Anlass: Nachlass Kompendium zum Umgang mit Künstlernachlässen
BBK-Bundesverband (Hg.)
ATHENA
IMPRESSUM
Anlass: Nachlass Kompendium zum Umgang mit Künstlernachlässen
Herausgeber Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler
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Bundesgeschäftsstelle: Mohrenstraße 63, 10117 Berlin
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Büro Bonn: Weberstraße 61, 53113 Bonn
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Projektleitung | Redaktion
Werner Schaub
Redaktionelle Betreuung
Andrea Gysi
Redaktionsassistenz
Peggy Blankenburg, Bettina Knop
Kompetenzteam
Annemarie Helmer-Heichele, Erhard Kalina,
André Kestel, Benjamin Schubert,
Priska Streit, Ulla Windheuser-Schwarz
Layout und Satz
Petra Gieler
Titel
Dieter Horký, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015
Erscheinungsdatum
1. Auflage November 2015
Herstellung
Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe (Saale)
Auflage
3.000
ISBN
978-3-89896-616-0
Verlag
ATHENA-Verlag
Mellinghofer Straße 126, 46047 Oberhausen
Gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien auf Grund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages
Impressum__2
Inhaltsverzeichnis Impressum
2
3
Grußwort Prof. Monika Grütters MdB, Staatsministerin für Kultur und Medien
8
Vorbemerkung Werner Schaub, BBK-Bundesvorsitzender und Projektleiter
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Inhaltsverzeichnis
1 STATISTISCHE ERFASSUNG Expertise zur Umfrage des BBK zur Praxis der Bewahrung von Künstlernachlässen (April/Mai 2015) Werner Schaub 1.1 Ermittlung der Grundgesamtheit für die Umfrage 1.2 Ergebnisse zu den einzelnen Fragen 1.2.1 Seit wann besteht die Initiative/Einrichtung? 1.2.2 Welche Rechtsform hat die Initiative/Einrichtung? 1.2.3 In welchem Bundesland ist die Initiative/Einrichtung angesiedelt? 1.2.4 Wie wird die Initiative/Einrichtung finanziert? 1.2.5 Wie sind die räumlichen Gegebenheiten der Nachlassbewahrung beschaffen? 1.2.6 Welche Arten von Kunstwerken werden aufbewahrt? 1.2.7 Wie viele Nachlässe werden derzeit von der Initiative/Einrichtung aufbewahrt? 1.2.8 Bewahrt die Initiative/Einrichtung komplette Künstlernachlässe auf? 1.2.9 In welcher Weise wird eine Entscheidung herbeigeführt, welche Künstlernachlässe aufgenommen werden? 1.2.10 Erwartet die Initiative/Einrichtung bei der Übernahme eines Nachlasses das Vorliegen eines Werkverzeichnisses? 1.2.11 Wie ist von der Initiative geregelt, wer Eigentümer der Künstlernachlässe ist? 1.2.12 Hat die Öffentlichkeit Zugang zu den bewahrten Künstlernachlässen? Und wenn ja, in welcher Weise? 1.3 Fazit 2 BEISPIELE DER BEWAHRUNG VON KÜNSTLERNACHLÄSSEN 2.1 Initiativen und besondere Einrichtungen 2.1.1 Initiativen Bonn | Stiftung Rheinisches Archiv für Künstlernachlässe Darmstadt | Kunst Archiv Darmstadt e. V. Dresden | Dresdner Arbeitsgruppe »Künstlerische Vor- und Nachlässe« im LBK Sachsen Hamburg | Forum für Künstlernachlässe e. V. Leipzig | Vor- und Nachlasspflege beim BBK Leipzig e. V. Mannheim | Künstlernachlässe Mannheim
3__Inhaltsverzeichnis
10 11 11 12 13 14 15 15 16 16 16 17 17 18
20 23 26 29 32 34
Inhaltsverzeichnis Potsdam | Mobiler-Nachlass-Service Saarlouis | Institut für aktuelle Kunst im Saarland Stuttgart | Künstlerbund Baden-Württemberg Wiesbaden | Kunstarche Wiesbaden
2.1.2 Besondere Einrichtungen Berlin | Archiv der Akademie der Künste Brauweiler | Archiv für Künstlernachlässe der Stiftung Kunstfonds Nürnberg | Deutsches Kunstarchiv Beeskow | Kunstarchiv Beeskow 2.2 Museen und entsprechende Einrichtungen Aschaffenburg | Museen der Stadt Aschaffenburg Bamberg | Museen der Stadt Bamberg
37 40 43 45
47 51 54 57
60 61
62 64 66 68 69 71 74 76 78 79 81
82 84 85 87 89 91 93 94 95 97 98
Bernburg | Museum Schloss Bernburg Biberach | Museum Biberach Bremen | Zentrum für Künstlerpublikationen in der Weserburg Dresden | Kupferstich-Kabinett Dresden Halberstadt | Gleimhaus Halberstadt Hannover | Wilhelm Busch - Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst Potsdam | Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte Schweinfurt | Museen und Galerien der Stadt Schweinfurt Stuttgart | Staatsgalerie Stuttgart Wiesbaden | Museum Wiesbaden Zittau | Städtische Museen Zittau 2.3 Stiftungen Altenburg | Stiftung Gerhard Altenbourg Altenkirchen | Stiftung Kultur im Kreis Altenkirchen Chemnitz | Stiftung Carlfriedrich Claus-Archiv Hünxe | Otto-Pankok-Stiftung Ingolstadt | Stiftung für Konkrete Kunst und Design Kiel | Domarus-Archiv der Sparkassenstiftung Schleswig-Holstein Kirn | Stiftungen der Stadt Kirn Lüneburg | Sparkassenstiftung Lüneburg München | Magda Bittner-Simmet Stiftung Nürtingen | Fritz und Hildegard Ruoff Stiftung Pforzheim | Kunsthaus 19/21
Inhaltsverzeichnis__4
Inhaltsverzeichnis 2.4 Vereine Darmstadt | Kulturinstitut Atelierhaus Vahle Dresden | Freie Akademie Kunst + Bau e. V. Ludwigslust | Kunst- und Kulturverein Ludwigslust e. V. Rauenhahn | Rota Blanck e. V. Ribnitz-Damgarten | Kunstverein Ribnitz-Damgarten e. V.
