Leseprobe | Abenteuer Aquarellmalerei

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Zwischen Freiheit & Perfektion

AQUARELL MALEREI

Locker malen mit Gerhard Ruhland

Urheberrechtlich geschütztes Material

Mit allen Grundlagen und 20 Motiven

INHALT

DIE ENTSCHEIDUNG

Oder Alternative 2: Das Abenteuer bzw

das Kunst, oder kann das weg?“

Ein Ausweg aus dem Dilemma

Das vermeintliche Paradies

Wege aus dem alten Paradies

Acht Schlüssel zum neuen Paradies

1.Patente Fragmente

2.Papier- und Augenwischerei 52

3.Tropfen auf den heißen Stein 54

4.Dividere et imparare 56

5.Voll daneben

58

6.B(l)ackstage 62

7.Völlig von der Rolle 64

8.Schwamm drüber 66 Die Verlockung 68 Der Sündenfall

KAPITEL 5

KAPITEL 7

KAPITEL 8

DIE UNENDLICHE REISE

– Sieben auf einen

GEHT

GLEICH LOS

Es macht so viel Spaß, als Erstes die verführerisch rot glänzende Kirsche von der Torte zu essen –aber das tut man nicht!

Ich weiß, dass Sie innerlich schon mit den Hufen scharren und es kaum erwarten können, wann es denn nun endlich losgeht mit der Malerei … aber um eines ganz klar vorwegzusagen: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Malerei nur zu einem Teil Technik ist, zum anderen Teil Strategie, also Kopfarbeit, und letztendlich Philosophie und innere Einstellung, wie beispielsweise Entspannung, Selbstbewusstsein oder Lässigkeit!

Also schön der Reihe nach: Keine Seiten überspringen und nicht vorweg erstmal die „schönen“ Bilder weiter hinten studieren … Trotzdem – hier ein kleiner Appetizer.

WIDMUNG

FÜR DIE EINZIGARTIGKEIT

… ganz gleich welche Ethnie, egal welche Religion, welches Geschlecht und ob Anfänger oder fortgeschritten, jung oder alt. Für Ihre einzigartige Persönlichkeit!

FÜR DIE LEBENDIGKEIT

… und die Gesundheit, die mich vor über 30 Jahren kurzfristig verlassen hatte. Dadurch wurde mir die Einmaligkeit des Lebens und das Glück des Abenteuers bewusst!

FÜR DIE EINFACHHEIT

… der Sprache, die es ermöglicht, komplexe visuelle Vorgänge in Form eines Textes zu vermitteln. Daher gilt mein Dank insbesondere meinen Deutschlehrern am Gymnasium, meinen Professoren für Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Linguistik an der Universität, die mich mit klaren Regeln zur Logik und zur „old school“ erzogen haben. Sie haben mir, ohne irgendwelche sprachlichen Verrenkungen und mit richtiger Grammatik, die Ehrfurcht vor der Ästhetik der Sprache und den damit verbundenen, echten Respekt vor jeder Person gelehrt. Daher lehne ich, so wie auch der Rat für deutsche Sprache im Einklang mit der Mehrheit unserer deutschen Bevölkerung das Gendern ab.

VORWORT

ICH MÖCHTE NIEMANDEN

LANGWEILEN – ALLE S, NUR DAS NICHT…

Genau das – nicht mehr, aber auch nicht weniger – war mein Anspruch, als ich auf die nette Frage am Telefon „Wir finden deine Bilder so schön! Und irgendwie so locker. Willst du nicht ein Buch für uns schreiben?“ „JA“ gesagt habe. Worum sollte es gehen? Etwa um „schöne“ Bilder? Ich unterrichte seit mehr als 30 Jahren Malerei. Wenn ich in meinen Seminaren umhergehe und zu einem Schüler sage: „Das ist aber sehr schön!“, dann weiß derjenige meist ganz genau, wie ich das meine. Wenn ich ihm aber sage: „Nicht ganz uninteressant“ oder vielleicht sogar: „Irgendwie schon recht locker“, dann kommt das schon eher als Kompliment an und ich bekomme ein Lächeln zurück.

