halten, geht nicht. Extensive Fischwirtschaft, wie sie hier im nördlichen Waldviertel und im angrenzenden Südböhmen seit Jahrhunderten praktiziert wird, braucht künstlich angelegte, flache Teiche, in die der Mensch steuernd eingreifen kann. Im Spätherbst werden die Teiche abgelassen und füllen sich nach dem Abfischen wieder langsam durch Regen und Schnee. Gefälle und Topografie müssen genau zusammenpassen. Wobei mittlerweile immer öfter das Wasser ausbleibt. Anfang September, drei Wochen vor dem Hochwasser, ist es staubtrocken. »Normalerweise brauchst du für einen Hektar 1 Liter Wasser pro Sekunde, das zufließt«, sagt der Teichwirt, »das ist die Menge, die du ohne Zufluss durch Verdunstung verlierst«. Um trotzdem zu verhindern, dass die Wasserpegel in beiden Zuchtteichen zu weit sinken, hat er vor Kurzem in eine solarbetriebene Pumpstation investiert. Damit holt er Wasser vom großen in die beiden kleinen Teiche herauf. »Alles lowtech, nix Schlimmes«, sagt Mössmer, aber »so viel Technik hat’s früher nicht gebraucht«.
LANDSCHAFT MIT »NATURANSCHEIN«
Die erste Erwähnung des von böhmischen Baumeistern errichteten Haslauerteichs datiert auf das Jahr 1527. Ausgedehnte Karpfenteiche sind für die Fischwirtschaft seit jeher, was extensive Weiden und Almgebiete für die Viehhaltung sind: Sie ermöglichen eine flächengebundene Aufzucht der Tiere. Die Teichwirtschaft, wie Mössmer und eine Reihe anderer BiokarpfenproduzentInnen sie praktizieren, gilt deshalb als Garant und Grundlage der artenreichen Teichkulturlandschaft. So wie Almen zuwach-
Karpfen
Ursprünglich aus Asien stammend, verbreiteten bereits die RömerInnen das züchterisch selektierte Nutztier zu Speisezwecken bis nach Israel. Heute fast weltweit verbreitet. In heimischen Fließgewässern gibt es auch den verwilderten, schlankeren »Flusskarpfen«. In den USA gilt der Karpfen als invasive Art.
Fischotter
Seit Inkrafttreten der Fischotter-Verordnung im Herbst 2019 wurden in Niederösterreich 84 Tiere entnommen.
Laut Naturschutzabteilung des Landes wurden 89 Prozent unmittelbar durch Direktschuss getötet, 11 Prozent, nachdem sie davor mittels Falle gefangen worden waren.
sen, wenn sie nicht mehr beweidet oder zumindest gemäht werden, verlanden auch sich selbst überlassene Fischteiche. Auch wenn die Teichlandschaft einen »Naturanschein« hat, wie es Leo Kirchmaier vom Verband der Niederösterreichischen Teichwirte ausdrückt: Sie ist menschengemacht und von regelmäßigen Eingriffen und Pflege abhängig.
Wobei auch Marc Mössmers Teich nicht durchgehend bewirtschaftet und eine Zeit lang verlandet war. Aufzeichnungen seien nicht besonders aufschlussreich, aber nach dem Zweiten Weltkrieg seien hier wohl »schlechte Wiesen« beweidet worden, sagt Mössmer. Erst 1964 wurde der bis heute bestehende Haslauerteich wieder aufgestaut. Seit damals werden hier
wieder Karpfen gezüchtet. Seit Mössmer im Jahr 2000 die Pacht übernahm, ist sie biozertifiziert und seit 2014 sogar nach den noch strengeren Demeter-Richtlinien zertifiziert.
BIOKARPFEN,
EINE ERFOLGSGESCHICHTE
Wer sich für ökologische Fischzucht interessiert, bekommt es in Österreich schon seit 1994 früher oder später mit Marc Mössmer zu tun. In den frühen 90er-Jahren erarbeitete er die Kriterien für die Biofischzucht. Zwanzig Jahre später definierte er die Demeterstandards für biodynamische Fischhaltung. Mössmers Pionierarbeit ist eine Erfolgsgeschichte, ganz besonders in Bezug auf den Biokarpfen. In Österreich gibt es zwar nur zwei große Kar-
Für unsere Spitalsärztinnen und Spitalsärzte:
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Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP)
Von den Unsicherheiten des Wetters über schwankende Marktpreise bis hin zur wichtigen Rolle des Umweltschutzes – die GAP begegnet diesen Herausforderungen mit einer Reihe von Maßnahmen, die Sicherheit und Nachhaltigkeit in den Vordergrund stellen.
STÄRKUNG DER WIDERSTANDSFÄHIGKEIT DES SEKTORS
Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit & Marktorientierung
Unterstützung angemessener Einkommen
Sicherung hoher Lebensmittelqualität
Förderung von Beschäftigung und Wachstum
Verbesserung der Position der Landwirt:innen in der Wertschöpfungskette
Bekämpfung des Klimawandels
Trotz der Bedeutung der Lebensmittelerzeugung sind die Einkommen der Landwirt:innen im Vergleich zu Einkommen aus nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten rund 40 % niedriger.
Förderung des nachhaltigen Einsatzes natürlicher Ressourcen
Unterstützung des Generationenwechsels Schutz der biologischen Vielfalt
VERBESSERUNG DER LEBENSQUALITÄT IM LÄNDLICHEN RAUM
Wusstest du, dass…
die GAP etwa 10 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in ganz Europa, 110.000 in Österreich und 27.000 bäuerliche Betriebe in Niederösterreich unterstützt?
europaweit die GAP rund 40 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft und angrenzenden Sektoren sichert?
527 Mio. EUR für freiwillige Maßnahmen zur Förderung der Umwelt-, Klima- und Tierschutzziele (ÖPUL) in Österreich zur Verfügung gestellt werden?
pfenregionen – neben dem Waldviertel ist das die Süd- und Südoststeiermark –; traditionelle Karpfenteichwirtschaft gibt es aber vielerorts in Europa. In Deutschland beispielsweise in der Oberpfalz um Nürnberg sowie in Sachsen. Aus den großen Produktionsgebieten Polens und Tschechiens, seltener auch aus Ungarn und Kroatien, wird sogar Karpfen importiert. Einen nennenswerten Bioanteil gibt es bislang aber nur in Österreich. Das ist ganz klar auch ein Verdienst von Marc Mössmer, der nicht nur Standards gesetzt, sondern behutsam auch den Markt aufgebaut hat. Ein Kilo geschröpftes Filet vom Biokarpfen aus Österreich kostet derzeit 35 bis 40 Euro. Das Kilo konventionelles Filet gibt es etwa ab 30 Euro. Mössmer schätzt die BioproduzentInnen von Karpfen auf unter 30, österreichweit. »Alle haben einen Markt«, sagt Mössmer, »der Karpfen ist nachgefragt, er wird bezahlt, er ist interessant«. Ganz besonders offenbar in Niederösterreich und Wien, wo auch Mössmer einen Gutteil seines Biofischs verkauft, auf Märkten, aber auch in seinem Hofladen im 12. Bezirk. Die Statistik Austria weist in ihrer jährlichen Aquakulturerhebung bundesweit 2700 Hektar Teichfläche aus, 1800 Hektar davon liegen in Niederösterreich. Mit einem Anteil von weit über 90 Prozent ist der Karpfen dort laut Landwirtschaftskammer Niederösterreich der dominierende Fisch. Und von den 400 Tonnen Karpfen, die jährlich in Niederösterreich produziert werden (in der Steiermark ist es in etwa noch einmal die gleiche Menge), sind mittlerweile 160 Tonnen Biokarpfen.
ABFISCHEN IM WINTER
Durch den Klimawandel werden die Winter milder, alles verschiebt sich im Jahresverlauf und die Karpfen wachsen schneller. Oft können sie bereits im dritten und nicht erst im vierten Jahr geschlachtet werden. Die Saison beginnt im Mai, wenn die Karpfen ihre Eier ablaichen, doch sie startet immer öfter später im Jahr, dafür ist es bis weit in den Herbst hinein warm. Das macht die ohnehin mühsame Arbeit beim Abfischen besonders beschwerlich, weil die Fische im kühlen Wasser träger sind, bei wärmeren Temperaturen aber noch sehr aktiv. Zögert man das Abfischen zu lange hinaus und es kommt ein Wintereinbruch, bevor die Tei-
che ganz abgelassen sind (was langsam passiert und sich über Wochen zieht), verlagern sich die Bedingungen ins andere Extrem. Dann frieren die sechzig helfenden Hände, die es braucht, um den großen Haslauerteich leer zu fischen, die schlachtreifen Tiere zu keltern und die kleinen Karpfen schonend auszusortieren und zurückzusetzen. So oder so: Spätestens zur Weihnachtszeit, der kulinarischen Hauptsaison des Karpfens, muss der Fisch verfügbar sein.
Letzte Reste eines Karpfens, vermutlich vom Fischotter verschleppt.
KARPFEN IN NÖ
Der Schuppenkarpfen ist die beliebteste Zuchtform des Karpfens in Österreich, die bevorzugt mit 2 bis 2,5 Kilo geschlachtet werden (3 oder 4 Jahre alt). In anderen Weltgegenden werden lieber größere oder auch deutlich kleinere Karpfen gegessen und auch andere Zuchtformen (z. B. Spiegel- oder völlig schuppenlosen Lederkarpfen).
Teichwirtschaft in NÖ
Der niederösterreichische »Teichwirteverband« hat 130 Mitglieder, die 80 Prozent der Teichfläche des Bundeslandes bewirtschaften. Geschätzt gibt es noch einmal so viele Klein-TeichwirtInnen und HobbyteichbewirtschafterInnen. »Zumeist haben sie zur Selbstversorgung für sich und ihre Familie einen Karpfenteich«, sagt Obmann Leo Kirchmaier.
