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Hypnose im Sport
Was kann sie, was nicht?
Einmal in die Hypnose beamen und das Problem ist weg? Um die Hypnose ranken sich viele Mythen – vom Wundermittel für blitzartige Veränderungen über Nacht bis zum gefährlichen Manipulationswerkzeug reichen die Vorstellungen. Beides stimmt nicht.
I
n diesem Beitrag möchte ich die Wirkungsweise von Hypnose in ihren
Grundzügen vorstellen – ganz besonders für Sportler. Was ist Hypnose eigentlich, was versteht man darunter und wie erkennt man einen Anbieter,
der sie qualifiziert anwenden kann? Was lässt
sich mit Hypnose erreichen – und was nicht?
Wie unterscheidet sich die Selbsthypnose von
der klassischen Hypnose? Und wie läuft das
Ganze praktisch ab?
BEGRIFFSERKLÄRUNG
Unter Hypnose versteht man zweierlei: einerseits einen besonderen Bewusstseinszustand,
eine Trance, die sich klar vom wachen Bewusstsein, aber auch vom Schlaf unterscheidet. In
Hypnose lassen sich im Gehirn vermehrt Alpha-Wellen messen, die typisch sind für Entspannung, gelegentlich Gamma-Wellen, die typisch sind für Hochleistungszustände im Flow, sowie Delta-Wellen bei tieferer Trance – einem Zustand ähnlich dem Tiefschlaf, bei dem das Körperempfinden und das bewusste Denken
ausgeschaltet sind. Dieser Zustand wird für medizinische Eingriffe wie Operationen ohne Narkose und in der psychotherapeutischen Behandlung von Zwangserkrankungen genutzt.
Auch zur verbesserten oder beschleunigten Heilung nach Verletzungen oder Operationen kann er hilfreich sein. Im Sport spielt er aber nur
selten eine Rolle.
In Hypnose sind spezifische Bereiche im Gehirn besonders aktiv: der frontale Kortex, der für
Selbststeuerung, Disziplin und Entscheidungsstärke wichtig ist – eine Kontrollinstanz, die
zum Beispiel für Motivation und Trainingsdisziplin eine Rolle spielt. Außerdem der okzipitale
Kortex, der für die visuelle Verarbeitung zuständig ist; das erklärt die intensive Wirkung von
inneren Bildern, die in Hypnose genutzt werden.
Außerdem wird in Hypnose das Default Mode
Network aktiviert, ein neuronales Netzwerk, das Außenreize ausblendet und Selbstreferenz herstellt. In diesem Zustand versteht man sich selbst besser, weiß, was man braucht und wie es zu erreichen ist. Das Innere wird sortiert, Verständnis entsteht, Ziele können leichter und stimmiger getroffen werden, die Motivation wird gestärkt.
Zweitens wird unter Hypnose eine ganze Reihe von Methoden und Techniken verstanden, die genutzt werden, um diese Trance-Zustände herzustellen – und vor allem dann auch so zu nutzen, dass die gewünschten Ziele erreicht werden. Am bekanntesten ist die Arbeit mit direkten Suggestionen, also Arbeitsanweisungen an das Unterbewusstsein (z. B. „Du wirst künftig alle süßen Versuchungen von dir weisen!“), die aber nur einen Bruchteil der möglichen Interventionen darstellen und nur in bestimmten Situationen überhaupt wirksam sind (und in anderen sogar kontraproduktiv sein können). Innere Bilder und Metaphern werden häufig genutzt, darüber hinaus spezifische Sprachmuster, die unbewusste Prozesse in Gang setzen, Gefühle und Gedanken verändern und neue Verhaltensmuster bahnen. Die Arbeit mit Hypnose erfordert ein profundes Wissen über die Psyche, um nicht nur zu wissen, wie man bestimmte Knoten löst, sondern auch, wie man diese findet und in welcher Reihenfolge sie dann zu lösen sind. Damit entspricht die Arbeit mit Hypnose einem klassischen Trainingsaufbau. Was man wann und in welcher Reihenfolge tut, entscheidet über Erfolg oder Misserfolg.
ANWENDUNGSGEBIETE
Menschen sind unterschiedlich gut hypnotisierbar, das heißt, sie kommen unterschiedlich leicht in Trance. Das gilt vor allem für tiefe hypnotische Zustände. Da diese aber in der Praxis selten gebraucht werden, kann fast jeder Hypnose nutzen, egal ob alt oder jung. Leistungssportler, die die Möglichkeiten des Trainings bereits komplett ausloten und bei denen es um die letzten Prozente in der Leistungssteigerung geht, profitieren besonders von der Hypnose. Hobbysportler, die ihre Leistung steigern möchten, haben meist mehr davon, einmal in der Woche zusätzlich zum Training zu gehen oder dieses umzustellen, um die Ergebnisse zu verbessern. Wenn es aber um eine bessere Motivation geht oder die Erholung nach Verletzungen, um mentale Entlastung bei Stress oder
HYPNOSE ERMÖGLICHT:
• Reduktion von Stress und innerer Anspannung
• leichtere Regeneration
• leichteres inneres „Abschalten“ und „Umschalten“
• Verbesserung des Schlafs
• schnellere Heilungsprozesse nach Verletzungen und geringere Komplikationen (z. B. Entzündungen)
• klarere Fokussierung auf sportliche Ziele
• verbesserte Motivation und Trainingsdisziplin
• verbesserte Trainingsleistungen durch das Nutzen von inneren Bildern und Vorstellungen
• mehr Biss und Entschlossenheit in Wettkampfsituationen
• die Möglichkeit, technische Details und Bewegungsabläufe mental einzuüben, um sie schneller zu automatisieren
• schnellere Reaktionszeiten durch aktives Nutzen von
Zeitverzerrungsphänomenen, da die innere Zeit in Hypnose anders abläuft als die äußere
• veränderte Schmerzwahrnehmung
• Einüben von Hochleistungszuständen und Flows, um diese in Wettkämpfen abrufbar zu machen
• Auffinden von inneren Ressourcen, die bisher unbekannt waren
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• Veränderung des Mindsets auch bei tief liegenden Blockaden
• verbesserte Verhaltenskontrolle
• klassische psychologische Aufgabenstellungen, z. B. das Beseitigen von Flugangst
starken Belastungen, ist Hypnose ein gutes Mittel für schnelle Veränderungen. Denn in der Regel sind schon nach der ersten Anwendung positive Effekte zu spüren und zu beobachten. Lediglich bei einigen schweren psychiatrischen Erkrankungen ist die Hypnose kontrainduziert. Anwender sollten sich also gut auskennen.