Daher geht es mir in diesem Buch nicht um „schöne“ Bilder. Letztendlich geht es möglicherweise gar nicht einmal um Bilder. Es geht eigentlich um Erkenntnis, Bewusstsein, Einstellung, Gefühl, Leichtigkeit – um das Leben! Gerne auch um ein „interessantes oder lockeres Leben“. Malerei ist der Ausdruck eines Lebensgefühls und auch der Ausdruck der Persönlichkeit. Das ist meine Auffassung. Es geht nicht um techni-

sche Tricks, nicht z. B. um die Frage, was man bei der Aquarellmalerei mit einer Rolle Frischhaltefolie oder einem Salzstreuer so alles anstellen kann, sondern es geht um essenzielle Grundlagen und insbesondere die persönliche Einstellung. Und so ist mir beim Schreiben dieses Buches mein eigener Anspruch als Lehrer und Autor noch klarer geworden: Es reicht nicht, Sie nur „nicht langweilen“ zu wollen. Ich muss Sie fesseln. Ich muss Ihr Bewusstsein erweitern, Ihre Einstellung verändern und ihre Sichtweise modifizieren. Das ist schon recht anspruchsvoll und hört sich vielleicht auch irgendwie arrogant an. Michelangelo hat einmal gesagt:

Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft!

Ich möchte Ihnen aus voller Überzeugung und ganzem Herzen alles zeigen, was ich kann, alles sagen, was ich weiß. Darin bestehen mein Vertrauen und meine Hingabe an Sie. Und als Lehrer würde mir nichts mehr Freude machen, ja, nichts würde mich mit mehr Stolz erfüllen, als wenn Sie mit meiner bescheidenen Hilfe – ganz im Sinne Michelangelos – großen Erfolg haben. Dafür brauche ich aber Ihre volle Aufmerksamkeit. Wenn Sie dieses Buch nur „mal kurz lesen“, nur „mal rasch durchblättern“ oder nur „mal schnell überfliegen“ wollen, dann haben Sie keine echte Anteilnahme und keine Chance. Dann nützt Ihnen das alles nichts. Sinnlos! Ebenso sinnlos, wie wenn Sie ein Buch über Tennisspielen oder Skifahren lesen würden. Oder ein Buch über Diät nur durchblättern würden, das hat zumindest bei mir nicht geklappt.

Also: Was kann ich als Lehrer und Autor für Sie tun? Ich formuliere ein paar Ideen. Ich erläutere ein paar Arbeitsschritte. Ich zeige ein paar Ergebnisse.

Alles sinnlos, es sei denn, ich habe Ihre volle Aufmerksamkeit, denn es geht um Erkenntnis. Das „Malen können“ ist relativ simpel! Dieses Buch wird neben allem Spaß eine praktische, aber vor allem auch eine intellektuelle Herausforderung sein. Habe ich Sie ein wenig provoziert? Gut so, dann sind Sie jetzt bereit für das „Abenteuer Aquarellmalerei“ und für hoffentlich viele „Aha-Erlebnisse“. Ich freue mich, Sie in Ihrer persönlichen Einzigartigkeit als Partner für die folgenden Seiten dabei zu haben!

WARNHINWEISE

WER SPUREN HINTERLASSEN WILL, MUSS NEUE WEGE GEHEN

Es gibt Parallelen zwischen Malerei und Leben und zwischen Leben und Malerei ...

Höchstwahrscheinlich haben Sie dieses Buch gekauft, damit Sie irgendwie weiterkommen, möglicherweise, weil Sie „irgendwie feststecken“ – bei der Malerei, vielleicht sogar in Ihrem Leben. Aber Achtung: Die folgenden Ideen könnten Sie aus der Bahn werfen. Und zwar ohne sofort zu wissen, wo sich ein neuer Zielbahnhof befindet.

RAUS AUS DER KOMFORTZONE!

