Blaulicht 5/2020

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SICHERHEIT RUBRIKEN ©

Blackout – das unterschätzte Risiko » Autor: Jörg Rothweiler

Swissphone

Blackout:

Die gefährliche Ignoranz des realen Risikos Experten warnen eindringlich: Ein Black­­­out in den kommenden fünf Jahren ist sehr wahrscheinlich – und trifft er die Schweiz, wird es böse enden. Doch das Risiko wird unterschätzt. So wie die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie ignoriert wurde. Bis Corona kam. Die Schweiz sollte daher die richtigen Lehren ziehen – und zwar jetzt! Herbert Saurugg ist ein europaweit gefragter und viel zitierter Experte rund ums Thema Blackout. Der Major a. D. und Master of Science für Business Development mit Spezialisierung in Sicherheitsforschung, kritische Infrastruktur sowie systemisches Risiko- und Krisenmanagement ist Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), Lektor an diversen (Fach-)Hochschulen und Betreiber der Website www.saurugg.net. Auf dieser warnt er: «Ein europaweiter Strom- und Infrastrukturausfall (Blackout) ist binnen der kommenden fünf Jahre sehr realistisch!» Direkt daneben findet man den Link zum Film «Schweiz im Dunkeln», den das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) im Nachgang zur Sicherheitsverbundsübung (SVU) 2014 publizierte. Der Streifen zeigt, was ein Blackout auslösen würde: Die Versorgung der Bevölkerung bräche ebenso zusammen wie die Kommunikation. Panik würde ausbrechen, gefolgt von Plünderungen, Unruhen und Gewaltexzessen. Denn die Geschichte zeigt: In der existenziellen Krise greift der Mensch zum Faustrecht – und der Staat verliert die Kontrolle und das Machtmonopol. Laut Saurugg stellt aber nicht die Möglichkeit eines Blackouts die grösste Gefahr dar, sondern die weitverbreitete, völlig weltfremde Hoffnung, so etwas werde schon nicht passieren.

Corona beweist: Risikoszenarien treten ein! Aktuell erleben wir, wie irrational diese Annahme, die von der Politik gern gelebte Ignoranz des garantierten Risikos ist: Wir leben inmitten eines Pandemieszenarios. An dessen tatsächliches Eintreten glaubte kaum jemand – weder vor Jahresfrist noch vor sechs Jahren, als eine «InfluenzaPandemie» das zentrale Szenario der Sicherheitsverbundsübung (SVU) 2014 bildete – flankiert um Szenario 2, einen «Stromausfall mit anschliessender, längerer Strommangelversorgung», also einen Blackout.

Nun führt uns die Coronakrise nicht nur vor Augen, wie schnell das theoretisch Denkbare zur bitteren Realität wird, sondern auch, dass viele der Schlussfolgerungen aus der SVU 14 zu wenig weit griffen und die Realität eben doch meist eine andere ist als die Theorie der Übung. Seit Monaten nimmt das strukturelle und handlungsbezogene Durcheinander in puncto Corona zu, vieles wirkt unbeholfen, ja teils komplett kopf- und konzeptlos. Die Folge: Das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeiten der Führung und die Sinnhaftigkeit der Massnahmen schwindet zusehends.

Corona ist lästig, der Blackout gefährlich Verglichen mit der Coronakrise freilich hat ein Blackout weit grössere Brisanz. Zwar lähmt Corona die Wirtschaft, der Bund verliert Milliarden und viele Menschen ihren Job. Zwar muss sich die wohlstandsverwöhnte Bevölkerung längerfristig mit gewissen Restriktionen arrangieren. Doch die Grundversorgung hat Corona bis dato nie tangiert. Nicht einmal ansatzweise. Dennoch keimte im Frühjahr rasch Panik auf. Nur schon die Angst ums Klopapier trieb manche Leute dazu, die Fäuste auszupacken – völlig bar jedweder tatsächlichen Not. Kaum vorstellbar daher, was beim Blackout geschähe. Wenn die Menschen frieren, hungern, dürsten und stinken würden. Wenn Seuchen ausbrächen, weil Müllentsorgung, Toiletten und Kläranlagen nicht mehr funktionierten. Wenn keiner fliehen könnte – mangels Treibstoff und angesichts stillstehender Busse, Züge und Flugzeuge. Wenn die Behörden stumm blieben und die Menschen nicht wüssten, was gerade passiert und wo Gefahren drohen – weil die Informationsund Kommunikationstechnik (IKT) tot wäre und alle Kanäle schweigen würden. Es geschähe Folgendes: erst Panik, dann Chaos, dann Gewalt – zuerst in den Städten, wo die Abhängigkeit der Menschen von der infrastrukturellen Versorgung grösser ist, dann auch auf dem Land. Die Blaulichtkräfte (BORS) wären stark gefordert – und auf eine funktionierende IKT angewiesen.

Wer nicht kommuniziert, stirbt … Doch ihre Kommunikationsfähigkeit wäre stark beeinträchtigt. Der Abschlussbericht der SVU 14 hält glasklar fest: «Bei einem Stromausfall von mehr als vier Stunden wäre seitens der BORS die übliche Alarmierung via Telefon und Internet nicht mehr zu garantieren.» Zudem zeigte die SVU 14, dass «von den untersuchten IKT nur jene den Anforderungen geblaulicht | gyrophare bleu | girofaro blu

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