DURCHFÜHRUNG
Was genau passiert nun aber, wenn jemand zu einer Hypnosesitzung kommt? In der Regel wird erst einmal in Ruhe geklärt, was genau erreicht werden soll. Geht es um eine bessere Performance, darum, eine Leistung auf den Punkt abzurufen? Bessere Trainingserfolge? Mehr Motivation? Entlastung, Regeneration oder Erholung? Wichtig sind auch die Persönlichkeit und die verfügba-
re Zeit zum Beispiel für das Training von Selbsthypnose. Tests zeigen, über welche Bereiche der Wahrnehmung jemand besonders leicht ansprechbar ist und ob er leicht oder schwerer hypnotisierbar ist. Dann wird über das konkrete Vorgehen entschieden. In der Regel wird nun auch schon die erste Hypnose eingeleitet. Es kann sein, dass das eine Trainingshypnose ist, in der Trance erlebt und genossen wird. Oder der Klient erhält eine Hypnoseanleitung als Audio-Datei, mit der er zu Hause regelmäßig üben kann. Oder es wird mit einer sogenannten Wach-Aktiv-Trance gearbeitet. Bei dieser wird die Trance mit offenen Augen eingeleitet – teilweise „nebenbei“ im Gespräch. Ein erfahrener Hypnotherapeut erkennt äußere Trancemerkmale und nutzt sie für das „Einschleusen“ von hilfreichen Bildern, Denkanregungen oder Suggestionen. In manchen Situationen startet man auch mit dem Training von Selbsthypnose – zum Beispiel, wenn ein Sportler diese während seiner Vorbereitung aktiv und variabel nutzen möchte. Die Hypnose an sich dauert dabei zwischen wenigen Minuten und einer halben Stunde.
DER THERAPEUT
Woran erkennt man einen guten Hypnosetherapeuten oder Sporthypnotiseur? Frage explizit nach der Dauer der Ausbildung in Hypnosetherapie. Da Hypnose kein geschütztes Verfahren ist, dürfen sogar Menschen sie anbieten, die überhaupt keine Ausbildung besitzen. Und wer sich nur in ein paar Wochenendseminaren fortgebildet hat, kann zwar eine Trance einleiten und Suggestionen aussprechen, aber keine wirklich professionelle Unterstützung geben; im schlimmsten Fall schadet die Hypnose dann sogar. Profis sind in der Regel Psychologen, Sportpsychologen oder erfahrene Coaches. Außerdem sollte der Profi neben der Hypnose auch weitere Coaching- oder Therapieverfahren beherrschen, um der Komplexität der menschlichen Psyche adäquat zu begegnen. So kann er jeweils die Methode auswählen, die für das aktuelle Anliegen am besten geeignet ist. Das variiert von Situation zu Situation und von Mensch zu Mensch. Denn nicht selten verbirgt sich hinter einem Problem ein anderes als angenommen, mit dem man sich dann auch auskennen sollte – so, wie auch ein guter Fitnesstrainer verschiedene Trainingsansätze kennen sollte, um den jeweils individuell besten zu finden.
BUCHTIPP
Heike Henkel und Anke Precht: Entfessle dich. Wie du aus dir machst, was in dir steckt. BusinessVillage, 2018. 232 Seiten, 24,95 Euro
Experten kombinieren die Methoden häufig sogar, was die Wirksamkeit noch erhöht. So können häufig in kürzester Zeit weitreichende Veränderungen erreicht werden, z. B. ein paar Tage vor einem Wettkampf das Trauma durch die Verletzung im vergangenen Jahr lösen, das Spannungslevel bei einer bestimmten sportlichen Leistung, zum Beispiel einem Aufschlag im Volleyball, optimal einstellen, das Körpergefühl verbessern, um genauer zu spüren, welche Belastung beim Training richtig ist, oder auch das Essverhalten positiv beeinflussen, damit eine beabsichtigte Verbesserung der Figur auch klappt.
FAZIT
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Hypnose kann Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen unterstützen. Sie beschleunigt die mentale Entwicklung und stärkt das Selbstbewusstsein. Und manchmal ermöglicht sie sogar Quantensprünge, die ohne Hypnose nur schwer möglich gewesen wären. W
ANKE PRECHT
ist Diplom-Psychologin, Sportpsychologin und Expertin für Sporthypnose. Hypnose praktiziert sie seit über 20 Jahren. Seit 2005 arbeitet sie mit Einzelsportlern und Teams von Kickboxen über Volleyball, Fußball, Reitsport bis zu Tennis und Kraftsport und hat mit ihnen bereits zahlreiche nationale und internationale Erfolge gefeiert. Sie ist außerdem Autorin mehrerer Bücher.
www.ankeprecht.de