2 minute read
Elternalltag
TEXT Ursel Nendzig
Autorin Ursel Nendzig, Mutter zweier Söhne, berichtet live aus der Achterbahn.
Advertisement
PUBERTÄTERÄTÄ-TÄÄÄT!
Endlich, endlich, es ist so weit! Wir pubertieren! Wir stinken und laufen vor Mädchen davon!
Bei uns steht die Pubertät vor der Tür. Sie hat eine Baseballkappe auf, lange, dünne Beine und fragt: »Mag der T. rauskommen?« Es ist unser entzückendes Nachbarmädchen I., das mir vor drei Wochen noch seine erste Zahnlücke präsentiert hat und vor zwei Monaten ein Eis aus Sand. I. ist stolze vier Jahre älter als der große Sohn und trotzdem steht sie jetzt da und fragt, ob er rauskommen mag. Wenn I. klingelt, ist der große Sohn ein geölter Blitz, zieht sich im Lauf die Schuhe an und ist, hast du nicht gesehen, auf und davon. I. kommt nicht mehr so oft vorbei wie früher, aber heute steht sie da und fragt nach ihrem Spielgefährten, vermutlich braucht sie eine kleine Pause vom Pubertieren.
Der große Sohn ist zwölf Jahre alt, noch kein Teenager, schon gar kein Erwachsener, aber auch irgendwie kein Kind mehr. Ich kann ihm derzeit ohne Bücken oder Strecken den Scheitel küssen und langsam auf Augenhöhe mit ihm sprechen, von der Körpergröße her, meine ich jetzt. Er ist noch eine Schuhgröße hinter mir her und mit seinen knallharten Argumenten Lichtjahre voraus. Ich rufe nicht mehr den Opa an und frage, ob er auf ihn schauen kann, sondern schicke ihn zum Opa, um die Hecken zu schneiden. Er teilt mir mit, dass er sich sicher sei, der Verkäufer im Schuhladen habe einen Crush auf mich (sorry, Schuhverkäufer, du bist mir zu jung), genau wie die drei Mädchen, die ihn den ganzen Weg von der Schule nach Hause gejagt hätten.
Ja, ich denke, bei uns steht die Pubertät vor der Tür. Ich muss euch sagen: Ich bin ziemlich aufgeregt. Nicht nur weil sich mein Elternalltag endgültig verändern wird. Ich befinde mich in den allerletzten Zügen der Zeit, in der Elternsein körperliche Zuwendung ist. Vielmehr ist es schon intellektuelle Zuwendung, ist es nicht mehr Umarmen oder Busseln, sondern Diskutieren und Reden. Bald werde ich wahrscheinlich nur noch Geldscheine sprechen lassen können. Ich bin auch aufgeregt, weil ich ja, wie jede gute Mutter, die reine Freude verspüre, diese Scheißzeit noch einmal durch-
»Ich bin auch aufgeregt, weil ich ja, wie jede gute Mutter, die reine Freude verspüre, diese Zeit noch einmal durchleben zu können.«
leben zu können, ohne dass mir selber Pickel sprießen, Haare an den unmöglichsten Stellen wachsen oder ich unbemerkt so stinke, dass mir ungefragt Deos ins Bad gestellt werden müssen. Hurra, dieses Mal bekommen wir sogar einen Bart! Eine Freundin hat mich vor Kurzem auf die unglaublich coole Homepage »Jungsfragen.de« aufmerksam gemacht. Eine Seite, die im Grunde ein großes, lautes »Ja!« auf die Frage »Bin ich normal?« gibt. Sexualkunde, Videos, alle Themen, alles. Vor allem ist die »Pubertätsliste« spannend, in der Jungs, anonym, von der Penisgröße bis zur Wichshäufigkeit alles eintragen können. Nach intensiver Studie dieser Liste kann ich sagen: Oh. Die Pubertät steht eigentlich schon in der Tür.