Auch wenn die Nachfrage passt und sich die KarpfenzüchterInnen im Umgang mit dem Klimawandel offensichtlich zu helfen und anzupassen wissen. Reich wird man mit der Teichwirtschaft nicht. Vor zwei Jahren – es war ein richtiges Scheißjahr – wäre Marc Mössmer fast das Geld ausgegangen. »Ich hab kaum mehr die Pacht zahlen können«, erinnert er sich. Die Ernte war schlecht, das Futter teuer, die Abgaben für die Wassernutzung, Steuern, alles summierte sich. Dann war auch noch die eigene Nachzucht bescheiden, er hatte hohe Tierverluste, »über 50 Prozent, ich musste Jungfische nachkaufen«, erzählt er. Zwei Jahre später – »nach zwei normalen Ernten«, das heißt: zwischen 15 und 20 Tonnen Fisch – erhole sich der Betrieb langsam wieder.
DER OTTER WAR’S (ODER EIN ADLER)
Zu Fuß um den Haslauerteich scheuchen wir nicht nur Reiher, Frösche und Ringelnattern auf. An mehreren Stellen entdecken wir auch vertrocknete Schuppen im trockenen Gras, Wirbel, Gräten und Flossen; die Überreste von kapitalen Karpfen, viele Meter vom Ufer entfernt. »Wahrscheinlich ein Otter«, sagt Mössmer, »vielleicht auch ein Seeadler, der ihn ver-
loren hat, und dann hat sich ein Fuchs den Fisch geholt. Andere Tiere bringen so große Karpfen nicht so weit aus dem Wasser.« Als er vor 24 Jahren hierherkam, war der Fischotter längst zurückgekehrt. »Der Otter war vor mir da«, sagt Mössmer leise. Er ist Öko. Er freut sich, in einem Natura-2000-Naturschutzgebiet wirtschaften zu dürfen, auch über die Anwesenheit des lange ausgerotteten, streng geschützten Fischotters. Anfangs waren die Verluste leicht zu verschmerzen, weil deutlich geringer. Mössmer erinnert sich an fünf Prozent Ausfall, »maximal zehn Prozent«. Mittlerweile müsse er Verluste von 35 bis 53 Prozent einplanen, jedes Jahr. Deshalb hat er vor einigen Jahren 40.000 Euro in die beiden kleinen Teiche investiert, um im großen Stil nachzüchten zu können. »Wenn wir 10.000 Karpfen abfischen wollen, muss ich vorher 15.000 Tiere einsetzen«, sagt er. Das geht ins Geld, verursacht Aufwand. »Damit dieselbe Menge Fisch am Teller landet wie früher, müssen wir jetzt viel mehr Arbeiten verrichten als noch vor zwanzig Jahren.« Auch die solarbetriebene Pumpe, mit der er Wasser aus dem großen in die kleinen Teiche füllt, macht sich hier bezahlt. Ohne zusätzliches Wasser würden die durch die Verdunstung seichter und kleiner werdenden Zuchtteiche sonst zu wahren Buffets für Reiher und Kormoran.
TURBULENTE RUHEPHASE
Marc Mössmer jammert nicht, schimpft nicht, sucht keine Schuldigen, sagt nur: »Ich habe die Lösung auch nicht.« In Niederösterreich wäre es – gemäß umstrittener und von NGO wie dem WWF oder dem Verein gegen Tierfabriken (VGT) bekämpfter Fischotter-Verordnung –ganzjährig erlaubt, einzelne Otter mittels Falle zu »entnehmen«. Ausgenommen sind nur Weibchen mit Nachwuchs. Im Winter dürfen Otter – mit derselben Einschränkung – zudem durch den Direktschuss getötet werden. Naturschutzgebiete wie der Haslauerteich sind von der Verordnung allerdings ihrer Bestimmung gemäß ausgenommen. Marc Mössmer weiß auch, dass es ohnehin nichts brächte, den einen oder anderen Otter zu erlegen. Vor Jahren sei er im Winter bei Schnee mit Christina Wolf-Petre vom WWF an seinem Teich unterwegs ge-
wesen, erzählt er. »Es wurde dann dunkel und wir konnten ihn nur zur Hälfte umrunden. Aufgrund der frischen Spuren hat mir Wolf-Petre fünf Otterreviere, die ich ohnehin schon vorher lokalisiert hatte, bestätigt«, sagt Mössmer. Er schätzt deshalb, dass es an seinem 47-Hektar-Teich zehn Reviere gibt und geht von 10 bis 15 Ottern aus. Das fällt ins Gewicht. Nicht nur, weil jedes Tier täglich etwas mehr als 1 Kilo Fisch frisst. Ans Eingemachte geht es vor allem im Winter, wenn die Karpfen eigentlich starr in der Tiefe ruhen und die Otter auf Nahrungssuche auftauchen. »Was den Otter aus meiner Sicht zum größten Schädling macht«, sagt der Teichwirt, »ist, dass er im Winter jagt und der Fisch dadurch immer auf der Flucht ist, wenn er eigentlich ruhen sollte. Irgendwann ist dann die Batterie leer, das Tier zu Tode erschöpft.« Und so könne im schlimmsten Fall auch ein einziger Otter zehn Tonnen Fisch kaputt machen. Das Land Niederösterreich zahlt für Otterschäden zwar eine Entschädigung. Für das ganze Bundesland wurden 2022 in Niederösterreich knapp 150.000 Euro ausgezahlt. Laut Landwirtschaftskammer umfasst das knapp die Hälfte der gemeldeten Schäden.
Insgesamt gibt es in Niederösterreich wieder um die 1000 Fischotter. Eine im Auftrag des Landes erstellte Studie über die Fischotterverbreitung und Populationsgrößen kam 2018 auf 963 Tiere. Erhebungen aus dem Jahr 2022 kommen auf 1085 Tiere. Damit ist die Population zuletzt um 13 Prozent gestiegen, obwohl jährlich bis zu 50 Otter entnommen und erlegt werden dürfen. Um den von der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU geforderten »günstigen Erhaltungszustand« der Art zu gewährleisten, den die Umweltabteilung des Landes als gesichert ansieht, dürfen pro Verwaltungsbezirk höchstens fünf Tiere geschossen werden. Eine Ausnahme gibt es nur für den Bezirk Gmünd, in dem auch Mössmer seinen Teich gepachtet hat. Dort dürfen – »aufgrund der hohen Teichdichte« – bis zu 15 Otter pro Saison getötet werden.
DAS DILEMMA MIT DEM KARPFEN
Auch der WWF hat keine Lösung für Marc Mössmers Problem. Einerseits propagiert die NGO in ihrem »Fischführer« für nachhaltigen Fischgenuss den Verzehr von heimischem Bio -
fisch, besonders von Karpfen. »Er gilt als der nachhaltigste und ökologisch unbedenklichste Fisch und kann ohne schlechtes Gewissen verzehrt werden«, sagt Axel Hein, der beim WWF für Binnen- wie Meeresfisch zuständig ist. »Die Besatzdichten in der Karpfenzucht orientieren sich an der natürlichen Tragfähigkeit der Gewässer und sind daher gering, sodass keine Abwasserbelastung in der Umgebung entsteht. Dadurch sind auch Krankheiten, Parasiten und deren Behandlung selten und es gibt kaum Auswirkungen auf die umgebenden Gewässer.« Um – wie von der Politik im nationalen Strategieplan vorgesehen – die Binnenfischproduktion im Inland zu erhöhen, fordert Hein deshalb die »Revitalisierung brachliegender Teichanlagen« statt einer Intensivierung oder Neuanlagen. Welche Maßnahmen die nachhaltige Karpfenzucht aber vor dem Otter schützt, den der WWF als »wichtigen Teil unserer Gewässerökosysteme« erachtet, auf diese Frage hat die NGO selbst auch nur sehr allgemeine Antworten. »Welche Maßnahmen an Teichen zur Konfliktminde -
»Der Otter war vor mir da«
Marc Mössmer, Biofischzüchter
»Wenn die Teiche verlanden, ist ja auch der Lebensraum für den Otter weg«, sagt Biofischzüchter Marc Mössmer.
rung passend sind, ist im Einzelfall zu prüfen«, sagt Christian Pichler, der beim WWF für den Schutz großer Beutegreifer wie Wolf, Luchs oder Fischotter spricht, »kein Teich ist wie der andere«. Von den von ihm angeregten Maßnahmen – »Zäunungen, die Schaffung eines alternativen Nahrungsangebots oder geänderte Besatzdichten« – hat Marc Mössmer die Machbaren bereits ergriffen. Wir sehen: Zielkonflikte lassen sich auch von globalen Umweltschutzorganisationen nicht schnell einmal auflösen.
WAS BLEIBT?
Marc Mössmer ist 62 Jahre alt. In ein paar Jahren möchte er seinen Betrieb, sein Lebenswerk, übergeben, in Pension gehen. Einfacher wird es
in Zukunft nicht werden. Auch sein Nachfolger wird probieren, tüfteln und Probleme lösen müssen. Die Teiche im Waldviertel werden hoffentlich weiter bewirtschaftet werden, sagt er: »Wenn die Teiche verlanden, ist ja auch der Lebensraum für den Otter weg.«
Trotzdem wird sich das Artenspektrum verändern, vermutet Mössmer. Allein schon durch den Klimawandel. Karpfen, Schleie, Karausche, Giebel, die würden letztendlich wohl überleben können. Andere Arten – der Teichwirt spricht von »wertvollen Nebenfischarten« –die werden verschwinden. »Arten, die eigentlich ins Ökosystem eines Teichs gehören«, sagt Marc Mössmer: »Zander, Hecht und Barsch, die werden wir womöglich verlieren.«
Wir schauen aufs Ganze.
Die Biobäuerinnen & Biobauern www.bio-austria.at
Infos zum EU-Bio-Logo
Wusstestdu, dass Bienen und andere Nützlinge um bis zu 26 Prozent häufiger ein Bio-Feld besuchen?
