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Bauer sucht Sau loszuwerden

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Elternalltag

Elternalltag

»Zum Glück bauen wir den Großteil des Futters selbst an.« Biobauer Reinhard Asenbaum mit Ferkel in seinem Sommergerste-Futteracker.

Der hohe Preis für Getreide und Energie macht die Schweinemast unrentabel. Getreide wird eher verkauft als verfüttert. Bringt das eine Reduktion des Fleischkonsums?

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Thomas Weber Reinhard Asenbaum erinnert sich gleich an mehrere Telefonate. »Züchter haben angerufen, dass sie Ferkel übrig haben. Sie wollten wissen, ob ich vielleicht von jemandem weiß, der oder die gerade Ferkel braucht.« Es waren keine verzweifelten Verkaufsgespräche, nein. Aber es herrschte doch eine gewisse Ratlosigkeit. Denn Absatzprobleme, die kannte man bislang nicht. Noch vor kurzem waren Bioferkel absolute Mangelware. Die gestiegenen Preise für Getreide, Futtermittel und Energie aber machen die Schweinemast zusehends unrentabel. Besonders stark betrifft das die von Futterimporten abhängige konventionelle Mast. Erste Auswirkungen sind aber auch in der kleinen Nische der Bioschweinehaltung spürbar. In Deutschland genießt nur knapp 1 Prozent aller Schweine die besseren Haltungsbedingungen, die eine Biozertifizierung vorschreibt.

Reinhard Asenbaum züchtet selbst Schweine. Bedarf, Jungtiere zuzukaufen, hat er nicht wirklich. Im südlichen Waldviertel hält er zwanzig Muttersauen. Deren Ferkel mästet er selbst. Die Mastschweine – aktuell knapp 200 Tiere – bringt er selbst zum Metzger, wenn sie schlachtreif sind. Auch den allergrößten Teil des Futters baut er selbst an. »Zum Glück«, wie er betont. Nur Kürbiskernkuchen, der in einer Ölmühle abfällt, und Soja muss er zukaufen. Für Sojaanbau ist die Gegend zu trocken. »Wenn du als reiner Mastbetrieb alles zukaufen musst, vom Futter bis zum Ferkel und der Energie, dann geht sich das nicht

aus, weil du die Mehrkosten am Ende nicht aufs Produkt draufschlagen kannst. Das bezahlt dir niemand.« Der Energiebedarf ist auch auf seinem Hof groß. Vor allem das Heizen der Ferkelnester für die neugeborenen Jungtiere frisst Strom. »Wir haben zum Glück Photovoltaik am Dach«, sagt er. Sein Konzept mit dem »obersten Ziel eines Stoffkreislaufs auf einem geschlossenen Betrieb« sieht der Biobauer aktuell bestätigt. »Je autarker ein Betrieb wirtschaftet, desto besser geht es ihm derzeit wirtschaftlich«, vermutet Stefan Hörtenhuber, Nutztierwissenschafter an der Universität für Bodenkultur (BOKU), zumindest »insofern eine gewisse Betriebsgröße gegeben ist, die auch mit den vorhandenen Arbeitskräften zusammenpasst.« Im Forschungsprojekt »SusPigSys« habe sich gezeigt, »dass familiengeführte Mastbetriebe mit guter Produktivität die höchste ökonomische Resilienz aufweisen«.

Genau sagen lasse sich das derzeit aber noch nicht. Wie sich die allgemeine Teuerung und der absehbare Verlust der Kaufkraft auswirken, werden erst die Konsumzahlen im Spätsommer zeigen. In Deutschland hat der Diskonter Aldi zuletzt die Preise für Biofaschiertes um 30 Prozent erhöht, von 10 Euro auf 13 Euro pro Kilo. Was das für den Absatz bedeutet, ist ungewiss. Und auch, ob und wie treu die BiokäuferInnen ihren Konsumgewohnheiten bleiben – und bereit sind, weiterhin mehr auszugeben. Gerade beim Fleisch ist der Preisunterschied zwischen konventioneller Ware und Bioqualität groß; Biotiere haben mehr Platz, bewegen sich mehr, wachsen langsamer, brauchen mehr Futter.

FRÜHINDIKATOREN AM FERKELMARKT

»Manche Schweinebauern überlegen bereits, ihr Getreide zu verkaufen, weil der Preis dafür so gut ist, und dann im Herbst keine Schweine mehr zu mästen«, berichtet Adolf Marksteiner, der Leiter der Marktpolitik-Abteilung für tierische Erzeugnisse der österreichischen Landwirtschaftskammer (LKÖ). Dass das mehr als Gerede ist, würden erste Frühindikatoren belegen – »etwa die seit vielen Wochen rückläufigen Ferkelabsatzzahlen«. Nicht nur bei Reinhard Asenbaum hat also das Telefon öfter geklingelt.

Dass wir in Mitteleuropa weniger Schweinefleisch essen, ist keine ganz neue Entwicklung. In Deutschland ist der Pro-Kopf-Verzehr in

»Wer Bioschweinefleisch isst, ist tendenziell 50 plus und finanziell besser aufgestellt.«

— Christian Wucherpfennig,

Landwirtschaftskammer

Nordrhein-Westfalen

den vergangenen 15 Jahren von 40 Kilogramm auf jährlich 31 Kilogramm gesunken. »Und bald werden wir abermals eine kräftige Senkung spüren«, ist sich Christian Wucherpfennig sicher. Er berät für die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen BioschweinehalterInnen und unterrichtet an der Fachschule Kleve Agrarwirtschaft.

