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Kollegen sind auch nur Menschen – Lernen, mit ihnen auszukommen

Text Anne Papenfuß

In einem Unternehmen arbeiten viele unterschiedliche Charaktere zusammen an einem Ort. Verschiedene Eigenschaften, Ideen, Meinungen und Eigenarten stoßen somit aufeinander. Da liegt es auf der Hand, dass ein gewisses Konfliktpotenzial herrscht. Nicht jede Meinung wird von allen geteilt und gewisse Charaktereigenschaften können Streitigkeiten verursachen.

Die Mitarbeiter haben das Gefühl, sich nur mit bestimmten Kollegen zu verstehen und nicht mit jedem arbeiten zu können. Diese Denkweise zu ändern lohnt sich, denn ein Umgang mit unterschiedlichen Charakteren lässt sich erlernen und sorgt nicht nur für ein konstruktiveres Arbeitsklima, sondern auch für ein persönliches Wachstum.

Jeder Mensch, der in einem Unternehmen mit verschiedenen Menschen zusammenarbeitet, kennt das Problem, dass er vielleicht nicht mit jedem Kollegen gut auskommt. Es kann die Arbeitsweise oder auch eine bestimmte Charaktereigenschaft eines Kollegen sein, die uns stören und zu Konflikten führt. Wir glauben, dass wir eben nicht mit jedem Charakter auskommen, und interagieren lieber mit den Menschen, mit denen wir uns von Anfang an gut verstehen. Diese Denkweise ist allerdings ein Irrglaube, denn nicht die Charaktereigenschaften entscheiden, mit wem wir zusammenarbeiten können und mit wem wir uns verstehen, sondern die persönliche Reife von uns und unserem Gegenüber.

Der persönliche Reifegrad beschreibt den Fortschritt in der Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen. Die Persönlichkeitsentwicklung beruht auf drei Säulen: Selbsterkenntnis, Selbstveränderung und Selbstakzeptanz. An der eigenen Persönlichkeit zu arbeiten heißt, die Fähigkeit zu besitzen, sich selbst zu reflektieren, seine Eigenarten zu kennen und Verantwortung dafür zu übernehmen. Durch Persönlichkeitsentwicklung kann das Selbstwertgefühl gesteigert sowie Unabhängigkeit und eine größere Handlungsfreiheit im Privat- sowie Arbeitsleben erlangt werden. Einen Fortschritt im persönlichen Reifegrad sieht man nicht nur an der Selbstreflexion, sondern auch daran, ob die Person in der Lage ist, Konflikte zu lösen und konstruktives Feedback zu geben.

Die Basis für eine gute Zusammenarbeit schaffen Wenn uns ein Arbeitskollege nervt und stört, kann es daran liegen, dass diese Person durch ihre Aussagen oder Handlungen gewisse Punkte in uns triggert, derer wir uns nicht bewusst sind. So sprechen Sie unbewusst etwas an, das uns Unbehagen bereitet oder sogar sauer macht. Ein beliebtes Beispiel ist eine kritische Stimme eines Elternteils aus der Kindheit, die verinnerlicht wurde und uns an einen Konflikt erinnert. Wenn ein Kollege uns an diese Stimme erinnert, führt es dazu, dass wir diese Person vielleicht nicht so gut leiden können und diese banale Aussage sogar Streit verursacht. Dieser Zusammenhang ist

uns meistens nicht bewusst und bringt uns dazu, schnell zu urteilen. Durch solche Situationen können wir jedoch wachsen, denn wenn wir merken, dass uns gewisse Aussagen oder Handlungen eines anderen derart triggern, sollten wir versuchen, uns dessen bewusst zu werden, und im besten Fall daran arbeiten. Die folgenden fünf Tipps können helfen, die Kollegen besser zu verstehen, eine Bindung zu ihnen aufzubauen und somit eine gute Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu schaffen.

Die richtige Einstellung Wenn wir die Erfahrung machen, dass ein Kollege unsere Ideen kritisiert, dürfen wir das nicht auf uns beziehen und es persönlich nehmen. Üblicherweise ist die Intention eines jeden Menschen eine Gute, denn jeder Mensch versucht Schaden und Schmerz zu vermeiden und Freude und Glück zu erhöhen. Somit können wir erst einmal davon ausgehen, dass die Verhaltensweisen unserer Kollegen nichts mit uns persönlich zu tun haben. Anstatt uns angegriffen zu fühlen, sollten wir also überlegen, was diese Person durch ihre Verhaltensweise damit für sich selbst erreichen möchte. Vielleicht möchte sie nur sichergehen, dass das Projekt ein voller Erfolg wird, und durch die Kritik eine Überarbeitung des Projektes erreichen. Durch diese Arten von Betrachtung können wir emotional aufgeladene Diskussionen vermeiden und eine offene und verständnisvolle Atmosphäre schaffen. Optimalerweise kann auch direkt beim Gegenüber nachgeEs kann die Arbeitsweise oder auch eine Charaktereigenschaft eines Kollegen sein, die uns stört oder sogar zu einem Konflikt führt

fragt werden, was das Ziel beziehungsweise die Motivation ist, und somit eine offene Kommunikation erzeugt und Missverständnisse vermieden werden.

Offenheit statt Verurteilung Wir sollten auch im Umgang mit den Ideen und Meinungen unserer Kollegen offen und aufgeschlossen sein und sie nicht anhand dessen beurteilen. Der Standpunkt einer Person sollte immer unabhängig von ihrer Persönlichkeit betrachtet werden. Nur weil die Person eine andere Meinung hat, ist diese Person nicht gut oder schlecht. Jeder Mensch ist individuell, hat eigene Ideen und Wünsche und unterschiedliche Charaktereigenschaften. Dass dies nicht jedem gefallen kann, ist verständlich und auch richtig so. Nur so können wertvolle Diskussionen und Anregungen entstehen, die sonst nicht stattfinden würden. Die Kollegen sollten weiterhin als ganze Person angenommen und geschätzt werden. Hierfür ist eine Trennung von der Sach- und Beziehungsebene sehr wichtig. Äußerungen, die auf der Sachebene getroffen werden, sollten auf der Beziehungsebene nicht als Kritik an der anderen Person verstanden werden.