Biodiversität Vielfalt am Biohof
Die Regenwurm-Population und Artenanzahl der Ackerflora um bis zu 94 Prozent am Bio-Acker höher sind? www.bio-austria.at/quellen
Mit vielen kleinen und großen Maßnahmen unterstützt die Bio-Landwirtschaft die Artenvielfalt.
St. Pölten als Kreativ-Labor
Kinder, Kunst und der »Big Bang« in der Landeshauptstadt:
vierte Staffel des »Kultur4Kids«-Podcasts führt nach St. Pölten.
»Ich weiß, was es bedeutet, wenn man viele Karten oder viele Getränke oder viele Paar Schuhe bezahlen muss«, sagt Gabrielle Erd, die Leiterin der Kulturvermittlung der Bühne im Hof und des Festspielhaus in St. Pölten. Die Möglichkeit, dass Kinder Kultur erleben und am kulturellen Leben teilnehmen können – und das regelmäßig –, ist Erd besonders wichtig. »Ich finde, jedes Kind hat ein Recht darauf, die wundervolle Welt der Bühne kennen zu lernen und zu erleben. Daher ist es unsere Pflicht, das zu ermöglichen«, sagt Erd. Die Preispolitik sieht sie als großen Hebel, um das anspruchsvolle Kinderprogramm ihrer beiden Häuser zugänglich zu machen. Das »Kind-&-Kegel«-Abo beispielsweise richtet sich an Familien und gibt maximale Flexibilität, nicht nur beim Zusammenstel-
Der »Kultur4Kids«-Podcast macht Lust, das Kinderkultur-Angebot Niederösterreichs zu besuchen.
len der vier enthaltenen Vorstellungen. Kommt eine Familie öfter mit mehr als zwei Kindern, wird das Abo günstiger. Geboten wird einiges an Tanz, Theater und zeitgenössischen Zirkusaufführungen. Was es ins Kinderprogramm schafft, hat eines gemeinsam, wie Gabrielle Erd erklärt: »Im Hintergrund aller programmatischen Entscheidungen für junges Publikum steht, dass die Kinder ernst genommen werden, dass die Stücke an ihre Lebensrealitäten anschließen, dass sie Tiefgang haben, nicht vor ernsteren Themen zurückschrecken und auf einem sehr hohen künstlerischen Niveau gespielt werden«, sagt die Kulturvermittlerin. Darüber hinaus müsste jedes Stück aber »auch magische Momente haben und die Kinder zum Staunen bringen«. Gut gelang das auch beim erstmals im Festspielhaus St. Pölten veran-
stalteten Festival »Big Bang« (nächster Termin: 5. April 2025). »Es gibt nichts Schöneres, als wenn es in unseren Häusern richtig bunt und laut und verwegen zugeht«, schwärmt Gabrielle Erd, »und das tut es beim ›Big Bang‹.«
VOLL IM FOKUS: ST. PÖLTEN
Rückblickend betrachtet brachte das Jahr 2024 der Kulturstadt St. Pölten insgesamt einen Big Bang. Denn nachdem aus einer ambitionierten Bewerbung zur europäischen Kulturhauptstadt nichts geworden war, hob man sich einfach aus eigener Kraft zur Kulturhauptstadt. Ein Highlight – neben dem Tangente Festival und der Wiedereröffnung der Ehemaligen Synagoge St. Pölten – ist die Eröffnung des KinderKunstLabors, einem Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst für Kinder, das auch unter der Mitwirkung von Kindern geplant wurde (siehe Interview nächste Seite). Deshalb widmet sich auch die neue Staffel des »Kultur4Kids«-Podcasts ganz dem zuletzt noch einmal gewachsenen Kulturangebot der Landeshauptstadt. Mit ihrem Podcast bringt die Kunst- und Kulturabteilung des Landes Niederösterreich Kindern die kulturellen Schätze des Bundeslandes näher: spielerisch, abenteuerlich, kindgerecht erzählt von Sophie Berger und Robert Steiner. Wie bereits aus den bisherigen Staffeln gewohnt (alle sind dauerhaft hörbar), gibt es nach jeder Folge ein Rätsel zu lösen. Hintergedanke des Podcasts ist es, eine Ahnung zu vermitteln, was Familien beim Besuch der jeweiligen Einrichtungen erwartet. Er eignet sich zum gemeinsamen Hören und zur Vorbereitung auf Besuche. In Staffel vier besuchen wir beim Hören der Reihe nach das KinderKunstLabor, das Museum Niederösterreich, das Landestheater, die Bühne im Hof und das Festspielhaus.
Immer gut aufgehoben ist man mit Kindern im Haus für Natur des Museum Niederösterreich. Die Attraktion ist der Zoobereich des Hauses mit seinen Aquarien, Formicarien und Terrarien. »Alleine das Donaubecken mit 125.000 Litern Wasser mit Karpfen, Welsen und dem beeindruckenden Waxdick, einer Stör-Art, ist ein Highlight des Hauses«, sagt Kulturvermittlerin Lisa Kolb. Bei Sonderausstellungen werden neugierige Kinderaugen stets mitbedacht. In der aktuellen Ausstellung »Tierisch mobil!« (bis 9. Februar 2025) gibt es eine Vielzahl interaktiver Stationen. »Da kann man beispielsweise das Gewicht verschiedener Zugvögel schätzen«, sagt Lisa Kolb, »und wird beim Abwiegen auf der Waage vielleicht feststellen, dass die Natur selbst große Vögel wie Weißstörche mit einem erstaunlich niedrigen Körpergewicht ausgestattet hat«. Alle für Kinder besonders geeigneten Stationen sind durch das lila Design und das Museumsmaskottchen Poldi, ein kluges Eulenmädchen, gekennzeichnet. Eine Vorahnung vermittelt Folge zwei des Podcasts »Kultur4Kids«.
KULTUR4KIDS IM WINTER
Spielefest in der Schallaburg: In Kooperation mit Familienland NÖ wird die Schallaburg in der Vorweihnachtszeit für zwei Tage zum Spieleparadies. Neuigkeiten und ausgezeichnete »Spiele des Jahres« können ebenso wie Klassiker gemeinsam ausprobiert werden.
3382 Schallaburg 1; 30. Nov. und 1. Dezember, 9 bis 18 Uhr schallaburg.at
»Eine Zeitreise ins Barock« ermöglicht die einzigartige Führung für Kinder von 3 bis 10 Jahren, die jeden Sonntag um 13 Uhr für ca. 1 Stunde durch Schloss Hof führt. Auch barocke Kostüme können dabei anprobiert werden.
2294 Schloßhof 1, jeden Sonntag, 13 Uhr schlosshof.at
Seit 2003 begeistert das Team des MÖP mit seinem Figurentheater Jung und Alt. »Ariadne und Theseus« erzählt auf humorvolle Art eine Geschichte der matriarchalen Kultur Kretas (am 22., 23. und 24. November; ab 4 Jahren). In der Vorweihnachtszeit kehrt der Kasperl zurück. In »Holzwurm im Schneesturm« (ab 29. November; ab 3 Jahren) wirft die Oma beim Weihnachtsputz den Holzwurm hinaus, um ihre Möbel zu retten. Am 6. und 7. Dezember schaut der Nikolaus vorbei.
2340 Mödling, Hauptstraße 40 puppentheater.co.at
Ein Ballettmärchen für die gesamte Familie ist der »Nussknacker«. Das Europaballett bringt den Klassiker von Peter I. Tschaikowsky (nach einer Geschichte von E.T.A.Hoffmann) nach St. Pölten.
3100 St. Pölten, Oriongasse 4; Theater des Balletts; 13. bis 23. Dezember europaballett.at
Die Keramikkurse für Kinder des Kunstmuseum Waldviertel nehmen Bezug auf den Jahresverlauf. Nach dem Krampus werden in der Vorweihnachtszeit Krippenfiguren oder Engel geformt, kurz vor Neujahr Schweine, danach Tiergesichter und Figuren aus Wintermärchen.
3943 Schrems, Mühlgasse 7a; an Samstagen daskunstmuseum.at
Weitere Tipps: kultur4kids.at/kompass
Kreative Potenziale entfalten
Im KinderKunstLabor bringen sich Kinder aktiv ein, erleben ein erweitertes Kulturverständnis und lernen demokratische Teilhabe.
Wie und womit verlassen Kinder idealerweise das KinderKunstLabor für zeitgenössische Kunst?
Mona Jas: Idealerweise nicht nur mit neuen künstlerischen Inspirationen, sondern auch mit einem Gefühl der Selbstwirksamkeit. Sie haben erlebt, dass ihre eigenen Ideen und Sichtweisen zählen und dass sie an der Gestaltung von Kunst und Kultur teilhaben können. Die Begegnung mit zeitgenössischer Kunst und das gemeinsame Arbeiten mit Künstlerinnen und Künstlern und Kunstvermittlerinnen und Kunstvermittlern hinterlassen Eindrücke, die neugierig auf mehr machen. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass Kinder das KinderKunstLabor mit dem Wunsch verlassen, bald wiederzukommen.
Kinder gestalten im Labor selbst mit. Wie konkret?
Sie sind auf allen Ebenen in die Entwicklung der Institution eingebunden – ob es um das neue Gebäude und sein Umfeld, um inhaltliche Fragen oder das künstlerische Programm geht. Die Mitgestaltung der Kinder ist gelebte Praxis. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die aktuelle Ausstellung »dream. lab« (Deutsch: Traum.Labor), bei der Kinder maßgeblich in den Gestaltungsprozess einbezogen waren, indem sie zu ihren eigenen Träumen zeichneten und darüber sprachen. So fand im Vorfeld der Kunstproduktion ein direkter Austausch zwischen der Künstlerin Rivane Neuenschwander und den Kin-
dern statt. Die Ergebnisse dieses Austauschs, zum Beispiel Zeichnungen, wurden von ihr weiterentwickelt und flossen als großformatige Malereien auf Bettlaken, die auf Holzrahmen gespannt wurden, in die Ausstellung mit ein. Diese Beteiligung auf Augenhöhe fördert die Entfaltung ihrer kreativen Potenziale und stärkt ihre demokratische Teilhabe.