Wucherpfennig schätzt, dass steigende Preise diese Entwicklung insgesamt beschleunigen. Und wieder einmal könnte Bio – vorerst jedenfalls – Glück haben: »Der Bioschweinemarkt ist nach wie vor sehr konstant. Wir hatten vor der Krise einen Angebotsmangel. Das heißt: Was hätte verkauft werden können, war nicht da. Deshalb gibt es aktuell keinen Preisdruck.« Auch würden sich KäuferInnen von konventionellem Schweinefleisch und solche von Bioschweinefleisch stark unterscheiden: »Pro Kalorien betrachtet ist Schweinefleisch meist billiger als

SPEISEPLAN EINES MASTSCHWEINS

Konventionell:

ca. 75% Energiefuttermittel (Körnermais, Gerste, Weizen, Triticale, Hafer, Roggen), ca. 20% Eiweißfuttermittel (Sojaextraktionsschrot, Rapsextraktionsschrot/-kuchen, Sonnenblumenextraktionsschrot/-kuchen), ca. 5% Mineralstoffe (Phosphor, Kalzium etc.)

Biologisch:

(sehr unterschiedlich nach Standortbedingungen, z. B.:) ca. 70% Energiefuttermittel (Körnermais, Gerste, Weizen, Triticale, Hafer, Roggen), ca. 25% Eiweißfuttermittel (Erbsen, Sojabohnen, Sojakuchen, Rapskuchen), ca. 3–5% Mineralstoffe (Phosphor, Kalzium etc.) Für 1 Kilo Fleisch braucht es 3,2 bis 4,5 Kilogramm Futter. 1 Kilo Donausoja (GVO-frei, aus Europa) kostete Anfang April 2022 79 Cent pro Kilo. Im Januar 2021 waren es 56 Cent pro Kilo; im Juni 2022 wieder 65 Cent.

»Der Fleischmarkt bei den teuren

Edelstückteilen ist rückläufig.

Das wird derzeit noch durch den super Absatz kaschiert, weil gerade Hauptgrillzeit ist.«

— Adolf Marksteiner,

Landwirtschaftskammer

Österreich

»Das wahre Leben der Bauernhoftiere«: In ihrem Kinderbuch (Klett-Verlag, 2020) zeigt Illustratorin Lena Zeise, wie unsere Nutztiere gehalten werden – auch Tiertransporte und Schlachtung sind Thema.

BIORAMA.EU/

DAS-WAHRE-LEBEN-DERBAUERNHOFTIERE Gemüse«, weiß Wucherpfennig, »deshalb kommen klassische SchweinefleischesserInnen eher aus einkommensschwachen Bevölkerungsgruppen. Wer hingegen Bioschweinefleisch isst, ist tendenziell 50 plus und finanziell besser aufgestellt.« Das heißt: Inflation und Teuerung setzen dem konventionellen Schweinemarkt vermutlich schneller zu als der Öko-Nische.

DAS SCHWEINESYSTEM, EIN GLOBALISIERTES GESCHÄFT

Auch wenn manche Mastbetriebe versuchen, sich mit Futtermitteln weitestgehend selbst zu versorgen: Das Schweinesystem ist ein globalisiertes Geschäft, vor allem was den Einkauf der Futtermittel und die Verwertung der Tiere nach dem Schlachten betrifft. Letzteres liegt ebenfalls an Konsumgewohnheiten. Denn auch wenn ein Schlachtkörper beinahe zur Gänze verwertet werden kann, am Ursprungsort verzehrt wird nur ein Teil. »Wir haben immer noch einen Edelstücknachfragemarkt, deshalb ist Deutschland beim Filet und beim Nacken ein Nettoimporteur und exportiert Bäuche, Pfötchen und Öhrchen – was die ChinesInnen noch bereit sind zu essen«, sagt Christian Wucherpfennig. Gerade bei den Edelteilstücken erwartet Adolf Marksteiner von der Landwirtschaftskammer Österreich einen Einbruch. Derzeit werde das noch kaschiert – »weil gerade Hauptgrillzeit ist«, in der große Mengen an Fleisch gekauft und gegessen werden. Für die nächste Zeit sieht Marksteiner für seine Branche »zwei Megatrends«: »Weil die ErzeugerInnen genauer rechnen, ob sie auf ihren Deckungsbeitrag kommen, gehen wir von einer leicht sinkenden Produktion bei hochpreisigen Fleischsorten wie Pute aus und von einer sinkenden Schweineproduktion.«

Als zweiten Megatrend erwartet er nicht weniger als »die möglicherweise völlige Neuordnung der Märkte«: dass vor allem im Billigsegment die Eigenmarken der Lebensmittelkonzerne unabhängige Qualitätsmarken verdrängen. Denkbar wäre auch, dass diese den Biomarktanteil insgesamt ein wenig reduzieren. »Kein Mensch kann wirklich vorhersagen, was Herbst, Winter und Krieg noch bringen«, meint dazu Christian Wucherpfennig. »Der große Verlierer ist hoffentlich der Mistkübel«, sagt Adolf Marksteiner, »der hohe Anteil des weggeworfenen Essens sinkt durch die Teuerung hoffentlich rapide«.

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