Sie werden Ihre scheinbar festgelegten Schienen, Ihre bereits eingetretene Spur verlassen müssen. Das ist mit Schwierigkeiten verbunden. Sie werden nicht umhinkönnen, sich selbst ein neues Ziel, einen neuen Stil zu suchen. Das ist mit Unsicherheit und mit Risiko behaftet. Sie sollten es für sich tun, denn Sie brauchen niemandem zeigen, was Sie alles schon können. Also nicht noch einmal das tun bzw. nicht das malen, was Sie immer schon genauso gemacht haben. Suchen Sie sich neue Wege, versuchen Sie etwas ganz Neues! Etwas, das Sie noch nicht können. Sagen Sie nicht: „Das geht nicht, das kriege ich nicht hin!“, sondern machen Sie es einfach. Oder kriegen Sie es auch nicht hin! Ja und? Seien Sie stolz darauf, soweit gegangen zu sein, irgendeine völlig neue Spur hinter-

lassen zu haben, selbst wenn es eine Sackgasse war. Denn genau damit sind Sie um eine Erfahrung reicher, stehen schon einmal ganz woanders und haben neue Blickwinkel. Und manchmal tut sich genau in dieser Situation eine neue Tür auf. Denn es geht darum, zunächst einfach anders zu malen und andersartige Bildergebnisse zu erzielen.

WILLKOMMENSKULTUR FÜR FEHLER

Ich möchte Sie gerne dazu bringen, einen grundsätzlich anderen Weg einzuschlagen und grundsätzlich „anders“ zu malen. „Lockerheit“ ist dabei ein Stichwort!

Ich versuche, Ihnen schmackhaft zu machen, Fehler willkommen zu heißen. Denn Fehler können Sie voranbringen. Sie können helfen, neue Ziele zu entdecken. Sie werden von neuen Zielen und anderen Bildern träumen. Neue Visionen werden umso konkreter, je mehr man weiß, was und wie es nicht funktioniert. Sie werden lernen, mit Leichtigkeit wieder aufzustehen und neu zu beginnen, ein neues Bild anzufangen und gleichzeitig an sich zu glauben! Ich möchte Ihnen beibringen, „Anders-ART-igkeit“ und Ihre eigene Persönlichkeit zu genießen. Genau dadurch werden Sie an „Lockerheit“ gewinnen. Und wenn viele Sie nicht verstehen, dann ist das schon mal sehr gut!

RISIKO

Ich bin mir sicher, dass „anders“ malen oder „lockerer“ malen mit einer grundsätzlich anderen Lebenseinstellung einhergeht. Insbesondere wenn man so denkt und handelt wie z. B. Joseph Beuys.

Kunst ist Leben, Leben ist Kunst “
Joseph Beuys

WER „A“ SAGT, MUSS AUCH „B“ SAGEN

Und schon erscheint das nächste Gefahrenpotenzial am Horizont. Denn Achtung: Wenn Sie erst einmal Spaß an dieser abenteuerlichen Malerei gefunden haben, finden Sie vielleicht auch an einem abenteuerlichen Leben Spaß! Aquarellmalerei hat Begleiterscheinungen. In diesem Fall gilt: Für Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Bankberater oder Paartherapeuten und nicht Ihren Mallehrer. Aber malen wir nicht gleich den Teufel an die Wand, sondern lieber erst mal einen Apfel aufs Papier.

Dann ist diese ganze Geschichte mit „neuen Visionen“ und einer „Willkommenskultur für Fehler“ vielleicht im echten Leben nicht ganz so einfach und mit gewissen Risiken behaftet. Eine feste Berufsanstellung, eine Doppelhaushälfte, eine langjährige Beziehung … Da mag man bei der momentanen Situation auf dem Wohnungsmarkt und einer eher begrenzten Auswahl an „Elite-Partnern“ doch schon mal ins Grübeln kommen, plötzlich ganz neue Wege zu gehen. Darum halten wir den Ball zunächst einmal flach. Tauchen wir ein in unsere Parallelwelt: Beschäftigen wir uns mit der Malerei! Worin besteht hier das Risiko? Nur in einem Blatt Papier und ein paar Minuten Ihrer Zeit.

ABENTEUER-

AUSRÜSTUNG

Der Name täuscht, zumindest was den zweiten Teil der Überschrift betrifft. Wir müssen uns nicht rüsten, wir sind nur mit leichtem Gepäck und dennoch effektiv unterwegs. Auch in diesem Kapitel möchte ich Sie nicht langweilen, keine Materialliste erstellen, wie Sie bereits Hunderte ähnlicher Art gesehen haben werden.

Die Betonung liegt nicht auf „Ausrüstung“, sondern auf „Abenteuer.“ Darum beginnt diese Liste auch nicht mit einem Lineal und einem Radiergummi, sondern fängt mit etwas ganz anderem an.