Kultureinrichtungen für Kinder erreichen oft ein Publikum, das sich aus dem Bildungsbürgertum speist. Wie möchten Sie »bildungsferne «Besucherinnen und Besucher begeistern?
Mona Jas leitet das KinderKunstLabor für zeitgenössische Kunst in der St. Pöltener Altstadt, arbeitet als Künstlerin, Wissenschafterin und Kulturvermittlerin.
Hier möchte ich lieber von dem Begriff »bildungssystemfern« sprechen. Wir setzen auf Zugang durch vielfältige Angebote auf verschiedenen Sinnesebenen, die verschiedene Lebenswelten ansprechen. Workshops und Programme sind so gestaltet, dass sie nicht auf ein bestimmtes Vorwissen oder die Beherrschung einer bestimmten Sprache angewiesen sind. Auch die räumliche Gestaltung – mit viel Platz für Bewegung, Spiel und nonverbale Interaktion – spricht Kinder an, die Kunst auf vielerlei Weise erleben möchten. Wir arbeiten zudem aktiv mit sozialen Einrichtungen und Schulen zusammen, um gezielt alle Kinder einzuladen. Die Nähe zu ihrer Lebenswelt und die Möglichkeit, durch eigenes Tun und Erleben Teil des Geschehens zu sein, tragen dazu bei, dass sich die Kinder willkommen und angesprochen fühlen können. kinderkunstlabor.at
WIE GEDRUCKT?
Ein Gespräch über Ehrlichkeit und Druck und die verbesserte Welt mit Ernst Gugler.
Mindestens in Österreich hat sich Ernst Gugler das Image als Ökopionier seiner Branche, dem Druckwesen, erarbeitet. Wer kreislauffähige Druckprodukte nach den höchsten verfügbaren Standards wollte, hat sie in den vergangenen Jahrzehnten in Melk in Auftrag gegeben. 2023 musste Gugler Insolvenz anmelden – das Unternehmen besteht in seinen Kernbestandteilen nach der Sanierung weiter, unter neuer Geschäftsführung. Der »alte« Geschäftsführer hat der neuen Führung dafür seinen Namen überlassen und sich auf in neue Gefilde gemacht. Im Gespräch mit BIORAMA gibt er vor allem Einblicke in das, was zuvor geschah. Ein Gespräch über Erfolge und Scheitern mit Unternehmungen, die die Welt verbessern sollen. Und die Größe, die es braucht, sich klein zu machen. Und über das Arbeiten mit dem Werkstoff Papier.
Wie kommt man auf die Idee, drucken nachhaltiger zu machen?
Ernst Gugler: Das war keine Idee, ich wäre Tapezierer geworden, wenn mein Ausbildner mir nicht abgesagt hätte. Ein Lehrer hat mir einen Hilfsarbeiterjob in einer Druckerei besorgt, ich habe dort eine Druckerlehre absolviert, war
dann aber lange als Gestalter tätig. Parallel dazu habe ich mich beim WWF engagiert und langsam hat sich Bewusstsein ergeben für systemische Grenzen. Für mich war es dann schnell wichtig, das zusammenzudenken.
Inhalt, Gestaltung und Material?
Ja. Wir, ich und meine damalige Frau, haben eine Druckerei übernommen, die hatte auch eine Setzerei dabei und wir haben auch eine Agentur für Druck, Gestaltung und Grafikdesign draus gemacht.
Und ich finde, Papier ist ein tolles Medium. Sein Klang! Ein gedrucktes Medium ist für mich wichtig, und nach wie vor etwas Besonderes. Eine Welt ohne Bücher könnte ich mir nicht vorstellen. Ich hab’ die Lehren Buddhas zu Hause, die sind über 100 Jahre alt. Stell dir vor, du hast eine Festplatte und versuchst, die 100 Jahre später auszulesen!
Was hat es denn bedeutet, eine Öko-Druckerei zu betreiben bis in eine Zeit, in der vielen als erste Nachhaltigkeitsmaßnahme Papiervermeidung einfällt?
Es kommt auf die Inhalte an. Je sinnloser die Inhalte, desto weniger Berechtigung zum Über-
INTERVIEW
Irina Zelewitz
Auf seiner Website kündigt Ernst Gugler an, nach seiner Auszeit, ab Jänner 2025, mit seiner Erfahrung für Beratungsdienstleistungen zur Verfügung zu stehen.
Cradle-to-Cradle
(kurz auch C2C) steht für das Prinzip »Von der Wiege zur Wiege«, das Material im Kreislauf halten möchte.
Gleichzeitig gibt es eine gleichnamige NGO, die auch Zertifikate vergibt – und zwar in den Stufen Bronze, Silber, Gold, Platin.
Ein häufiger Kritikpunkt am C2C-Zertifikat lautet, dass es selbst den Einsatz von Rezyklaten nicht zwingend vorschreibt
dauern haben sie – je beständiger ein Inhalt ist, umso eher will ich ihn drucken. BIORAMA will ich auch am Sofa lesen und nicht am Computer. Ich will mir manchmal was hervorheben, ein Markerl reinkleben oder auch eine Seite rausschneiden. Wir sitzen den ganzen Tag vorm Computer und werden von den drei RGB-Farben bestrahlt. Das ist einfach ungesund. Und nachweislich merken es sich die Leute auch besser, wenn sie etwas gedruckt lesen.
Abgesehen davon, dass der ökologische Fußabdruck digitaler Medien auch nicht klein ist. Es ist im Leben halt wenig schwarz-weiß.
Wenn ein Produkt so hergestellt ist, dass es ohne Schaden wieder in die Natur zurückgeführt werden kann, dann könnte man sagen: Je mehr gedruckt wird, desto besser! Aber so weit sind wir noch nicht ganz. Aber wenn es schadstofffrei und klimafreundlich – klimapositiv würde ich nicht mehr sagen – gedruckt ist, wenn die mitwirkenden Menschen spzial und gerecht eingebunden werden, dann ist ein Druckprodukt eine tolle Sache.
Um die Qualität kreislauffähiger Druckprodukte zu erkennen, muss man viel über Druckprozesse wissen. Wie erklärst du den Unterschied zwischen einem auf chlorfrei gebleichten Papier gedrucktem
Flugblatt und einem nach Cradle-2-Cradle-Goldstandard produzierten Buch?
Der große Unterschied ist, ob nur das Papier an sich auf bestimmte Aspekte geprüft wird –entweder überhaupt nur die Papierbehandlung oder die Herkunft des Zellstoffs, also ob der aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt – oder ob alle Produktionsschritte geprüft werden.
Dann sind wir schon bei etwa FSC- oder PEFC-zertifiziertem Druck oder unterschiedlichen Cradle-2-Cradle-Standards.
Ja, zumindest ab dem Silber-Standard von Cradle-2-Cradle wird der ganze Produktionsprozess betrachtet und bewertet – mit der übergeordneten Frage, ob etwas kreislauffähig ist.
Das beginnt beim Papier, geht über die eingesetzten Chemikalien für Farben und Lacke bis zum Bucheinband. Die werden nach ökotoxikologischen Kriterien untersucht – etwa, ob sie erbgutverändernd wirken – und das Ziel ist Materialgesundheit, nicht nur der Verzicht auf manche einzelne als besonders schädlich definierte Stoffe.
Das heißt die unterschiedlichen Cradle-to-Cradle-Stufen zeichnen sich vor allem durch Positivlisten für Verfahren und Inhaltsstoffe aus, statt auf die »free from«-Logik zu setzen?
Eine einzelne Farbe besteht oft aus einem Cocktail aus über einem Dutzend Chemikalien, und wenn man darauf setzt, nachzuweisen, welche giftig sind und dann auf die zu verzichten, bringt das nur bedingt weiter. Denn ohne Zusatzmaßnahmen kommt für eine »verbotene« Chemikalie eine neue, die vermutlich genauso schädlich ist: Bis das erfasst ist, dauert es dann wieder Jahre, so lange ist die Farbe im Einsatz und gelangt in die Umwelt. Ab der Stufe Silber wird das umgedreht, da gilt: Jede Chemikalie muss Positivkriterien erfüllen. Der Bronze-Standard war und ist mir eigentlich selber zu niedrig. Es braucht also Gütesiegel und genügend Unternehmen, die sich das leisten, obwohl der Mehrpreis, den sie zahlen, sich nicht sichtbar niederschlägt – und dadurch beispielsweise auch schwer weitergegeben werden kann?
Die immaterielle Qualität des Drucks sieht man ja nicht – ob mit schadstoffarmen Farben oder mit Ökostrom gedruckt wurde. Aber das
meiste davon kostet halt mehr.
Dafür Bewusstsein zu schaffen, war das Ziel. Auslöser für die wirtschaftliche Krise in der Gugler GmbH war Covid. Aber das hätten wir geschafft. Dann kam der Krieg gegen die Ukraine. Für uns wurde im Einkauf alles teurer, wir mussten mehr verlangen, gleichzeitig war für viele unserer Kunden Sparen angesagt. Und da wird halt bei den immateriellen Werten gespart. Wir hatten zu wenig Eigenkapital, um das über Jahre durchzuhalten.
Vielleicht wäre es besser gewesen, nicht ganz so konsequent zu sein – meinen Werten treu zu bleiben, war jedoch immer oberstes Ziel.
Wie hat sich die Nachfrage verändert, aber auch der Mitbewerb im Bereich für nachhaltigere Drucksorten? Wann gibt es realistische Chancen, die Standards zu heben?
Als wir begonnen haben, gab‘s weder Umweltzeichen für Druckereien noch eine Druckerei, die FSC-zertifiziertes Papier verwendet hat, Cradle-to-Cradle-Druck sowieso nicht. Jetzt gibt‘s im deutschsprachigen Raum bereits einige C2C-Druckereien.