99 100 102 103 104
2.5 Weitere Einrichtungen Duisburg | Du/Art Archiv-Galerie-Atelier Leer | Kunsthaus Leer Osterholz | Kreisarchiv Osterholz Putbus/Rügen | Private Initiative
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RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN UND BESONDERHEITEN Prof. Dr. Gerhard Pfennig 3.1 Vorbemerkungen
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3.2 Stiftungen: Rechtliche Voraussetzungen und Wirkungen 3.2.1 Einführung 3.2.2 Die rechtsfähige privatrechtliche Stiftung 3.2.3 Die unselbstständige Stiftung – Treuhandstiftung 3.2.4 Verbrauchsstiftung 3.2.5 Der »Verein« als Stiftung – sonstige Organisationsformen einer Stiftung 3.2.6 Gemeinnützigkeit von Stiftungen und Vereinen 3.2.7 Steuerliche Auswirkungen: Stiftungen zu Lebzeiten und im Todesfall des Stifters 3.2.8 Steuererleichterungen bei Zuwendungen an Stiftungen 3.2.9 Besonderheiten bei der Vererbung von Urheberrechten 3.2.10 Fortsetzung des Künstlerunternehmens über den Tod hinaus
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3.3 Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer 3.3.1 Einführung 3.3.2 Erbschaftssteuerbefreiung bei Kunstwerken 3.3.3 Verrechnung von Steuerschulden mit Kunstwerken
122 123 123
3.4 Sponsoring im Kulturbereich 3.4.1 Einführung 3.4.2 Dezente Werbung: Kultureinrichtung bleibt steuerfrei 3.4.3 Die öffentliche Hand in der Pflicht
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3 KÜNSTLERNACHLÄSSE SICHERN –
5__Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
3.5 Urheberrecht 3.5.1 Einführung 3.5.2 Urheberpersönlichkeitsrechte 3.5.2.1 Das Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG) 3.5.2.2 Das Urhebernennungsrecht (§13 UrhG) 3.5.2.3 Verbot der Entstellung eines Werkes (§14 UrhG) 3.5.2.4 Zerstörung von Werken 3.5.3 Nutzungs- und Verwertungsrechte 3.5.3.1 Reproduktionsrecht 3.5.3.2 Recht der öffentlichen Zugänglichmachung 3.5.4 Sonstige Rechte und Vergütungsansprüche 3.5.5 Verwaiste Werke 3.5.6 Verwaltung von Urheberrechten
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3.6 Die Qual der Wahl: Verwaltung und Förderung von Künstlernachlässen
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4 INDIVIDUELLE VORSORGE DURCH KÜNSTLERINNEN UND KÜNSTLER »... es gibt keine universellen Lösungen für Künstlernachlässe.« Frank Michael Zeidler
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5 KÜNSTLERSTIFTUNGEN IN DEUTSCHLAND Grundlagenrecherche zur Erfassung der Stiftungen im Bereich Bildende Kunst mit Fokus auf künstlerische Nachlässe Lee Negris 5.1 Einführung in den Kontext
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5.2 Entstehung der Recherche 5.2.1 Überblick zur Vorlage der Erfassung 5.2.2 Archive und Datenbanken 5.2.3 Prozess der Erfassung: Aufbau und Vorgehensweise
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5.3 Recherche-Fragen und quantitative Ergebnisse mit Fokus auf Nachlässe 5.3.1 Nachlass oder schon Vorlass? Aufteilung der Stiftungen nach Bestand 5.3.2 Initiierung und Gründung: Aufteilung der Stiftungen nach Gründern 5.3.3 Öffentlicher und wissenschaftlicher Zugang zum Nachlass
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3.5.6.1 Die Rolle der VG Bild-Kunst 3.5.6.2 Agenturen 3.5.6.3 Urhebervertragsrecht
Inhaltsverzeichnis__6
Inhaltsverzeichnis
5.3.4 Geographische Verteilung der Nachlassstiftungen: Anzahl der Stiftungsgründungen nach Bundesland 5.3.5 Zeitliche Aufteilung: Anzahl der gegründeten Stiftungen in den ausgewählten Zeiträumen vor 1980, 1980-1990, 1991-1999, nach 2000
146
146
5.4. Schlussbetrachtung
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6 ANHANG 6.1 Checklisten – Musterverträge – beispielhafte Satzungen 6.1.1 Bestandteile eines Werkverzeichnisses 6.1.2 Private rechtsfähige Stiftung 6.1.2.1 Muster für die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung 6.1.2.2 Muster für die Errichtung einer rechtsfähigen Stiftung durch Testament 6.1.3 Unselbstständige Stiftung/Treuhandstiftung
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6.1.3.1 Muster eines Zustiftungsvertrags der Stiftung Kunstfonds 6.1.4 Beispielhafte Satzungen 6.1.4.1 Satzung der Stiftung Kunstfonds 6.1.4.2 Beispiel für die (Vereins-)Satzung einer Nachlassinitiative: Satzung des Vereins »Forum für Künstlernachlässe e. V.« in Hamburg
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6.2 Bibliografie
170
6.3 Adressen 6.3.1 Initiativen 6.3.2 Besondere Einrichtungen 6.3.3 Künstlerstiftungen in Deutschland 6.3.4 BBK-Verbände
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6.4 Autoren
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7__Inhaltsverzeichnis
Grußwort
Grußwort von Staatsministerin Prof. Monika Grütters MdB