HINWEIS: Die Flasche Rosé trägt zwar zufällig meinen Namen, aber sie steht nicht zufällig dort. Die Größe des Wasserflakons ist überdimensioniert, aber entspricht seiner Bedeutung – ebenso wie die Wichtigkeit des Tuches.

HAUPT- UND NEBENROLLE

Der Rosé steht nicht für Alkohol, sondern für Leichtigkeit und Lebensfreude. Bitte denken Sie daran, wenn Ihnen später das Wort Rosé des Öfteren begegnet. Denn es ist mein Anliegen, dass wir uns weniger mit unangenehmer oder harter Arbeit beschäftigen, sondern dass wir durch die Malerei vor allem die Lust am Gestalten, die Lust am Leben und das Glück entdecken.

Was für Sie die Hauptrolle und was für Sie die Nebenrolle spielt, überlasse ich Ihnen. Für mein Empfinden ist ein Mischungsverhältnis von 50:50 bei Arbeit:Vergnügen ganz okay.

Darum ist Lebensfreude auf jeden Fall ein wichtiger Bestandteil unserer Abenteuerausrüstung.

Darüber hinaus brauchen wir wenige, teils einfache, aber dennoch sehr wichtige Komponenten. Es mag Ihnen vielleicht komisch erscheinen, aber ein gutes Baumwolltuch und eine Sprühflasche mit Wasser, die natürlich auch sehr klein sein kann, z. B. in Form eines Flakons Ihres Reiseparfums, sind neben Farbe, Pinsel und Papier die elementaren, materiellen Voraussetzungen Ihrer Ausrüstung.

ALLES IN TROCKENEN TÜCHERN

Die magischen Eigenschaften eines Baumwolltuchs werde ich Ihnen im Abschnitt „Abracadabra“ vorstellen (S. 40). Aber jetzt hat das Baumwolltuch zunächst einmal noch eine ganz andere, elementar wichtige Funktion: Es erlaubt Ihnen,

durch den mehr oder weniger intensiven Kontakt mit dem wassergetränkten Pinsel das Mischungsverhältnis von Farbe und Wasser genau zu bestimmen. Die Konsistenz, also wie „dünn“ oder wie „dick“ der Farbauftrag ist (man spricht allgemein auch von „mager“ und „fett“), ist das A und O bei allen Maltechniken.

Mein Baumwolltuch habe ich deswegen entweder permanent in der Hand, oder aber es liegt direkt neben dem Wassertopf für die Aquarellmalerei. Wenn ich den Pinsel aus diesem Wassertopf nehme, muss er zunächst den Umweg über dieses Baumwolltuch gehen. Indem ich den Pinsel mehr oder weniger stark auf das Tuch drücke, spüre ich, wie viel Wasser im Pinsel ist. Das ist natürlich Erfahrungssache.

Benutzen Sie bitte keine Küchenrolle: Denn so ein Papiertuch entzieht dem Pinsel bei den ersten Kontakten unheimlich viel Wasser und anschließend gar keines mehr! Zur Ermittlung der Konsistenz ist ein Papiertuch also unkalkulierbar und damit völlig unbrauchbar, während das Baumwolltuch durch eine relativ gleichmäßige Absaugung des Wasservorrats im Pinsel eine nahezu perfekte Dosierung ermöglicht. Das mag sich banal anhören, ist aber wirklich entscheidend.

TIPP: Ebenso banal wie entscheidend ist die Wasserspray-Flasche bzw. der -Flakon!

Mit diesem feinen Nebel befeuchten Sie Ihre trockenen Aquarellfarben. Der Nebel muss so fein und sparsam sein, dass die einzelnen Tröpfchen des Nebels nicht zusammenlaufen. Nur dadurch wird die komplette Oberfläche Ihrer Farbe gleichmäßig angefeuchtet. Wenn Sie das regelmäßig, anfänglich alle fünf Minuten, machen, sind Sie in der Lage, ausreichend Farbe ohne Anstrengnung in den Pinsel zu bekommen. Oder mit anderen Worten: Nur so können Sie Aquarell malen! Denn nur mit Tinte im Füller kann man schreiben, nur mit Farbe im Pinsel kann man malen.