Nach 35 Jahren denke ich: Vielleicht war meine Mission, der Druckbranche auf den grünen Pfad zu verhelfen. Aus dieser Perspektive ist meine Aufgabe erfüllt, jetzt gibt‘s die Gugler GmbH nicht mehr. Ich bin nicht nur gescheitert, ich bin auch mit etwas fertig und kann mich neuen Aufgaben öffnen.
Ich habe null Einfluss darauf, wie der neue Eigentümer das Unternehmen fortführt – ich hoffe natürlich, dass die Stringenz und kontinuierliche Weiterentwicklung und das Bestreben, eine Benchmark in der Branche zu sein, ehrlich weitergelebt werden. Nicht weil ich weiß, dass die Nachfrage nach grünen Produkten größer wird. Sondern weil es das Bedürfnis braucht, einen sinnvollen Beitrag leisten zu wollen, damit das auch gelingt.
Was bedeutet eine Insolvenz? Was kannst du anderen UnternehmerInnen dazu mitgeben?
Wenn du in Österreich Insolvenz anmeldest, wirst du immer noch oft als Loser angesehen, in den USA etwa gibt es eine andere Kultur dazu.
Abgesehen von der sinkenden Nachfrage und gestiegenem Wettbewerbsdruck war der Auslöser für die Insolvenz die Sperrung unserer Kon-
ten durch unsere Hausbank. Was nicht bedeutet, dass es keinen Reorganisationsbedarf gegeben hat, um wieder Gewinne zu schreiben. Eine Organisation, ein Unternehmen, ist auch nicht mehr als ein System aus Menschen, die ihre Probleme mitbringen – und dieses Potpourri hat eine Wirkung. Wenn man immer nur auf die Organisationsebene schaut, wird man schon einige Probleme lösen, aber es wird irgendwann kippen. Prozessoptimierung, Ökologisierung, mit solchen Dingen haben wir uns beschäftigt. Rückblickend muss ich sagen: Ich habe zu wenig in die Verbesserung der Unternehmenskultur und Führungskräfte-Entwicklung investiert. Damit meine ich alles, was das Individuum prägt. Die Inner Development Goals sind hierfür ein guter Rahmen.
Kommt diese Empfehlung aus persönlicher Erfahrung?
Ja, ich war aber schon über 50, da hab ich mir begleitet angeschaut, wie‘s da bei mir ausschaut. Als Arbeitgeber kann man erstens mal versuchen, zu leben, was man predigt. Das heißt: grundsätzlich bei sich selber anfangen. Und entsprechend gibt es auch Leadership-Trainings, die auf innere Persönlichkeitsbildung fokussieren. Genauso gilt es, MitarbeiterInnen zu unterstützen, die sich nicht nur fachlich, sondern auch persönlich weiterbilden wollen.
Wir müssen dort anfangen, wo der Stein ins Wasser fällt und die Wellen sich ausbreiten: Das tut halt oft weh, aber es zahlt sich aus, eigene Schatten zu erkennen und zuzugeben, einfach zu sagen: »Da war ich unachtsam, ich bitte um Vergebung.«
Dazu braucht es Mut und Ehrlichkeit und gleichzeitig auch viel Selbstfürsorge.
Was passiert jetzt?
Die Druckerei Gugler* Drucksinn und Agentur Gugler*Markensinn bestehen unter neuer Führung und Eigentümerschaft weiter. gugler.at
Ernst Gugler arbeitet zukünftig für die ehemalige Unternehmensberatung Gugler* Sinnbildung weiter, die nun von seiner Partnerin Andrea Heistinger unter der Marke »Sgreening« weitergeführt wird. sgreening.at ernst-gugler.at
»Ich bin nicht nur gescheitert. Ich bin auch mit etwas fertig.«
Ernst Gugler
Mir ist nicht klar gewesen, wie sehr ich mich über meine Rolle definiert habe – als ob das das einzig Wichtige wäre. Seit August beziehe ich Pension und 2025 starte ich mit einer Coaching-Ausbildung und schaue mal, was ich bin, wenn ich nicht mehr die Geschäftsführer- und Pionierrolle habe, über die ich mich die letzten 30 Jahre gerne definiert habe.
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TEXT Irina Zelewitz
EINE RUNDE SACHE
Über Knödel und wie sie gemacht »gehören«, lässt sich vortrefflich streiten. Als Begründung, warum sie auf eine bestimmte Art (oder unbedingt ganz anders) zubereitet werden, ist »war immer schon so« eine sehr beliebte Antwort. Wir lernen nun ein weiteres Mal, dass vor allem die Vielfalt Tradition hat und es die eine in einer Region übliche Art, einen Knödel zuzubereiten, nie gegeben hat.
Mehr zur Geschichte der Knödel und zum Nährwert der beiden Klassiker Erdäpfelund Semmelknödel auf BIORAMA.EU/NOE12
Für die Beschreibung des Weges, den die Knö -
del in die österreichische Küche genommen haben, zeichnet Magdalena Wieser verantwortlich, für die Warenkunde dazu Katharina Seiser und für die Auswahl und Adaption der Rezepte die (aus Gründen hier relevant) Oberösterreicherin Elisabeth Grabmer.
Wer sich für die nahenden Feiertage und fürs restliche Leben einerseits mit Trivia zur Geschichte der Knödel an sich, andererseits aber auch mit behutsam für unsere heutigen Kochgewohnheiten angepassten historischen Rezepten, niedergeschrieben zwischen 1600 und 1950, ergänzt um vier neue, bewaffnen will, besorgt sich dieses Buch.
TÜRKISCHE KNÖDEL
»TÜRKISCHE KNÖDEL VON RINDFLEISCH«
· 19. JAHRHUNDERT
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
• Salz
• 1 kleines Weißkraut (Gewicht egal)
• 3 Zweige Petersilie
• 1 Knoblauchzehe
• 1 kleine Zwiebel (ca. 40 g)
• 30 g Butterschmalz
• 30 g Butter + Butter für die Form
• 350 g faschiertes
Rindfleisch
• 1/2 TL getrockneter
Majoran
• schwarzer Pfeffer
• 1/2 TL edelsüßes
Paprikapulver
ZUBEREITUNG
• 1/2 TL gemahlener Ingwer
• 2 Eier (Größe egal)
• 1 EL scharfer Senf, z.B. Dijonsenf
• 60 g gekochter Reis (Sorte egal, aus 20–30 g rohem Reis)
• 100 ml Rindssuppe, alternativ Gemüsefond (für beide gibt es im Buch Rezepte) oder Wasser
• 1 EL Weißbrotbrösel (alternativ durchgesiebte Semmelbrösel)
anschwitzen. Knoblauch und Petersilie zur Zwiebel geben und verrühren. Zur Seite stellen. Backrohr auf 175 °C Ober-/Unterhitze vorheizen. Eine Auflaufform (Außenmaße ca. 26 x 17 cm, Bodenmaße ca. 24 x 15 cm) großzügig mit Butter ausstreichen.
Beim ersten Lesen des Originalrezeptes waren wir verwirrt: Das sind doch Krautrouladen! Aber das Rezept für die Türkischen Knödel ist einfacher, denn die Masse wird dafür in Krautblätter gesetzt, kein exaktes Rollen oder Verschließen notwendig. Im Originalrezept dienten diese Krautblätter scheinbar nur als Gefäße zum Kochen und wurden gar nicht gegessen. Das Tolle an Elisabeths Version ist, dass die oben offenen Krautblätter beim Garen im Ofen schön knusprig werden. Fazit: ein neues Lieblingsrezept.
REZEPTE AUS:
»KNÖDELREICH –Rezeptschätze der österreichischen Knödelkultur« von Elisabeth Grabmer, Katharina Seiser und Magdalena Wieser, 2024, Brandstätter.
In einem großen schmalen Topf Wasser mit Salz zum Kochen bringen. Krautkopf beim Strunk am Blattansatz rundum so einschneiden, dass die äußersten Blätter bereits abgeschnitten sind, aber noch am Kopf halten. Krautkopf am Strunk mit einer Fleischgabel aufspießen und kopfüber ins kochende Salzwasser tauchen und an der Gabel halten. Wenn nach ca. 3 Minuten die ersten Blätter abfallen, diese herausnehmen und in eine Schüssel mit kaltem Wasser legen. Krautkopf aus dem Wasser heben, wieder rundum für die nächsten Blätter einschneiden, nochmals kochen. Wiederholen, bis 8 intakte Blätter in der Schüssel mit dem kalten Wasser auskühlen. Anschließend Krautblätter auf Küchenpapier abtropfen. Restliches Kraut anderweitig verwenden, s. Tipp.
Petersilie waschen, trocknen und fein hacken. Knoblauch schälen und fein hacken. Zwiebel schälen, in 2 mm große Würfel schneiden. Butterschmalz in einer Pfanne erhitzen und die Zwiebelwürfel darin 2 Minuten glasig
Faschiertes, Zwiebelmischung, alle Gewürze (Majoran zwischen den Handflächen rebeln), Eier, Senf und Reis in eine Schüssel geben. Alles mit der Hand gut vermischen und mit Salz abschmecken. Am besten mit nassen Händen (Schüsserl mit kaltem Wasser) sorgfältig ca. 8 Knödel à ca. 70 g formen.
Von den vorbereiteten 8 Krautblättern den festeren Teil der Rippe herausschneiden. Die Knödel jeweils in ein Krautblatt setzen, mit der Öffnung nach oben (so bekommen die Blätter beim Braten eine schöne braune Farbe) in die Form setzen.
Mit Rindssuppe (oder Gemüsefond oder Wasser) untergießen und im vorgeheizten Backrohr 30 Minuten braten. Butter in kleine Stücke schneiden. 10 Minuten vor Ende der Bratzeit die Butterflocken auf die Knödel geben und mit den Bröseln bestreuen. Fertig backen.
TIPP:
Übrig gebliebenes Kraut können Sie für karamellisierte Krautfleckerl verwenden. Als Beilage eignen sich Erdäpfelpüree oder Kümmelerdäpfel.