Wie ein Land mit seinem kulturellen Erbe umgeht, sagt viel über die Verfasstheit einer Demokratie und das Selbstverständnis einer Nation. In Deutschland ist es ein zentrales kulturpolitisches Anliegen der Bundesregierung, kulturelles Erbe zu erschließen, zu schützen und zu erhalten. Teil dieses Erbes sind auch die Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern aller Sparten. Doch während die Nachlässe etwa der Schriftstellerinnen und Schriftsteller seit Gründung des ersten deutschen Literaturarchivs in Weimar Ende des 19. Jahr hunderts Aufnahme in ein dichtes Netz nationaler, regionaler und lokaler, staatlicher wie teilweise auch privater Archive finden, ist der Umgang mit Nachlässen Bildender Künstlerinnen und Künstler erst in jüngerer Zeit zu einem kulturpolitischen Thema geworden. Diese Nachlässe sind komplexer und vielfach raumgreifender, da sie sowohl Kunstwerke aller Art als auch Dokumente wie Schriftwechsel, Ausstellungskataloge und Aufzeichnungen umfassen. Bisher gibt es keine zusammenfassende Darstellung zur aktuellen Situation der Sicherung, Erhaltung und Erschließung von Künstlernachlässen in Deutschland. Sowohl die Gründung
etlicher regionaler – hier und da auch überregional in Erscheinung tretender – Initiativen in den letzten Jahren als auch die zunehmende Zahl der Anfragen nach staatlicher, vor allem finanzieller Unterstützung sind Indizien für ein verändertes Problembewusstsein auf Seiten der Künstlerinnen und Künstler wie der Museen. Angesichts der kulturpolitischen Bedeutung des Themas unterstütze ich die Initiative des BBK, einen »state of the art« zu erarbeiten und als Publikation zu veröffentlichen. Das vorliegende Kompendium ist eine solide Grundlage für zukünftige, nicht nur fachwissenschaftli che, sondern auch kulturpolitische Diskussionen über den Umgang mit Künstlernachlässen. Es gibt auch Künstlerinnen und Künstlern vielfältige Anregungen und konkrete Hilfen, wenn diese sich zu Lebzeiten über das Gedanken machen, was einmal ihr Nachlass sein wird. Für diese Leistung danke ich dem BBK und den Autorinnen und Autoren herzlich und wünsche der Publikation viele interessierte Leserinnen und Leser. Prof. Monika Grütters MdB Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin
Grußwort__8
Vorbemerkung
In der öffentlichen Wahrnehmung unseres kulturellen Erbes wird ein Aspekt deutlich nachrangig behandelt: Nachgelassene Lebenswerke von Bildenden Künstle rinnen und Künstlern scheinen nur selten erhaltenswert für die Nachwelt, obwohl auch solche Hinterlassenschaften dem kulturellen Erbe zuzuordnen sind. Während es für den Erhalt von Baudenkmälern eine eigene, bundesweit aufgestellte öffentliche Behörde gibt, die den sorgsamen Umgang mit entsprechenden Objekten kontrolliert, gibt es für die Beschäftigung mit künstlerischen Nachlässen nichts dergleichen. Einerseits ist das natürlich nachvollziehbar. Denn es ist unrealistisch, sämtliche Nachlässe künstlerischer Lebenswerke aufbewahren zu wollen – dies würde alle Kapazitäten sprengen, daher versteht sich eine Selektion von selbst. Zudem sind solche Werke oft verstreut in verschiedenen Museen zu finden oder bei privaten Sammlern deponiert – dies gilt vor allem für Werke sehr bekannter, arrivierter Künstlerpersönlichkeiten. Andererseits aber zeigt uns ein Blick in die Kunstgeschichte, dass die Bewertung künstlerischer Arbeit einem durchaus dynamischen Prozess unterworfen ist, dass also die Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern, die zu deren Lebzeiten wenig Beachtung fand, von späteren Generationen ganz anders bewertet werden kann. Nicht selten landen solche Nachlässe auf Müllhalden, wenn die Erben nichts damit anfangen können oder überfordert sind und ihre Anfrage beim nächsten Museum abschlägig beschieden wurde. Allen Museen
9__Vorbemerkung
werden immer wieder solche Nachlässe als Schenkung angeboten, sie aber tatsächlich angemessen zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, übersteigt ihre räumlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten bei Weitem. Diese Situation war Anlass für den Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) zu untersuchen, wie in Deutschland mit solchen Nachlässen umgegangen wird, ob es Initiativen gibt, die sich um Lösungen bemühen, vielleicht auch Kommunen, Länder oder Museen. An die auf verschiedene Weise eruierten Adressen wurde ein Fragebogen verschickt, und die Rückmeldungen enthielten nicht nur Angaben über die verschiedenen Initiativen, sie zeigten auch, vor welche Probleme nicht nur sie selbst, sondern auch Erben sich gestellt sehen, aber auch Künstlerinnen und Künstler, die bereits zu Lebzeiten darum bemüht sind, ihren Vorlass zu ordnen. Deshalb enthält das hier vorgelegte Kompendium nicht nur eine Expertise der Umfrage und eine jeweilige Kurzvorstellung der verschiedenen Initiativen und Einrichtungen, sondern auch Informationen, z. B. zum Erbrecht, zur Erbschafts- und zur Schenkungssteuer, zum Stiftungsrecht, zu urheberrechtlich relevanten Fragen und anderen Aspekten, sofern sie in Zusammenhang mit der Bewahrung von Künstlernachlässen interessant und informativ sein können für alle, die damit – in welcher Form auch immer – befasst sind.
