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REZEPTE

REZEPTE

So nah, so gut?

KöchInnen über ihren Zugang zum schillernden Begriff »Regionale Küche« und dessen Verbindung zu Nachhaltigkeit.

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Text von

MARTIN MÜHL

Regionale Küche ist in der Gastronomie ein gern verwendeter Begriff, um diffus ein Gefühl von sozialer Nähe, kurzen Distanzen zwischen ProduzentInnen und Verarbeitung, und von Nachhaltigkeit auszudrücken. Und oft auch einfach, um bestimmte Bilder und Gerüche, geschmackliche Assoziationen oder Erinnerungen hervorzurufen. Gemeint ist damit meist entweder in erster Linie die Verwendung von Zutaten aus der Region (die in manchen Fällen und für manche Betriebe auch einfach »aus Österreich« bedeutet), andere Beschreiben damit einen Fokus auf bestimmte Gerichte, die landläufig mit einer Region verbunden werden. Oder der Oma. Meist ist es eine unklare Mischung. Kreative KöchInnen bieten eigene Menüs an, in denen nur Zutaten aus einem bestimmten Radius verarbeitet werden, wie das Biorestaurant »Floh« in Tulln mit dem Menü »Radius 66«. Andere schließen sich zu Vereinigungen zusammen, wie die Vertreter – in dem Fall nur Männer – der »alpinen Küche«, die bei den »Festspielen der alpinen Küche« im September in Zell am See ihre variantenreichen und wirklich gelungenen Interpretationen des Begriffs präsentierten. Für KöchInnen in der Gastronomie zählen die Qualität und Frische der Zutaten, zusätzliche Regelungen wie eine Gesetzgebung für die Kennzeichnung der Herkunft oder auch Biozertifikate werden oft schlicht als überflüssig angesehen. Hinzu kommt: Die transparente Ausweisung dieser Informationen beruht derzeit auf Freiwilligkeit.

Wir haben KöchInnen und eine Hoteliére gefragt, was der Begriff für Sie bedeutet.

Andreas Döllerer

Küchenchef und Gastgeber, Döllerer, Golling

Süßwasserfisch und bei Wild. »Im Flachgau gibt es ein paar spannende Gemüsebauern, die aber in der Menge noch nicht relevant sind«, ergänzt er. Er sieht eine durch den Klimawandel bedingte Veränderung bei den Wildpflanzen, die nun in anderen Höhen bzw. im Tal wachsen. Hinter seinem Hotel betreibt er einen »essbaren Garten« mit über 130 Obst- und Gemüsesorten, darunter einige Exoten wie Kiwis oder Sechuan-Pfeffer, mit denen er experimentiert. Was er seien MitarbeiterInnen und Gästen auf alle Fälle mitgeben will, ist der Grundrespekt vor den Lebensmitteln und »hier sind ein Erdapfel und eine Trüffel immer gleich viel wert«.

Der Salzburger Spitzenkoch verbindet in seinem Restaurant und seinem Wirtshaus (beide nicht biozertifiziert) höchste Fine-Dining-Ansprüche mit klassischer Wirtshausküche und steht für »alpine Cuisine«. Regionale Küche ist für ihn im Idealfall, »dass man aufgrund der Speisekarte oder des kulinarischen Angebots erkennt, wo man isst, ohne darüber nachzudenken. Es ist ein Spiegel der Region. Das Schwierige dabei ist, Uniformität zu vermeiden.« Über allem muss die Qualität eines Produktes stehen, und nicht jedes regionale Produkt ist für ihn ein gutes Produkt. Oft kommen diese aber eben doch aus den regionalen, kleinen Betrieben, zu denen er einen direkten Kontakt pflegt, was beiden Seiten Sicherheit gibt. In der Komposition der Gerichte hat es durchaus Relevanz, was schon die Großeltern gekocht haben und es gilt zu bewahren, wie früher auf den Bauernhöfen gekocht wurde. Er ist erfreut, über die hohe Dichte an Biobetrieben in Salzburg, auf die er gerne zurückgreift, mit »Bioproduktion aus Übersee« kocht er nicht. Die Stärke der Region sieht er in der Milch- und der Viehwirtschaft, beim

doellerer.at

Nadja Blumenkamp

Hotelière, Biohotel Rupertus, Leogang

»Regionale Küche ist, dass man aufgrund der Speisekarte oder deskulinarischen Angebots erkennt, wo man isst, ohne darüber nachzudenken.« – Andreas Döllerer, Döllerers Wirtshaus & Restaurant Döllerer