RÄUCHERFORELLENKNÖDEL MIT WURZELFISCH
»SPECK KNÖDL AN EINEM FASTTAG« · 1784
Sicher der Knödel mit dem lustigsten, weil entlarvendsten Originaltitel. Es ist eines der ältesten Rezepte im Buch. Und, wie Elisabeth betont: Je älter die Knödel(rezepte) sind, desto einfacher waren sie nachzumachen. Statt des heute raren Hausen, einer Störart, verwendet sie die leicht erhältliche Räucherforelle.
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
Für die Knödel
• 200 g Räucherforellenfilet ohne Haut
• 260 g Toastbrot
• 100 ml Milch
• 1 Schalotte (ca. 30 g)
• 70 g weiche Butter
• 2 Zweige Petersilie
• 2 Dotter (Größe egal)
• Salz
• 50 g glattes Weizenmehl (Type 480) + Mehl zum Wälzen der Knödel
• weißer Pfeffer
• Abrieb von 1/2 Zitrone
• ca. 2 l Wasser (alternativ ein Fischfond, Rezept im Buch)
ZUBEREITUNG
Ablauf
Knödelmasse zubereiten
Gemüse und Fisch vorbereiten
Knödel formen und kochen
Wurzelfisch zubereiten
Für die Knödel
Für den Wurzelfisch
• 10 cm Lauch (hellgrüner Teil)
• 1 Karotte (ca. 90 g)
• 1 gelbe Rübe (ca. 90 g)
• 300 g Forellen- oder Saiblingsfilet
• 350 ml Fischfond (Ein Rezept dazu im Buch)
• Salz
• weißer Pfeffer
• Spritzer Zitronensaft
• 40 g kalte Butter
• Schnittlauch oder zarte Kräuter der Saison
• 2 cm frische Krenwurze
mer wieder anfeuchten. Die Oberfläche der Knödel sollte ganz glatt sein. Knödel noch einmal für 30 Minuten zugedeckt in den Kühlschrank stellen.
In einem weiten Topf (die Knödel brauchen Platz) Wasser mit Salz zum Kochen bringen. Knödel in Mehl wälzen, Mehl gut abklopfen. Knödel mit einer leichten Drehbewegung ins Wasser geben, einmal aufkochen lassen und dann ca. 15–20 Minuten (je nach Größe) offen ganz leicht köcheln bzw. ziehen lassen. Die Knöderl steigen auf. Mit einem Schaumlöffel herausnehmen und auf einem Teller mit Küchenpapier abtropfen.
Für den Wurzelfisch
Lauch zuerst quer, dann längs halbieren und der Länge nach in feine Streifen schneiden (Julienne). Gelbe Rübe und Karotte schälen. Ebenfalls der Länge nach in dünne Scheiben, diese dann in feine Streifen schneiden.
Von den Fischfilets mit einer Pinzette die Stehgräten (die, die man beim Darüberstreichen mit den Fingern spürt) herausziehen. Filet mit der Haut nach unten auf ein Brett legen, mit einem dünnen scharfen Messer beim Schwanzende beginnend leicht zur Haut geneigt die Haut abziehen. 8 gleich große Stücke à ca. 30 g schneiden. Salzen und pfeffern.
Räucherforellenfilets mit einem scharfen Messer in 5 mm große Würfel schneiden. Toastbrot knapp entrinden (ergibt ca. 170 g). In 1 cm große Würfel schneiden, in eine Schüssel geben. Milch lauwarm erwärmen und darübergießen. Mit einem Teigspatel durchrühren.
Schalotte schälen und in 2 mm große Würfel schneiden. In einer kleinen Pfanne 10 g Butter aufschäumen, Schalotten darin 1 Minute glasig anschwitzen. Zur Seite stellen. Petersilie waschen, trocken tupfen, Blätter abzupfen und klein schneiden. Dotter in einer kleinen Schüssel mit einem Saucenbesen gründlich verschlagen.
60 g weiche Butter mit den Rührbesen des Handmixers in einer Schüssel 5 Minuten hell-cremig rühren, 1 Prise Salz dazugeben. Langsam nach und nach Dotter darunterrühren. Dann das Mehl unterrühren. Mit dem Teigspatel ausgekühlte Schalotten, Toastbrotwürfel, Räucherforellenwürfel sowie Petersilie einrühren. Mit Salz, Pfeffer und Zitronenabrieb abschmecken. Masse zugedeckt im Kühlschrank 2 Stunden rasten lassen.
Mit nassen Händen (Schüsserl mit kaltem Wasser) sorgfältig ca. 16 Knödel à ca. 40 g formen, dabei die Hände im-
Fischfond in einem weiten Topf zum Kochen bringen. Die feinen Gemüsestreifen dazugeben und 2 Minuten kochen. Mit Salz, Pfeffer und einem Spritzer Zitronensaft abschmecken. Die Butter in kleine Stücke schneiden und in den kochenden Fond einrühren. Topf zur Seite stellen. Die gewürzten Fischfilets in den Topf legen und zugedeckt 5 Minuten am Herdrand im heißen Sud durchziehen lassen.
Schnittlauch klein schneiden (ca. 1 EL). Kren schälen und reiben.
Fertigstellen
Fischfilets anrichten, mit Gemüse bedecken und die Knödel dazusetzen. Mit Fischfond übergießen, mit geriebenem Kren und Schnittlauch bestreuen.
TIPPS:
Wenn die Knödel zu stark kochen, einfach immer wieder ein wenig kaltes Wasser hineingießen. Auch Räuchersaibling eignet sich für diese Knödel.
Wenn Sie die Knödel als Hauptspeise servieren wollen, formen Sie 8 Knödel à ca. 80 g. Als Beilage passen Gurkensalat, Rote-Rüben-Salat oder grüner Salat.
Diese Knödel lassen sich im rohen Zustand (ohne Mehl) gut einfrieren. Vor dem Kochen im Kühlschrank auftauen lassen und vor dem Einkochen nochmal formen, in Mehl wälzen, abklopfen und kochen.
TOPFEN-SEMMELKNÖDEL MIT ROTEN RÜBEN UND MOHNBUTTER
»DOPFEN KNÖDL« · 1700–1720
ZUTATEN FÜR 4 PERSONEN
Für die Knödel
• 300 g Topfen (20 %)
• 50 g Butter
• 90 g Knödelbrot
• 1 Bund Petersilie
• 3 Eier (M)
• 50 g glattes Weizenmehl (Type 480) + Mehl zum Wälzen
• Salz
• weißer Pfeffer
• Abrieb von 1/2 Zitrone
Für die roten Rüben
• 4 mittelgroße Rote Rüben (à ca. 180 g)
• Salz
• schwarzer Pfeffer
• 4 EL Apfelessig
• 1 Prise Zucker
• 3 EL Walnussöl
• 2 EL Mohnöl (alternativ neutrales Pflanzenöl)
• 2 EL Apfelsaft
Für die Mohnbutter
• 100 g Butter
• 50 g gemörserter oder gequetschter Graumohn
• 1 Prise Salz
ZUBEREITUNG
Ablauf
• Rote Rüben garen und marinieren
• Knödel zubereiten und kochen
• Mohnbutter zubereiten
Für die Knödel
Topfen in ein sauberes Geschirrtuch geben, Enden zusammenschlagen und den Topfen gut ausdrücken (ergibt ca. 250 g), dabei die Molke auffangen.
In einer Pfanne Butter aufschäumen, Knödelbrot darin kurz durchschwenken, bis es goldbraun ist. Auf einen Teller geben und auskühlen lassen. Petersilie waschen, Blätter abzupfen, trocknen und fein hacken (ca. 2 EL).
Topfen in eine Rührschüssel geben und mit den Rührbesen des Handmixers nach und nach die Eier einrühren, Mehl und Petersilie beigeben. Knödelbrot mit dem Teig spatel einarbeiten. Mit Salz, Pfeffer und Zitronenabrieb abschmecken. Masse zugedeckt im Kühlschrank 1 Stunde rasten lassen.
In einem weiten Topf Salzwasser und die aufgefangene Molke zum Kochen bringen. Von der Masse ca. 8 Portionen à ca. 65 g mit einem Löffel abstechen und mit nassen Händen (Schüsserl mit kaltem Wasser) sorgfältig glatte Knödel formen. In Mehl wälzen, Mehl vorsichtig abklopfen und Knödel auf ein Brett legen.
Viele Sterne- oder HaubenköchInnen verwenden Topfen für ihre Servietten- oder Semmelknödel. In diesem 300 Jahre alten Rezept spielt der Topfen die Hauptrolle, Knödel-
brot kommt dazu. Vielleicht waren Knödel wie diese der Ursprung heutiger saftiger Versionen mit Semmelwürfeln?
Knödel vorsichtig mit einer leichten Drehbewegung ins kochende Wasser legen. Topf leicht rütteln, damit die Knödel nicht am Topfboden ankleben. Herd zurückschalten und die Knödel leicht wallend auf kleinerer Hitze offen ca. 15 Minuten mehr ziehen lassen als kochen. Knödel mit einem Schaumlöffel aus dem Topf heben und auf einem Teller mit Küchenpapier abtropfen.
Für die roten Rüben
Backrohr auf 180 °C Heißluft (alternativ 200 °C Ober-/Unterhitze) vorheizen. Rote Rüben gründlich waschen, in Alufolie einpacken, auf ein Backblech legen und im vorgeheizten Backrohr ca. 2 Stunden weich garen. Herausnehmen und schälen. Geht am besten mit den Händen (Einmalhandschuhe tragen, damit die Hände nicht rot werden).
Salz, Pfeffer, Essig, Zucker, beide Öle und Apfelsaft verrühren. Rote Rüben in mundgerechte Stücke schneiden und noch warm in die Marinade legen. Durchschwenken und ca. 1 Stunde marinieren.
Für die Mohnbutter
Butter in einem kleinen Topf aufschäumen, Mohn dazugeben und kurz durchschwenken. Mit Salz abschmecken.