Werner Schaub BBK-Bundesvorsitzender und Projektleiter
1 STATISTISCHE ERFASSUNG Expertise zur Umfrage des BBK zur Praxis der Bewahrung von Künstlernachlässen (April/Mai 2015) Werner Schaub, BBK-Bundesvorsitzender und Projektleiter
1.1 ERMITTLUNG DER GRUNDGESAMTHEIT FÜR DIE UMFRAGE Zwar wurden dem Vorstand des Bundesverbandes Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) in den letzten Jahren gelegentlich Initiativen zur Kenntnis gebracht, die sich um die Bewahrung der Nachlässe von Künstlerinnen und Künstlern bemühten, manchmal wurde diese Thematik auch in verschiedenen Gesprächsrunden zumindest am Rande thematisiert. Um aber für eine Umfrage, wenn nicht alle, so doch zumindest die meisten solcher Initiativen zu erfassen, bedurfte es einer gründlichen Recherche. Diese wurde auf verschiedenen Ebenen realisiert: Der BBK bat in seiner Zeitschrift kultur politik – die zum En de jeden Quartals in einer Auflage von 13.300 Exemplaren erscheint und nicht nur die mehr als 10.000 Mitglieder des Verbandes erreicht, sondern auch künstlerische Ausbildungsstätten und zahlreiche Abonnenten – die Leserschaft um entsprechende Informationen, zusätzlich alle 60 BBK-Verbände in den Ländern und Regionen. Außerdem wurde eine entsprechende Anfrage im Newsletter des Deutschen Museumsbundes veröffentlicht. Ergänzt wurde diese breit gestreute Anfrage durch eigene Recherchen der Bundesgeschäftsstelle des BBK. Als Ergebnis dieser Bemühungen standen zunächst 106 Anschriften von Institutionen, Initiativen oder Stiftungen zur Verfügung, die nach uns vorliegenden Informationen in irgendeiner Form mit der Bewahrung künstlerischer Nachlässe befasst sind. Um verifizieren zu können, welche dieser Adressaten sich tatsächlich entweder ausschließlich oder zumindest in nennenswertem Umfang der Bewahrung künstlerischer Nach-
lässe widmen, wurde ihnen allen der für die Umfrage entwickelte Fragebogen übermittelt. Die Reaktionen auf diese Aktion waren äußerst aufschlussreich: uu Etliche Initiativen befinden sich noch gewissermaßen in einem status nascendi, einige davon sind im folgenden Kapitel, in dem konkrete Initiativen vorgestellt werden, mit ihren Konzepten aufgenommen, sofern sie Erfolg versprechend erscheinen. Für die Expertise selbst aber wurden sie nicht berücksichtigt. uu Andere Initiativen sind dabei, Datenbanken aufzubauen, in denen künstlerische Nachlässe zwar nicht real, aber zumindest virtuell erhalten werden sollen. Auch solche Beispiele werden im folgenden Kapitel vorgestellt, für die Expertise aber konnten auch sie natürlich nicht berücksichtigt werden. uu Besonders aufschlussreich war das Verhalten von Museen. Von den 46, die angeschrieben wurden, reagierten etliche gar nicht, manche erst nach wiederholter Nachfrage. Dabei wurde deutlich, dass zwar nicht wenige Museen auch Nachlässe in ihrem Fundus haben, die irgendwann mal – auf welchen Wegen auch immer – aufgenommen wurden. Meist aber werden sie sehr stiefmütterlich behandelt, weil Museen sich zu Recht nicht als Verwaltungseinrichtung für Nachlässe verstehen. Und da Museen sich ohnehin immer wieder mit dem Angebot der Schenkung einer künstlerischen Hinterlassenschaft konfrontiert sehen, ziehen sie es vor, nicht in einem Kompendium Erwähnung zu finden, weil sie – wohl nicht zu Unrecht – befürchten, mit einer Häufung
Expertise__10
solcher Angebote behelligt zu werden und dann in die Situation zu geraten, sich auch noch rechtferti gen zu müssen, wenn sie diese Angebote ablehnen. Dennoch aber haben sich acht Museen offen gezeigt und einen ausgefüllten Fragebogen zurückgeschickt. uu Nicht in die Umfrage aufgenommen wurden Stiftungen von Künstlerinnen und Künstlern, die von diesen selbst noch zu Lebzeiten gegründet wurden mit dem Zweck, ihr eigenes Lebenswerk für die Nachwelt zu erhalten. Diesen Stiftungen ist ein eigenes Kapitel in diesem Kompendium gewidmet. Für die folgende Expertise stand die Auswertung von 31 Rückläufen zur Verfügung. Trotz dieser relativ niedrigen Anzahl kann aus den vorgenannten Gründen davon ausgegangen werden, dass die Zielgruppe damit sehr repräsentativ erfasst wurde.
mehr als 100 Jahre, und hätten schon allein deshalb die Statistik sehr verzerrt. Vor allem aber sahen sich die heutigen Leitungen nicht in der Lage anzugeben, seit wann die vorhandenen Nachlässe bei ihnen bewahrt werden. Rechnet man diese 4 heraus, wird deutlich, dass es sich um einen relativ neuen Trend handelt. Offenbar verstärkt sich ein Bewusstsein, dass auch Künstlernachlässe zu erhaltenswertem Kulturgut zu zählen sind. Denn mehr als die Hälfte aller Initiativen/Einrichtungen, von denen hierzu Angaben gemacht wurden (14 von 27), entstanden erst nach dem Jahr 2000. Dieser Trend wird noch deutlicher, wenn man die 2 Initiativen einrechnet, die noch in Planung sind und deshalb in dieser Expertise nicht statistisch berücksichtigt wurden, ebenso wie die 3 Beispiele, die Nachlässe zumindest online für das kulturelle Gedächtnis bewahren möchten. Bestätigt wird dieser Anstieg auch durch die Recherche »Künstlerstiftungen in Deutschland« (siehe Seite 138).
1.2 ERGEBNISSE ZU DEN EINZELNEN FRAGEN
Offenbar kann davon ausgegangen werden, dass sich dieser Trend verstärken wird, möglicherweise sogar exponentiell.
1.2.1 Seit wann besteht die Initiative/Einrichtung? Bei den 4 Umfrageteilnehmern, die hierzu keine Angaben machten, handelt es sich ausschließlich um Museen. Diese bestehen natürlich schon länger, teilweise
1.2.2 Welche Rechtsform hat die Initiative/Einrichtung? Wie die folgende Übersicht zeigt, sind hier keine signifikanten Auffälligkeiten zu erkennen. Offenbar aber tragen die unterschiedlichen Rechtsformen der jeweiligen Situation vor Ort Rechnung. Denn unter der Rubrik »Andere Rechtsform« sind fast ausschließlich Einrichtungen von Kommunen genannt, in einem Fall auch die Einrichtung eines Bundeslandes.
Seit wann besteht die Initiative/Einrichtung?