Nicht gut: Die Tröpfchen laufen zusammen, das Wasser fließt …

… natürlich an die tiefste Stelle, nur da wird die Farbe weich und …

… nur da kann die Farbe entnommen werden, ein Loch entsteht, rundherum nur harte Farbe!

Wenn man die Farbe mit zu viel Wasserspray oder gar mit einem Pinsel befeuchtet, fängt das Wasser auf der Oberfläche der Aquarellfarbe an zu laufen, und zwar logischerweise nur in die tiefste Stelle. Diese Stelle wird dann also besonders feucht und wenn man mit dem Pinsel die Farbe entnehmen will, entnimmt man sie speziell an dieser Stelle. Dadurch bohren sich richtige Löcher in die Farbe. Das ist ein Teufelskreis, denn beim nächsten Einsprühen oder Wässern in welcher Art auch immer sammelt sich das Wasser wieder in genau diesen Vertiefungen. Es geht also darum, die komplette Oberfläche der Aquarellfarbe, die möglichst groß sein soll, so anzufeuchten, dass die Pigmente mit dem Pinsel leicht entnommen werden können. Das erreicht man – vor allem wenn man längere Zeit nicht

Feiner Wassernebel, sehr oft, aber immer nur so wenig, dass sich die Tröpfchen nicht berühren …

Die gesamte Oberfläche nimmt Wasser auf, wird weicher und perfekt zur Entnahme.

Das Volumen erhöht sich, die Farbe quillt auf und lässt sich auf der gesamten Oberfläche entnehmen ohne zu „bohren“!

mehr gemalt hat – indem man am Anfang alle vier bis fünf Minuten die Farben etwas mit dem Spray benetzt, sodass die Tröpfchen nicht zusammenlaufen. Später reicht es alle 15 oder 30 Minuten, vielleicht irgendwann nur noch einmal in der Stunde, wenn die Farbe entsprechend aufgeweicht ist. Glauben Sie mir, ich sehe Bildern an, ob sie mit einem Kasten gemalt worden sind, der funktioniert (also aus dem die Aquarellfarbe leicht zu entnehmen ist) oder aus einem Kasten, in dem die Aquarellfarben hart sind und sich kaum anlösen. Denn im letzteren Fall wird viel zu viel Wasser benötigt, die Farbe erlangt keine Intensität beim Auftragen auf das Papier und die Ergebnisse sehen blass aus.

Weniger ist mehr. Genau das ist es, was mich bei der Aquarellmalerei so sehr fasziniert. Mit minimalem Handwerkszeug ausgerüstet, dazu Papier, Farbe, mit dem soeben beschriebenen Wasserspray und einem Baumwolltuch sind Sie bereit. Immer und überall.

Den Aquarellstift und den speziellen Aquarellpinsel beschreibe ich gleich ausführlicher. Einen guten breiten Pinsel, in der Art wie er hier abgebildet ist, können Sie in einem Malereifachgeschäft kaufen. Es gibt die verschiedensten Breitpinsel mit Kunsthaar oder auch Borstenhaaren. Entscheidend ist, dass diese Pinsel eine gewisse Dicke aufweisen, damit sich die Haare beim Arbeiten nicht teilen und dadurch unerwünschte Streifen produzieren. Wie bei vielen Sachen gilt aber auch hier: Trial & Error.

PAPIER – DAS FUNDAMENT

Wenn Sie ein Haus bauen wollen, möglicherweise gar ein komplexes, gleich, ob mit Steinen, Holz oder anderen Materialien, dann können Sie alles vergessen, wenn Sie kein gutes Fundament haben.

Wenn Sie ein Bild malen wollen, möglicherweise gar ein komplexes, d. h. mit verschiedenen Farbaufträgen, mit Stiften und mit verschiedenen Werkzeugen, dann können Sie alles vergessen, wenn Sie kein gutes Fundament, also kein hochwertiges Papier, haben. Mir tut es oft richtig weh, wenn ich Teilnehmer in meinen Kursen habe, die manchmal eine weite Reise unternommen haben, um mit mir irgendwo in Europa zu malen, die auch Talent und gute Anlagen haben, möglicherweise auch gute Farben und Stifte, aber ein Papier mitgebracht haben, das vielleicht einen Euro weniger kostet, aber auf dem man beim besten Willen nichts zu Stande bringt. Oft vergleiche ich das mit dem Skifahren. Wenn Sie Anfänger und motiviert sind, können Sie sich zwar die teuersten Ski kaufen, die wunderbarsten Stöcke, die besten Skischuhe, aber Sie können alles komplett vergessen, wenn Sie auf schlecht präparierten Pisten üben. Sie werden enttäuscht sein und sagen, Skifahren ist nichts für mich.