Fertigstellen
Rüben mit der Marinade noch einmal leicht erwärmen. Knödel mit Roten Rüben und Mohnbutter servieren.
TIPPS:
Diese Knödel passen auch sehr gut zu Ragouts. Die Molke im Kochwasser der Knödel ergibt einen intensiven Topfengeschmack.
NEU ODER NOCH GUT
Empfehlungen, Warnungen, warnende Empfehlungen. Von Neuentdeckungen und alten Perlen. Auf dass uns weghören und -sehen vergeht.
HUGO RAMNEK / »DAS LETZTE VON LEOPOLD«/ Wieser, 2019.
Nachgelesen für alle, die sich über eine »amouröse Fabelei über einen Zierkarpfen und eine Bachforelle« amüsieren wollen.
In vielem unterscheiden sich der Zierkarpfen und die Bachforelle, rein zoologisch sowieso, bei Hugo Ramnek allerdings sind die Unterschiede vor allem kultureller Natur. Der Schauspieler und Deutschlehrer hat eine Romanze um den Zierkarpfen Leopold und die Bachforelle Milka gestrickt. Keine Romanze im strengen, formalen Sinn. Denn die Reime sind bloß eingestreut, dienen weniger dem Flow der Geschichte als zwischendurch dem Gaudium beim Lesen, zumeist aber der Erbauung des vereinsamten Leopold, der in einem kitschigen Fischbassin vor der Villa eines neureichen Kärntner Eventmanagers gestrandet ist und sich nur durch Gedichte geistig am Leben hält. »Nur die gebundene Sprache hilft gegen den Wahnsinn der Welt«, erfahren wir immer wieder.
Der Kärntner Ursprung des Autors liefert der Fabel Lokalkolorit. Das Bassin ist die Welt im Kleinen, die in Kärnten bekanntlich besonders eng ist. Weshalb wir immer wieder ins Trübe abtauchen: Bevor ihm der Zufall die slowenische Bachforelle Milka ins Becken wirft, teilt sich der Aristokar-
pfen das Becken mit zwei dumpfen, bräunlich schimmernden Goldfischen. Unweigerlich denkt man bei Gerfried und Herfried, die klagen, das Becken müsse einsprachig bleiben, an die politisch längst in der Versenkung verschwundenen Brüder Kurt und Uwe Scheuch. Der Wahnsinn der Welt war 2008, als »Leopold der Letzte«, damals noch in Form einer Kurzgeschichte, den Preis des Kärntner Schriftstellerverbandes gewann, noch ein anderer.
Die Konsequenz, mit der Ramnek seine kindische Verspieltheit, seine Liebe und Lust an der Sprache auslebt, zu Ende denkt, ohne sich in Ernsthaftigkeit zu verbeißen, macht den Reiz dieser Geschichte aus. THOMAS WEBER
WOLFGANG KÜHN (HERAUSGEBER) / »MEIN WALDVIERTEL II«/ mit Zeichnungen von ANNA SCHACHINGER / Literaturedition Niederösterreich, 2024.
Empfohlen allen, die sich lesend ins Waldviertel versenken wollen.
Ein Buch, das literarische Texte zum Waldviertel vereint. Das zweite bereits, das erste ist vor genau zehn Jahren erschienen. Niemand, der 2014 einen Text beigesteuert hat, ist nochmal dabei. Nur der Herausgeber ist mit Wolfgang Kühn
derselbe geblieben. Über besondere Bekanntheit verfügt bislang keiner der dreizehn AutorInnen, die »Mein Waldviertel II« präsentiert. Einzige Ausnahme: Kurt Palm. Das ist ein Vorteil, weil man sich den Texten weitgehend vorurteilsfrei aussetzen kann (sofern man es durchhält, die Kurzbiografien am Ende des Buchs erst nach Lektüre zu lesen). So stilistisch uneinheitlich die Sammlung ausgefallen ist. Formale Experimente gibt es keine. Durchwegs handelt es sich um erzählende Beiträge. Das macht diesen Band zugänglich. Und wenn einmal die literarische Umsetzung nicht völlig überzeugt, etwa bei »Fleisch in der Dunkelheit und andere Mysterien« von Michaela Mandel, dann halten einen zumindest Story oder Thema im Text. Im Genannten trifft sich eine Gruppe von FreundInnen im Gföhlerwald zum Gelage, um gemeinsam Rezepte aus einem Reisetagebuch aus dem Jahr 1487 nachzukochen. Dabei werden gefangene Krebse freigelassen, verkohlen Kapaune, kommt ein Kanister Schweineblut zum Einsatz. Die meisten Texte sind (erwartbar) persönlich. »Ich könnte auch meine Mutter als Gegend, in der ich aufgewachsen bin, bezeichnen«, schreibt etwa Martin Peichl. Oft handelt es sich um Wiederannäherungsversuche an die Gegend, in der man aufgewachsen ist oder viel Zeit verbracht hat (etwa David Bröderbauers Text »Stein und Teich«). Immer ist in der Gegenwart auch das Gestern spürbar. Oft ist das als gut Empfundene aus der Vergangenheit geblieben. Etwa bei der Anreise mit dem Zug die »aus Vorzeiten übrig gebliebene Freiheit, das Fenster zu öffnen, wenn die Fahrt nach Luft und Wind verlangt« (in Andrea Winklers »Gesang der Frösche«). Und auch wenn das fürs Waldviertel Typische vertreten ist – die Teiche, die Stauseen, der Mohn, die Wildkatze und die Fische, die Fichtenmonokultur, der schlechte Handyempfang und der Zweitwohnsitz: wirklich klischeehaft ist keiner der Beiträge. Lange im Gedächtnis bleibt der autofiktionale Text »Das Dorf« von Valerie Melichar (geboren 1982); eine gut lesbare literarische Montage, die Nähe vermittelt, aber doch klar auf Distanz zu verklärender Ruralromantik bleibt. Die Protagonistin ist Teil des Dorflebens, hat mehr von der Welt gesehen als die auch über die Generationen hinweg ewig gleichen Gesichter des Dorfs. Sie ist zurückgekehrt, aber »keine Heimkehrende«. Der Text schließt mit der Bemerkung: »Das hier beschriebene Dorf ist ein fiktives. Keinesfalls ist es jenes, in dem die Autorin lebt. Es ist wie alle Dörfer. Wer schon mal ein Dorf gekannt hat, kennt auch dieses.« Ein alltagsnaher Gegenwartstext wie geschaffen für den Deutschunterricht.
JOSEF WAGNER, IRENE BECKMANN
(HG.) / »SEMMERING. AUFBRUCH IN DIE ZUKUNFT«/ Böhlau, 2022.
Nachgelesen für alle, die sich für Ideen zur (Wieder)belebung des Semmering begeistern können.
THOMAS WEBER
Kurz hat es ausgesehen, als würde sich eine rasante Renaissance der kaiserlichen und königlichen Kurorte (und ihrer Grand Hotels) abzeichnen, in der Gastein den Anfang macht und der Semmering und andere folgen. In diesem Fahrwasser schwimmt auch die Vielverfasserschrift des Biohoteliers Josef Wagner und der am Semmering aufgewachsenen Schreibtrainerin Irene Beckmann mit – und versucht den Spagat, ausgehend von der Beschwörung der Erinnerung an den mondänen Kurort, zu einem Neudenken der Sommer- und Winterfrische in den »Wiener Alpen« einzuladen. 16 nahmhafte ExpertInnen unterschielichster Hintegründe tragen, wenn auch mitunter weit weniger konkrete und mehr fragmentarische und romantische, aber durchaus facettenreiche und lesenswerte Vorstellungen bei, was sein könnte. Einzig die Ideen, was sich hier in der Peripherie jenseits des Tourismus (und auf diesen ausgerichtetem Kulturtreiben) abspielen soll, sind spärlich gesät. Trotzdem eine empfehlenswerte Reiselektüre für den nächsten Ausflug entlang der alten Weltkulturerbe-(Bahn-)Strecke.
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BIORAMA BIOKÜCHE 2025
Das biorama-Bookazine für alle ÖsterreicherInnen, die Wert auf biologische Küche legen, geht in die fünfte Runde! Wir zeigen die Vorzeigebetriebe der Bioverpflegung genauso wie jene, die deren Grundlagenarbeit machen: BioproduzentInnen von Vorarlberg bis zum Neusiedler See. Bei uns erzählen sie, worauf sie stolz sind und womit sie hadern.
Schwerpunktmäßig widmen wir uns in der Ende 2024 für das Jahr 2025 erscheinenden Ausgabe der fünften Geschmacksrichtung – umami. Richtig viele, richtig gute Produktempfehlungen, Küchentipps und Rezepte gibt’s wie immer obe drauf!
Die bisherigen Ausgaben der BIORAMA BIOKÜCHE sind auch online.
biorama.eu/ausgaben
AUDIO
Podcast-Reihe »Wiener Gusto«: Stadtlandwirtschaft in Wien
Bereits zum dritten Mal widmet sich biorama in einer Podcast-Reihe für die Stadt Wien der Landwirtschaft in der Großstadt. Schwerpunkt der fünf neuen Folgen ist die Marke »Wiener Gusto«, unter der Wien die Bioprodukte seiner kommunalen Landwirtschaft und das Wildbret aus den städtischen Wäldern verkauft. Die Staffel begleitet die gesamte Wertschöpfungskette von der Urproduktion (unter anderem der Schlachtung zweier Freilandschweine am »Biostadtgut« Laxenburg) bis zum Verbrauch (Kochen und Gastronomie). Thema ist auch, warum die Stadt Wien auf ihren eigenen Flächen seit Längerem konsequent auf Bio setzt. Auch die zehn Folgen der ersten beiden Staffeln können noch abgerufen werden.
Zu finden überall, wo es Podcasts gibt – Absender ist die Stadt Wien.
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BIORAMA ZU DIR NACH HAUSE
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PREISGEKRÖNT IN NIEDERÖSTERREICH
Das sind die »Bio-Produkte des Jahres« 2025 aus Niederösterreich: zwei aus dem Wald- und eines aus dem Weinviertel.