Schon vor 1980 3,23 % (1)
Seit 1980er Jahren 16,13 % (5)
Seit 1990er Jahren 22,58 % (7)
Seit 2000 45,16 % (14)
Ohne Angaben 12,90 % (4) 0
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Auffällig ist lediglich eine Initiative, die ausschließlich auf rein privater Basis arbeitet und auch so finanziert ist.
Gewählte Rechtsformen:
Vereine 22,58 % (7)
Stiftungen 35,48 % (11)
Andere Formen 38,71 % (12)
Rein privat 3,23 % (1) 0
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1.2.3 In welchem Bundesland ist die Initiative/Einrichtung angesiedelt? Diese statistische Erfassung vermittelt indes ein Bild, das vermuten lässt, es gebe in 5 Bundesländern keiner lei Bemühungen um die Bewahrung künstlerischer Nachlässe. Diese Wahrnehmung ist zu relativieren: uu In Brandenburg gibt es die Initiative Private Künstlernachlässe im Land Brandenburg, die sich allerdings derzeit ausschließlich auf die Erfassung von Werknachlässen in einer Datenbank beschränkt
und damit bisher noch keine realen Nachlässe bewahrt. u Ein Rücklauf aus Bremen erreichte die Redaktion erst geraume Zeitnach Fertigstellung der Expertise. u Im Saarland ist ein Forschungszentrum für Künstlernachlässe im Stadium der Planung. u Lediglich aus Schleswig-Holstein und Thüringen gingen keine Frage bogen-Rückläufe ein. 10 12 u Als Sonderfall ist das Land Berlin zu betrachten, denn die Akademie der Künste, die überwiegend schriftliche Nachlässe bewahrt, ist eine ausschließlich vom Bund finanzierte »Körperschaft des öffentlichen Rechts«, das Bundesland Berlin ist nicht involviert. Die Frage der Finanzierung von Initiativen/Einrichtungen wird zwar noch gesondert behandelt, jedoch ist es nicht uninteressant, die oben beschriebene Verteilung auf die Bundesländer in Korrelation zur Finanzierung durch die öffentliche Hand zu setzen, um festzustellen, ob eine zumindest flankierende Unterstützung durch politische Ebenen positive Auswirkungen auf diese Szene hat. Bei dieser vergleichenden Gegenüberstellung werden folgende bemerkenswerte Besonderheiten augenfällig: Außer in Hamburg erhalten alle Initiativen/Einrichtungen in den Ländern finanzielle Unterstützung durch die öffentliche Hand – die Akademie der Künste in Berlin ist dabei ein Sonderfall, weil vom Bund vollfinanziert.
In welchem Bundesland ist die Initiative/ Einrichtung angesiedelt? Baden-Württemberg (3) Bayern (5) Berlin (1) Brandenburg (0) Bremen (0) Hamburg (1) Hessen (2) Mecklenburg-Vorpommern (3) Niedersachsen (3) Nordrhein-Westfalen (4)
Interessant ist aber vor allem der prozentuale Anteil der jeweiligen öffentlichen Unterstützung:
Rheinland-Pfalz (4) Saarland (0) Sachsen (3) Sachsen-Anhalt (2) Schleswig-Holstein (0) Thüringen (0) 0
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u Die beiden reichsten Bund es länder, Baden-Württemberg und Bayern, unterstützen ihre Initiati-
Expertise__12
ven entweder gar nicht (BadenFinanzierung der Initiative/Einrichtung Württemberg) oder nur in sehr geringem Maße (Bayern 2 % bzw. Bund 3,23 % (1) 5 %). Dieses Manko wird in diesen beiden Ländern kompensiert durch Kommunen: in Baden-Würt Land 25,81 % (8) temberg in einem Fall mit 84 %, in Bayern sogar in zwei Fällen mit Kreis 22,58 % (7) je 100 %, in einem weiteren Fall mit 50 %, aufgestockt noch vom Kommune 51,61 % (16) Landkreis mit 25 %. u In Hessen ist das Land bei einer der 0 5 10 15 20 beiden Initiativen mit immerhin 97 % mit im Boot. uu In Mecklenburg-Vorpommern dagegen sieht es 1.2.4 Wie wird die Initiative/ nicht so rosig aus, lediglich 1 der gemeldeten Initi Einrichtung finanziert? ativen bekommt überhaupt einen Zuschuss vom Land, der aber 10 % nicht übersteigt. Die Finanzierung, soweit sie zumindest in Teilen von uu In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen stellt der öffentlichen Hand erfolgt, verteilt sich wie folgt: sich die Situation jeweils ähnlich dar: Von diesen Fast alle Umfrageteilnehmer (96,77 %) geben an, eine beiden Ländern gibt es überhaupt keine finanzielle finanzielle Förderung durch die öffentliche Hand zu erUnterstützung, aber auch nicht von den Kommunen. halten, und der statistische Mittelwert der FörderunHier springen jedoch die Landkreise oder entspre- gen von Seiten der Bundesländer liegt immerhin bei chende öffentliche Körperschaften in die Bresche: in 28,8 %. Niedersachsen in 1 Fall mit 90 %, in einem zweiten Fall sogar mit 100 %. Von den 4 Initiativen in Nordr- Daraus aber abzuleiten, dass bei der öffentlichen Hand hein-Westfalen dagegen bekommt nur 1 Einrichtung generell die Zunahme eines wachsenden Verantworvon einem Landschaftsverband 50 % öffentliche tungsgefühls für die Bewahrung von KünstlernachläsFörderung, die 3 übrigen bekommen überhaupt kei- sen als Teil unseres kulturellen Erbes festzustellen sei, ne öffentliche Förderung. scheint reichlich verfehlt. Denn die Unterschiede in uu In Sachsen-Anhalt erfährt nur 1 der beiden Initiati- den einzelnen Bundesländern weichen – wie zu Frage ven eine öffentliche Förderung, dafür aber immer- 2 erläutert – zu stark voneinander ab, um eine solche hin 48 % vom Land und 28 % von der Kommune. Schlussfolgerung in Betracht ziehen zu können. Wenn Großes Vorbild dürfte Sachsen sein: Hier werden alle überhaupt, dann ließe sich nur für Sachsen ein solcher 3 Initiativen/Institutionen vom Land gefördert, 1 so- Zusammenhang feststellen. gar mit 100 %. Eine zweite Initiative erhält vom Land zwar nur 50 %, Eine interessante statistische Auffälligkeit ist aber dazu aber von der Kommune ebenfalls 50 % und ist in der Beteiligung der Kommunen zu sehen, die bei damit vollständig von der öffentlichen Hand finan- 51,61 % liegt, sowie bei der Förderung durch die Landziert. kreise, die 22,58 % erreicht. Denn diese beiden WerDie dritte Initiative in Sachsen erreicht zwar dieses te, die zusammen betrachtet mehr als zwei Drittel der Ziel nicht, wird indes aber immerhin noch mit 60 % öffentlichen Förderung ausmachen, können durchaus zu jeweils gleichen Teilen von Land, Kreis und Kom- als eine stark regional ausgerichtete Komponente gemune öffentlich unterstützt. sehen werden.