Für Nadja Blumenkamp, Besitzerin und Geschäftsführerin des Biohotel Rupertus, ist »Regionalität der richtige Ansatz, weil man so die Wege verkürzt und die ProduzentInnen unterstützt«. Ihr Betrieb ist zu 100 % Bio. Eine Dichte von 95 % Biolandwirtschaft in Leogang macht für sie das »Optimum aus bio und regional« gut möglich. Wer im Hotel isst, dem wird auf den täglich geschriebenen Speisekarten die Regionalität über die Anführung der ProduzentInnen detailreich vermittelt, stark kommuniziert wird sie vom Hotel aber nicht. Dabei macht für sie nicht die Verwendung regionaler Produkte die regionale Küche aus, »da man

»Regionale Küche ist Soulfood; Rezepte konventionelle Tierzucht oder Gemüder Omas, die Teil der Kultur sind.« seanbau, die viele Standards vermissen lassen. Oder Tierzucht, die Regionalität vermarktet, aber mit importiertem Soja – Nadja Blumenkamp, Biohotel Rupertus als Futtermittel arbeitet. Mit der richtigen Beziehung zu den ProduzentInnen ist es für ihn möglich im Austausch auf mit diesen auch internationale Gerichte kochen kann«, Augenhöhe Veränderungen zu bewirken und dafür etwa sondern das »Soulfood und die Rezepte der Omas, die Abnahmemengen zu garantieren. Die Regionalität spielt

Teil der Kultur sind«. Dass hier früher schon viel vege- für ihn auch eine Rolle, weil sie kurze Wege und damit tarisch gekocht wurde, ist für sie nur einen Vorteil, ex- Frische garantiert, die kein Händler bieten kann. perimentiert wird aktuell mit veganen Varianten, wobei »die Wurzeln nicht verfälscht werden dürfen, auch Lukas Nagl sieht die Verantwortung bei Fachleuten, zu wenn es eine Weiterentwicklung durch neue Zutaten entscheiden, was Qualität hat und bewahrt werden soll gibt«. Gemeinsam mit anderen setzt sie sich für eine Re- und was nicht: »Nicht alles, was früher war, war gut«, form der Gesetzgebung für die Biogastronomie ein, da- ist er überzeugt und wehrt sich gegen ein verstaubtes mit nur mehr jene mit dem Begriff kommunizieren dür- Verständnis von Kochen und Kulinarik. Auch wenn das fen, die sich auch kontrollieren und zertifizieren lassen. Bootshaus nicht biozertifiziert ist, weil er sich hier – vielleicht leicht jugendlich aufbegehrend – gegen Bürupertus.at rokratie und Siegel als Werbung wehrt, ist für ihn klar: »Bio ist die richtige Richtung und sollte normal sein und dafür sollte ausgeschildert sein, was nicht bio ist.« Und so kommt es auch, dass er neben seiner Tätigkeit als Koch gemeinsam mit den FreundInnen Christine Bamesberger und Viktur Gruber Luvi Fermente betreibt. Ein Unternehmen, dass mit 100 % heimischen Zutaten internationale Geschmäcker verfolgt und etwa aus Kürbiskernpresskuchen Sojasauce macht oder aus den Abfällen der Kernölerzeugung Shoyu. 100 % biozeLukas rtifiziert übrigens. Nagl dastraunsee.at