Jeden November zeichnen biorama und die Messe Wieselburg die »Bio-Produkte des Jahres« aus. Die Idee des seit 2018 vergebenen Awards ist es, die Vielfalt der Produkte der österreichischen Biobranche zu zeigen und aus dem mehr denn je wachsenden Angebot Herausragendem Aufmerksamkeit zu verschaffen. Die Auszeichnung wird in mehreren Kategorien vergeben Neben Farm & Craft für bäuerliche Erzeugnisse und solche aus Manufakturen und Retail & Big Brand für Handelsund große Vermarktungsunternehmen gibt es auch Sonderkategorien: unter anderem Farm & Craft – Niederösterreich für Produkte aus dem größten österreichischen Bundesland und Bio Austria für Mitgliedsbetriebe des größten österreichischen Bioverbands. In drei der vier Genannten gingen die Trophäen nach Niederösterreich. Die Jury setzte sich aus Reinhard Gessl (Forschungsinstitut für biologischen Landbau), Kulinarik-Journalistin und Kochbuchautorin Katharina Seiser und biorama-Herausgeber Thomas Weber zusammen. Die Bewertungskriterien waren wie in den Vorjahren auch Innovation, Design, Nachhaltigkeit und Nomnom/Spaßfaktor. Shortlists aller nominierten sowie eine Vorstellung der ausgezeichneten Produkte aller Kategorien unter
biorama.eu/bioprodukt-des-jahres
Kategorie
Farm & Craft Niederösterreich
GEKEIMTER APFEL
ZIMT PORRIDGE
vom Kräuterhof Rossnagl
Ein wenig sieht man diesem Porridge an, dass er von einem Kräuterhof kommt. So könnte auch edler Kräutertee verpackt sein. Der Inhalt hat es jedenfalls in sich: »Recht fein vermahlener Porridge mit schönen Apfelstückerln und einem Hauch von Zimt«, schwärmt Juror Reinhard Gessl. Begeistert ist er auch von der »angenehmen Süße, obwohl gar kein Zucker zugesetzt wird«. Der innovative Demeterhof im Waldviertel keimt den Dinkel von den eigenen Feldern in einer kleinen Keimungsanlage, trocknet das Keimgetreide zum idealen Zeitpunkt und vermahlt es in einer klassischen Steinmühle. »Gekeimtes Getreide ist immer gut, weil es gewissermaßen ›vorverdaut‹ und sehr reich an Nähr- und Vitalstoffen ist«, sagt Jurorin Katharina Seiser. Riecht gut, schöne Farbe als Porridge. Schöne Süße, Zimt rundet fein ab. Schmeckt gut, tut wohl!
rossnagl.at
Kategorie Retail & Big Brand
EDAMAME
Von Ja! Natürlich
Kategorie Bio Austria
PASTRAMI VOM WASSERBÜFFEL
vom Büffelhof Forthofer
Edamame sind hierzulande noch weitgehend unbekannt. Dabei handelt es sich um junge, grüne und gewissermaßen unreif geerntete Sojabohnen. Edamame ist Japanisch und bedeutet übersetzt soviel wie »Bohnen am Zweig«. Sie sind reich an Protein und Ballaststoffen und eignen sich als gesunder Snack (gekocht und leicht gesalzen) ebenso wie im Eintopf, in der Suppe oder anderen Gemüsegerichten. »Als Zutat aus dem Tiefkühlfach können die ausgelösten Sojabohnen einfach wie Erbsen zum Einsatz kommen«, weiß Katharina Seiser. Auch Kojuror Reinhard Gessl spricht von »einem erfreulichen Neuzugang im Tiefkühlregal. Und das nicht nur, weil Hülsenfrüchte in den ganz neuen Ernährungsempfehlungen erstmals eine eigene Kategorie sind. Diese Edamame kommen in bester Bioqualität superregional aus dem südlichen Weinviertel und werden dort zum idealen Zeitpunkt supersaisonal verarbeitet.« Anregende Farbe, schöne Bohnen. Milder Geschmack, sehr harmonisch.
janatuerlich.at
Wasserbüffel sind in Österreich noch immer selten, ihr Fleisch eine Rarität und nicht immer verfügbar. Umso erfreulicher ist die se Innovation aus Nöchling im südlichen Waldviertel, wo Monika und Manfred Forthofer ihren einstigen Milchhof in einen Büffelhof weiterentwickelt haben und feinstes Büffelfleisch produzieren. Tierwohl ist auf ihrem Hof kein leeres Wort, sondern Lebensphilosophie. Die Büffelherde lebt auf weitläufigen Weiden mit Wasserstellen. Die Fütterung ist kraftfutterfrei, die Schlachtung passiert stressfrei am Hof, ebenso die Verarbeitung, für die ein moderner Kühl- und Arbeits raum eingerichtet wurde. Für ihr zartes Pastrami pökeln die Forthofers Brustfleisch in Salzlake und räuchern es danach mit einer kräftigen Gewürzmischung schonend über Holz. »Ein langsames Bioprodukt für einen schnellen Sandwichbelag, sozusagen«, sagt Juror Reinhard Gessl. Vermarktet wird diese Delikatesse online (österreichweiter Versand) und direkt ab Hof. bueffelhof.at
KOLUMNE
Thomas Weber
DIE DUNKLE SEITE DER NACHT
»From Russia with LED«: Warum es sinnvoll sein kann, am Gartenzaun eine Glühbirne gegen Lichtverschmutzung zu montieren.
Letztens im Lagerhaus. Ich vergleiche die Wattstärken, studiere die Vorzüge unterschiedlicher LED-Leuchten. Die alte Leuchtstoffröhre, reingeschraubt noch im Halogenzeitalter, hat nach monatelangem Todeskampf und verzweifeltem Zucken endgültig den Geist aufgegeben. Es muss also Ersatz her. Und weil der Kellerabgang in völliger Dunkelheit zur Todesfalle taugt: schnell. Die Erleuchtung beim Einkaufen bringt eine Ernüchterung: Das, was wir unpräzise aus Gewohnheit immer noch »Neonröhren« nennen, wird offenbar nur noch in Diktaturen hergestellt. Zumindest im Lagerhaus haben wir die Wahl zwischen Made in China und Made in Russia. Mit Widerwillen greife ich zum Markenprodukt von Osram. Der Aufdruck 01 2022 – dass die russische Leuchtdiode also ausgerechnet im Monat, bevor Putin seine Trolle in den Krieg gegen die Ukraine schickte, produziert wurde – wirkt aber verdächtig. Neueres russisches Fabrikat war keines zu finden. Zum Trotz folge ich auf Instagram @osram_ukraine. Lächerlich, klar. Aber so fühlt sich der Einkauf weniger als Niederlage an.
Thomas Weber, Herausgeber weber@biorama.eu
Eigentlich spricht ja ohnehin viel gegen zu viel Licht. Drinnen wie draußen. Ich selbst sympathisiere – draußen – sogar mit der Dark Sky Association und den »Paten der Nacht«. Das klingt jetzt wilder, als es eigentlich ist. Erstere – eine internationale Vereinigung – möchte nichts anderes als Mensch und Tier vor übermäßigem Kunstlicht schützen und – ich übersetze das jetzt etwas unbeholfen aus dem Englischen – »die nächtliche Umwelt wiederherstellen«. Zweitere – eine in Deutschland gegründete NGO – beschreibt sich selbst als »Organisation zur Eindämmung der Lichtverschmutzung« und engagiert sich mittlerweile auch in Österreich. Beider gemeinsames Ziel: richtig dunkle Nächte. Maximale Dunkelheit, das leuchtet als Anliegen ein. Draußen halt, nicht beim Keller-
abgang. Vor ein paar Wochen habe ich deshalb eine Glühbirne bestellt; besser gesagt: ein glühbirnenförmiges Schild mit der Aufschrift »Zum Schutz der vielen Arten brennt nachts kein Licht in diesem Garten« und den Maßen 29 × 18 Zentimeter. Keine Angst, im Dunkeln leuchtet hier nichts. Das Schild fluoresziert nicht einmal im Mondlicht. Auf den Gartenzaun montiert, stellt es in gebotener Kürze und immerhin gereimt (Ha!) klar, warum im ausgeschilderten Garten keine Lampions und Lichterketten in den Bäumen hängen, keine LEDs die Fassade erstrahlen oder Laternen den Waschbeton zwischen Garten- und Haustür wie eine Landebahn ausleuchten: weil zu viel oder gar permanentes Licht Pflanzen stresst und nachtaktive Tiere irritiert. Auch in der Weihnachtszeit (wo zeitlich beschränkte Beleuchtung in unseren Breiten vertretbar ist, weil ohnehin keine Insekten oder Fledermäuse unterwegs sind) spricht alles dafür, ab 21 Uhr abzudrehen. Dunkelheit im Garten spart nicht nur Energie und lässt uns erholsam und gut schlafen. Ein aktives »Licht aus« geht deshalb sogar als Akt des Artenschutzes durch. Das möchte die Initiative »Kein Licht im Garten« der »Paten der Nacht« beleuchten, die solche Glühbirnenschilder verkaufen. Ich bin demnächst dann Gartenzaunprediger. So ein Schild mag offensiv missionarisch sein. Zweifellos geht es darum, PassantInnen zu bekehren, nichtsahnende Menschen im Müßiggang zumeist, manchmal mit Hund an der Leine. Vermutlich ist das aber wirksamer, als trotzig einem Leuchtdiodenhersteller auf Instagram zu folgen. Schneller, als das Schild am Gartenzaun montiert war, erstrahlte trotzdem die Kellerstiege in kaltem russischen Licht. kein-licht-im-garten.net
Garten-Podcast
Ob Garten, Balkon oder TerrasseIm Podcast „Red ma NATUR“ pflanzen wir frische Ideen für das eigene Naturparadies ins Ohr. Ein Blick über den Beetrand lohnt sich!