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Experiment Selbstversorgung
»SELBST SCHLACHTEN WÜRDE ICH NICHT«
Seit 13 Jahren versorgt sich Lisa Pfleger weitgehend selbst und lebt autark in einem Wohnwagen. Neuerdings schätzt sie aber auch ihren »Brotjob« im Büro.
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INTERVIEW Thomas Weber Als BIORAMA sie am Telefon erreicht, sitzt Lisa Pfleger gerade in ihrem Erdbeerbeet und mulcht mit Stroh. »Damit die Früchte nicht alle schmutzig sind«, erklärt sie. Das ist kein ästhetisches Problem, sondern spart Wasser. Ihr Wissen als Selbstversorgerin hat sich die heute 33-Jährige durch Lesen, Versuch und viel Irrtum angeeignet. Alles begann 2009 mit ihrem damaligen Partner Michael Hartl und dem gemeinsamen »Experiment Selbstversorgung«, das die beiden auch in einem gleichnamigen Blog begleiteten, der nun von Hartl unter dem neuen Namen Nanu weitergeführt wird. Er stieg nach der Trennung aus. Lisa blieb dabei, kaufte mit Erspartem ein Grundstück im Südburgenland, auf dem sie heute lebt. »Weitgehend autark«, wie sie sagt.
Lisa Pfleger
versorgt sich seit 2009 selbst und lebt in einem Wohnwagen auf ihrem Grundstück im Südburgenland.
BIORAMA: Dein Exmann hat euer gemeinsam begonnenes »Experiment Selbstversorgung« aufgegeben. Du bist nach 13 Jahren noch dabei. Wie weit versorgst du dich heute selbst?
LISA PFLEGER: Ich könnte mich seit vielen Wochen nur aus dem Garten ernähren. Ich kaufe aber Obst und Kartoffeln ein, weil ich nicht nur Bock auf Salat hab. Beim Gemüse ernähre ich mich zu 90 Prozent selbst. Es könnten locker 100 Prozent sein, nur müsste ich mich ganz darauf beschränken, was bei uns wächst. Und ich esse wirklich gerne Bananen! Ich bin ein Obstfreak und habe auf meinem Grundstück viele Obstbäume. Heuer war eine tolle Blüte, es gab keinen Spätfrost. Das könnte eine gute Obsternte werden. Am liebsten esse ich es zwar frisch, aber ich koche auch Marmeladen ein, mache Säfte, experimentiere mit dem Trocknen und habe erst vor Kurzem ein Rezept gefunden, bei dem man Früchte im Ganzen ohne Zucker einwecken kann. Köstlich!
Womit klappt denn die Selbstversorgung nicht?
Ganz klar mit Getreide. Das ist urviel Arbeit. Getreide braucht auch viel Fläche und vom Aussäen bis zur Ernte alles in Handarbeit zu erledigen ist mühsam und körperlich zehrend. Deshalb kaufe ich manchmal Brot, oft aber auch Getreide und Mehl. Ich backe selbst gerne mit dem Überschussstrom meiner Photovoltaikanla-
ge, seit ich am Flohmarkt eine Brotbackmaschine gefunden habe.
Du bist vegan …
… nicht mehr! Ich hab Hühner, Eier, ab und zu esse ich Milchprodukte und tatsächlich manchmal auch Fleisch. Ich bin zwar überwiegend vegan, gönne mir aber, wonach ich gerade Verlangen habe. Mir wurde das alles zu streng. Es hat mir Stress bereitet, wenn ich auf etwas Gusto hatte, es aber nicht essen durfte, weil ich mir eine selbstgeißelnde Ideologie aufgebaut hatte. Theoretisch könnte ich mich auch mit Fleisch selbst versorgen. Aber Töten bleibt für mich etwas Arges. Selbst schlachten würde ich nicht. Einmal musste ich ein Huhn, das ein Marder schwer verletzt hatte, notschlachten. Mich ekelt nicht vor rohem Fleisch. Nur: Meine süßen drei Hühner schlachten, das würde nicht gehen!
Wie hat sich denn dein Lebensstil auf die Lebenshaltungskosten ausgewirkt?
Sie sind deutlich zurückgegangen. Viel maßgeblicher als die Selbstversorgung ist aber, dass ich keine Miete und keine Stromkosten zu zahlen habe. Ich wohne ja auf meinem eigenen Grundstück, das insgesamt 1,8 Hektar groß ist. Ich lebe in einem ausgebauten Wohnwagen, habe Photovoltaikstrom, keinen Herd und heize im Winter mit einem Holzherd, auf dem ich gleichzeitig kochen kann. Es gibt einen Wasseranschluss im Garten – ganz gewöhnlich über die Gemeinde –, weil die Niederschläge zu gering sind für meine Gartendusche. Im Winter wird der Anschluss abgedreht, da gibt’s aus dem Wasserreservoir in Regentonnen Katzenwäsche aus dem Kübel.
Und auf die Lebensqualität?
Ich schätze es, die Haustür aufzumachen und draußen zu sein. Ich bin im Sommer fast nie drin. Mein Traum war immer schon eine Sommerküche, die ist ab Frühling bis zum Spätherbst in Betrieb. Draußensein ist für mich Lebensqualität. Alles lebt, ich krieg voll viel mit. Ich muss ja auch aufs Kompostklo raus. Im Winter kostet das manchmal Überwindung. Aber dann geh ich raus und hab den geilsten Sternenhimmel über mir oder sehe einen riesengroßen roten Mond. Dann bin ich selig.
Gibt es etwas, auf das du in deinem Leben verzichten musst?
Wenn ich körperlich gerade nicht fit bin, dann wünsch ich mir eine warme Badewanne, aber hin und wieder gönne ich mir einen Tag in der Therme. Das schätzt man dann voll.
Die Arbeit im Garten ist sehr zeitaufwendig. Aber auch als Selbstversorgerin brauchst du Geld. Womit verdienst du welches?
Momentan arbeite ich in einem Bäckerei-Start-up, zertifiziert glutenfrei, bio und vegan: Pacha-Maia in Güssing. Dort sitze ich in der Marketingabteilung und nütze meine Blog-Erfahrung. Ich hätte mir nie gedacht, jemals in einem Büro zu sitzen, derzeit sogar 30 Stunden die Woche! Aber das ist total cool: Wenn ich von der Arbeit heimkomme, habe ich überschüssige Energie für den Garten. Früher habe ich nebenbei in der Gastro gearbeitet, da war ich körperlich immer k. o. Ein Bürojob ist ideal für die Selbstversorgung.
Möchtest du dich bis ins hohe Alter selbst versorgen oder gibt’s für deinen Lebensstil eine Altersgrenze?
Ich habe vor ein paar Jahren schon einmal gedacht, dass meine Grenze körperlich erreicht ist. Mittlerweile achte ich mehr auf meine Ressourcen, mein Rücken ist etwas angeschlagen. Aber ich hoffe, ich bin lange fit und falle irgendwann mal einfach im Garten um.
Inspiration gibt Lisa Pfleger auch in Büchern weiter. Zuletzt erschien 2014 »Vegan regional saisonal« bei Ulmer.