Koch, Traunseehotels mit Restaurant

Bootshaus, Traunkirchen »Alles was gut ist, hat

Für den gerade von Gault & Millau als »Koch des Jahres 2023« ausgezeichneten Lukas Nagl ist es selbstver- auch regional Bestand, ständlich, regional zu kaufen. Aber ebenso, Begriffe wie »regionale Küche« nicht oberflächlich zu verwenden. aber deswegen ist nicht

Eigentlich verwendet er sie lieber gar nicht. Er ist überzeugt, dass »alles, was gut ist, auch regional Bestand hat, alles, was regional aber deswegen nicht alles, was regional ist, auch gut ist. ist, auch gut.«

Das müssen auch die Bäuerinnen und Bauern und ProduzentInnen lernen. Die oberste Maxime sind Qualität – Lukas Nagl, Traunseehotels und Frische.« Als Beispiel bringt er auch bei uns übliche

… ABER NICHT IN DER GASTRONOMIE

Theresia Palmetzhofer

Köchin und Geschäftsführerin, Gasthaus zur Palme, Neuhofen an der Ybbs

Theresia Palmetzhofer arbeitet in der Küche in erster Linie mit saisonalen, regionalen Zutaten. Sie beobachtet, dass immer mehr kleine ProduzentInnen Bio arbeiten – und das teilweise auch nebenberuflich. Etwa, dass Gastronomiebetriebe, Gemüse anbauen. Sie sieht hier einen großen Fortschritt und ein wachsendes Angebot, aber auch noch Raum für Verbesserungen, etwa was Bioschweinefleisch angeht. Sie ist sich sicher, dass »regionale Küche große Rolle spielt, vor allem auch für die Gäste. Für mich bedeutet es, dass ich in erster Linie regionale Produkte verwende.« Basis ihrer Küche im nicht biozertifizierten »Gasthaus zur Palme« sind alte Rezepte, die sie neu interpretiert. Wie, das entscheiden eben oft die gerade erhältlichen Produkte. Denn wenn es die gerade nicht regional in Bioqualität gibt, dann entscheidet sie sich zwar manchmal für das konventionelle Produkt als Ersatz, genauso oft wird aber auch das Angebot auf ihrer flexiblen Speisekarte geändert. Wichtig ist für sie etwa der Biofisch, den sie bei Declavas aus Mariazell bezieht: »Es macht mehr Spaß und mehr Freude, mit solchen Produkten zu kochen«, zeigt sie sich begeistert. Und sie schätzt die Veränderungen »Ich sehe, dass regionale Küche und das größere Angebot, das in den letzten Jahren laufend entstanden eine große Rolle spielt, vor allem ist: »Seit es etwa Bioshitake-Pilze direkt aus der Umgebung gibt, auch für die Gäste. Für mich koche ich damit und würde nie bedeutet es, dass ich in erster Linie welche im Supermarkt kaufen.«

regionale Produkte verwende.« gasthaus-zur-palme.at

»Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung ist im Regierungsprogramm 2020–2024 ›Aus Verantwortung für Österreich‹ vorgesehen«. Das steht auf der Website des Sozialministeriums. Es folgt die Einschränkung, dass es dabei in erster Linie um die Primärzutaten Milch, Eier und Fleisch geht und diese Bestimmungen nicht allgemein gelten. Eine weitere Einschränkung besteht darin, dass es eine Verordnung über die »Verpflichtende Weitergabe von Informationen zur Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen« gibt, die im Dezember 2021 kundgemacht wurde, und zwei weitere über die »Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten« – die beide gerade erst in Begutachtung sind. Hinzukommt: Wenn man sich auf diese Verordnungen einigt, gelten diese zwar für Lebensmittelunternehmen und Gemeinschaftsküchen, aber nicht für die Gastronomie. Es gilt in der Gastronomie also weiterhin, dass die KundInnen auf die freiwillige Transparenz der Betriebe angewiesen sind.

– Theresia Palmetzhofer, Gasthaus zur Palme

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