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Expertentalk: Medical Fitness
body LIFE- EXPERTENTALK
Der body LIFE-Expertentalk im Rahmen des Expertenforums fand zum zweiten Mal digital statt. In einer regen Diskussion tauschten die Teilnehmer ihre Meinungen und Erfahrungen zum Thema „Medical Fitness“ – von einer aktuellen Bestandsaufnahme bis hin zu Konzepten der Zukunft – untereinander aus. Die Zuschauer hatten wieder die Möglichkeit, ihre Fragen an die Experten zu richten.
Die Teilnehmer des body LIFE-Expertentalks (v. l. n. r. und von oben nach unten): Marc Jonen (Clubbetreiber JONENSports), Dr. Willibald Walter (Orthopäde), Max Fischer (Moderator), Markus Hodyas (ERGO-FIT), Chang-Hun Jo (InBody), Mareen Weitl (cardioscan) und Dr. Hartmut Wolff (Dr. WOLFF Sports & Prevention GmbH)
Expertentalk: Medical Fitness
Max Fischer: Begriffen wie „präventives
Training“, „gesundheitsorientiertes
Training“ und „Medical Fitness“ begegnet man immer öfter. Was genau ist darunter zu verstehen? Markus Hodyas: Wir definieren das hauptsächlich über die Zielgruppe. Zu uns kommen keine Leute, die einen
Beachbody wollen, sondern solche mit körperlichen Problemen. Dann machen wir nichts anderes, was eigentlich jedes gute Fitnessstudio ausmacht: Wir schauen uns die Probleme an, machen Tests, analysieren, erstellen einen Trainingsplan (...). Für mich ist „Medical Fitness“ einfach ein Begriff, um klarzumachen, dass es hier um das Thema „Gesundheit“ geht. Marc Jonen: Medizinisches Fitnesstraining sehe ich als Schnittstelle zwi-
schen Ärzten, Physiotherapeuten und dem Endverbraucher. Voraussetzung ist, dass ein Training individuell auf die Bedürfnisse der Kunden abgestimmt wird – also ein maßgeschneidertes Trainingsprogramm für unterschiedliche Menschen mit ganz unterschiedlichen Zielen. Dr. Willibald Walter: Wenn ich mir anschaue, wie viel Kommunikation zwischen Arzt und Therapeut über den
Patienten stattfindet, dann ist genau hier der Punkt, wo man ansetzen sollte. (…) Der Austausch muss intensiviert und nachhaltig gefördert werden, denn wir können alle voneinander profitieren. Letzten Endes kommt genau das dem Patienten zugute. Dr. Hartmut Wolff: Die Schnittstelle zwischen Arzt und besonders Physiotherapeut ist nicht immer in idealer Form gegeben, genauso wie die Kooperation von Arzt und Fitnessstudio. (…)
Kooperationen sind nicht einfach – man muss sie über die Zeit aufbauen.
Das sind Dinge, die sich erst entwickeln müssen. Mareen Weitl: „Medical Fitness“ ist nicht bloß ein Marketingbegriff. Wenn „Medical“ draufsteht, muss auch „Medical“ drin sein. Für mich ist es die Verschmelzung eines sportlichen Lebensstils und medizinischer Vorsorge und ist alles andere als klinisch weiß und spaßbefreit. Man sieht hier immer mehr einen Wertewandel: Die
Leute integrieren einen gesunden Lebensstil in ihren Alltag. Das Streben nach Selbstoptimierung rückt von einem „Mehr für mich“ hin zum „Besser für mich“. Diesen Lifestyle können
Studios unterstützen. (…) Chang-Hun Jo: Was wir gesamtgesellschaftlich hervorheben müssen, ist der hohe Beitrag, den Studios generell für die Gesundheit leisten. Ich vermisse gerade in der klassischen
Schulmedizin diese Anerkennung der
Studios – seien es Medical-Anbieter oder herkömmliche Clubs. (…) Für eine gesunde Gesellschaft sind Fitnessstudios unerlässlich. Max Fischer: Dürfen Studios ohne Weiteres die Bezeichnung „Medical“ tragen oder gibt es hierfür bestimmte
Voraussetzungen und Kriterien? Dr. Hartmut Wolff: Ich glaube, dass man hier vorsichtig sein und ganz klar differenzieren muss. „Medizinische Trainingstherapie“ z. B. ist ganz klar definiert. Das Werben mit „medizinischen
Trainingsgeräten“ ist unstrittig; hier ist man rechtlich immer auf der sicheren Seite. Wer aber den Begriff „Medizin“ oder „medizinisch“ einsetzt, muss beachten, dass das Training dann auch tatsächlich medizinisch orientiert ist. Dazu braucht es entsprechendes Fachpersonal. Dr. Willibald Walter: Wir sprechen hier von einer Expertise, die gerade für
Ärzte schwer herauszufinden ist. Wie gut kennt der Fitnesstherapeut den
Patienten und was kann er ihm an medizinischen Leistungen anbieten? (…)
Es gibt hier zahlreiche Schnittstellen, die genutzt werden müssen. Max Fischer: Sind Medical-Fitness-Studios eine bisher unterschätzte Präventivoption zur Vermeidung von Krankheiten? Marc Jonen: Ich finde, dass gerade die
Medical-Studios besondere Voraussetzungen der Gesundheitsprävention erfüllen und sich daher klar abgrenzen müssen. Nicht jede beliebige „Muckibude“ ist auch ein Gesundheitsdienstleister. Es kommt ganz klar auf die Ausbildung der Trainer an, die zusätzliche Qualifikationen und Lizenzen brauchen, um sich überhaupt „Medizinischer Fitnesstrainer“ nennen zu dürfen. (…) Der Endverbraucher muss den Unterschied verstehen zwischen einem normalen und einem
Medical-Studio mit gut geschultem
Personal bzw. Therapeuten. Mareen Weitl: Da stimme ich zu – die
Abgrenzung muss klar gegeben sein.