13__Expertise
Darauf wird bei Fragestellung nach den jeweils bewahrten Nachlässen näher einzugehen sein. Immerhin geben 5 Initiativen/Einrichtungen an, von der öffentlichen Hand zu 100 % finanziert zu werden, das trifft also für 16,13 % zu. Die übrigen kommen – bis auf eine Ausnahme – in den Genuss einer Art subsidiären Förderung, deren Höhe in den einzelnen Fällen sehr stark differiert. Ihnen allen ist aber gemeinsam, dass sie zusehen müssen, auf welchen Wegen weitere Mittel zu generieren sind.
Aufgeführt sind hier z. B. Mieteinnahmen, Katalogverkäufe, Verkäufe von Kalendern, Eintrittsgelder (auch für spezielle Veranstaltungen), sogar Gebühren für Führungen.
1.2.5 Wie sind die räumlichen Gegebenheiten der Nachlassbewahrung beschaffen?
Die Verfügbarkeit entsprechender räumlicher Voraussetzungen ist für die Bewahrung von KünstlerDie folgende Übersicht macht deutlich, wie unter- nachlässen aus naheliegenden Gründen von großer schiedlich sich diese Bemühungen gestalten und dass Bedeutung. Wie sich aus den Angaben hierzu zeigt, sind die räumlichen Voraussetzungen äußerst unterschiedlich und bewegen Ergänzend zu öffentlichen Zuwendungen werden Mittel eingebracht durch: sich zwischen einer Lagerkapazität von über 2.500 m2 und eher bescheidenen Stiftungsförderung 12,90 % (4) Voraussetzungen mit einem Raum von gerade mal 70 m2, der allerdings als Magazin bezeichnet wird, in dem überwiegend Arbeiten auf Papier und schriftliche Zeugnisse in geeigneten Schränken aufbewahrt werden. Daher muss die räumliche Gegebenheit in Relation zu den nächsten beiden Fragen gesehen werden, also zur Frage, welche Arten von Kunstwerken aufbewahrt werden, und zur Frage, um wie viele Nachlässe es sich handelt.
Mitgliedsbeiträge 25,81 % (8) Spenden 41,94 % (13) Sponsoren 29,03 % (9) Werkverkäufe 22,58 % (7) Andere Quellen 25,81 % (8) 0
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Verfügbarer Raum/Depot in Quadratmeter:
es zahlreiche Mehrfachnennungen gibt. Diese Übersicht lässt ein bemerkenswertes bürgerschaftliches Engagement vor Ort erkennen, befördert von einer ausgeprägten Motivation der Handelnden. Dies wird noch offenkundiger, wenn man betrachtet, was unter »Andere Quellen« zu subsumieren ist. Denn hier wird deutlich, dass man sich in vielfacher, auch kreativer Weise um zusätzliche Mittel bemüht.
unter 200 m² 22,58 % (15) 201 bis 399 m² 25,81 % (8) 400 bis 599 m² 9,68 % (3) 600 bis 799 m² 3,23 % (1) 800 bis 999 m² 3,23 % (1) 1000 bis 2000 m² 3,23 % (1) mehr als 2000 m² 6,45 % (2) 0
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1.2.6 Welche Arten von Kunstwerken werden aufbewahrt? Fast alle Initiativen bewahren – von äußerst geringfügigen Schwankungen abgesehen – Werke der Malerei, Grafik und Druckgrafik auf. Probleme mit der Aufbewahrung von dreidimensionalen Werken haben natürlich die Einrichtungen, denen weniger Raum zur Verfügung steht. Dennoch haben auch einige dieser Initiativen solche Werke in ihrem Fundus, allerdings dürfte es sich dabei wohl eher um Kleinplastik handeln. Erstaunlich viele der Befragten zählen auch die Bewahrung schriftlicher Zeugnisse zu ihren Aufgaben, also etwa Korrespondenzen mit Kolleginnen und Kollegen oder Kunsthistorikern, Ideenskizzen oder andere Arten von Aufzeichnungen. Jedenfalls fällt auf, dass auch die mit weniger Raum ausgestatteten Initiativen zumindest tendenziell ein eher breites Spektrum von Arten künstlerischer Techniken aufbewahren, zumindest solche, die auch platzsparend zu lagern sind wie Arbeiten auf Papier. Dazu könnten eigentlich auch reine Video-Arbeiten zählen. Dass diese aber eher selten in einem Fundus auftauchen, könnte daran liegen, dass deren Aufbewahrung nur dann Sinn macht, wenn für gelegentliche Vorführungen ein geeigneter Raum und entsprechende Geräte zur Verfügung stehen.