Grundregeln der Kommunikation Kommunikationsprobleme und Missverständnisse sind oft Auslöser für zwischenmenschliche Probleme und

Proaktiv auf unsere Kollegen zuzugehen und in Eigenverantwortung zu treten hilft, die Beziehung zu stärken und Missverständnisse zu vermeiden

können zu einem angespannten Arbeitsklima führen. Doch mit einigen Grundregeln für einen gelungenen Austausch und konstruktives Feedback können diese Probleme in der Zukunft vermieden werden. Eine der wichtigsten Grundregeln lautet: Treffen Sie Ich-Aussagen anstatt wertender Aussagen. Durch Ich-Aussagen, wie „Ich würde mich freuen, wenn …“, beschuldigen Sie Ihr Gegenüber nicht und bringen zum Ausdruck, wie es Ihnen mit der Situation geht. Ebenso ist es hilfreich, von Verallgemeinerungen abzusehen, denn übertriebene Aussagen wie „Du bist

immer …“ führen zu Abwehrreaktionen und das Gegenüber verschließt sich. Das Stichwort ist das konkrete Formulieren des Anliegens. Es sollte klar sein, auf welche Situation sich das Feedback bezieht. Dabei sollte nur die aktuelle Situation betrachtet werden und nicht noch ein Beispiel aus vergangenen Situationen hinzugezogen werden. Für die Problemlösung ist es wichtig, offen für andere Perspektiven zu sein, aufmerksam zuzuhören und bei Unklarheiten nachzufragen. Die Lösung für das Problem wird am besten gemeinsam gefunden, um die weitere Beziehung zu stärken und Missverständnisse in der Zukunft zu vermeiden.

Aktiv Verantwortung übernehmen Egal um welches Problem es sich handelt, jeder kann aktiv etwas dafür tun, dass sich das Verhältnis zu den Kollegen verbessert. Eine innere bewusste Haltung ist in allen Lebensbereichen hilfreich, um sich selbst in die Lage eines Akteurs zu versetzen, anstatt passiv darauf zu warten, dass sich etwas ändert. Mit den bereits genannten Tipps, wie die richtige Einstellung zu haben,

weniger zu beurteilen und konstruktives Feedback zu geben, kann jeder in die Eigenverantwortung treten. Wenn sich jemand trotz dieser Tipps noch von anderen getriggert fühlt, sollte noch mal genau hingeschaut werden, welchen Eigenanteil diese Person an der Situation hat und wie dieses Problem gelöst werden kann. Aktiv freundlich und offen zu seinen Kollegen sein wirkt manchmal Wunder und kann dazu führen, dass es erst gar keine Ungereimtheiten gibt und sogar bestehende Kommunikationsprobleme gelöst werden können. Maßnahmen für ein unreifes Gegenüber Wenn alle Grundregeln beachtet wurden und dennoch kein gutes Verhältnis zu den Kollegen aufgebaut werden kann, liegt es wahrscheinlich an einem unreifen Gegenüber. Wenn dieser Fall besteht, gibt es verschiedene Herangehensweisen zwischen denen gewählt werden kann. Eine Möglichkeit wäre es, den Kontakt zu der Person zu minimieren oder sogar aktiv zu vermeiden. Falls dies durch gemeinsame Zusammenarbeit an einem Projekt nicht möglich ist, kann es auch hilfreich sein, das Team zu wechseln oder das Projekt mit anderen Kollegen zu bearbeiten. Eine weitere Möglichkeit wäre eine dritte Person, die als Vermittler fungiert. Diese Person könnte versuchen, den Druck aus der Situation zu nehmen. Jedoch sollte sie nicht selbst in der Schusslinie stehen und in die Streitigkeiten involviert werden. Wenn diese zwei Möglichkeiten nicht helfen, könnte ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorgesetzten oder dem Betriebsrat sinnvoll sein. Auch wenn dieser Schritt etwas mehr Mut erfordert, kann er vor allem bei Mobbing oder extremem Stress eine große Unterstützung sein. Eine Perspektive von außen kann oft die Probleme besser identifizieren und im besten Fall zu einer konstruktiveren Zusammenarbeit verhelfen.

Offen sein für Vielfältigkeit Wenn wir mit unterschiedlichen Persönlichkeiten in einem Team zusammenarbeiten, können Konflikte nicht ausgeschlossen werden. Das hört sich erst einmal riskant an, doch die Unternehmen und Mitarbeiter profitieren deutlich von heterogenen Teams, denn die vielfältigen Perspektiven, Stärken und Eigenarten sind Voraussetzung für die Entwicklung und das Gelingen von spannenden Projekten. Einseitigkeit unter Mitarbeitern verringert diese Chance, denn jedes gute Team braucht mutige Visionäre genauso wie detailorientierte Realisten. Für die eigene Persönlichkeitsentwicklung ist es ebenfalls von großer Bedeutung mit vielen verschiedenen Charakteren zu interagieren und zu arbeiten. Jede Begegnung lehrt uns einen konstruktiven Umgang mit anderen, erweitert unseren Horizont und schenkt uns die Möglichkeit, unseren persönlichen Reifegrad zu erhöhen.

Es ist wichtig, offen für andere Perspektiven zu sein, aufmerksam zuzuhören und bei Unklarheiten nachzufragen

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