Studios müssen kommunizieren, dass sie sich mit Krankheiten, mit Prävention und einem gesunden Lebensstil auskennen. (…) Trotzdem darf Medi-
cal Fitness nicht in die Ecke „krank“ gedrängt werden – wer krank ist, geht ins Medical-Studio, alle anderen in ein normales Studio –, sondern sollte sich auch ganz klar im Präventivbereich positionieren. Markus Hodyas: Zu uns kommen nicht nur Leute mit Krankheiten, sondern viele wollen präventiv etwas für ihre
Gesundheit tun. Sie wissen wie wir alle, dass Sport gut für die Gesundheit ist. 80 Prozent meiner Kunden und
Mitglieder würden z. B. gar nicht in ein klassisches Fitnessstudio gehen, weil sie sich dort nicht so gut aufgehoben und betreut fühlen. Max Fischer: Wir haben eine Frage aus dem Publikum: Wie sieht es mit der
Problematik aus, dass ein nicht spezialisierter Facharzt Trainingsempfehlungen gibt? (...) Dr. Willibald Walter: Da kommen wir zu einem großen Problem im deutschen
Gesundheitswesen. (...) Der Allgemeinarzt hat Angst, den Patienten z. B. an den Facharzt für Orthopädie zu verlieren, und schickt ihn erst gar nicht hin.
Dafür verschreibt er Krankengymnastik/Physiotherapie. Aber was macht man in diesen 6 x 20 Minuten? Man kommt so überhaupt nicht in das Bewusstsein des Patienten hinein oder kann ihn in die richtige Richtung bewegen. Da haben weder Therapeuten noch Ärzte eine Chance. Max Fischer: Kann man also sagen, dass die Verzahnung zwischen Ärzten und
Studios einfach besser werden muss? Chang-Hun Jo: Ein ganz klares Ja! Wir haben auf gesundheitlicher Ebene desaströse Zustände in Deutschland:
Über 17 Millionen Menschen haben
Gebrechlichkeitserscheinungen, ca. 40
Prozent aller Todesursachen basieren auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen, viele
Menschen geraten frühzeitig in eine
Pflegeabhängigkeit usw. Die Kooperation mit Ärzten wäre auch dann sehr fruchtbar, wenn sie sehen, dass gesundheitsfördernde Maßnahmen einfach sehr wichtig sind und sich diese über ein Fitnesstraining zum großen
Teil abdecken lassen. Max Fischer: Wie können Medical-Fitness-Angebote in Zukunft aussehen? Mareen Weitl: Ich halte es für einen guten Weg, auf Kooperationen zu setzen.
Je mehr Netzwerkpartner ich vor Ort habe und möglicherweise sogar alle zusammenbringe, am besten noch in einer Einheit, dann habe ich viel gewonnen und kann auch viele Menschen damit abholen. Dr. Hartmut Wolff: Letztendlich geht es um das eigene Netzwerk, das sich Studiobetreiber aufbauen müssen. Während meiner Zeit als Studiobetreiber in den 80ern habe ich z. B. Ärzte kostenlos im Studio trainieren lassen und sie so an die Anlage gebunden. Solche
Ärzte müssen natürlich Training tatsächlich befürworten. Ich kann mir vorstellen, dass die Zukunft für Medical Fitness eine Sporteinrichtung ist, die eine kleine Physioabteilung integriert hat oder umgekehrt. (…) Mareen Weitl: Das eine Paradebeispiel, wie das Centrum der Zukunft aussehen wird, gibt es nicht. Vielleicht ist es ein Standort, der alles miteinander vereint, oder aber ein gutes Netzwerk vor Ort. Vielleicht sind es aber auch digitale Möglichkeiten und verschiedene Tools. (…) Ein wichtiger Schlüssel dabei ist es, Spaß daran zu haben,
Menschen zu einem gesunden Lebensstil zu verhelfen. Max Fischer: Wie kann die Branche mehr
Menschen in die Studios bringen, damit sie etwas für ihre Gesundheit tun? Chang-Hun Jo: Ich glaube, das beginnt beim eigenen Selbstverständnis, die
Rolle und damit auch die Verantwortung eines Gesundheitsdienstleisters anzunehmen. Dazu braucht es nach außen hin eine Positionierung mit klaren Maßnahmen und die Kommunikation an die Endkunden, warum man ein vertrauensvoller Partner für die
Gesunderhaltung ist.
body LIFE-Expertentalk
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Auszug aus dem Expertentalk. Den vollständigen Clip sehen Sie im virtuellen Showroom unter www.bodylife.com/magazin/virtueller-rundgang. Im virtuellen Showroom finden Sie außerdem Informationen zur Industrie und zu weiteren Events der bodyLIFE Medien GmbH.