1.2.7 Wie viele Nachlässe werden derzeit von der Initiative/ Einrichtung aufbewahrt? Die Auswertung der Angaben zu dieser Frage lässt eine eindeutige Tendenz erkennen: lediglich 4 der Umfrageteilnehmer geben an, mehr als 20 Nachlässe aufzubewahren: uu Darunter findet sich die Akademie der Künste in Berlin, die zwar nicht ausschließlich, aber wie oben bereits angemerkt überwiegend schriftliche Nachlässe verwahrt, etwa 100 an der Zahl. uu Das Rheinische Archiv für Künstlernachlässe verwahrt 87 ausnahmslos schriftliche Hinterlassen schaften, Werke wären in deren Magazin wohl auch nicht unterzubringen. uu Ähnliches dürfte auch für das Forum für Künstlernachlässe in Hamburg gelten, zumindest tendenziell, denn auch diese Initiative bringt 50 Nachlässe auf gerade mal 150 m2 unter. Man weiß sich jedoch zu helfen, die Werke bleiben »so lange wie möglich beim Eigner«. uu Und schließlich ist hier das Archiv für Künstlernachlässe in Brauweiler der Stiftung Kunstfonds zu nennen, das derzeit 34 Nachlässe aufbewahrt, und zwar in exklusiver Art und Weise. Die ganz überwiegende Zahl der Initiativen konzentriert sich auf die Bewahrung nur eines oder zweier Nachlässe, immerhin 41,94 %. In den meisten dieser Fälle könnten auch familiäre Bande oder freundschaftliche Verbundenheit zugrunde liegen.
Arten von Kunstwerken, die vorrangig aufbewahrt werden:
Malerei 93,55 % (29) Grafik 90,32 % (28) Druckgrafik 93,55 % (29) Dreidimensionale Werke 61,29 % (19) Video 29,03 % (9) Schriftliche Nachlässe 90,32 % (28) 0
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Auch die Gruppe der Umfrageteilnehmer, die sich auf bis maximal 5 Nachlässe beschränkt, ist als relevante Größe zu bezeichnen. Vor allem aber ist hier auf eine Auffälligkeit hinzuweisen, die schon in den Ausführungen zu Frage 3 angemerkt wurde: Offensichtlich gibt es eine sehr große Schnittmenge der Initiati-
ven, die ganz gezielt entweder den Nachlass nur einer einzigen oder zumindest nur sehr weniger Künstlerpersönlichkeiten bewahren und deren Förderung durch die öffentliche Hand – fast ausschließlich kommunal und/oder regional – erfolgt. Möglicherweise sind die Entscheider, die über öffentliche Zuwendungen zu befinden haben, eher zu Unterstützungen bereit, wenn es eine Art »heimatlichen« Bezug gibt. Dafür spricht auch, dass die Bereitschaft, z. B. von Kommunen, solche Initiativen zu unterstützen, ganz offensichtlich steigt, je kleiner die Kommune ist.
der 31 Initiativen (61,29 %) aus. Dies bedeutet, dass durchaus auch verschieden gewichtet wird, dass also eine Initiative, die mehrere Künstlernachlässe verwaltet, in einigen – wohl eher wenigen – Fällen den ganzen Nachlass übernimmt, bei anderen aber eher eine Begrenzung vornimmt.
1.2.9 In welcher Weise wird eine Entscheidung herbeigeführt, welche Künstlernachlässe aufgenommen werden? Interessant ist, dass 24 der Initiativen (77,42 %) angeben, dass darüber eine Fachjury oder ein Gremium entscheidet, das zumindest teilweise mit fachkundigen Persönlichkeiten besetzt ist. Dies gilt offenbar auch für einen be-
Statistische Übersicht der jeweiligen Anzahl von Künstlernachlässen, die bewahrt werden pro Initiative:
1 oder 2 Nachlässe 41,94 % (13) 3 oder 5 Nachlässe 19,35 % (6) 6 oder 10 Nachlässe 0 % (0) mehr als 10 Nachlässe 16,13 % (5) mehr als 20 Nachlässe 3,23 % (1) mehr als 40 Nachlässe 3,23 % (1) mehr als 60 Nachlässe 6,45 % (2) 0
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trächtlichen Teil derjenigen Initiativen, die nur ganz wenige Nachlässe aufgenommen haben. Auch bei 5 der 11 Stiftungen ist eine Fachjury in die Auswahl eingeschaltet, bei den übrigen 6 wird diese Entscheidung vom Stifter selbst getroffen. Bei der einen Initiative, die auf rein privater Basis finanziert ist, haben die ausschließlich ehrenamtlich Tätigen über die Aufnahme entschieden, was durchaus nachvollziehbar erscheint.
1.2.8 Bewahrt die Initiative/Einrich1.2.10 Erwartet die Initiative/Einrichtung komplette Künstlernachlästung bei der Übernahme se auf? eines Nachlasses das Vorliegen eines Werkverzeichnisses? Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer (16 bzw. 51,61 %) gibt an, ganze Nachlässe aufzunehmen. Dies gilt ausschließlich für diejenigen Initiativen/Einrichtungen, die sich auf nur einen oder zwei Nachlässe beschränken. Es gilt aber zumindest überwiegend (87,50 %) auch für diejenigen, die nicht mehr als 5 Nachlässe aufgenommen haben. Ansonsten wird eine für das jeweilige Lebenswerk repräsentative Auswahl getroffen, diese Praxis üben 19
Lediglich 8 (25,81 %) der Initiativen/Einrichtungen erwarten bei der Übernahme eines Nachlasses von den Künstlerinnen und Künstlern oder von den Erben ein Werkverzeichnis. Dies überrascht, denn ganz sicher wäre eine solche Übersicht hilfreich, vor allem wenn sie von der Künstlerpersönlichkeit selbst autorisiert wäre. Daher darf dieses Ergebnis durchaus als Erfahrungswert gedeutet werden, der die Realität abbildet, dass
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Künstlerinnen und Künstler offenbar selten zu Lebzeiten ein Werkverzeichnis führen, das in angemessenen Zeitabständen aktualisiert wird. Deshalb erarbeiten alle Initiativen entsprechende Werkverzeichnisse nach der Übernahme von Nachlässen selbst, abgesehen von denjenigen, die lediglich schriftliche Nachlässe bewahren, und den wenigen, bei denen sich diese Frage nicht gestellt hat, weil sie nur einen Künstlernachlass verwalten und es sich dabei um einen der wenigen Fälle handelt, bei dem ein Werkverzeichnis vorlag.