Bei der Malerei ist es auch so. Gerade als Anfänger brauchen Sie das beste Material! Und als Profi wollen Sie normalerweise eh nichts anderes. Arches® ist die einzige Papiermühle der Welt, die durchgelatinierte Aquarellpapiere herstellt. Durch die Masseleimung mit natürlicher Gelatine werden die Pigmente auf der Oberfläche fixiert, was dazu führt, dass die Leuchtkraft und Transparenz der Farben stets bewahrt werden. Die Durchgelatinierung ermöglicht ein mehrfaches Lavieren und verstärkt die Kratz- und Radierfestigkeit des Papieres, ohne zu reißen oder zu fusseln. Dadurch können Sie die Pigmente sowohl nass als auch trocken entfernen, um fast den ursprünglichen Weißton wieder zu erhalten. Arches®-Aquarellpapiere können viel Wasser aufnehmen und verformen sich dabei kaum.

Für alle „Abenteuerübungen“ in diesem Buch habe ich Arches®-Papier verwendet.

Weiche Farbübergänge

Interessante Strukturbildung

Spannende Auflösungstechniken

FARBEN

Hier will ich es ganz kurz machen: Kaufen Sie gute Farben, kaufen Sie deutsche Farben und speziell bei Aquarell: Kaufen Sie Schmincke! So einfach ist das!

Vergewissern Sie sich auf jeden Fall, dass die Produkte, die Sie kaufen, egal unter welchem deutschen Namen sie vermarktet werden, nicht in Russland (Farben lösen sich nach dem Trocknen auf dem Papier zu leicht wieder an) und vor allen Dingen nicht in Asien (keine Farbbrillanz und schlechte Streichqualität) hergestellt wurden. Die Produktionen aus diesen Ländern sind ungeeignete Kopien von traditionellen Firmen, die ihre Produkte mit jahrhundertelanger Erfahrung in Deutschland bzw. Europa produzieren.

TIPP: Auch bei Farben gilt: Weniger Quantität, mehr Qualität. Mit ca. 15 verschiedenen Farben können Sie fast alles veranstalten. Für mich gibt es dabei ein paar unverzichtbare Farben, wie z. B. „Lasur-Orange“ (leuchtet fantastisch, ohne deckend zu sein) oder „Chromoxid-Grün feurig“ (furchtbar giftiger Farbton, aber hervorragende Grundlage für Mischungen mit Braun, Ocker, Blau oder Gelb). Ich bin Fan von „Paynesgrau bläulich“ und begeistert von der Tiefe, die sich mit dieser Farbe gestalten lässt. Aber entscheiden Sie doch einfach nach Ihrem Geschmack!

Zugegeben, bei mir in der Kiste sind mehr als 15 Farben, denn ich bin auch neugierig und probiere gerne Unbekanntes aus. Was mich aber wirklich nervt, sind die Drehverschlüsse für die Farbtuben, die sich regelmäßig verkleben. Vielleicht liest ja irgendein Produktmanager diese Zeilen und fängt an, hier eine Entwicklung, ähnlich wie bei Acrylfarben, voranzutreiben?

Ich benutze gerne Farbe aus Tuben, weil ich damit am besten große Farbnäpfe individuell befüllen kann. Meine Palette beziehe ich aus Florida, man kann sie auch bei mir im Kurs erwerben. Die zufälligen Farbreste in der Mitte der Palette sind oft anregende Farbinspirationen.

PINSEL

Wenn Sie gerne kochen, brauchen Sie ein gutes Messer. Ok, vielleicht auch zwei oder drei, aber sicher nicht unzählige Messer in zig verschiedenen Ausführungen. Was Sie zum Malen brauchen, ist ein einziger, guter Pinsel, vielleicht auch einen Zweiten oder Dritten, mit dem Sie fast alles machen können. So sind Sie nicht gezwungen, permanent Ihr Handwerkszeug zu wechseln und dabei aus dem Schaffensprozess herausgerissen zu werden.

