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Stresstests
die verletzte Struktur zu entlasten. Normalerweise löst der Körper eine solche Kompensation nach der Ausheilung einer Verletzung von allein wieder auf. Manchmal besteht sie jedoch fort und bleibt jahrelang unentdeckt. Oftmals ist dies der Fall, weil die Belastung einfach nicht groß genug ist. Dies ist auch meine persönliche Kritik an Assessment-Tools wie dem FMS: Es fehlt die nötige Intensität, um Kompensationsmuster zuverlässig offenzulegen. Darum möchte ich nachfolgend eine Ergänzung vorschlagen: Stresstests.
STRESSTESTS
Bei Stresstests ist der Name Programm. Wir wollen den Trainee intensiv belasten, um Kompensationen schonungslos offenzulegen. Theoretisch lässt sich jede Bewegung dafür nutzen. Um dem Standardisierungsproblem vieler Assessment-Konzepte entgegenzuwirken, ließe sich auch einfach eine Bewegung auswählen, die dem Trainee wichtig ist. An dieser Stelle konzentrieren wir uns jedoch auf den Overhead-Stresstests. Dazu nimmt ein männlicher Trainee eine 20 kg schwere Scheibe, ein weiblicher eine 10 oder 15 kg schwere Scheibe. Diese wird für 60 bis 90 Sekunden über dem Kopf gehalten. In vielen Fällen passiert nun Folgendes: Am Anfang wird die Position gut aussehen. Je länger die Belastung aber wirkt, umso mehr zeigen sich Kompensationen. Die Belastung verlagert sich hin zu den starken und weg von den schwachen Muskeln. Gegen Ende der Belastung kann sich die Position grundlegend verändert haben. Es lohnt sich, diesen Ablauf zu filmen, um den Unterschied hinterher erkennen zu können. So lässt sich beispielsweise erkennen, wie eine Schulter mehr und mehr in Elevation geht. Oder du siehst, wie das Gewicht insgesamt zu einer Seite verlagert wird. Vielleicht offenbart sich aber auch eine Rötung der Haut über dem kompletten Trapezius. Manchmal siehst du auch, wie einige Muskeln zittern. Dies würde auf eine suboptimale neuronale Ansteuerung hindeuten. Das Wichtigste an dieser Stelle: nicht bewerten! Wir wollen nur beobachten. Wenn wir nichts sehen, ist das auch völlig in Ordnung! Hat der Trainierende die Scheibe abgelegt, lässt sich darüber hinaus sehr leicht erkennen, welche Muskeln wie arbeiten: Zum einen wird die bevorzugte Muskulatur vom vermehrten Blutfluss gerötet sein, zum anderen sind diese Muskeln durch den Blutfluss aufgepumpt. Optimale Lichtverhältnisse machen das Erkennen deutlich leichter.
EINORDNUNG DER ERGEBNISSE
Wie bei anderen Assessment-Konzepten, so darf man auch bei Stresstests einzelne Kompensationen nicht überbewerten. Die Ergebnisse müssen immer in einen vernünftigen Kontext gesetzt werden, sonst sind sie nicht aussagekräftig. Denn nur weil Kompensationen auftreten, heißt das nicht, dass diese auch relevant sind. Darum müssen immer andere Faktoren miteinbezogen werden. Gibt es gerade Beschwerden? Was ist das Ziel des Trainees? Aus welcher Sportart kommt er? Wenn er vorher z. B. einen unilateral dominanten Sport gemacht hat und nun zu einem bilateralen Sport wie Krafttraining wechselt, könnte es unter Umständen Probleme geben. Andererseits können Ungleichgewichte auch völlig normal sein, beispielsweise bei einem Judoka, der in seinem Sport immer mit einer Hand zieht und mit einer Hand schiebt – dann wird der Overhead-Stresstest grundsätzlich schief aussehen.
FAZIT
Wie bereits erwähnt, eignen sich viele Bewegungen für Stresstests. Theoretisch könnten auch die grundlegenden Bewegungsmuster aus dem FMS mit ausreichend Last und/ oder Dauer stressen und Kompensationen zeigen. Der hier vorgestellte Overhead-Stresstest ist nur eine Möglichkeit von vielen, um unter relativen sicheren Umständen eine ausreichend große Belastung wirken zu lassen. W
OVERHEADSTRESSTEST
Testanfang
Das Gewicht wird über dem Kopf gehalten. Ein geschultes Auge könnte Kompensationen erkennen, aber sie sind noch nicht so offensichtlich.
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Testende nach 2 Minuten
Der rechte Arm ist mehr gebeugt. Dies könnte auf eine feh-
lende Beweglichkeit im Bizeps
hindeuten. Das Gewicht wird insgesamt mehr nach rechts verlagert, vielleicht um eine Struktur auf der linken Körperseite zu entlasten. Der mittlere Trapezius sticht deutlich hervor. Jedoch wirkt der M. teres major auf beiden Seiten unterentwickelt.
Gegen Ende des Tests ist auch zu erkennen, wie der mittlere Rücken aufgepumpter ist. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Überkopfposition anstrengend wurde oder die Rumpfmuskulatur ermüdet ist.
Im Anschluss an diesen Test bietet es sich an, alle genannten Strukturen genauer zu überprüfen.