1.2.11 Wie ist von der Initiative geregelt, wer Eigentümer der Künstlernachlässe ist? Wenn nur 1 oder 2 Nachlässe aufbewahrt werden, wurden diese fast ausschließlich der Initiative übereignet. Ähnliches gilt auch, wenn nur bis zu 5 künstlerische Lebenswerke in den Fundus Eingang gefunden haben. In den Einrichtungen der übrigen Umfrageteilnehmer stellt sich die Situation so dar, dass neben der Übereignung auch die Möglichkeit einer treuhänderischen Verwaltung praktiziert wird. Aber auch hier ist die Tendenz unverkennbar, dass eine Übereignung bevorzugt wird: In 86,05 % der Fälle wurden die Nachlässe entweder bereits testamentarisch oder von Seiten der Erben den Initiativen/Einrichtungen vermacht, nur 13,95 % verwalten die Werke treuhänderisch. Die Praxis der vollständigen Übereignung erleichtert natürlich die Arbeit der Initiativen, da auf diese Weise denkbare Auseinandersetzungen mit den Erben ausgeschlossen werden können.
1.2.12 Hat die Öffentlichkeit Zugang zu den bewahrten Künstlernachlässen? Und wenn ja, in welcher Weise? Ausnahmslos alle Initiativen/Einrichtungen sehen es als ihre Aufgabe, das ihnen überlassene kulturelle Erbe
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nicht nur aufzubewahren, sondern es auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Praxis dieser Öffentlichkeitsarbeit stellt sich sehr breit gefächert dar: uu 26 von 31 (83,87 %) zeigen die Werke in ihren eigenen Räumen, vorrangig in wechselnden Präsentationen, im Prinzip wie in einer Galerie. Wer sich keine geregelten Öffnungszeiten leisten kann, organisiert regelmäßig Führungen oder bietet individuelle Besuche nach telefonischer Vereinbarung an. uu Die meisten Umfrageteilnehmer begnügen sich aber nicht mit dieser Praxis, 25 von 31 (80,65 %) generieren zusätzlich noch Ausstellungen an anderen Orten. Dies trifft nicht nur, aber vor allem für die Initiativen zu, deren räumliche Situation eher eingeschränkt ist. uu Fast die Hälfte, 15 von 31 (48,39 %), bietet zudem auch Tage der offenen Tür an. uu Einrichtungen, die überwiegend schriftliche Nachlässe bewahren, bieten die Möglichkeit der Lektüre. Dies gilt vor allem für die Akademie der Künste, deren Lese- und Studiensaalbetrieb in hohem Maße frequentiert wird. Diese ohnehin schon bemerkenswert breit gefächerte Öffentlichkeitsarbeit wird zusätzlich flankiert und ergänzt durch weitere Maßnahmen: uu Vorträge, Diskussionsrunden, Abende mit Zeitzeugen uu Herausgabe von Katalogen, Kalendern und anderen Publikationen uu Herausgabe von Postkarten-Editionen uu Kooperation mit Museen und Galerien, z. B. temporäre Leihgaben für Ausstellungen uu Präsentation der Künstlernachlässe auf der Homepage uu Kampagnen in der regionalen Presse sowie in Rundfunkanstalten uu Organisation von Symposien
1.3 FAZIT Die Szene von Initiativen oder entsprechenden Einrichtungen, die sich der Erhaltung von Künstlernachlässen widmen, ist zwar noch nicht sehr umfangreich. Dass aber die meisten von ihnen erst in jüngster Zeit entstanden, lässt die Prognose zu, dass hier etwas in Bewegung geraten ist, das in absehbarer Zeit weitere Initiativen mit dieser Zielrichtung generieren wird. Offenbar gibt es in unserer Gesellschaft eine zwar noch verhaltene, aber doch erkennbare Tendenz, sich mit einer Ex-und-hopp-Mentalität nicht mehr zufrieden zu geben. Trotzdem werden auch in Zukunft die allermeisten Künstlernachlässe nicht zu erhalten sein, deshalb ist eine Auswahl unabdingbar, die sich an verschiedenen Parametern zu orientieren hat, wie etwa an der Bewertung von Qualität, aber auch an der Frage einer regionalen Verortung. Bei den in dieser Umfrage erfassten Initiativen ist kein durchgängiges Verfahrensmuster erkennbar. Vielmehr stellt sich die Szene als sehr divergierend dar, wie die Ergebnisse zu den spezifischen Fragen deutlich werden lassen. Sollte sich aber die Annahme bestätigen, dass sich diese Szene im Aufbruch befindet, könnten sich Strukturen herausbilden, die sich in der Praxis bewährt haben.
Nicht nur die in diesem Kompendium zusammengestellten Aspekte könnten sich als hilfreich erweisen, bei der Gründung neuer Initiativen Fehlerquellen zu minimieren, auch die Vorstellung bereits bestehender Initiativen ist als Anregung zur Nachahmung zu verstehen. Bei der Auswertung der Rückläufe war – wie oben näher ausgeführt – auffällig, dass sich nicht wenige dieser Initiativen nur einem Nachlass widmen. In diesen Fällen ist die Gründung der Initiative häufig in familiä rem Zusammenhang zu sehen, oft ausgehend von den Künstlerinnen und Künstlern selbst oder von deren Nachkommen. Dies gilt in der Regel auch für die Initiativen mit zwei Nachlässen, denn meist handelt es sich dabei um Künstlerpaare. Eines der interessanten Ergebnisse der BBK-Umfrage zeigt, dass sehr viele der befragten Initiativen/Einrichtungen sich auf nur wenige, manche sogar nur auf einen Künstlernachlass beschränken. Deshalb schien es sinnvoll, die in diesem Zusammenhang aufschlussreiche Recherche über Künstlerstiftungen von Lee Negris in dieses Kompendium aufzunehmen (siehe S. 138, »Künstlerstiftungen in Deutschland«). Dabei handelt es sich um Initiativen, die von den Künstlerinnen und Künstlern selbst oder von deren Erben ausgingen.
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