Die folgenden Bilder sind nur mit einem einzigen, nämlich dem „da Vinci Cosmotop-Spin"-Pinsel, entstanden. Dieser Pinsel erlaubt, mit seiner feinen Spitze extrem winzige Details zu malen, aber auch gleichzeitig, wenn man ihn sehr schräg, fast waagerecht hält, die Papierstruktur hervorzuholen („dry brush“). Zu dieser Maltechnik schauen Sie sich bitte auch das Kapitel: „Wähle dry, dry, dry“ (S. 36-39) an.

Die Haare dieses Pinsels haben genug Spannung, um gezieltes Arbeiten zu ermöglichen und auch angetrocknete Farbe aufzulösen. Sein Volumen lässt ausreichend Wasser- bzw. Farbvorrat in den Pinsel laufen, um nicht permanent den Malprozess unterbrechen zu müssen, um „nachzutanken“.

Wasser, Wellen, Wolken – ich liebe diese Motive. Auch wenn maltechnische Anleitungen zur künstlerischen Umsetzung dieses schönen Themas in diesem Buch leider keinen Platz bekommen können, so sehen wir in diesem Bild –einfach und „unrealistisch“ beschrieben –weiche Übergänge, harte Kontraste, spannende Strukturen, große Flächen, kleine Details. Dieses ca. 70 cm breite Aquarell habe ich mit nur einem einzigen Pinsel angefertigt, dem „da Vinci Cosmotop-Spin“.

UND SO GEHT’S

Mit flachen, ungenauen Strichen ohne allzu viel Druck werden die dunklen Stellen mit dem „Cosmotop-Spin“-Pinsel grob angelegt. Direkt danach werden mit einem Aquarellstift in die noch nasse Farbe wenige Definitionen markiert.

Auch das „finale Make-up“ wurde ausschließlich mit dem „Cosmotop-Spin“ aufgetragen.

Nach relativ kurzer Wartezeit wird diese Vorlage durch großzügiges Übermalen mit ockergetönter, wässriger Farbe angelöst und in Verbindung gebracht. Die Spannung in der Pinselspitze ist so stark, dass eine Anlösung der vorhandenen Strukturen möglich ist.

STIFTE

Ein Aquarellstift muss für mich zwei diametral verschiedene Funktionen als Ergänzung zur Malerei mit dem Pinsel erfüllen. Zum einen muss er definieren, d. h. mit dünnen und präzisen Strichen eine Form hervorholen, dabei die Kanten und Konturen schärfen und Details definieren – zum anderen muss er aber auch das Gegenteil können: Er muss sich wieder auflösen, mit Wasser verwischen lassen, also das Gegenteil von definieren.

Es gibt inzwischen viele verschiedene Firmen, die Aquarellstifte herstellen. Die einen lassen sich gut anlösen, aber definieren nicht ausreichend –die anderen definieren scharfkantig, aber lassen sich nicht mehr richtig anlösen.

UND SO GEHT’S

TIPP: Ich empfehle wärmstens die Serie „Albrecht Dürer“ von Faber Castell. Diese Aquarellstifte erfüllen meine oben beschriebenen Anforderungen am besten.

Eine reine Aquarellstiftzeichnung ergibt für mich normalerweise auf Aquarellpapier keinen großen Sinn.

Spannend wird es, wenn man stellenweise mit verschiedenen Techniken (hier im Beispiel sehr primitiv) Wasser zuführt und eine Auflösung provoziert.

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Auf der nassen Zeichnung wiederum zeichnet der Aquarellstift viel satter.

In Sekundenschnelle können Sie auf diese Weise im Zusammenspiel von trocken aufgetragenen

Aquarellstiften, „farbigem“ Wasser und spielerischer Lust Andeutungen von Figuren entstehen lassen.

In diesem Beispiel sehen Sie, wie sich verschiedene Effekte je nach der Menge des hinzugefügten Wassers auf eine vorhandene Zeichnung mit ausschließlich einem schwarzen Aquarellstift auswirkt. Bei den drei Figuren ist –von links nach rechts –sukzessive mehr Wasser hinzugefügt worden.

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